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Das informative Monatsmagazin für Beinwil am See

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Personenportrait – Fortsetzung<br />

«1907 war ein Wendepunkt in Sachen Velos», wie<br />

Greuter sagt. «Da k<strong>am</strong> das Velo in die Reichweite<br />

des normalen Büezers. Vorher war es nur etwas, das<br />

sich die reichen Fääger leisten konnten.»<br />

Stolz war Greuter natürlich auf sein erstes Velo, mit<br />

welchem er nach Reinach in die Schule fuhr. Sein<br />

Velo war mit einer Nabenschaltung der Marke Sturmey<br />

Archer ausgerüstet. Zwar keine Neuheit, denn<br />

diese Schaltung wurde bereits im Jahr 1902 patentiert<br />

und hatte sich im Velobau längst etabliert. Aber:<br />

Wer über eine Schaltung <strong>am</strong> Velo verfügte, hatte<br />

etwas zu sagen. Von Velos war Greuter seit seiner<br />

Jugendzeit fasziniert. Verstärkt wurde diese Faszination<br />

aber erst in den späteren Berufsjahren. Der<br />

Berufsberater riet ihm, Schriftsetzer zu lernen. Greuter<br />

winkte ab. «Früher musste man als Schriftsetzer<br />

den ganzen Tag stehen.» <strong>Das</strong> war definitv nicht sein<br />

Ding. Also absolvierte er die Verkehrsschule und<br />

Tobias Greuter mit Hochrad auf dem Buch-Umschlag<br />

«Mit dem Rad durch zwei Jahrhunderte».<br />

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Tobias Greuter mit Lieblingsvelo. Vorne über<br />

dem Pneu erkannt man die Radlaufglocke.<br />

machte anschliessend in Menziken eine Post-Lehre.<br />

Welschlandaufenthalt und eine Anstellung bei der<br />

Bahnpost waren seine weiteren Stationen, ehe er ins<br />

Verlagswesen wechselte. Im Sauerländer-Verlag in<br />

Aarau fand er eine neue Beschäftigung in der Auslieferung.<br />

Und wie beim Velofahren hiess die Devise <strong>für</strong><br />

Greuter auch im Beruf «immer schwungvoll aufsteigen».<br />

Er wurde mit dem Aufbau einer Info-Stelle <strong>für</strong><br />

Schulbücher und Lehrmittel betraut. Auch beim Ausund<br />

Umbau des umfassenden Sauerländer-Archivs<br />

wirkte der <strong>Beinwil</strong>er an forderster Front mit.<br />

Eine Schlüsselszene <strong>für</strong> die Velo-Liebhaberei spielte<br />

sich in den 70er-Jahren ab. Ein Werber, der beim<br />

Sauerländer-Verlag angestellt war, verliess das Aarauer<br />

Traditionsunternehmen und schlug seine Zelte<br />

beim AT-Verlag auf. «Dieser Werber hat schon immer<br />

gerne Bücher gemacht», wie Greuter erzählt. Und da<br />

wurde er nach einer Buch-Idee gefragt. «Ich machte<br />

ihm den Vorschlag, er solle doch ein Velobuch<br />

machen», wie Greuter schmunzelnd erzählt. Und<br />

1979 erschien im Aargauer-Tagblatt-Verlag dann<br />

auch tatsächlich das Buch «Mit dem Rad durch zwei<br />

Jahrhunderte». Ein Buch, an welchem Tobias Greuter<br />

als Berater mitgewirkt hatte. Und nicht nur das: Auf<br />

dem farbigen Titel sind ein feingekleideter Herr mit<br />

Hochrad und Tabakpfeife und eine adrette D<strong>am</strong>e,<br />

ebenfalls mit Hochrad zu sehen. Beim Herrn auf der<br />

Titelseite handelt es sich dabei um den <strong>Beinwil</strong>er Tobias<br />

Greuter. «Dieses Buch ist noch heute eines der<br />

begehrtesten Nachschlagewerke, wenn es um die<br />

Geschichte des Velos geht», wie er sagt. Im gleichen<br />

Atemzug macht er auf das D<strong>am</strong>enhochrad auf der<br />

Titelseite aufmerks<strong>am</strong>: Ein Kangaroo aus dem Jahre<br />

1884 von Hillmann, Herbert & Coopers welches über<br />

einen Kettenantrieb <strong>am</strong> Vorderrad verfügte.<br />

Überhaupt: Die Veloentwickler und Velobauer waren<br />

schon immer findige Köpfe und Tüftler. <strong>Das</strong> zeigt die<br />

Velo-S<strong>am</strong>mlung von Greuter eindrücklich. Sein absolutes<br />

Lieblingsvelo der Marke Humber verfügt neben<br />

einer Karbid-L<strong>am</strong>pe über eine Radläuferglocke und<br />

eine Trommel-Aussenbandbremse. Der Slogan <strong>für</strong><br />

dieses d<strong>am</strong>als technische Meisterstück hiess «Die<br />

Bremse, die auch dann noch funktioniert, wenn<br />

die Kette gerissen ist». Velobauer waren aber auch<br />

wahre Künstler. So weisen viele Teile der Zweiräder<br />

kunstvolle Verzierungen auf. <strong>Das</strong> Kettenblatt seines<br />

Humbers besteht zum Beispiel aus Atlas-Figuren.<br />

Wahre Kunstwerke zierten die Velos von früher.<br />

Hier eine Karbid-L<strong>am</strong>pe <strong>am</strong> Humber-Velo.<br />

<strong>Das</strong> Schweizer «Landi»-Sondermodell Stella mit<br />

Tachometer, Uhr und Abblendlicht-Schalter.<br />

Auch mit einigen exotischen Modellen kann Greuter<br />

auftrumpfen. Velos, die nie zum Renner wurden. Zum<br />

Beispiel das schwedische 6-Gang-Velo Itera, welches<br />

komplett aus Kunststoff gefertigt wurde. «Die Pop-<br />

Gruppe Abba hat viel Geld in dieses Projekt investiert.<br />

Die Firma ging aber Konkurs», so Greuter. Ein<br />

Sondermodell stellte die Schweizer Firma Stella <strong>für</strong><br />

die Landesausstellung 1939 in Zürich her. Dem Velo<br />

wurde ein im Rahmen eingebauter Tachometer und<br />

eine Uhr spendiert. Den Glockendeckel zierte das<br />

Soldatendenkmal «Le Fritz» von Les Rangiers.<br />

Greuter ist aber auch im Besitz von zwei Hochrädern.<br />

Ein Original und eine Replika. Gebaut hat die Replika<br />

der bekannte tschechische Hochradfahrer Josef<br />

Zimovcak. Mit diesem Hochrad ist Greuter oft unterwegs.<br />

Ja, er schwingt sich sogar auf den Sattel seines<br />

Velos mit seinem gigantischen 54-Zoll-Vorderrad,<br />

um im Dorf «hoch zu Stahlross» seine Einkäufe zu<br />

tätigen. Bewundernde und erstaunte Blicke sind ihm<br />

dabei jeweils sicher. Auch bei seinen Touren, zum<br />

Beispiel durch das Reinacher Moss, gerät der Hochradfahrer<br />

ins Schwärmen: «Wenn ich den Kopf über<br />

den Roggenfeldern habe, ist das schon ein erhabenes<br />

Gefühl. Besser als auf einem Ross.»<br />

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