zett-Dez-Jan121.pdf (1.3 MB) - Fairer Handel - Bremen
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Vom Wert der Bohne<br />
S u s a n n e H a u s m a n n<br />
Die Deutschen trinken gern und viel.<br />
Bier, Mineralwasser, Milch – vor allem<br />
aber: Kaffee. Drei Tassen trinkt jeder<br />
Deutsche täglich – 150 Liter sind das<br />
pro Kopf im Jahr, Tendenz steigend.<br />
Kein anderes Getränk ist so beliebt.<br />
Allerdings greifen von 100 Kaffeetrinkern<br />
lediglich zwei zu einer fair gehandelten<br />
Bohne. Daran soll sich nun etwas<br />
ändern. Vor allem mit dem Titel ›Hauptstadt<br />
des fairen <strong>Handel</strong>s‹ will <strong>Bremen</strong><br />
das Thema stärker ins Bewusstsein seiner<br />
Bürger rücken. Einer der Botschafter<br />
der Initiative ist Morin Kamga Fobissie.<br />
Mit seinem Compagnon Stephan Frost<br />
betreibt er die Fair-Trade-Kaffeerösterei<br />
›Utamtsi‹ in Worphausen bei <strong>Bremen</strong>.<br />
Wenn Morin Kamga Fobissie von der Geschichte<br />
seiner Kaffeerösterei erzählt, leuchten seine Augen.<br />
U-Tam-Tsi, das bedeutet so viel wie Begegnung zum<br />
Wohl aller Beteiligten. Und es ist eine Geschichte<br />
der Begegnungen.<br />
1998 kam Fobissie nach Deutschland. Im Bremer<br />
Studentenwohnheim lernte er Stephan Frost kennen,<br />
mit dem er vier Jahre später gemeinsam nach<br />
Kamerun reiste. Die beiden wollten sich auf die<br />
Spur des Kaffeehandels begeben. Genau genommen<br />
wollten sie sich auf die Spur des Geldes begeben.<br />
Wer verdient eigentlich in der Wertschöpfungskette?<br />
Fobissie stammt aus Kamerun, seine<br />
Eltern sind Kaffeebauern. Er weiß, dass die Kräfte<br />
im <strong>Handel</strong> mit Rohkaffee ungleich verteilt sind. Die<br />
kleinen Kaffeebauern auf der einen Seite und die<br />
deutschen Großröstereien auf der anderen Seite.<br />
Und er weiß, dass es vor allem ein Ungleichgewicht<br />
der Informationen ist. Denn viele der Kleinbauern<br />
wissen nicht einmal voneinander, zu welchem Preis<br />
sie ihren Kaffee abgeben. Geschweige denn, zu<br />
welchem Preis er an den Börsen gehandelt wird.<br />
Zwischen 25 und 30 Cent bekommt ein Kaffeebauer<br />
in Kamerun für ein Kilo Rohkaffee. Auf dem<br />
Weg in die Hauptstadt Douala wechselt der Kaffee<br />
bis zu zehnmal den Besitzer. Und jeder Zwischenhändler<br />
verdient mit. Am Ende kaufen die<br />
großen Händler den Kaffee für etwa zwei Euro pro<br />
Kilo, bevor er an der Börse weiter gehandelt wird.<br />
Fobissie und sein Studienkollege wollten dieses<br />
System durchbrechen. Vor allem wollten sie die<br />
Informationsasymmetrie, wie sie es nennen, abbau-<br />
en. Ein sperriges Wort, gegen das sie eine einfache<br />
Methode setzten: Sie forderten die Bauern auf,<br />
Genossenschaften zu gründen. Gemeinsam könnten<br />
sie so einheitliche Preise für ihren Kaffee verlangen<br />
und sich eine gewisse Marktmacht erobern.<br />
Die beiden Studenten hatten von nun an eine<br />
Vision: Zurück in Deutschland wollten sie einen gut<br />
schmeckenden Kaffee verkaufen, der zudem sozial<br />
und ökologisch verträglich hergestellt ist. Vor<br />
sechs Jahren gründeten sie ihre Firma Utamtsi,<br />
eine Fairtrade-Kaffeerösterei. Ihren Kaffee kaufen<br />
sie direkt von den Bauern aus Kamerun zu einem<br />
garantierten Preis von zwei Euro pro Kilo. Mittlerweile<br />
haben sich 1300 Kleinbauern zu einer Genossenschaft<br />
zusammengeschlossen. Damit der Kaffee<br />
das EU-Bio-Siegel erhalten<br />
konnte, mussten die Bauern<br />
im ökologischen Anbau geschult<br />
werden. Auch das<br />
übernimmt Utamtsi. Einmal<br />
im Jahr fährt Fobissie für<br />
mehrere Monate nach Kamerun.<br />
Er zeigt den Bauern,<br />
wie sie Bio-Dünger herstellen<br />
können und macht sie fit in<br />
puncto Nachhaltigkeit.<br />
Von Jahr zu Jahr konnte<br />
er sehen, wie sich durch<br />
seine Arbeit die Lebensbedingungen<br />
der Menschen<br />
verbesserten. Und er erfuhr<br />
mehr darüber, was vor Ort am<br />
dringendsten benötigt wurde.<br />
Schulgeld zum Beispiel.<br />
So kam er auf die Idee, den<br />
Bauern ein zinsloses Darlehen<br />
für die Zeit zwischen<br />
Schulbeginn und Kaffeeernte<br />
zu gewähren. Ein wichtiger<br />
Schritt.<br />
Fobissie möchte mehr<br />
Menschen für sein Projekt<br />
Utamtsi begeistern – das<br />
merkt, wer mit ihm spricht.<br />
Er will, dass der Kaffeekonsument<br />
das große Ganze versteht.<br />
Wenn er zu erzählen<br />
beginnt, laufen die Sätze<br />
manchmal ins Uferlose. So<br />
Fair Trade x <strong>Bremen</strong> 07<br />
viel hat er zu berichten. So viel hat er schon erlebt.<br />
Auch, dass ihn die Zwischenhändler vom Markt verdrängen<br />
wollten. Gedroht haben sie ihm und seiner<br />
Familie, weil er die Preise kaputt mache. Geblieben<br />
ist er trotzdem. Überzeugt von der Vision, dass es<br />
im Kaffeehandel eine Win-Win-Situation geben<br />
kann.<br />
Fobissie weiß, dass er mit Utamtsi nur einen<br />
kleinen Nischenmarkt bedient. Fair gehandelter<br />
Kaffee hat in Deutschland einen Marktanteil von<br />
gerade einmal zwei Prozent. Sein Kaffee ist noch<br />
dazu vom Anbau bis zum Verkauf handgefertigt.<br />
Trotzdem will er so viele Menschen wie möglich von<br />
seinem Kaffee überzeugen. Mit gutem Geschmack.<br />
Und mit unternehmerischer Verantwortung.<br />
Fotos : Marina Lilienthal