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magazin - Kreuznacher Diakonie

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titel<br />

Demenz bei Menschen mit Behinderungen nimmt zu<br />

„Das hat nichts mit einer geistigen Behinderung zu tun“<br />

(hs) Die Menschen erreichen zunehmend ein höheres Alter. Dabei steigt das Risiko einer<br />

Demenzerkrankung mit dem Alter stark an: Die Wahrscheinlichkeit, an Alzheimer-Demenz<br />

zu erkranken, beträgt bei 65-Jährigen etwa drei Prozent. Zwischen dem 75. und 85. Lebensjahr<br />

sind es schon 15 Prozent, und darüber hinaus bis zum 90. Lebensjahr erkranken rund 30<br />

Prozent aller Menschen an Alzheimer. Diese Erkenntnisse lassen sich eins zu eins auf Menschen<br />

mit Behinderungen übertragen.<br />

„Ob ein Mensch eine geistige Behinderung<br />

hat oder nicht, spielt nach unseren bisherigen<br />

Erkenntnissen keine besondere Rolle,<br />

wenn es um Demenz geht.“ Marie-Luise May<br />

ist Leiterin Wohnen bei den Heilpädagogischen<br />

Einrichtungen kreuznacher diako-<br />

nie am Standort Bad Kreuznach. „Ähnlich<br />

den ,normalen’ Menschen erleben wir bei<br />

unseren Bewohnerinnen und Bewohnern<br />

Anzeichen von Demenz, wenn sie älter werden.<br />

Wir müssen uns dann dem sich verändernden<br />

Verhalten anpassen.“ Eine ältere<br />

Dame beispielsweise, die an Demenz leidet,<br />

habe einen starken Bewegungsdrang. „Einfach<br />

einschließen geht nicht“, erklärt May,<br />

„es kommt dann schon mal vor, dass wir die<br />

Dame irgendwo auf dem <strong>Diakonie</strong>gelände<br />

wiederfinden.“ Eine andere Bewohnerin ant-<br />

worte auf die Frage nach ihrem Alter mit<br />

„39“. „Dabei wäre 89 richtig“, sagt May.<br />

„Aber 39 ist das Alter, in dem sie sich gerade<br />

fühlt.“<br />

Herausforderung Demenz<br />

Gefahrlose Wohnumgebung<br />

Vergesslichkeit, Persönlichkeitsveränderung,<br />

Orientierungsstörungen und das Leben in<br />

der Vergangenheit: All diese Faktoren dementieller<br />

Erkrankungen werden auch bei<br />

Menschen mit Behinderungen beobachtet.<br />

Auch dieser Personenkreis wird – wie die<br />

Menschen in unserem Kulturkreis allgemein<br />

– durch die immer bessere medizinische Versorgung<br />

immer älter. „Daher nehmen Demenzerkrankungen<br />

bei den Bewohnerinnen<br />

und Bewohnern natürlich zu, aber das hat<br />

nichts mit einer geistigen Behinderung zu<br />

tun“, erklärt die Leiterin Wohnen. „Dennoch<br />

müssen wir uns darauf einstellen.“ Dazu gehört<br />

etwa, die direkte Wohnumgebung „gefahrlos“<br />

zu gestalten.<br />

Beispiel: Wenn jemand sein ganzes Leben<br />

lang selbst seinen Tee gekocht hat und nun<br />

aufgrund seiner Demenz nicht mehr dazu in<br />

der Lage ist, wird der Herd abgeklemmt und<br />

für Alternativen gesorgt.<br />

offene tür 4 / 2010 10 www.kreuznacherdiakonie.de<br />

Demenzerkrankungen treten bei Menschen mit<br />

geistiger Behinderung genauso oft auf wie bei<br />

anderen Menschen auch. Der entscheidende<br />

Faktor ist immer das Lebensalter<br />

Maßgeschneiderte Angebote<br />

Neben diesen Maßnahmen gibt es in den<br />

Heilpädagogischen Einrichtungen kreuzna-<br />

cher diakonie Angebote für Menschen mit<br />

geistiger Behinderung, die an einer Demenz-<br />

erkrankung leiden. „Eine externe Mitarbeiterin<br />

hält maßgeschneiderte Angebote vor,<br />

die im Rahmen der Tagesstruktur wahrgenommen<br />

werden können“, so May. „Dazu<br />

gehören etwa auch verschiedene Übungen<br />

für Gedächtnisschulungen.“ Ein Problem besteht<br />

allerdings bei der Diagnose von Demenzerkrankungen,<br />

berichtet Marie-Luise<br />

May: „Die Abgrenzung einer schweren geistigen<br />

oder schwerst-mehrfachen Behinderung<br />

zur Demenz ist kaum leistbar, weil die<br />

Symptome wie Gedächtnisverlust oder Orientierungsstörung<br />

nicht oder kaum nachzuweisen<br />

sind.“ l<br />

Statistik<br />

Insgesamt wohnen in der Stiftung<br />

kreuznacher diakonie rund 940<br />

Menschen mit Behinderungen und/<br />

oder psychischen Erkrankungen. Gut<br />

160 davon leben im Rehabilititionszentrum<br />

Bethesda kreuznacher diakonie<br />

in Bad Kreuznach und rund 780 in<br />

den Heilpädagogischen Einrichtungen<br />

kreuznacher diakonie an den Standorten<br />

Meisenheim, Bad Kreuznach,<br />

Asbacher Hütte, Bad Sobernheim<br />

und Rhaunen.<br />

Publikationen zum Thema Alzheimer-Erkrankung und Demenz<br />

Einlesen, vorlesen und anschauen<br />

(su) Zum Thema Alzheimer-Erkrankung und Demenz gibt es eine Vielzahl von Publikationen,<br />

von denen an dieser Stelle eine kurze Übersicht geboten werden soll. Einen wunderbaren<br />

Überblick über den wissenschaftlichen Stand der Forschungen, aber auch bewegende<br />

persönliche Geschichten und besondere Betreuungsangebote bietet die „Spiegel-Wissen“-<br />

Ausgabe „Reise ins Vergessen“. Vom Bonner Bundesministerium für Gesundheit gibt es den<br />

kostenlosen Ratgeber „Wenn das Gedächtnis nachlässt“.<br />

Bücher<br />

Ratgeber / Praxishilfen<br />

Kinderbücher<br />

Filme<br />

Sehr unter die Haut geht der Roman<br />

Small World von Martin Suter, der die<br />

Krankengeschichte des Mittsechzigers<br />

Konrad Lang mit einer Kriminalgeschichte<br />

verknüpft. Alzheimer lässt ihn den<br />

Namen der Frau vergessen, die er<br />

heiraten will, frühere Erinnerungen<br />

kommen stärker auf – was wiederum für<br />

eine andere Dame beunruhigend wird …<br />

Zürich 1999, Diogenes Verlag<br />

Praxisorientiert gibt<br />

Naomi Feil in Validation<br />

in Anwendung und<br />

Beispielen Auskunft<br />

über den Umgang mit<br />

alten Menschen.<br />

Reinhardt, 2004<br />

Auch die Bände aus der Praxisreihe<br />

der Deutschen Alzheimergesellschaft<br />

rund um Themen wie „Leben mit<br />

Demenzkranken”, „Ernährung”,<br />

„Betreuungsgruppen” sowie „Aufbau<br />

von Helferkreisen” sind lesenswert.<br />

Das Thema wurde auch in Kinderbüchern<br />

aufgearbeitet. Besonders<br />

gelungen ist Herbst im Kopf von<br />

Dagmar Müller. Eine Mutter erklärt<br />

ihrer Tochter, dass die Erinnerungen<br />

der Oma nach und nach wie Blätter<br />

von einem Baum abfallen.<br />

Verlag Annette Betz<br />

In der Reihe der EKD-<br />

Texte ist unter Nr. 98<br />

der Beitrag „Leben mit<br />

Demenz" zu finden,<br />

der auch den aufwüh-<br />

lenden Film Ach Luise<br />

beinhaltet.<br />

Um das Erarbeiten<br />

von Biografien und<br />

die Erinnerungspflege<br />

geht es in dem Buch<br />

von Barbara Günther-<br />

Burghardt Als ich<br />

Kind war.<br />

Borgmann Media<br />

Auch der Film<br />

An ihrer Seite,<br />

eine Liebes-<br />

geschichte,<br />

die in Kanada<br />

spielt, ist hier<br />

zu nennen.<br />

Herausforderung Demenz<br />

Die Journalistin<br />

Stella Braam<br />

begleitete ihren<br />

erkrankten Vater,<br />

einen Psychologen,<br />

drei Jahre lang und<br />

schrieb mit ihm<br />

zusammen Ich habe<br />

Alzheimer, ein Buch, das Einblick<br />

in die Welt der Erkrankten bietet.<br />

Beltz, 2007<br />

Sehenswert:<br />

Mein Vater,<br />

ein Familien-<br />

drama mit<br />

Götz George<br />

in der Haupt-<br />

rolle.<br />

In Rückschauarbeit<br />

beschreiben Monika<br />

Pigorsch, Bitten Kleeberg<br />

und Nadine Sohn ganz<br />

konkrete Übungen, die<br />

helfen können.<br />

Verlag modernes<br />

Lernen, Dortmund<br />

Das Kuratorium der deutschen<br />

Altenhilfe hat 2007 das Buch von<br />

Monika Rösner Humor trotz(t)<br />

Demenz herausgegeben, das<br />

andere Facetten der Erkrankung<br />

spannend beleuchtet.<br />

Auch Omas<br />

Apfelkuchen von<br />

Laura Langston und<br />

Lindsey Gardiner<br />

gibt kindgerechte<br />

Erklärungen.<br />

Friedrich Wittig<br />

Verlag<br />

www.kreuznacherdiakonie.de<br />

titel<br />

Monat der Demenz gewidmet<br />

Ausstellung zu Gast<br />

(nw) „Kunst trotz(t) Demenz“ heißt die Wan-<br />

derausstellung, die vom 2. bis 29. Septem-<br />

ber 2010 zu Gast in der Stiftung kreuzna-<br />

cher diakonie und der Volksbank Rhein-<br />

Nahe-Hunsrück eG in Bad Kreuznach war.<br />

100 Kunstwerke von 32 Künstlerinnen und<br />

Künstlern aus unterschiedlichen Richtun-<br />

gen gab es zu sehen.<br />

Teil der Ausstellung war beispielsweise die<br />

Bronzeskulptur „Für dunkle Tage“ von Jörg<br />

Immendorff – eine Sonnenblume mit kleinen<br />

Raupen. Sie entstand in einer Zeit, in<br />

der Immendorff an schweren Depressionen<br />

litt und ist Ausdruck der Hoffnung auf bessere<br />

Zeiten. „Auch viele Demenzkranke leiden<br />

an Depressionen und benötigen kleine<br />

Lichtblicke und Hoffnungszeichen“, sagt der<br />

Kurator der Ausstellung, Andreas Pitz. Neben<br />

international und regional bekannten Künstlerinnen<br />

und Künstlern steuern auch Menschen<br />

mit Demenz Werke zur Ausstellung bei,<br />

unter anderem in Form von Selbstportraits.<br />

Umfangreiches Rahmenprogramm<br />

Während der Ausstellung beschäftigte sich<br />

die Stiftung kreuznacher diakonie ausführlich<br />

mit dem Thema Demenz. Ein Gottesdienst<br />

unter dem Motto „Reise ins Vergessen<br />

– Leben mit Demenz“ stellte unterschiedliche<br />

Blickwinkel auf die Krankheit dar. Auch<br />

die Theatergruppe „Rolle vorwärts“ aus der<br />

Hunsrück Klinik kreuznacher diakonie beschäftigte<br />

sich in ihrem selbstgeschriebenen<br />

Stück „Agnes will heim“ mit der Thematik.<br />

Während eines Vortragsabends beantwortete<br />

Dr. Winfried Oberhausen, Chefarzt der<br />

Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie<br />

der Hunsrück Klinik, unter anderem die<br />

Fragen: Welche Formen von Demenz gibt es<br />

und welche Symptome treten auf ?<br />

Pfarrer Albrecht Bähr, Beauftragter der<br />

drei Diakonischen Werke in Rheinland-<br />

Pfalz, überschrieb seinen Vortrag mit „Jeder<br />

Mensch ist ein einzigartiges Kunstwerk“. Er<br />

führte aus Sicht des Theologen und Diakonikers<br />

aus, dass Gottes Liebe zum Menschen<br />

der Demenz trotzt. l<br />

11 offene tür 4 / 2010

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