Heft 1, Jahrgang 140 - Sommersemester 2007 - Canisianum
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THEOLOGIE<br />
werfen. Und in 26,2 verlangt Gott explizit von<br />
ihm, keines von allen ihm anvertrauten Worten<br />
wegzulassen – wiederum führt dieser Auftrag<br />
ihn in tödliche Bedrohung. 20 Jeremia ist<br />
Beispiel eines Sprechers Gottes, der sich<br />
nicht einschüchtern läßt, sondern voller Mut<br />
auftritt, ohne Angst 21 dessen konfrontierende<br />
Worte verkündet und dafür sogar sein Leben<br />
riskiert.<br />
Wer dächte, daß bei einem solchen Einsatz<br />
sich Erfolg einstellte, wird in Jer eines<br />
Besseren belehrt. Der wahre Prophet muß<br />
Scheitern und Mißlingen ertragen. Diese<br />
Erfahrung prägt den Umgang sowohl mit den<br />
niedrigen als auch mit den einflußreichen<br />
Schichten der Gesellschaft (5,4f). Die verzweifelte<br />
Frage in 6,10 „Zu wem kann ich<br />
reden und warnen, daß sie hörten?“ macht<br />
deutlich, daß Jeremia nicht ankommt. Daß<br />
dies nicht ein Einzelfall ist, wird aus 25,3<br />
ersichtlich, wo das vergebliche Auftreten<br />
schon „23 Jahre“ anhält. 22 Da spendet wenig<br />
Trost, daß es seinen Vorgängern, Gottes „Dienern,<br />
den Propheten“, zuvor ebenso ergangen<br />
ist (25,4).<br />
Ins selbe Jahr wie c25, das „vierte Jahr<br />
Jojakims“, 23 wird c36 datiert. Dort verbrennt<br />
der König die Rolle mit Gottes Worten, die<br />
Baruch auf Anweisung Jeremias geschrieben<br />
hatte (v23), und gibt Befehl, den Propheten<br />
und seinen ‚Sekretär‘ festzunehmen, was<br />
jedoch nicht gelingt (v26). Die Episode zeigt,<br />
daß selbst die materiellen Produkte prophetischen<br />
Wirkens nicht vor Verfolgung verschont<br />
sind – wie sich an Bücherverbrennungen<br />
bis in die neuere Zeit weiterhin beobachten<br />
läßt. Fazit: Wer für Gott eine Sendung<br />
übernimmt, möge sich durch Mißerfolg und<br />
Ablehnung nicht entmutigen lassen.<br />
Eine eigene Nuance und eine Wurzel der<br />
Konflikte wird an manchen Reaktionen der<br />
Zuhörer greifbar. Der Vergleich von 26,2-6,<br />
Jeremias Botschaft, mit 26,9, wo seine<br />
Gegner daraus allein, noch dazu verändert,<br />
die Drohung zitieren, macht deutlich, daß<br />
Sprecher Gottes nur sehr selektiv gehört, und<br />
d.h. verkannt und mißverstanden werden.<br />
Gleiches zeigt sich in Jer 43, wo auf die<br />
Aufforderung zum Verweilen im Land zuvor in<br />
c42 Jeremia der Lüge und Baruch der<br />
Anstiftung dazu bezichtigt wird (v2f). 24 Daraus<br />
ist abzuleiten, daß Verkünder Mißverstehen<br />
auf Seiten ihrer Adressaten, aus den verschiedensten<br />
Gründen, einkalkulieren sollten.<br />
C) Jeremias Grundhaltungen: gerade,<br />
sensibel und mitfühlend<br />
Die vielen und anhaltenden Leidenserfahrungen<br />
haben Jeremia geformt. Das Feuer<br />
einer so schweren Erprobung zu bestehen ist<br />
nur möglich von Gott getragen und mit innerer<br />
Aufrichtigkeit. In diesem dritten Hauptteil sollen<br />
noch einige Grundzüge dieses außergewöhnlichen<br />
Propheten vorgestellt werden.<br />
Jeremias Sprache, auch Gott gegenüber, ist<br />
ungeschminkt, ganz offen und ehrlich, bis hin<br />
zu scharfen Anklagen. So sagt er in 4,10:<br />
„Achach, Herr Jhwh, zutiefst getäuscht hast<br />
Du dieses Volk und Jerusalem ...“,<br />
oder in 20,7, auf sich bezogen: „Du hast mich<br />
verführt, Jhwh, und ich ließ mich verführen.“<br />
In der zweiten ‚Konfession‘ wirft er Gott gar<br />
vor, unzuverlässig, wie ein Trugbach zu sein<br />
(15,18); damit geht Jeremia zu weit, und Gott<br />
kontert mit der Forderung nach Umkehr sogar<br />
für seinen eigenen Propheten (v19). Direkte<br />
Kommunikation und offenes Aussprechen<br />
kann gelegentlich Grenzen überschreiten, hat<br />
aber dennoch bleibenden Wert und bewegende<br />
Kraft. Nur bedarf es dabei ebenso der<br />
Bereitschaft, sich selber kritisieren zu lassen,<br />
eigene Fehler einzugestehen und sich zu bessern.<br />
Jeremias massive und lang anhaltende<br />
Vorwürfe gegenüber der Gemeinschaft könnten<br />
den Eindruck entstehen lassen, er hätte<br />
sich innerlich von ihr distanziert. Das Gegenteil<br />
trifft zu: Er leidet mit an den Zuständen<br />
im Volk. Seine innere Betroffenheit wird u.a.<br />
deutlich bei 8,18.21-23, die mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />
sein Empfinden wiedergeben, 25<br />
sowie in 13,17, wo er selber weint angesichts<br />
von Ablehnung und Hochmut bei der<br />
Gemeinschaft. Jeremia erscheint so als tief<br />
bewegter, mit ihr solidarischer Prophet.<br />
Eine völlig aufrichtige Grundhaltung scheint<br />
auch gegenüber denen durch, die ihn angreifen.<br />
Hatte 11,19 noch bildhaft von seiner Rolle<br />
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