Hauptvortrag Dr. Bucher - Erzbischöfliches Jugendamt München ...
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- die Überschreitung der aktuellen und durchaus spannenden Diskussion zwischen<br />
einer diakonisch orientierten und einer ästhetisch gewendeten Jugendpastoral 6 im<br />
Selbstverständnis Ihres pastoralen Aufgabengebietes.<br />
Vor diesen drei Überschreitungen aber steht noch eine analytische Rückversicherung.<br />
Mein Referat wird also vier Teile haben:<br />
1. Der strukturelle Wandel der Kirche, oder: warum die Kirche nicht mehr Herrin<br />
ihrer selbst ist<br />
2. Der kirchliche Strukturwandel, oder: warum die Gemeindetheologie tatsächlich<br />
nicht mehr funktioniert<br />
3. Jenseits der Sozialformfixierung, oder: warum Gaudium et spes und die Volk<br />
Gottes-Theologie bei uns noch auf ihre Realisation warten<br />
4. Jenseits von Diakonie und Ästhetik: ein Vorschlag, worum es in der Jugendpastoal<br />
gehen könnte<br />
II. Der strukturelle Wandel der Kirche, oder: warum die Kirche nicht mehr Herrin<br />
ihrer selbst ist<br />
1. Religion in unserer Gesellschaft: ein kleiner religionssoziologischer Thesenüberblick<br />
Zur Erklärung, wie es unsere Gesellschaft mit Religion in unseren Breiten hält, stehen,<br />
wenn ich recht sehe, drei Thesen zur Verfügung: die schon etwas ältere<br />
Säkularisierungsthese, die auch nicht mehr ganz junge Individualisierungsthese und die<br />
2001 von Habermas in Umlauf gebrachte „Postsäkularitätsthese“. Für alle drei Thesen<br />
gibt es gute Argumente.<br />
Die Säkularisierungsthese 7 meint in dieser Fassung, dass Prozesse der Modernisierung<br />
einen letztlich negativen Einfluss auf die Stabilität und Vitalität von Religionsgemeinschaften,<br />
religiösen Praktiken und Überzeugungen ausüben. Dafür gibt es einige Belege.<br />
Die Individualisierungsthese, spätestens seit der Schweizer Studie „Jeder ein Sonderfall“ 8<br />
aus dem Jahre 1993 religionssoziologisch sehr präsent, geht davon aus, dass „nicht ein<br />
Verlust von Religion … stattfindet“, man vielmehr von einer „Neustrukturierung des<br />
Religionssystems und eine(r) Änderung der Äusserungsformen von Religion“ 9 sprechen<br />
müsse. Religion verschwinde also nicht in der späten Moderne, sie transformiere sich,<br />
werde zum individuellen Projekt, das man je nach Lebenswegstrecke neu<br />
zusammenstellt. 10 Auch für diese These spricht einiges, wir leben tatsächlich emotional,<br />
sozial ziemlich absturzgefährdete Risikoexistenzen.<br />
6 Siehe die einschlägigen Beiträgen von Hobelsberger und Sellmann in Brandl, Engagement und<br />
Performance.<br />
7 Vgl. etwa: D. Pollack, Säkularisierung – ein moderner Mythos? Tübingen 2003.<br />
8 A. Dubach/R. J. Campiche (Hrsg.), Jede(r) ein Sonderfall? Religion in der Schweiz, Zürich-Basel ²1993.<br />
9 M. Krüggeler/P. Voll, Strukturelle Individualisierung - ein Leitfaden durchs Labyrinth der Empirie, in:<br />
Dubach/Campiche, Jede(r) ein Sonderfall ?, 17-49, 43.<br />
10 Vgl.: U. Beck, Der eigene Gott, Frankfurt/M.-Leipzig 2008.<br />
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