vorspiel - Burgtheater
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<strong>vorspiel</strong><br />
DAS MAGAZIN DES WIENER BURGTHEATERS<br />
Jänner / Februar 2006<br />
Nr. 33<br />
In Kooperation mit<br />
Eher soll Ihr Schatten Sie verlassen als ich!<br />
»Minna von Barnhelm« von Gotthold Ephraim Lessing
IMPRESSUM<br />
Titelbild: Sven-Eric Bechtolf als Major von Tellheim<br />
und Sabine Haupt als Minna von Barnhelm in »Minna<br />
von Barnhelm« von Gotthold Ephraim Lessing<br />
<strong>vorspiel</strong>. Das Magazin des Wiener <strong>Burgtheater</strong>s<br />
erscheint fünfmal jährlich als Sonderbeilage der<br />
Tageszeitung »Der Standard«<br />
Medieninhaber und Herausgeber:<br />
Direktion <strong>Burgtheater</strong> GesmbH<br />
1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Ring 2<br />
Redaktion: Dramaturgie <strong>Burgtheater</strong><br />
Gestaltung: Herbert Winkler / Collettiva Design<br />
Thomas Hofer / Collettiva Design<br />
Herstellung: Goldmann-Zeitungsdruck GesmbH<br />
3430 Tulln, Königstetter Straße 132<br />
Saison 2005/2006<br />
INHALT<br />
4 Leitartikel: Kunst, Wahrheit und Politik<br />
6 »Die Düringer«. Laudatio auf Annemarie Düringer von Achim Benning<br />
7 Das <strong>Burgtheater</strong> unterwegs<br />
8 AREA 7. Matthäusexpedition von Christoph Schlingensief<br />
10 »Mit Goethe beim Fürsten«. Philipp Hochmair im Gespräch<br />
12 Martin Crimp: »Weniger Notfälle«<br />
14 Spieltriebe. Nachwuchs unplugged<br />
15 David Harrower: »Blackbird«<br />
16 »Mein Reich ist in der Luft«. Gert Jonke zum Sechzigsten<br />
19 »Immer wieder von vorn anfangen«. Klaus Völker über Elisabeth Orth<br />
23 Ortstermin: In den Tiefen der »Burg«<br />
25 Portrait: Barbara Petritsch<br />
26 Wiederaufnahmen: »Emilia Galotti« und »Der Anatom«<br />
27 Fest für Mozart<br />
28 Magazin<br />
Wie köstlich ist es, einem Freunde,<br />
der auf eine kurze Zeit verreisen will,<br />
ein kleines Geschenk zu geben.<br />
Eleonore von Este in »Torquato Tasso«<br />
von Johann Wolfgang Goethe<br />
Für alle, deren Freunde viel auf Reisen sind, und für alle,<br />
die selbst viel Freude am Reisen haben:<br />
Der elegante Kofferanhänger aus Leder, für das <strong>Burgtheater</strong> entworfen<br />
von der renommierten Schuhmanufaktur Ludwig Reiter.<br />
Um 7,90 Euro, jetzt exklusiv im <strong>Burgtheater</strong> und im E-Shop.<br />
Inhalt<br />
1. Öffentliches Publikumsgespräch<br />
Gemeinsam mit den Vertretern des<br />
Publikumsforums lädt die Direktion<br />
des <strong>Burgtheater</strong>s zum 1. Publikumsgespräch<br />
der Spielzeit ein.<br />
Am 25. Jänner 2006 um 18 Uhr<br />
im BURGTHEATER,<br />
2. Pausenfoyer, Zugang über die<br />
Feststiege Volksgartenseite.<br />
Der Eintritt ist frei!
Leitartikel<br />
4<br />
Kunst, Wahrheit & Politik<br />
Nobelvorlesung von Harold Pinter<br />
1958 schrieb ich folgendes: »Es gibt keine<br />
klaren Unterschiede zwischen dem, was<br />
wirklich und dem, was unwirklich ist, genauso<br />
wenig wie zwischen dem, was wahr<br />
und dem, was unwahr ist. Etwas ist nicht<br />
unbedingt entweder wahr oder unwahr; es<br />
kann beides sein, wahr und unwahr.«<br />
Ich halte diese Behauptungen immer<br />
noch für plausibel und weiterhin gültig für<br />
die Erforschung der Wirklichkeit durch<br />
die Kunst. Als Autor halte ich mich daran,<br />
aber als Bürger kann ich das nicht. Als<br />
Bürger muss ich fragen: Was ist wahr? Was<br />
ist unwahr?<br />
Die Wahrheit in einem Theaterstück<br />
bleibt immer schwer greifbar. Man findet<br />
sie niemals völlig, sucht aber zwanghaft<br />
danach. Die Suche ist eindeutig der Antrieb<br />
unseres Bemühens. Die Suche ist unsere<br />
Aufgabe. Meistens stolpert man im<br />
Dunkeln über die Wahrheit, kollidiert damit<br />
oder erhascht nur einen flüchtigen Blick<br />
oder einen Umriss, der der Wahrheit zu entsprechen<br />
scheint, oftmals ohne zu merken,<br />
dass dies überhaupt geschehen ist. Die echte<br />
Wahrheit aber besteht darin, dass sich<br />
in der Dramatik niemals so etwas wie die<br />
eine Wahrheit finden lässt. Es existieren viele<br />
Wahrheiten. Die Wahrheiten widersprechen,<br />
reflektieren, ignorieren und verspotten<br />
sich, weichen voreinander zurück, sind<br />
füreinander blind. Manchmal spürt man,<br />
dass man die Wahrheit eines Moments in<br />
der Hand hält, dann gleitet sie einem durch<br />
die Finger und ist verschwunden. […]<br />
Politische Sprache, so wie Politiker sie<br />
gebrauchen, wagt sich auf keines dieser<br />
Gebiete, weil die Mehrheit der Politiker,<br />
nach den uns vorliegenden Beweisen, an<br />
der Wahrheit kein Interesse hat, sondern<br />
nur an der Macht und am Erhalt dieser<br />
Macht. Damit diese Macht erhalten bleibt,<br />
ist es unabdingbar, dass die Menschen unwissend<br />
bleiben, dass sie in Unkenntnis der<br />
Wahrheit leben, sogar der Wahrheit ihres<br />
eigenen Lebens. Es umgibt uns deshalb ein<br />
weit verzweigtes Lügengespinst, von dem<br />
wir uns nähren.<br />
Wie jeder weiß, lautete die Rechtfertigung<br />
für die Invasion des Irak, Saddam<br />
Hussein verfüge über ein hoch gefährliches<br />
Arsenal an Massenvernichtungswaffen,<br />
von denen einige binnen 45 Minuten abgefeuert<br />
werden könnten, mit verheerender<br />
Wirkung. Man versicherte uns, dies sei<br />
wahr. Es war nicht die Wahrheit. Man erzählte<br />
uns, der Irak unterhalte Beziehungen<br />
zu al-Qaida und trage Mitverantwortung<br />
für die Gräuel in New York am 11. September<br />
2001. Man versicherte uns, dies sei<br />
wahr. Es war nicht die Wahrheit. Man erzählte<br />
uns, der Irak bedrohe die Sicherheit<br />
der Welt. Man versicherte uns, es sei wahr.<br />
Es war nicht die Wahrheit. Die Wahrheit<br />
sieht völlig anders aus. Die Wahrheit hat<br />
damit zu tun, wie die Vereinigten Staaten<br />
ihre Rolle in der Welt auffassen und wie sie<br />
sie verkörpern wollen.<br />
Doch bevor ich auf die Gegenwart zurückkomme,<br />
möchte ich einen Blick auf die<br />
jüngste Vergangenheit werfen; damit meine<br />
ich die Außenpolitik der Vereinigten Staaten<br />
seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.<br />
Ich glaube, wir sind dazu verpflichtet, diesen<br />
Zeitraum zumindest einer gewissen,<br />
wenn auch begrenzten Prüfung zu unterziehen,<br />
mehr erlaubt hier die Zeit nicht.<br />
Jeder weiß, was in der Sowjetunion<br />
und in ganz Osteuropa während der Nachkriegszeit<br />
passierte: die systematische Brutalität,<br />
die weit verbreiteten Gräueltaten,<br />
die rücksichtslose Unterdrückung eigenständigen<br />
Denkens. All dies ist ausführlich<br />
dokumentiert und belegt worden. Aber<br />
ich behaupte hier, dass die Verbrechen der<br />
USA im selben Zeitraum nur oberflächlich<br />
protokolliert, geschweige denn dokumentiert,<br />
geschweige denn eingestanden, geschweige<br />
denn überhaupt als Verbrechen<br />
wahrgenommen worden sind. Ich glaube,<br />
dass dies benannt werden muss, und<br />
dass die Wahrheit beträchtlichen Einfluss<br />
darauf hat, wo die Welt jetzt steht. Trotz<br />
gewisser Beschränkungen durch die Existenz<br />
der Sowjetunion machte die weltweite<br />
Vorgehensweise der Vereinigten Staaten<br />
ihre Überzeugung deutlich, für ihr Handeln<br />
völlig freie Hand zu besitzen.<br />
Die direkte Invasion eines souveränen<br />
Staates war eigentlich nie die bevorzugte<br />
Methode der Vereinigten Staaten.<br />
Vorwiegend haben sie den von ihnen so<br />
genannten »low intensity conflict« favo-<br />
risiert. »Low intensity conflict« bedeutet,<br />
dass Tausende von Menschen sterben,<br />
aber langsamer, als wenn man sie<br />
auf einen Schlag mit einer Bombe auslöschen<br />
würde. Es bedeutet, dass man das<br />
Herz des Landes infiziert, dass man eine<br />
bösartige Wucherung in Gang setzt und<br />
zuschaut, wie der Faulbrand erblüht. Ist<br />
die Bevölkerung unterjocht worden oder<br />
totgeprügelt und sitzen die eigenen Freunde,<br />
das Militär und die großen Kapitalgesellschaften<br />
bequem am Schalthebel, tritt<br />
man vor die Kamera und sagt, die Demokratie<br />
habe sich behauptet. Das war in<br />
den Jahren, auf die ich mich hier beziehe,<br />
gang und gäbe in der Außenpolitik der<br />
USA. […]<br />
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs<br />
unterstützten die Vereinigten Staaten jede<br />
rechtsgerichtete Militärdiktatur auf der<br />
Welt, und in vielen Fällen brachten sie<br />
sie erst hervor. Ich verweise auf Indonesien,<br />
Griechenland, Uruguay, Brasilien, Paraguay,<br />
Haiti, die Türkei, die Philippinen,<br />
Guatemala, El Salvador und natürlich Chile.<br />
Die Schrecken, die Amerika Chile 1973<br />
zufügte, können nie gesühnt und nie verziehen<br />
werden.<br />
In diesen Ländern hat es Hunderttausende<br />
von Toten gegeben. Hat es sie wirklich<br />
gegeben? Und sind sie wirklich alle der<br />
Die Mehrheit der Politiker hat an der Wahrheit<br />
kein Interesse, sondern nur an der Macht.<br />
US-Außenpolitik zuzuschreiben? Die Antwort<br />
lautet ja, es hat sie gegeben, und sie<br />
sind der amerikanischen Außenpolitik zuzuschreiben.<br />
Aber davon weiß man natürlich<br />
nichts. Es ist nie passiert. Nichts ist<br />
jemals passiert. Sogar als es passierte, passierte<br />
es nicht. Es spielte keine Rolle. Es interessierte<br />
niemand. Die Verbrechen der<br />
Vereinigten Staaten waren systematisch,<br />
konstant, infam, unbarmherzig, aber nur<br />
sehr wenige Menschen haben wirklich darüber<br />
gesprochen. Das muss man Amerika<br />
lassen. Es hat weltweit eine ziemlich kühl<br />
operierende Machtmanipulation betrieben<br />
und sich dabei als Streiter für das universelle<br />
Gute gebärdet. Ein glänzender, sogar<br />
geistreicher, äußerst erfolgreicher Hypnoseakt.<br />
[…]<br />
2005/2006 Saison
Den Vereinigten Staaten liegt nichts mehr<br />
am »low intensity conflict«. Sie sehen keine<br />
weitere Notwendigkeit, sich Zurückhaltung<br />
aufzuerlegen oder gar auf Umwegen<br />
ans Ziel zu kommen. Sie legen ihre Karten<br />
ganz ungeniert auf den Tisch. Sie scheren<br />
sich einen Dreck um die Vereinten Nationen,<br />
das Völkerrecht oder kritischen Dissens,<br />
den sie als machtlos und irrelevant<br />
betrachten. Sie haben sogar ein kleines,<br />
blökendes Lämmchen, das ihnen an einer<br />
Leine hinterher trottet, das erbärmliche<br />
und abgeschlaffte Großbritannien.<br />
Was ist aus unserem sittlichen Empfinden<br />
geworden? Hatten wir je eines? Was bedeuten<br />
diese Worte? Stehen sie für einen<br />
heutzutage äußerst selten gebrauchten Begriff<br />
– Gewissen? Ein Gewissen nicht nur<br />
hinsichtlich unseres eigenen Tuns, sondern<br />
auch hinsichtlich unserer gemeinsamen<br />
Verantwortung für das Tun anderer? Ist<br />
all das tot? Nehmen wir Guantanamo Bay.<br />
Hunderte von Menschen, seit über drei<br />
Jahren ohne Anklage in Haft, ohne gesetzliche<br />
Vertretung oder ordentlichen Prozess,<br />
im Prinzip für immer inhaftiert. Diese absolut<br />
rechtswidrige Situation existiert trotz<br />
der Genfer Konvention weiter. Die so genannte<br />
»internationale Gemeinschaft« toleriert<br />
sie nicht nur, sondern verschwendet<br />
auch so gut wie keinen Gedanken daran.<br />
Diese kriminelle Ungeheuerlichkeit begeht<br />
ein Land, das sich selbst zum »Anführer<br />
der freien Welt« erklärt. Denken wir an die<br />
Menschen in Guantanamo Bay? Was berichten<br />
die Medien über sie? Sie tauchen<br />
gelegentlich auf – eine kleine Notiz auf<br />
Seite sechs. Sie wurden in ein Niemandsland<br />
geschickt, aus dem sie womöglich nie<br />
mehr zurückkehren. Gegenwärtig sind viele<br />
im Hungerstreik, werden zwangsernährt,<br />
darunter auch britische Bürger. Zwangsernährung<br />
ist kein schöner Vorgang. Weder<br />
Beruhigungsmittel noch Betäubung. Man<br />
bekommt durch die Nase einen Schlauch in<br />
den Hals gesteckt. Man spuckt Blut. Das ist<br />
Folter. Was hat der britische Außenminister<br />
dazu gesagt? Nichts. Was hat der britische<br />
Premierminister dazu gesagt? Nichts.<br />
Warum nicht? Weil die Vereinigten Staaten<br />
gesagt haben: Kritik an unserem Vorgehen<br />
in Guantanamo Bay stellt einen feindseligen<br />
Akt dar. Ihr seid entweder für uns oder<br />
gegen uns. Also hält Blair den Mund.<br />
Saison 2005/2006<br />
Die Invasion des Irak war ein Banditenakt,<br />
ein Akt von unverhohlenem Staatsterrorismus,<br />
der die absolute Verachtung des Prinzips<br />
von internationalem Recht demonstrierte.<br />
Die Invasion war ein willkürlicher<br />
Militäreinsatz, ausgelöst durch einen ganzen<br />
Berg von Lügen und die üble Manipulation<br />
der Medien und somit der Öffentlichkeit;<br />
ein Akt zur Konsolidierung der<br />
militärischen und ökonomischen Kontrol-<br />
le Amerikas im Mittleren Osten unter der<br />
Maske der Befreiung, letztes Mittel, nachdem<br />
alle anderen Rechtfertigungen sich<br />
nicht hatten rechtfertigen lassen. Eine beeindruckende<br />
Demonstration einer Militärmacht,<br />
die für den Tod und die Verstümmelung<br />
abertausender Unschuldiger<br />
verantwortlich ist.<br />
Wir haben dem irakischen Volk Folter,<br />
Splitterbomben, abgereichertes Uran, zahllose,<br />
willkürliche Mordtaten, Elend, Erniedrigung<br />
und Tod gebracht und nennen<br />
es »dem Mittleren Osten Freiheit und Demokratie<br />
bringen«. […]<br />
Der Tod spielt in diesem Zusammenhang<br />
keine Rolle. Für Bush und Blair ist der<br />
Tod eine Lappalie. Mindestens 100.000<br />
Iraker kamen durch amerikanische Bomben<br />
und Raketen um, bevor der irakische<br />
Aufstand begann. Diese Menschen sind<br />
bedeutungslos. Ihr Tod existiert nicht. Sie<br />
sind eine Leerstelle. Sie werden nicht einmal<br />
als tot gemeldet. »Leichen zählen wir<br />
nicht«, sagte der amerikanische General<br />
Tommy Franks. […]<br />
Die 2000 toten Amerikaner sind peinlich.<br />
Sie werden bei Dunkelheit zu ihren<br />
Gräbern transportiert. Die Beerdigungen<br />
finden dezent statt, an einem sicheren<br />
Ort. Die Verstümmelten verfaulen in<br />
ihren Betten, manche für den Rest ihres<br />
Lebens. Die Toten und die Verstümmelten<br />
verfaulen beide, nur in unterschiedlichen<br />
Gräbern. […]<br />
Ich sagte vorhin, die Vereinigten Staaten<br />
würden ihre Karten jetzt völlig ungeniert<br />
auf den Tisch legen. Dem ist genau so. Ihre<br />
offiziell verlautbarte Politik definiert sich<br />
Leitartikel<br />
jetzt als »full spectrum dominance«. Der<br />
Begriff stammt nicht von mir, sondern von<br />
ihnen. »Full spectrum dominance« bedeutet<br />
die Kontrolle über Land, Meer, Luft<br />
und Weltraum, sowie alle zugehörigen<br />
Ressourcen.<br />
Die Vereinigten Staaten besitzen, über<br />
die ganze Welt verteilt, 702 militärische<br />
Anlagen in 132 Ländern, mit der rühmlichen<br />
Ausnahme Schwedens natürlich. Wir<br />
Was ist aus unserem sittlichen Empfinden<br />
geworden? Hatten wir je eines?<br />
wissen nicht ganz genau, wie sie da hingekommen<br />
sind, aber sie sind jedenfalls<br />
da. Die Vereinigten Staaten verfügen über<br />
8000 aktive und operative Atomsprengköpfe.<br />
Zweitausend davon sind sofort gefechtsbereit<br />
und können binnen 15 Minuten<br />
abgefeuert werden. […] Wir müssen uns<br />
in Erinnerung rufen, dass sich die Vereinigten<br />
Staaten dauerhaft im Kriegszustand befinden<br />
und mit nichts zu erkennen geben,<br />
dass sie diese Haltung aufgeben. […]<br />
Ich glaube, dass den existierenden, kolossalen<br />
Widrigkeiten zum Trotz die unerschrockene,<br />
unbeirrbare, heftige intellektuelle<br />
Entschlossenheit, als Bürger die<br />
wirkliche Wahrheit unseres Lebens und<br />
unserer Gesellschaften zu bestimmen, eine<br />
ausschlaggebende Verpflichtung darstellt,<br />
die uns allen zufällt. Sie ist in der Tat zwingend<br />
notwendig.<br />
Wenn sich diese Entschlossenheit nicht<br />
in unserer politischen Vision verkörpert,<br />
bleiben wir bar jeder Hoffnung, das wiederherzustellen,<br />
was wir schon fast verloren<br />
haben – die Würde des Menschen.<br />
Übersetzung von Michael Walter<br />
© DIE NOBELSTIFTUNG 2005<br />
Nach Elfriede Jelinek bekam mit Harold<br />
Pinter (*1930) zu zweiten Mal in Folge ein<br />
Dramatiker den Nobelpreis für Literatur.<br />
5
Laudatio<br />
6<br />
»Die Düringer«<br />
von Achim Benning<br />
Ich habe die Düringer seit ihrer Isabella in<br />
Lindtbergs »Maß für Maß«-Inszenierung<br />
1956 in fast allen ihren <strong>Burgtheater</strong>rollen<br />
gesehen, habe die tatsächlich unbeschreibliche<br />
und tatsächlich unvergessliche Katharina<br />
in Shakespeares »Heinrich V.« erlebt,<br />
die für mich eine schauspielerische Sensation<br />
war; ich habe in München ihre legendäre<br />
Klara Hühnerwadel bewundert, in einer<br />
klugen Inszenierung von Schweikart, die<br />
mir Wedekind erschlossen und wohl dazu<br />
beigetragen hat, dass dieser Autor, der vor<br />
1977 nur mit einem Einakter im <strong>Burgtheater</strong><br />
zu Wort gekommen war, mit seinen<br />
wesentlichen Werken in unseren Spielplan<br />
aufgenommen wurde. Auch da war Annemarie<br />
Düringer wieder dabei.<br />
In dieser Zeit war die Laureatin schon<br />
längst die ›schwierige Düringer‹. Sie erlebte<br />
laut eigener Darstellung die Metamorphose<br />
vom »netten Schweizer Mädchen«,<br />
das auf der Bühne »freudig jodelte«, zu einer<br />
ernsthaften Schauspielerin, die nachdenkend<br />
ihre Rollen erarbeitet und die<br />
»Flügel an den Füßen« verloren hat, in den<br />
Berliner »Räuber«-Proben mit Fritz Kortner.<br />
Annemarie Düringer war die gefeierte<br />
Amalia dieser Inszenierung. Sie nannte<br />
diese Arbeit eine »Lektion fürs Leben«.<br />
»Zum ersten Mal wurde ich angehalten, zu<br />
denken, was ich redete«, schreibt sie.<br />
Das ist natürlich eine heftige Übertreibung<br />
in der Verehrung des Mythos ›Kortner‹<br />
– so wie Annemarie Düringer auch dem<br />
Mythos ›<strong>Burgtheater</strong>‹ ihren emphatischen<br />
Tribut zollt, wenn sie die alten Zeiten glorifiziert<br />
und z.B. das alte Nachkriegsensemble<br />
als Familie beschreibt. Bei diesem<br />
Vergleich wäre jedenfalls zu bedenken,<br />
dass auch die Atriden eine Familie waren.<br />
Es ist nicht anzunehmen, eine erfolgreiche<br />
Schauspielerin, die Annemarie Düringer<br />
1959 schon war, wäre über 10 Jahre<br />
lang unter Regisseuren wie Herbert<br />
Waniek, Ernst Lothar, Walter Felsenstein,<br />
Josef Gielen, Berthold Viertel und Leopold<br />
Lindtberg ohne Nachdenken und ohne<br />
ernsthafte Arbeit über die Runden gekommen.<br />
Wie so viele Theatermenschen ist sie<br />
Mythos-anfällig und opfert in diesem Fall<br />
10 Jahre Erfolg und die Arbeit so vieler bemerkenswerter<br />
Regisseure auf dem Altar<br />
ihrer Kortner-Verehrung. Sie will diesen<br />
Wendepunkt in ihrem Schauspielerleben<br />
deutlich machen und dann ist sie eben geradezu<br />
alttestamentarisch rigoros.<br />
Solche Radikalität ist durchaus ein Markenzeichen<br />
dieser lebenslang erfolgreichen<br />
Schauspielerin – und geheimen Prinzipalin.<br />
Ihr Bekenntnis zu dem sperrigen Kortner,<br />
dessen fanatische Gegnerschaft gegen das<br />
infantile Überrumpelungstheater so aufregend<br />
aktuell ist, überzeugt wie das zu dem<br />
strengen galligen Gielen.<br />
Über das ›Denkproblem‹ in der Theaterarbeit,<br />
das die Düringer für sich in Anspruch<br />
nimmt, gibt es einen deutlichen Text von<br />
Kortner: »Der Denkwurm bohrt gerade<br />
dann in meinem Kopf, wenn ich von meiner<br />
kunstnahen Berufsarbeit absorbiert<br />
bin. Immer wieder wird mir rügend nahegelegt,<br />
das doch so kunstferne Denken<br />
mir aus dem Kopf zu schlagen. Aber gerade<br />
dann stellt es sich unerbittlich ein.«<br />
Und das verstört die »Kunstdunstler«, wie<br />
Kortner die beliebten Denk-Verweigerer<br />
nennt.<br />
Annemarie Düringer<br />
Das Grundthema der wesentlichen Düringer-Figuren<br />
ist für mich die Einsamkeit auf<br />
der gesamten Skala zwischen ihrer möglichen<br />
Überwindung und ihrer unauflöslichen<br />
Erstarrung, also zwischen Ella Borkman<br />
und der Alten bei Ionesco. Bei Nestroy<br />
entfaltet sich dieses Existenzproblem in einer<br />
tragikomischen Groteske und anstelle<br />
einer lebensbedrohenden Erstarrung<br />
kommt es zu einer kuriosen Verpuppung.<br />
Die liebeswahnsinnige Anastasia Mispel in<br />
»Umsonst« spinnt sich durch aberwitzige<br />
Anstrengungen, ihrer Einsamkeit zu entkommen,<br />
immer mehr in den Kokon ihrer<br />
Armseligkeit ein. Wie die Düringer diesen<br />
verzweifelten Kampf gegen Kurt Sowinetz<br />
und Karlheinz Hackl verliert, das kann<br />
keine Schauspielerin der Welt komischer<br />
spielen als sie.<br />
Aber, so könnte man dem befangenen<br />
Laudator vorwerfen, wer ist schon Anastasia<br />
Mispel gegen Claire Zachanassian oder<br />
Frau Zittel! Wo bleibt in dieser Eloge die<br />
Frau von Stein, warum hört man nichts von<br />
Fräulein Alice und der Lavinia oder von<br />
der Arkadina – und darf man die Bernarda<br />
Alba nicht erwähnen, und die heute Fünfunddreißigjährigen<br />
werden ihre Schneekönigin<br />
vermissen. Und was ist überhaupt<br />
mit der Filmkarriere! Was ist zur Zusammenarbeit<br />
mit Siodmak zu sagen, was zu<br />
der mit Fassbinder... usw. usw.<br />
Ein so reiches, ein so überbordendes schauspielerisches<br />
Leben ist ganz einfach eine<br />
Zumutung für einen Laudator, der nur deshalb<br />
auf Verständnis hoffen darf, weil die<br />
Unlösbarkeit seiner Aufgabe klar erkennbar<br />
ist und die Laureatin in ihrem Leben<br />
schon so viel Gutes über sich mit anhören<br />
musste, dass sie auf ausführliche Elogen<br />
heute nicht mehr angewiesen ist. Andererseits<br />
wartet hier ein kundiges Publikum,<br />
das mindestens so viel weiß wie der Redner,<br />
mehr oder weniger geduldig auf den<br />
Höhepunkt dieses festlichen Vormittags,<br />
nämlich die Überreichung des Goldenen<br />
Ehrenzeichens und nimmt die Laudatio<br />
als notwendiges retardierendes Element in<br />
Kauf; im günstigsten Fall gewissermaßen<br />
wie ein gesprochenes Streichquartett.<br />
Ihre Verbundenheit mit dieser Stadt, in der<br />
nun einmal das <strong>Burgtheater</strong> steht, macht<br />
ihr Leben aus – auch wenn sie sich im Alter<br />
wieder tief von der Sprache ihrer Kindheit<br />
berührt fühlt, was sie vor kurzem bei einer<br />
Filmarbeit in der heimatlichen Schweiz<br />
entdeckte. Und so schließt sich der Kreis<br />
in der Sprache, die der fundamentale Lebensbeweis<br />
ist. Annemarie Düringer nennt<br />
die Sprache ihre Existenzberechtigung. Sie<br />
kämpft dafür, dass die Sprache nicht zu<br />
einem »lächerlichen Requisit oder chorischen<br />
Phänomen« (Botho Strauß) auf der<br />
Bühne verkommt. Ich wünsche ihr, dass<br />
ihren antiquierten Ansichten die Zukunft<br />
gehört.<br />
Wir zitieren mit freundlicher Genehmigung des<br />
ehemaligen <strong>Burgtheater</strong>direktors Achim Benning<br />
auszugsweise aus der Laudatio auf Annemarie Düringer<br />
– gehalten am 16. Dezember 2005, anlässlich<br />
der Verleihung des Goldenen Ehrenzeichens für<br />
Verdienste um das Land Wien.<br />
2005/2006 Saison
Das <strong>Burgtheater</strong> unterwegs<br />
Nicht erst seit diesem<br />
Jahr, nein, schon lange<br />
vor der EU-Ratspräsidentschaft<br />
war das<br />
<strong>Burgtheater</strong> bereits in<br />
ganz Europa unterwegs.<br />
In 26 Städten in 10 Ländern spielte das<br />
<strong>Burgtheater</strong> in den letzten fünf Jahren<br />
mehr als hundert Mal »außer Haus«.<br />
Nicht nur Schauspieler, Souffleusen<br />
und Abendspielleiter machen sich auf den<br />
Weg zu den Gastspielorten – auch Bühnenbild,<br />
Requisite und Kostüme werden<br />
sorgfältig verpackt, verladen und auf Rei-<br />
Saison 2005/2006<br />
Edinburgh<br />
Paris<br />
Hannover<br />
Braunschweig<br />
Dortmund<br />
Mülheim<br />
Duisburg<br />
Recklinghausen<br />
Hamburg<br />
Brüssel<br />
Antwerpen<br />
Frankfurt<br />
Zürich<br />
Winterthur<br />
Liechtenstein<br />
Berlin<br />
Chemnitz<br />
Prag<br />
München<br />
Landsberg<br />
Hall Salzburg<br />
Bozen<br />
Meran<br />
Novi Sad<br />
sen geschickt. Mit Bussen, LKWs, der<br />
Bahn oder dem Flugzeug geht es an die<br />
Bestimmungsorte, zu anderen Schauspielhäusern<br />
und zu internationalen Theaterfestivals,<br />
unterstützt von großzügigen<br />
Sponsoren, wie Raiffeisen International.<br />
In Prag waren die Inszenierungen<br />
»Rosmersholm« und »Mozart Werke<br />
Ges.m.b.H« zu sehen. Zu Gast in Zürich<br />
waren »Der Färber und sein Zwillingsbruder«<br />
und »Hund Frau Mann«.<br />
»Die Möwe« war auf Festivals in Berlin,<br />
Moskau, Edinburgh und in Paris eingeladen,<br />
und »Das Werk« war 2004 sowohl<br />
bei den Theatertagen in Mülheim,<br />
den Autorentagen in Hamburg, den Salzburger<br />
Festspielen als auch beim Theatertreffen<br />
in Berlin. »Glaube und Heimat«,<br />
Theatertreffen in Berlin<br />
Moskau<br />
Eingeladen seit 1999/2000:<br />
»Glaube und Heimat«, (R. Martin Kusˇej, 2001)<br />
»Rosmersholm«, (R. Peter Zadek, 2001)<br />
»Drei Mal Leben«, (R. Luc Bondy, 2001)<br />
»Die Möwe«, (R. Luc Bondy, 2001)<br />
»Emilia Galotti«, (R. Andrea Breth, 2003)<br />
»Das Werk«, (R. Nicolas Stemann, 2004)<br />
»Don Carlos«, (R. Andrea Breth, 2005)<br />
Gastspiele<br />
»Rosmersholm«, »Drei Mal Leben« und<br />
»Emilia Galotti« reisten ebenfalls schon<br />
nach Berlin. Beim Festival in Edinburgh<br />
waren außer »Die Möwe« auch die Produktionen<br />
»Alte Meister« und »Maria<br />
Stuart« zu Gast – aber auch in Hannover,<br />
Braunschweig, Dortmund, Recklinghausen,<br />
Mülheim, Duisburg, Brüssel, Antwerpen,<br />
Chemnitz, Frankfurt, München,<br />
Salzburg, Liechtenstein, Winterthur, Zürich,<br />
Bozen, Meran und Novi Sad wurde<br />
dem Publikum vor Ort die Möglichkeit<br />
geboten, Inszenierungen des <strong>Burgtheater</strong>s<br />
zu sehen.<br />
Und in diesem Jahr stehen noch weitere<br />
Reisen bevor… unter anderem nach<br />
Bogota, Saarbrücken, Wiesbaden, Warschau<br />
und Zagreb.<br />
7
<strong>Burgtheater</strong><br />
8<br />
A R E A 7<br />
Matthäusexpedition von Christoph Schlingensief<br />
Elfriede Jelinek<br />
Bernhard Schütz, Christoph Schlingensief<br />
Joseph Beuys Elfriede Jelinek Hosea Dzingirai Dieter Roth<br />
Christoph Schlingensief Patti Smith Wilhelm I. + II.<br />
»Die Kontrollmechanismen verlieren und<br />
das zugleich als eine Inszenierung begreifen,<br />
sich in einem fließenden Zustand befinden,<br />
das ist der Kern«, sagt Schlingensief<br />
über seine Arbeit. »Ich will das Leben<br />
überzeugen, dass es zum großen Teil inszeniert<br />
ist, und das Theater, dass es ohne<br />
das Leben überhaupt nicht auskommt.«<br />
Bei Schlingensiefs Inszenierungen vermischen<br />
sich Schauspieler und Zuschauer,<br />
Bühne und Zuschauerraum gehen ineinander<br />
über. Behinderungen, Pannen, Pausen<br />
oder Störungen sind immer wiederkehrende<br />
Inszenierungsbrüche, die die Frage aufwerfen,<br />
welche Spielregeln für Schauspieler<br />
und Zuschauer gelten.<br />
Schlingensief ist gereist, gereist, gereist,<br />
von Oberhausen an den Prenzlauer Berg,<br />
von dort bald geflüchtet an die Wiener<br />
Burg und nach Bayreuth, nach Nepal, Island<br />
oder (mehrfach) Afrika. Brasilien soll<br />
folgen…<br />
Wie in einer Blackbox wird die Welt aufgesogen,<br />
das Hirn als Archiv und die Kamera<br />
als Auge, und in ihr vermischen sich politische<br />
Ereignisse und mythische Geschichten<br />
unserer Zivilisationen, die Twin Towers<br />
mit den Herero-Aufständen in Deutsch<br />
Südwestafrika, die Kontinentalspalten in<br />
Island mit der Gralssuche…<br />
All das ist natürlich gar nicht zu fassen,<br />
aber Gott sei Dank hat sich der Künstler<br />
etwas erfunden, in dem all dies Platz hat,<br />
auch ohne vorher geordnet zu werden: den<br />
ANIMATOGRAPHEN. Er könnte in all<br />
dem Chaos der ungebremsten Einflüsse die<br />
Rettung sein, für Welt und Ich. Er erlaubt<br />
die Reise ins eigene Innere, ins Chaos der<br />
halluzinierten Zustände, eine Reise durch<br />
den eigenen runden Kopf, in dem sich all<br />
der Daten- und Mythenmüll gesammelt<br />
hat, oder eben eine Reise durch die ebenfalls<br />
runde Erdkugel. Aber Schlingensief<br />
denkt nicht nur an sich, sondern konstruiert<br />
den Animatographen als einen Raum,<br />
den jeder betreten darf, um seine Erlebnisse<br />
zu machen und seine Erfahrungen zu gestalten.<br />
Vielleicht ist das dann der eigene<br />
Kopf, vielleicht die Welt von der Innenrinde<br />
gesehen, vielleicht auch nur eine primitive<br />
Drehbühne oder eine Reminiszenz<br />
an kinematographische Frühzeiten, eine<br />
von innen begehbare Laterna Magica oder<br />
eine intermediale Fotoplatte – egal! »Der<br />
Animatograph ist wie ein lebender Organismus,<br />
auf dem der Zuschauer mit mir<br />
herumfährt, lebt und selber zum Bestandteil<br />
wird.« Er wird überall aufgebaut, wo<br />
Schlingensief sich in letzter Zeit aufhielt: in<br />
Bayreuth, in Island, in Neuhardenberg bei<br />
Berlin im deutschen Wald oder eben in Afrika.<br />
Überall stellt Schlingensief das Requisit<br />
auf, um zu sehen, wie sich Herero-Aufstände<br />
und der 11. September, Odin und<br />
TamTam, Wagner und Widerstand gegen<br />
das deutsche Wesen kreuzen und bis aufs<br />
Und jetzt wird da oben, in Area 7, Schlingensiefs Animatograph fertiggestellt, am »Hauptplatz«,<br />
dort, wo sonntags auch immer die mehrstündigen Messen abgehalten werden.<br />
Den Männern aus dem Township, die mitarbeiten, wird etwa das Doppelte der üblichen<br />
Löhne gezahlt. Der Animatograph ist eine Drehscheibe. Auf der Scheibe steht ein<br />
Schiff. Ans Schiff angebaut: Ein Wellblechcontainer, das Dach per Leiter erreichbar und<br />
als Auftrittsbühne nutzbar. Er wirkt wie eine Miniausgabe des »Ausländer raus«-Containers,<br />
2000 vor der Wiener Staatsoper, aber hier haben sich die Perspektiven drastisch<br />
verschoben. Rundum stehen hunderte Wellblechcontainer, wie mit dem Lineal gezogen<br />
in diese Hochebene platziert, dass sie beinahe an Peter Eisenmans Holocaust-Denkmal<br />
in Berlin erinnern. Andererseits: Während in Wien Erregtheit und Zorn dominierten, erhebt<br />
sich hier rund um das immer weiter wuchernde Animatographen-Gebilde oft Kinderlachen:<br />
Die sehen das Schiff wie einen Abenteuer-Spielplatz. Gestern durften sie ihre<br />
Graffitis drauf malen: HOMEBOY steht da. Oder, von Schlingensief geschrieben: GODS<br />
TEARS CENTER.<br />
Claus Philipp in einem Bericht aus Afrika auf derStandard.at<br />
2005/2006 Saison
Blut bekämpfen, auch wenn alle von Joseph<br />
Beuys bis zu Mohammed Atta nach<br />
dem Gral suchen.<br />
Manchmal aber fokussiert sich etwas, zum<br />
Beispiel im AREA 7 – Baracken, Slums,<br />
Vorstädte, scheinbar geschichtslos, irgendwo<br />
in Afrika, aber Wagner im Hirn.<br />
Und plötzlich also ist das gar nicht so geschichtslos,<br />
sondern erinnert an Europa,<br />
an die Aufklärung, an den Kolonialismus,<br />
an Mohammed Attas Flüge in die Twin<br />
Towers und schon fängt die Reise durch<br />
Zeit und Raum wieder an, wie bei H.G.<br />
Wells, und man wünscht sich, dass einer<br />
»Stopp!« ruft, »Stopp!«, »Stopp!« – zurück<br />
in die Mönchsklause, nach Hause,<br />
raus hier, ins <strong>Burgtheater</strong>. Vielleicht kann<br />
man da ja, gemeinsam mit Patti Smith und<br />
anderen, Kraft schöpfen… Ruhe tanken…<br />
obwohl, na ja… oder doch?... bevor die<br />
Reise weitergeht. Vielleicht geht das ja in<br />
Wien, in dieser langsamen Stadt, in der<br />
Burg, diesem Gral ganz anderer Art, vielleicht<br />
gibt es da ja genügend Leute, die aus<br />
ihren Wohnungen in den soundsovielen<br />
Bezirken hinausströmen, um zu sehen, was<br />
Schlingensief da erlebt hat auf seinen odysseusartigen<br />
Irrfahrten durchs Weltenlabyrinth…<br />
eine gibt es schon mal auf jeden<br />
Fall… Elfriede Jelinek… »Lass o Welt o<br />
Schreck lass nach«… Mit irgendwas fängt<br />
es immer an. Vielleicht kriegt er ja seinen<br />
Tropenhelm ab und kann – jetzt mal nicht<br />
in Afrika – im Atelier werkeln und arbeiten<br />
wie er will, in Ruhe, in Ruhe, in Ruhe…Da<br />
müsste sich aber trotzdem etwas bewegen,<br />
der Animatograph dreht sich… ja… wie<br />
die Welt… wie die Bilder, viele Bilder und<br />
Menschen, die sich darin drehen, ja. JL<br />
A R E A 7<br />
Matthäusexpedition von Christoph Schlingensief<br />
Leitung: Christoph Schlingensief<br />
Konstruktion: Thekla von Mülheim, Tobias Buser<br />
Kostüme: Aino Laberenz<br />
Dramaturgie: Jörg van der Horst, Joachim Lux,<br />
Henning Nass<br />
Musik und Sounddesign: Uwe Altmann<br />
Video und Schnitt: Kathrin Krottenthaler.<br />
Mit Jovita Domingos-Dendo, Sachiko Hara,<br />
Irm Hermann, Karin Lischka, Karin Witt,<br />
Abate Ambachev, Klaus Beyer, Michael Gempart,<br />
Juergen Maurer, Dirk Rohde, Hermann<br />
Scheidleder, Christoph Schlingensief, Bernhard<br />
Schütz, Robert Stadlober, Björn Thors, sowie –<br />
zeitweise – Patti Smith.<br />
Musiker: Erik Bilic-Eric, Klaus Falschlunger/<br />
Perry Wurzinger, Gerhard Rosner,<br />
Murielle Stadelmann.<br />
Es hat bereits begonnen:<br />
19. Jänner 2006 ab 18 Uhr!<br />
AFRIKA BLEIBT, WO ES IST, DAS IST SEINE TRAGÖDIE<br />
★ Eröffnung am 20. Jänner 2006 um 20 Uhr<br />
im BURGTHEATER<br />
außerdem: 21. und 22. Jänner 2006<br />
Einlass ist jeweils bereits eine Stunde vor der angegebenen Beginnzeit.<br />
Wie bei jeder Expedition ist damit zu rechnen, dass – je nach sich<br />
ändernden Bedingungen – keine der anderen gleicht und jede anders<br />
verläuft als ursprünglich geplant.<br />
Die Veranstaltung am 22. Jänner ist gleichzeitig der Vorabend von<br />
Joseph Beuys 20. Todestag.<br />
Afrika bleibt, wo es ist, das ist seine Tragödie, und es läßt alles, wo es ist. Neugier ist eine<br />
Untugend. Parsifal ist hier völlig falsch, zum Glück weiß er es nicht. Daß er wo anders ist,<br />
das erlaubt ihm der Medizinmann aber auch nicht. Er muß hier sein, und die Verpflichtung,<br />
bei jedem Fest dabei zu sein, ist gegeben. Der Zauberer sagt: er, Parsifal, muß ein anderer<br />
werden, oder er soll gar keiner mehr werden. Ich glaub auch schon, ich werd nicht<br />
mehr! Unter Medizinmännern, Griots, Feticheurs! Wer möchte da nicht Mediziner sein<br />
oder zumindest die Medizin selber? Mitten im Gral: Afrika! Afrika mitten im Gralsfieber,<br />
das von Mücken übertragen wird, während man seinen Koffer mit dem Gral mühsam<br />
durch den Staub schleppt, weil das Gruppentaxi mal wieder völlig überladen war.<br />
Elfriede Jelinek: Parsifal<br />
Saison 2005/2006<br />
Patti Smith<br />
Christoph Schlingensief<br />
<strong>Burgtheater</strong><br />
9
<strong>Burgtheater</strong><br />
10<br />
Mit Goethe beim Fürsten<br />
Philipp Hochmair im Gespräch<br />
Goethes »Torquato Tasso« bietet dem<br />
Theater immer wieder neu die Gelegenheit,<br />
über die Bedingungen und Widersprüche<br />
der eigenen Arbeit nachzudenken.<br />
Daher kann das Stück über die kalendarische<br />
Tatsache hinaus, dass es auch in der<br />
Eröffnungsspielzeit 1955 (von Raoul Aslan)<br />
neu inszeniert wurde, für die Jubiläumssaison<br />
eines Theaters wichtige Denkanstöße<br />
geben. Reflektiert doch Goethe<br />
in dieser exemplarischen Versuchsanord-<br />
nung die Bedingungen künstlerischer Arbeit<br />
an der Schwelle zum bürgerlichen<br />
Zeitalter. Kurz gesagt, die Widersprüche<br />
und Möglichkeiten einer Kunst, die sich<br />
als unabhängig und »frei« begreift, während<br />
ihre Produzenten ökonomisch abhängig<br />
und gebunden bleiben. In der Inszenierung<br />
von Stephan Kimmig, der vor<br />
zwei Jahren mit Grillparzers »Goldenem<br />
Vließ« für Aufsehen sorgte, spielt Philipp<br />
Hochmair die Titelfigur.<br />
Philipp Hochmair<br />
Hochmair: Kürzlich war ich eingeladen,<br />
auf einem kleinen Schloss in Oberösterreich,<br />
dem Sommersitz eines Grafengeschlechts,<br />
»Werther!« zu spielen. Einerseits<br />
war es für mich eines der schönsten<br />
Gastspiele, das ich je hatte, so elegant und<br />
familiär. Andererseits hat sich mir ein seltener<br />
Einblick in höfisches Leben geboten,<br />
und als Werther beim Fürsten habe<br />
ich mich fast ein wenig gefühlt wie Tasso<br />
am Hof von Ferrara. Natürlich ist man an<br />
einem solchen Ort immer auch ein bisschen<br />
der »Verrückte«, der Exot, der eingekauft<br />
wird, den diese Gesellschaft sich<br />
leistet. Und die Formen, die dort gepflegt<br />
werden und zu denen es beispielsweise gehört,<br />
mitten im Satz ins Französische zu<br />
wechseln, so eine bestimmte Art von Konversationsballett,<br />
fordern in mir genau<br />
den Widerspruch heraus, den die Gastgeber<br />
so genießen.<br />
<strong>vorspiel</strong>: Weil Sie es unerträglich finden,<br />
sich in ein solches Bild einzufügen?<br />
Nein, ich komme ja aus einer ganz bürgerlichen<br />
Welt, ich kann diese Formen<br />
also einigermaßen mitspielen. Aber das<br />
Bedürfnis nach einem Ventil, nach einem<br />
spielerischen Gegenpol erwacht sofort. So<br />
saß ich dann am Abend im Anzug mit Zigarre,<br />
aber ohne Schuhe mit dem Grafen<br />
im Gespräch.<br />
Ich war acht Tage auf diesem Schloss,<br />
und zum Abschied hat die Gräfin etwas<br />
schwermütig gesagt, in ihrem täglichen<br />
Leben, in dem sie offenbar hauptsächlich<br />
von Wirtschaftsleuten umgeben ist,<br />
fehle ein Aspekt, den Künstler einfach<br />
in sich trügen. Das sagte sie mit einer so<br />
ernsthaften Irritation, dass es mich tief<br />
gerührt hat, weil sie die ganze Zeit über<br />
so frei gewirkt hatte und so glücklich.<br />
Das plötzliche Auftauchen dieses Schattens<br />
auf ihrem lichten Wesen hat mich<br />
interessiert.<br />
Was hat sie Ihrer Meinung nach damit gemeint?<br />
Ist das mit dem Gefühl von Unvereinbarkeit<br />
zu vergleichen, das Goethe im<br />
Zusammenhang mit Tasso als »Disproportion<br />
des Talents mit dem Leben« beschrieben<br />
hat?<br />
2005/2006 Saison
Der Widerspruch zwischen Kunst und Leben<br />
ist oft ein praktisches Problem. Künstlerische<br />
Prozesse bedürfen eines gewissen<br />
Raumes, der sich nicht immer mit zuverlässigem,<br />
berechenbarem, also sozialem<br />
Verhalten verträgt. Der Crash, zu dem<br />
es da kommen kann, ist bisweilen schon<br />
brutal, weil das eigene Verhalten von der<br />
Umwelt als Geringschätzung oder Abweisung<br />
interpretiert wird. Es gibt nur wenige<br />
Menschen, die das verstehen und aushalten,<br />
meistens sind das selber Künstler.<br />
Aber künstlerische Arbeit ist ja doch auch<br />
Arbeit, Produktion, ein Prozess, der in bestimmten<br />
Zeiträumen ablaufen muss und<br />
das auch tut. Diese Art von Arbeit wäre<br />
doch nicht damit beschrieben, dass es einen<br />
unentwegt genialisch fortrisse und<br />
man dem wehrlos ausgeliefert sei; dass<br />
man die Kontrolle behält, ist ja auch ein<br />
wesentlicher Teil.<br />
Das hört man natürlich oft: Wenn du es<br />
schaffst, um acht Uhr zur Vorstellung im<br />
Theater zu sein, dann kannst du auch am<br />
24. Dezember bei uns am Tisch sitzen. Das<br />
ist eigentlich banal, aber da geht es schon<br />
los: Wie weit ist man zu Kompromissen<br />
bereit, wo beginnt die Selbstverleugnung?<br />
Aber die Frage, ob man dem nachgibt oder<br />
widersteht, das ist natürlich auch ein Energiequell.<br />
Man kann ja gut aus Widerständen<br />
schöpfen. Man nimmt diese Impulse,<br />
entzündet sich daran, macht sie groß,<br />
züchtet sie hoch, bis etwas Mitteilbares<br />
dabei herauskommt. Gleichzeitig Geheimrat<br />
und Künstler zu sein, ist ja nicht eben<br />
nahe liegend, extreme Stücke zu spielen<br />
und seine Steuererklärung zu machen, erscheint<br />
einem oft völlig widersinnig. Dieser<br />
Widerspruch wird in »Tasso« behandelt.<br />
Man stellt diese komische Welt in<br />
Frage, aus der man stammt, und torpediert<br />
deren Werte, weil man nicht begreift,<br />
wie man da hineingeraten ist. Das kann<br />
an jedem noch so unscheinbaren Punkt<br />
beginnen, wenn er genug Energiepotential<br />
hat. Letztlich will man ein Gefühl von<br />
Freiheit, ein Ventil finden, etwas anders<br />
machen, etwas aufbrechen, Spannung, Leben,<br />
Authentizität. Ein System anders bedienen,<br />
als es vorgesehen ist.<br />
Saison 2005/2006<br />
Der Künstler braucht<br />
die Ordnung und die<br />
Ordnung braucht die<br />
Kunst, also die Freiheit.<br />
Aber natürlich kommt der Punkt, an dem<br />
man sieht, dass sich das nicht durchhalten<br />
lässt. Tasso erkennt: »So zwingt das Leben<br />
uns zu scheinen, ja zu sein wie jene,<br />
die wir kühn und stolz verachten konnten«<br />
– und das ist wahr, da hat er recht.<br />
Man kämpft mit einem System, sucht sein<br />
eigenes Ich, ringt um Wahrhaftigkeit, und<br />
plötzlich ist man selber drinnen, ist selbst<br />
das System. So ist wohl das Leben. Joschka<br />
Fischer hat gegen die Startbahn West<br />
am Frankfurter Flughafen demonstriert<br />
und ist dann als Außenminister über eben<br />
diese Startbahn ein- und ausgeflogen. Was<br />
soll man machen...<br />
Ja, genau, das ist die Frage: Was soll man<br />
machen? Tasso hat ja auf der einen Seite<br />
das Gefühl, seine Kunst sei nicht wirkungsvoll<br />
genug, weil der Fürst seine Bücher<br />
nicht liest oder aus der Lektüre nicht<br />
die richtigen Schlüsse zieht. Auf der anderen<br />
Seite wächst bei ihm an einem bestimmten<br />
Punkt das Bedürfnis, das Scheitern<br />
am Hof und den Widerstand, den er<br />
in diesem Scheitern entdeckt, zu bewahren<br />
und – wie Sie es ausgedrückt haben –<br />
zu vergrößern.<br />
Mit Bezug auf seinen Widersacher Antonio<br />
sagt Tasso: »Und irr ich mich an<br />
ihm, so irr ich gern. Ich denk ihn mir als<br />
meinen ärgsten Feind, und wär untröstlich,<br />
wenn ich ihn mir gelinder denken<br />
müsste.«<br />
Das ist aber ja nicht einfach Sturheit –<br />
Nein, in dieser Unversöhnlichkeit steckt<br />
auch ein ungeheurer Selbstbehauptungswille.<br />
Direkt im Anschluss heißt es: »Töricht<br />
ist’s in allen Stücken billig sein; es<br />
heißt, sein eigen Selbst zerstören. Sind die<br />
Menschen denn gegen uns so billig? Nein,<br />
o nein!« Es ist komisch, andere funktionieren<br />
in einem Apparat, und man selbst<br />
<strong>Burgtheater</strong><br />
kämpft immer um solche Widerstandspunkte,<br />
an denen man sich erfrischen und<br />
etwas anders machen kann. Einerseits findet<br />
man sich darüber selber, kann sich<br />
entzünden, andererseits wird man gerade<br />
an diesen Punkten Teil des Systems. Dieses<br />
Gefangensein in einem sozialen Konstrukt<br />
ist ein nicht leicht zu ertragender<br />
Widerspruch.<br />
Und gleichzeitig sollen alle anderen denken,<br />
es handele sich um einen ganz autonomen<br />
Produktionsprozess. »Stört ihn,<br />
wenn er denkt und dichtet, in seinen<br />
Träumen nicht, und lasst ihn wandeln«,<br />
sagt der Fürst, der gleichzeitig ganz reale<br />
Ansprüche auf Werk und Autor geltend<br />
macht. Als sei das Unberechenbare,<br />
Abgewandte auch ein Teil des erhofften<br />
Mehrwerts.<br />
Den Wahnsinn zu bändigen, ist ja attraktiv.<br />
Die Energie ertragen, den Zorn einordnen,<br />
zähmen, hörbar machen... Der<br />
Künstler braucht die Ordnung und die<br />
Ordnung braucht die Kunst, also die Freiheit.<br />
Nur dann ist das System komplett.<br />
Das ist für mich der Widerspruch oder<br />
der Notstand, der im »Tasso« beschrieben<br />
wird. Man sucht nach Freiheit und<br />
macht Kunst, weil man in einer Ordnung<br />
gefangen ist und überhaupt nicht weiß,<br />
wie man die Freiheit erlangen soll. Und<br />
aus dieser Not entsteht dann ein Tanz<br />
oder Malerei zum Beispiel, oder ein Stück<br />
wie der »Tasso«.<br />
Torquato Tasso<br />
von Johann Wolfgang Goethe<br />
Regie: Stephan Kimmig<br />
Bühne: Katja Haß<br />
Kostüme: Barbara Drosihn<br />
Musik: Michael Verhovec<br />
Mit Caroline Peters, Myriam Schröder;<br />
Philipp Hochmair, Joachim Meyerhoff,<br />
Michael Wittenborn<br />
★ Premiere am 24. Februar 2006<br />
im BURGTHEATER<br />
Gefördert von der Gesellschaft<br />
der Freunde des <strong>Burgtheater</strong>s<br />
11
Kasino<br />
12<br />
Weniger Notfälle<br />
von Martin Crimp<br />
»Es ist besser geworden. Die ganze Nachbarschaft<br />
ist besser geworden. Die Bäume sind stabiler, die<br />
Mexikaner wurden rausgeschmissen, die Serben<br />
wurden rausgeschmissen, die Leute räumen endlich<br />
die Scheiße ihrer Hunde weg, nette Familien ziehen<br />
ein. Nette Somalis, nette Chinesen, richtig nette<br />
Kurden, richtig nette Familien, die ihre Hunde-<br />
scheiße wegräumen und in ihren Autos staubsaugen.<br />
Und außerdem hat man die Sequenz jener<br />
Gene entschlüsselt, die Menschen dazu bringen,<br />
verbrannte Matratzen vor die Haustür zu werfen,<br />
und man hat ihre Babys erwürgt. Ja – man hat<br />
ihre Babys erwürgt und hellere Straßenlaternen<br />
angebracht. Es läuft jetzt besser.«<br />
2005/2006 Saison
In Martin Crimps dreiteiligem Theatertext<br />
herrscht fundamentale Unsicherheit.<br />
Die Straßen sind so unsicher wie die Lebenswege,<br />
die Lage der Nation so instabil<br />
wie die Gemütslage jedes Einzelnen. Vier<br />
Figuren rekonstruieren oder entwerfen<br />
in drei Anläufen Bruchstücke von Bio-<br />
grafien, die ihre eigenen sein könnten.<br />
Geschichtenerzählen funktioniert als Sicherheitsproduktion.<br />
Aber die Geschichten<br />
selbst, die auf eine lückenlose Abfolge<br />
von Ursachen und Wirkungen<br />
abzielen, tragen den Keim der Auflösung<br />
bereits in sich.<br />
In »Der ganze blaue Himmel« steht das<br />
Leben einer jungen Frau im Vordergrund,<br />
das sich in wohlgeordneten Bahnen über<br />
angefangenes und abgebrochenes Studium,<br />
Heirat und Kind auf die Harmonie<br />
einer glücklichen Kleinfamilie zubewegt<br />
hat – gegen ihren Willen und mit einer<br />
Zwangsläufigkeit, die jeden einzelnen<br />
Augenblick ihres bisherigen Lebens als<br />
verpasste Möglichkeit erscheinen lässt.<br />
Hängt es mit einem Ereignis aus dieser<br />
Vorgeschichte zusammen, dass ihr Sohn<br />
nicht einschlafen kann? Und stimmt<br />
es wirklich, dass die Gäste des Garten-<br />
festes sich angeschrieen, geprügelt und<br />
»gegenseitig die Haut zerfetzt« haben,<br />
bevor diese wunderschöne Party zustande<br />
kommen konnte, die alle an einem<br />
großen Tisch versammelt?<br />
Saison 2005/2006<br />
In »Gesicht zur Wand« berichten die Figuren<br />
über einen Familienvater, der in<br />
einer Schule ein Blutbad anrichtet, und<br />
spekulieren über die Ursachen, die solch<br />
ein völlig unvorhergesehener Gewaltausbruch<br />
haben könnte. Das Leben des Täters<br />
ist mustergültig, seine Umgebung ein<br />
Vorbild gesetzter Bürgerlichkeit. Kein<br />
Mangel, keine Lücke, kein Riss, in dem<br />
ein Motiv für die Wahnsinnstat sich festgesetzt<br />
haben könnte, lässt sich ausmachen.<br />
Nur der Postbote kommt manchmal<br />
zu spät, an den Tagen, an denen es<br />
seinem Sohn morgens nicht gelingt, ihn<br />
zum Aufstehen zu bewegen.<br />
In »Weniger Notfälle« erscheint den Figuren<br />
das Licht wieder heller, der soziale<br />
Friede wieder näher. Das Paar aus »Der<br />
ganze blaue Himmel« geht häufiger miteinander<br />
segeln, das tut der Beziehung<br />
ganz offensichtlich gut. Den Sohn lassen<br />
sie bei diesen Gelegenheiten zuhause,<br />
eingesperrt, denn »weniger Notfälle«<br />
heißt schließlich nicht »keine Notfälle«,<br />
und Sicherheit ist nirgends.<br />
Weniger Notfälle<br />
von Martin Crimp<br />
Regie: Friederike Heller<br />
Ausstattung: Sabine Kohlstedt<br />
Mit Johanna Eiworth, Philipp Hauß, Dietmar<br />
König<br />
★ Premiere / Österreichische Erstaufführung<br />
am 17. Februar 2006 im KASINO<br />
Kasino<br />
Sofie Thorsen, 2005.<br />
Aus der Serie »The Golden Castle That Hung In The Air«<br />
MARTIN CRIMP<br />
Seit seinem Debüt als Dramatiker in den<br />
achtziger Jahren hat Martin Crimp, Jahrgang<br />
1956, neben Theaterstücken auch<br />
Übersetzungen, Bearbeitungen und mehrere<br />
preisgekrönte Hörspiele veröffentlicht.<br />
Für »Der Dreh« erhielt er 1993 den<br />
John Whiting-Dramatikerpreis, 1997 war<br />
er Hausautor am Londoner Royal Court<br />
Theatre. Im deutschsprachigen Raum wurde<br />
Crimp u.a. mit »Angriffe auf Anne« und<br />
»Auf dem Land« bekannt, daneben erschienen<br />
auf deutsch »Das stille Kind«, »Der<br />
Handel mit Clair« und »Spiel mit Wiederholungen«.<br />
Crimp lebt mit seiner Frau und seinen<br />
drei Kindern in der Nähe von London.<br />
FRIEDERIKE HELLER<br />
Während ihres Regiestudiums in Hamburg<br />
inszenierte Friederike Heller, Jahrgang 1974,<br />
bereits in den Hamburger Zeisehallen und<br />
an den Hamburger Kammerspielen. Zuletzt<br />
arbeitete sie in Göttingen, Dresden, Köln<br />
und am <strong>Burgtheater</strong>. 2003 inszenierte sie im<br />
Kasino am Schwarzenbergplatz die österreichische<br />
Erstaufführung von Neil LaButes<br />
»Tag der Gnade« und im Herbst 2004<br />
im Akademietheater die österreichische Erstaufführung<br />
von Peter Handkes »Untertagblues«,<br />
für die sie in der Zeitschrift Theater<br />
heute zur Nachwuchsregisseurin des Jahres<br />
gewählt wurde.<br />
13
Kasino<br />
14<br />
Spieltriebe<br />
Nachwuchs unplugged SCHWIMMEN WIE HUNDE<br />
von Reto Finger<br />
»Spieltriebe« heißt kurz und knapp eine<br />
Veranstaltungsreihe, die das <strong>Burgtheater</strong><br />
vor drei Jahren im Kasino gestartet<br />
hat. Sie war auf Anhieb so erfolgreich,<br />
dass sie jetzt – nach einer kurzen Pause<br />
– fortgesetzt wird.<br />
Die Grundidee: Die jungen Regisseure,<br />
derzeit noch als Regieassistenten<br />
am Haus beschäftigt und bei Regisseuren<br />
wie Karin Beier, Andrea Breth, Stefan<br />
Kimmig, Martin Kušej oder Nicolas<br />
Stemann lernend, probieren sich<br />
aus, entwickeln ihre Vorstellungen von<br />
Theater, präsentieren Texte und Themen<br />
ihrer Wahl zwischen szenischer Lesung,<br />
Revue, kleiner Inszenierung oder<br />
szenischer Installation. Man ist als Zuschauer<br />
vor Überraschungen nicht sicher,<br />
und gerade dies ist Verführung genug,<br />
um immer wieder zu kommen und<br />
Szenen von H.C. Artmann, Max Goldt,<br />
Cami oder Raymond Queneau zu erleben,<br />
mal unterhaltsamer, mal ernsthafter,<br />
mal aninszeniert, mal ausinszeniert,<br />
mal skizziert…<br />
Aber auch Stücke werden hier ausprobiert,<br />
die nach ihrer Erstpräsentation<br />
bei den »Spieltrieben« den Weg ins Repertoire<br />
finden.<br />
PS.: Der Begriff »Spieltriebe« ist übrigens<br />
keineswegs zeitgeistig, sondern findet<br />
sich in Schillers Briefen über die ästhetische<br />
Erziehung des Menschen.<br />
»Die gesellschaftliche Vorstellung einer Beziehung lebt noch immer zu einem großen Teil<br />
vom Ideal der Romantik. Die Beschleunigung unserer Zeit macht aber auch vor Beziehungen<br />
nicht halt und wird diese nachhaltig verändern. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden.<br />
Unmögliche Wortschöpfungen wie ›Lebensabschnittspartner‹ oder ›serielle Monogamie‹<br />
zeigen aber, wie schwierig dieser Prozess ist.« (Reto Finger in Theater der Zeit)<br />
Charlotte trennt sich von Robert und zwar »wie Erwachsene« das tun: Der Freundeskreis<br />
wird aufgeteilt und Robert nicht einfach auf die Straße gesetzt, sondern als Übergangslösung<br />
in den Keller umquartiert, bis er »was Eigenes gefunden hat«. Aber Robert denkt gar<br />
nicht daran, »was Eigenes zu finden«: Er lässt sich nicht austauschen, er macht einfach nicht<br />
mehr mit und richtet sich, ausgestattet mit Lebensmitteln und Trockenklo, im Keller ein.<br />
Reto Finger hat an den Werkstatttagen 2004 teilgenommen und wurde im letzten Jahr mit<br />
dem Kleist-Förderpreis für junge Dramatiker ausgezeichnet.<br />
Die österreichische Erstaufführung von »Schwimmen wie Hunde« wird inszeniert von<br />
Harald Brückner, seit 2004 Regieassistent am <strong>Burgtheater</strong>.<br />
Mit Alexandra Henkel, Nicola Kirsch; Patrick O. Beck, Michele Cuciuffo, David Oberkogler<br />
Am 28. Jänner 2006 in der KASINOBar<br />
ES IST ZEIT. ABRISS<br />
von Albert Ostermaier<br />
Die Regieassistenten<br />
des <strong>Burgtheater</strong>s:<br />
Anik Moussakhanian<br />
Rudolf Frey<br />
Barbara Nowotny<br />
Sebastian Fust<br />
Johanna Grilj<br />
Cornelia Maria Rainer<br />
Harald Brückner<br />
Philip Jenkins<br />
mich zieht es überall dort hin / wo etwas zu ende geht wie / ein magnet zieht es mich an /<br />
und ich schau zu wie alles / in sich zusammenfällt<br />
Aus vier sich überschneidenden Perspektiven wird die gleiche Geschichte erzählt von Liebe<br />
und Verlassen, Lüge und Mord. Was passiert ist, ist weniger wichtig als der Umstand,<br />
dass es genauso gut überhaupt nicht passiert sein könnte. Hat Castou das Mädchen Dor<br />
und ihren Freund Lux auf dem Gewissen? Ist Dor freiwillig vom Parkhaus gesprungen?<br />
Wer ist der Bauarbeiter, der da noch in diesem verlassenen Gebäude hockt? Sind alle diese<br />
Figuren womöglich nur Gespinste im Hirn eines betrunkenen Geistes? Eine Art Poesiethriller<br />
hat Ostermaier geschrieben, der nicht nach Auflösung verlangt, sondern durch Intonation<br />
und Melancholie das Thema vom gelungenen Leben variiert.<br />
Von Albert Ostermaier wurden am <strong>Burgtheater</strong> bereits die Stücke »Letzter Aufruf« und<br />
»Nach den Klippen« unter der Regie von Andrea Breth aufgeführt.<br />
»Es ist Zeit. Abriss« wird von Rudolf Frey, seit 2004 Regieassistent am <strong>Burgtheater</strong>, inszeniert.<br />
Am 3. März 2006 in der KASINOBar<br />
2005/2006 Saison
Blackbird<br />
von David Harrower (Österreichische Erstaufführung)<br />
Ein verstohlenes Treffen zwischen einem<br />
Mann um die 50 und einer jungen Frau<br />
in einer Werkskantine nach Feierabend.<br />
Sie hatte auf dem Hof auf ihn gewartet,<br />
er hat sie dort hineingezerrt, aus Angst,<br />
die Begegnung könne seine Vergangenheit<br />
ans Licht bringen und seine neue<br />
Identität gefährden. Fünfzehn Jahre lang<br />
haben sie sich nicht gesehen. Damals hatten<br />
sie eine Beziehung, obwohl das Mädchen<br />
kaum ein Teenager war. War diese<br />
Liebe anrührend oder anrüchig?<br />
Ursprünglich arbeitete Harrower an einem<br />
Stück mit zwölf Rollen, doch einen<br />
Monat vor Abgabeschluss – es war ein<br />
Auftragswerk für das Edinburgh International<br />
Festival 2005, Regie führte Peter<br />
Stein – eliminierte er zehn der Figuren, so<br />
dass nur zwei überlebten.<br />
Harrower: »Blackbird ist die Liebesgeschichte<br />
zweier Menschen, die eine gemeinsame<br />
Erfahrung hinter sich gebracht<br />
haben, die ihr Leben verändert hat. Es<br />
geht darum, was passiert, wenn zwei<br />
Menschen in einem Raum aufeinandertreffen.<br />
Zwischen ihnen gibt es eine Inti-<br />
Mir geht es<br />
nicht darum,<br />
zu einem Schluss<br />
zu kommen,<br />
sondern darum,<br />
Fragen zu stellen.<br />
Saison 2005/2006<br />
mität – ob man<br />
sie nun als<br />
missbräuchlich<br />
oder anderes<br />
definiert<br />
– in jedem Fall besteht<br />
eine Bindung<br />
zwischen den beiden.<br />
Die junge Frau<br />
hat Gefühle, die leidenschaftlich,<br />
stark<br />
und realistisch sind.<br />
Sie sagt, es war die<br />
unglaublichste Liebe,<br />
die sie je empfand,<br />
dass ihr jedoch andere erklärten, es<br />
sei verdorben und sie wäre naiv gewesen<br />
und zu etwas gezwungen worden.<br />
Sie muss sich zwischen diesen beiden<br />
Versionen ihrer eigenen Geschichte<br />
entscheiden.<br />
Der Mann besteht darauf, dass er in seinem<br />
Leben ausschließlich eine Person geliebt<br />
habe und dass es nur Zufall gewesen<br />
sei, dass diese Person 12 Jahre alt<br />
war. Er besteht ebenfalls darauf, dass ihn<br />
das nicht zu einem Pädophilen mache, da<br />
er seit damals nie wieder ein Kind angerührt<br />
habe. Für ihn ist es besser, dass sie<br />
ihm glaubt, sie wäre damals eine reife<br />
Zwölfjährige gewesen, weil er damit in<br />
seinen Augen aus der Klemme ist. Wer<br />
auch immer er damals war, aus welchen<br />
Gründen auch immer er es getan hat,<br />
welche Entschuldigungen er auch dafür<br />
findet – er muss sich vor sich selbst rechtfertigen.<br />
DAVID HARROWER<br />
1966 in Edinburgh geboren, lebt in Glasgow. Er studierte Anglistik, Amerikanistik und<br />
Kunst. Er schreibt für das Traverse Theatre, das Royal Court Theatre, das Royal National<br />
Theatre und die Royal Shakespeare Company. Seit Ende der 90er Jahre zählt er zu den wichtigsten<br />
zeitgenössischen britischen Dramatikern. Sein erstes Stück »Messer in Hennen« von<br />
1995 wurde von Theater heute zum besten ausländischen Stück des Jahres 1997 gewählt.<br />
ESTHER MUSCHOL<br />
1976 in München geboren, lebt in Wien. Sie studierte von 1998 bis 2002 Regie am Max-<br />
Reinhardt-Seminar und war dann Regieassistentin am <strong>Burgtheater</strong>. Im Rahmen der Spieltriebe<br />
waren bereits mehrere Arbeiten von ihr zu sehen. Seit September 2005 arbeitet sie als freie<br />
Regisseurin und inszenierte zuletzt am Theater Erlangen Brigitte Reimanns »Franziska Linkerhand«<br />
als Theatermonolog.<br />
Ich versuche<br />
nicht, sein<br />
Verhalten zu<br />
entschuldigen,<br />
aber es ist ein Theaterstück,<br />
und deshalb<br />
versuche ich,<br />
verschiedene Möglichkeiten<br />
zu überprüfen. Kann<br />
ein erwachsener Mann tatsächlich<br />
eine Beziehung mit einem zwölfjährigen<br />
Mädchen haben? Er glaubt,<br />
dass er das kann, und Una glaubt es<br />
auch, und es gibt auch andere Menschen,<br />
die das glauben.<br />
Mir geht es nicht darum, zu einem<br />
Schluss zu kommen, sondern<br />
darum, Fragen zu stellen.<br />
Ich will nicht, dass die Leute,<br />
nachdem sie das Stück gesehen haben,<br />
denken, man sollte das Strafrecht ändern.<br />
Vielmehr wünsche ich mir, dass<br />
es Fragen über persönliche Freiheit und<br />
über Verantwortung aufwirft und Fragen<br />
darüber, was man im Leben hinter<br />
sich lässt und was man mit sich herumträgt<br />
und wie sehr man der Vergangenheit<br />
die Schuld an den Problemen der Gegenwart<br />
gibt. Es ist kein Problemstück;<br />
es ist eine Metapher für etwas Anderes.«<br />
Harrower hat keinen Zweifel daran,<br />
dass die Bühne auch in Zukunft ein<br />
wichtiger Ort der Kommunikation sein<br />
wird: »Ich bin schlicht fasziniert von<br />
Theaterstücken und davon, warum Menschen<br />
sich für diese literarische Form<br />
entscheiden. Stücke zu schreiben wird<br />
nie stumpfsinnig, es bleibt ein fortwährendes<br />
Erkunden. Mein Schreiben muss<br />
sich weiterbewegen. Ich möchte gerne<br />
dem auf den Grund gehen, was uns heute<br />
begegnet.«<br />
Blackbird<br />
von David Harrower<br />
Regie: Esther Muschol<br />
Bühne: Michaela Bürger<br />
Kostüme: Claudia Vallant<br />
Musik: Karl Stirner<br />
Mit Teresa Weißbach, Martin Reinke<br />
★ Premiere / Österreichische Erstaufführung<br />
am 23. Februar 2006 im VESTIBÜL<br />
Vestibül<br />
15
Geburtstag<br />
16<br />
Mein Reich ist in der Luft<br />
Ein Fest für Gert Jonke zum Sechzigsten am 15. Februar im Akademietheater<br />
Man mag es glauben oder nicht: Der große Verzögerer und Beschleuniger, Zeitenanhalter<br />
und -durcheinanderwürfler Gert Jonke wird Sechzig. Im Akademietheater, dem Ort,<br />
wo in den letzten Jahren die Uraufführungen der »Chorphantasie« und der »Versunkenen<br />
Kathedrale« zu sehen waren und sind, wird am 15. Februar mit vielen Freunden gefeiert.<br />
Neben der Uraufführung eines von Elfriede Jelinek für ihn verfassten Textes und<br />
einem seiner schon fast legendären Auftritte mit den Wachauer Pestbläsern erwarten wir<br />
die Gratulationen von Markus Hinterhäuser, Antonio Fian, Werner Kofler, dem »Kabinetttheater«,<br />
Lois & Franziska Weinberger, Christiane Pohle und manch anderen.<br />
»Die versunkene Kathedrale«<br />
Aus Anlass der Verleihung des Kleist-Preises<br />
2005 an Gert Jonke hat der Preisträger<br />
unter dem Titel »Ein schöner Gruß<br />
an Heinrich Kleist« eine fulminante Rede<br />
in fünf Abteilungen gehalten, von der wir<br />
den mittleren, dritten Teil im Folgenden<br />
erstmals im Druck veröffentlichen.<br />
Die fünf Prosastücke nehmen außer in<br />
der Überschrift nirgendwo direkt Bezug<br />
auf Heinrich von Kleist, und doch sind sie<br />
in Haltung und Motiven dem Namenspatron<br />
des Preises tief verbunden. Im Aufsatz<br />
»Über das Marionettentheater« hatte<br />
Kleist die Unbewusstheit der leblosen<br />
Apparatur und der Tiere in die Nähe des<br />
unendlichen Bewusstseins Gottes gerückt<br />
und spekuliert, dass für den Menschen die<br />
Unschuld und Grazie des Naturzustandes,<br />
also die Überwindung des beschränkenden<br />
Bewusstseins, nur dann wieder<br />
zu erreichen wäre, »wenn die Erkenntnis<br />
gleichsam durch ein Unendliches gegangen<br />
ist«: »Das ist das letzte Kapitel von<br />
der Geschichte der Welt.« Jonkes Text<br />
wirft nun quasi aus einem solchen nachge-<br />
schichtlichen Zustand einen Blick zurück<br />
auf unsere Welt, in der die Wildnis mechanisiert<br />
und durch High-Tech-Marionetten<br />
ersetzt ist – eine Abkürzung, über<br />
die sich das Paradies, der wiedergewonnene<br />
Ursprungszustand der Welt, als rentabler<br />
Erlebnispark erweist.<br />
3<br />
Wilde Tiere sind herrenlos, solange sie<br />
sich in Freiheit befinden. Wilde Tiere<br />
in Tiergärten und Fische in Teichen oder<br />
anderen geschlossenen Privatgewässern<br />
sind nicht herrenlos. Zieht ein Bienenschwarm<br />
aus, so wird er herrenlos,<br />
wenn nicht der Eigentümer ihn unverzüglich<br />
verfolgt, oder wenn der Eigentümer<br />
die Verfolgung aufgibt. Der Eigentümer<br />
des Bienenschwarms darf bei der<br />
Verfolgung fremde Grundstücke betreten.<br />
Ist der Schwarm in eine fremde nicht<br />
besetzte Bienenwohnung eingezogen, so<br />
darf der Eigentümer des Schwarms zum<br />
Zwecke des Einfangens die Wohnung<br />
öffnen und die Waben herausnehmen<br />
oder herausbrechen. Er hat den entstehenden<br />
Schaden zu ersetzen. Vereinigen<br />
sich ausgezogene Bienenschwärme mehrerer<br />
Eigentümer, so werden die Eigentümer,<br />
welche ihre Schwärme verfolgt haben,<br />
Miteigentümer des eingefangenen<br />
Gesamtschwarms; die Anteile bestimmen<br />
sich nach der Zahl der verfolgten<br />
Schwärme.<br />
Ist ein Bienenschwarm in eine fremde besetzte<br />
Wohnung eingezogen, so erstrecken<br />
sich das Eigentum und die sonstigen<br />
Rechte an den Bienen, mit denen die<br />
Wohnung besetzt war, auf den eingezogenen<br />
Schwarm. Das Eigentum und die<br />
sonstigen Rechte an dem eingezogenen<br />
Schwarme erlöschen.<br />
Aus einem alten Gesetzbuch<br />
Wilde Tiere sind herrenlos und nur solange<br />
sie sich in der Wildnis befinden als<br />
solche zu bezeichnen. Alle anderen Tiere,<br />
wie Haustiere oder gefangene wilde Tiere,<br />
sind eigentlich gar keine lebenden Tiere,<br />
sondern vor Gericht als bewegliche<br />
Sachen zu behandeln, die sich im Eigentum<br />
des sich als Viehzüchter betätigenden<br />
Landwirts oder eines Tiergartenbetreibers<br />
befinden. Erlangt ein gefangenes wildes<br />
Tier die Freiheit, so wird es herrenlos und<br />
somit zu einer wilden beweglichen Sache.<br />
Da auch die letzten unbetretbaren Naturschutzgebiete<br />
der Wildnis, die bislang<br />
öffentlich-rechtliches Staatseigentum waren,<br />
verkauft und privatisiert werden,<br />
um ihren Konkurs zu verhindern, werden<br />
die ehemals wilden Tiere dort zu wilden<br />
beweglichen Sachen, die, um nicht<br />
die wirtschaftliche Nutzung der Wildnis<br />
und deren Personal zu gefährden, in sogenannte<br />
Erlebnisparks ausgelagert werden.<br />
So werden die beweglichen Sachen<br />
des Wildnisbetriebs zu beweglichen Sachen<br />
der Tierparks und verschiedener anderer<br />
Gehegebetriebe, die daraufhin einen<br />
großen wirtschaftlichen Aufschwung erleben:<br />
man versteht es nämlich, diese Erlebnislandschaftsgehege<br />
als echte Wildnis zu<br />
maskieren, indem man ganze Mangrovensümpfe<br />
und kleinere Grundstücke noch<br />
erhältlichen tropischen Regenwaldes aus<br />
allen Teilen der Welt im Gebiet der Erlebnisparks<br />
ansiedelt und vor sich hin wuchern<br />
läßt, so daß den die Kassen der Er-<br />
2005/2006 Saison
lebnisparks stürmenden Besuchern eine<br />
unbetretbare Wildnis vorgegaukelt wird.<br />
Den wilden Tieren kann man diese florierenden<br />
Wildnisbetriebe allerdings immer<br />
weniger als Wildnis vorgaukeln, weshalb<br />
sie ihre Wildheit immer mehr verlieren<br />
und aus Langeweile degenerieren – worauf<br />
der zunehmende Eigenschwund durch<br />
Vermehrungsverweigerung und verschiedenartige<br />
andere Abstumpfungen ihre Dezimierung<br />
verursacht. Um in der Welt der<br />
Wirtschaft weiter bestehen zu können,<br />
wird in den Wildnisbetrieben dieses fehlende<br />
Wirtschaftswachstum verheimlicht,<br />
indem die anfallenden Kadaver nicht mehr<br />
der Tierkörperverwertung ausgehändigt<br />
werden, sondern den Tierpräparatoren,<br />
welche sie ausnehmen und ausstopfen<br />
und daraufhin den Wissenschaftlern, Ingenieuren,<br />
Erfindern, die das Innere der<br />
Häute mit einem neuen maschinellen Innenleben<br />
aus Motoren, Drähten, Kabeln,<br />
Kontakten des neuesten Erfindungsstandards<br />
ausstatten und aus einem Labyrinth<br />
von Schaltkreisen auch ein galvanisch gespeistes<br />
Seelenleben konstruieren, so daß<br />
wahre Wunderwerke der Imitation entstehen,<br />
die sich von den Originalen, denen<br />
sie nachgebildet sind, nicht nur nicht unterscheiden<br />
lassen, sondern diese an Lebendigkeit<br />
und Lebensechtheit übertreffen.<br />
Diese elektrischen Tiere sind nicht<br />
als künstliche Attrappen definierbar, sondern,<br />
wie ihre Konstrukteure mit durchaus<br />
demiurgischem Stolz behaupten, als<br />
eine Art von noch nicht dagewesenen<br />
Lebewesen aus einer Art anderen Natur<br />
oder auch Übernatur zu verstehen. Und<br />
es schmerzt diese vermeintlichen Erfinder,<br />
daß sie diese Wunderwerke einer neuen<br />
Art von wirtschaftlichen Schöpfungssparte<br />
in ihrer wahren Wesenheit der Öffentlichkeit<br />
verheimlichen müssen, die auf<br />
dergleichen zu wenig vorbereitet ist und<br />
sicher sehr erschrecken würde, jedoch weniger<br />
aufgrund der Tatsache, daß es keine<br />
lebenden Tiere mehr gibt, sondern nur<br />
noch elektrische – das würden die Leute<br />
sehr schnell verschmerzen –, sondern<br />
mehr wegen der Ununterscheidbarkeit der<br />
elektrischen Maschinentiere von den echten<br />
lebenden Tieren, der man derart rettungslos<br />
auf den Leim geht.<br />
Saison 2005/2006<br />
Gert Jonke<br />
Leider können die schönen Aussichten auf<br />
diese schöpferischen Wunderwerke nicht<br />
verhindern, daß unsere Zivilisation in einigen<br />
Jahrzehnten merkwürdig diskret<br />
verschwunden sein wird, wie aufgrund<br />
einer unsichtbaren planetarischen Katastrophe,<br />
ein totaler Stromausfall oder so<br />
etwas. Die Maschinengestelle fast aller<br />
stehengebliebenen Tiere lagert man zur<br />
Wartung und Reparatur in riesigen unterirdischen<br />
Lagerhallen, Zisternen und Magazinen<br />
ein, weshalb diese elektrischen,<br />
ehemals eine neue Wildnis bevölkernden<br />
Tiergestelle ein paar Jahrtausende lang,<br />
vielleicht auch weniger, aber einige Epochen<br />
lang die oberirdische Öde und Leere<br />
einer so gut wie leblosen, wie von sich<br />
selbst zerstörten Planetenoberfläche überdauern.<br />
In ihren riesigen, unterirdischen<br />
Schlafsälen werden sie von einer späteren<br />
Zivilisation dann aber entdeckt, deren<br />
Bevölkerungsindividuen wohl nichts<br />
mehr von den Tieren und Menschen aus<br />
einer fernen vergessenen prähistorisch anmutenden<br />
Zivilisation wissen wird.<br />
Die Philosophen und Historiker dieser<br />
so fernen Zukunftszivilisation werden<br />
diese stillgelegten Tiermaschinen aus einer<br />
vergessenen Welt wohl als die beweglichen<br />
Göttergestalten deuten, die von den<br />
Einwohnern einer Jahrtausende zuvor zu<br />
vermutenden Zivilisation verehrt und angebetet<br />
worden seien, und ehemalige Tierparkumrisse<br />
werden demgemäß als ehemalige<br />
Tempelbezirke identifiziert und<br />
Geburtstag<br />
erkannt. Die Leute, die in den Jahrtausenden<br />
vorher an diesen Orten und Gebieten<br />
wohnten, hätten diese vermutlich<br />
regelmäßig aufgesucht, um die Tiere anzubeten,<br />
die von ihnen als Götter verehrt<br />
wurden, um den Tieren Geld und andere<br />
Sachen zu opfern. Diese Menschen damals<br />
sollen also weniger von einer vermutlichen<br />
Oberpriesterkaste, den Erfindern<br />
und Konstrukteuren dieser Tiermaschinen,<br />
sondern vielmehr von den Mechanikern<br />
und Technikern, den Tierpflegern,<br />
die diese Tiermaschinen in Schuß gehalten<br />
und repariert hätten, völlig unter der<br />
Fuchtel gehalten und terrorisiert worden<br />
sein, heißt es.<br />
Aber vermutlich hätten die Leute damals<br />
das alles weder durchschaut noch gewußt.<br />
Ja, ja, wir alle werden also von den<br />
Jahrmarktsgangstern einer mafiosen Sippschaft,<br />
dem Ringelspielbetriebsgesindel<br />
einer gewalttätigen Spielbetrugsschlägertruppe<br />
und deren Parkwächtern, die uns<br />
durch die Gegend schikanieren, ausgenommen<br />
wie die Weihnachtsgänse, als<br />
welche wir uns selber ununterbrochen<br />
freiwillig für deren Verzehr braten.<br />
Und wir selbst wissen das alles angeblich<br />
auch gar nicht. Natürlich wissen wir das<br />
nicht. Woher denn auch.<br />
Und wenn wir uns nicht vorschriftsmäßig<br />
vor den Tieren niederknien und<br />
uns in den Staub werfen, dann hetzen sie<br />
uns ihre elektrischen Tiere an den Hals.<br />
Und wenn wir nicht ordentlich die Tierparks<br />
aufsuchen, dann hetzen diese Raubritter<br />
ihre elektrischen Tiger auch außerhalb<br />
der Tierparks auf uns.<br />
Natürlich ist es schlimmer, von einem<br />
elektrischen Tiger angefallen zu werden<br />
als von einem richtigen Tiger. Und natürlich<br />
walzt eine elektrische Elefantenherde<br />
eine Demonstration viel besser und<br />
schneller nieder als noch so viele echte lebende<br />
Elefanten und Nashörner zusammen.<br />
Und das alles wissen wir also angeblich<br />
gar nicht?<br />
Natürlich nicht. Woher denn auch?<br />
Sollten wir?!<br />
Ich weiß nicht.<br />
17
»Immer wieder von vorn anfangen«<br />
Klaus Völker über Elisabeth Orth – deren 70. Geburtstag wir mit der 70. und letzten<br />
Vorstellung von »Maria Stuart« am 5. Februar feiern. Nach der Vorstellung gratuliert das<br />
Ensemble der Jubilarin auf offener Bühne.<br />
Elisabeth Orth, die im Oktober 1965 erstmals<br />
am <strong>Burgtheater</strong> spielte, gehört seit<br />
1968 zum festen Stamm des Ensembles.<br />
Obwohl sie ein waschechtes Wiener Kind<br />
ist, hat sie diesem Klischee nie entsprochen.<br />
Es gelang ihr, die kindliche Anmut,<br />
ihre Leuchtkraft und Begeisterungsfähigkeit<br />
in eine durch unverfälschte Worte bekräftigte<br />
naturverwachsene Wesenheit auf<br />
der Bühne zu verwandeln. Das Einfache,<br />
das schwer zu machen ist, gelingt ihr auch<br />
heute noch immer scheinbar mühelos.<br />
Am 8. Februar 2006 feiert die älteste der<br />
drei Töchter des Burgschauspielerehepaars<br />
Paula Wessely und Attila Hörbiger<br />
ihren 70. Geburtstag. Weil sie nicht von<br />
den Zinsen des Ruhmkontos profitieren<br />
wollte, das mit den Familiennamen von<br />
Vater und Mutter verbunden war und<br />
auch ihre Schwestern Christiane und Maresa<br />
zum Theater wollten, adaptierte die<br />
Philosophiestudentin Elisabeth Hörbiger,<br />
als sie sich 1956 doch entschloss, auf eine<br />
Theaterexistenz zuzusteuern, den Mädchennamen<br />
ihrer Großmutter mütterlicherseits<br />
als Künstlernamen: Orth.<br />
Intendant Ernst Haeussermann, auf<br />
der Suche nach einer »Sekretärin« für seinen<br />
Dramaturgen Florian Kalbeck, die die<br />
Eigenschaften eines Mädchen für alles haben<br />
sollte, überredete die in der Berufswahl<br />
noch unschlüssige Studentin, sich in<br />
seinem Theater in der Josefstadt »umzusehen«<br />
und hatte damit einen denkbar guten<br />
Griff getan. Denn die neue Sekretärin<br />
betätigte sich geschickt als Stücke lesende<br />
Dramaturgin, als flinke Inspizientin, gelegentliche<br />
»Einspringerin« und schließlich<br />
auch Regieassistentin. In Oskar Werner<br />
fand sie einen Schauspieler, der ihr Mut<br />
machte, ihre vielseitige Intelligenz als etwas<br />
zu begreifen, was gerade im Theater<br />
entwickelbar wäre und gebraucht würde.<br />
So meldete sich Elisabeth Orth zum Studium<br />
am Reinhardt-Seminar an, wurde<br />
zugelassen und bekam, ihrer Begabung<br />
wegen, das letzte Jahr »geschenkt«. Nebenbei<br />
hatte sie damals ihre ersten bemerkenswerten<br />
Auftritte an Wiener Bühnen,<br />
wie etwa im September 1958 am Volkstheater<br />
in »Sieh und staune!« von John<br />
Patrick und 1959 im Theater der Courage<br />
in »Tran« von Eugene O’Neill.<br />
Saison 2005/2006<br />
Corinna Kirchhoff, Michael König, Martin Schwab und Elisabeth Orth in »Maria Stuart«<br />
Dass sie dem Ulmer Intendanten Kurt<br />
Hübner damals <strong>vorspiel</strong>en konnte, war<br />
ein großes Glück, er engagierte sie für die<br />
Spielzeit 1960/61 und war entschlossen,<br />
ihr Schillers »Jungfrau« als erste Aufgabe<br />
anzuvertrauen. Auch ein Abgesandter<br />
des Münchner Residenztheaters war<br />
vom besonderen Talent dieser Elisabeth<br />
Orth überzeugt und bewirkte, dass sie<br />
zum Vorsprechen nach München eingeladen<br />
wurde. Hier wurde sie sofort mit<br />
der Titelrolle in »Miss Sara Sampson« besetzt<br />
und spielte mit Erfolg zwei weitere<br />
Rollen, während in Ulm die Proben zur<br />
»Jungfrau von Orleans« begannen.<br />
Auf ihrem Jahr in der »Provinz«, das<br />
Intendant Henrichs ihr ersparen wollte,<br />
bestand sie und erlebte dann die Überraschung,<br />
in einem Ensemble zu arbeiten,<br />
das gerade anfing, Theatergeschichte<br />
zu schreiben. In Ulm spielte sie nicht<br />
nur unter Kurt Hübners Regie die Johanna<br />
und Emilia Galotti, sie war auch die<br />
Protagonistin der Zadek-Inszenierungen<br />
von O’Caseys »Der Rebell, der keiner<br />
war« und von Shakespeares »Der Kaufmann<br />
von Venedig«, Minnie Powell und<br />
Porzia. Ihre Partner waren Norbert Kappen,<br />
Katharina Tüschen, Helmut Erfurth,<br />
Friedhelm Ptok, Peter Striebeck. Die Aufforderung,<br />
mit dieser jungen, den Stadttheateralltag<br />
sprengenden Truppe nach<br />
Geburtstag<br />
Bremen zu gehen, hätte ihr vielleicht so<br />
manche ihrer künftigen routinierten Klassikeraufführungen,<br />
in denen sie besetzt<br />
wurde, erspart, aber sie fühlte sich auch<br />
in diesem Fall an ihre vertraglichen Absprachen<br />
gebunden und hatte zu diesem<br />
Zeitpunkt immer unbekümmerte Lust auf<br />
neue künstlerische Abenteuer und Begegnungen.<br />
»Irrtümer«, sagte sie sich, konnte<br />
man schließlich korrigieren.<br />
Ihr Ulmer Debüt feierte Siegfried Melchinger<br />
in Theater heute als den Durchbruch<br />
einer Schauspielerin »zum großen<br />
Format«: »Als Johanna hatte sie<br />
eine Strahlkraft, die Schillers gefährliche<br />
und selten gespielte romantische Tragödie<br />
über alle Klippen hinweg zu einem<br />
wahren Triumph führte… Tiefbohrende<br />
Analyse verband sich mit hochfliegender<br />
Phantasie.« Für ihre Darstellung erhielt<br />
sie den sehr angesehenen, von einer<br />
namhaften Kritikerjury verliehenen Hersfeld-Preis<br />
für Schauspieler. Ihren längeren<br />
Urlaub vom Residenztheater, wo sie von<br />
1962 an die zentralen jüngeren Frauenrollen<br />
zu spielen bekam und das sie, wie<br />
sie öffentlich bekundete, als ihr »Theater-<br />
Zuhause« betrachtete, nutzte Elisabeth<br />
Orth 1964 noch zu einem Abstecher an<br />
die Kölner Städtischen Bühnen, um hier,<br />
an ihre Johanna anknüpfend, die Titel-<br />
19
olle im während des Ersten Weltkriegs<br />
begeistert aufgenommenen Schauspiel<br />
»Madame Legros« von Heinrich Mann<br />
zu übernehmen, die Figur einer Antigone<br />
kurz vor der Französischen Revolution,<br />
keine Petroleuse, sondern ein mitreißender<br />
menschlicher Engel.<br />
Nun wollte endlich auch ihre Heimatstadt<br />
überprüfen, ob der in Deutschland erworbene<br />
Ruf und bereits verliehene Rang einer<br />
Staatsschauspielerin Wiener Kriterien<br />
standzuhalten vermochte: am 21.10.1965<br />
debütierte Elisabeth Orth als Luise in Leopold<br />
Lindtbergs Inszenierung von »Kabale<br />
und Liebe« in der Burg. Wien applaudierte,<br />
doch Ernst Haeusserman,<br />
mittlerweile <strong>Burgtheater</strong>-Direktor, gelang<br />
es noch nicht, die Orth zur Burgschauspielerin<br />
zu machen; vielmehr kehrte sie nach<br />
München zurück, den Lockrufen des neuen<br />
Oberspielleiters am Residenztheater,<br />
Hans Lietzau, erliegend, der mit ihr als<br />
Marie und Heinrich Schweiger als Woyzeck<br />
eine erregende Büchner-Aufführung<br />
erarbeitete, die eine alle menschlichen Gefühle<br />
erdrückende, engstirnige und gänzlich<br />
vermauerteWelt wiedergab, in der die<br />
Menschen sich, gehetzt und in ihre Triebe,<br />
Leiden und Ahnungen verstrickt, zu<br />
behaupten versuchten. Mit diesem »Woyzeck«<br />
gastierte das Residenztheater im<br />
Frühjahr 1966 in New York, aufgeführt<br />
zusammen mit Goethes »Die Mitschuldigen«,<br />
mit Elisabeth Orth als Sophie und<br />
Martin Benrath als Alcest.<br />
In München kombinierte Lietzau »Die<br />
Mitschuldigen« dann mit Ionescos »Die<br />
Stühle«, wiederum mit Orth und Benrath,<br />
die er dann noch einmal in seiner Claudel-Inszenierung<br />
»Der seidene Schuh« als<br />
Doña Proëza und Don Camilo zum erfolgreichen<br />
Theaterpaar machte.<br />
1968 konnte das Wiener Publikum Elisabeth<br />
Orth als heilige Johanna feiern – in<br />
der moderneren, etwas flapsigeren Version<br />
von G. B. Shaw. In Wien heiratete Elisabeth<br />
Orth den Burgschauspieler Hanns<br />
Obonya, den sie auf einer Tournee mit<br />
O’Neills »Fast ein Poet« 1967 kennen gelernt<br />
hatte, eine Tournee, bei der sie Sara<br />
Melody spielte, die Tochter des Ehepaars<br />
Melody, gespielt von Paula Wessely und<br />
Attila Hörbiger, ein attraktives Familienunternehmen<br />
gewiss, aber eine in ihrem<br />
poetisch verdichteten Realismus höchst<br />
stimmige O’Neill-Inszenierung.<br />
Saison 2005/2006<br />
Nach der Geburt ihres Sohnes Cornelius,<br />
einer weiteren Tournee-Inszenierung<br />
mit Grillparzers »Jüdin von Toledo«<br />
und einer letzten Rolle am Münchner<br />
Residenztheater in »Alle Reichtümer der<br />
Welt« war sie von 1971 bis 1996 vielbeschäftigtes<br />
Ensemblemitglied des <strong>Burgtheater</strong>s,<br />
ausgezeichnet mit dem Titel Kammerschauspielerin,<br />
mit der Kainz-Medaille<br />
und dem Grillparzer-Ring, Erfolge feiernd<br />
als Nora, Eboli, Berta in »Verbannte«<br />
von Joyce, als Marianne im »Der Raub<br />
der Sabinerinnen«, Elektra, Olga in »Drei<br />
Schwestern«, als Emilia in zwei »Othello«-Inszenierungen<br />
(Lietzau und Tabori),<br />
als Iphigenie, Gräfin Orsina, als Clotilde<br />
Pontagnac in Feydeaus »Einer muss der<br />
Dumme sein«, als Medea im »Goldenen<br />
Vließ«, Ellida Wangel in Ibsens »Die Frau<br />
vom Meer«, Mutter Courage, Arkadina<br />
in »Die Möwe«, als Sinaida in »Ivanov«<br />
oder Lizzie Berrill in O’Caseys »Das Ende<br />
vom Anfang«. Diese komische Rolle am<br />
Rande der Verzweiflung, an der Seite der<br />
beiden nicht weniger abgründigen Komödianten<br />
Rolf Ludwig und Branko Samarovski<br />
war Elisabeth Orths erste Zusammenarbeit<br />
mit Andrea Breth, der sie nach<br />
Berlin an die Schaubühne folgte und mit<br />
der sie 1999 an die Burg zurückkehrte.<br />
Andrea Breth, unter deren Regie sie seit<br />
1999 die Louise Rafi in Bonds »Die<br />
See«, Frau Hudetz in »Der jüngste Tag«<br />
von Horváth, Gräfin Helena im »Käthchen<br />
von Heilbronn«, Elisabeth in Schillers<br />
»Maria Stuart«, Frau Wahl im »Weiten<br />
Land« von Schnitzler, die Mutter in<br />
»Emilia Galotti«, den Großinquisitor im<br />
»Don Carlos«, Big Mama in der »Katze<br />
auf dem heißen Blechdach« und die in<br />
Zaubertricks verliebte, schräge Charlotta<br />
Ivanovna im »Kirschgarten« spielte,<br />
gehört für Elisabeth Orth zu den für sie<br />
drei maßgeblichen Regiepersönlichkeiten,<br />
bei denen die Theaterarbeit für sie auch<br />
ein intellektueller Gewinn war, weil sie<br />
im Kern dazu diente, »Welt« zu verstehen<br />
und zu erklären, alles Schöne und Elende<br />
des Lebens in allen Widersprüchen auszuloten<br />
und für die Zuschauer erfahrbar zu<br />
machen. Vor Andrea Breth waren Heinz<br />
Hilpert, bei dem sie die Cristina in Hofmannsthals<br />
»Cristinas Heimreise« spielte,<br />
die Hero in Grillparzers »Des Meeres<br />
und der Liebe Wellen« und die Mascha in<br />
»Drei Schwestern«, und Hans Lietzau die<br />
wichtigsten Leiter ihres Talents und ih-<br />
rer Welterkundungen beim Aufbau einer<br />
Rolle. Dass sie eine unverfälschte Wienerin<br />
war, keine Töne produzierte, sondern<br />
wahre Empfindungen laut werden ließ,<br />
schätzte Lietzau an Elisabeth Orth, ihrer<br />
unbändigen Phantasie immer Nahrung<br />
gebend, um Fülle und Vielfalt der Welt zu<br />
erspüren.<br />
Neben Hilpert, Lietzau und Andrea Breth<br />
hat Elisabeth Orth die Arbeitsweisen von<br />
Peter Zadek und Adolf Dresen als sie ungemein<br />
bereichernde Möglichkeiten erlebt<br />
und sie den Schauspielerberuf als<br />
ein durchaus »königliches Glück« genießen<br />
gelehrt. Nicht zu vergessen auch<br />
die Arbeiten mit Achim Freyer (»Phaeton«<br />
und »Woyzeck«), bei dem zwar das<br />
Wort, das ihr wichtig ist, nicht allzu viel<br />
gilt, bei dem aber ungeahnte Erfahrungen<br />
des Raums zu machen waren, die sich<br />
für ihr Spiel als unbedingt förderlich erwiesen.<br />
Elisabeth Orth, die nun bald ihr<br />
50jähriges Bühnenjubiläum feiern kann,<br />
ist eine immer noch »junge«, weil neugierige<br />
Schauspielerin, für deren Haltung<br />
zum Leben und zum Theater das Motto<br />
Hilperts Verpflichtung geblieben ist: »Du<br />
musst immer wieder von vorn anfangen.«<br />
Ihre Darstellung der Circe in Albert Ostermaiers<br />
Stück »Nach den Klippen«, inszeniert<br />
von Andrea Breth im Akademietheater,<br />
stellt das eindrucksvoll unter Beweis:<br />
Die einfache Wahrheit und Klarheit der<br />
Sprache ist ihr alles. Kein »gemachtes«<br />
Theater, keine Schnörkel. Wie es in einem<br />
Gedicht von Paul Eluard heißt: »Die Augen<br />
noch weiter offen unterm Wind ihrer<br />
Hände / Träumt sie davon, dass sich der<br />
Horizont für sie entgürte.«<br />
Politisches Theater der direkten, agitatorischen<br />
Art hat Elisabeth Orth nie angestrebt,<br />
aber nie unerwähnt gelassen, dass<br />
sie eine Haltung zum Leben, zum Weltgeschehen<br />
und zur Politik hat und diese<br />
auch ihre Theaterarbeit mitbestimmt: sie<br />
hat viele Jahre lang Kommentare für die<br />
Zeitschrift »Die Furche« verfasst und sie<br />
ist Präsidentin der »Aktion gegen den Antisemitismus<br />
in Österreich«.<br />
Klaus Völker ist Autor des nächsten Bands der edition<br />
burgtheater über Kirsten Dene und Elisabeth Orth.<br />
Die letzten Vorstellungen »Maria Stuart«<br />
am 31. Jänner und 5. Februar 2006<br />
im BURGTHEATER<br />
Geburtstag<br />
21
In den Tiefen der »Burg« –<br />
Das Elementare liegt im Verborgenen<br />
von Ulrike Spann<br />
Der Keller – Abstellareal, Versteck, Gefängnis,<br />
Vorratskammer, Lager – Ort für<br />
Hobbies. Immer unterirdisch, verborgen,<br />
manchmal modrig und feucht. Ein unheimlicher<br />
Ort ohne Tageslicht oder ein Refugium<br />
für Bastler, wo Verstautes und Vergessenes<br />
seiner Wiederentdeckung harrt. Ein<br />
Ort der Zuflucht oder der rauschenden<br />
Feste – der Partykeller.<br />
Das <strong>Burgtheater</strong> hat gleich drei Keller! Ein<br />
kühles Labyrinth von Tunnels und Speicher-Kammern,<br />
das sich wie ein Pilz-Myzel<br />
weit über die Grundrisse hinausstreckt<br />
– unheimliche Gänge, glucksende Rohre.<br />
Den höchsten Punkt des Theaters – auf<br />
43 Meter Höhe – ziert eine kunstvoll-raffinierte<br />
Lüftungskonstruktion, der »Blasengel«.<br />
Der »Engelsatem«, die verbrauchte<br />
Luft aus dem Zuschauerraum, wird diskret<br />
über den 8 Tonnen schweren Deckenluster<br />
abgesaugt, der erst beim Wiederaufbau des<br />
<strong>Burgtheater</strong>s seinen Platz gefunden hat.<br />
Das von Semper und Hasenauer erbaute<br />
Theater ragt 20 Meter in die Tiefe – ein<br />
riesiger Bauch mit verschiedenen Kammern<br />
und einem »Wurmfortsatz«: der unterirdische<br />
Gang zur Hofburg, in den die kaiserliche<br />
Fluchtstiege neben der Feststiege auf<br />
der Volksgartenseite mündete. Die Frisch-<br />
Skelette, derzeit ohne Engagement<br />
Stühleversammlung<br />
Saison 2005/2006<br />
luft nutzt diesen Kanal noch – aus dem<br />
Volksgarten angesaugt, in Filtertaschen<br />
gereinigt, in Wärmezellen temperiert und<br />
über kleine Schlitze unter jedem Theaterstuhl<br />
in den Zuschauerraum geleitet: eine<br />
hochwirksame Klimaanlage, ganz ohne<br />
technischen Schnickschnack.<br />
Wundern Sie sich nun bitte nicht, wenn<br />
Ihr Sitznachbar einen Blick unter den Sitz<br />
riskiert – er will sich bloß seiner Frischluftzufuhr<br />
vergewissern.<br />
Der Frischlufttunnel befindet sich im 3.<br />
Keller. Dort, ca. 20 Meter unter der Erde,<br />
ist es kalt und zugig. Zwei stillgelegte, jedoch<br />
heute noch mit Wasser gefüllte Zisternen<br />
dienten einst zur Befeuchtung der<br />
angesaugten Luft. Diese werden von Karl<br />
Heindl, dem Sicherheitstechniker des Hauses,<br />
inspiziert: »Es riecht intensiv nach<br />
Moos – und das mitten in der Stadt.«<br />
Im Zuge der Ringstraßenplanung wurden<br />
die alten Basteien geschliffen. Diese<br />
Reste der Stadtmauer sind heute noch<br />
durch ein kleines Loch in der Wand sichtbar:<br />
dort nämlich, wo die Fernwärme<br />
Wien an das <strong>Burgtheater</strong> andockt. Warm<br />
ist es im 2. Keller. Der Raum mit den Wärmetauschern<br />
ähnelt dem Maschinenraum<br />
eines U-Bootes: Rohrleitungen, Ventile,<br />
Thermometer, Steuerungsarmaturen.<br />
Karl Heindl, der Sicherheitstechniker Frischluft aus dem Volksgarten<br />
Ortstermin<br />
Ebenso im 2. Keller befinden sich E- und<br />
Klimazentrale, Schlosserei, Tischlerei und<br />
der Fitnessraum des Theater-Sportclubs.<br />
Gemütlicher geht es da schon im Aufenthaltsraum<br />
»Neu Illmitz« zu. Hier dominiert<br />
pannonisches Design: Schilfmatten,<br />
Seewinkel-Dekor. Manchmal zieht<br />
das Temperament der Puszta ein: von legendären<br />
Festen, wo sich Kunst und Technik<br />
in den Tiefen des <strong>Burgtheater</strong>s treffen,<br />
ist in Geschichtsführern nichts zu lesen…<br />
ein Ort, der vielen verborgen bleibt.<br />
Beinahe auf jeder Ebene der »Unterwelt«<br />
des <strong>Burgtheater</strong>s befinden sich Lagerräume:<br />
gut sortiert lagern dort Bühnenbilder,<br />
Prospekte (Bühnenmalereien),<br />
Stühle – kilometerlang, alte Koffer, König<br />
Ottokars Thron, die Puppen aus dem »Verschwender«,<br />
das Ross von Don Carlos und<br />
Skelette, derzeit ohne Engagement.<br />
In der Welt unter der Bühne, im »Bauch<br />
des Theaters«, herrscht reges Leben – der<br />
Keller als »Energizer« – unverzichtbar<br />
für das Gebotene auf der Bühne, für alles<br />
»Ober- und Überirdische«.<br />
Nächste Technikführung am 19. Februar 2006<br />
Karten nur im Vorverkauf!<br />
23
Nachgefragt:<br />
Barbara Petritsch, Schauspielerin<br />
Was wäre für Sie das größte Unglück?<br />
Wo möchten Sie leben?<br />
Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück?<br />
Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten?<br />
Ihre liebste Romanheldin?<br />
Ihre Lieblingsgestalt in der Geschichte?<br />
Ihre Lieblingsheldinnen in der Wirklichkeit?<br />
Ihre Lieblingsheldinnen in der Dichtung?<br />
Ihre Lieblingsmaler?<br />
Ihr Lieblingskomponist?<br />
Welche Eigenschaften schätzen Sie<br />
bei einem Mann am meisten?<br />
Welche Eigenschaften schätzen Sie<br />
bei einer Frau am meisten?<br />
Ihre Lieblingstugend?<br />
Ihr Lieblingsvogel?<br />
Ihr Lieblingslyriker?<br />
Ihr Lieblingsdramatiker?<br />
Ihr Lieblingsstück?<br />
Ihre Helden in der Wirklichkeit?<br />
Ihre Heldinnen in der Geschichte?<br />
Ihre Lieblingsnamen?<br />
Was verabscheuen Sie am meisten?<br />
Welche geschichtlichen Gestalten<br />
verachten Sie am meisten?<br />
Ihre Lieblingsbeschäftigung?<br />
Wer oder was hätten Sie sein mögen?<br />
Ihr Hauptcharakterzug?<br />
Was schätzen Sie bei Ihren Freunden am meisten?<br />
Ihr größter Fehler?<br />
Ihr Traum vom Glück?<br />
Was möchten Sie sein?<br />
Ihre Lieblingsfarbe?<br />
Ihre Lieblingsblume?<br />
Welche militärischen Leistungen<br />
bewundern Sie am meisten?<br />
Welche Reformen bewundern Sie am meisten?<br />
Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen?<br />
Wie möchten Sie sterben?<br />
Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?<br />
Ihr Motto?<br />
Saison 2005/2006<br />
Eine Welt ohne Kunst.<br />
Dort, wo die vier Jahreszeiten spürbar sind.<br />
Das gibt’s leider nicht.<br />
Rechenfehler.<br />
Madame Bovary...<br />
Mahatma Gandhi, Nelson Mandela...<br />
Angela Davis, Helen Keller...<br />
Sappho, Medea...<br />
Richter, Goya, Bacon...<br />
Mozart, Schubert, Zemlinsky...<br />
Humor, Großzügigkeit, Intelligenz ...<br />
Großzügigkeit, Humor, Intelligenz ...<br />
Toleranz.<br />
Wachtelkönig.<br />
Heine, Artmann...<br />
Kleist, Bernhard...<br />
Amphitryon, Am Ziel...<br />
Cecily Corti, Otto Tausig...<br />
Frauenrechtlerinnen und Widerstandskämpferinnen,<br />
Bertha von Suttner...<br />
Nicolas.<br />
Opportunismus und die Folgen.<br />
Despoten und Tyrannen, George Bush, Hitler, Stalin.<br />
Theaterspielen.<br />
Schauspielerin.<br />
Optimismus.<br />
Loyalität, Vertrautheit...<br />
Optimismus.<br />
Hat sich erfüllt (wird nicht verraten!).<br />
Schauspielerin.<br />
Schwarz.<br />
Trollblume.<br />
Katastropheneinsätze und friedenssichernde Maßnahmen.<br />
Soziale Integration in der Schule (Kinder mit<br />
Behinderungen nicht mehr auszusondern!).<br />
Klavierspielen, ohne es lernen zu müssen.<br />
Still.<br />
Neugierig und nachdenklich.<br />
Du hast keine Chance, also nütze sie!<br />
Portrait<br />
Die gebürtige Steirerin kam<br />
1999 unter der Direktion von<br />
Klaus Bachler ans <strong>Burgtheater</strong>.<br />
Davor hatte sie Engagements<br />
in Nürnberg, Hamburg, am<br />
Schauspiel Frankfurt a.M., den<br />
Münchner Kammerspielen, in<br />
Bremen und an den Staatlichen<br />
Schauspielbühnen in Berlin, bei<br />
den Salzburger Festspielen und<br />
am Kölner Schauspiel. Unter<br />
der Regie von Nicolas Brieger<br />
war sie in Ibsens »John Gabriel<br />
Borkman« zu sehen.<br />
Des weiteren spielte Barbara<br />
Petritsch die Gertrud in<br />
Nestroys »Der Färber und sein<br />
Zwillingsbruder« (Regie Karlheinz<br />
Hackl), die Gouvernante<br />
in Büchners »Leonce und Lena«<br />
und in »Damen der Gesellschaft«<br />
– beides Inszenierungen<br />
von Sven-Eric Bechtolf. Sie<br />
arbeitete mit Martin Kusˇej<br />
(»Glaube, Liebe, Hoffnung«),<br />
Lukas Hemleb (»Nathan der<br />
Weise«) und Nicolas Stemann<br />
(»Babel«). Als Magdalena in<br />
Franzobels »Wir wollen den<br />
Messias jetzt oder Die beschleunigte<br />
Familie« ist sie bereits<br />
in der dritten Inszenierung<br />
von Karin Beier zu sehen. Ihre<br />
Zusammenarbeit begann 2002<br />
mit Schillers „Die Jungfrau von<br />
Orleans“ und wurde mit<br />
Osbornes »Der Entertainer«<br />
2003 weitergeführt.<br />
Im Sommer 2006 wird sie als<br />
Eva in Nestroys »Höllenangst«,<br />
inszeniert von Martin Kusˇej,<br />
bei den Salzburger Festspielen<br />
in einer Koproduktion mit dem<br />
<strong>Burgtheater</strong> zu sehen sein.<br />
25
Wiederaufnahmen<br />
26<br />
Sven-Eric Bechtolf, Roland Koch und Michael König<br />
»Übrigens steckt das Stück voller Verstand, voller<br />
Weisheit, voller Blicke in die Welt und spricht<br />
überhaupt eine ungeheure Kultur aus, gegen die<br />
wir jetzt schon wieder Barbaren sind.« J. W. Goethe<br />
Der Anatom<br />
von Klaus Pohl<br />
»Das ist eine Traumbesetzung. Wann immer ein Schauspieler wie<br />
Kirchner auftritt, täglich im Gespräch mit der Finsternis, ist Party<br />
am Zentralfriedhof. In seinen immer grandiosen Auftritten verbindet<br />
sich des Gedankens Blässe mit dem Antlitz der Toten, denen<br />
wir verpflichtet sind. Denn das Theater handelt von ihnen. Manche<br />
Konstellationen kann man eigentlich nicht toppen. Zum Beispiel die<br />
Verbindung zwischen Kirchner und Pohl.« Süddeutsche Zeitung<br />
Der Anatomiesaal der Akademie der Bildenden Künste ist seit der<br />
Erbauung 1877 weitgehend unverändert erhalten geblieben: ein teatrum<br />
anatomicum mit im Halbkreis angeordneten Sitzbänken, einem<br />
Katheder und einem großen Seziertisch, dessen Marmorplatte<br />
mit Rinnen und einer Öffnung zum Ablaufen von Flüssigkeiten versehen<br />
ist. Architektur und Einrichtung entsprechen also eher einem<br />
medizinischen Vortrags- als einem Zeichensaal. Seit dem 2. Weltkrieg<br />
findet das Zeichnen von Leichen und Präparaten im Anatomischen<br />
Institut in der Währinger Straße statt, jenem Institut, vor dem<br />
der Vizepräparator in Horváths »Glaube Liebe Hoffnung« die Tauben<br />
füttert. Dieser Vizepräperator war der Ausgangspunkt für Pohls<br />
Stück: Der Anatom, der ein Leben lang mit Messer und Säge nach<br />
der »Stelle, wo der Geist mit dem Körper kommuniziert« gesucht<br />
hat, soll nach dreißigjähriger Arbeit ersetzt werden durch neue bildgebende<br />
Verfahren, die die Fixation der Leichen, deren Aufbewahrung<br />
im Tröpferlbad und den Schnitt überflüssig machen sollen.<br />
Leitung: Klaus Pohl, Maria Pavlova, Friedrich Rom<br />
Mit Ignaz Kirchner, Maria Pavlova<br />
Die letzten Vorstellungen ab 4. Februar 2006 im Anatomischen Saal<br />
der Akademie der Bildenden Künste Wien (Schillerplatz)<br />
Ignaz Kirchner<br />
Emilia Galotti<br />
von Gotthold Ephraim Lessing<br />
»Bisher sah und fühlte und bewunderte man<br />
in diesem verteufelt gut gemachten Stück vor<br />
allem Lessings dramaturgische Rädchen, wie<br />
sie ineinandergreifen, die Zufälle zur Vorsehung<br />
machen, die Tragödie vorantreiben.<br />
Jetzt sieht man nicht Lessings Mechanik, sondern<br />
Lessings Fleisch. Die Regie malt ihm<br />
das Fleisch nicht auf. Sie legt es frei. So inszeniert<br />
Andrea Breth Lessings Emilia Galotti<br />
hinreißend leicht, mit einer herrlich verruchten<br />
Selbstverständlichkeit: Jedes Wort<br />
von 1772 fällt scharf wie eine Rasierklinge in<br />
Öl auf eine Szene von heute. Das Stück wird<br />
nicht aktualisiert oder dekonstruiert. Umgekehrt:<br />
Es konstruiert eine Gegenwärtigkeit,<br />
die durch dieses Stück erst entdeckt, auf die<br />
Spitze getrieben, komisch groß und tragisch<br />
grotesk ausgespielt wird. Das hat es auf dem<br />
Theater lange nicht gegeben.« FAZ<br />
Leitung: Andrea Breth, Annette Murschetz, Dagmar<br />
Niefind, Elena Chernin, Alexander Koppelmann<br />
Mit Andrea Clausen, Elisabeth Orth, Johanna<br />
Wokalek; Sven-Eric Bechtolf, Wolfgang Gasser,<br />
Roland Kenda, Roland Koch, Michael König,<br />
Wolfgang Michael, Cornelius Obonya / Michael<br />
Masula, Nicholas Ofczarek, Denis Petković<br />
Ab 28. Jänner im AKADEMIETHEATER<br />
2005/2006 Saison
Fest für Mozart<br />
... und ganz Wien feiert! Mit zwei Veranstaltungen<br />
ist das »Fest für Mozart« im <strong>Burgtheater</strong> zu Gast.<br />
Wiener Meister<br />
Ein doppelter Blick auf Mozart: Einerseits<br />
der musikalische des Komponisten auf die<br />
Welt, andererseits jener der Welt auf den<br />
Tonsetzer.<br />
Senta Berger und Rudolf Buchbinder<br />
lassen in ihrem Programm, das sie für das<br />
»Fest für Mozart« im <strong>Burgtheater</strong> entwickelt<br />
haben, Musik und Sprache, Komposition<br />
und Poesie ineinander fließen.<br />
Am 27., 28. und 29. Jänner 2006 um 10 Uhr<br />
im BURGTHEATER<br />
KARTENVERKAUF<br />
Weitere Informationen zu der<br />
Veranstaltungsreihe Ein Fest für Mozart<br />
und dem Wiener Mozartjahr 2006<br />
finden Sie im Internet unter<br />
www.wienmozart2006.at<br />
Karten für die beiden Veranstaltungen<br />
erhalten Sie an allen Vorverkaufsstellen<br />
und Abendkassen in Burg- und<br />
Akademietheater und unter der Hotline<br />
der Wiener Mozartjahr Organisation:<br />
+43/1/58 999<br />
Hermann Scheidleder in »Mozart Werke Ges.m.b.H.«<br />
Saison 2005/2006<br />
Rudolf Buchbinder<br />
Michael Köhlmeier<br />
Senta Berger<br />
Köhlmeier erzählt<br />
Mozart im <strong>Burgtheater</strong><br />
Mozart Werke Ges.m.b.H.<br />
Franz Wittenbrinks musikalische Delikatesse um Mozartkult und<br />
Mozartkugeln nähert sich der 50. umjubelten Vorstellung.<br />
Die Entführung aus dem Serail<br />
Mozartjahr<br />
Der Werdegang vom Wunderkind zum anerkannten<br />
Genie, Gewusstes und Unbekanntes<br />
über Mozart – Michael Köhlmeier<br />
erzählt Mozarts Biografie neu. Köhlmeier,<br />
der 1997 mit dem Anton-Wildgans-Preis<br />
ausgezeichnete Autor und Erzähler, wird<br />
im <strong>Burgtheater</strong> das Leben des Komponisten<br />
in einer sehr persönlichen, sehr nahen<br />
und plastischen Darstellung präsentieren.<br />
Am 27., 28. und 29. Jänner 2006 um 12 Uhr<br />
im BURGTHEATER<br />
kehrt in der Regie von Karin Beier und unter der musikalischen Leitung<br />
von Philippe Jordan an das <strong>Burgtheater</strong> zurück. 1782 erlebte<br />
Mozarts Singspiel seine Uraufführung im alten <strong>Burgtheater</strong>. Die Neuinszenierung<br />
wird als Koproduktion mit der Wiener Staatsoper zum<br />
250. Geburtstag des Komponisten nun wieder im <strong>Burgtheater</strong> zu sehen<br />
sein. Mit Diana Damrau (Konstanze), Julia Rempe (Blonde);<br />
Franz Hawlata (Osmin), Cosmin Ifrim (Pedrillo), Daniel Kirch (Belmonte),<br />
Nicholas Ofczarek (Bassa Selim)<br />
Am 1., 4., 7., 10., 14., 17., 20., 24., 27. und 31. Mai 2006 im BURGTHEATER<br />
Alle Abonnenten und Zykleninhaber des Burg- u. Akademietheaters und der<br />
Staatsoper erhalten eine Ermäßigung von 10% auf diese Preise – mit Ausnahme<br />
der Premiere am 1. Mai. Der Vorverkauf hat bereits begonnen.<br />
27
Magazin<br />
28<br />
GEBURTSTAG MIT FREUNDEN<br />
50 Jahre Gesellschaft der Freunde des <strong>Burgtheater</strong>s<br />
Nicht nur das <strong>Burgtheater</strong> feiert in dieser Spielzeit den 50. Jahrestag<br />
seiner Wiedereröffnung, auch die Gesellschaft der Freunde<br />
des <strong>Burgtheater</strong>s begeht einen runden Geburtstag: Am 11. Februar<br />
2006 jährt sich die erste konstituierende Sitzung dieser<br />
prominenten Besucherorganisation zum 50. Mal.<br />
Seit 1956 sind die »Burgfreunde« dem Haus verbunden: mit Begeisterung,<br />
manchmal mit Skepsis und nicht immer im Einverständnis<br />
mit dem Dargebotenen – aber stets mit großer Treue.<br />
Seit Beginn der Direktion Bachler konnte der Kontakt zwischen<br />
der Burg und »ihren« Freunden weiter intensiviert werden, und<br />
so möchte sich »die Burg« an dieser Stelle für das großzügige Geburtstagsgeschenk<br />
der Gesellschaft der Freunde des <strong>Burgtheater</strong>s<br />
herzlich bedanken: eine einmalige Donation von Euro 7.000 für die<br />
Neuinszenierung von »Torquato Tasso«, eine unserer Premieren<br />
der Jubiläumsspielzeit, die an die Wiedereröffnung 1955 erinnern.<br />
Der Anstoß zur Gründung des Vereins kam aus dem <strong>Burgtheater</strong><br />
selbst: der Doyen Karl Eidlitz und der Co-Direktor und Dramaturg<br />
Friedrich Schreyvogl bemühten sich um theaterbegeisterte<br />
Besucher, um dem Haus ein fixes Stammpublikum zu sichern.<br />
Die Vereinsstatuten halten das Fördern »eines unmittelbaren,<br />
engen und lebendigen Kontaktes zwischen dem <strong>Burgtheater</strong> und<br />
seinem Publikum« fest, den Vereinsangehörigen »soll die Möglichkeit<br />
geboten werden, das Haus und seine Mitglieder kennenzulernen«.<br />
Seither erfreut sich die Gesellschaft der Freunde des <strong>Burgtheater</strong>s<br />
wachsender Beliebtheit: die Anzahl der Mitglieder ist von anfangs<br />
200 auf mittlerweile 796 angewachsen, und die »Burgfreunde«<br />
halten 894 Abonnements im Burg- und/oder Akademietheater;<br />
die Vollpreis-Abonnements umfassen jeweils sämtliche Neuinszenierungen<br />
einer Spielzeit in den jeweiligen Häusern.<br />
WALTER SCHMIDINGER<br />
LIEST THOMAS BERNHARD<br />
»Verstörung«, »Der Keller«,<br />
»Der Stimmenimitator«<br />
Anlässlich des 75. Geburtstages<br />
von Thomas Bernhard<br />
»Der Mensch verweigert sich der Störung<br />
durch den Störenfried. Ein solcher Störenfried<br />
bin ich zeitlebens gewesen, ich bin immer der<br />
Störenfried geblieben, in jedem Atemzug, in<br />
jeder Zeile, die ich schreibe. Meine Existenz<br />
hat zeitlebens immer gestört. Ich habe immer<br />
gestört, und ich habe immer irritiert. Alles,<br />
was ich schreibe, alles, was ich tue, ist Störung<br />
und Irritierung. Mein ganzes Leben als<br />
Existenz ist nichts anderes als ununterbrochenes<br />
Stören und Irritieren. Indem ich aufmerksam<br />
mache auf Tatsachen, die stören und die<br />
irritieren. Die einen lassen die Menschen in<br />
Ruhe und die andern, zu diesen andern gehöre<br />
ich, stören und irritieren. Ich bin kein<br />
Mensch, der in Ruhe läßt, und ich will kein<br />
solcher Charakter sein.« (aus: »Der Keller«)<br />
Am 9. Februar 2006 im BURGTHEATER<br />
Walter Schmidinger<br />
Zum letzten Mal! »Die Macht der Gewohnheit« von Thomas Bernhard<br />
Am 29. Jänner 2006 im BURGTHEATER<br />
Die Abonnements ermöglichten den Vereinsmitgliedern zunächst<br />
den Besuch der Premieren, seit 1986 den Besuch der ersten Vorstellung<br />
nach der Premiere. Als Ende der 60er Jahre ein Sparerlass<br />
des Unterrichtsministeriums das Ende der amtlichen Freikarten<br />
verfügte, drohte ein Einnahmenrückgang: die bisherigen<br />
Freikarten-Premierenbesucher erwiesen sich nicht als zahlende<br />
Gäste, so dass das Kontingent für die Freunde des <strong>Burgtheater</strong>s<br />
maßgeblich erhöht werden konnte und sie sich einmal mehr als<br />
verlässlicher Partner des <strong>Burgtheater</strong>s erwiesen.<br />
Die »Burgfreunde« zeigten sich aber auch über das <strong>Burgtheater</strong><br />
hinaus als Förderer des Wiener Kulturlebens, indem sie in den<br />
70er und 80er Jahren Stipendien an Schüler des Reinhardt-Seminars<br />
vergaben und österreichische Schüler zu Aufsatzwettbewerben<br />
einluden, die mit Premierenabonnements prämiert wurden.<br />
Die Mitglieder des Vereins haben die Möglichkeit, verschiedene<br />
Veranstaltungen im Zusammenhang mit aktuellen Aufführungen<br />
des Burg- und Akademietheaters zu besuchen – wie etwa<br />
Künstlergespräche oder Einführungen zu Inszenierungen, die ein<br />
beliebtes Forum für Information und Diskussion bieten. Diese<br />
können mitunter sehr lebhaft ausfallen, wie die seit 1986 amtierende<br />
Präsidentin der Gesellschaft der Freunde des <strong>Burgtheater</strong>s,<br />
Dr. Ingeborg Schoeller, versichert – doch die durchaus unterschiedlichen<br />
Vorlieben und kontroversiellen Meinungen der<br />
»Burgfreunde« haben ein festes und einendes Fundament: die<br />
durch unzählige Aufführungen geschulte, manchmal auf die Probe<br />
gestellte, aber nie erlöschende Theaterleidenschaft.<br />
Weitere Informationen: Gesellschaft der Freunde des <strong>Burgtheater</strong>s,<br />
1010 Wien, Goethegasse 1, Telefon/Fax 512 68 89<br />
Jubiläumsmatinee »50 Jahre Freunde des <strong>Burgtheater</strong>s« mit »Tannhäuser in<br />
80 Minuten“ am 5. März 2006 um 11 Uhr im BURGTHEATER<br />
GEFAHR-BAR TM 9<br />
Die Gefahr-Bar denkt über sportliche<br />
Großereignisse nach<br />
Wieder steht eine Fußball-Weltmeisterschaft<br />
bevor. Eine Fußball-Weltmeisterschaft ist<br />
nicht nur für Fußballfans das Größte, sondern<br />
auch für Franz Beckenbauer.<br />
Jede Mannschaft versucht den Ball entsprechend<br />
den Spielregeln möglichst oft hinter<br />
die gegnerische Torlinie zu spielen, um<br />
so genannte Tore zu erzielen. Trainer, Stars,<br />
Statistiken ... bei einer WM ist immer allerhand<br />
los.<br />
Wir wollen erinnern: An das umstrittene<br />
Tor von Geoffrey Hurst im Finale 1966 –<br />
»Drin oder nicht drin« ... oder an Josef Dieter<br />
Maier – »Die Katze von Anzing« ... oder<br />
Herbert Prohaska alias »Schneckerl« (Österreich,<br />
Mittelfeld) ... oder Hans Krankl<br />
(Angriff) und »Die Schmach von Cordoba«<br />
und vieles mehr ...<br />
Herzlichst – Eure Gefahr-Bar<br />
Am 4. Februar 2006 in der KASINOBar<br />
2005/2006 Saison
John Irving<br />
BIS ICH DICH FINDE<br />
John Irving liest gemeinsam mit Peter Matić aus seinem neuen Roman<br />
Eine Lesetour von John Irving ist genauso ein Ereignis wie ein neuer Irving-Roman. Denn<br />
Irving ist nicht nur ein begnadeter Erzähler, sondern auch ein charismatischer Vorleser.<br />
Das <strong>Burgtheater</strong> ist eine von nur vier Stationen seiner Lesereise durch den deutschsprachigen<br />
Raum.<br />
Sein elfter Roman »Bis ich dich finde« ist die Lebensgeschichte des Schauspielers Jack<br />
Burns. Seine Mutter Alice ist Tätowiererin, sein Vater William Kirchenorganist und ein<br />
»Tintensüchtiger«, dem nachgesagt wird, dass er sich so viele Tattoos stechen lassen wird,<br />
bis jeder Quadratzentimeter beschrieben und sein Körper ein einziges Notenblatt ist. Aber<br />
bald verschwindet William, und Alice macht sich mit dem vierjährigen Jack zu einer Suche<br />
durch verschiedene Nord- und Ostseehäfen auf: Hamburg, Kopenhagen, Stockholm,<br />
Oslo, Helsinki. Doch der Vater bleibt unauffindbar. Jack wird in Kanada und Neuengland<br />
erzogen, geprägt wird er durch seine Beziehung zu älteren Frauen. Als er längst kein kleiner<br />
Junge mehr ist und als Hollywoodstar in Transvestitenrollen Triumphe feiert, bricht er<br />
noch einmal – allein – nach Europa auf.<br />
»Der Roman, der dereinst als Irvings Meisterwerk in die Literaturgeschichte eingehen<br />
wird.« Sunday Herald<br />
Auf der Bühne des <strong>Burgtheater</strong>s wird John Irving von Peter Matić unterstützt, der die deutsche<br />
Übersetzung lesen wird.<br />
Im Anschluss an die Lesung: »Zeitgenossen im Gespräch – spezial«.<br />
John Irving im Gespräch mit Michael Kerbler und Claus Philipp<br />
Eine Veranstaltung in Kooperation mit Ö1, RadioKulturhaus und Der Standard.<br />
Am 19. Februar 2006 im BURGTHEATER<br />
NEUE PARKMÖGLICH-<br />
KEITEN FÜR THEATER-<br />
BESUCHER:<br />
Exklusiv für Besucher des AKADEMIE-<br />
THEATERS bietet das Parkhaus Elbl im<br />
Hotel InterContinental einen günstigen<br />
Parktarif von 1 Euro/Stunde (18 bis 9 Uhr)<br />
bei Vorlage einer Theater- oder Abokarte<br />
im Garagenbüro.<br />
Die Theaterbesucher des BURG-<br />
THEATERS können zum Pauschalbetrag<br />
von 4,50 Euro (17 bis 7 Uhr) in der Tiefgarage<br />
Rathauspark parken.<br />
Tickets an der <strong>Burgtheater</strong>kassa!<br />
Saison 2005/2006<br />
FRÄULEIN ELSE &<br />
AUF EWIG DEIN MOZART<br />
Zwei CDs mit Dorothee Hartinger<br />
Um den Schein der gutbürgerlichen Existenz zu wahren,<br />
wird das Fräulein Else von der Mutter gezwungen,<br />
eine große Summe Geld von einem reichen Lebemann<br />
zu erbitten; dieser willigt nur ein, wenn Else sich ihm<br />
15 Minuten lang nackt präsentiert... Arthur Schnitzlers<br />
Novelle vorgetragen von Dorothee Hartinger jetzt auch<br />
auf CD: Erhältlich ab Februar an allen Vorverkaufsstellen<br />
und Abendkassen in Burg- und Akademietheater<br />
sowie in der Buchhandlung Leporello oder im E-Shop.<br />
Zum Mozartjahr gibt es eine CD mit Dorothee Hartinger,<br />
den Sopranistinnen Julia Koci und Julia Kogan und<br />
der Jungen Philharmonie Wien: »Auf ewig dein Mozart<br />
– Mozarts Frauen in Arien und Briefen«. Um 19,80<br />
Euro im Fachhandel erhältlich.<br />
Dorothee Hartinger<br />
Magazin<br />
UNBEKANNTES BEKANNTES<br />
Unsere philosophischen Streitgespräche<br />
Im Jänner – Republikanische Ideen<br />
Die »Dialoge zwischen A.B.C.« von<br />
Voltaire oder »die siebzehn Unterredungen<br />
über verschiedene merkwürdige Dinge«<br />
untersuchen, »ob ein Mensch boshaft<br />
und als ein Kind des Teufels geboren<br />
worden ist« oder «ob das heutige Europa<br />
besser ist als das ehemalige«.<br />
Hannah Arendt: »Voltaire habe ich nie<br />
gelesen ... letztlich niederträchtig. Natürlich,<br />
aber was so außerordentlich irritierend<br />
ist, scheint mir, ist, daß hier der<br />
Geist, und zwar gewissermaßen wirklicher<br />
Geist, direkt aus dem Schmutz<br />
steigt.«<br />
Mit Dorothee Hartinger, Sabine Haupt,<br />
Christiane von Poelnitz<br />
Am 30. Jänner 2006 im AKADEMIETHEATER<br />
Im Februar – Hannah Arendt: Denken<br />
ohne Geländer<br />
»Denken ohne Geländer, das ist es in der<br />
Tat, was ich zu tun versuche.«<br />
Hannah Arendt ist die erste Frau, die in<br />
der Reihe Unbekanntes Bekanntes vorgestellt<br />
werden soll. Die erste Frau, wenn<br />
auch freilich mit einer nach landläufiger<br />
Vorstellung höchst männlichen Beschäftigung:<br />
Sie ist Philosophin.<br />
»Ich selber wirken? Nein, ich will verstehen.<br />
Und wenn andere Menschen verstehen<br />
– im selben Sinne wie ich verstanden<br />
habe –, dann gibt mir das eine Befriedigung<br />
wie ein Heimatgefühl.«<br />
Mit Elisabeth Orth<br />
Am 23. Februar 2006 im AKADEMIETHEATER<br />
Im März – Freud und Luther im Gespräch<br />
über Monotheismus oder Macht<br />
und Gewalt<br />
29
Magazin<br />
30<br />
Das neue Jahr fängt wieder gut an...<br />
... nämlich mit den wunderbaren »Literarischen Reise-/ Katzen-/ Garten-/ Küchen-/ Teatro Italiano-Kalendern«;<br />
sollten Sie Ihren Wunschkalender noch nicht haben: auf zu Leporello!<br />
Und es gibt wieder genug Lesestoff-Vorrat, gestapelt neben dem Lieblings-Lese-Sessel. Zumindest dachte<br />
ich das für einige Tage – aber es las sich doch schneller auf als geplant. Wer übrigens seinen <strong>Burgtheater</strong>-<br />
Jubiläums-Karton schon leergegessen hat: Leporello hat noch einige Gläser der Staud‘schen Ottokar- und<br />
Verschwender-Marmelade, und von der Zotter Schokolade gibt es noch geheime Bestände... Ein zartbitteres<br />
Ereignis der besonderen Art gibt es am 19.2., wenn der Autor von »Garp«, »Owen Meany« und »Hotel New<br />
Hampshire«, also wenn John Irving aus seinem neuen Buch »Bis ich dich finde« im <strong>Burgtheater</strong> liest. Die<br />
New York Times schrieb: »John Irvings Opus maximum, sein Versuch, die großen Fragen des Lebens zu klären.«<br />
Sichern Sie sich heute noch Ihr Exemplar bei Leporello im <strong>Burgtheater</strong>, meint<br />
Ihre Rotraut Schöberl<br />
Buchhandlung Leporello im Foyer des <strong>Burgtheater</strong>s<br />
SUCHERS LEIDENSCHAFTEN<br />
C. Bernd Sucher präsentiert Virginia Woolf<br />
Virginia Woolf gehört zu den wichtigsten AutorInnen des 20. Jahrhunderts. Ihre Romane<br />
und Erzählungen sind bahnbrechende Werke, die dem Oeuvre von James Joyce vergleichbar<br />
sind. Ihre Essays zur Dichtkunst erklären und begründen nicht nur ihr eigenes Schreiben,<br />
sondern das einer ganzen Generation. Sie war Zentrum der so genannten »Bloomsbury-Group«,<br />
zu der die wichtigsten englischen Literaten und Maler zählten. Und sie war<br />
eine unglückliche Frau, gepeinigt von Depressionen, zerrissen, weil sie Frauen wohl mehr<br />
begehrte als Männer und doch Zuflucht nahm in einer Ehe. Am Ende ertränkte sie sich, da<br />
sie fürchtete, ihrem Mann und ihren Freundinnen nur noch zur Last zu fallen. Engagiert,<br />
originell und höchst persönlich führt C. Bernd Sucher zusammen mit den Schauspielern<br />
Elisabeth Augustin und Johannes Terne durch Leben und Werk von Virginia Woolf.<br />
Am 16. Februar 2006 in der KASINOBar<br />
Heinrich Heine<br />
HEINRICH HEINE 1797-1856<br />
»Lehn’ Deine Wang’ an meine Wang’ …<br />
… dann fließen die Tränen zusammen.« Eine der<br />
berühmtesten Gedichtzeilen Heinrich Heines liefert<br />
den Titel für einen poetisch-musikalischen Abend<br />
im Akademietheater. »Es ist nichts aus mir geworden«,<br />
schrieb Heinrich Heine, »nichts als ein Dichter.«<br />
Aber einer der wenigen deutscher Sprache,<br />
die mit ihrem Werk zur Weltliteratur beigetragen<br />
haben. Viele Gedichte und Balladen von Heinrich<br />
Heine sind vertont worden. Robert Schumanns<br />
Heine-Vertonungen zählen zum Besten aus seiner<br />
Feder, allen voran die »Dichterliebe« von 1840,<br />
diese grandiose Reise durch die romantischen und<br />
ganz und gar unromantischen, weil ewigen Fährnisse,<br />
die einem Liebesleben zuteil werden können.<br />
Anlässlich des 150. Todestages präsentiert Gerd<br />
Böckmann eine Auswahl von Heine-Gedichten zusammen<br />
mit der Sopranistin Malin Hartelius und<br />
der Mezzosopranistin Bernarda Fink, am Klavier<br />
begleitet von Gottfried Rabl.<br />
»… ich erfreute mich des seltenen Vergnügens, bei einem deutschen Literator gesunden<br />
Menschenverstand zu finden.« Franz Grillparzer<br />
Am 14. März 2006 im AKADEMIETHEATER<br />
Wir danken unseren Jubiläumssponsoren und unseren Hauptsponsoren<br />
MARTINISOMMER<br />
Live-Hörspiel von Toni Bernhart<br />
Ein Junge verliert sein Leben, seine Mutter<br />
darüber den Verstand: Ist der geheimnisvolle<br />
Mann, Nachbar und Vermieter,<br />
in das Geschehen verwickelt oder nur Beobachter<br />
und Kommentator der Ereignisse?<br />
Der Wunsch, den Tod des Sohnes zu<br />
vergessen, ist so stark, dass die Mutter<br />
von ihrem Nachbarn ein Kind haben will.<br />
Die Tatsachen werden unscharf. Wer war<br />
Tom? Selbst der Junge weiß es irgendwann<br />
nicht mehr genau: es könnte der Name eines<br />
Hundes gewesen sein. Am Ende, wenn<br />
im Tode alle wieder zusammenkommen, ist<br />
erst recht keine Verständigung mehr möglich:<br />
man hat sich auseinander gelebt.<br />
Toni Bernharts Stück »Martinisommer«<br />
entstand im Rahmen der Werkstattage<br />
2003 am <strong>Burgtheater</strong> und wird vom ORF<br />
als Hörspiel produziert. Auf der Bühne des<br />
Kasinos live mit Schauspielern der Hörspielproduktion,<br />
begleitet vom Musiker<br />
und Sounddesigner Christian Mevs.<br />
Mit Christiane von Poelnitz, Markus Meyer,<br />
Paul Wolff-Plottegg<br />
Mit freundlicher Unterstützung<br />
der Ö1-Hörspielabteilung.<br />
Am 18. Februar 2006 im KASINO<br />
NACHWEISE<br />
BILDER: Rudolf Buchbinder (S.27/1), Johannes Cizek (S.27/2),<br />
Philipp Hochmair (S.10), Jane Sobel Klonsky (S.29/1), Kunsthalle<br />
Hamburg (S.30/2, Ausschnitt aus einem Gemälde von Moritz Oppenheim<br />
1831), Maria Pavlova (S.26 unten), Claus Philipp (9/1),<br />
Martin Rosenbaum (S.5), Marko Schlager (S.27/3), Georg Soulek<br />
(Titel, S.8, 9/2-4, 25/2), Sofie Thorsen, aus der Serie »The Golden<br />
Castle That Hung In The Air« (S.12, 13), Bernd Uhlig (S.19, 26<br />
oben), Reinhard Werner (S.3, 6, 14, 16, 17, 23, 25/1, 25/3, 25/4,<br />
27/4, 28, 29/2). TEXTE: S.4 © DIE NOBELSTIFTUNG, S.8 Originalbeitrag<br />
von Joachim Lux, S.10 Originalbeitrag, das Gespräch<br />
führte Sebastian Huber, S.16 © Gert Jonke, S. 19 Originalbeitrag<br />
von Klaus Völker.<br />
und unseren Freunden und Förderern: agensketterl Druckerei GmbH, ART AND GARDEN, Austrian Airlines, BA/CA, BAWAG – PSK, Jacobs, Josef<br />
Manner & Comp. AG, Kartenbüro Jirsa, Magna International, OENB Österreichische Nationalbank, Österreichische Verkehrsbüro AG, Palmers, Römerquelle,<br />
Schlumberger Wein- und Sektkellerei AG, Schuhmanufaktur Ludwig Reiter, Staudʼs, TELEKOM, Verbund AG, Weingut Bründlmayer, WIEN ENER-<br />
GIE, Wiener Städtische Versicherungs AG, WKO Wirtschaftskammer Österreich, ZOTTER<br />
2005/2006 Saison