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Bekennende Patriarchen - Deutsche Beteiligungs AG

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TITEL<br />

<strong>Bekennende</strong><br />

<strong>Patriarchen</strong><br />

Deutschlands große Familienunternehmen<br />

– erfolgreich ohne<br />

Kapitalmarktstrategie<br />

10<br />

Foto: Auszug aus dem Filmplakat zu „Der Pate“/Bildarchiv Cinetext<br />

Juli/August | 2004 FINANCE


Sie haben keine „Eigenkapitallücke“, sie stöhnen nicht wegen<br />

der Kreditklemme. Der „Standort Deutschland“ könnte besser<br />

funktionieren, aber man kann etwas daraus machen. Die<br />

wesentlichen Wachstumsimpulse kommen ohnehin seit Jahren<br />

schon aus dem Auslandsgeschäft. Über Umsätze kann man<br />

sprechen; über Ergebnisse schon deshalb nicht, weil das den<br />

Wettbewerb schlau und die Kunden unhöflich machen könnte.<br />

„Mezzanine“-Kapital stammt immer nur aus der Familie, und<br />

Weltmarktführer sind sie sowieso, denn das treibt sie an: besser<br />

zu sein als gestern – und als jeder andere. Nach 24 Tiefeninterviews<br />

mit großen Familienunternehme(r)n ist es fertig, das<br />

„Psychogramm des global aufgestellten deutschen Familienunternehmers“.<br />

Von Sabine Strick, Sylvia Blank und André Hülsbömer<br />

Man muss ihn erlebt haben, sonst<br />

kann man ihn sich nicht richtig<br />

vorstellen: den Chef und Eigentümer eines<br />

seit Jahrzehnten erfolgreichen Unternehmens,<br />

der über seine Strategie<br />

spricht. Besser: über seine Philosophie,<br />

seine Unternehmens- und damit auch<br />

seine Lebensphilosophie. Diese ganz<br />

und gar unabhängige Art zu denken, zu<br />

reden und zu entscheiden. Die vollkommene<br />

Auflösung zwischen Dienst und<br />

Schnaps, zwischen dem Organismus<br />

Unternehmen, seinem Gehirn und<br />

Herzen, dem Unternehmer und seiner<br />

Familie.<br />

Und erst dann, wenn man über seine<br />

ersten drei Eigenwilligkeiten gestolpert<br />

ist, über die nächsten drei gemeinsam<br />

gelacht hat, erst dann wird allmählich<br />

klar: In diesem Sonnensystem herrschen<br />

eigene Regeln. Die hat der Chef<br />

selbst gemacht. Und weil er sie selbst<br />

gemacht hat, dreht sich alles, zum Beispiel<br />

ein paar Tausend Mitarbeiter in aller<br />

Welt, um ihn, um die Sonne. Die Lebensfähigkeit<br />

und Energie des Ganzen<br />

hat in dieser Person, die im Interview<br />

vor uns sitzt, ihren Ursprung und ihre<br />

Verankerung.<br />

Die strukturellen Rahmenbedingungen<br />

im Rest der Galaxie – beispielsweise<br />

Basel II, Konsolidierungsdruck durch<br />

Globalisierung, das traurige Bild vom<br />

Stillstandort Deutschland – gelten hier<br />

nur eingeschränkt. Denn unser Patri-<br />

arch hat sich noch nie so weit aus der<br />

Reserve begeben, dass er jemand anderen<br />

um Erlaubnis hätte fragen müssen.<br />

Immer haben seine eigenen Ressourcen<br />

ausgereicht, um seine Pläne zu verwirklichen.<br />

Er glaubt zutiefst an sich, an sein Unternehmen,<br />

an das, was er tut. Egal wo<br />

er es tut. Vielleicht in einer Moorlandschaft<br />

in Ostwestfalen? In einem Ort<br />

ohne ordentliche Bahnanbindung, mit<br />

nur einem Gleis, die Fertigung und das<br />

Zentrallager eines globalen Technologieunternehmens<br />

auf- und immer weiter<br />

ausbauen? Warum nicht.<br />

Der unstillbare Drang nach<br />

Besserseinmüssen<br />

Er ist nicht frei von Zweifeln. Er wagt<br />

mit Augenmaß. Aber wenn er sich entschieden<br />

hat, dann ist die Umsetzung<br />

nicht mehr fern. Und der Erfolg beinahe<br />

gewiss. Denn er hat sein Ohr am<br />

Kunden, er kennt seine Mitarbeiter, er<br />

wird nicht von Beraterteams in Watte<br />

gepackt oder mit fremden Ideen gefüttert.<br />

Er muss sich auch nicht von<br />

Analysten seine Strategie madig machen<br />

lassen. Und einen Banker im Aufsichtsrat<br />

muss er sich auch nicht antun.<br />

Er folgt seinen Erfahrungen, seinem<br />

Instinkt, seiner technologischen Mission.<br />

Kein endloses Diskutieren – machen!<br />

Kein Markt ist zu fern, keine<br />

Technologie zu komplex. Im Gegenteil:<br />

Die neue Technologie ist ein Bruder im<br />

Geiste, ein Stück Bessergewordensein.<br />

Der unverrückbare Glaube an sein Besserseinkönnen,<br />

sein unstillbarer Drang<br />

nach Besserseinmüssen, diese beiden<br />

Dinge führen ihn früher oder später an<br />

die Spitze.<br />

Geiz ist geil, Mittelstand auch<br />

Schnitt, Szenenwechsel. Mit unverhohlenem<br />

Vergnügen beobachten viele Unternehmer<br />

die unbeholfenen Gehversuche<br />

des US-Einzelhandelsgiganten Wal-<br />

Mart im deutschen Markt (geschätzte<br />

2,8 Milliarden Euro Umsatz in Deutschland).<br />

Nach vier Jahren Präsenz in<br />

Deutschland könnte der Cashflow 2004<br />

erstmals positiv sein, stellte John Menzer,<br />

Chef des internationalen Geschäfts<br />

„Bisher haben wir noch<br />

jede Akquisition finanzieren<br />

können.“<br />

Dr. Hans-Peter Wild, Geschäftsführender<br />

Gesellschafter der WILD-Werke<br />

von Wal-Mart, Anfang Juni vorsichtig in<br />

Aussicht und schweigt sich weiterhin<br />

über die bis dato aufgelaufenen Verluste<br />

aus. Übernahmen vermurkst, Ladenkonzepte<br />

falsch ersonnen, das US-Patentrezept<br />

eins zu eins übernommen<br />

und ein zu eins auf die Nase gefallen.<br />

Deutschland ist zwar eine verschwindende<br />

Größe in der Weltbilanz des Konzerns.<br />

Aber dennoch ein Stachel, der<br />

tief sitzt. ➜<br />

FINANCE Juli/August | 2004 11


Warum beißt sich der größte Einzelhändler<br />

der Welt, der mit dem Billig-<br />

Konzept groß geworden und überall<br />

sonst in der Welt erfolgreich ist, in<br />

Deutschland die Zähne aus? Ausgerechnet<br />

in dem Land, in dem Geiz noch geiler<br />

ist als anderswo?<br />

Vielleicht liegt es daran, dass die einheimische<br />

Konkurrenz in einer anderen<br />

Liga spielt. Denn der deutsche Lebensmitteleinzelhandel<br />

ist geprägt von<br />

– Familienunternehmen. Genauer: von<br />

Familienunternehmen im XXL-Format.<br />

Aldi (Umsatz ca. 19 Milliarden Euro),<br />

Lidl (geschätzte 20 Milliarden Euro<br />

Umsatz) und Tengelmann (Umsatz 26<br />

Milliarden Euro) beherrschen diesen<br />

Markt und bekämpfen sich gegenseitig<br />

seit Jahrzehnten in einem Maße, wie<br />

das wohl sonst nirgends auf der Welt zu<br />

finden ist. In „normalen“ Märkten lässt<br />

das Konsolidierungsmomentum irgendwann<br />

nach, die verbliebenen Top-<br />

Drei arrangieren sich irgendwie und<br />

kümmern sich nach Jahren erbitterten<br />

12<br />

Verdrängungswettbewerbs wieder ums<br />

Geldverdienen. Über den Preis jedenfalls<br />

muss sich dann keiner mehr<br />

Marktanteile erkämpfen.<br />

Nicht so im Lebensmitteleinzelhandel.<br />

Oder genauer: nicht so, wenn die<br />

Marktführer allesamt unternehmergetrieben<br />

sind. Denn hier gilt Art. 1 des<br />

Grundgesetzes der XXL-Unternehmer:<br />

„Lieber tot als zweiter!“<br />

Zudem ist der Unternehmer auch<br />

spieltheoretisch bewandert. In plagt die<br />

Sorge, ein anderer könnte doch schneller<br />

sein. Ein Familienunternehmer mit<br />

Umsätzen im Milliardenbereich beschreibt<br />

das im Interview so: „Unser<br />

Kernergebnisse der Studie: Ein paar Dinge sind einfach anders<br />

Das herausragende Ergebnis: Der Unabhängigkeitsimperativ<br />

drängt alle anderen<br />

strategischen Ziele in die zweite Reihe. In<br />

dieser zweiten Reihe der Unternehmensziele<br />

stehen dann Dinge wie Wachstum,<br />

Marktführerschaft, Technologieführerschaft.<br />

Erst danach werden auch Ertragsziele<br />

formuliert. Aus diesem Strategiemix<br />

erklärt sich auch die bis zur Totalverweigerung<br />

reichende Ablehnung einer aktiven,<br />

externen Finanzierung. Für die meisten Befragten<br />

ist nicht nur das übermäßige Aufnehmen<br />

von Krediten, sondern auch die<br />

Öffnung des Gesellschafterkreises für Familienfremde<br />

ein No-go.<br />

Unabhängigkeit steht über allem<br />

In der Mitte des Wunsches nach Unabhängigkeit<br />

steht „der Pate“, sprich: der Eigentümerunternehmer.<br />

Die Dominanz des<br />

Unternehmers und der Zusammenhang<br />

zwischen unternehmerischer Erfolgsgeschichte<br />

und Persönlichkeit des Unternehmenslenkers<br />

waren in jedem einzelnen<br />

Fall der inhabergeführten Unternehmen<br />

(= zwei Drittel der untersuchten Familienunternehmen)<br />

augenscheinlich.<br />

Vom eigentümergeführten zum extern<br />

gemanagten Unternehmen<br />

Die besonderen Strukturmerkmale und<br />

Verhaltensweisen der eigentümergeführten<br />

Familiengesellschaft geraten erst dann<br />

in Bewegung, wenn die Familie sich entschließt,<br />

aus welchem Grund auch immer,<br />

ein externes Management mit der Leitung<br />

des Unternehmens zu beauftragen. Nun<br />

beginnen die Uhren anders zu gehen.<br />

Denn natürlich kann ein angestellter Manager<br />

nicht mehr nach eigenem Gusto<br />

handeln. Er muss seine Entscheidungen<br />

mit Zahlen dokumentieren und motivieren.<br />

Seine Leistung wird in erster Linie quantitativ<br />

gemessen. Damit rutschen die bis dahin<br />

möglicherweise vernachlässigten Ertragskriterien<br />

in die erste Reihe der Unternehmensziele.<br />

Die Brücke zum Kapitalmarkt<br />

ist vielleicht noch nicht begehbar,<br />

aber in aller Regel wird nun mit deren<br />

Bau begonnen.<br />

Markt wächst nur gering. Das ist ein<br />

Verdrängungswettbewerb. Sie müssen<br />

in allem besser sein. Sie müssen bessere<br />

Produkte haben. Sie müssen besser<br />

planen, bessere Kostenstrukturen haben,<br />

besser verkaufen, besser produzieren.“<br />

Besser als alle anderen und jeden<br />

Tag ein bisschen besser als gestern:<br />

„Wir sind eine außergewöhnliche Fami-<br />

„Engpässe in der Finanzierung<br />

gab es bisher nicht.“<br />

Roland Mack, Geschäftsführender<br />

Gesellschafter des Europapark Rust<br />

lie mit außergewöhnlichen Mitarbeitern<br />

und außergewöhnlichen Produkten.“<br />

Mit diesem Mix könnte es klappen.<br />

Der Blick auf die eigenen Vorzüge<br />

macht selbstbewusst: „Der Vorteil von<br />

Familienunternehmen liegt darin, dass<br />

sie schneller entscheiden können.<br />

Während der Konzern noch nach Synergien<br />

sucht und mit seiner eigenen Restrukturierung<br />

beschäftigt ist, kümmern<br />

wir uns ums Geldverdienen“, sagt<br />

Michael Huber, der gleich zweifacher<br />

Familienunternehmer ist. Er ist Geschäftsführender<br />

Gesellschafter des<br />

Logistikers Interspe Hamman Group<br />

(1 Milliarde Euro Umsatz). Und so ganz<br />

nebenbei unterstützt er als Generalbevollmächtigter<br />

Susanne Veltins bei der<br />

Führung der Privatbrauerei Veltins (580<br />

Millionen Euro Umsatz).<br />

Familienunternehmen – Rückgrat<br />

der Wirtschaft<br />

Wir haben es also mit „bekennenden<br />

<strong>Patriarchen</strong>“ zu tun. Das jedenfalls ist –<br />

ins Bildhafte übertragen – eines der Ergebnisse<br />

unserer aktuellen Studie<br />

„Wachstums- und Finanzierungsstrategien<br />

des großen deutschen Mittelstands“.<br />

In jeweils mehrstündigen Tie-<br />

Juli/August | 2004 FINANCE


Inhabergeführte Familienunternehmen: Ihre Stärken, ihre Schwächen<br />

feninterviews haben wir 24 große Familienunternehmen<br />

mit einem Jahresumsatz<br />

zwischen 100 Millionen und 5 Milliarden<br />

Euro unter die Lupe genommen.<br />

Diese in Zusammenarbeit mit der<br />

<strong>Beteiligungs</strong>gesellschaft Apax Partners,<br />

der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft<br />

KPMG und der West-<br />

LB entstandene Studie hat sich schwerpunktmäßig<br />

mit Finanzierungs- und<br />

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Stärken<br />

� Der Herzmuskel Unternehmer (hohe<br />

Identifikation, überdurchschnittliches<br />

Engagement, besondere Innovationskraft<br />

und unternehmerischer<br />

Wagemut)<br />

� Kapitaleigner und Unternehmenssteuerung<br />

in einer Person (d.h.<br />

schnelle Entscheidungsfindung;<br />

große Handlungsfreiheit)<br />

� Krisenfestigkeit durch „Überversorgung“<br />

mit Eigenmitteln<br />

Chancen<br />

� Langfristorientierung der Strategie; keine<br />

ständige Strategieanpassung, um Erwartungsdruck<br />

des Kapitalmarktes zu befriedigen<br />

� Familiäre Unternehmenskultur mit hoher<br />

Mitarbeitermotivation<br />

� Hohe Flexibilität und Anpassungsgeschwindigkeit<br />

wachstumsstrukturen auseinander gesetzt.<br />

Weniger sichtbar in der Öffentlichkeit<br />

als ihre börsennotierten Wettbewerber,<br />

machen Familienunternehmen in<br />

Deutschland dennoch den Großteil des<br />

Wirtschaftsgeschehens aus und stellen<br />

je nach Definition zwischen 38 und 81<br />

Prozent des Bruttosozialproduktes. Eine<br />

vergleichbare große Rolle spielen Fa-<br />

Schwächen<br />

� Unabhängigkeitsmaxime verhindert<br />

aktive Finanzierung; Folge = u.U.<br />

verpasste Wachstumschancen<br />

� Risikoaversion wird mit hohen Eigenkapitalreserven<br />

„bezahlt“; in<br />

der Folge Dauerverwässerung der<br />

Eigenkapitalverzinsung; „Subventionierung“<br />

der Kapitalkosten durch<br />

die Familie<br />

Risiken<br />

� Familienunternehmen sind tendenziell<br />

eher Objekt von Marktkonsolidierungen als<br />

aktive Konsolidierer<br />

� Hohes Nachfolgerisiko wegen oftmals personenabhängigem<br />

Geschäftsmodell<br />

milienunternehmen ansonsten nur<br />

noch in Italien. Der Anteil der Unternehmen,<br />

die nicht rein lokal oder regional<br />

ausgerichtet sind, liegt schätzungsweise<br />

bei einem Drittel.<br />

Wovon leben „bekennende<br />

<strong>Patriarchen</strong>“?<br />

70 Prozent der untersuchten Unternehmen<br />

finanzieren sich intern über Ge- ➜<br />

Strategischer Partner für etabliertes<br />

Corporate Finance Unternehmen gesucht.<br />

Wir sind ein seit über 10 Jahren in Wien/Österreich tätiges innovatives<br />

Corporate Finance Unternehmen. Für die Markterweiterung nach Deutschland und<br />

in die angrenzenden EU-Staaten suchen wir einen strategischen Partner.<br />

Bitte richten Sie Ihre Anfragen an: FINANCE Chiffre 250604-1 Postfach 20 01 63 60605 Frankfurt am Main<br />

FINANCE Juli/August | 2004 13


winnthesaurierung, die in den meisten<br />

Fällen durch Gesellschafterdarlehen<br />

und klassische Bankkredite ergänzt<br />

wird. Börse, Private Equity oder alternative<br />

Finanzierungsinstrumente spielen<br />

so gut wie keine Rolle.<br />

Wenn aber doch mal ein Genussschein<br />

begeben oder ein Nachrangdarlehen<br />

aufgenommen wird, „dann<br />

bleibt das natürlich in der Familie.“<br />

Zweistellige Zinssätze an eine Bank zu<br />

zahlen, das kam für keinen der Befragten<br />

in die Tüte.<br />

Der Marterpfahl der Aktionäre<br />

Besonders einhellig und emotional war<br />

die Meinung zum Thema Börse als Finanzierungsinstrument:<br />

„Ich bin Unternehmer<br />

und kein Roadshow-Clown“,<br />

findet Michael Huber. „Wir stellen uns<br />

doch nicht an dem Marterpfahl der Aktionäre“,<br />

macht der Leiter der Finanzabteilung<br />

eines Familienkonzerns mit<br />

Umsätzen im Milliardenbereich deutlich.<br />

Etwas nüchterner formuliert es<br />

Marcus Moller-Racke, Geschäftsführender<br />

Gesellschafter der Racke-Gruppe.<br />

„Ich bevorzuge Bankkredite. Der Aufwand,<br />

mir das Geld am Kapitalmarkt zu<br />

besorgen, wäre ungleich höher.“<br />

Und dann sind da ja noch die Wettbewerber:<br />

Die will man auf keinen Fall<br />

so schlau machen, wie der Kapitalmarkt<br />

das verlangen würde. Und speziell in<br />

der Autozulieferindustrie, aber auch in<br />

anderen Geschäften, die von Großkunden<br />

leben, halten viele es für vollkommen<br />

tödlich, dem Kunden zu sagen, wie<br />

gut man an ihm verdient.<br />

Bisweilen geht es sogar ganz ohne alles.<br />

Der Gründerenkel und Geschäftsführer<br />

eines global agierender Familienkonzern,<br />

der sich vollständig in der<br />

Hand von zwei Personen befindet und<br />

einen Jahresumsatz von 1,7 Milliarden<br />

Euro macht, schmettert alle Fragen<br />

nach Finanzierungsstrategien mit der<br />

Antwort ab: „Wir haben keine Bankverbindlichkeiten,<br />

und das soll auch so<br />

bleiben.“ Auch wenn darüber hinaus<br />

nur noch zwei weitere Unternehmer<br />

ganz ohne Bankdarlehen auskommen,<br />

bestätigten alle, dass eine aktive externe<br />

Finanzierung schlichtweg nicht gewünscht<br />

sei. „Ausgegeben wird nur das,<br />

14<br />

was vorher auch eingenommen wurde“,<br />

erklärt Richard Hussmanns, Geschäftsführer<br />

der Steiff <strong>Beteiligungs</strong>gesellschaft<br />

mbH. Auch Michael Huber hat<br />

eine ausgeprägte Abneigung gegen eine<br />

externe Finanzierung: „Wir spielen<br />

nicht mit zukünftigen Erträgen. Wir geben<br />

nur das aus, was wir vorher verdient<br />

haben.“<br />

Wachstum mit Sicherheit<br />

Geht eine solche Strategie nicht auf<br />

Kosten des Wachstums? „Bisher haben<br />

„Ich bin Unternehmer<br />

und kein Roadshow-Clown.“<br />

Michael Huber, Generalbevollmächtigter<br />

bei der Brauerei Veltins und<br />

Geschäftsführender Gesellschafter der<br />

Interspe Hamann Group<br />

wir noch jede Akquisition finanzieren<br />

können“, antwortet Hans-Peter Wild,<br />

Geschäftsführender Gesellschafter der<br />

Heidelberger WILD-Werke, die mit<br />

natürlichen Zutaten für Lebensmittel<br />

und dem Vorzeigeprodukt „Capri-Sonne“<br />

weltweit über 800 Millionen Euro<br />

Umsatz machen. Huber räumt immerhin<br />

ein: „Die eine oder die andere Marke<br />

hätten wir schon gerne gehabt“,<br />

macht aber klar, dass solche Akquisitionen<br />

nicht an der Finanzierung, sondern<br />

an überzogenen Preisvorstellungen des<br />

Verkäufers gescheitert seien.<br />

Mit dieser Einstellung steht er nicht<br />

allein da. Kaum einer der befragten Un-<br />

ternehmer zeigte sich bereit, einen so<br />

genannten „strategischen Kaufpreis“<br />

für eine Akquisition zu zahlen. Prämien<br />

auf den aus abdiskontierten erwarteten<br />

Erträgen und Synergien berechneten<br />

aktuellen Unternehmenswert zu zahlen<br />

ist nicht nach dem Geschmack von Familienunternehmen.<br />

Dann macht man<br />

es eben selbst, baut es neu auf oder intensiviert<br />

den Verdrängungswettbewerb.<br />

Risikoaversion als strategischer Ankerpunkt?<br />

Besonders Berater werfen an<br />

dieser Stelle gerne die Frage auf, ob dieses<br />

Grundgerüst noch in die Zeit passt<br />

und ob es zukunftsfähig ist. Für die 24<br />

interviewten Familienunternehmen gesprochen,<br />

lautet die Antwort aus ihrer<br />

Sicht eindeutig und offensiv: ja. Alle<br />

sind in den letzten Jahren kontinuierlich<br />

– teilweise sogar extrem stark – gewachsen.<br />

Die überwiegende Mehrheit<br />

ist längst in der Champions League angekommen.<br />

70 Prozent der befragten<br />

Unternehmen erwirtschaften mehr als<br />

die Hälfte ihres Umsatzes im Ausland.<br />

Sollten Randbereiche nicht aus eigener<br />

Kraft international ausgebaut werden<br />

können, werden sie verkauft. Die Unabhängigkeit<br />

des Kerns kann auch durch<br />

eine Strategie der Fokussierung bewahrt<br />

werden.<br />

Zwar schweigen sich die meisten<br />

über genaue Ertragskennzahlen aus,<br />

aber der Blick auf die Eigenkapitalquote<br />

lässt zumindest vermuten, dass die letzten<br />

Jahre so schlecht nicht gewesen sein<br />

können. 85 Prozent haben eine Eigenkapitalquote<br />

von über 30 Prozent. Etwa<br />

ein Fünftel liegt sogar deutlich über 50<br />

Prozent.<br />

Sparschweine<br />

Von Eigenkapitallücke oder Kreditklemme<br />

keine Spur. Und dennoch wird thesauriert,<br />

was das Zeug hält. Gewinne<br />

verbleiben im Unternehmen, um sich<br />

ein bequemes Eigenkapitalpolster aufzubauen,<br />

was den Unternehmer dann<br />

vor allen drohenden Abhängigkeiten –<br />

etwa von Banken oder anderen Kapitalgebern<br />

– bewahrt. Manche Bilanz wirkt<br />

wie ein prall gefülltes Sparschwein.<br />

Neben dem hohen Unabhängigkeitsbedürfnis<br />

haben Familienunternehmen<br />

Juli/August | 2004 FINANCE


die Struktureigenschaft, über sehr lange<br />

Zeiträume hinweg – sprich über Jahre,<br />

Jahrzehnte bis hin zu Generationen –<br />

zu planen. Und wenn man das Kapital<br />

nicht heute für eine Akquisition<br />

benötigt, dann vielleicht in fünf Jahren,<br />

wenn der nächste Wettbewerber im Abschwung<br />

zu straucheln beginnt und<br />

sich die Gelegenheit zur Übernahme<br />

bietet.<br />

Die messbare „Überfinanzierung“<br />

der besuchten Unternehmen ist auch<br />

Ausdruck einer Lauerposition und einer<br />

Strategie des langen Atems.<br />

Alle Befragten gaben an, dass die Gewinne,<br />

wenn nicht vollständig, so doch<br />

zu großen Teilen im Unternehmen blieben.<br />

Dr. Arend Oetker, Geschäftsführender<br />

Gesellschafter der Dr. Arend<br />

Oetker Holding GmbH & Co., legt Wert<br />

darauf, dass das auch den Mitarbeitern<br />

klar ist: „Die Gewinnverwendung ist bei<br />

uns sehr transparent. Früher habe ich<br />

meine Steuererklärung auch mal dem<br />

Betriebsrat erklärt“, und er fügt lachend<br />

hinzu: „Dann war es auch okay, wenn<br />

ich mir ein schönes Haus gekauft habe.“<br />

Hans-Peter Wild findet, dass die Priorisierung<br />

der Interessen des Unternehmens<br />

grundlegend für dessen Erfolg<br />

ist: „Die Frage bei Familieunternehmen<br />

ist doch immer: ‚business first‘<br />

oder ‚family first’. Bei uns ist das ganz<br />

klar ‚business first‘. Entsprechend ist<br />

auch die Ausschüttungspolitik.“<br />

Vor diesem Hintergrund könnte<br />

man meinen, nicht zu niedrige Eigenkapitalquoten,<br />

sondern zu hohe seien<br />

das Problem im Mittelstand. Denn jeder<br />

Investmentbanker weiß doch, dass Eigenkapital<br />

die teuerste Kapitalquelle ist<br />

– auch wenn sie anscheinend mit null<br />

(fest) verzinst wird. Doch sei, so die<br />

herrschende Lehre im Investmentban-<br />

Finanzierungsstruktur: Woher stammt das Kapital?<br />

king, das hohe Ausfallrisiko, das am Eigenkapital<br />

hängt, naturgemäß mit einer<br />

höheren Renditeerwartung verbunden.<br />

Grau ist alle Theorie<br />

So schön und schlüssig diese Theorie,<br />

so anders ist doch die Praxis der Unternehmerdenke.<br />

Die Renditeerwartungen<br />

der Familienunternehmer an ihr eingesetztes<br />

Kapital sind oftmals gar nicht<br />

quantifiziert und jedenfalls meistens<br />

sehr gering. Dass ein möglichst hoher<br />

„Leverage“, also eine möglichst niedrige<br />

Eigenkapitalquote, eine der wesentlichen<br />

Voraussetzungen für eine hohe Eigenkapitalverzinsung<br />

ist, kümmert die<br />

Unternehmer wenig. „Kurzfristig mag<br />

das ja stimmen“, bekommt man dann<br />

zu hören. Aber auf lange Sicht werden<br />

Ausschließlich Innenfinanzierung (keine Fremdfinanzierung) 3 (12,5%)<br />

Ausschließlich Gewinnthesaurierung und klassischer Bankkredit<br />

Neben Gewinnthesaurierung und klassischem Bankkredit auch andere<br />

15 (62,5%)<br />

Fremdfinanzierung (Anleihe/Mezzanine)<br />

Neben Gewinnthesaurierung und klassischem Bankkredit auch<br />

3 (12,5%)<br />

Eigenkapitalfinanzierung (Private Equity/Börse) 3 (12,5%)<br />

N = 24<br />

„Ich bevorzuge Bankkredite.<br />

Der Aufwand, mir das Geld<br />

am Kapitalmarkt zu besorgen,<br />

wäre ungleich höher.“<br />

Marcus Moller-Racke, Geschäftsführender<br />

Gesellschafter der Racke-Gruppe<br />

Zinsen auch mal steigen, oder ein<br />

schlechtes Jahr in der Unternehmensgeschichte<br />

macht die Banken nervös,<br />

oder die Banken werden deshalb nervös,<br />

weil sie selbst ein schlechtes Jahr<br />

haben, oder, oder, oder. „Und dann stehen<br />

Sie da mit Ihrem Leverage, und ein<br />

vollkommen unwissender Banker greift<br />

Ihnen ins Steuerrad.“<br />

Die (kurzfristige) Maximierung der<br />

Eigenkapitalverzinsung ist – im Unterschied<br />

zu kapitalmarktorientierten Unternehmen<br />

– in der Regel nicht das<br />

oberste Ziel eines Familienunternehmers.<br />

Sie ist nicht einmal eine wesentliche<br />

Steuerungsgröße. Stattdessen tritt<br />

die Rendite zumeist hinter das Ziel der<br />

Wahrung der Unabhängigkeit im Rahmen<br />

der gewählten Wachstumsstrategie<br />

zurück.<br />

Was auf den ersten Blick irrational<br />

wirkt, ist unter Risiko-Rendite-Gesichtspunkten<br />

jedoch durchaus ein schlüssiger<br />

Ansatz: Mit der zunehmenden Eigenkapitalausstattung<br />

verringert sich<br />

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Anzeige / Seite 15<br />

Corporate Finance<br />

Partners<br />

FINANCE Juli/August | 2004 15<br />

4c<br />


„Die Gewinnverwendung<br />

ist bei uns sehr transparent.<br />

Früher habe ich meine<br />

Steuererklärung auch mal<br />

dem Betriebsrat erklärt.“<br />

das Totalverlustrisiko auch in schwierigen<br />

Zeiten. Und damit der zu verlangende<br />

Zins auf das Eigenkapital. Es<br />

passt auf jeden Fall zum Thesaurierer,<br />

der einen hohen Preis zu zahlen bereit<br />

ist, um sich gegen den eventuellen Totalausfall<br />

abzusichern.<br />

Auch ohne laufende Ausschüttungen<br />

bleibt durch den Aufbau des Unternehmens<br />

und den darin entstehenden Unternehmenswert<br />

noch genügend „Unternehmerlohn“,<br />

finden die meisten. Einer<br />

der befragten Unternehmer steuert<br />

seine Firmengruppe seit kurzem nach<br />

„EVA“, also nach der Kenngröße Economic<br />

Value Added. (Nach diesem Prinzip<br />

entsteht Unternehmenswert mit dem<br />

ersten eingenommenen Euro jenseits<br />

der Kapitalkosten einschließlich Risikoaufschlag.)<br />

Der betreffende EVA-Unternehmer<br />

gehört tendenziell auch zu den „Thesaurierern“.<br />

Sein Anspruch an den Unternehmenswertzuwachs<br />

p.a. ist dennoch<br />

mit über 17 Prozent durchaus<br />

sportlich. Das EVA-Prinzip hat er inzwischen<br />

bis auf die Fertigungsebene heruntergebrochen.<br />

Die gewünschte Ver-<br />

16<br />

Dr. Arend Oetker, Geschäftsführender<br />

Gesellschafter der Dr. Arend Oetker Holding<br />

änderungsrate der Kenngröße EVA –<br />

die aus einem anspruchsvollen Benchmarking<br />

mit vergleichbaren großen<br />

Unternehmen entwickelt wurde – hat<br />

das Unternehmen in den ersten beiden<br />

Jahren nach der Einführung des neuen<br />

Steuerungsverfahrens in etwa erreicht.<br />

Die meisten börsennotierten Gesellschaften<br />

dürfen von derlei Wertzuwachs<br />

nur träumen.<br />

Die Zurückhaltung bei der Ausschüttung<br />

ist mit anderen Worten nicht zwingend<br />

damit verbunden, dass der Unternehmer<br />

„bottom line“ zu kurz kommt –<br />

auch das noch!<br />

Die gute Nachricht<br />

All das sind schlechte Nachrichten für<br />

die Wal-Marts dieser Welt. Sie werden<br />

nie so schnell, so getrieben, so sehr mit<br />

dem Ohr auf dem Gleis, so kompromisslos,<br />

so sehr vom Glauben an sich<br />

und an das Machbare des Unschaffbaren<br />

beseelt sein wie die bekennenden<br />

<strong>Patriarchen</strong>.<br />

Doch steckt insgesamt in dem beschriebenen<br />

Phänomen „inhaberge-<br />

Neue Studie<br />

� Aachener Printen- und Schokoladenfabrik<br />

Henry Lambertz GmbH & Co. KG<br />

� Adolf Würth GmbH & Co. KG<br />

� Aerzener Maschinenfabrik GmbH<br />

� A. Racke GmbH + Co.<br />

� Bardusch GmbH & Co.<br />

� Brose Fahrzeugteile GmbH & Co. KG<br />

� C.&A. Veltins GmbH & Co. KG<br />

� Dr. Arend Oetker Holding GmbH & Co.<br />

� ED<strong>AG</strong> <strong>AG</strong><br />

� Freizeit- und Familienpark Mack KG<br />

(Europa Park Rust)<br />

� Grenzebach Maschinenbau GmbH<br />

� Harting KGaA<br />

führter Mittelständler“ natürlich auch<br />

eine gute Nachricht: Wer diese als Lieferanten<br />

in seiner Wertschöpfungskette<br />

sitzen hat, kann sich ihre besonderen<br />

Stärken zu Eigen machen: Flexibilität,<br />

Effizienz, Innovationskraft, Kundenorientierung<br />

und manches andere mehr<br />

geben sie – gegen entsprechende Beteiligung<br />

am Ertrag – gerne weiter.<br />

So wie in jedem BMW viel von dieser<br />

Kraft des Mittelstands steckt, kann auch<br />

eine Wal-Mart langfristig wieder „Freude<br />

am Fahren“ gewinnen. Dazu müsste<br />

sie in Deutschland vom kapitalmarktgetriebenen<br />

Luftwurzler zum bodenständigen<br />

Gewächs heranreifen. Oder<br />

anders gesagt: Auch ein Aldi ist nur so<br />

gut wie seine inhabergeführten mittelständischen<br />

Lieferanten.<br />

sabine.strick@finance-magazin.de<br />

Die Studie „<strong>Bekennende</strong> <strong>Patriarchen</strong> –<br />

ABCD<br />

Wachstums- und Finanzierungsstrategienvon<br />

großen Familienunternehmen“ kann ab Mitte Juli im F.A.Z.-Institut unter Tel.: 069/<br />

7591-2581 oder s.strick@faz-institut.de bezogen werden.<br />

Im Rahmen von 24 Tiefeninterviews wurden die unten stehenden Familienunternehmen<br />

zu ihren Wachstums- und Finanzierungsstrategien befragt. Aus Gründen der Vertraulichkeit<br />

der Informationen wurden die Ergebnisse anonymisiert.<br />

Die Studienteilnehmer:<br />

FINANCE-Studien<br />

Unabhängig erfolgreich<br />

Wachstums- und Finanzierungsstrategien<br />

von großen Familienunternehmen<br />

� IHG Logistics GmbH & Co. KG<br />

� Mairs Geographischer Verlag<br />

GmbH & Co. KG<br />

� Mann+Hummel GmbH<br />

� Otto Bock HealthCare GmbH<br />

� Paul Hartmann <strong>AG</strong><br />

� Rudolf Wild GmbH & Co. KG<br />

� RZ-Zimmermann GmbH & Co. Holding<br />

KG (Zimbo)<br />

� Schieder Möbel Holding GmbH<br />

� Sick <strong>AG</strong><br />

� Steiff <strong>Beteiligungs</strong>gesellschaft mbH<br />

� Storsack Holding GmbH<br />

� Zott GmbH & Co. KG<br />

➜<br />

Juli/August | 2004 FINANCE

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