Weihnachten / Winter 2012/13 - Diakonie Kempten Allgäu
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Freudental journal Seite 2<br />
Das Weihnachtsoratorium<br />
von Johann Sebastian Bach<br />
In der Vorweihnachtszeit lockt uns nicht nur<br />
der Duft von Lebkuchen und Glühwein. Wenn<br />
sich das Licht von Kerzen und Kronleuchtern<br />
in einem festlich erleuchteten Konzert– oder<br />
Kirchenraum im Glanz funkelnder Trompeten<br />
widerspiegelt, gehört das Weihnachtsoratorium<br />
mit dazu. Beim Jubilieren der Stimmen und Instrumente<br />
bekommen wir eine Ahnung davon, wie<br />
machtvoll die Ausstrahlung der Krippe sein<br />
kann. Die biblische Geschichte von Herbergsuche,<br />
der Geburt Christi, der Engels– und Hirtenfreude,<br />
sowie die Anbetung der drei Weisen hat<br />
den Thomaskantor Johann Sebastian Bach im<br />
Jahr 1733 angeregt, einen riesigen sechsteiligen<br />
Kantatenzyklus zu komponieren.<br />
Dieses Musikwerk beinhaltet eine geschlossene<br />
Handlung, die aus altem Kirchenliedgut, aber<br />
durchaus auch aus eigenen Textschöpfungen<br />
besteht. Vor genau 278 Jahren, zur Jahreswende<br />
1734/35 wurde dieses festliche Oratorium,<br />
später „Weihnachtsoratorium“ genannt, in den<br />
beiden Hauptkirchen zu Leipzig – der Nikolaikirche<br />
und der Thomaskirche – uraufgeführt.<br />
So spannen auch die Geschehnisse der jüngsten<br />
deutschen Geschichte einen Bogen in dieser<br />
alten Kirchentradition, denn die Nikolaikirche<br />
war 1989 Ausgangsort der friedlichen Revolution<br />
in der DDR, die zur Zusammenführung beider<br />
deutschen Staaten führte.<br />
Das Weihnachtsoratorium besteht aus Instrumental<br />
– , Vokal – und Chormusik. Man kann<br />
das Werk mit einem grandiosen Bauwerk<br />
vergleichen: Chorsätze, Rezitative, Arien und<br />
Instrumentalsätze sind wie tragende Stützen<br />
miteinander verflochten, man staunt über die<br />
Symmetriebildung in Statik und Aufbau einer<br />
feingliedrigen Architektur, die an Harmonie<br />
ihresgleichen sucht. Alles in diesem Werk folgt<br />
einer Ordnung, die sich bis ins kleinste Detail<br />
fortsetzt. Wie einzelne Bauelemente sich in ihrer<br />
Gestaltung voneinander abheben, so folgt hier<br />
beispielsweise dem jubelnden, zum Lobpreis<br />
Gottes auffordernden, Eingangschor die ausgestaltende<br />
Erzählungsphase (Rezitativ) des<br />
Evangelisten, der den Hörer in die Geschichte<br />
einführt.<br />
Neben den drei Singstimmen – Alt (oder Mezzosopran),<br />
Tenor und Bass – hat der Chorgesang<br />
eine dominante Rolle. Wir können nachempfinden,<br />
wie es geklungen haben mag, als Engel<br />
und Hirten gemeinsam auf dem Feld vor Bethlehem<br />
ihrer Freude in jauchzenden Klängen<br />
Ausdruck verliehen, die dann später in sanften<br />
Friedensankündigungen - „Frieden auf Erden<br />
und den Menschen ein Wohlgefallen“ - einmünden.<br />
Trompeten und Pauken in der „Königstonart“<br />
D-Dur vermitteln zu Beginn ein machtvolles Geschehen,<br />
unterstützt vom Frohsinn<br />
verbreitenden Text: „Jauchzet, frohlocket ...“.<br />
Violine, Oboe, Orgel und Kontrabass verleihen<br />
durch ihre spezifischen Klangkörper den weiteren<br />
Geschehnissen ihre Stimmung.<br />
Jauchzet, frohlocket, auf, preist die Tage,<br />
rühmet, was heute der Höchste getan!<br />
Lasset das Zagen, verbannet die Klage,<br />
stimmet voll Jauchzen und Fröhlichkeit an!<br />
Dienet dem Höchsten mit herrlichen Chören,<br />
laßt uns den Namen des Herrschers<br />
verehren.<br />
Getreu dem Lukas-Evangelium wird in den<br />
ersten beiden Kantaten vom Weg zur Krippe<br />
der Herbergssuchenden und später der Hirten<br />
erzählt, wobei die Solo-Altstimme die innige<br />
Verbundenheit Mariens mit dem Neugeborenen<br />
hervorhebt. Sie bezeichnet sich als Braut, die<br />
dem Geliebten entgegensieht.<br />
Hier setzt Bach den alten Choral von Paul Gerhart<br />
„Wie soll ich dich empfangen“ ein, der ja<br />
wie in weiteren dazwischengestreuten Kirchenliedern<br />
den Gesang der Gemeinde ersetzen soll.<br />
Innerhalb der ersten drei Kantaten erklingt dreimal<br />
die bis heute populäre Melodie<br />
„Vom Himmel hoch, da komm ich her“,<br />
das von Martin Luther 1535 in Wort und Ton<br />
geschaffene Weihnachtslied.<br />
Zu Beginn der 2. Kantate wird von den Hirten<br />
berichtet, denen die Furcht vor der Engelserscheinung<br />
mit dem Choral<br />
„Brich an du schönes Morgenlicht“<br />
von Johannes Rist genommen wird. Auch hier<br />
ist der Facettenreichtum Bachs zu bewundern.<br />
Es gelingt ihm eine friedliche Sinfonia, die das