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Begleitheft zur Ausstellung - Angewandte Kunst Köln

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ornamental verziert. Allerdings musste der Dekor einen allegorischen<br />

Bezug <strong>zur</strong> Hochzeit haben und die Wappen der jeweiligen Familien<br />

zeigen.<br />

Nicht recht viel anders verhält es sich mit den »deutschen“ Arbeiten,<br />

wenngleich Wappen insgesamt nur selten auf den Kästchen auftauchen,<br />

und daher ist es sicher nicht zu weitgehend, wenn von den Motiven<br />

der Kästchen, die das ganze übliche Spektrum von Liebesmotiven<br />

des Mittelalters aufweisen, auf deren Verwendung als Hochzeits- oder<br />

Verlobungsgaben geschlossen werden kann. So ist nicht automatisch<br />

jedes Kästchen mittelalterlicher Herkunft ein Minnekästchen – wie oft<br />

in diversen Katalogen zu lesen ist. Nur dann sollte von Minnekästchen<br />

gesprochen werden, wenn es entsprechende Motive aus der Bildwelt<br />

der Liebe schmücken.<br />

III.<br />

Als ich eines der Objekte der <strong>Ausstellung</strong> sah, erinnerte ich mich an<br />

eine französische Liebesgeschichte des ausgehenden 11. Jahrhunderts,<br />

die den Titel: »Laüstic oder die Nachtigall« trägt. Ein junger Mann hat in<br />

Erinnerung an seine große Liebe, die – wie es oft bei großen Lieben der<br />

Fall ist – unerfüllt blieb, ein goldenes und edelsteinbesetztes Reliquiar<br />

bis an sein Lebensende mit sich getragen, welches jene in ein besticktes<br />

Seidentuch gehüllte tote Nachtigall barg, die in der Geschichte<br />

der beiden Unglücklichen die titelgebende Rolle spielte. Hier ist es eine<br />

Feder, ein Diamant und eine Goldkugel, deren Bedeutung dem uneingeweihten<br />

Betrachter – wie das Kästchen – verschlossen bleibt. Heute<br />

noch wollen wir Kästchen öffnen und hoffen auf im Inneren verborgene<br />

goldene Schätze, heute noch hüten und sammeln wir in kleinen Behältnissen<br />

– oder sim-Karten – die Locke des Geliebten, den ersten Liebesbrief,<br />

die erste SMS mit den drei Worten und tausend andere Dinge und<br />

Erinnerungen. Fast alle Objekte der <strong>Ausstellung</strong> spielen – in den unserer<br />

Zeit entsprechenden Formen – mit den gleichen Gegensatzpaaren (die<br />

sie zu vereinen suchen), den gleichen Bedürfnissen und Sehnsüchten

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