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Barbara Volkmar Die Fallgeschichten des Arztes Wan Quan

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<strong>Barbara</strong> <strong>Volkmar</strong><br />

<strong>Die</strong> <strong>Fallgeschichten</strong> <strong>des</strong> <strong>Arztes</strong> <strong>Wan</strong> <strong>Quan</strong><br />

Leseprobe<br />

<strong>Die</strong> <strong>Fallgeschichten</strong> <strong>des</strong> <strong>Arztes</strong> <strong>Wan</strong> <strong>Quan</strong><br />

von <strong>Barbara</strong> <strong>Volkmar</strong><br />

Herausgeber: Elsevier Urban&Fischer Verlag<br />

http://www.narayana-verlag.de/b13058<br />

Das Kopieren der Leseproben ist nicht gestattet.<br />

Narayana Verlag GmbH<br />

Blumenplatz 2<br />

D-79400 Kandern<br />

Tel. +49 7626 9749 700<br />

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Leseprobe von <strong>Barbara</strong> <strong>Volkmar</strong><br />

„<strong>Die</strong> <strong>Fallgeschichten</strong> <strong>des</strong> <strong>Arztes</strong> <strong>Wan</strong> <strong>Quan</strong>“<br />

Herausgeber: Elsevier Urban & Fischer<br />

Leseprobe erstellt vom Narayana Verlag, 79400 Kandern,<br />

Tel: 0049 (0) 7626 974 970-0<br />

<strong>Die</strong> Welt am Ort Luotian 19<br />

<strong>Die</strong> Medizintradition der Familie <strong>Wan</strong><br />

Wie viele Bewohner <strong>des</strong> Flachlan<strong>des</strong> der Provinz Jiangxi - früher der „Reiskorb<br />

<strong>des</strong> Reiches" - hatte <strong>Wan</strong> <strong>Quan</strong>s Vater, <strong>Wan</strong> Kuang MM (1447-1529), in<br />

den achtziger Jahren <strong>des</strong> 15. Jahrhunderts seine reiche, jedoch hoffnungslos<br />

überbevölkerte Heimat Nanchang verlassen, um in der noch relativ dünn<br />

besiedelten Provinz Huguang sein Auskommen zu suchen. 30<br />

Während andere Einwanderer aus Jiangxi in Huguang mit den hochwertigen<br />

Produkten ihrer Heimatprovinz Handel trieben oder als unregistrierte 31<br />

Bauern ein günstig erworbenes Stück Land bewirtschafteten, gründete <strong>Wan</strong><br />

Kuang in Luotian eine Apotheke, in der er seine Familienrezepturen herstellte<br />

und verkaufte. <strong>Die</strong> Arzneiprodukte aus Jiangxi hatten in der Ming-Zeit einen<br />

guten Ruf, auf dem das Familienunternehmen aufbauen konnte. Für das<br />

Geschäft war außerdem positiv, dass die bergige Gegend um Luotian reich<br />

an Arzneipflanzen war. 32<br />

Vermutlich übte er in dieser Apotheke auch seine (kinder)ärztliche Tätigkeit<br />

aus, indem er die Patienten hier untersuchte und die verordneten Arzneien<br />

selbst zubereitete oder zubereiten ließ. Erst seit der späten Ming-Zeit trennten<br />

sich Apotheker- und Arztberuf immer mehr.<br />

<strong>Die</strong>s lässt sich anhand der Bildrolle „Flussuferszenen am Qingming-<br />

Fest" (Qingming shanghe tu), die über einen Zeitraum von sechshundert<br />

Jahren immer wieder kopiert und den jeweils veränderten<br />

10 <strong>Die</strong> Provinz Huguang löste gegen Ende der Ming-Zeit die Provinz Jiangxi in ihrer Rolle<br />

als Reiskammer <strong>des</strong> Reiches ab. Über die große Bevölkerungswanderung von Jiangxi<br />

nach Huguang berichtet Heijdra 1995 in seiner wirtschaftshistorischen Untersuchung<br />

zur Ming-Zeit. (Heijdra 1995, 312-321). Zu den Bevölkerungsdaten siehe Liang<br />

Fangzhong S^# 1943 bzw. 1989; Ho Ping-ti 1959, 3-35; Cartier 1973, 1341-1359<br />

und Heijdra 1995, 32-58.<br />

■ <strong>Die</strong> Zuwanderer waren zunächst nicht registriert und damit von der Steuerpflicht und<br />

<strong>Die</strong>nstpflicht befreit. Vgl. Heijdra 1995, 44-45.<br />

12 <strong>Die</strong> Luotianer Lokalchronik von 1542 nennt dreißig regionale Arzneipflanzen, die auch<br />

in <strong>Wan</strong> <strong>Quan</strong>s Rezepturen häufig auftauchen: Polygonatus Officinalis, Platycodus<br />

Grandiflorus, Lindera Strychnifolia, Achyranthis Aspera, Pueraria, Atractylo<strong>des</strong>,<br />

Partbenocissus tricuspidata, Asarus cum Radice, Paeonia Lactiflora und Paeonia Rubra,<br />

Mentha, Plantaginis, Lilium, Trichosanthis, hycius Chinensis, Trichosanthis, Citrus<br />

seu Ponciri, Citrus seu Ponciri Immaturus, Arisaematis, Asparagus Cochinchinensis,<br />

Perilla Frutescentis, Poria Cocos, Artemisia Argy, Ophiopogonis Japonicus, Tuber,<br />

Acorus Gramineus, Cornus Officinalis, Crataegus, Cyperus Rotundus, Dolichorum und<br />

Morus Alba. LTXZ (1542) 2:26a-26b (71-72). Vollständige Angaben finden sich im<br />

Arzneidrogenregister im Anhang.


20 Teil 1<br />

Lebensverhältnissen angepasst wurde, sehr schön illustrieren. 33 Während sich<br />

auf der Bildrolle, die 1736 entstand und die Stadt Suzhou während der späten<br />

Ming-Zeit miniaturhaft darstellt 34 , allein drei unterschiedlich konzipierte<br />

Apotheken (siehe Abbildungen 1.6a, c, d) und drei verschiedene ärztliche<br />

Spezialpraxen (Abb. 1.11, 1.12, 1.13) erkennen lassen, findet sich auf der<br />

zugrunde liegenden Originalbildrolle der Song-Zeit, die sechshundert Jahre<br />

früher datiert wird und die damalige Hauptstadt Kaifeng darstellt, nur eine<br />

einzige Arztpraxis, die zugleich Apotheke ist. (Abb. 1.6 b) Wie die Schilder<br />

zeigen, praktiziert der hier dargestellte Arzt bzw. Apotheker sowohl Männer-,<br />

Frauen- als auch Kinderheilkunde und vertreibt eigene Fertigarzneien.<br />

Arzte reisten üblicherweise sehr viel umher, sie wanderten von einem<br />

Ort zum andern, um ihre Heilkunst feilzubieten oder ihre Hausbesuche zu<br />

tätigen. Sie wurden daher im Gegensatz zu den Amtsärzten (guanyi), die<br />

ausdrücklich für die Beamten und deren Familien zuständig waren, als „über<br />

Flüsse und Seen umherziehende Ärzte" (jiangbuyi) bezeichnet. 35 Bei der<br />

Ankunft in einem neuen Dorf oder einer Stadt machten sie mit einer<br />

Ärzterassel auf ihr Angebot aufmerksam. Wurden sie zu einem Kranken<br />

gerufen, so blieben sie in der Regel nur kurze Zeit, bevor sie weiter zogen. Im<br />

Falle eines Misserfolgs konnten sie sich so etwaigen Schadensersatzansprüchen<br />

entziehen. <strong>Wan</strong> <strong>Quan</strong>s Vater hatte sich durch seine Konzepte und Arzneimittel<br />

zur Kinder- und Pockenheilkunde ein gewisses Ansehen erworben, so dass er<br />

es wagen konnte, an einem festen Ort tätig zu sein. Mit 34 Jahren heiratete<br />

33 <strong>Die</strong> originale, fünf Meter lange Bildrolle „Flussufer-Szenen am Qingming-Fest"<br />

(Qingming shanghe tu ilf BJ3_h?nJI8i), die im Pekinger Palastmuseum aufbewahrt wird,<br />

wurde von Zhang Zeduan ^iffJü zwischen 1023 und 1100 gemalt. Miniaturhaft stellt<br />

sie die Sitten und Gebräuche der Menschen in der damaligen Hauptstadt Bianjing W<br />

M (heute Kaifeng Hülfe] in der Provinz Henan) anlässlich <strong>des</strong> Qingming-Festes dar, das<br />

am fünften Tag <strong>des</strong> fünften Monats gefeiert wird. In der Geschichte der chinesischen<br />

Malerei wurde vielleicht kein anderes Bild so häufig kopiert wie dieses. Einige Dutzend<br />

weiterer Bildrollen mit ähnlichen Motiven tragen ihren Titel.<br />

34 <strong>Die</strong> insgesamt über elf Meter lange Bildrolle, aus der die Abbildungen dieses ersten Kapitels<br />

stammen, wurde 1736, also sechshundert Jahre später, im Auftrag <strong>des</strong> Qianlong-Kaisers<br />

von fünf Malern im Stil der akademischen Genre-Malerei gemalt. Sie beruhte offenbar<br />

auf einer Ming-zeitlichen Kopie. So wird vermutet, dass der bekannte Ming-zeitliche<br />

Maler Qiu Ying \j\M. (1509-1551?), ein Zeitgenosse von <strong>Wan</strong> <strong>Quan</strong>, die ursprüngliche<br />

Bildrolle aus der Song-Zeit als Vorlage für die Darstellung der Stadt gewählt hatte, in der<br />

er selber lebte. Suzhou war in der Ming-Zeit eine reiche prosperierende Stadt. <strong>Die</strong> Qing-<br />

zeitliche Kopie dieser Bildrolle, die im Palastmuseum in Taipei aufbewahrt wird, spiegelt<br />

somit sowohl Ming- als auch Qing-zeitliche Lebensverhältnisse wider. Ähnlich wie ihr<br />

Song-zeitliches Original ist sie in der so genannten „beweglichen Perspektive" gemalt.<br />

Beim Aufrollen der Handrolle lassen sich die verschiedenen Motive mit den Augen<br />

gleichsam „abwandern". Viele Details - wie etwa die Schriftzeichen der Werbeschilder<br />

- lassen sich nur mit der Lupe erkennen.<br />

35 Siehe hierzu das Eingangszitat zu diesem Teil I, in dem <strong>Wan</strong> <strong>Quan</strong> sein Leben als ein<br />

„Umherziehen über Flüsse und Seen" beschreibt.<br />

Leseprobe von <strong>Barbara</strong> <strong>Volkmar</strong><br />

„<strong>Die</strong> <strong>Fallgeschichten</strong> <strong>des</strong> <strong>Arztes</strong> <strong>Wan</strong> <strong>Quan</strong>“<br />

Herausgeber: Elsevier Urban & Fischer<br />

Leseprobe erstellt vom Narayana Verlag, 79400 Kandern,<br />

Tel: 0049 (0) 7626 974 970-0


Abb. i.6a Darstellung einer Apotheke in einer Stadt der späten Ming-Zeit. Hinter dem Handverkaufstisch<br />

sitzt ein Mann, der möglicherweise der Apotheker ist. Vor ihm bedient ein Gehilfe das<br />

Eisenschiff, um die Arzneidrogen zu zerkleinern. Ein weiterer Gehilfe reicht seinem Kollegen auf der<br />

Leiter gerade eine Korbschale an. Mehrere Korbschalen mit pflanzlichen Arzneidrogen stehen bereits<br />

zum Trocknen auf dem Vordach. Auf den senkrechten Schildern links finden sich senkrecht rot<br />

gedruckt eine Reklame für Ginseng CifKAüO und eine weitere Reklame für Herbststein (ft^J).<br />

<strong>Die</strong> dritte Reklame rechts ist nicht lesbar. Nicht weit von der Apotheke befindet sich eine kinderheilkundliche<br />

Spezialpraxis. (Siehe Abb. 1.11.) Vorne im Bild reitet ein hoher Beamter mit seinem Gefolge<br />

vorbei. (Vergrößerter Ausschnitt aus der Qing-zeitlichen Bildrolle „Flussuferszenen am Qingming-<br />

Fest")<br />

er 1480 in Luotian eine Frau aus der angesehenen Familie Chen M. <strong>des</strong><br />

Nachbarortes Qishui.<br />

<strong>Die</strong> Anfänge der <strong>Wan</strong>'schen Medizintradition schildert Wart <strong>Quan</strong><br />

folgendermaßen:<br />

Mit meinem seligen Großvater, der „Herr vom Aprikosenwall" genannt wurde und<br />

aus Yuzhang 36 stammte, wurde die Kinderheilkunde [der <strong>Wan</strong>-Familie] bekannt.<br />

Er verkörperte die erste Generation. Leider verstarb er schon in jungen Jahren. Auf<br />

sich allein gestellt setzte mein seliger Vater, der „Herr vom Chrysanthemenpavillon"<br />

genannt wurde, die Tradition fort. Während der Regierungsperiode Chenghua<br />

[1465-1487] im Jahre <strong>des</strong> zyklischen Zeichens gengzi [1480] siedelte mein Vater<br />

nach Luotian um und heiratete dort meine selige Mutter aus der Familie Chen.<br />

Daraufhin wurde ein Unwürdiger [das ist <strong>Wan</strong> <strong>Quan</strong>] geboren. Was meinen Vater<br />

anbetrifft, so war seine Kunst herausragend und nahm gewaltigen Aufschwung.<br />

6 Yuzhang ÜJpr ist ein alter Name für die Stadt Nanchang.<br />

Leseprobe von <strong>Barbara</strong> <strong>Volkmar</strong><br />

„<strong>Die</strong> <strong>Fallgeschichten</strong> <strong>des</strong> <strong>Arztes</strong> <strong>Wan</strong> <strong>Quan</strong>“<br />

Herausgeber: Elsevier Urban & Fischer<br />

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<strong>Die</strong> Welt am Ort Luotian 21


22 Teil 1<br />

Abb. 1.6 b Darstellung einer weiteren Apotheke erkennbar an dem Schild über der Offizin. Hier heißt<br />

es: „In dieser Apotheke werden den Regeln gemäß Aufkochungen erstellt, die jeweils an die vorliegende<br />

Symptomkonstellation angepasst sind." Auf der rechts aufgestellten Tafel heißt es: „In<br />

dieser Apotheke werden unverfälschte Arzneien aus [Si]chuan und Guang[dong] verkauft. Rechts<br />

neben der Apotheke liegen Korbschalen mit pflanzlichen Arzneien auf dem Boden. Links von<br />

der Apotheke befindet sich eine orthopädische Praxis, in der Knochenbrüche behandelt werden.<br />

(Siehe Abb. 1.12) (Vergrößerter Ausschnitt aus der Qing-zeit-lichen Bildrolle „Flussuferszenen am<br />

Ojngming-Fest")<br />

Von nah und fern hatte man von ihr gehört und rezitierte aus ihren [Lehren]. Von<br />

der Kinderheilkunde der <strong>Wan</strong> sagte man nun, [sie bestehe schon] in der zweiten<br />

Generation. 37<br />

Eine min<strong>des</strong>tens drei Generationen umfassende familiäre Tradition im<br />

Arztberuf galt in der Ming-Zeit als wichtiges Kriterium für die Qualität eines<br />

<strong>Arztes</strong>. <strong>Die</strong> Aussagen über den berühmten Vater und den früh verstorbenen,<br />

doch ebenfalls heilkundlich tätigen Großvater in <strong>Wan</strong> <strong>Quan</strong>s Vorwort<br />

hatten also auch die Funktion, seine eigene ärztliche Qualifikation zu<br />

unterstreichen. 38<br />

37 Vorwort zu *YKFH (1579) mit der Überschrift „Über den Ursprung und die Geschichte<br />

der Kinderheilkunde der Familie <strong>Wan</strong>". - „Herr vom Aprikosenwall" (Xingcheng<br />

tveng ^ij&m) und „Herr vom Chrysanthemenpavillon" (Juxuan weng Uffat) waren<br />

gebräuchliche Ehrennamen für anerkannte Ärzte, denn Aprikose und Chrysantheme<br />

standen traditionell für ein langes Leben ohne Krankheit.<br />

38 Auf Qualitätskriterien für Ärzte in der Ming-Zeit wird auf S. 37-39 sowie 48-50<br />

noch ausführlicher eingegangen. Zu generellen Fragen der Professionalisierung der<br />

chinesischen Ärzteschaft siehe Unschuld 1978, 91-115.<br />

Leseprobe von <strong>Barbara</strong> <strong>Volkmar</strong><br />

„<strong>Die</strong> <strong>Fallgeschichten</strong> <strong>des</strong> <strong>Arztes</strong> <strong>Wan</strong> <strong>Quan</strong>“<br />

Herausgeber: Elsevier Urban & Fischer<br />

Leseprobe erstellt vom Narayana Verlag, 79400 Kandern,<br />

Tel: 0049 (0) 7626 974 970-0


<strong>Barbara</strong> <strong>Volkmar</strong><br />

<strong>Die</strong> <strong>Fallgeschichten</strong> <strong>des</strong> <strong>Arztes</strong> <strong>Wan</strong><br />

<strong>Quan</strong><br />

Medizinisches Denken und Handeln in<br />

der Ming-Zeit<br />

544 Seiten, geb.<br />

erschienen 2006<br />

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