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Langzeitarbeitslosigkeit - European Commission - Europa

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EBO-Bericht: <strong>Langzeitarbeitslosigkeit</strong> 2012<br />

26<br />

In einigen Ländern werden derzeit mögliche Fehlanreize<br />

im Sozialsystem untersucht, etwa in Frankreich,<br />

Lettland, Malta, Rumänien, Island und der<br />

ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien.<br />

In Island wurden die einkommensabhängigen<br />

Sozialleistungen und die Mindestbeträge im Einklang<br />

mit den jüngsten Lohnvereinbarungen im öffentlichen<br />

und privaten Sektor angehoben. Die Lohnersatzquote,<br />

die für Menschen im untersten Einkommensbereich<br />

ziemlich hoch ist, liegt damit weiter nah am Faktor<br />

eins und hat diesen in einigen Fällen sogar überschritten.<br />

Dies kann den Ansporn, sich um Arbeit zu<br />

bemühen, dämpfen. Auch die Verlängerung der maximalen<br />

Bezugsdauer von Sozialleistungen von drei<br />

auf vier Jahre kann die Bereitschaft zur Stellensuche<br />

senken. Zudem können relativ hohe und über lange<br />

Zeit gezahlte Arbeitslosenleistungen in einem Land,<br />

das historisch gesehen eine relativ geringe Arbeitslosigkeit<br />

und <strong>Langzeitarbeitslosigkeit</strong> aufweist, die<br />

Einstellung der Gesellschaft zur <strong>Langzeitarbeitslosigkeit</strong><br />

verändern, indem sie diese akzeptabler macht. In<br />

Malta steckt eine erhebliche Zahl von Arbeitslosen in<br />

der „Sozialleistungsfalle“. Ursache des Problems ist<br />

die Tatsache, dass das Paket an Arbeitslosenhilfen<br />

dem Mindestlohn vergleichbar ist. Die Zahlung von<br />

Leistungen bei <strong>Langzeitarbeitslosigkeit</strong> ist einkommensabhängig,<br />

um einen Missbrauch zu beschränken.<br />

Allerdings „stellt diese Leistungsart noch immer eine<br />

Belastung für die maltesische Wirtschaft dar, weshalb<br />

Reformen nötig sind, um die langfristige Abhängigkeit<br />

zu reduzieren und die Leistungsempfänger zum Eintritt<br />

in den Arbeitsmarkt zu bewegen“ (Zerafa, 2007,<br />

S. 37) ( 26 ). In der ehemaligen jugoslawischen<br />

Republik Mazedonien behindern die relativ hohen<br />

Opportunitätskosten die Annahme einer Stelle sowie<br />

die Formalisierung einer informellen Beschäftigung.<br />

Wenn ein Arbeitsloser eine (offizielle) Anstellung findet,<br />

verliert er seinen Anspruch auf Arbeitslosenleistungen<br />

sowie auf alle Sozialbeihilfen und sonstigen<br />

Geld- oder Sachleistungen und muss darüber hinaus<br />

Sozialabgaben und Einkommensteuer zahlen. Da das<br />

Sozialsystem keine Teilleistungen kennt, sind Arbeitsuchende<br />

nicht bereit, Teilzeitstellen oder saisonale<br />

oder befristete Beschäftigungen anzunehmen. Informell<br />

beschäftigte Menschen müssen in ganz ähnlicher<br />

Weise auf einen beachtlichen Teil ihres Verdienstes<br />

verzichten, um ihre Beschäftigung zu formalisieren,<br />

wobei sie im Gegenzug bestimmte Sozialversicherungsansprüche<br />

(hauptsächlich im Renten- und Krankenversicherungsbereich)<br />

und andere Vorteile (wie<br />

Kündigungsschutz) erwerben. Laut Koettl (2010) ist<br />

der Nutzen einer regulären Beschäftigung in diesem<br />

Land höher als im Durchschnitt der 27 EU-Mitgliedstaaten,<br />

jedoch geringer als in einigen der zuletzt<br />

beigetretenen zwölf EU-Mitgliedstaaten, etwa in der<br />

Slowakei, Rumänien und Estland (nach Schätzungen<br />

( 26 ) Zerafa, M. A., „Unemployment benefits and incentives<br />

to seek employment in Malta“ (Arbeitslosenleistungen<br />

und Beschäftigungsanreize in Malta), Bank of Valletta<br />

Review, Nr. 36, 2007. http://www.bov.com/filebank/<br />

documents/33-56_maryanne%20zerafa.pdf<br />

von Koettl und Weber, 2012). Für Geringverdiener<br />

ist der Nutzen (aufgrund der Mindestbeitragssätze)<br />

geringer. Eine kürzlich in Belgien von der staatlichen<br />

Arbeitsagentur veröffentlichte Studie (Desmet, 2011)<br />

zeigte, dass höhere Arbeitslosenleistungen entgegen<br />

der allgemeinen Auffassung die Rückkehr in den<br />

Arbeitsmarkt wahrscheinlicher machen – ein Hinweis<br />

darauf, dass höhere Sozialleistungen kein Hindernis<br />

für den Wiedereintritt in die Arbeitswelt darstellen.<br />

In einigen Ländern wie Bulgarien, Griechenland<br />

und Lettland kann das System der Arbeitslosenunterstützung<br />

keine Fehlanreize setzen, die von einer<br />

Stellensuche abhalten würden, da Langzeitarbeitslose<br />

generell keinen Anspruch auf Arbeitslosenleistungen<br />

haben. In Bulgarien etwa ist die Empfangsdauer<br />

von Arbeitslosenleistungen für Menschen mit mehr<br />

als 25 Arbeitsjahren laut Sozialversicherungsgesetzbuch<br />

auf maximal zwölf Monate begrenzt. Dies<br />

bedeutet, dass Langzeitarbeitslose in Bulgarien prinzipiell<br />

keine Arbeitslosenleistungen beziehen können.<br />

In anderen Ländern wie Lettland und Litauen sind<br />

im Sozialleistungs- und Beihilfesystem widersprüchliche<br />

Anreize enthalten. Einige Aspekte des Systems<br />

(niedrige und nur kurz gezahlte Arbeitslosenleistungen)<br />

regen Arbeitslose zur Stellensuche an und<br />

haben keinen Einfluss auf die <strong>Langzeitarbeitslosigkeit</strong>,<br />

während andere Aspekte (z. B. Sozialhilferegelungen<br />

auf dem Niveau des Mindesteinkommens,<br />

Verlängerung des Bezugs von Arbeitslosengeld für<br />

bestimmte Gruppen) die Stellensuche eventuell<br />

hinauszögern. In Lettland beispielsweise ist das<br />

Arbeitslosen- und Sozialhilfesystem nicht besonders<br />

großzügig ausgestaltet und kann daher nicht als<br />

Faktor zur Verlängerung der <strong>Langzeitarbeitslosigkeit</strong><br />

angesehen werden. Arbeitslosenleistungen werden<br />

nur während der ersten neun Monate der Arbeitslosigkeit<br />

gezahlt. Daten der staatlichen Arbeitsagentur<br />

zufolge erhielten im Jahr 2011 nur 26,6 % aller registrierten<br />

Arbeitslosen entsprechende Leistungen. Die<br />

Sozialhilfe, die das garantierte Mindesteinkommen<br />

darstellt, beträgt 40 LVL (56 EUR) pro Erwachsenen<br />

und 45 LVL (63 EUR) pro Kind. Sie ist einkommensabhängig,<br />

was bedeutet, dass alle Einkünfte, etwa auch<br />

für die Teilnahme an Programmen der staatlichen<br />

Arbeitsagentur, von der Sozialhilfe abgezogen werden.<br />

Allerdings bringt der Anspruch auf dieses garantierte<br />

Mindesteinkommen andere Vergünstigungen mit sich,<br />

zum Beispiel Wohngeld und den Erhalt kostenfreier<br />

Arzneimittel. Manchen Stimmen zufolge bietet das<br />

System einigen Haushalten daher nicht genügend<br />

Anreize, für den Mindestlohn (derzeit 200 LVL brutto<br />

im Monat [287 EUR]) oder einen Teil des Mindestlohns<br />

zu arbeiten ( 27 )). Es wurden Maßnahmen eingeleitet,<br />

um diesen als Fehlanreiz empfundenen Faktor zu<br />

beseitigen. Ab 1. Januar 2012 sind alle Sozialhil-<br />

( 27 ) Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass Arbeitskräfte in<br />

etlichen Fällen laut Arbeitsvereinbarung für etwa die<br />

Hälfte des Mindestlohns arbeiten, in Wahrheit jedoch<br />

Vollzeit tätig sind.

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