lebens WEGE - WE.GE 42
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Die Zahl der Pflegebedürftigen<br />
wird sich bis 2030 verdoppeln.<br />
Wie sehen Lösungen im Bereich<br />
der Pflege und Betreuung in den<br />
kommenden Jahren aus?<br />
Die Gesellschaft muss sich vom irrigen<br />
Denken, dass „älter werden“<br />
auch automatisch mit „hilfsbedürftig<br />
werden“ einhergeht, befreien.<br />
Im Jahre 1800 wäre meine Generation<br />
der 60-Jährigen eine Gruppe<br />
Methusalems, heute stehen wir<br />
Menschen in diesem Alter mitten<br />
im Leben.<br />
Studien belegen, dass wir – dank<br />
der hervorragenden Errungenschaften<br />
der Medizin – nicht nur<br />
älter, sondern auch selbstständiger<br />
und produktiver werden. Es muss<br />
unser aller Ziel sein, im Alter gesund<br />
zu sein.<br />
Das kann langfristig mit mehr Prävention,<br />
Gesundheitsförderung<br />
und Rehabilitation erreicht werden.<br />
Dies funktioniert aber nur,<br />
wenn jeder Mensch aktiv zur Gesundheit<br />
beiträgt. Die betreuungsund<br />
pflegefreie Lebensphase kann<br />
verlängert oder Hilfsbedürftigkeit<br />
überhaupt verhindert werden.<br />
Die Kosten für die Pflege werden<br />
in den kommenden Jahren explodieren:<br />
Zuletzt hat eine Expertengruppe<br />
die Pflegekosten von derzeit<br />
circa vier Milliarden Euro mit<br />
8,5 Milliarden Euro im Jahr 2030<br />
geschätzt. Tragen wir nicht ein<br />
gewaltiges Problem vor uns her?<br />
Die von der öffentlichen Hand<br />
aufgewendeten Mittel sind, soviel<br />
steht fest, erheblich. Alleine mit<br />
den Pflegegeldern werden mehr als<br />
<strong>42</strong>0.000 Personen mit über zwei<br />
Milliarden Euro vom Bund und<br />
den Ländern unterstützt. Doch<br />
in Wahrheit herrscht völlige Intransparenz<br />
bei den Kosten. Der<br />
Leistungsdschungel ist selbst für<br />
Experten extrem undurchsichtig.<br />
Nachdem man nicht einmal die<br />
Gesamtaufwendungen für Geldund<br />
Sachleistungen ohne weiteres<br />
feststellen kann, sind Prognosen<br />
schwer zu treffen.<br />
Ein künftiger Mittelbedarf ist<br />
letztlich mit einem großen Fragezeichen<br />
zu versehen. Es gibt aber<br />
auch die Möglichkeit, Kosten umzuschichten.<br />
So könnten wir etwa<br />
Spitalsbetten in Pflegebetten umwandeln.<br />
Das spart sogar Kosten<br />
im Gesundheitssystem.<br />
Wo sollte man Ihrer Meinung<br />
nach ansetzen?<br />
Im Zentrum steht für mich der<br />
Mensch. Pflege und Betreuung sollen<br />
Individualität und Lebensqualität<br />
erhalten. Dazu gehört auch,<br />
dass die beschränkten finanziellen<br />
Mittel gut eingesetzt werden. Meiner<br />
Meinung nach sollte man unter<br />
anderem die Treffsicherheit des<br />
Pflegegeldes überprüfen:<br />
In den hohen Pflegegeldstufen<br />
sechs und sieben decken die Geldleistungen<br />
nicht annähernd die<br />
tatsächlichen Kosten ab. In den<br />
niedrigen Stufen eins und zwei<br />
ist hingegen ein erheblicher Spielraum<br />
gegeben. Hier sollte nachgedacht<br />
werden, ob eine Mittelumschichtung<br />
zwischen den Stufen<br />
sinnvoll wäre.<br />
<strong><strong>WE</strong><strong>GE</strong></strong><br />
im gespräch<br />
Wie sehen Sie die Idee des Pflegefonds,<br />
der immer wieder als Finanzierungsquelle<br />
genannt wird?<br />
Hier wird der zweite vor dem ersten<br />
Schritt gesetzt. Zuerst sollte<br />
man feststellen, welche Leistungen<br />
und Kosten es gibt. Erst in einem<br />
zweiten Schritt stellt sich die Frage<br />
nach der Finanzierung. Oberstes<br />
Gebot ist dabei die Transparenz.<br />
Erst wenn die Kosten feststehen,<br />
kann man über die Mittel reden.<br />
Wie sehen mögliche Zukunftsmodelle<br />
der Pflege aus?<br />
Mir ist wichtig, dass den Wünschen<br />
der Pflegebedürftigen entsprochen<br />
wird. Hier zeigen Umfragen ganz<br />
klar, dass der überwiegende Teil<br />
zu Hause betreut werden möchte.<br />
Derzeit passiert erfreulicherweise<br />
80 Prozent der Pflege in der Familie.<br />
Wo dies nicht möglich ist,<br />
gibt es selbstständige Pflegerinnen.<br />
Über 20.000 Betreuerinnen vor<br />
allem aus Mittel- und Osteuropa<br />
helfen mit, dass Menschen zu<br />
Hause gepflegt werden können.<br />
Diese Initiative der Wirtschaftskammer<br />
hat sich als voller Erfolg<br />
erwiesen. Für Angehörige wurde<br />
in den vergangenen Jahren deshalb<br />
ein dichtes Unterstützungsnetz gesponnen.<br />
Gleichzeitig muss jedoch<br />
das duale Denken „Zuhause“ oder<br />
„Heim“ erweitert werden. Wir<br />
müssen kreativer werden und neue,<br />
innovative Betreuungsformen entwickeln.<br />
In Holland gibt es interessante<br />
Modelle eines generationenübergreifenden<br />
Wohnens, die ich<br />
mir auch für Österreich vorstellen<br />
kann. ß<br />
<strong><strong>WE</strong><strong>GE</strong></strong> 23