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Kern A., Schelthoff C., Mathieu M. - FH Aachen, Elektrolabor

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Quelle: [4]<br />

Elektroinstallation<br />

Die dynamische Blitzkugel<br />

Wahrscheinlichkeitsberechnung für<br />

Blitzeinschläge in Gebäude<br />

Mithilfe des hier erstmalig der breiten Fachöffentlichkeit vorgestelltem<br />

dynamischen Blitzkugelverfahrens will der Autor zeigen, dass<br />

sich bereits mit einer relativ kleinen Anzahl von Fangstangen ein hoch<br />

effizientes Fangeinrichtungssystem realisieren lässt. Verglichen mit<br />

dem in den Normen verankerten, klassischen Blitzkugelverfahren<br />

kann die Anzahl der Fangstangen mitunter signifikant reduziert werden.<br />

Es gilt natürlich, dass der Planer mit dem klassischen Blitzkugelverfahren<br />

stets auf der sicheren Seite liegt.<br />

Die Planung der Fangeinrichtungen<br />

von Blitzschutzsystemen für<br />

bauliche Anlagen kann nach<br />

drei grundsätzlichen Verfahren durchgeführt<br />

werden, die in internationalen<br />

[1, 2] und nationalen [3, 4] Blitzschutz-<br />

Normen beschrieben sind:<br />

Blitzkugelverfahren (»elektrogeometrisches«<br />

Modell);<br />

daraus abgeleitet: Schutzwinkelverfahren;<br />

daraus abgeleitet: Maschenverfahren<br />

für ebene (Dach-)Flächen.<br />

Klassisches Blitzkugelverfahren<br />

Das Blitzkugelverfahren ist dabei die<br />

grundsätzliche Planungsmethode. Sie<br />

ist seit vielen Jahren bekannt, erprobt<br />

und bewährt [5]. Für unterschiedliche<br />

Anforderungen an ein Blitzschutzsys -<br />

tem werden vier Gefährdungspegel [3]<br />

und darauf basierend vier Blitzschutzklassen<br />

(I – II – III – IV) definiert [4]. Sie<br />

IEC 2140/05<br />

r<br />

Bild 1: Mit Blitzkugelverfahren zu schützendes Gebäude<br />

(Blitzkugel mit dem Radius r) – Seitenansicht<br />

Bild 2: Mit Blitzkugelverfahren zu schützendes Gebäude<br />

(Blitzkugel mit dem Radius r) – Dachansicht<br />

r<br />

unterscheiden sich hinsichtlich des<br />

Blitzkugelverfahrens im anzusetzenden<br />

Radius der Blitzkugel. Dieser<br />

beträgt, je nach Blitzschutzklasse, zwischen<br />

20m und 60m. Der Radius der<br />

Blitzkugel ist also beim klassischen<br />

Blitzkugelverfahren ein fester Wert,<br />

nur abhängig von der Blitzschutzklasse.<br />

Mit dem Blitzkugelradius werden<br />

unterschiedliche, kleinste Scheitelwerte<br />

von natürlichen Blitzentladungen ab -<br />

gedeckt, d.h. Blitzkugeln mit kleineren<br />

Radien können grundsätzlich noch das<br />

zu schützende Gebäude neben den<br />

Fangeinrichtungen, die nach [4] ge -<br />

plant sind, berühren. Es können also<br />

noch stromschwächere Blitze dort einschlagen.<br />

Bei der Planung mit der Blitzkugel<br />

erhält man damit mögliche Blitzeinschlagstellen,<br />

an denen Fangeinrichtungen<br />

zu platzieren sind. Allerdings ist<br />

darin keine Information enthalten, wie<br />

wahrscheinlich jeweils der Blitzeinschlag<br />

an den einzelnen<br />

Stellen ist.<br />

r<br />

AUF EINEN BLICK<br />

Die Autoren stellen ein dynamisches<br />

Blitzkugelverfahren vor, welches vor -<br />

handene und international anerkannte<br />

Ergebnisse, Zusammenhänge<br />

und Untersuchungen verwendet. Auf<br />

dieser Grundlage wurde ein numerisches<br />

Verfahren erarbeitet, das an<br />

den verschiedenen Punkten einer<br />

Gebäudeoberfläche die realen Einschlagwahrscheinlichkeitenberechnet.<br />

Wie erwartet sind die Ecken und<br />

Kanten eines Gebäudes deutlich stärker<br />

gefährdet als die flachen Dachebenen.<br />

Betrachtet man ein einfaches, quaderförmiges<br />

Gebäude (Bil der 1 und 2), so<br />

erkennt man, dass durch die Positionierung<br />

der Blitzkugel jedem potenziellen<br />

Einschlagspunkt auf der waagerechten<br />

Dachfläche jeweils nur ein Mittelpunkt<br />

der Blitzkugel zugeordnet werden<br />

kann, während an den Dachkanten<br />

und -ecken die Blitzkugel um 90° »herumgerollt«<br />

werden kann. Dieses<br />

Herumrollen hat zur Folge, dass dem<br />

entsprechenden, potenziellen Einschlagspunkt<br />

auf der Dachkante, insbesondere<br />

aber der Dachecke wesentlich<br />

mehr Mittelpunkte der Blitzkugel zuzuordnen<br />

sind.<br />

Basierend auf dem Blitzkugelverfahren<br />

sind aber sowohl das Flachdach,<br />

wie auch Dachkanten und -ecken<br />

potenzielle Einschlagspunkte, welche<br />

durch Fangeinrichtungen zu schützen<br />

sind. Diese Feststellung erfolgt also<br />

ohne Würdigung der Tatsache, dass der<br />

Einschlag in eine Dachkante und -ecke<br />

wesentlich wahrscheinlicher ist, als der<br />

in den inneren Bereich des Flachdachs.<br />

24 de 13–14/2010<br />

r<br />

r<br />

r<br />

IEC 2141/05<br />

Quelle: [4]


Die Dynamisierung<br />

des Blitzkugelverfahrens<br />

Das hier vorgestellte Verfahren bezieht<br />

die Wahrscheinlichkeiten des Einschlags<br />

an einer ganz bestimmten<br />

Stelle mit ein. Damit können die einzelnen<br />

Gefährdungsbereiche besser verglichen<br />

werden. Die »dynamische Blitzkugel«<br />

arbeitet nun im Gegensatz zum<br />

»klassischen Blitzkugelverfahren« nicht<br />

mit konstanten Radien. Vielmehr wird<br />

hier der Radius der Blitzkugel variiert.<br />

Dabei werden die folgenden, in den<br />

Blitzschutznormen enthaltenen, blitzphysikalischen<br />

Grundlagen und mathematischen<br />

Überlegungen verknüpft:<br />

In [3], Anhang A, Bild A.5 sind die<br />

Summenhäufigkeitsverteilungen der<br />

Blitzstrom-Scheitelwerte natürlicher<br />

Blitz entladungen gegeben (Bild 3).<br />

Her angezogen werden hier die Verteilungen<br />

der Blitzstrom-Scheitelwerte für<br />

die negativen Erstblitze (Kurven 1A/1B)<br />

und für die positiven Erstblitze (Kurve<br />

3). Diese beiden Verteilungen werden<br />

gewichtet zu einer gemeinsamen Verteilung<br />

zusammengefasst, wobei ge -<br />

mäß [3] davon ausgegangen wird, dass<br />

90% der natürlichen Blitzentladungen<br />

negative Polarität aufweisen und nur<br />

10% positive Polarität. Aus diesen Verteilungen<br />

ergibt sich also die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass ein natürlicher Erstblitz<br />

mindestens den zugeordneten<br />

Blitzstrom-Scheitelwert aufweist.<br />

Gemäß dem elektrogeometrischen<br />

Modell kann jedem Blitzstrom-Scheitelwert<br />

eine Länge der Enddurchschlagstrecke<br />

zugewiesen werden (siehe [3],<br />

Anhang A, Gleichung A.1):<br />

r = 10 · I 0,65 (Gl. 1), mit<br />

r – Länge der Enddurchschlagstrecke<br />

(= Radius der Blitzkugel) in m<br />

I – Blitzstromscheitelwert in kA.<br />

≥ 20,00 ≥ 10,00 ≥ 5,00<br />

11,52<br />

Wahrscheinlichkeit [%]<br />

99,8<br />

99,5<br />

99<br />

98<br />

95<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

5<br />

2<br />

1<br />

0,5<br />

0,2<br />

100 8<br />

14<br />

7<br />

IEC 2068/05<br />

2 3<br />

Wahrscheinlichkeit [%]<br />

100<br />

P [%]<br />

80<br />

≥ 1,00 ≥ 0,10 ≥ 0,01 ≥10 -3 ≥10 -4 ≥10 -5


Elektroinstallation<br />

A: nur negative Erstblitze;<br />

B: nur positive Erstblitze;<br />

C: negative Erstblitze und positive<br />

Erstblitze im Verhältnis 90% zu 10%.<br />

Die gesamte Oberfläche der zu schützenden<br />

baulichen Anlage, einschließlich<br />

der Fangeinrichtungen des Blitzschutzsystems<br />

(z.B. Fangstangen), wird räumlich<br />

in Oberflächenpunkte diskretisiert.<br />

Der Raum oberhalb und seitlich neben<br />

der baulichen Anlage wird ebenfalls<br />

räumlich in Volumenpunkte diskretisiert.<br />

Mit einfachen geometrischen<br />

Überlegungen wird nun zu jedem Volumenpunkt<br />

der nächstgelegene Oberflächenpunkt<br />

ermittelt.<br />

Auf das mathematische Verfahren<br />

soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen<br />

werden. Es liefert im Ergebnis<br />

konkrete Einschlagwahrscheinlichkeiten<br />

in die Oberflächenpunkte der zu<br />

schützenden baulichen Anlage sowie<br />

abschließende Wahrscheinlichkeitswerte,<br />

die auf die Gesamtwahrscheinlichkeit<br />

100% für die gesamte bauliche<br />

Anlage normiert werden.<br />

100<br />

P [%]<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

Bild 7: Beispielgebäude 2 – aufsummierte Einschlagwahrscheinlichkeit<br />

P in die vier Fangstangen abhängig<br />

von deren Höhe h<br />

Bild 8: Einschlagwahrscheinlichkeit für Beispielgebäude<br />

3 (Flachdach 40m x 40m, 10m hoch) mit einer Fang -<br />

stange in der Dachmitte<br />

Erste Anwendungsbeispiele<br />

40<br />

0 2<br />

4<br />

6<br />

8 10<br />

h [m]<br />

≥ 20,00 ≥ 10,00 ≥ 5,00<br />

6,15<br />

Wahrscheinlichkeit [%]<br />

≥ 1,00 ≥ 0,10 ≥ 0,01 ≥10 -3 ≥10 -4 ≥10 -5


schutzsystem der Klasse I. Zusätzlich gilt<br />

es zu berücksichtigen, dass die vier<br />

Fangstangen ihre Arbeit umso effizienter<br />

verrichten können, je höher die<br />

Blitzstrom-Scheitelwerte werden. Es<br />

können nur relativ geringe Blitzströme<br />

das Innere des Daches erreichen, welche<br />

in der Realität dann auch nur eine<br />

schwache zerstörerische Wirkung aus -<br />

üben können.<br />

Werden diese vier Fangstangen nach<br />

dem klassischen Blitzkugelverfahren<br />

untersucht, und wird angenommen,<br />

dass die Blitzschutz-Klasse I zugrunde<br />

zulegen ist (Blitzkugel-Radius 20m),<br />

berühren die Blitzkugeln, ausgehend<br />

von einer Fangstange in der Ecke, das<br />

Dach bereits in einem Abstand von<br />

12m. Folglich müssten große Bereiche<br />

des Daches (annähernd 1200m 2 , entsprechend<br />

75% des Daches) mit weiteren<br />

Fangeinrichtungen (Fangstangen<br />

oder Fangleitungen) geschützt werden.<br />

Die Information, dass die Wahrscheinlichkeit<br />

eines Blitzeinschlags in<br />

diese zusätzlichen Fangeinrichtungen<br />

gerade einmal ca. 1% beträgt, fehlt im<br />

klassischen Planungsverfahren.<br />

Abschließend wird die Höhe der<br />

Fangstangen an den vier Dachecken<br />

zwischen 0m und 10m variiert. Wie in<br />

Bild 7 zu sehen ist, schlagen bereits bei<br />

einer Höhe von 2m 95% aller Blitze in<br />

die Fangstangen ein. Ab einer Höhe<br />

Elektroinstallation<br />

obere Zeile: Blitzkugel-Radius [m] – untere Zeile Blitzstrom-Scheitelwert [kA]<br />

≥ 300 ≥ 250 ≥ 200 ≥ 150 ≥ 110 ≥ 80 ≥ 60 ≥45 ≥30 ≥20


Fangstange in der Dachmitte<br />

Bild 8 zeigt das Beispielgebäude 3, welches<br />

allein durch eine zentrale Fangstange<br />

in der Dachmitte geschützt<br />

wird. Trotz der Höhe der Fangstange<br />

von 10m liegt die Einschlagswahrscheinlichkeit<br />

in die Fangstange bei nur<br />

65%. Die vier Ecken des Daches weisen<br />

eine aufsummierte Wahrscheinlichkeit<br />

von etwa 24% auf (6,1% je Ecke).<br />

Variiert man nun wieder die Höhe<br />

dieser einzelnen Fangstange, wird eine<br />

Einfangwahrscheinlichkeit von 50%<br />

bei einem Wert von ca. 8m erreicht<br />

(Bild 9). Erst wenn die Fangstange eine<br />

Höhe von unrealistischen 20m er reicht<br />

hat, schlagen ca. 95% aller Blitze dort<br />

ein. Werden nun die Ecken mit berück -<br />

sichtigt, kann die Wirksamkeit deutlich<br />

verbessert werden. Platziert man<br />

zusätzlich zu einer 10m hohen Fangstange<br />

in der Dachmitte in den Ecken<br />

noch kleine Fangstangen, erreicht die<br />

Einfangwahrscheinlichkeit über 91% –<br />

was den Anforderungen eines Blitzschutzsystems<br />

der Klasse III entspräche.<br />

Im Gesamtergebnis ist der Schutz durch<br />

kurze Fangstangen in den Ecken eines<br />

Daches wesentlich effektiver, als der<br />

Schutz durch eine hohe Fangstange in<br />

der Dachmitte.<br />

Komplexe Gebäude<br />

Das Verfahren lässt sich auch auf beliebige<br />

Gebäudegeometrien übertragen.<br />

Bild 10 zeigt ein Gebäude mit komplexer<br />

Geometrie (Längen, Breiten und<br />

Höhen jeweils in m). Es soll angenommen<br />

werden, dass für das Gebäude die<br />

Blitzschutzklasse III erforderlich ist.<br />

Dafür gilt eine Einfangwahrscheinlichkeit<br />

von 91%, d.h. 91% aller Blitzeinschläge<br />

auf dem Gebäude müssen von<br />

Fangeinrichtungen eingefangen werden.<br />

Bild 10 zeigt dafür eine mögliche<br />

Lösung. Mit nur acht Fangstangen (vier<br />

an jeder Ecke des höchsten Gebäudeblocks<br />

rechts hinten, weitere vier an<br />

jeder Ecke des Dachaufbaus links vorne,<br />

Höhe jeweils 2m) werden sogar ca.<br />

94% aller Blitzeinschläge eingefangen.<br />

In Ergänzung dazu zeigt Bild 11 die<br />

maximalen Blitzkugelradien und die<br />

maximalen Blitzstrom-Scheitelwerte,<br />

die an den unterschiedlichen Stellen<br />

des Gebäudes noch auftreten können.<br />

Hierbei sind besonders die ungeschützten<br />

Bereiche des Gebäudes von Interesse.<br />

Es zeigt sich, dass wieder nur relativ<br />

»kleine«, also stromschwache Blitze<br />

neben den Fangeinrichtungen einschlagen.<br />

Diese Blitze führen damit im<br />

Einschlagfall auch nur zu geringen<br />

Schäden.<br />

Zieht man die Informationen der Bilder<br />

10 und 11 gemeinsam heran, kann<br />

die Einschlagwahrscheinlichkeit der<br />

Fangeinrichtungen einfach und schnell<br />

weiter verbessert werden. Vier zusätzliche<br />

Fangstangen an den vier noch<br />

ungeschützten Ecken des Gebäudes, an<br />

denen die Einschlagwahrscheinlichkeit<br />

noch Werte > 0,1% aufweist, und zwei<br />

weitere Fangstangen auf der mittleren<br />

Dachachse des höchsten Gebäudeblocks<br />

rechts hinten, wo gemäß Bild 11<br />

noch mit Blitzstrom-Scheitelwerten<br />

> 40kA zu rechnen ist, erhöhen die<br />

gesamte Einschlagwahrscheinlichkeit<br />

auf über 99%. Dies würde sogar die<br />

Anforderungen der Blitzschutzklasse I<br />

erfüllen.<br />

Es sei abschließend darauf hingewiesen,<br />

dass die nach dem dynamischen<br />

Blitzkugelverfahren geplanten<br />

Fangeinrichtungen nur nach dem Kriterium<br />

der Einschlagwahrscheinlichkeit<br />

positioniert werden. Ein Blitzschutzsys -<br />

tem kann aber auch andere Kriterien<br />

zu erfüllen haben [6]. So kann z.B. aus<br />

Gründen des Blitzschutz-Potentialausgleichs,<br />

der ausreichenden Stromaufteilung<br />

oder der Reduzierung von magnetisch<br />

in Schleifen induzierten<br />

Spannungen die Aufstellung weiterer<br />

Fangeinrichtungen erforderlich sein.<br />

Schlussbemerkungen<br />

Mithilfe des dynamischen Blitzkugelverfahrens<br />

wird gezeigt, dass bereits<br />

mit einer relativ kleinen Anzahl von<br />

Fangstangen ein hoch effizientes Fangeinrichtungssystem<br />

realisiert werden<br />

kann. Vergleicht man dieses Verfahren<br />

mit dem klassischen Blitzkugelverfahren,<br />

wie es in [4] beschrieben ist, so<br />

kann die Anzahl der Fangstangen deutlich<br />

reduziert werden. Der Grund dafür<br />

ist die Tatsache, dass das Blitzkugelverfahren<br />

sehr konservativ aufgebaut ist<br />

und dem Planer von Blitzschutzsystemen<br />

nur alle möglichen Stellen für<br />

einen Einschlag aufzeigt, jedoch keine<br />

Bewertung durch eine Einschlagwahrscheinlichkeit<br />

dazu zu liefert. Anderseits<br />

bedeutet dies, dass man mit dem<br />

klassischen Blitzkugelverfahren stets<br />

auf der »sicheren Seite« liegt [3].<br />

Mit dem dynamischen Blitzkugelverfahren<br />

steht dem Planer nun eine<br />

Methode zur Verfügung, mit dem<br />

gerade bei geometrisch komplexen<br />

Gebäuden die Fangeinrichtungen, d.h.<br />

insbesondere Fangstangen, sehr zielge-<br />

de 13–14/2010


ichtet dort platziert werden können,<br />

wo sie auch gebraucht werden. Der<br />

Einsatz vieler, zum Teil unnötiger<br />

Fangstangen lässt sich vermeiden. Das<br />

eingesparte Kapital kann ggf. in<br />

andere Schutzmaßnahmen (z.B. Überspannungsschutzeinrichtungen)<br />

inves -<br />

tiert werden.<br />

Die Ergebnisse der hier dargestellten<br />

Untersuchungen können schließlich<br />

auch helfen, ein verbessertes Verständnis<br />

zu erhalten bezüglich der<br />

Frage: »Wie wirksam sind eigentlich<br />

nicht konventionelle Fangeinrichtungen<br />

– sprich: ESE-AT-(= Early Streamer<br />

Emission)-Fangeinrichtungen?« ESE-Be -<br />

fürworter argumentieren häufig, dass<br />

sich die Funktionalität des Verfahrens<br />

doch direkt aus der hohen Anzahl an<br />

installierten Systemen und der (angeblich)<br />

geringen Anzahl von Fangfehlern<br />

ableiten lasse. Die geringe Anzahl von<br />

Fangfehlern ist jedoch verständlich,<br />

wenn man sich die Installationen von<br />

ESE-Fangeinrichtungen ansieht. Es sind<br />

eben hohe Fangstangen, die an den<br />

höchsten Stellen der Gebäude platziert<br />

MEHR INFOS<br />

Fachbeitrag zum Thema<br />

Blitzschutz nach anerkannten Regeln<br />

der Technik – Blitzschutzexperten<br />

diskutieren am runden Tisch, »de«<br />

23–24/2009, S. 26 ff.<br />

werden, also dort, wo auch grundsätzlich<br />

hohe Einschlagwahrscheinlichkeiten<br />

für stromstarke Blitzentladungen<br />

bestehen. Dort wirken sie gemäß der<br />

aktuellen Auffassung des internationalen<br />

Normenkomitees IEC TC81 ebenso<br />

wie klassische (Franklin-)Fangstangen<br />

[7], auch ohne dass eine wirksame Vorionisation,<br />

also ein Blitztrigger-Effekt,<br />

einsetzt. Man könnte sie also wohl<br />

auch einfach durch Franklin-Fangstangen<br />

ersetzen, ohne den Schutz zu verschlechtern.<br />

Literaturverzeichnis<br />

[1] IEC 62305-1:2006-01, Protection against<br />

lightning – Part 1 – General principles<br />

Elektroinstallation<br />

[2] IEC 62305-3:2006-01, Protection against<br />

lightning – Part 3: Physical damage to<br />

structures and life hazard<br />

[3] DIN EN 62305-1 (VDE 0185-305-1):2006-10,<br />

Blitzschutz – Teil 1: Allgemeine Grundsätze<br />

[4] DIN EN 62305-3 (VDE 0185-305-3):2006-10,<br />

Blitzschutz – Teil 3, Schutz von baulichen<br />

Anlagen und Personen<br />

[5] Hasse, P.; Wiesinger, J.; Zischank, W.:<br />

Handbuch für Blitzschutz und Erdung,<br />

Pflaum Verlag München, 5. Auflage 2006,<br />

ISBN 3-7905-0931-0<br />

[6] Wettingfeld, J.; <strong>Kern</strong>, A.; Krämer, H.-J.;<br />

Thormählen, R.: International anerkannte<br />

Blitzschutznormen – Ausgewogener und<br />

sicherer Schutz, »de« 13–14/2009, S. 30 ff.<br />

[7] IEC 81/337/CDV (IEC 62305-3 Ed. 2):2009-09,<br />

Protection against lightning – Part 3: Physical<br />

damage to structures and life hazard.<br />

Prof. Dr.-Ing. Alexander <strong>Kern</strong>,<br />

Prof. Dr. rer. nat. Christof <strong>Schelthoff</strong>,<br />

Moritz <strong>Mathieu</strong>,<br />

<strong>FH</strong> <strong>Aachen</strong>, Campus Jülich

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