RA Nr. 223 - Rote Anneliese
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Investitionen in Gefahr: die enbag, hier ihr sitz in gamsen, senkt die Tarife für solarenergie.<br />
Solarstrom<br />
EnBAG würgt Energiewende ab<br />
OBERWALLIS – Immer mehr Oberwalliser investieren in eine neue<br />
Solarstromanlage. Jetzt bekommt die Energie Brig Aletsch Goms<br />
(EnBAG) kalte Füsse: Sie senkt die Abgeltungspreise für Solarstrom<br />
und würgt damit den Oberwalliser Solarstrom-Boom ab.<br />
Von Cyrill Pinto<br />
Als die Proteste der EnBag-Kunden nicht mehr<br />
zu überhören waren, ergriff das Unternehmen<br />
die Flucht nach vorn: Es schickte einen leitenden<br />
Angestellten vor, um den unpopulären Entscheid<br />
der Direktion der Öffentlichkeit als eine gute Sache<br />
zu verkaufen.<br />
Nicht EnBAG-Geschäftsführer Paul Fux oder<br />
sein Nachfolger Hans-Peter Burgener standen<br />
gegenüber den Medien Rede und Antwort. Nein,<br />
vorgeschickt wurde Stephan Brunner, der Leiter<br />
Vertrieb und IT – zwar ein leitender Angestellter,<br />
aber kein Direktionsmitglied.<br />
Der Zorn der Walliser Pioniere in der Produktion<br />
von Solarstrom ist gross und legitim. Das Energieunternehmen<br />
EnBAG hat seine Tarife, die es den<br />
Produzenten für Strom aus Solaranlagen bezahlt,<br />
massiv gesenkt: Statt wie bisher 15 Rappen pro<br />
Kilowattstunde, vergütet die EnBAG ihren Produzenten<br />
von Solarstrom nur noch 5,35 bis maximal<br />
11,4 Rappen. Die neuen Tarife gelten seit dem 1.<br />
April für Anlagen über drei Kilowatt Leistung – al-<br />
so auch für ganz kleine Anlagen auf Hausdächern<br />
von Einfamilienhäusern. Die EnBAG teilte die<br />
Tarifänderung ihren Stromproduzenten im Verlauf<br />
des Aprils mit – die Senkung des Abgeltungstarifs<br />
trat damit rückwirkend in Kraft.<br />
Stephan Brunner beteuerte im Mai, dass man<br />
sich trotzdem für die kleinen Produzenten von<br />
Solarstrom einsetze – mit der Einführung der<br />
Kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) profitiere<br />
man dann ja von höheren Abgeltungstarifen.<br />
Das Problem: Meldet man sich heute für die<br />
KEV an, wartet man bis zu drei Jahre, bis man in<br />
den Genuss der höheren KEV-Tarife kommt. Bis<br />
dahin sind Investoren in die Solarenergie auf eine<br />
angemessene Entschädigung für ihren Strom angewiesen<br />
– schliesslich müssen ihre Investitionen<br />
auch amortisiert werden.<br />
andere zahlen mehr, viel mehr<br />
Offenbar bekommt die EnBAG aufgrund sinkender<br />
Preise für Spitzenstrom und immer mehr<br />
ROTE ANNELIESE / NR. <strong>223</strong> / Juni 2012<br />
3<br />
Solaranlagen, die neu gebaut werden, kalte Füsse.<br />
Denn man habe die Tarife gesenkt, «weil<br />
immer mehr und leistungsfähigere Solaranlagen<br />
ins EnBAG-Netz einspeisen würden», teilte die<br />
EnBAG über ihren Vertriebsleiter im Mai der<br />
Öffentlichkeit mit. Und mit den neuen Tarifen<br />
folge man einer Empfehlung des Bundesamts für<br />
Energie (BFE). Nur: Die vom BFE empfohlenen<br />
Tarife sind die Mindesttarife – die EnBAG zahlt<br />
ihren Solarstromproduzenten also das absolute<br />
Minimum.<br />
basel zahlt den spitzentarif<br />
Der Blick auf die Tarife anderer Stromunternehmen<br />
zeigt tatsächlich: Die EnBAG reiht sich mit<br />
ihren Tarifen zu Dumping-Stromunternehmen<br />
ein, die Solarenergie nicht fördern, sondern verhindern.<br />
So zahlt der Spitzenreiter unter den<br />
Stromabnehmern, die Stadtwerke Winterthur,<br />
ihren Solarstromproduzenten 61 Rappen pro<br />
Kilowattstunde Solarstrom. Auch das Energieunternehmen<br />
der Stadt Basel bezahlt Solarstromproduzenten<br />
den Spitzentarif von 61 Rappen<br />
– also rund fünf Mal mehr, als das Oberwalliser<br />
Unternehmen.<br />
Aber nicht nur städtische Energieunternehmen<br />
bezahlen weit mehr als das Unternehmen mit Sitz<br />
in Gamsen, auch viele regionale Energieversorger<br />
zahlen für den Ökostrom einen Tarif, der sich<br />
am KEV-Tarif von 35 Rappen orientiert. So zahlt<br />
das EW Buchs 50 Rappen für den Solarstrom, die<br />
Energie Aargau süd bezahlen 30 Rappen.<br />
Mit der Senkung der EnBAG-Tarife auf das absolute<br />
Minimum, wird den Kleinproduzenten – meist<br />
Einfamilienhausbesitzer – erschwert, in eine neue<br />
Anlage zu investieren.<br />
Der Tarifentscheid der EnBAG stösst entsprechend<br />
auf Kritik: Mehrere Besitzer von Solarstromanlagen<br />
haben sich deshalb bei der <strong>RA</strong> gemeldet.<br />
Sie kritisieren die Tarifpolitik der EnBAG. Ihr<br />
Tenor: Das Unternehmen verhindere mit seiner<br />
Tarifpolitik eine Anschubfinanzierung für neue<br />
Solaranlagen im Oberwallis.<br />
Dabei wäre es im Wallis besonders sinnvoll, auf<br />
die Karte Solarenergie zu setzen, wie die <strong>RA</strong> im<br />
letzten Frühling berichtete.<br />
Jetzt muss die Politik handeln<br />
Wie eine Studie zum Solarpotenzial des Wallis<br />
festhält, ist die durchschnittliche Sonneneinstrahlung<br />
im Wallis um 16 Prozent höher als in der<br />
übrigen Schweiz. In höher gelegenen Gemeinden<br />
ist sie gar um einen Viertel höher als im Schweizer<br />
Durchschnitt (<strong>RA</strong> 217). Theoretisch könnte man<br />
auf Walliser Hausdächern eine Fläche von 4,7 Millionen<br />
Quadratmetern mit Photovoltaik-Panels<br />
bedecken. So könnten jährlich 800 Gigawattstunden<br />
Strom produziert werden.<br />
Wollen Energieversorger wie die EnBAG ihre<br />
Verantwortung zur Anschubfinanzierung dieser<br />
Anlagen nicht wahrnehmen, muss die Politik auf<br />
Kantonsebene jetzt handeln: Dieselbe Studie, die<br />
beim Departement Cina Staub ansetzt, schlägt<br />
mehrere Modelle zur Finanzierung neuer Solaranlagen<br />
vor.<br />
Darin ist darin die Möglichkeit einer kantonalen<br />
Einspeisevergütung, einer Steuerreduktion oder<br />
zinsloser Darlehen formuliert – so könnte die<br />
Politik auf Kantonsebene für Energieversorger wie<br />
die EnBAG in die Bresche springen und damit die<br />
begonnene Energiewende retten.