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zett-Dez-Jan121.pdf (1.3 MB) - Fairer Handel - Bremen

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<strong>Fairer</strong> <strong>Handel</strong> zum Anfassen<br />

A n e t t e H a r a s i m o w i t s c h<br />

Gleich mit der ersten Bewerbung hat es<br />

geklappt. <strong>Bremen</strong> ist Hauptstadt des<br />

Fairen <strong>Handel</strong>s 2011 – dank der 86 Projekte,<br />

die ›fairstehen, fairnetzen,<br />

fairkaufen, fairhandeln‹ und schließlich<br />

›<strong>Bremen</strong> fairbessern‹ wollen. Doch<br />

genug der Wortspielchen: Eines der<br />

Projekte, die Schülerfirma ›kursivdesign‹,<br />

fairdient, Entschuldigung, verdient<br />

es, genauer betrachtet zu werden.<br />

To m B l a n k , Lehrer am Alwin-Lonke-Schulzentrum<br />

in <strong>Bremen</strong> Burg, schmiert sich ein wenig Sheabuttercreme<br />

auf den Handrücken, erzählt etwas<br />

über ihre Fettsäuren, die dem Lipidmantel der Haut<br />

so ähnlich seien, und schwärmt, wie angenehm sie<br />

sich auf der Haut anfühle. Plötzlich hält er inne und<br />

fängt an zu lachen: ›Ich habe mich nie eingecremt!‹<br />

Angefangen hat die Cremerei mit seinen<br />

Schülern, mit Kaffee aus Honduras und Schokolade<br />

aus der Dominikanischen Republik. Zurück in das<br />

Jahr 2002. Den Schülern war die staatliche, also<br />

nicht-betriebliche Ausbildung zum Gestaltungstechnischen<br />

Assistenten zu theoretisch. Sie hatten<br />

Glück, auf Tom Blank zu treffen, der das ganz ähnlich<br />

sah: ›Wenn wir wollen, dass die Schüler ein<br />

Plakat gestalten, hat das keine richtige Notwendigkeit.‹<br />

Warum also für die Schublade gestalten, wenn<br />

man Flyer und Plakate, Verpackungen und Briefpapier<br />

auch vermarkten und noch ein paar Erfahrungen<br />

dabei sammeln kann? Blank gründet die<br />

Schülerfirma ›kursivdesign‹: mit Businessplan,<br />

Schülern, die ›eine hohe Bereitschaft haben sich zu<br />

engagieren‹, mit ›richtigem Geld‹ und Aufträgen,<br />

die sich auf dem freien Markt aus finanziellen<br />

Erwägungen nicht lohnen würden.<br />

Sie beginnen klein, mit Visitenkarten für den Onkel,<br />

Briefpapier für den Nachbarn, werden etwas größer,<br />

gestalten im Auftrag des Senators für Soziales die<br />

Plakate zur ›Woche des bürgerschaftlichen Engagements‹<br />

und entwickeln schließlich für honduranischen<br />

Kaffee, eingeführt von der Bremer Erzeuger-<br />

Verbraucher-Genossenschaft (EVG), eine Geschenkdose<br />

mit DVD sowie für einen Schokoriegel aus<br />

fairem <strong>Handel</strong> die Verpackung.<br />

Der faire Gedanke ist gesät, sie beginnen sich<br />

mit dem Thema auseinanderzusetzen: Was ist fair?<br />

Warum sollte man sich darüber Gedanken machen?<br />

Wo steht der Einzelne in der globalen Welt und was<br />

kann er tun? Sie besuchen Fortbildungen und Seminare,<br />

diskutieren über Fairen <strong>Handel</strong>. Das Geschäft<br />

läuft, obwohl Tom Blank alle zwei Jahre neue<br />

Schüler einarbeiten muss, gut. So gut sogar, dass<br />

sich die Schülerfirma, als Sparte des schulischen<br />

Fördervereins gemeinnützig, überlegen muss, was<br />

sie mit ihrem Gewinn anstellen will. Mit Bildung<br />

soll es zu tun haben, denn sie sind ja selbst eine<br />

Bildungseinrichtung. ›Uns war wichtig, das Geld<br />

nicht nur zu geben, als Gönner aufzutreten, sondern<br />

einen Partner auf Augenhöhe zu finden‹,<br />

erklärt Blank. Über die malische Partnerschule der<br />

Fotos : Marina Lilienthal<br />

Fair Trade x <strong>Bremen</strong> 11<br />

Gesamtschule Mitte (GSM) kommt der Kontakt zu<br />

dem Deutschlehrer Mamadou Keita zustande. In<br />

seinem Heimatdorf Komanfara gibt es keine Schule,<br />

aber etwa 100 Kinder im Grundschulalter – die<br />

nächste Schule ist acht Kilometer entfernt. Und es<br />

gibt die Frauenkooperative Maison du Karité, die<br />

aus den Nüssen des Karitebaumes Sheabutter – als<br />

fair zertifiziert – herstellt und genau in das Konzept<br />

der Schülerfirma passt. Seit September 2010<br />

sind sie Partner: Maison du Karité liefert die Sheabutter<br />

und im Gegenzug erhält Komanfara Gelder<br />

für den Bau einer Schule; neben der GSM und unterstützt<br />

vom Verein Kinderhilfswerk Dritte Welt, der<br />

die Gesamtkoordinierung übernimmt. ›kursivdesign‹<br />

verarbeitet die Sheabutter weiter, hat bereits<br />

einen Namen erdacht, eine Verpackung gestaltet,<br />

wird Marketing und Vertrieb übernehmen und müht<br />

sich derzeit mit den strengen deutschen Zulassungskriterien<br />

für Kosmetik ab: Lebensmittel-verordnung<br />

der EU, Kosmetikverordnung und Herstellungsbedingungen<br />

in der Schule, genau überwacht<br />

vom Gesundheitsamt. ›Die Sicherheitsbewertung<br />

ist so gut wie durch‹, sagt Tom Blank stolz; zumal<br />

ein Bremer Kosmetikhersteller dem Creme-Neuling<br />

›La Shea‹ nach Tests – Hitze-, Kälte- und Schüttelbeständigkeit<br />

zum Beispiel – Marktreife attestiert<br />

hat. ›Wenn wir 240 Tiegel Creme à zehn Euro verkaufen<br />

– fünf Euro gehen für die Produktion dahin,<br />

fünf Euro bekommt die Schule in Mali – können wir<br />

einen Lehrer ein ganzes Jahr lang bezahlen.‹<br />

Tom Blank und seine Schüler investieren deutlich<br />

mehr Zeit als vorgesehen in ihre Firma: Jeden<br />

Donnerstag treffen sie sich – freiwillig – von 13 bis<br />

15 Uhr, bearbeiten Aufträge und tauschen sich aus.<br />

Aber das ist noch lange nicht alles: Sie planen Vorträge<br />

für Klassen und halten sie, präsentieren sich<br />

auf Messen wie der ›Hanselife‹ und nehmen an<br />

Veranstaltungen zum Thema <strong>Fairer</strong> <strong>Handel</strong> teil. ›Für<br />

die Schüler ist ›<strong>Fairer</strong> <strong>Handel</strong>‹ durch die Zusammenarbeit<br />

mit der Kooperative fassbar und lebendig<br />

geworden – manchmal bekomme ich im Unterricht<br />

eine E-Mail aus Mali, etwa mit dem Hinweis, wie<br />

wir ein Plakat doch noch verändern sollen‹, erzählt<br />

Tom Blank. Sie lernen die Ungerechtigkeit im<br />

<strong>Handel</strong> kennen, aber auch Geschäftsabläufe. ›Und<br />

sie gewinnen eine Haltung! Ich höre ja, wie sie auf<br />

Messen und Veranstaltungen argumentieren.‹

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