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Brennpunkt Sportverweigerer – eine ... - Hofmann Verlag

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Integration von chronisch kranken Kindern und Jugendlichen im Sportunterricht<br />

„Das Wichtigste ist, dass Sportlehrer<br />

den kranken Kindern<br />

vertrauen und glauben, dass sie<br />

krank sind. Das Schlimmste ist,<br />

ihnen zu sagen, dass sie simulieren.“<br />

Trotz der möglichen Risiken und<br />

Schwierigkeiten, die bei Asthmatikern<br />

beim Sporttreiben auftreten<br />

können, ist es laut dem Deutschen<br />

Allergie und Asthmabund (2007)<br />

von zentraler Bedeutung, dass <strong>–</strong> wie<br />

auch die Schüler der vorliegenden<br />

Untersuchung berichteten <strong>–</strong> asthmatisch<br />

erkrankte Kinder und Jugendliche<br />

nicht vom Schulsport befreit<br />

werden. Denn Bewegung, Spiel<br />

und Sport sind für ihre körperliche<br />

als auch geistige Entwicklung von<br />

Bedeutung.<br />

Rheuma und<br />

Sportunterricht<br />

Im Gegensatz zu Asthma beeinträchtigt<br />

<strong>eine</strong> Rheumaerkrankung<br />

die Teilnahme am Schulsport stark.<br />

Dies liegt nicht zuletzt daran, dass<br />

<strong>eine</strong> medikamentöse Therapie die<br />

rheumatische Erkrankung nicht<br />

derart positiv beeinflussen kann,<br />

dass <strong>eine</strong> uneingeschränkte Teilnahme<br />

am Sportunterricht möglich<br />

wäre. So berichtete Lena:<br />

„Gerade nehm ich nicht am<br />

Schulsport teil, mach aber so<br />

zwischendurch ein bisschen<br />

mit. Als ich dann behandelt<br />

wurde, da wieder ein bisschen<br />

mehr, aber eigentlich nie so<br />

richtig.“<br />

Es stellt sich also die Frage, ob rheumatisch<br />

erkrankte Kinder und Jugendliche<br />

überhaupt Sporttreiben<br />

bzw. am Sportunterricht teilnehmen<br />

dürfen. Während sich bei <strong>eine</strong>r<br />

akuten Krankheitsphase <strong>eine</strong> generelle<br />

Befreiung vom Sportunterricht<br />

empfiehlt (vgl. Häfner, 2006), sind<br />

vor allem in der Remissionsphase<br />

vielseitige und körperliche Aktivitäten<br />

möglich und notwendig, um<br />

die Beweglichkeit der Gelenke zu<br />

erhalten bzw. zu verbessern, Osteoporose<br />

vorzubeugen und den Ge-<br />

lenkknorpel zu regenerieren. Aufgrund<br />

dieser therapeutischen Wirkung<br />

von Sport sowie der Reduktion<br />

von psychischen Belastungen,<br />

muss es darum gehen, in den symptomfreien<br />

Intervallen Regelungen<br />

zu finden, den rheumatisch erkrankten<br />

Kindern und Jugendlichen <strong>eine</strong><br />

adäquate integrative Teilnahme am<br />

Schulsport zu ermöglichen.<br />

Im Vordergrund steht dabei aus<br />

Schülersicht das Vertrauen und Verständnis<br />

der Lehrer. Diese müssen<br />

zu Kompromissen bereit sein. Über<br />

ein solches Positiv-Beispiel berichtete<br />

Stefan:<br />

„Mich freut, dass wir gerade<br />

Schwimmen haben im Schulsport,<br />

weil Schwimmen kann<br />

ich gut und das ist auch gut für<br />

Rheuma. […] Und die Lehrer<br />

versuchen auch schon alles irgendwie<br />

mir Recht zu machen.<br />

[…] Mein Sportlehrer versucht<br />

mich jetzt, in die Parallelklasse,<br />

wenn die Schwimmen hat, da<br />

mit rein zu stecken.“<br />

So empfanden es die rheumatisch<br />

erkrankten Schülerinnen und Schüler<br />

insgesamt als optimal, wenn ihnen<br />

so viel Vertrauen in ihre Eigenständigkeit<br />

entgegengebracht wurde,<br />

dass sie nach eigenem Ermessen<br />

am Sportunterricht teilnehmen<br />

durften. So rufen beispielsweise gesonderte<br />

Aufgabenstellungen ebenso<br />

wie ein häufiges Am-Rand-Sitzen<br />

negative Emotionen, wie Frustration<br />

oder das Gefühl, ein Außenseiter<br />

zu sein, hervor.<br />

„Weil wenn ich da immer sitze,<br />

möchte man halt gerne mitmachen.<br />

[…] Da fühlt man sich<br />

schon ein bisschen ausgegrenzt.<br />

Und das ist manchmal so langweilig.<br />

Ja, und dann ist man<br />

halt nicht so gut drauf, weil es<br />

ist schon komisch, die springen<br />

da alle rum und man kann irgendwie<br />

nichts machen.“<br />

Im Sinne des integrativen Gedankens<br />

gilt es vielmehr, das eigenverantwortliche<br />

Handeln der rheumakranken<br />

Kinder und Jugendlichen<br />

zu stärken. In Übereinstimmung mit<br />

Untersuchungen von Scheid (1995),<br />

sahen es die rheumatisch erkrankten<br />

Kinder und Jugendlichen der<br />

vorliegenden Stichprobe als geeignetes<br />

integratives Element an, den<br />

jeweiligen Unterrichtsgegenstand<br />

entsprechend ihrem individuellen<br />

Können zu modifizieren. So berichtete<br />

beispielsweise ein Schüler, dass<br />

er bei <strong>eine</strong>m Hindernisparcours<br />

nicht <strong>–</strong> wie s<strong>eine</strong> Klassenkameraden<br />

<strong>–</strong> über die Hindernisse springen<br />

musste, sondern „einfach Slalom<br />

drum laufen durfte“.<br />

Leistungsbewertung der<br />

rheumatisch erkranken<br />

Schülerinnen und Schüler<br />

Hinsichtlich der Leistungsbewertung<br />

gestaltet sich die Integration<br />

der rheumatisch erkrankten Kinder<br />

und Jugendlichen in den Sportunterricht<br />

diffiziler als bei den an Asthma<br />

erkrankten Kindern und Jugendlichen.<br />

Die Benotung erfolgte<br />

in der Regel nicht anhand von Kriterien,<br />

die bei der Leistungsmessung<br />

gesunder Schülerinnen und<br />

Schüler grundlegend sind, sondern<br />

individuelle Absprachen dominierten.<br />

D.h., dass in der Regel nur<br />

Übungen benotet wurden, die<br />

durch die Erkrankung nicht beeinträchtigt<br />

waren. Folgende Aussage<br />

<strong>eine</strong>s Schülers zeigt, dass die Sportnote<br />

für chronisch kranke Schülerinnen<br />

und Schüler jedoch <strong>eine</strong>n<br />

wichtigen Anreiz zum Sporttreiben<br />

in der Schule darstellt:<br />

„Ja, ich krieg ne Note, aber das,<br />

was ich nicht mitmachen<br />

kann, wird ausgeklammert. In<br />

Schwimmen bekomme ich sogar<br />

ne zwei.“<br />

Stellenwert des Sportunterrichts<br />

für chronisch<br />

kranke Schülerinnen und<br />

Schüler<br />

Insgesamt waren die befragten asthmatisch<br />

und rheumatisch erkrankten<br />

Kinder und Jugendlichen mit<br />

ihrer Teilnahme am Sportunterricht<br />

170 sportunterricht, Schorndorf, 58 (2009), Heft 6

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