16.01.2013 Aufrufe

Die Karawane zieht weiter nach Köpenick - estavis.de

Die Karawane zieht weiter nach Köpenick - estavis.de

Die Karawane zieht weiter nach Köpenick - estavis.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Nein,rauh und heruntergekommen ist sie<br />

nicht. <strong>Die</strong> Industriebrache am Ufer <strong>de</strong>r<br />

Spree im Südosten Berlins, gegenüber <strong>de</strong>r<br />

<strong>Köpenick</strong>er Altstadt, sieht beinahe lieblich<br />

aus. Wie ein alter Klinikpark erstreckt sich<br />

das Werksgelän<strong>de</strong> hinunter zum Wasser.<br />

Klinkerhallen stehen da, ehrwürdige Bäume,<br />

und am Ufer beschließen zwei schlanke<br />

stiftförmige Bauten das Ensemble, als<br />

wären sie Leuchttürme. Vorne zur Straße<br />

hin produziertebis vorkurzem <strong>de</strong>r amerikanische<br />

Konzern Eastman Kodak Röntgenpapiere,<br />

das restliche Areal liegt schon lange<br />

ungenutzt brach. Nun hat Kodak das<br />

Ufergrundstück verkauft, die letzten Betriebsteilewer<strong>de</strong>n<br />

umziehen.<br />

„Der Charakter <strong>de</strong>s Ortes ist einfach herausragend“,<br />

sagt Florian Lanz von <strong>de</strong>r Estavis<br />

AG, die das Gelän<strong>de</strong> entwickelt. Das<br />

Unternehmen will die <strong>de</strong>nkmalgeschützten<br />

Hallen und Türme inWohnhäuser umwan<strong>de</strong>ln.<br />

Eini<strong>de</strong>ales Quartier fürFamilien sieht<br />

Lanz kommen, gehülltinmarkanteKlinkerfassa<strong>de</strong>n.Folgt<br />

man <strong>de</strong>m jungen Firmenchef<br />

durch das Gestrüpp zum Spreeufer, kann<br />

man sich dieses Gelän<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Tat als komfortable<br />

Wohnadresse ausmalen. Lanz beschwört<br />

zu<strong>de</strong>m die beson<strong>de</strong>re Aura <strong>de</strong>s Ortes,<br />

<strong>de</strong>nn ursprünglich unterhieltKodak eine<br />

richtige Filmfabrik. In <strong>de</strong>n dreißiger Jahren<br />

wetteiferten die Amerikaner von <strong>Köpenick</strong><br />

aus mit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Agfa um <strong>de</strong>n Farbfilm.<br />

Solch eine illustre Geschichte <strong>zieht</strong><br />

natürlich für eine Umnutzung. Auch in <strong>de</strong>r<br />

DDR ging noch die Filmbranche am <strong>Köpenick</strong>er<br />

Spreeufer ein und aus, wo es ein Ko-<br />

Son<strong>de</strong>rdruck aus <strong>de</strong>r Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 10. Oktober 2010<br />

<strong>Die</strong><strong>Karawane</strong> <strong>zieht</strong> <strong>weiter</strong> <strong>nach</strong> <strong>Köpenick</strong><br />

WasinBerlin bis vor kurzem noch als stilles Refugium <strong>de</strong>r einstigen Ost-Elite galt,<br />

könnte bald zur schickenWohnadresse wer<strong>de</strong>n:<strong>Köpenick</strong> bietet reichlich Ufergrundstücke<br />

VonJörg Niendorf<br />

<strong>Köpenick</strong> ist reich an Ufergrundstücken<br />

Fotoimago/Günter Schnei<strong>de</strong>r<br />

pierwerk und Vorführsälefür Defa-Produktionen<br />

gab. <strong>Die</strong> schillern<strong>de</strong> Geschichte <strong>de</strong>r<br />

Brache lässt sich gut vermarkten, zumal die<br />

Anbieter <strong>de</strong>n Käufern noch Steuervorteile<br />

verheißen: Bei einer Denkmalsanierung,<br />

<strong>de</strong>m einzig verbliebenen Weg, um dieses<br />

Gebiet wie<strong>de</strong>r zu nutzen, bestehen Abschreibungsmöglichkeiten.<br />

Als Industriestandort ist <strong>Köpenick</strong><br />

längst Geschichte.<br />

Drei Häuser machen <strong>de</strong>n Anfang, sie wer<strong>de</strong>n<br />

nun entkernt. Bisher seien 20 <strong>de</strong>r geplanten<br />

28 Wohnungen verkauft, heißt es.<br />

Alles in allem sollen 230 Eigentumswohnungen<br />

auf <strong>de</strong>m Grundstück entstehen, kündigt<br />

Lanz an. Zwischen 3000 und 3400 Euro<br />

kostet <strong>de</strong>r Quadratmeter, die meisten<br />

Wohnungen wer<strong>de</strong>n um die 80Quadratmeter<br />

groß sein. Für Kapitalanleger, die Estavis<br />

im Blick hat, ist das die i<strong>de</strong>ale Größe, <strong>de</strong>nn<br />

diese Wohnungsgrößen lassen sich eigentlich<br />

immer vermieten. Insgesamt sollen 65<br />

MillionenEuroinvestiert wer<strong>de</strong>n. Erstmalig<br />

wagt sich damitjemandinBerlinandie Umwandlung<br />

einer Fabrik, die we<strong>de</strong>r im Zentrum<br />

noch im neu-bürgerlichen Pankow<br />

o<strong>de</strong>r etablierten Südwesten liegt, son<strong>de</strong>rn im<br />

eher fernen Südosten.<br />

<strong>Die</strong> Entscheidung von Estavis ist jedoch<br />

nur auf <strong>de</strong>n ersten Blick verwegen. Denn<br />

Beobachter <strong>de</strong>s Berliner Wohnungsmarktes<br />

prophezeien <strong>de</strong>n Aufstieg <strong>de</strong>r Wasserlagen<br />

im RandbezirkTreptow-<strong>Köpenick</strong>. Der Bezirk<br />

ist reichansolchen Flächen, die häufig<br />

wie im Fallvon Kodak auf Industriebrachen<br />

liegen. Für steuerlich geför<strong>de</strong>rte Denkmalsanierungen<br />

ergibt sich eine riesige Spielwiese.<br />

„Frühere Gewerbe-I<strong>de</strong>en auf diesen<br />

Flächen haben sich erübrigt,jetzt lauten die<br />

Nachfragen nur noch <strong>nach</strong> Wohnnutzungen“,<br />

sagt Ute Löbel, Leiterin <strong>de</strong>s Stadtplanungsamts.<br />

Ihr Büro liegt im backsteinernen<br />

Rathaus in <strong>de</strong>r Altstadt von <strong>Köpenick</strong>, die<br />

selbst umgeben ist von Wasser. Über einen<br />

Fußgängersteg gelangt man von dort aus<br />

auch zur einstigen Kodak-Filmfabrik. <strong>Die</strong><br />

Amtsleiterin hofft auf die Strahlkraft dieses<br />

zentralen Projekts, auf „Mitnahmeeffekte<br />

für an<strong>de</strong>re große Brachen“.<br />

Wer imBoot auf <strong>de</strong>n Flüssen Spree und<br />

Dahme unterwegs ist,siehtbisweilen nichts<br />

an<strong>de</strong>resals alte, teils arg heruntergekommene<br />

Backsteinfabriken. Wie auf <strong>de</strong>r Perlenschnur<br />

reihen sich verlassene Gemäuer,<br />

einstige Schlote, auch geräumte Brachflächen,<br />

auf<strong>de</strong>nen allenfallsnoch ein Trafohäuschen<br />

steht, aneinan<strong>de</strong>r. <strong>Die</strong> „Waschküche<br />

Berlins“ war <strong>Köpenick</strong> einst, <strong>de</strong>nn<br />

vis-à-vis<strong>de</strong>r Altstadt lagim19. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />

die ersteindustrielleGroßreinigung.Außer<strong>de</strong>m<br />

produzierte hier die Metall- und Elektroindustrie,<br />

zu DDR-Zeiten auch eine Chemiefabrik.<br />

Alle sie<strong>de</strong>lten sich am Fluss an.<br />

Spreeabwärts, in Richtung Berliner Innenstadt,<br />

lagen die Industriebetriebe von Oberund<br />

Nie<strong>de</strong>rschönewei<strong>de</strong>, das war das „Elektropolis“<br />

<strong>de</strong>s grün<strong>de</strong>rzeitlichen Berlin. Auch<br />

in diesen Ortsteilen, die ebenfalls zu Treptow-<strong>Köpenick</strong>gehören,<br />

gäbe es ein riesiges<br />

Flächenpotential am Ufer,erläutert Ute Löbel.<br />

Allein acht Großflächen zählt die Amtsleiterin<br />

inihrem Zuständigkeitsbereich auf,<br />

allesamt mit Ausmaßen zwischen 35 000<br />

und 150 000 Quadratmetern (siehe Karte).<br />

Bisher waren es La<strong>de</strong>nhüter, nun sind sie im<br />

Visier <strong>de</strong>r Projektentwickler.<br />

„Vom Rand an <strong>de</strong>n Anfang“ rückten sie,<br />

urteilt Ute Löbel mit verhaltenem Stolz.<br />

Lange hat<strong>de</strong>r Bezirkdarauf wartenmüssen.<br />

Doch <strong>de</strong>rzeit wächst die Bevölkerung jährlich<br />

um 2,5 Prozent, private Bauherren suchen<br />

hän<strong>de</strong>ringend Grundstücke. „Erstjetzt<br />

ent<strong>de</strong>cken viele, was das für ein Kleinod<br />

ist“, beschreibt ein Architekt die Lage. Er<br />

selbst bediente bisher eher eine Prenzlauer-<br />

Berg-Klientel, „nun <strong>zieht</strong> die <strong>Karawane</strong><br />

<strong>weiter</strong>, auch an <strong>de</strong>n Müggelsee“, sagt er.<br />

Zwei Wassergrundstücke beplant er für junge<br />

Baugruppen, die sich formiert haben und<br />

die ins Grüne wollen. Typische Beispiele<br />

seien das, heißt es dazu im Rathaus. <strong>Die</strong> gute<br />

Verkehrsanbindung zum Flughafen Schönefeldlockt<br />

außer<strong>de</strong>m.<br />

In zwei Jahren wird <strong>de</strong>r ausgebaute Airport<br />

<strong>de</strong>r alleinige Start- und Lan<strong>de</strong>punkt in<br />

Berlin sein.<br />

Was bis vor kurzem noch als stilles Refugium<br />

einer früheren Ost-Elite galt, könnte<br />

bald schick sein:Nämlich die oft beschaulichen,<br />

in sich geschlossenen Ortsteile wie


Seite 2 Frankfurter Allgemeine Zeitung<br />

Das war einmal:WoKodak früher Farbfilme<br />

produzierte, entsteht ein Wohnviertel<br />

FotoEstavis<br />

<strong>Köpenick</strong>, Müggelheim, Friedrichshagen,<br />

Wen<strong>de</strong>nschloss und Grünau. Und selbst die<br />

eher urban-verdichteten Arbeiterstadtteile<br />

wie Ober- und Nie<strong>de</strong>rschönewei<strong>de</strong> verän<strong>de</strong>rten<br />

schon ihren Charakter, beobachtet<br />

Alexan<strong>de</strong>r Hae<strong>de</strong>r, ein langjähriger Kenner<br />

<strong>de</strong>r Gegend. Seit einem Jahr ist die Hochschule<br />

für Technik und Wirtschaft da, viele<br />

Uferflächen sind nun öffentlich, an<strong>de</strong>re sollen<br />

es wer<strong>de</strong>n, darauf drängen viele Stadtteilbewohner.<br />

Allewollen ans Wasser. Hae<strong>de</strong>r<br />

hat schon als Projektentwickler für das<br />

Land Berlin hier gearbeitet, nun ist er Manager<br />

<strong>de</strong>r britischen Comergroup. <strong>Die</strong>ser<br />

gehört mittlerweile ein riesiges Wassergrundstück<br />

mitsamt einem berühmten Peter-Behrens-Bau<br />

von 1914. Das Denkmal<br />

bleibeein Büro-und Gewerbezentrum, sagt<br />

Hae<strong>de</strong>r, aber alle Hallen dahinter sollten<br />

<strong>de</strong>m Wohnungsbau weichen.<br />

Ein <strong>weiter</strong>es, wirklich <strong>de</strong>solates Bau<strong>de</strong>nkmal<br />

besitzt die britische Gesellschaft<br />

im Zentrum von<strong>Köpenick</strong>: Das frühereKabelwerkstehtmehr<br />

als ein Jahrzehnt still.In<br />

zwei <strong>de</strong>nkmalgeschützten Stockwerksfabriken<br />

sollten 150 Wohnungen entstehen, erzählt<br />

Hae<strong>de</strong>r, angetriebenwür<strong>de</strong> auch diese<br />

Umwandlung vom Motor <strong>de</strong>r Steuersparmo<strong>de</strong>lle<br />

für die Käufer. Weitere 500 Neubauwohnungen<br />

könnten hinzukommen, ein<br />

Bebauungsplan sei beantragt.<br />

Wie an an<strong>de</strong>ren Orten auch, wur<strong>de</strong>n die<br />

Industrieflächen noch durch die staatlichen<br />

Voreigentümer und mit Hilfe von EU-Gel<strong>de</strong>rn<br />

bereinigt.„Auf die 500 Meter Uferlinie<br />

freuen wir uns“, sagt Hae<strong>de</strong>r, auch das sei<br />

ein Antrieb für das Vorhaben. <strong>Die</strong> Allgemeinheit<br />

kann sich ebenfalls freuen, <strong>de</strong>nn<br />

mit je<strong>de</strong>m Wohnbauprojekt wird das Netz<br />

<strong>de</strong>r öffentlichen Uferwege ausgebaut. Das<br />

Über <strong>de</strong>nStandort<br />

Treptow-<strong>Köpenick</strong> ist <strong>de</strong>r flächenmäßig<br />

größte Berliner Bezirk,außer<strong>de</strong>m<br />

hat er die meisten Wasser- und Waldflächen<br />

innerhalb <strong>de</strong>r Stadt. Der Müggelsee,<br />

durch <strong>de</strong>n die Spree fließt, liegt<br />

hier. Derzeit leben rund 240 000 Einwohner<br />

im Bezirk. Es gibt fünfzehn<br />

Ortsteile, darunter sehr stark von früherer<br />

Industrie geprägte Gebiete wie<br />

Nie<strong>de</strong>r- und Oberschönewei<strong>de</strong>, aber<br />

auch entlegene Stadtrandsiedlungen wie<br />

Schmöckwitz, Rahnsdorf o<strong>de</strong>r Grünau.<br />

<strong>Die</strong> Altstadt von <strong>Köpenick</strong> mitsamt<br />

barockem Schloss ist ein saniertes Freiluft<strong>de</strong>nkmal,<br />

hier treffen die Flüsse Dahme<br />

und Spree zusammen. Laut einer Studie<br />

<strong>de</strong>s Analysehauses Bulwien-Gesa<br />

liegt die Gegend um <strong>de</strong>n Müggelsee<br />

künftig schon auf Platz 2, wenn es um<br />

die bestehen<strong>de</strong> Nachfrage <strong>nach</strong> Wohneigentum<br />

in <strong>de</strong>r Hauptstadt geht. nien.<br />

hebt Ute Löbel vom Planungsamt in <strong>Köpenick</strong><br />

beson<strong>de</strong>rs hervor. Aneinem „Ufer für<br />

alle“ führeinBerlin kein Weg vorbei.<br />

Auch an <strong>de</strong>r „Glanzfilmfabrik“ wird es<br />

diesen Weg geben, gleich neben <strong>de</strong>n alten<br />

Fassa<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Türme am Wasser. Da diese zu<br />

Wohntürmen wer<strong>de</strong>n, bekommensie Balkone,<br />

das lassen dieDenkmalschützer zu. Viele<br />

Kompromisse sind notwendig. Genauso<br />

wird nebenan ineinengroßenHallenbau ein<br />

Atrium hineingefräst, damitdie Wohnungen<br />

in <strong>de</strong>m äußerst tiefen Bau überhaupt genug<br />

Licht bekommen. Dafür, solobt wie<strong>de</strong>rum<br />

<strong>de</strong>r Estavis-Chef Lanz, sei bei Industrie<strong>de</strong>nkmalen<br />

aber auch die Grundrissgestaltung<br />

ganz frei. Und oft gäbe es eben auch<br />

<strong>de</strong>n Reiz <strong>de</strong>r Geschichte, viel mehr als bei<br />

reinen Wohn<strong>de</strong>nkmalen.<br />

©Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter<br />

Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.<br />

Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter<br />

Allgemeine Archiv. www.faz-archiv.<strong>de</strong>/<br />

son<strong>de</strong>rdrucke.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!