Kunstmuseum Bern - Ensuite
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Kultur & Gesellschaft<br />
KUTLUR ANDERSWO<br />
zwischen bayern und bern – #2: essen und trinken<br />
Von Hannes Liechti (München) und Pablo Sulzer (<strong>Bern</strong>) - Streifzüge durch München und <strong>Bern</strong> Bilder: Jonathan Liechti<br />
■ Vielfältig ist das <strong>Bern</strong>er Ess- und Trinkangebot<br />
allemal. Unter <strong>Bern</strong>info.com werden insgesamt 333<br />
Restaurants und 40 Bars aufgelistet. Eindrückliche<br />
Zahlen. Was steckt dahinter? Eine Menge, stellt<br />
man fest. Zwar nicht nur Gutes, doch sicher zahlreiche<br />
(Speise-)Möglichkeiten, in allen Geschmacksrichtungen.<br />
Aber eins nach dem anderen…<br />
Morgens ist in <strong>Bern</strong> ein grosszügiger Brunch<br />
angesagt. Damit dabei die ersten warmen Sonnenstrahlen<br />
richtig ausgekostet werden können,<br />
braucht es einen Platz möglichst nah an der Sonne.<br />
Kein Problem, der Hausberg ruft zu Tisch. Auf<br />
dem Gurten lässt sich der kulinarische Rundgang<br />
mit Birchermüsli und Ovo genüsslich beginnen.<br />
Nach eher leichter Kost wird es gleich deftig.<br />
Im Schwellenmätteli an der Aare bestellt man eine<br />
zünftige Portion <strong>Bern</strong>er Rösti oder besucht ein Restaurant<br />
in der zentral gelegenen Markthalle. Das<br />
Angebot an lokalen und internationalen Gerichten<br />
ist immens; für Unentschlossene daher nicht unbedingt<br />
geeignet. Bei vollem Portemonnaie eignet<br />
sich das Café Fédéral, wo neben dem exzellenten<br />
Ambiente und der Topbedienung den Gesprächen<br />
der Schweizer Politelite gelauscht werden kann.<br />
Präsentiert sich der Himmel wolkenlos und erreicht<br />
das Thermometer erfreuliche Werte, steht<br />
dem gemütlichen Grillnami nichts mehr im Wege:<br />
Cervelats, YB-Würste und Schnägge liegen neben<br />
Peperoni und in Alu verpackten Bratkartoffeln auf<br />
dem Rost bereit. Nach einer ausgiebigen Siesta<br />
werden bei einem Verdauungslikör oder einem<br />
Grappa zum Kaffee die (Geschmacks-)Sinne wieder<br />
beruhigt, um die letzte Runde in Angriff nehmen zu<br />
können.<br />
Das Abendessen wird serviert. Läuft man vom<br />
Baldachin zum Bärengraben herunter, bieten sich<br />
mehr als genug Lokale an, um den Abend zu verbringen.<br />
Vegetarier treffen sich im Tibits gleich<br />
beim Bahnhof zum Schmaus, andere schwärmen<br />
von den unverschämt deliziösen Speisen des Aarbergerhofs.<br />
Zwischen Bundeshaus und Polizeiposten<br />
gibt es Restaurants soweit das Auge reicht:<br />
Turm, Gfeller oder die Brasserie Chez Eddy. Die<br />
Liste ist lang und kann nach Belieben weitergeführt<br />
werden. Auch die Pizzeria La Vigna neben<br />
dem Käfi gturm ist nicht zu verachten. Nicht genug<br />
der Auswahl, geht es in der Altstadt <strong>Bern</strong>s munter<br />
weiter: Zunft zu Webern, Lirum Larum und zu guter<br />
Letzt das Tramdepot – man denke nur an die<br />
hausgemachten Spätzli mit Speck und Käse. Lecker!<br />
Apropos Tramdepot: Das hier gebraute Bier<br />
mag kein allzu grosses internationales Renommee<br />
wie Paulaner oder Franziskaner haben. Fragt man<br />
aber einen <strong>Bern</strong>er nach seinem Bier, gibt es dank<br />
diesem Weltklassebier nichts zu motzen. Mithalten<br />
kann es ohne weiteres – wenn nicht gar mehr.<br />
18<br />
■ In der 6-teiligen Serie «Zwischen Bayern und<br />
<strong>Bern</strong>» berichtet ensuite – Kulturmagazin jeden Monat<br />
exklusiv aus München und parallel dazu aus <strong>Bern</strong>.<br />
Dabei werden Themen wie Sport, Leben&Leute und<br />
Essen&Trinken aufgegriffen. Weniger als Vergleich<br />
konzipiert, sondern viel mehr als Gegenüberstellung,<br />
soll der/die LeserIn selbst zu einem individuellen Fazit<br />
über die kulturelle Vielfältigkeit der beiden europäischen<br />
Städte gelangen. Soviel vorab: Wahrlich keine<br />
einseitige oder eindeutige Angelegenheit.<br />
Ausblick:<br />
#3 im August: Musik<br />
■ In München ist alles Wurscht, in jeglicher Hinsicht.<br />
Als «coole Wurscht» bezeichnet zu werden darf man<br />
durchaus als Kompliment verstehen. Mit «Des is<br />
mir wurscht, passt scho» bekundet der Münchner<br />
seine Anspruchslosigkeit oder vielleicht auch seine<br />
Unkompliziertheit. So dominiert die Wurst auch die<br />
Speisekarte: Bratwürste, Leberwürste, Debreciner,<br />
Pfälzerwürste, Milzwürste und natürlich Münchner<br />
Weisswürste. Diese sind eine Wissenschaft für<br />
sich. So besagt eine alte bayrische Redensart: «A<br />
Weißwurscht deaf as Zwölfeleit’n ned hearn», sprich,<br />
eine Weisswurst muss vor dem Mittagsgeläute verzehrt<br />
werden. Das kommt daher, dass die traditionell<br />
am Morgen hergestellte Wurst vor dem Aufkommen<br />
moderner Kühltechniken rasch ungeniessbar wurde.<br />
Gegessen werden Weisswürste mit Brezel und<br />
süssem Senf, was einiger Übung bedarf: Die Wurstspezialität<br />
wird ohne den Schweinedarm gegessen.<br />
Mit einer bestimmten Technik trennt der Kenner den<br />
Darm von der Wurst.<br />
Zu Wurst, Senf und Brezel gehört ein kühles<br />
Weissbier. In Bayern gilt Bier als Grundnahrungsmittel<br />
und muss, wie alle anderen Nahrungsmittel, mit<br />
nur 7 Prozent Mehrwertsteuer statt den in Deutschland<br />
allgemein üblichen 19 Prozent für Alkoholika<br />
belegt werden. Da überrascht es nicht, dass immer<br />
und überall Bier getrunken wird. Nicht nur Weissbier<br />
notabene. Münchner Brauereien wie Augustiner, Hof-<br />
und Löwenbräu, Spaten, Paulaner, Franziskaner und<br />
Hacker Pschorr brauen seit jeher nach bayerischem<br />
Reinheitsgebot alle möglichen Sorten von Gersten-<br />
und Weizensaft.<br />
Getrunken und gegessen wird nicht nur im Herbst,<br />
wenn es wieder heisst «O’zapft is», sondern das<br />
ganze Jahr über in den zahlreichen Biergärten und<br />
-hallen, die unverkennbar zu München gehören. Alles<br />
immer in der Superlative: Die Mass ist Standard.<br />
Zugegeben, Vegetariern und Abstinenzlern wird<br />
das Leben in München nicht einfach gemacht. Doch<br />
neben Bier, Wurst, Leberkäs und Fleischpfl anzerl<br />
gibt es auch noch anderes. So zum Beispiel den vorzüglichen<br />
Kartoffel-Gurkensalat, den Hopfenzupfer-<br />
Salat. Der Name ist auf die traditionelle, alljährliche<br />
Hopfenernte, das Zupfen, zurückzuführen: Um für<br />
die Verpfl egung auf den Feldern nicht zu viele verschiedene<br />
Gefässe mitnehmen zu müssen, werden<br />
Kartoffel und Gurkensalat kurzerhand zusammengemischt.<br />
Auch im Supermarkt bleibt man von Würsten<br />
nicht verschont. Kürzlich entdeckte ich gar <strong>Bern</strong>er-<br />
Würste. Wie sich herausstellte, sind die Würste aber<br />
nach deren Erfi nder, einem Koch aus Österreich, benannt,<br />
und nicht nach der Aarestadt. Nun gut, das<br />
Einzige, was in München fehlt, sind richtige Cervelats<br />
aus brasilianischen Rinderdärmen. Die sind den<br />
Münchnern wohl wurscht.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 78 | Juni/Juli 09