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Das besonders beschleunigte vereinfachte Jugendverfahren

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<strong>Das</strong> <strong>besonders</strong> <strong>beschleunigte</strong> <strong>vereinfachte</strong> <strong>Jugendverfahren</strong><br />

I. Konzeption und Idee<br />

- <strong>Das</strong> Neuköllner Modell -<br />

von Richter am Amtsgericht Stephan Kuperion<br />

Jugendrichter am Amtsgericht Tiergarten, Berlin<br />

- schnelle Reaktion auf die Tat ist erzieherisch wirksamer<br />

- Täter und Opfer leben noch in der Lebenssituation zur Zeit der Tat<br />

- Täter und Opfer haben bessere Erinnerung<br />

Frühzeitige Absprachen sollen Liegezeiten der Akte in Fällen. Bei denen eine schnelle<br />

Reaktion <strong>besonders</strong> geboten erscheint, vermeiden.<br />

Für dieses Konzept eignet sich das <strong>vereinfachte</strong> Verfahren gemäß § 76 ff. JGG, da<br />

- keine formale Anklage, sondern nur ein kurzer Antrag von der StA schreiben ist,<br />

- keine Erklärungsfrist gemäß §§ 201 ff. StPO gewährt werden muss,<br />

- das <strong>vereinfachte</strong> Verfahren keine Ladungsfrist gemäß § 217 StPO kennt.<br />

II. Entwicklung vom Neuköllner zum Berliner Modell<br />

Berlin: - 6 Polizeidirektionen mit insgesamt 38 Abschnitten<br />

ca. 16.000 Polizeibeamte<br />

- 60 Jungendstaatanwälte<br />

- 40 Jungendrichter<br />

- 12 Jungendgerichtshilfen mit ca. 80 Mitarbeitern<br />

am 1. Januar 2008 Start mit den Polizeiabschnitten 55 und 54<br />

am 1. Juli 2008 Start in der gesamten Pol. Dir. 5<br />

am 1. September 2009 Start in der Pol. Dir. 6<br />

am 1. Januar 2010 Start in der Pol. Dir. 1<br />

am 1. Juni 2010 Start in den Pol. Dir. 2, 3 und 4


III. Die gesetzlichen Voraussetzungen (§§ 76 bis 78 JGG)<br />

Formale Voraussetzungen<br />

1. Tatverdacht gegen Jugendliche (14 bis 17 Jahre zur Tatzeit) , nicht bei<br />

Heranwachsenden (18 bis 20 Jahre zur Tatzeit) anwendbar<br />

Grund: § 109 JGG erwähnt die §§ 76 bis 78 JGG nicht<br />

2. jugendliche Tatverdächtige, die in Berlin wohnhaft sind<br />

Materielle Voraussetzungen<br />

1. hinreichender Tatverdacht muss vorliegen bei „einfacher Beweislage“<br />

(vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 JGG) aufgrund<br />

- umfassenden oder auch nur pauschalen Geständnisses oder aber<br />

- trotz Schweigens oder Bestreitens des Tatverdächtigen, wenn voraussichtlich<br />

mit maximal drei Zeugen in der Verhandlung auszukommen sein wird<br />

- keine zeitraubenden kriminaltechnischen Untersuchungen nötig<br />

2. ob Tatvorwurf Verbrechen oder Vergehen ist, ist grundsätzlich irrelevant !<br />

3. Weder Jugendstrafe (§§ 17, 18 JGG) noch die Anordnung der Hilfe zur Erziehung<br />

i.S.v. § 12 Nr. 2 JGG (beinhaltet Weisung, sich ganztägig in einer betreuten<br />

Jugendeinrichtung aufzuhalten) dürfen im Hinblick auf den Tatvorwurf<br />

und Person des TV erwartet werden (vgl. §§ 76 und 77 Abs. 1 Satz 1 JGG)


IV. Abläufe bei der Polizei<br />

1. Erkennen eines geeigneten Falles<br />

Checkliste:<br />

- Voraussetzungen für eine Entscheidung im <strong>vereinfachte</strong>n <strong>Jugendverfahren</strong><br />

erfüllt.<br />

(Jugendlicher/Jugendliche in Berlin wohnhaft; einfache Beweislage;<br />

Rechtsfolgenprognose: jugendrichterliche Befassung erforderlich, aber keine<br />

Jugendstrafe oder Heimunterbringung erwartet)<br />

- niederschwelligere Maßnahmen sind nicht ausreichend, nämlich Absehen von der<br />

Verfolgung nach § 45 Abs. 1 oder Abs. 2 JGG. Diversion geht vor !<br />

- besondere Eilbedürftigkeit<br />

z. B. Tat mit Schulbezug<br />

Tat in der Familie<br />

Täter mit Vielzahl an Taten als Strafunmündiger<br />

Täter mit Schulversäumnistendenz<br />

Täter aus schwerer kriminellem Umfeld<br />

gescheiterte Diversion in einem Vorfahren<br />

keine abschließende Aufzählung!<br />

2. Anruf bei der Staatsanwaltschaft, wenn Prüfung gem. Checkliste aus pol. Sicht<br />

positiv<br />

a) Zuständigkeit der Direktionsbeauftragten (Oberstaatsanwalt) und seines<br />

Vertreters der Staatsanwaltschaft Berlin beachten<br />

b) Fernmündliche Fallschilderung


c) bei Zustimmung durch den Direktionsbeauftragten der StA :<br />

– Benennung der zuständigen Abteilung der StA., des Abteilungsleiters (OStA)<br />

und der zuständige Geschäftsstelle der Staatsanwaltschaft<br />

– fernmündliche Absprache des Ermittlungsumfanges mit der<br />

Staatsanwaltschaft<br />

– Schnellstmöglicher Abschluss des Vorganges durch Polizei<br />

schnellstmögliche Vernehmung der notwendigen Zeugen und des<br />

Beschuldigten;<br />

telefonische Ladung der Zeugen; Aufsuchen der Zeugen;<br />

Notieren der Telefonnummer von Beschuldigten und Zeugen;<br />

<strong>beschleunigte</strong> Bearbeitung kriminalistischer Untersuchungen<br />

– fernmündliche Kontaktaufnahme mit zuständigen Abteilungsleiter oder<br />

dessen Vertreter bei Abschluss des Vorganges und Vereinbarung der<br />

Akten-Übergabe<br />

– Übersendung des Schlussberichtes per Fax an die Zuständige JGH mit<br />

dem Vermerk, dass es sich um ein <strong>besonders</strong> <strong>beschleunigte</strong>s Verfahren<br />

handelt<br />

– Aktentransport zur Staatsanwaltschaft unter Nutzung von ohnehin<br />

beanspruchten Polizeikurieren in anderen Sachen (z.B.<br />

Durchsuchungsbeschlüsse oder Haftbefehle), Mitnahme der Akten durch<br />

Polizeibeamte, die als Zeugen Termine im Kriminalgericht haben.<br />

d) bei Ablehnung durch den Direktionsbeauftagten der StA:<br />

z.B. weil - das Verfahren für <strong>besonders</strong> eilbedürftig gehalten wird;<br />

- Beweislage nicht als einfach eingeschätzt wird;<br />

- ein umfangreiches Verfahren bereits anhängig ist;<br />

- OStA Jugendstrafe für notwendig erachtet<br />

standardisierte Sachbearbeitung nach PDV pp.


V. Weiterer Verfahrensablauf bei der Justiz<br />

1. Prüfung durch zuständigen Staatsanwalt, ob Antrag nach § 76 JGG gestellt wird<br />

2. Antragstellung :<br />

a) möglichst zeitnah nach Vg.-Eingang mit max. Beschleunigung<br />

b) Benachrichtigung der zuständigen JGH vom Antrag durch Telefax<br />

c) Kennzeichnung der Akte mit einem gelben Aufkleber § 76 JGG<br />

d) Eingang – ggfs. nach vorh. telefonischer Ankündigung bei dem/der zuständigen.<br />

Jugendrichter(in)<br />

3. bei Annahme durch das Jugendgericht<br />

a) schnellstmögliche Terminierung<br />

(angestrebt : Verhandlung möglichst innerhalb von drei Wochen nach der Tat)<br />

b) Verhandlung ohne Sitzungsstaatsanwalt<br />

c) Auch bei Verbrechen kein Fall der notwendigen Verteidigung<br />

(umstritten - wohl herrschende Meinung insbesondere auch in Berlin)<br />

d) Fehlen des Zwischenverfahrens mit Mitteilung der Anklageschrift und<br />

Einräumung einer Erklärungsfrist, §§ 201 ff. StPO<br />

e) Ladungsfrist des § 217 StPO (mind.1 Woche zwischen Zustellung der Ladung<br />

und der HV) muss ebenfalls nicht eingehalten werden<br />

f) bei Abschluss durch Urteil : Zustellung des Urteilstenors an die StA (Lauf der<br />

Rechtsmittelfrist) oder telefonische Mitteilung des Ergebnisses,<br />

Rechtsmittelverzicht<br />

der StA per Fax an das Gericht<br />

g) bei Abschluss durch Einstellung nach §§ 45, 47 JGG : formlose Bekanntgabe<br />

gegenüber StA (StA muss nicht zustimmen)<br />

h) schriftliche Mitteilung des Verfahrensausgangs an die Polizei (in den Direktionen<br />

unterschiedlich abgesprochen) durch Übersendung des Urteils o. Beschlusses<br />

4. bei Ablehnung durch das Jugendgericht<br />

a) Unanfechtbarkeit der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 3 JGG)<br />

b) Erhebung einer förmlichen Anklage vor dem Jugendgericht durch die STA<br />

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