zett-Dez-Jan121.pdf (1.3 MB) - Fairer Handel - Bremen
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13&14/12/DI&MI<br />
17&18/01/DI&MI<br />
Lagerhaus<br />
Mario und der Zauberer<br />
Sebastian Kautz<br />
Die Geschichte, von der Thomas Mann in seiner Novelle<br />
›Mario und der Zauberer‹ berichtet, soll sich tatsächlich<br />
zugetragen haben, 1926 bei einem Urlaub des Autors in<br />
dem italienischen Badeort Forte dei Marmi am Ligurischen<br />
Meer. Der fragwürdige Hypnotiseur Cipolla manipuliert sein<br />
Publikum, demütigt es mit seinen Tricks, und in seiner Darbietung<br />
verdichtet sich die beängstigende Atmosphäre, die<br />
im faschistischen Italien dieser Zeit allgegenwärtig zu sein<br />
scheint. Allein das blutige Ende entsprang der Rachefantasie<br />
des Schriftstellers, der seine Erzählung nicht allein als<br />
Faschismusparabel verstanden wissen wollte.<br />
Mann erzählt die Geschichte aus der Sicht eines Familienvaters,<br />
der mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in<br />
dem fiktiven italienischen Örtchen Torri di Venere urlaubt,<br />
und sich dort einer übersteigerten Sexualmoral und einer<br />
latenten Fremdenfeindlichkeit ausgesetzt sieht. Auf<br />
Wunsch seiner Kinder besuchen sie am letzten Urlaubstag<br />
eben jene Zaubervorstellung, in der der verkrüppelte<br />
Magier Cipolla auf menschenverachtende Weise mittels<br />
seiner hypnotischen Fähigkeiten mit den Ängsten und<br />
Begierden des Publikums spielt. Dabei unterscheidet<br />
Cipolla genau zwischen den höheren Ständen im Publikum,<br />
zu dessen alleinigem Vergnügen die Darbietung stattzufinden<br />
scheint, und dem niederen Volk, das die Opferrolle<br />
übernimmt. Der Ich-Erzähler verfolgt die Show mit einer<br />
Mischung aus Abscheu und Faszination, kann sich aber<br />
nicht zum Verlassen der Vorführung entschließen.<br />
Er schafft es nicht, sich und seine Familie vor der stetig<br />
zunehmend Bedrohung in Sicherheit zu bringen. Dramaturgischer<br />
Höhepunkt ist dabei der Konflikt zwischen<br />
Cipolla und dem Kellner Mario, der sich der Verführungskunst<br />
des Schauspielers zu widersetzen versucht, wobei<br />
das Kräftemessen mit der absoluten Demütigung des Jungen<br />
endet.<br />
Der Regisseur und Darsteller Sebastian Kautz, ehemals<br />
Mitglied des Ensembles der Bremer Shakespeare Company<br />
erzählt diese Geschichte by any means, mit allen ihm zur<br />
Verfügung stehenden Mitteln: Schauspiel, Maskenspiel<br />
und vor allem Puppenspiel. Auch hier bedient er sich aller<br />
vorhandenen Subgenres, Klappmaul-, Stab- oder Kasperpuppen.<br />
So entsteht ein faszinierendes Figurentheater,<br />
bei dem Kautz als Künstler und Manipulator der Handlung<br />
ständig sichtbar bleibt, was der Illusion allerdings nichts<br />
von ihrem Reiz nimmt. Dass das Publikum sich dabei auch<br />
in der Rolle des Publikums dieser Zaubershow wiederfindet,<br />
und eventuell selber der gefährlichen Verführungskunst<br />
des charismatischen Magiers erliegt, macht aus der<br />
Darbietung ein beeindruckendes Traktat über die Freiheit<br />
des menschlichen Willens. Schulklassen, die sich lediglich<br />
den Stoff für die nächste Deutschklausur draufschaffen<br />
wollen, sind natürlich eine leichte Beute für den Zauberer<br />
Cipolla, also aufgepasst.<br />
➟ Saal, 11/13 Uhr<br />
Jörg Windszus<br />
Schlachthof<br />
P r o g r a m m 27<br />
Geschichten im Turm<br />
16/12/FR<br />
Zwischen der ersten und der zweiten Veranstaltung<br />
von Geschichten im Turm reist die<br />
Bremer Geschichtenhändlerin auf Einladung<br />
des Goethe-Institutes nach Westafrika. Sie<br />
wird beim Festival ›Caravane du conte Abidjan-Dakar‹<br />
erzählen und eng mit senegalischen<br />
und ivorischen Kolleginnen und Kollegen<br />
zusammenarbeiten. Welche Geschichten<br />
und Erlebnisse sie mit nach <strong>Bremen</strong> zurückbringt,<br />
weiß zum jetzigen Zeitpunkt noch<br />
niemand. Das Publikum im Turm darf sich auf<br />
frei Erzähltes aus zwei Ländern mit großen<br />
Erzähltraditionen freuen.<br />
Heimkehr<br />
Zu Gast ist der fünf Sprachen sprechende<br />
Martin Ellrodt aus Nürnberg. Er war in den<br />
letzten Jahren erzählerisch in Hongkong,<br />
Kanada, Israel, Ägypten, Kuba, Indien,<br />
Weißrußland, dem Senegal und fast überall<br />
in Europa unterwegs. Die inhaltliche Klammer<br />
des Abends ist der Moment des Heimkehrens.<br />
Wann ist man wieder daheim? Was<br />
bedeutet daheim, wenn man unterwegs ist?<br />
Was erzählt man, wenn man wieder daheim<br />
ist? Welche in der Ferne gehörten Geschichten<br />
finden im Laufe der Zeit eine neue Heimat<br />
im eigenen Repertoire? Der Abend ist ein<br />
Muss für alle, die gerne einen Blick in die<br />
Welt wagen. ➟ Uhrenraum, 20 Uhr<br />
13/01/FR Kraniche aus Japan<br />
Stefanie Becker vom Theater unter den<br />
Sternen und die Bremer Geschichtenhändlerin<br />
Amalia präsentieren japanische Märchen<br />
und Weisheitsgeschichten<br />
Von Geistern und Menschen, von unheimlichen<br />
Mächten und ganz alltäglichen Stolpersteinen,<br />
von gefalteten Vögeln und belebter<br />
Natur handeln die Geschichten des<br />
Abends. Stefanie Becker aus Oldenburg<br />
beschäftigt sich seit Jahren theatral mit<br />
japanischer Mythologie und eröffnet mit ausdrucksstarker<br />
Erzählkraft Einblicke in die<br />
dortige Bilderwelt. Die Bremer Geschichtenhändlerin<br />
verknüpft traditionelle und zeitgenössische<br />
Weisheitsgeschichten aus Japan<br />
und experimentiert mit dem Publikum zu den<br />
Inhalten. Was geschieht beispielsweise,<br />
wenn man eine Geschichte über die Achtsamkeit<br />
mehrmals hintereinander hört? Damals<br />
und heute spielen Kraniche in der japanischen<br />
Kultur eine große Rolle. Aus Papier<br />
gefaltet und in einem eindrucksvollen Märchen<br />
von Stefanie Becker zum Leben erweckt<br />
ist er der dritte Gast des Abends.<br />
Sean-Patric Braun<br />
➟ Uhrenraum, 20 Uhr<br />
Aufgrund begrenzter Sitzplätze empfiehlt<br />
es sich, Karten zu reservieren.<br />
Kartenvorbestellungen: 0421-377750<br />
(Bürozeit: 9–20 Uhr)