Certamen Olympicum Vindobonense 2009/2010 - Dr. Walter Perné
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Ungefähr um dieselbe Zeit hatte C. Asinius Pollio, ein erfolgreicher Feldherr, berühmter Redner,<br />
Tragiker und Historiker, die erste öffentliche Bibliothek in Rom gegründet. Er führte auch die<br />
sogenannten Rezitationen ein. Vor geladenen Gästen sollten die Dichter und Schriftsteller ihre<br />
Werke vor der Veröffentlichung vorlesen. Diese Probe entschied vielfach im vorhinein über Erfolg<br />
oder Mißerfolg eines Werkes.<br />
Neben dem <strong>Dr</strong>ama wurden in dieser Zeit vor allem Elegien gedichtet. Die Augusteische<br />
Liebeselegie ist eine spezifische Unterart: Ihr Schwerpunkt ist die Liebe – anders als bei<br />
griechischen Elegien, die Trauer- und Klagethemen haben. Das charakteristische Metrum ist das<br />
elegische Distichon, also eine Kombination aus Hexameter und Pentameter. Ovid bezeichnet als die<br />
vier berühmtesten Elegiker seiner Zeit Cornelius Gallus, Tibull, Properz und sich selbst.<br />
<strong>Dr</strong>ei Merkmale charakterisieren die Augusteische Liebeselegie:<br />
Liebe als Dauerzustand (foedus aeternum) – der Dichter/Verliebte strebt mit seiner Geliebten ein<br />
eheähnliches Verhältnis an; es handelt sich daher nicht um ein erotisches kurzlebiges Abenteuer,<br />
sondern um die "wahre Liebe". Bei den Dichtern taucht oft das Motiv auf, dass die Geliebte<br />
anwesend ist, wenn der Dichter, alt und grau, im Sterben liegt.<br />
Liebe als Lebensform (militia amoris) – Der Liebende stellt seine Tätigkeit, seinen Alltag und<br />
seine Beschäftigung gleichwertig neben das Leben eines Politikers oder Soldaten. Er will, dass<br />
seine Existenz in der Gesellschaft ebenso akzeptiert wird. Die "Eroberung" der Geliebten ist für den<br />
Dichter auch eine Art Krieg, wobei die Schilderung der Eroberung häufig Bilder aus dem<br />
Kriegshandwerk aufnimmt.<br />
Liebe als Sklavendienst (servitium amoris) – Der Dichter unterwirft sich seiner Geliebten, die er<br />
oft als Herrin (domina) anredet, und das, obwohl er gesellschaftlich höher steht als die meist aus der<br />
Freigelassenenschicht stammenden Frauen.<br />
Unverkennbar ist der provozierende Charakter dieser Dichtung. Ein Leben für die Liebe, gar eine<br />
Unterordnung unter die Frau, wären für einen Römer aus der Oberschicht völlig undenkbar<br />
gewesen. Wir dürfen annehmen, dass diese Dichtung für aufgeschlossene Leser komisch sein<br />
musste, da sich der Ich-Sprecher ähnlich falsch oder ungeschickt verhielt wie Figuren aus der<br />
Komödie.<br />
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