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Festschrift Ruppe Teil 1_KORR2 - Institut für Finanzrecht ...

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Praxis der<br />

Unternehmensbesteuerung<br />

Donnerstag, 6. Mai 2010, 10:15 – 13:30 Uhr, Petrinum<br />

Mittwoch 19. Mai 2010, 10:15 – 13:30 Uhr, Petrinum<br />

Donnerstag, 20. Mai 2010, 10:15 - 13:30 Uhr, Petrinum<br />

Univ.-Prof. DDr. Georg Kofler, LL.M.<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Finanzrecht</strong>, Steuerrecht und<br />

Steuerpolitk<br />

Tel.: +43 732 2468-8205<br />

Mail: georg.kofler@jku.at<br />

Web: www.steuerrecht.jku.at/gwk


Praxis der Unternehmensbesteuerung<br />

Die vorliegende Materialiensammlung soll Ihnen den Zugang zu den im Kurs<br />

angesprochenen und zumeist in den Lehrbüchern nicht im Detail angesprochenen<br />

Themen erleichtern und als Nachschlage- und Vorbereitungspaket dienen. Der<br />

Prüfungsstoff ist selbstverständlich mit den im Kurs behandelten Punkten beschränkt.<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Einlagen in Kapitalgesellschaften<br />

� VwGH 23. 9. 2005, 2003/15/0078 (Vollneutralisierungsthese)<br />

� Kofler, Der unbedingte Forderungsverzicht des Gesellschafters, in: Achatz/Ehrke-<br />

Rabel/Heinrich/Leitner/Taucher (Hrsg), Steuerrecht – Verfassungsrecht – Europarecht,<br />

<strong>Festschrift</strong> <strong>für</strong> Hans Georg <strong>Ruppe</strong>, WUV 2007, Seiten 272 bis 299.<br />

Außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften<br />

� VwGH 23. 2. 2010, 2007/15/0003 (Vermietung eines Einfamilienhauses durch eine<br />

GmbH an ihre Gesellschafter)<br />

� Kofler, Die „außerbetriebliche Vermögenssphäre“ der Kapitalgesellschaft, in: Urnik/Fritz-<br />

Schmied/Kanduth-Kristen (Hrsg), Steuerwissenschaften und betriebliches<br />

Rechnungswesen, <strong>Festschrift</strong> <strong>für</strong> Herbert Kofler, Linde Verlag 2009, Seiten 103 bis 126.<br />

Fremdfinanzierte Gewinnausschüttungen<br />

� VwGH 19. 12. 2006, 2004/15/0122 (fremdfinanzierte offene Ausschüttung)<br />

� VwGH 17. 10. 2007, 2006/13/0069 (fremdfinanzierte verdeckte Ausschüttung)<br />

� Marschner, Die fremdfinanzierte Ausschüttung – Ende mit Schrecken?, FJ 2007, 191.<br />

� Kofler, Die fremdfinanzierte Gewinnausschüttung, in: Beiser/Kirchmayr/Mayr/Zorn<br />

(Hrsg), Ertragsteuern in Wissenschaft und Praxis, <strong>Festschrift</strong> <strong>für</strong> Werner Doralt,<br />

LexisNexis Verlag Wien 2007, Seiten 197 bis 218.<br />

„Zwischenschaltung“ von Kapitalgesellschaften<br />

� Rz 104 EStR 2000<br />

� Bergmann, Die „Drittanstellung“ von Managern im Gesellschafts- und Steuerrecht taxlex<br />

2009, Seiten 131 bis 138 (<strong>Teil</strong> 1), und taxlex 2009, 184 bis 190 (<strong>Teil</strong> 2). – Downloads<br />

stehen gesondert zur Verfügung!<br />

Steuerumgehung und Missbrauch<br />

� VwGH 9. 12. 2004, 2002/14/0074 (Dublin Docks I)<br />

� VwGH 10. 8. 2005, 2001/13/0018 (Dublin Docks II)<br />

Zweifelsfragen zur Beteiligungsertragsbefreiung und zur Rückerstattung von<br />

Quellensteuern<br />

� Auszug aus: Bendlinger/Kofler, Highlights aus dem Workshop „Internationales<br />

Steuerrecht“ („RuSt 2009“), RdW 2009/692, Seiten 676 bis 686 (hier: Seiten 683 bis<br />

686)<br />

Internationale Steuerarbitrage<br />

� Auszug aus: Ehrke-Rabel/Kofler, Gratwanderungen – Das Niemandsland zwischen<br />

aggressiver Steuerplanung, Missbrauch und Abgabenhinterziehung, ÖStZ 2009/916,<br />

Seiten 456 bis 472 (hier: Seiten 470 bis 472).


Einlagen in<br />

Kapitalgesellschaften


Gericht<br />

Verwaltungsgerichtshof<br />

Entscheidungsdatum<br />

23.09.2005<br />

Geschäftszahl<br />

2003/15/0078<br />

Betreff<br />

23.09.2005<br />

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte<br />

Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers<br />

MMag. Twardosz, LL.M., über die Beschwerde der E-GmbH in F, vertreten durch Dr. Dagmar Arnetzl und<br />

Dr. Maximilian Geiger, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des unabhängigen<br />

Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 3. Juli 2003, GZ. RV/0182-G/02, betreffend Körperschaft- und<br />

Umsatzsteuer 1996, zu Recht erkannt:<br />

Spruch<br />

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er Körperschaftsteuer 1996 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines<br />

Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.<br />

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen<br />

bei sonstiger Exekution zu ersetzen.<br />

Begründung<br />

Die Beschwerdeführerin ist die Rechtsnachfolgerin der W-GmbH. An der W-GmbH waren zu 99% Dr. Erich S<br />

und zu 1 % die Waren-GmbH beteiligt. Dr. Erich S war auch zu 65% an der Waren-GmbH beteiligt. Dr. Erich S<br />

war Geschäftsführer der W-GmbH und der Waren-GmbH.<br />

Mit Vertrag vom 18. April 1996 trat die Waren-GmbH ihren Anteil an der W-GmbH zum 30. April 1995 an<br />

Dr. Erich S um 1 S ab. Zugleich trat Dr. Erich S seinen Anteil an der Waren-GmbH ab.<br />

Als Grundlage <strong>für</strong> diese Anteilsabtretungen wurde zwischen Dr. Erich S und der Waren-GmbH zum<br />

30. April 1996 eine Vereinbarung geschlossen, die im Wesentlichen folgende Regelungen enthält:<br />

- Dr. Erich S scheidet aus sämtlichen Funktionen bei der Waren-GmbH aus.<br />

- Dr. Erich S wird aus den bestehenden Bankhaftungen freigestellt.<br />

- Betriebs- und Geschäftsausstattung (Buchwert zum 31. Dezember 1995: 185.045 S) wurde an<br />

Dr. Erich S um 1 S verkauft.<br />

- Die W-GmbH und zwei weitere Dr. Erich S gehörende Gesellschaften verzichteten darauf, einen in<br />

ihrem Firmennamen bisher und auch im Firmennamen der Waren-GmbH enthaltenen Eigennamen und<br />

ein entsprechendes Logo weiter zu verwenden.<br />

In dieser Vereinbarung wurde weiters unter Hinweis darauf, dass die Waren-GmbH 100% ihres Anteils an<br />

der UK-Gesellschaft an Dr. Erich S um den Preis von 1 S abgetreten habe, festgelegt, dass die Waren-<br />

GmbH auf Forderungen gegenüber der W-GmbH von 1,267.499 S und 588.181 S und auf Forderungen<br />

gegenüber UK von 1,310.652 S und 403.000 S sowie auf Forderungen gegenüber einer weiteren<br />

Gesellschaft von 224.000 S verzichtet.<br />

Im Zuge einer bei der Beschwerdeführerin durchgeführten Betriebsprüfung vertrat der Prüfer die<br />

Auffassung, beim Verzicht der Waren-GmbH auf die Forderung gegenüber der W-GmbH in Höhe von<br />

1,267.449 S (brutto) handle es sich nicht um einen Gesellschafterzuschuss, sondern einen betrieblich<br />

veranlassten Forderungsverzicht, weshalb dieser - entgegen der bisherigen Behandlung - zu einer<br />

entsprechenden Erhöhung des Gewinnes der W-GmbH führe. Auch der vorgenommene Vorsteuerabzug<br />

von 211.249,83 S sei zu berichtigen. Die Waren-GmbH habe den Forderungsverzicht als Betriebsausgabe<br />

geltend gemacht und vorgebracht, die W-GmbH sei de facto mittellos gewesen, weshalb eine Eintreibung<br />

der Forderung aussichtslos gewesen wäre.<br />

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Verwaltungsgerichtshof 23.09.2005<br />

Das Finanzamt nahm die Verfahren betreffend Körperschaft- und Umsatzsteuer 1996 wieder auf und folgte<br />

bei Erlassung der geänderten Bescheide der Auffassung des Prüfers.<br />

In der Berufung gegen die Abgabenbescheide brachte die Beschwerdeführerin vor, da die W-GmbH<br />

sämtliche Schulden mit Ausnahme jener gegenüber der Waren-GmbH pünktlich bezahlt habe, sei der<br />

Verzicht der Waren-GmbH als Gesellschaftereinlage anzusehen. Auch der BFH habe in seiner<br />

Entscheidung vom 9. Juni 1997, GrS 1/94, bestätigt, dass der Verzicht des werthaltigen <strong>Teil</strong>es einer<br />

Forderung durch den Gesellschafter zu einer Gesellschaftereinlage führe. Die Übernahme des<br />

Gesellschaftsanteiles an der W-GmbH stehe in Zusammenhang mit dem Verkauf der Gesellschaftsanteile<br />

an der Waren-GmbH und dem gegenständlichen Forderungsverzicht.<br />

In einer Vorhaltsbeantwortung brachte die Beschwerdeführerin vor, ohne den Forderungsverzicht hätte<br />

Dr. Erich S die Anteile an der W-GmbH nicht übernommen, da die Gesellschaft insolvent gewesen wäre<br />

und Konkurs hätte anmelden müssen. Ein Verzicht aus wirtschaftlichen Gründen sei schon deshalb nicht<br />

gegeben, weil die Forderung niemals eingemahnt worden sei, obwohl die W-GmbH noch immer im<br />

Rahmen der Nachfolgegesellschaft bestehe. Die gesellschaftsrechtliche Vereinbarung des<br />

Forderungsverzichts sei im Ausscheiden von Dr. Erich S aus der Unternehmensgruppe, zu der die Waren-<br />

GmbH gehöre, zu sehen. Die Waren-GmbH habe aus der W-GmbH aussteigen wollen und aus diesem<br />

Grund Eigenkapital in Höhe des Forderungsverzichts zugeführt, um die Gesellschaft ohne Insolvenz<br />

abstoßen zu können.<br />

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung, soweit sie <strong>für</strong> das<br />

verwaltungsgerichtliche Verfahren von Bedeutung ist, keine Folge. Strittig sei, ob der Verzicht der<br />

Gesellschafterin Waren-GmbH auf die Forderung gegenüber der W-GmbH ein steuerneutraler<br />

Gesellschafterzuschuss sei. In den betreffenden Vereinbarungen werde nicht ausgeführt, aus welchen<br />

Gründen der Forderungsverzicht erfolge. Die Waren-GmbH habe gleichzeitig mit ihrem<br />

Forderungsverzicht ihre Anteile an der W-GmbH um 1 S an den bereits zu 99% beteiligten Gesellschafter<br />

verkauft. Es sei nicht erkennbar, welche gesellschaftlichen Gründe eine mit 1% beteiligte Gesellschafterin<br />

bei ihrem Ausscheiden haben sollte, das Risiko <strong>für</strong> den neu eintretenden Gesellschafter "kalkulierbar" zu<br />

halten. Aus dem Verkauf um 1 S sei erkennbar, dass der Gesellschaftsanteil wertlos gewesen sei. Welche<br />

gesellschaftlichen Gründe da<strong>für</strong> sprechen könnten, einer Gesellschaft, deren Anteile man um 1 S verkaufe,<br />

Forderungen von ca 1,2 Mio S zu erlassen, sei nicht erkennbar.<br />

Aus der zwischen den beteiligten Parteien im Zusammenhang mit den Anteilsabtretungen geschlossenen<br />

Vereinbarung gehe hervor, dass der Forderungsverzicht zwar von der Erfüllung einiger Voraussetzungen<br />

abhängig gemacht worden sei. Ein ausdrücklicher Beschluss über die Leistung einer Gesellschaftereinlage<br />

sei dieser Vereinbarung aber nicht zu entnehmen. Der Umstand, dass in dieser Vereinbarung in keiner<br />

Weise auf die Eigenschaft des Forderungsverzichts als Gesellschafterzuschuss hingewiesen werde, lasse<br />

den Verzicht daher nicht als Gesellschafterzuschuss erkennen. Der Verwaltungsgerichtshof habe im<br />

Erkenntnis vom 26. Mai 1998, 94/14/0042, zur Frage, ob der Verzicht einer Gesellschaft auf Forderungen<br />

gegenüber einer Schwestergesellschaft bei der verzichtenden Gesellschaft aus betrieblichen oder<br />

gesellschaftsrechtlichen Gründen erfolgt sei, die Ansicht vertreten, der Verzicht stelle beim Verzichtenden<br />

nur mit dem Betrag einen gesellschaftsrechtlich veranlassten Vorgang dar, der dem Tageswert der<br />

Forderung entspreche. Der Umstand, dass der Mehrheitsgesellschafter der W-GmbH den Anteil der<br />

Waren-GmbH gleichsam unentgeltlich erworben habe, zwinge zu dem Schluss, dass sowohl der<br />

abgetretene Anteil von 1% als auch die Forderung, auf welche verzichtet worden sei, wertlos gewesen<br />

seien. Diese Annahme werde durch die Vorhaltsbeantwortung der Beschwerdeführerin vom<br />

16. August 2002 bestärkt, aus der hervorgehe, dass Dr. Erich S den Anteil der Waren-GmbH nicht<br />

übernommen hätte, weil die W-GmbH insolvent gewesen wäre. Die belangte Behörde gehe daher davon<br />

aus, dass die Waren-GmbH deshalb verzichtet habe, weil die Einbringung der Forderung aussichtslos<br />

erschienen sei.<br />

Es sei auch nicht erkennbar, dass der Forderungsverzicht durch den Zusammenhang mit dem Verkauf der<br />

Anteile an der Waren-GmbH durch Dr. Erich S um 2,435.000 S zum Gesellschafterzuschuss werde.<br />

Der Verzicht der Waren-GmbH auf Forderungen gegenüber UK sei im gegenständlichen Fall nicht zu<br />

beurteilen, allerdings dürfe nicht völlig außer Acht gelassen werden, dass die Waren-GmbH seinerzeit auch<br />

an UK beteiligt gewesen sei und auch diese Beteiligung um 1 S an Dr. Erich S abgetreten habe.<br />

Nicht unbeachtet dürfe weiters bleiben, dass eine Abgabenerklärung gemäß § 10 KVG betreffend einen<br />

Gesellschafterzuschuss nicht abgegeben worden sei.<br />

Somit sei davon auszugehen, dass der im Beschwerdefall strittige Forderungsverzicht nicht aus<br />

gesellschaftsrechtlichen Gründen erfolgt sei, sondern dass ein Verzicht auf eine nicht mehr werthaltige<br />

Forderung vorliege.<br />

In umsatzsteuerlicher Hinsicht habe das Finanzamt zu Recht eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges nach<br />

§ 16 Abs 1 Z 2 UStG 1994 vorgenommen, weil sich die Bemessungsgrundlage <strong>für</strong> einen steuerpflichtigen<br />

Umsatz (der Waren-GmbH an die W-GmbH) gemindert habe.<br />

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:<br />

www.ris.bka.gv.at Seite 2 von 4


Verwaltungsgerichtshof 23.09.2005<br />

Gemäß § 8 Abs 1 KStG 1988 bleiben bei der Ermittlung des Einkommens von<br />

Körperschaftsteuersubjekten Einlagen und Beiträge jeder Art insoweit außer Ansatz, als sie von Personen<br />

in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, Mitglied oder in ähnlicher Eigenschaft geleistet werden.<br />

Für die Frage, ob eine Vermögenszuwendung durch die Stellung als Gesellschafter veranlasst ist, kommt es<br />

maßgeblich darauf an, ob sie auch einander fremd gegenüberstehende Personen gesetzt hätten (vgl das<br />

hg Erkenntnis vom 26. Mai 1998, 94/14/0042).<br />

Die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft können eine Einlage in die Kapitalgesellschaft nicht nur durch<br />

die Zuführung von Wirtschaftsgütern, sondern auch durch den Verzicht auf Forderungen gegenüber dem<br />

Gesellschafter bewirken. Ein solcher Verzicht führt durch den Wegfall der zuvor passivierten<br />

Verbindlichkeit bei der Kapitalgesellschaft zu einer Vermögensmehrung. Aus der Sicht des Schuldners ist<br />

dabei Gegenstand der Einlage der wegfallende Passivposten.<br />

Aufgrund der Bewertungsbestimmungen des § 6 Z 2 lit a EStG 1988 einerseits und des § 6 Z 3 EStG 1988<br />

anderseits kann es bei nicht mehr voll werthaltigen Forderungen zu einem Auseinanderfallen der<br />

Wertansätze bei Gläubiger und Schuldner kommen. Der Schuldner weist die Verbindlichkeit mit dem<br />

Rückzahlungsbetrag aus, während der Gläubiger den niedrigeren <strong>Teil</strong>wert ansetzen darf bzw muss. Durch<br />

den Wegfall der Schuld kommt es bei der Schuldnergesellschaft zu einer Betriebsvermögensmehrung in<br />

Höhe des bilanzierten Betrages, und zwar unabhängig davon, mit welchem Betrag der Gläubiger die<br />

Forderung ausgewiesen hat. Wenn der Wegfall der Schuld seine Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis<br />

hat, ist die gesamte Vermögensmehrung eine steuerlich neutrale Einlage iSd § 8 Abs 1 KStG 1988<br />

(vgl Heinrich, Der Verzicht des Gesellschafters auf die nicht mehr voll werthaltige Forderung, FJ 1997,<br />

312). Der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Ansicht, dass der Schulderlass als ein gesellschaftsrechtlich<br />

veranlasster (einheitlicher) Vorgang auf Seiten der Schuldnergesellschaft nicht in zwei Vorgänge aufgeteilt<br />

werden kann. Für die Betriebsvermögensmehrung, welche durch den auf die Gesellschafterstellung<br />

zurückzuführenden Schulderlass (Forderungsverzicht) bewirkt wird, findet sich in keiner Weise, also auch<br />

nicht insoweit eine betriebliche Veranlassung, als die Forderung auf Seiten des Gläubigers als nicht mehr<br />

werthaltig angesehen wird. Liegt die Wurzel <strong>für</strong> den Verzicht auf die Forderung im<br />

Gesellschaftsverhältnis, ist die sich daraus ergebende Betriebsvermögensmehrung bei der<br />

Gewinnermittlung der Schuldnergesellschaft zur Gänze als Einlage iSd § 8 Abs 1 KStG 1988 zu beurteilen<br />

(vgl nochmals Heinrich, aaO). Anders als nach der dem Beschluss des BFH vom 9. Juni 1997, GrS 1/94,<br />

BStBl 1998 II 307, zugrunde liegenden deutschen Rechtslage ist ein Schulderlass durch den Gesellschafter<br />

einer Kapitalgesellschaft nicht dem § 6 Z 5 EStG 1988 zu subsumieren.<br />

Für den Beschwerdefall ist zunächst festzuhalten, dass die Parteien des verwaltungsgerichtlichen<br />

Verfahrens davon ausgehen, dass die Waren-GmbH den Forderungsverzicht (noch) als Gesellschafterin<br />

ausgesprochen hat.<br />

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid den Wegfall der Verbindlichkeit aufgrund des<br />

Forderungsverzichtes in erster Linie deshalb nicht als Einlage iSd § 8 Abs 1 KStG 1988 behandelt, weil die<br />

Forderung nicht mehr werthaltig gewesen sei. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, vermag diese<br />

Ansicht den angefochtenen Bescheid nicht zu tragen. Zu tragen vermögen ihn aber auch nicht die weiteren<br />

Argumente, die der angefochtene Bescheid <strong>für</strong> die betriebliche Veranlassung der<br />

Betriebsvermögensmehrung ins Treffen führt:<br />

Unbeachtlich ist, dass in der Vereinbarung über den Forderungsverzicht nicht angeführt wird, aus welchen<br />

Gründen der Verzicht erfolgte, obliegt es doch der belangten Behörde, Feststellungen darüber zu treffen,<br />

ob der Vorgang gesellschaftsrechtlich oder betrieblich veranlasst ist.<br />

Die Feststellung des angefochtenen Bescheides, es sei nicht erkennbar, welche gesellschaftlichen Gründe<br />

<strong>für</strong> einen Forderungsverzicht eine mit 1% beteiligte Gesellschafterin bei ihrem Ausscheiden haben sollte,<br />

reicht genauso wenig hin, eine konkrete betriebliche Veranlassung aufzuzeigen, wie die Feststellung, aus<br />

der zwischen den beteiligten Parteien im Zusammenhang mit den Anteilsabtretungen geschlossenen<br />

Vereinbarung gehe zwar hervor, dass der Forderungsverzicht von der Erfüllung einiger Voraussetzungen<br />

abhängig gemacht worden sei, in der Vereinbarung fehle aber ein ausdrücklicher Hinweis auf die<br />

Eigenschaft des Verzichts als Gesellschafterzuschuss. Es entspricht nicht der allgemeinen<br />

Lebenserfahrung, dass zwischen einander fremd gegenüberstehenden Geschäftspartnern bereits deshalb auf<br />

eine Forderung verzichtet wird, weil die Einbringung der Forderung aussichtslos erscheint. Zwar nimmt<br />

der Gläubiger in einer solchen Situation eine Wertberichtigung vor, zu einem ausdrücklichen Verzicht auf<br />

die Forderung sieht er sich dadurch jedoch in der Regel nicht veranlasst. Im Beschwerdefall ist es nicht<br />

ausgeschlossen, dass die Waren-GmbH den Forderungsverzicht ausgesprochen hat, damit die W-GmbH<br />

einen bestimmten Namen nicht mehr als Firma und ein bestimmtes Logo nicht mehr verwendet, worin eine<br />

betriebliche Veranlassung <strong>für</strong> den Forderungsverzicht gelegen wäre; eine dahingehende konkrete<br />

Sachverhaltsfeststellung wurde von der belangten Behörde aber nicht getroffen und würde überdies in<br />

einem gewissen Spannungsverhältnis zur Sachverhaltsfeststellung, dass die Forderung wertlos sei, stehen,<br />

welches einer konkreten Auflösung durch die belangte Behörde (einschließlich einer Auseinandersetzung<br />

damit, ob dem Namen und dem Logo ein wirtschaftlicher Wert zukommt) bedürfte. Im Beschwerdefall<br />

erscheint es aber genauso wenig als ausgeschlossen, dass die Waren-GmbH durch den Forderungsverzicht<br />

den Konkurs über das Vermögen der W-GmbH verhindern wollte. Vorteilszuwendungen eines<br />

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Verwaltungsgerichtshof 23.09.2005<br />

Gesellschafters, welche die Gesellschaft vor dem Konkurs bewahren sollen, sprechen idR <strong>für</strong> eine<br />

gesellschaftsrechtliche Veranlassung.<br />

Den angefochtenen Bescheid vermag auch nicht der Hinweis auf das hg Erkenntnis vom 26. Mai 1998,<br />

94/14/0042, zu stützen, betrifft es doch nicht die steuerliche Behandlung des Forderungsverzichts auf<br />

Seiten der Schuldnergesellschaft, sondern stellt ausdrücklich auf die Rechtsfolge beim Gesellschafter ab.<br />

Schließlich reicht auch der Umstand, dass eine Abgabenerklärung gemäß § 10 KVG betreffend einen<br />

Gesellschafterzuschuss nicht abgegeben worden sei, nicht hin, um eine betriebliche Veranlassung des<br />

Vorganges aufzuzeigen.<br />

Die belangte Behörde hat es sohin - in Verkennung der Rechtslage - unterlassen, eine nachvollziehbare<br />

Feststellung zu treffen, dass die Waren-GmbH den Forderungsverzicht nicht aufgrund ihrer Stellung als<br />

Gesellschafterin ausgesprochen hat, und welche konkrete betriebliche Veranlassung dem<br />

Forderungsverzicht zugrunde liegt.<br />

§ 16 Abs 1 UStG 1994 lautet<br />

"Hat sich die Bemessungsgrundlage <strong>für</strong> einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2<br />

geändert, so haben<br />

1. der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den da<strong>für</strong> geschuldeten Steuerbetrag, und<br />

2. der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den da<strong>für</strong> in Anspruch<br />

genommenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen.<br />

Die Berichtigungen sind <strong>für</strong> den Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung des Entgeltes<br />

eingetreten ist."<br />

Eine Minderung der Bemessungsgrundlage iSd § 16 Abs 1 UStG 1988 liegt bei einem Forderungsverzicht<br />

unabhängig davon vor, ob dieser auf unternehmerische oder auf private Gründe zurückzuführen ist<br />

(vgl <strong>Ruppe</strong>, UStG2, § 16 Tz 31, im Gegensatz zu Kolacny/Mayr, UStG2, § 16 Anm. 4 "Verzicht").<br />

Hinsichtlich Umsatzsteuer vermag die Beschwerde daher keine Rechtswidrigkeit aufzuzeigen.<br />

Der angefochtene Bescheid war daher, soweit er Körperschaftsteuer betrifft, gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG<br />

wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs 1<br />

VwGG abzuweisen.<br />

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.<br />

Wien, am 23. September 2005<br />

www.ris.bka.gv.at Seite 4 von 4


Markus Achatz, Tina Ehrke-Rabel, Johannes Heinrich,<br />

Roman Leitner, Otto Taucher (Hg.)<br />

Steuerrecht<br />

Verfassungsrecht<br />

Europarecht<br />

<strong>Festschrift</strong> <strong>für</strong> Hans Georg <strong>Ruppe</strong><br />

Wien 2007


Der unbedingte Forderungsverzicht<br />

des Gesellschafters<br />

I Das Ausgangsproblem<br />

Georg Kofler<br />

In den von <strong>Ruppe</strong> bereits vor mehr als 20 Jahren wissenschaftlich durchdrungenen<br />

1 steuerlichen Fragestellungen der Unternehmenssanierung nimmt die<br />

Entschuldung von Gesellschaften eine zentrale Position ein. Vor allem das<br />

Ringen um eine sanierungsfreundliche Behandlung eines unbedingten Forderungsverzichts<br />

der Gläubiger kann auf eine jahrzehntelange Rechtsentwicklung<br />

zurückblicken. 2 Wenn nunmehr § 36 EStG und § 23a KStG steuerliche<br />

Begünstigungen in Form von Steuerermäßigungen auf Gewinne aus Schuldnachlässen<br />

in gewissen Insolvenzverfahren vorsehen, knüpfen beide Vorschriften<br />

in ihrer begünstigenden Stossrichtung an die prinzipielle steuerliche<br />

Konsequenz an, dass der betrieblich bedingte Wegfall von betrieblichen Verbindlichkeiten<br />

aufgrund eines Schulderlasses beim Schuldner regelmäßig<br />

steuerlich in vollem Umfang gewinnwirksam ist, 3 und zwar ohne Bedacht-<br />

1 <strong>Ruppe</strong>, Die Unternehmenssanierung aus der Sicht der Ertrags- und Umsatzbesteuerung,<br />

in <strong>Ruppe</strong> (Hrsg), Rechtsprobleme der Unternehmenssanierung (1983) 257 (257 ff).<br />

2 Für historische Übersichten zur – auf den Reichsfinanzhof zurückgehenden – Begünstigung<br />

von Gewinnen aus gewissen Schuldnachlässen siehe zB Kristen, Steuerliche Behandlung<br />

des Sanierungsgewinnes – (Neue) Entwicklung in Deutschland und in<br />

Österreich, ÖStZ 2003/1072, 513 (513 ff); Doralt/Heinrich, EStG 8 (2004) § 36 Tz 2<br />

ff; Rieder, Der Sanierungsgewinn im Steuer- und Sozialversicherungsrecht, SWK 2006,<br />

S 589 (S 589 ff); Atzmüller, Die Insolvenz aus ertragsteuerlicher Sicht, in Kanduth-<br />

Kristen/Treer (Hrsg), Insolvenz und Steuern (2006) 61 (63 f); Kanduth-Kristen, Steuerliche<br />

Neuerungen <strong>für</strong> das Insolvenzverfahren, ZIK 2006/43, 44 (45).<br />

3 Siehe zB VwGH 19.10.1983, 82/13/0190, ÖStZB 1984, 259; aus der deutschen<br />

Rechtsprechung zB BFH 16.1.1975, IV R 180/71, BFHE 115, 202, BStBl 1975 II<br />

526; BFH 19.7.1997, VIII R 57/94, BFHE 184, 63, BStBl 1998 II 652; vgl weiters<br />

auch Wiesner, Körperschaftsteuerrechtliche Einlagen und Entnahmen, in Doralt/Hassler/Kranich/Nolz/Quantschnigg<br />

(Hrsg), Die Besteuerung der Kapitalgesellschaft, FS<br />

Bauer (1986) 349 (365); Rz 654 KStR 2001.


Der unbedingte Forderungsverzicht des Gesellschafters<br />

273<br />

nahme auf die Frage, ob und in welcher Höhe aus der Sicht des Gläubigers<br />

die erlassene Schuld überhaupt noch einbringlich war. 4 Diese Konsequenz ergibt<br />

sich im Rahmen des Betriebsvermögensvergleiches schon aus der Betriebsvermögensmehrung<br />

aufgrund des Verbindlichkeitswegfalls 5 und folgt<br />

dementsprechend <strong>für</strong> die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung aus dem Grundsatz<br />

der Totalgewinngleichheit. 6<br />

Die Gewinnwirksamkeit des Schulderlasses – und damit auch die Frage<br />

nach einer allfälligen Begünstigung dieses Gewinnes gem § 36 EStG bzw<br />

§ 23a KStG – ist freilich auf die betriebliche Sphäre beschränkt: Solcherart<br />

stellt zunächst der Nachlass privater Verbindlichkeiten des Steuerpflichtigen<br />

eine nicht steuerbare, außerbetriebliche Vermögensmehrung dar. 7 Überdies<br />

ist im Einkommensteuerrecht der aus privaten Gründen erfolgte Verzicht auf<br />

betriebliche Schulden schon deshalb nicht steuerwirksam, weil ein solcher<br />

nur im Wege der Einlage gem § 6 Z 5 EStG Auswirkungen auf das Betriebsvermögen<br />

haben kann. 8 Das Parallelproblem im Körperschaftsteuerrecht betrifft<br />

die Frage der Abgrenzung zwischen einer betrieblichen und einer gesellschaftsrechtlichen<br />

Maßnahme: Ist nämlich der erlassende Gläubiger zugleich<br />

Gesellschafter, bedarf es einer Prüfung, ob der Schulderlass betrieblich bedingt<br />

ist, also zB im Zusammenhang mit einer allgemeinen Sanierungsmaßnahme<br />

steht, oder vielmehr seine Grundlage im Gesellschaftsverhältnis hat<br />

und daher societatis causa erfolgt ist. 9 Ist dies der Fall, 10 so stellt der Verzicht<br />

14 VwGH 3.6.1992, 87/13/0118, ÖStZB 1992, 869; siehe auch BFH 24.4.1986, IV R<br />

282/84, BFHE 146, 549, BStBl 1986 II 672.<br />

15 Siehe zB Wiesner in Doralt/Hassler/Kranich/Nolz/Quantschnigg (Hrsg), Die Besteuerung<br />

der Kapitalgesellschaft, FS Bauer (1986) 349 (367); Quantschnigg/Schuch, ESt-<br />

HB (1993) § 36 Tz 1; Zorn in Hofstätter/Reichel, EStG (2003) § 36 Tz 3; Doralt/Heinrich,<br />

EStG 8 (2004) § 36 Tz 1; weiters Rz 2431 EStR 2000; VwGH 19.10.1983,<br />

82/13/0190, RdW 1984, 30; UFS Graz 13.7.2005, RV/0467-G/02.<br />

16 Siehe VwGH 15.2.1984, 83/13/0150, ÖStZB 1984, 451; UFS Wien 13.1.2006,<br />

RV/2042-W/05; Quantschnigg/Schuch, ESt-HB (1993) § 36 Tz 5; Bauer/Quantschnigg/Schellmann/Werilly,<br />

KStG, § 23 Tz 13; Doralt/Heinrich, EStG 8 (2004) § 36<br />

Tz 59; Zorn in Hofstätter/Reichel, EStG (2003) § 36 Tz 3; siehe auch bereits<br />

Mirre/Dreuter, Körperschaftsteuergesetz (1939) § 11 Anm IV.10.<br />

17 Kanduth-Kristen, Steuerliche Behandlung von Schulderlässen und Sanierungsgewinnen,<br />

taxlex 2006, 436 (437).<br />

18 Rz 444 EStR 2000; so auch VwGH 3.11.1970, 122/69, ÖStZB 1971, 96, sowie oV,<br />

ÖStZ 1988, 274 (274).<br />

19 Vgl zB <strong>Ruppe</strong> in <strong>Ruppe</strong> (Hrsg), Unternehmenssanierung (1983) 257 (271); Bruse/v.<br />

Braunschweig, Zur steuerlichen Behandlung des Verzichts auf nicht werthaltige Gesellschafterdarlehen,<br />

DB 1993, 2302 (2302 ff); Wiesner/Schneider/Spanbauer/Kohler, KStG<br />

(1996) § 23 Anm 4; Bauer/Quantschnigg/Schellmann/Werilly, KStG, § 23 Tz 18.<br />

10 Siehe zu den Kriterien mwN Achatz/G. Kofler, Ertragsteuern in Sanierung und Insolvenz<br />

von Körperschaften, in Feldbauer-Durstmüller/Schlager (Hrsg), Krisenmanagement<br />

– Sanierung – Insolvenz (2002) 823 (827 ff).


274 Georg Kofler<br />

auf eine steuerlich anerkannte Forderung eine körperschaftsteuerneutrale<br />

Einlage iSd § 8 Abs 1 KStG dar. 11<br />

Im Rahmen dieser Analyse sieht man sich freilich relativ schnell mit dem<br />

Problem konfrontiert, dass die Bewertung einer Forderung beim Gesellschafter<br />

aufgrund des imparitätischen Realisationsprinzips nicht der Bewertung<br />

der Verbindlichkeit bei der Gesellschaft entsprechen muss: Während beim<br />

Gläubiger die Bewertung durch das Niederstwertprinzip geprägt ist und gem<br />

§ 6 Z 2 lit a EStG zum <strong>Teil</strong>wertausweis der Forderung führt, 12 ist beim<br />

Schuldner die Verbindlichkeit nach § 6 Z 3 EStG nach dem Höchstwertprinzip<br />

mit dem Rückzahlungsbetrag (Nennbetrag) anzusetzen, solange die<br />

Schuld nicht ganz oder teilweise erloschen ist. 13 Verzichtet daher der Gesellschafter<br />

auf eine nicht mehr voll werthaltige Forderung gegenüber der Gesellschaft,<br />

fällt die Verbindlichkeit auf Seiten der Gesellschaft ebenso weg wie die<br />

Forderung auf Seiten des Gesellschafter. 14 Hinsichtlich der daraus resultierenden<br />

bilanziellen Betriebsvermögensmehrung auf Ebene der Gesellschaft in<br />

Höhe des Nennbetrages der Verbindlichkeit 15 ist somit an das Steuerrecht die<br />

Frage zu stellen, inwieweit ein solcher Vorgang auf Basis der Einlagevorschrift<br />

des § 8 Abs 1 KStG zu neutralisieren ist, wenn er seine Wurzel im Gesellschaftsverhältnis<br />

hat.<br />

11 Wiesner in Doralt/Hassler/Kranich/Nolz/Quantschnigg (Hrsg), Die Besteuerung der Kapitalgesellschaft,<br />

FS Bauer (1986) 349 (367); Nolz, Probleme der Sanierungsgewinne<br />

im Ertragsteuerrecht, in Doralt/Hassler/Kranich/Nolz/Quantschnigg (Hrsg), Die Besteuerung<br />

der Kapitalgesellschaft, FS Bauer (1986) 191 (199); aus dem deutschen<br />

Schrifttum etwa Thiel, Im Grenzbereich zwischen Eigen- und Fremdkapital – Ein<br />

Streifzug durch die ertragsteuerlichen Probleme der Gesellschafter-Fremdfinanzierung,<br />

GmbHR 1992, 20 (23); Rautenberg/Schaufenberg, Die steuerliche Behandlung<br />

des Darlehenserlasses mit Besserungsvereinbarung, DB 1995, 1345 (1347 ff); vgl aus<br />

der deutschen Rechtsprechung etwa BFH 7.7.1992, VIII R 24/90, BFHE 168, 551,<br />

BStBl 1993 II 333; BFH 29.7.1997, VIII R 57/94, BFHE 184, 63, BStBl 1998 II<br />

652; BFH 9.6.1997, GrS 1/94, BFHE 183, 187, BStBl 1998 II 307.<br />

12 Steuerlich bilanziert der Gläubiger den <strong>Teil</strong>wert iSd § 6 Z 2 lit a EStG, der nach hA<br />

dem beizulegenden Wert iSd § 207 Abs 1 HGB entspricht; vgl Doralt, Der <strong>Teil</strong>wert<br />

als Anwendungsfall des Going-Concern-Prinzips, in Raupach (Hrsg), Werte und<br />

Wertermittlung im Steuerrecht (1984) 141 (152); Gassner/Lahodny-Karner/Urtz<br />

in Straube, HGB II 2 /RLG, § 207 Rz 25 mwN; Doralt/Mayr, EStG 6 (2001) § 6<br />

Tz 132.<br />

13 Siehe etwa Rz 2438 EStR 2000 mwN.<br />

14 Zu den gesellschaftssteuerlichen Folgen eines gesellschaftsrechtlich veranlassten Verzichts<br />

auf eine nicht mehr voll werthaltige Forderungen siehe zuletzt Puchinger/Grau,<br />

Erlasse einer nicht mehr voll werthaltigen Forderung – VwGH widerspricht BFH, FJ<br />

2006, 175 (175 ff).<br />

15 Siehe <strong>für</strong> die hA nur <strong>Ruppe</strong> in <strong>Ruppe</strong> (Hrsg), Rechtsprobleme der Unternehmenssanierung<br />

(1983) 257 (269 mwN).


Der unbedingte Forderungsverzicht des Gesellschafters<br />

II Die Behandlung auf Ebene der Gesellschaft<br />

II.1 Problemstellung<br />

275<br />

Für das österreichischen Steuerrecht war es bis zum im Jahr 2005 ergangenen<br />

Erkenntnis des VwGH 16 umstritten, ob beim Verzicht eines Gesellschafters<br />

auf seine nicht mehr voll werthaltige Forderung gegen die Gesellschaft auf<br />

deren Ebene die Einlage lediglich im werthaltigen <strong>Teil</strong> der Forderung besteht<br />

oder der gesamte Verbindlichkeitswegfall gesellschaftlich veranlasst und damit<br />

steuerneutral ist. In einem 1998 ergangenen Erkenntnis 17 befasste sich der<br />

VwGH lediglich mit die Ebene des Gesellschafters und beurteilte dort nur<br />

den werthaltigen <strong>Teil</strong> als Einlage; allerdings ließen sich daraus keine zwingenden<br />

Folgerungen <strong>für</strong> die Ebene der Gesellschaft ableiten. 18 In Deutschland<br />

war diese höchst umstrittene Frage allerdings bereits 1997 durch einen Beschluss<br />

des Großen Senates des BFH 19 geklärt worden: Dort kam der BFH zu<br />

dem Ergebnis, dass die Kapitalgesellschaft als Wert der Einlage den <strong>Teil</strong>wert<br />

der Forderung, nicht ihren Nennbetrag und auch nicht den als Verbindlichkeit<br />

passivierten Betrag anzusetzen habe. 20 Begründet wurde dies damit, dass<br />

nach § 4 Abs 1 iVm § 6 Abs 1 Nr 5 dEStG 21 Einlagen bei der Kapitalgesell-<br />

16 VwGH 23.9.2005, 2003/15/0078, ÖStZB 2006/130, 164.<br />

17 VwGH 26.5.1998, 94/14/0042, ÖStZB 1998, 701.<br />

18 Ebenso Bachl, ecolex 1998, 876 (876); Heinrich, Forderungsverzicht des Gesellschafters:<br />

Bestätigt der VwGH tatsächlich den BFH? RdW 1999, 50 (50 f); aA Schuchter,<br />

Forderungsverzicht des Gesellschafters und verdeckte Gewinnausschüttung: VwGH<br />

bestätigt BFH, RdW 1998, 488 (488), und wohl auch Doralt/Mayr, EStG 6 (2001) § 6<br />

Tz 269, sowie Staringer in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg), Handbuch des Bilanzsteuerrechts,<br />

GedS Gassner (2005) 429 (440).<br />

19 BFH 9.6.1997, GrS 1/94, BFHE 183, 187, BStBl 1998 II 307; siehe nachfolgend etwa<br />

BFH 29.7.1997, VIII R 57/94, BFHE 184, 63, BStBl 1998 II 652; BFH 15.10.1997, I<br />

R 58/93, BFHE 184, 432, BStBl 1998 II 305; BFH 15.10.1997, I R 23/93, BFH/NV<br />

1998, 826; BFH 22.6.1998, VIII B 26/98, BFH/NV 1999, 33; unlängst ebenso zB<br />

BFH 31.5.2005, I R 35/04, BFHE 210, 487, BStBl 2006 II 132 mwN. Siehe aus dem<br />

umfangreichen deutschen Schrifttum etwa Hoffmann, Fragen und Gestaltungshinweise<br />

zur BFH-Entscheidung über den Forderungsverzicht des Gesellschafters – Vom Steuersparmodell<br />

zum BFH-Unikat –, DStR 1997, 1625 (1625 ff); Gebhardt, Besteuerungsfolgen<br />

<strong>für</strong> den GmbH-Gesellschafter nach dem Beschluß des Großen Senats des BFH<br />

zum Forderungsverzicht, DStR 1998, 225 (225 ff).<br />

20 Ebenso schon vorgehend das Schreiben des Finanzministeriums Nordhein-Westfalen<br />

„Steuerliche Behandlung eines Forderungsverzichts eines Gesellschafters zugunsten seiner<br />

Gesellschaft“, DStR 1995, 885. Siehe zu dieser Sichtweise und <strong>für</strong> umfassende<br />

Nachweise aus dem deutschen Schrifttum vor allem Achatz/G. Kofler in Feldbauer-Durstmüller/Schlager<br />

(Hrsg), Krisenmanagement – Sanierung – Insolvenz (2002) 823 (827 ff).<br />

21 Diese Vorschriften entsprechen im Wesentlichen §§ 4 Abs 1, 6 Z 5 EStG.


276 Georg Kofler<br />

schaft mit dem <strong>Teil</strong>wert der zugeführten Wirtschaftsgüter anzusetzen seien,<br />

was auch dann gelte, wenn der Gesellschafter eine gegen die Gesellschaft gerichtete<br />

Forderung an die Gesellschaft abtritt oder ihr die entsprechende<br />

Schuld erlässt. 22 Von einer Einlage könne daher nur in Höhe des werthaltigen<br />

<strong>Teil</strong>s der Forderung gesprochen werden, darüber hinaus ist sie nicht durch<br />

das Gesellschaftsverhältnis verursacht und führt entsprechend bei der Gesellschaft<br />

zu einem Ertrag. 23<br />

Obwohl im österreichischen Steuerrecht die allgemeinen Einlagevorschriften<br />

der §§ 4 Abs 1 und 6 Z 5 EStG durch die expliziten Vorschriften<br />

der §§ 8 Abs 1 KStG und 6 Z 14 lit b EStG verdrängt wird, 24 wurde das Ergebnis<br />

des BFH sowohl von der Verwaltungspraxis 25 als auch vom Schrifttum 26<br />

in das österreichische Steuerrecht transponiert und auf Basis des § 6 Z 14 lit b<br />

EStG eine Gewinnrealisierung auf Gesellschaftsebene in Höhe der Differenz<br />

zwischen dem gemeinen Wert der Forderung und dem Buchwert der Verbindlichkeit<br />

angenommen. Im Sinne einer Zwei-Stufen-Theorie sei eine nach<br />

§ 6 Z 14 lit b EStG zu bewertende Forderungseinlage anzunehmen, die in<br />

Höhe des gemeinen Wertes der Forderung nach § 8 Abs 1 KStG zu neutrali-<br />

22 Siehe auch Groh, Einlage wertgeminderter Gesellschafterforderungen in Kapitalgesellschaften,<br />

BB 1997, 2523 (2523); kritisch zB Bachl, Die finanzielle Sanierung in<br />

Handels- und Steuerrecht, in Bertl/Mandl/Mandl/<strong>Ruppe</strong>, Insolvenz – Sanierung – Liquidation<br />

(1998) 87 (101); Hoffmann, Kritische Anmerkungen zum sog Einlagebeschluß<br />

des Großen BFH-Senats, DB 1998, 1983 (1984); Hoffmann, Ermittlung des<br />

Einlagewerts beim Verzicht eines GmbH-Gesellschafters auf Pensionsanspruch, DStR<br />

1998, 237 (237 f).<br />

23 BFH 29.7.1997, VIII R 57/94, BFHE 184, 63, BStBl 1998 II 652.<br />

24 Siehe nur ErlRV 622 BlgNR XVII. GP, 17.<br />

25 Siehe Rz 2599 EStR 2000 idF vor dem Wartungserlass 2005 (AÖF 2006/114).<br />

26 Siehe R & R, Verzicht auf wertlose Gesellschafterforderung, FJ 1997, 247 (247);<br />

Bertl/Hirschler, Die handels- und steuerrechtliche Behandlung von Rangrücktritt und<br />

Forderungsverzicht, RWZ 1998, 11 (11); Schuchter, Forderungsverzicht des Gesellschafters<br />

und verdeckte Gewinnausschüttung: VwGH bestätigt BFH, RdW 1998,<br />

488 (488); Kirchmayr/Zöchling, Forderungsverzicht eines Gesellschafters, ÖStZ 1998,<br />

3 (3 ff); Doralt/Mayr, EStG 6 (2001) § 6 Tz 269; Dolezel-Huber/Rödler, Endgültiges<br />

Aus <strong>für</strong> die Sanierung von Unternehmen aufgrund der ertragsteuerlichen Konsequenzen?<br />

ecolex 2004, 634 (635); kritisch etwa Heinrich, Der Verzicht des Gesellschafters<br />

auf eine nicht mehr voll werthaltige Forderung, FJ 1997, 312 (312 ff); Bachl in<br />

Bertl/Mandl/Mandl/<strong>Ruppe</strong> (Hrsg), Insolvenz – Sanierung – Liquidation (1998) 87<br />

(99 ff); Heinrich, Forderungsverzicht des Gesellschafters: Bestätigt der VwGH<br />

tatsächlich den BFH? RdW 1999, 50 (50 ff); zusammenfassend zum Meinungsstand<br />

Achatz/G. Kofler in Feldbauer-Durstmüller/Schlager (Hrsg), Krisenmanagement – Sanierung<br />

– Insolvenz (2002) 823 (827 ff); Kauba, Gesellschaftlich veranlasste Forderungsverzichte<br />

und Schuldübernahmen, RdW 2004/400, 443 (443 f).


Der unbedingte Forderungsverzicht des Gesellschafters<br />

277<br />

sieren sei; die anschließende Konfusion der Forderung mit der im vollen<br />

Nennbetrag ausgewiesenen Verbindlichkeit auf Gesellschaftsebene sei daher<br />

in Höhe des Differenzbetrages gewinnerhöhend. Basierend auf kritischen<br />

Überlegungen im Schrifttum 27 hat der VwGH dieser Ansicht allerdings in einem<br />

2005 ergangenen Erkenntnis 28 eine Absage erteilt. Im Sinne einer Vollneutralisierungstheorie<br />

sei die auf Gesellschaftsebene eintretende Betriebsvermögensmehrung<br />

unabhängig vom Wert der Forderung zur Gänze auf Basis<br />

des § 8 Abs 1 KStG zu neutralisieren, sofern der Verzicht selbst seine Wurzel<br />

im Gesellschaftsverhältnis habe. Das Erkenntnis des VwGH erwähnt allerdings<br />

weder das gesetzlich angelegte Zusammenspiel zwischen § 6 Z 14 lit b<br />

EStG und § 8 Abs 1 KStG, noch berücksichtigt es die Querwirkungen dieser<br />

Sichtweise mit anderen Bereichen des Steuerrechts. Nach einer Analyse der<br />

beiden denkbaren Lösungsansätze – Zwei-Stufen-Theorie einerseits und Vollneutralisierungstheorie<br />

andererseits – soll daher im Folgenden begründet<br />

werden, warum der Zwei-Stufen-Theorie im System des österreichischen<br />

Steuerrechts entgegen der Sichtweise des VwGH der Vorzug zu geben ist.<br />

Diese Analyse basiert auf der Rechtslage vor dem BudgetbegleitG 2007, in<br />

dem der Gesetzgeber die Rechtsprechung des VwGH – mE systemkonform –<br />

korrigiert hat (dazu Kapitel IV).<br />

II.2 Lösungsansätze<br />

II.2.1 Die Zwei-Stufen-Theorie<br />

Die steuerliche Behandlung von Einlagen in Körperschaften ist durch das Zusammenspiel<br />

von § 6 Z 14 lit b EStG und § 8 Abs 1 KStG geprägt: Entsprechend<br />

der schon vor Schaffung des § 6 Z 14 EStG vorherrschenden Ansicht 29<br />

27 Heinrich, Der Verzicht des Gesellschafters auf eine nicht mehr voll werthaltige Forderung,<br />

FJ 1997, 312 (312 ff).<br />

28 VwGH 23.9.2005, 2003/15/0078, ÖStZB 2006/130; dem folgend UFS Wien<br />

15.2.2006, RV/1885-W/04, sowie nunmehr auch Rz 2599 EStR 2000 idF Wartungserlass<br />

2005 (AÖF 2006/114); siehe zu diesem Erkenntnis aus dem Schrifttum beispielsweise<br />

Zorn, Verzicht des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft auf nicht voll<br />

werthaltige Forderungen, SWK 2005, S 913 (S 913 ff); Petritz, Steuersparmodell Forderungsverzicht<br />

im Konzern, GeS 2006, 125 (125 ff); Sauer, Kehrtwende in der steuerlichen<br />

Behandlung von Forderungsverzichten bei Kapitalgesellschaften! taxlex 2006,<br />

56 (56 ff); Puchinger/Grau, Erlass einer nicht mehr voll werthaltigen Forderung –<br />

VwGH widerspricht BFH, FJ 2006, 175 (175 ff); weiters Kanduth-Kristen, Steuerliche<br />

Behandlung von Schulderlässen und Sanierungsgewinnen, taxlex 2006, 436<br />

(440).


278 Georg Kofler<br />

ist sowohl auf Seiten des Gesellschafters als auch auf Seiten der Gesellschaft<br />

von einem Austausch von Vermögen gegen eine Gewährung oder Werterhöhung<br />

von Gesellschaftsrechten auszugehen, 30 deren Bewertung nicht nach<br />

§ 6 Z 5 EStG mit dem <strong>Teil</strong>wert, 31 sondern auf Basis des § 6 Z 14 lit b EStG<br />

mit dem gemeinen Wert des hingegebenen Wirtschaftsgutes erfolgt; diese societatis<br />

causa erfolgte Mehrung des Gesellschaftsvermögens ist sodann im Wege<br />

des § 8 Abs 1 KStG zu neutralisieren. 32 Die im überwiegenden Schrifttum 33<br />

und auch der bisherigen Verwaltungspraxis 34 vertretene Zwei-Stufen-Theorie<br />

sieht auch den Forderungsverzicht des Gesellschafters sowohl von § 6 Z 14<br />

lit b EStG als auch von § 8 Abs 1 KStG erfasst an und behilft sich zur Determinierung<br />

der Rechtsfolgen der Fiktion einer Einlage der Forderung mit<br />

nachfolgender Confusio iSd § 1445 ABGB auf Ebene der Gesellschaft: Es<br />

werde in einem ersten Schritt die Forderung in die Gesellschaft eingelegt, die<br />

auf Gesellschaftsebene nach § 6 Z 14 lit b EStG zu bewerten und nach § 8<br />

Abs 1 KStG zu neutralisieren sei; der Confusiogewinn ergebe sich demnach in<br />

einem zweiten Schritt aus der Differenz zwischen dem nach § 6 Z 14 lit b<br />

EStG ermittelten Wert der Forderung und dem Buchwert der Verbindlichkeit.<br />

Die Zwei-Stufen-Theorie basiert zunächst auf der gesicherten Prämisse,<br />

dass § 6 Z 14 lit b EStG sowohl <strong>für</strong> den Einlegenden als auch <strong>für</strong> die Gesellschaft<br />

maßgeblich ist. Dieses von der hA 35 vertretene Verständnis ergibt sich<br />

nicht nur aus dem Wortlaut der Bestimmung 36 und der erklärten Intention des<br />

29 Dazu jüngst Staringer, Einlagen in Körperschaften und Umgründungen, in:<br />

Lang/Schuch/Staringer (Hrsg) Handbuch des Bilanzsteuerrechts, GedS Gassner (2005)<br />

429 (432 f mwN); weiters etwa Gassner, Die Bewertung von Entnahmen und Einlagen,<br />

verdeckten Gewinnausschüttungen und verdeckten Einlagen, in Raupach (Hrsg),<br />

Werte und Wertermittlung im Steuerrecht (1984), 245 (249 f); Bauer/ Quantschnigg/Schellmann/Werilly,<br />

KStG, § 8 Tz 13 mwN; <strong>für</strong> wN auch zur Gegenansicht in der<br />

Handelsbilanz siehe Doralt/Mayr, EStG 6 (2001) § 6 Tz 52.<br />

30 Siehe zur Anwendung des § 6 Z 14 lit b EStG auch auf Seiten der Gesellschaft zB<br />

ErlRV 622 BlgNR XVII. GP, 17; Bauer/Quantschnigg/Schellmann/Werilly, KStG, § 8<br />

Tz 13; Wiesner/Schneider/Spanbauer/Kohler, KStG, § 8 Anm 6; Doralt/Mayr, EStG 6<br />

(2001) § 6 Tz 61.<br />

31 Dies ist unstrittig; siehe nur ErlRV 622 BlgNR XVII. GP, 17, und nunmehr auch<br />

VwGH 23.9.2005, 2003/15/0078, ÖStZB 2006/130, 164.<br />

32 In Wiederholung des Selbstverständlichen ist zu bemerken, dass § 4 Abs 1 EStG auf<br />

die Einlage eines Gesellschafters in eine Körperschaft keine Anwendung findet; siehe<br />

nur Wiesner/Schneider/Spanbauer/Kohler, KStG (1996) § 8 Anm 3.<br />

33 Doralt/Mayr, EStG 6 (2001) § 6 Tz 269 mwN.<br />

34 Rz 2599 EStR 2000 idF vor dem Wartungserlass 2005 (AÖF 2006/114).<br />

35 Siehe nur Bauer/Quantschnigg/Schellmann/Werilly, KStG, § 8 Tz 13; Doralt/Mayr,<br />

EStG 6 (2001) § 6 Tz 61; Staringer in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg) Handbuch des Bilanzsteuerrechts,<br />

GedS Gassner (2005) 429 (433).<br />

36 Arg „jeweils“ in § 6 Z 14 lit a erster Satz EStG.


Der unbedingte Forderungsverzicht des Gesellschafters<br />

279<br />

Gesetzgebers, 37 sondern auch aus der unbestrittenen und zutreffenden Lösung<br />

diverser Kollateralfragestellungen, wie beispielsweise der Möglichkeit der Gesellschaft,<br />

Investitionsbegünstigungen <strong>für</strong> eingelegte Wirtschaftsgüter in Anspruch<br />

zu nehmen. 38 Der Zwei-Stufen-Theorie liegt weiters die nicht von der<br />

Hand zu weisende Überlegung zu Grunde, dass der Schulderlass nicht anders<br />

beurteilt werden könne, als die Einlage einer Forderung mit anschließender<br />

Konfusion auf Gesellschaftsebene 39 und letztgenannter Vorgang sowohl von § 6<br />

Z 14 lit b EStG als auch von § 8 Abs 2 KStG erfasst sei. Auf Basis dieser zutreffenden<br />

Prämisse scheint der Zugang zum gesetzlichen Korsett klar eröffnet: § 6<br />

Z 14 EStG spricht der Einlage „von Wirtschaftsgütern und sonstigem Vermögen“,<br />

§ 8 Abs 1 KStG spricht von Einlagen „jeder Art“, und die gesellschaftsrechtlich<br />

veranlasste Einlage einer Forderung erfüllt die Tatbestandsmerkmale beider<br />

Normen. 40 Hier könnte man allerdings auf eine – leicht zu nehmende – konzeptionelle<br />

Hürde stoßen: Im Rahmen der Zwei-Stufen-Theorie bedarf es nämlich<br />

– zumindest <strong>für</strong> die berühmte juristische Sekunde – eines Ansatzes und einer<br />

Bewertung der eingelegten Forderung auf Gesellschaftsebene. Allerdings<br />

führt § 1445 ABGB beim Zusammenfallen einer nicht verbrieften Forderung<br />

und der korrespondierenden Verbindlichkeit bei einer Person zu einem unmittelbaren<br />

Erlöschen der Forderung. 41 Kann aber die Gesellschaft – nicht einmal<br />

<strong>für</strong> die juristische Sekunde – ihr eigener Schuldner sein, könnte der Ansatz der<br />

Forderung und auch die Anwendbarkeit des § 6 Z 14 lit b EStG bezweifelt werden.<br />

42 Den Ausweg aus diesem Dilemma scheint aber der Wortlaut des § 6<br />

Z 14 lit b EStG selbst anzubieten: Demnach „gilt“ die Einlage von Wirtschaftsgütern<br />

und sonstigem Vermögen in eine Körperschaft als Tausch iSd § 6 Z 14<br />

lit a EStG; diese gesetzliche Fiktion scheint stark genug, auch im Confusiofall<br />

die Bewertungsfähigkeit der Forderung <strong>für</strong> steuerliche Zwecke zu begründen. 43<br />

37 ErlRV 622 BlgNR XVII. GP, 17.<br />

38 Rz 2597 EStR 2000; Bauer/Quantschnigg/Schellmann/Werilly, KStG, § 8 Tz 13.<br />

39 Siehe auch BFH 9.6.1997, GrS 1/94, BFHE 183, 187, BStBl 1998 II 307.<br />

40 Zur Wirtschaftsguteigenschaft von Forderungen siehe nur Doralt, EStG 7 (2002) § 4<br />

Tz 52.<br />

41 Heidinger in Schwimann, ABGB VI 3 (2006) § 1445 Rz 1; siehe aus steuerlicher Sicht<br />

auch Rz 2426 EStR 2000; Doralt/Mayr, EStG 6 (2001) § 6 Tz 272.<br />

42 Siehe auch Roser, Gedanken zum Gesellschafterverzicht, DB 1996, 1303 (1304);<br />

Roser, Gesellschaftereinlagen im Lichte des Beschlusses des Großen Senats des BFH v<br />

9.6.1997 – 1 GrS 1/94, GmbHR 1998, 301 (302); weiters Hoffmann, Verzicht und<br />

Einlage, BB 1995, 614 (614 mwN).<br />

43 So auch bei vergleichbarer Zivilrechtslage, aber ohne eine dem § 6 Z 14 lit b EStG vergleichbare<br />

Vorschrift im deutschen Recht das Ergebnis des BFH 9.6.1997, GrS 1/94,<br />

BFHE 183, 187, BStBl 1998 II 307. Im Übrigen wird auch im Gesellschaftsrecht die<br />

Einbringung von Forderungen gegen die Gesellschaft als Sacheinlage betrachtet; siehe<br />

nur Koppensteiner, GmbHG 2 (1998) § 6 Rz 16 und § 63 Rz 15 mwN.


280 Georg Kofler<br />

Im Rahmen des Zwei-Stufen-Konzeptes besteht somit die problematische<br />

Frage zunächst darin, wie die eingelegte Forderung zu bewerten ist. Die<br />

Tauschfiktion des § 6 Z 14 lit b EStG lässt sich nämlich nur auf Seiten des<br />

Gesellschafters relativ problemlos anwenden: Die Anschaffungskosten der<br />

Werterhöhung seiner Anteilsrechte entsprechen dem gemeinen Wert der von<br />

ihm nachgelassenen Forderung; im Falle der nicht vollen Werthaltigkeit wird<br />

der gemeine Wert entsprechend unter dem Nennwert der Forderung liegen<br />

und auch deren <strong>Teil</strong>wert entsprechen. 44 Problematisch ist jedoch die Bewertung<br />

auf Gesellschaftsseite. Sofern nicht neue Anteile ausgegeben werden,<br />

gibt sie im Austausch <strong>für</strong> die eingelegte Forderung eine Wertsteigerung der<br />

Anteilsrechte hin, deren gemeiner Wert nach § 6 Z 14 lit b EStG als Anschaffungskosten<br />

der Gesellschaft <strong>für</strong> die eingelegte Forderung im Rahmen des<br />

Tausches maßgeblich ist. 45 Der Wert der hingegebenen Gesellschaftsrechte<br />

lässt sich freilich idR nicht bestimmen, da sie bei genauerer Betrachtung aus<br />

in Zukunft zu erwartenden Gewinnanteilen oder einer Beteiligung am Liquidationserlös<br />

bzw – bei namhaften Leistungen – in einer Steigerung des<br />

Marktwerts bestehen. 46 Daher scheiden sich auch die Geister: Während die<br />

hA im Schrifttum 47 und die Finanzverwaltung 48 auf eine aus dem unterstellten<br />

Austausch gleichwertiger Leistungen abgeleitete Wertverknüpfung<br />

44 Dazu auch unten FN 52.<br />

45 Siehe etwa Heinrich, Der Verzicht des Gesellschafters auf eine nicht mehr voll werthaltige<br />

Forderung, FJ 1997, 312 (314).<br />

46 Hueber/H. Kofler in H. Kofler/Nadvornik/Pernsteiner/Vodrazka (Hrsg), Handbuch Bilanz<br />

und Abschlußprüfung 3 (2001) § 203 Abs 2 Rz 24.<br />

47 R & R, Verzicht auf wertlose Gesellschafterforderung, FJ 1997, 247 (247); Bertl/Hirschler,<br />

Die handels- und steuerrechtliche Behandlung von Rangrücktritt und Forderungsverzicht,<br />

RWZ 1998, 11 (11); Kirchmayr/Zöchling, Forderungsverzicht eines Gesellschafters,<br />

ÖStZ 1998, 3 (3 ff); Doralt/Mayr, EStG 6 (2001) § 6 Tz 269; Dolezel-<br />

Huber/Rödler, Endgültiges Aus <strong>für</strong> die Sanierung von Unternehmen aufgrund der ertragsteuerlichen<br />

Konsequenzen? ecolex 2004, 634 (634 f); siehe auch Wiesner in<br />

Doralt/Hassler/Kranich/Nolz/Quantschnigg (Hrsg), Die Besteuerung der Kapitalgesellschaft,<br />

FS Bauer (1986) 349 (360); Paukowitsch/Achatz, Verdeckte Ausschüttungen –<br />

verdeckte Einlagen, in Bertl/Mandl/Mandl/<strong>Ruppe</strong>, Die Kapitalgesellschaft nach der<br />

Steuerreform 1988 (1989) 125 (147); kritisch Heinrich, Forderungsverzicht des Gesellschafters:<br />

Bestätigt der VwGH tatsächlich den BFH? RdW 1999, 50 (51); Gassner,<br />

Die Bilanzierung von offenen und verdeckten Einlagen und Entnahmen, in Bertl/<br />

Mandl/Mandl/<strong>Ruppe</strong> (Hrsg), Praxisfragen der Bilanzierung (1991) 33 (71).<br />

48 Rz 2597 EStR 2000 und Rz 676 KStR 2001; siehe auch Rz 2599 EStR 2000 idF vor<br />

dem Wartungserlass 2005 (AÖF 2006/114); siehe zur Wertverknüpfung auch Bauer/<br />

Quantschnigg/Schellmann/Werilly, KStG, § 8 Tz 13 f mwN; Wiesner, Einlagen und<br />

Entnahmen, RWZ 2005/99, 332 (332 ff).


Der unbedingte Forderungsverzicht des Gesellschafters<br />

281<br />

zurückgreifen und deshalb – hilfsweise 49 – auf den gemeinen Wert der eingelegten<br />

Forderung zurückgreifen, wird im Schrifttum auch die nicht näher begründete<br />

Ansicht vertreten, dass der gemeine Wert der Wertsteigerung der<br />

Anteilsrechte dem Buchwert der Verbindlichkeit auf Gesellschaftsebene entspreche.<br />

50 Diese unterstellte Korrespondenz der Wertsteigerung mit dem<br />

Buchwert der Verbindlichkeit erscheint freilich nicht nur kontraintuitiv, sondern<br />

hält wohl auch einer Analyse im breiteren Kontext nicht stand. 51 Es<br />

49 Siehe nur Rz 2593 EStR 2000 („ist […] zulässig“); einer verpflichtenden korrespondierenden<br />

Bewertung bei Gesellschaft und Gesellschafter steht bereits der insofern<br />

klare Wortlaut des § 6 Z 14 lit a EStG entgegen, eine solche wird daher im Schrifttum<br />

zu Recht abgelehnt; vgl nur Gassner, Die Bilanzierung von offenen und verdeckten<br />

Einlagen und Entnahmen, in Bertl/Mandl/Mandl/<strong>Ruppe</strong> (Hrsg), Praxisfragen der Bilanzierung<br />

(1991) 33 (71); Doralt, EStG 7 (2001) § 4 Tz 110; Doralt/Mayr, EStG 6<br />

(2001) § 6 Tz 52.<br />

50 Heinrich, Der Verzicht des Gesellschafters auf eine nicht mehr voll werthaltige Forderung,<br />

FJ 1997, 312 (312 ff); Heinrich, Forderungsverzicht des Gesellschafters: Bestätigt<br />

der VwGH tatsächlich den BFH? RdW 1999, 50 (51 mit FN 16); Staringer in<br />

Lang/Schuch/Staringer (Hrsg), Handbuch des Bilanzsteuerrechts, GedS Gassner<br />

(2005) 429 (440); Beiser, Steuern 5 (2007) 179 f.<br />

51 Überzeugend Wiesner, Einlagen und Entnahmen, RWZ 2005/99, 332 (332 ff); ausführlich<br />

bereits Achatz/G. Kofler in Feldbauer-Durstmüller/Schlager (Hrsg), Krisenmanagement<br />

– Sanierung – Insolvenz (2002) 823 (827 ff). Blendet man überdies § 6<br />

Z 14 lit b EStG aus, so würde die Bewertungsvorschrift des § 6 Z 5 EStG die Bewertung<br />

verdeckter Einlagen in Kapitalgesellschaften tragen (siehe Gassner in Raupach<br />

[Hrsg], Werte und Wertermittlung im Steuerrecht (1984), 245 [249 f]). Die danach<br />

erforderliche Bewertung mit dem <strong>Teil</strong>wert der Verbindlichkeit lässt sich allerdings im<br />

Lichte des § 6 Z 1 EStG nur dadurch konkretisieren, unter dem <strong>Teil</strong>wert jene hypothetische<br />

Gesamtkaufpreiserhöhung zu verstehen, die im Falle des Verbindlichkeitswegfalls<br />

entstünde. Diese entspricht dem Wert der Forderung auf Gläubigerseite (aA<br />

zB Marx, Verdeckte Einlagen als Problemfälle der Rechnungslegung und Besteuerung,<br />

FR 1995, 453 [453 mwN]; Heinrich, Der Verzicht des Gesellschafters auf eine<br />

nicht mehr voll werthaltige Forderung, FJ 1997, 312 [314]; Beiser, Steuern 5 [2007]<br />

179 f; siehe auch Bachl in Bertl/Mandl/Mandl/<strong>Ruppe</strong>, Insolvenz – Sanierung – Liquidation<br />

[1998] 87 [103]). Gegen diese Überlegungen könnte eingewendet werden,<br />

dass die Einlage dann im Grunde mit den ersparten Aufwendungen zur Forderungsbeseitigung<br />

bewertet wird und in Wahrheit geprüft werden müsse, welchen Wert die<br />

Entlastung der Gesellschaft von der Verbindlichkeit hat. Formalrechtlich betrachtet<br />

„lastet“ vor dem Verzicht nach wie vor der Nominalwert der Verbindlichkeit auf der<br />

Gesellschaft. Wirtschaftlich betrachtet wird man aber über die Bilanz der Gesellschaft<br />

hinauszublicken haben: Es kann nämlich bilanzsteuerrechtlich keinen Unterschied<br />

machen kann, ob der unterstellte Unternehmenserwerber dem Gläubiger die Forderung<br />

zuvor ablöst und dann die Gesellschaft erwirbt, oder die Gesellschaft zuerst erwirbt<br />

und dann die Forderung ablöst (siehe auch BFH 9.6.1997, GrS 1/94, BFHE<br />

183, 187, BStBl 1998 II 307); so und so hat er <strong>für</strong> die Beseitigung der Verbindlichkeit


282 Georg Kofler<br />

spricht daher im Rahmen der Zwei-Stufen-Theorie Vieles da<strong>für</strong>, eine Bewertung<br />

der Einlage iSd § 6 Z 14 lit b EStG mit dem werthaltigen <strong>Teil</strong> der Forderung<br />

vorzunehmen und diesen Betrag nach § 8 Abs 1 KStG zu neutralisieren,<br />

während darüber hinaus die Confusion mit der Verbindlichkeit in Höhe<br />

der Differenz zwischen deren Nennwert und dem Wert der Forderung 52 gewinnerhöhend<br />

ist. 53<br />

Für dieses Ergebnis lässt sich auch der Telos des § 8 Abs 1 KStG heranziehen.<br />

Diese Bestimmung dient einer Neutralisierung jener Vermehrungen<br />

des Gesellschaftsvermögens, die sich außerhalb der steuerlich relevanten Einkunftsarten<br />

abspielt und sich vielmehr aus einer im Gesellschaftsverhältnis<br />

wurzelnden Vermögenszufuhr ergeben. 54 Nun bleiben Einlagen iSd § 8 Abs 1<br />

KStG aber lediglich „insoweit“ außer Ansatz, als sie von Personen in ihrer Eigenschaft<br />

als Gesellschafter geleistet werden. Aufgrund dieser Einschränkung<br />

ist auch unbestritten, dass die gesellschaftsrechtliche Wurzel auch die Höhe<br />

der Einlage determiniert. So ist etwa bei allgemeinen Sanierungsmaßnahmen<br />

eine verdeckte Einlage durch den Forderungsverzicht eines Gesellschafters<br />

nur „insoweit“ anzunehmen, als er – prozentuell – über den Verzicht Dritter<br />

hinausgeht. 55 Denkbar wäre es nun, umgekehrt auch bei einer unzweifelhaft<br />

gesellschaftsrechtlicher Wurzel des Verzichts auf eine nicht mehr voll werthaltige<br />

Forderung dem Begriff „insoweit“ einen Fremdvergleichsmaßstab beizumessen.<br />

Demnach könnte der Gesellschafter überhaupt nur in Höhe der<br />

Werthaltigkeit der Forderung eine – nach § 8 Abs 1 KStG zu neutralisierende<br />

– Einlage leisten. Dies ließe sich einerseits damit begründen, dass der Gesellschafter<br />

nur real existierende Vermögenswerte einlegen kann, 56 und anderer-<br />

den Wert der Forderung auf Gläubigerseite aufzuwenden; dieser wiederum entspricht<br />

dem Betrag, den der Gläubiger bei einer Veräußerung der Forderung von einem Dritten<br />

erhalten hätte (vgl zB BFH 31.10.2000, VIII R 47/98, BFH/NV 2001, 589). Für<br />

eine ausführliche und kritische Analyse auch aus gesellschaftsrechtlicher Sicht siehe<br />

Hoffmann, Sind wertlose Forderungen gegen Kapitalgesellschaften zum Nennwert<br />

einlagefähig? BB 1992, 575 (575 ff).<br />

52 Wobei davon ausgegangen werden kann, dass Differenzen zwischen <strong>Teil</strong>wert und gemeinem<br />

Wert von Forderungen eher von theoretischem Interesse sind; siehe auch<br />

Nolz in Doralt/Hassler/Kranich/Nolz/Quantschnigg (Hrsg), Die Besteuerung der Kapitalgesellschaft,<br />

FS Bauer (1986) 191 (200); BFH 26.8.1955, III 133, 134/55 S,<br />

BFHE 61, 207, BStBl 1955 III 278; BFH 29.7.1997, VIII R 57/94, BFHE 184, 63,<br />

BStBl 1998 II 652; BFH 31.10.2000, VIII R 47/98, BFH/NV 2001, 589.<br />

53 Siehe dazu unten Kapitel II.3.; ebenso Achatz/G. Kofler in Feldbauer-Durstmüller/<br />

Schlager (Hrsg), Krisenmanagement – Sanierung – Insolvenz (2002) 823 (827 ff).<br />

54 Bauer/Quantschnigg/Schellmann/Werilly, KStG, § 8 Tz 5.<br />

55 Siehe auch Nolz in Doralt/Hassler/Kranich/Nolz/Quantschnigg (Hrsg), Die Besteuerung<br />

der Kapitalgesellschaft, FS Bauer (1986) 191 (199).<br />

56 In diesem Sinne auch UFS 14.4.2004, RV/2107-L/02.


Der unbedingte Forderungsverzicht des Gesellschafters<br />

283<br />

seits, dass der höhere Vermögenszuwachs bei der Gesellschaft in Höhe der<br />

Differenz zum Verbindlichkeitsbuchwert auch dann eingetreten wäre, wenn<br />

ein Nichtgesellschafter den Forderungsverzicht erklärt hätte. 57 Diese Ansicht<br />

wurde letztlich auch implizit vom Großen Senat des BFH vertreten, zumal<br />

nach dessen Ansicht von einer Einlage nur in Höhe des werthaltigen <strong>Teil</strong>s der<br />

Forderung gesprochen werden könne, sie darüber hinaus sie jedoch nicht<br />

durch das Gesellschaftsverhältnis verursacht sei und entsprechend bei der Gesellschaft<br />

zu einem Ertrag führe. 58 Dies ist wiederum konsistent mit der gesellschaftsrechtlichen<br />

Rechtsprechung des BGH, wonach die Einlage einer<br />

Gesellschafterforderung gegen die Gesellschaft nur in Höhe des effektiven<br />

Wertes zur Tilgung einer Einlageverpflichtung dienen kann. 59 Auf dieser Linie<br />

liegt dann auch die österreichische Rechtsprechung, die den Verzicht auf<br />

oder die Verrechnung mit einer Gesellschafterforderung als Sach- bzw Bareinlage<br />

betrachtet, hier<strong>für</strong> aber ebenfalls die Unbestrittenheit, Fälligkeit und<br />

Vollwertigkeit der Gesellschafterforderung vorausgesetzt; 60 daraus folgert die<br />

hA, dass gesellschaftsrechtlich eine Forderung insofern (nur) im Ausmaß ihrer<br />

Werthaltigkeit auf die Erfüllung der Einlageverpflichtung angerechnet<br />

werden kann. 61<br />

II.2.2 Die Vollneutralisierungstheorie<br />

Dem bewertungsorientierten Ansatz der Zwei-Stufen-Theorie auf Basis des<br />

§ 6 Z 14 lit b EStG lässt sich eine sphärenabgrenzungsorientierte Neutralisierungstheorie<br />

auf isolierter Basis des § 8 Abs 1 KStG gegenüberstellen. Letztgenannte<br />

These wurde in Österreich nicht nur von Heinrich62 angedacht und<br />

unlängst auch vom VwGH63 präferiert, sondern war – bis zum gegenteiligen<br />

Beschluss des Grossen Senates des BFH vor mittlerweile einem Jahrzehnt –<br />

57 Wassermeyer, Zur Einlage nicht mehr werthaltiger Gesellschafter-Forderungen in das<br />

Vermögen einer Kapitalgesellschaft, DB 1990, 2288 (2288).<br />

58 BFH 29.7.1997, VIII R 57/94, BFHE 184, 63, BStBl 1998 II 652.<br />

59 BGH 26.3.1984, II ZR 14/84, BGHZ 90, 370; BGH 15.1.1990, II ZR 164/88,<br />

BGHZ 110, 47; BGH 21.2.1994, II ZR 60/93, BGHZ 125, 141; <strong>für</strong> eine ausführliche<br />

und kritische Analyse siehe Hoffmann, Sind wertlose Forderungen gegen Kapitalgesellschaften<br />

zum Nennwert einlagefähig? BB 1992, 575 (575 ff).<br />

60 Siehe zB OGH 24.8.1998, 8 Ob 64/98i, wbl 1999/23, 39; zur Einlage einer Forderung<br />

auch OGH 25.9.1997, 6 Ob 264/97k, ecolex 1998, 485 m Anm Konwitschka;<br />

siehe auch die umfangreichen Nachweise bei Koppensteiner, GmbHG 2 (1998) § 63<br />

Rz 15 und Rz 19.<br />

61 Konwitschka, ecolex 1998, 485; Koppensteiner, GmbHG 2 (1998) § 63 Rz 19 mwN.<br />

62 Heinrich, Der Verzicht des Gesellschafters auf eine nicht mehr voll werthaltige Forderung,<br />

FJ 1997, 312 (312 ff).<br />

63 VwGH 23.9.2005, 2003/15/0078, ÖStZB 2006/130, 164.


284 Georg Kofler<br />

auch die vorherrschende Sichtweise im deutschem Schrifttum: 64 Demnach sei<br />

die Ursache <strong>für</strong> den Forderungsverzicht und nicht der Wert der Forderung<br />

da<strong>für</strong> maßgebend, ob eine erfolgsneutrale Einlage vorliegt oder ob die Gesellschaft<br />

einen Gewinn erzielt. 65 Habe eine – wenn auch bloß bilanzielle –<br />

Vermögensmehrung ihre Wurzel im Gesellschaftsverhältnis, sei diese Vermögensmehrung<br />

unabhängig von der Bewertungsfrage 66 als Einlage zu neutrali-<br />

64 Siehe zB Hoffmann, Die Sanierung einer Kapitalgesellschaft durch Forderungsverzicht<br />

des Gesellschafters, BB 1991, 773 (773 ff); Knobbe-Keuk, Rangrücktrittsvereinbarung<br />

oder Forderungserlaß mit oder ohne Besserungsschein, StuW 1991, 306 (306 ff);<br />

Thiel, Einlagen in Kapitalgesellschaften – Aktuelle Steuerfragen bei der Gesellschaft<br />

und beim Gesellschafter, DStR 1992, 1 (1 ff); Thiel, Im Grenzbereich zwischen Eigen-<br />

und Fremdkapital – Ein Streifzug durch die ertragsteuerlichen Probleme der Gesellschafter-Fremdfinanzierung,<br />

GmbHR 1992, 20 (23); Bullinger, Steuerliche Fragen<br />

von Gesellschafterdarlehen an die GmbH, DStR 1993, 225 (225 ff); Häuselmann,<br />

Rangrücktritt versus Forderungsverzicht mit Besserungsabrede, BB 1993, 1552<br />

(1555); Groh, Eigenkapital in der Bilanz, BB 1993, 1882 (1882); Bruse/v. Braunschweig,<br />

Zur steuerlichen Behandlung des Verzichts auf nicht werthaltige Gesellschafterdarlehen,<br />

DB 1993, 2302 (2303); Orth, Bewertung verdeckter Einlagen durch Verzicht<br />

auf nicht vollwertige Forderungen, FR 1994, 251 (251 ff); Hoffmann, Verzicht<br />

und Einlage, BB 1995, 614 (614 ff); Hoffmann, Der Verzicht des Gesellschafters auf<br />

Forderungen gegen die Kapitalgesellschaft, DStR 1995, 77 (77 ff); Rautenberg/Schaufenberg,<br />

Die steuerliche Behandlung des Darlehenserlasses mit Besserungsvereinbarung,<br />

DB 1995, 1345 (1345 ff); Marx, Verdeckte Einlagen als Problemfälle der Rechnungslegung<br />

und Besteuerung, FR 1995, 453 (453 ff); Meilicke/ Pohl, Die<br />

Forderungseinlage bei sanierungsbedürftigen Kapitalgesellschaften, FR 1995, 877<br />

(877 ff); Beiser, Gesellschaftereinlage oder Leistungsaustausch, StuW 1996, 62<br />

(62 ff); Roser, Gedanken zum Gesellschafterverzicht, DB 1996, 1303 (1303 ff); aA<br />

waren zB Wassermeyer, Zur Einlage nicht mehr werthaltiger Gesellschafter-Forderungen<br />

in das Vermögen einer Kapitalgesellschaft, DB 1990, 2288 (2288 f); Eppler, Das<br />

Quasi-Eigenkapital bei der GmbH als steuerrechtliches Problem, DB 1991, 195<br />

(196); Elberg, Nochmals: Bewertung verdeckter Einlagen durch Verzicht auf nicht<br />

vollwertige Forderungen, FR 1994, 391 (391 ff); Weber-Grellet, Verzicht und Einlage,<br />

BB 1995, 243 (243 ff).<br />

65 Vgl etwa Thiel, Im Grenzbereich zwischen Eigen- und Fremdkapital – Ein Streifzug<br />

durch die ertragsteuerlichen Probleme der Gesellschafter-Fremdfinanzierung,<br />

GmbHR 1992, 20 (23); Knobbe-Keuk, Rangrücktrittsvereinbarung oder Forderungserlaß<br />

mit oder ohne Besserungsschein, StuW 1991, 306 (308); ähnlich Bruse/v.<br />

Braunschweig, Zur steuerlichen Behandlung des Verzichts auf nicht werthaltige Gesellschafterdarlehen,<br />

DB 1993, 2302 (2303); Hoffmann, Verzicht und Einlage, BB<br />

1995, 614 (615).<br />

66 Siehe auch Roser, Gedanken zum Gesellschafterverzicht, DB 1996, 1303 (1303); Rautenberg/Schaufenberg,<br />

Die steuerliche Behandlung des Darlehenserlasses mit Besserungsvereinbarung,<br />

DB 1995, 1345 (1348).


Der unbedingte Forderungsverzicht des Gesellschafters<br />

285<br />

sierten. 67 Eine kongruente Erfassung bei der empfangenden Kapitalgesellschaft<br />

auf der einen Seite und dem verzichtenden Gesellschafter auf der anderen<br />

Seite sei aufgrund des Imparitätsprinzips gerade nicht gefordert. 68 Verzichtet<br />

der Gesellschafter daher ausschließlich aus gesellschaftlichen Gründen<br />

auf eine nicht voll werthaltige Forderung, so wäre aufgrund der durch § 8<br />

Abs 1 KStG bezweckten Sphärentrennung die bilanziell erfolgte Vermögensmehrung<br />

durch Wegfall der Verbindlichkeit auf Gesellschaftsebene zu neutralisieren,<br />

zumal dieser Wegfall nicht aus ihrer betrieblicher Tätigkeit resultiert,<br />

sondern seine Wurzel ausschließlich im Gesellschaftsverhältnis hat. Unabhängig<br />

vom Wert der Forderung auf Gesellschafterseite wäre demnach die Vermögensmehrung<br />

auf Gesellschaftsseite vollständig zu neutralisieren.<br />

Die Übernahme der Überlegungen des deutschen Schrifttums in das<br />

österreichische Recht stösst freilich unmittelbar auf Grenzen, zumal es im<br />

deutschen Recht an einer dem § 6 Z 14 lit b EStG entsprechenden Vorschrift<br />

mangelt. Demgegenüber unterliegen nach dem gesetzlichen Konzept in<br />

Österreich offene und verdeckte Einlagen „von Wirtschaftsgütern und sonstigem<br />

Vermögen“ umfassend und abschließend der Tauschfiktion. Die Neutralitätstheorie<br />

setzt damit wohl voraus, dass die fragliche Einlage nicht unter<br />

die Bewertungsregel des § 6 Z 14 lit b EStG fällt, jedoch von § 8 Abs 1 KStG<br />

erfasst ist. Gerade der Schulderlass iSd § 1444 ABGB könnte sich auf diesem<br />

schmalen Grat bewegen. Der VwGH scheint – ohne nähere Begründung –<br />

offenbar diesen Weg zu beschreiten: 69 Habe der Wegfall der Schuld seine Veranlassung<br />

nämlich im Gesellschaftsverhältnis, sei die gesamte Vermögensmehrung<br />

eine steuerlich neutrale Einlage iSd § 8 Abs 1 KStG. Anders als der<br />

BFH vertritt der VwGH daher unter Hinweis auf die Überlegungen von<br />

Heinrich 70 „die Ansicht, dass der Schulderlass als ein gesellschaftsrechtlich veranlasster<br />

(einheitlicher) Vorgang auf Seiten der Schuldnergesellschaft nicht in zwei<br />

Vorgänge aufgeteilt werden kann. Für die Betriebsvermögensmehrung, welche<br />

durch den auf die Gesellschafterstellung zurückzuführenden Schulderlass (Forde-<br />

67 Dazu Bachl in Bertl/Mandl/Mandl/<strong>Ruppe</strong> (Hrsg), Insolvenz – Sanierung – Liquidation<br />

(1998) 87 (100); Orth, Bewertung verdeckter Einlagen durch Verzicht auf nicht vollwertige<br />

Forderungen, FR 1994, 251 (252).<br />

68 Vgl etwa Thiel, Im Grenzbereich zwischen Eigen- und Fremdkapital – Ein Streifzug<br />

durch die ertragsteuerlichen Probleme der Gesellschafter-Fremdfinanzierung,<br />

GmbHR 1992, 20 (23); Häuselmann, Rangrücktritt versus Forderungsverzicht mit<br />

Besserungsabrede, BB 1993, 1552 (1555).<br />

69 VwGH 23.9.2005, 2003/15/0078, ÖStZB 2006/130, 164; zustimmend Heinrich in<br />

Beiser/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), Ertragsteuern in Wissenschaft und Praxis, FS<br />

Doralt (2007) 91 (100).<br />

70 Heinrich, Der Verzicht des Gesellschafters auf die nicht mehr voll werthaltige Forderung,<br />

FJ 1997, 312 (312 ff).


286 Georg Kofler<br />

rungsverzicht) bewirkt wird, findet sich in keiner Weise, also auch nicht insoweit<br />

eine betriebliche Veranlassung, als die Forderung auf Seiten des Gläubigers als<br />

nicht mehr werthaltig angesehen wird“.<br />

Die nähere Begründung <strong>für</strong> diese Ansicht bleibt der VwGH allerdings<br />

schuldig. Offenbar liegen der Entscheidung des VwGH hier aber im Wesentlichen<br />

drei Überlegungen zu Grunde: 71 Erstens sei die Zwei-Stufen-Theorie<br />

schon deswegen abzulehnen, weil die Forderungseinlage eine vollkommen<br />

unübliche Vorgehensweise und daher nicht die Übertragung des Wirtschaftsgutes<br />

„Forderung“, sondern der Schulderlass per se zu beurteilen sei; 72 ist aber<br />

Gegenstand der Einlage der weggefallene Passivposten, so sollte auch die<br />

Betriebsvermögensmehrung ebenfalls zur Gänze als durch das Gesellschaftsverhältnis<br />

veranlasst zu behandeln sein. Zweitens sei zwischen Neutralstellungsnomen<br />

wie § 4 Abs 1 EStG und § 8 Abs 1 KStG einerseits und Abgrenzungsnormen<br />

wie § 6 Z 4 und 5 bzw 6 Z 14 EStG andererseits zu<br />

unterscheiden: Während die einen aufzeigen, dass nicht betrieblich veranlasste<br />

Vermögensmehrungen oder Vermögensminderungen den steuerlichen<br />

Gewinn nicht beeinflussen können, dienen die anderen über die bloße Neutralstellung<br />

von Entnahmen und Einlagen hinaus dazu, dass der Betriebsgewinn<br />

(nur) durch jene Wertänderungen eines Wirtschaftsgutes beeinflusst<br />

wird, die das Wirtschaftsgut während der Zeit seiner Zugehörigkeit zum Betrieb<br />

erfahren hat. Allerdings, und drittens, leite sich zwar die Bewertung<br />

einer Einlage nach § 8 Abs 1 KStG grundsätzlich aus § 6 Z 14 lit b EStG ab.<br />

Dieser finde aber lediglich bei <strong>für</strong> die Bewertung der Einlage „von Wirtschaftsgütern“<br />

73 Anwendung; da aber der Schulderlass kein Wirtschaftsgut darstelle,<br />

müsse sich die Rechtsfolge ausschließlich aus § 8 Abs 1 KStG ergeben, zumal<br />

– anders als im deutschen Recht – auch nicht auf § 6 Z 5 EStG zurückgegriffen<br />

werden könne.<br />

71 Siehe den „Begründungsnachschub“ von Zorn, Verzicht des Gesellschafters einer<br />

Kapitalgesellschaft auf nicht voll werthaltige Forderungen, SWK 2005, S 913<br />

(S 913 ff).<br />

72 So bereits Heinrich, Forderungsverzicht des Gesellschafters: Bestätigt der VwGH<br />

tatsächlich den BFH? RdW 1999, 50 (50 f); zustimmend auch Petritz, Steuersparmodell<br />

Forderungsverzicht im Konzern, GeS 2006, 125 (125 ff).<br />

73 Der VwGH reduziert damit also den Anwendungsbereich des in § 6 Z 14 lit b EStG<br />

erwähnten „sonstigen Vermögens“ auf Betriebseinbringungen; siehe Zorn, Verzicht<br />

des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft auf nicht voll werthaltige Forderungen,<br />

SWK 2005, S 913 (S 913 ff).


Der unbedingte Forderungsverzicht des Gesellschafters<br />

II.3 Würdigung und Kritik<br />

287<br />

Sowohl die Zwei-Stufen-Theorie als auch die Neutralisierungstheorie haben<br />

schlagkräftige Argumente <strong>für</strong> sich. Sie führen aber nur dann zu gleichen Ergebnissen,<br />

wenn man entgegen der hier vertretenen Ansicht mit <strong>Teil</strong>en des<br />

Schrifttums im Rahmen der Zwei-Stufen-Theorie eine Bewertung der Einlage<br />

auf Gesellschaftsseite mit dem Buchwert der Verbindlichkeit annehmen<br />

möchte. 74 Die nunmehr vom VwGH präferierte Neutralisierungstheorie vermeidet<br />

demgegenüber die bei der – bisher von Lehre und Verwaltungspraxis<br />

vertretene – Zwei-Stufen-Theorie auftretenden Bewertungsprobleme und gelangt<br />

im Falle des Schulderlasses jedenfalls zu einer Vollneutralisierung des<br />

betriebsvermögenserhöhenden Verbindlichkeitswegfalles auf Gesellschaftsebene.<br />

Die Verwaltungspraxis hat dieses Ergebnis umgehend, wenn auch nicht<br />

ohne Bedenken 75 in die EStR 2000 aufgenommen 76 und zugleich darauf hingewiesen,<br />

dass in Zukunft der Frage des verdeckten Eigenkapitals sowie der<br />

betrieblichen Veranlassung eines Verzichts im Prüfungsalltag mehr Gewicht<br />

beizumessen sein werde. 77 Zweifelsfrei ist das Ergebnis des VwGH aus rechtspolitischer<br />

Sicht im Sinne einer – auch vom Gesetzgeber oftmals demonstrierten<br />

78 – Sanierungsfreundlichkeit des Steuerrechts durchaus zu begrüßen,<br />

zumal ein forderungsverzichtbedingter Gewinn oftmals aufgrund des § 2<br />

Abs 2b EStG nicht vollständig mit Verlusten verrechnet werden könnte und<br />

daher auf alternative Lösungsansätze wie zB Rangrücktritte zurückgegriffen<br />

werden müsste. 79 Darin liegt es dann wohl auch begründet, dass sich kritische<br />

Stimmen aus der Beratungspraxis noch nicht zu Wort gemeldet<br />

74 Dazu oben Kapitel II.2.1.<br />

75 Kolienz/Wiesner/Zöchling, Aktuelle Entwicklungen um Unternehmens- und Konzernsteuerrecht,<br />

RdW 2006/617, 658 (659).<br />

76 Siehe Rz 2599 EStR 2000 idF des Wartungserlasses 2005 (AÖF 2006/114).<br />

77 Kolienz/Wiesner/Zöchling, Aktuelle Entwicklungen um Unternehmens- und Konzernsteuerrecht,<br />

RdW 2006/617, 658 (659); zu praktischen „Gegenmaßnahmen“ durch<br />

eine „plakative“ Dokumentation der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung siehe bereits<br />

Sauer, Kehrtwende in der steuerlichen Behandlung von Forderungsverzichten bei<br />

Kapitalgesellschaften! taxlex 2006, 56 (56 ff).<br />

78 Dazu rechnen nicht nur die Begünstigungen von gewissen Schuldnachlässen gem<br />

§ 36 EStG bzw § 23a KStG, sondern etwa auch die Ausnahmen von der Verlustvortragsbegrenzung<br />

in § 2 Abs 2b Z 3 EStG und die durch das AbgÄG 2005 (BGBl I<br />

161/2005) erfolgte Ausdehnung des Liquidationszeitraumes in § 19 Abs 3 KStG auf<br />

5 Jahre; siehe dazu ausführlich Achatz/G. Kofler, Insolvenz und Steuern, in Bartsch/<br />

Pollak/Buchegger (Hrsg), Österreichisches Insolvenzrecht – Kommentar [in Druck].<br />

79 Dazu nur Sauer, Kehrtwende in der steuerlichen Behandlung von Forderungsverzichten<br />

bei Kapitalgesellschaften! taxlex 2006, 56 (56 ff).


288 Georg Kofler<br />

haben. 80 Nichtsdestoweniger ist das Erkenntnis des VwGH einer Vielzahl von<br />

Kritikpunkten ausgesetzt. 81 Es vermag im Lichte der gesetzlichen Systematik,<br />

die sich insbesondere auch aus Rückschlüssen zum UmgrStG offenbart, letztlich<br />

auch nicht zu überzeugen. Der Gesetzgeber des BudgetbegleitG 2007 hat<br />

mittlerweile entsprechend reagiert (dazu unten Kapitel IV).<br />

Schulderlass und Forderungsabtretung an den Schuldner sind wirtschaftlich<br />

durchaus gleichwertige Möglichkeiten zur Entschuldung einer Gesellschaft;<br />

in beiden Fällen geht auf Ebene der Gesellschaft die Verbindlichkeit<br />

unter. In dieser wirtschaftlichen Gleichwertigkeit erblickte die deutsche<br />

Rechtsprechung dann auch – zu Recht – ein Gebot der Gleichbehandlung:<br />

Die Abtretung der Forderung als Zuführung von Aktivvermögen könne nicht<br />

anderes beurteilt werden, als der Erlass einer Verbindlichkeit als Wegfall eines<br />

Passivpostens. 82 Auf Basis des Sachlichkeitsgebots des Art 7 B-VG bzw Art 2<br />

StGG scheint dieses Gleichbehandlungsgebot sogar in die Verfassungssphäre<br />

zu reichen, zumal der Unterschied im Faktischen die Reichweite der Unterschiede<br />

im Rechtlichen nicht zu tragen vermag. Wenn also die Einlage einer<br />

Forderung im Sinne der Zwei-Stufen-Theorie unter Gewinnrealisierung auf<br />

Ebene der Gesellschaft zu lösen ist, kann <strong>für</strong> den Schulderlass nichts Anderes<br />

gelten. 83 Dies ist im Schrifttum auch im Wesentlichen unstrittig. 84 Die Positi-<br />

80 Siehe zB die tendenziell zustimmenden Besprechungen von Petritz, Steuersparmodell<br />

Forderungsverzicht im Konzern, GeS 2006, 125 (125 ff); Sauer, Kehrtwende in der<br />

steuerlichen Behandlung von Forderungsverzichten bei Kapitalgesellschaften! taxlex<br />

2006, 56 (56 ff).<br />

81 Siehe auch Wiesner, Einlagen und Entnahmen, RWZ 2005/99, 332 (332 ff); Kolienz/<br />

Wiesner/Zöchling, Aktuelle Entwicklungen um Unternehmens- und Konzernsteuerrecht,<br />

RdW 2006/617, 658 (659).<br />

82 BFH 9.6.1997, GrS 1/94, BFHE 183, 187, BStBl 1998 II 307; siehe auch Roser, Gesellschaftereinlagen<br />

im Lichte des Beschlusses des Großen Senats des BFH v 9.6.1997 – 1<br />

GrS 1/94, GmbHR 1998, 301 (302); siehe auch Groh, Einlage wertgeminderter Gesellschafterforderungen<br />

in Kapitalgesellschaften, BB 1997, 2523 (2523); kritisch zB Bachl in<br />

Bertl/Mandl/Mandl/<strong>Ruppe</strong> (Hrsg), Insolvenz – Sanierung – Liquidation (1998) 87 (101);<br />

Hoffmann, Fragen und Gestaltungshinweise zur BFH-Entscheidung über den Forderungsverzicht<br />

des Gesellschafters, DStR 1997, 1625 (1626); Hoffmann, Kritische Anmerkungen<br />

zum sog Einlagebeschluß des Großen BFH-Senats, DB 1998, 1983 (1984).<br />

83 Ein Besteuerungsunterschied ergibt sich freilich dann nicht, wenn man die eingelegte<br />

Forderung mit dem Buchwert der Verbindlichkeit bewertet; dem stehen mE aber<br />

nicht nur die bereits oben vorgebrachten Argumente (Kapitel II.2.1.), sondern auch<br />

die gesetzliche Wertung im UmgrStG entgegen (dazu sogleich unten).<br />

84 Siehe auch Heinrich, Der Verzicht des Gesellschafters auf eine nicht mehr voll werthaltige<br />

Forderung, FJ 1997, 312 (313 f) (wonach dem „BFH darin zuzustimmen [ist],<br />

daß der Verzicht auf eine Schuld und die Einlage einer Forderung gleich behandelt werden<br />

sollten“), sowie Staringer in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg), Handbuch des Bilanzsteuerrechts,<br />

GedS Gassner (2005) 429 (439 f).


Der unbedingte Forderungsverzicht des Gesellschafters<br />

289<br />

on des VwGH ist hingegen nicht eindeutig: Wenn er nämlich ausführt, „dass<br />

der Schulderlass als ein gesellschaftsrechtlich veranlasster (einheitlicher) Vorgang<br />

auf Seiten der Schuldnergesellschaft nicht in zwei Vorgänge aufgeteilt werden“<br />

könne, so könnte dies einerseits dahin verstanden werden, dass er auch bei<br />

der Forderungseinlage den Wegfall der Verbindlichkeit als einheitlichen Vorgang<br />

betrachtet wissen will, andererseits dahin gehend, dass er einen anerkennenswerten<br />

Unterschied zwischen Schulderlass und Forderungsabtretung an<br />

den Schuldner sieht. In diese letztgenannte Richtung deutet auch die offenbar<br />

hinter der Aussage des VwGH stehende Überlegung, dass die Forderungsabtretung<br />

an den Schuldner eine vollkommen unübliche Vorgangsweise<br />

und daher <strong>für</strong> die Beurteilung eines Schulderlasses nicht von einer atypischen<br />

Gestaltung auszugehen sei. 85 Diese Überlegung vermag das Ergebnis wohl<br />

nicht zu tragen: Es kann gerade nicht darum gehen, ob die eine oder die andere<br />

Gestaltung in der Praxis öfter vorkommt, sondern einzig und allein darum,<br />

ob Gleichwertiges auch gleich behandelt wird.<br />

Selbst wenn man den VwGH aber dahin gehend verstehen sollte, dass<br />

nicht nur der Forderungsverzicht sondern auch eine Forderungsabtretung<br />

mit anschließender Konfusion auf Gesellschaftsseite als einheitlicher Vorgang<br />

zu betrachten sei, geht dies mE am Regelungssystem des § 6 Z 14 lit b EStG<br />

iVm § 8 Abs 1 KStG vorbei. Für die Richtigkeit der Zwei-Stufen-Theorie<br />

spricht nämlich gerade auch die implizite Verknüpfung zwischen § 6 Z 14<br />

lit b EStG und § 8 Abs 1 KStG, die zwar die hA im Schrifttum penetriert,<br />

aber – wie die Entscheidung des VwGH belegt – in ihren Randbereichen<br />

noch nicht voll ausgelotet ist. Am Ausgangspunkt muss hier die Feststellung<br />

stehen, dass § 6 Z 14 lit b EStG sowohl verdeckte wie auch offene Einlagen<br />

erfasst 86 und auch dann zur Anwendung kommt, wenn der Tausch ohne Anteilsgewährung<br />

erfolgt. 87 Während aber die Erfassung des Schulderlasses<br />

durch § 8 Abs 1 KStG, der von Einlagen „jeder Art“ spricht, nicht bezweifelt<br />

werden kann, ist dies <strong>für</strong> § 6 Z 14 lit b EStG zumindest insoweit fraglich, als<br />

85 So Zorn, Verzicht des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft auf nicht voll werthaltige<br />

Forderungen, SWK 2005, S 913 (S 913 ff).<br />

86 ErlRV 621 BlgNR XVII. GP, 70; siehe auch VwGH 25.6.1998, 94/15/0129, ÖStZB<br />

1999, 117; VwGH 16.9.2003, 99/14/0324, ÖStZB 2004/237; VwGH 23.9.2005,<br />

2002/15/0010, ÖStZB 2006/291, 370; aus dem Schrifttum ebenso zB Bauer/<br />

Quantschnigg/Schellmann/Werilly, KStG, § 8 Tz 14; Doralt/Mayr, EStG 6 (2001) § 6<br />

Tz 61; Paukowitsch/Achatz in Bertl/Mandl/Mandl/<strong>Ruppe</strong> (Hrsg), Die Kapitalgesellschaft<br />

nach der Steuerreform 1988 (1989) 125 (147 f); Achatz in Achatz/Jabornegg/<br />

Karollus (Hrsg), Eigenkapitalersatz im Gesellschafts-, Steuer- und Arbeitsrecht (1999)<br />

91 (108).<br />

87 Bauer/Quantschnigg/Schellmann/Werilly, KStG, § 8 Tz 13; Staringer in Lang/Schuch/<br />

Staringer (Hrsg), Handbuch des Bilanzsteuerrechts, GedS Gassner (2005) 429 (435 f).


290 Georg Kofler<br />

dieser die Einlage „von Wirtschaftsgütern und sonstigem Vermögen“ voraussetzt.<br />

Die Subsumtion eines Schulderlasses unter den Wortlaut des § 6 Z 14 lit b<br />

EStG bereitet damit zugegebenermaßen erhebliche Schwierigkeiten. 88 Darin<br />

ist letztlich auch der Grund da<strong>für</strong> zu sehen, diesen iSd Zwei-Stufen-Theorie<br />

gedanklich in eine Forderungsabtretung und eine anschließende Konfusion<br />

aufzuspalten. Dies bedeutet allerdings entgegen der Ansicht des VwGH noch<br />

nicht, dass der Schulderlass per se nicht eine Einlage iSd § 6 Z 14 lit b EStG<br />

sein kann. Zu Recht wird daher auch im jüngeren österreichischen Schrifttum<br />

89 und der Rechtsprechung des UFS 90 die Bestimmung des § 6 Z 14 lit b<br />

EStG dahin gehend verstanden, dass auch der Forderungsverzicht als solcher<br />

als Einlage im Sinne dieser Bestimmung zu verstehen ist. Für eine deckungsgleiche<br />

Interpretation des Einlagenbegriffs in § 8 Abs 1 KStG und § 6 Z 14<br />

lit b EStG spricht insbesondere der erklärte Zweck dieses Normengefüges,<br />

wie er in den Materialen zum KStG 1988 91 durch den ausdrücklichen Verweis<br />

hinsichtlich des körperschaftsteuerlichen Einlagentatbestandes auf § 6<br />

Z 14 EStG zum Ausdruck kommt. 92 Durch diese Reflektion von § 8 Abs 1<br />

KStG auf § 6 Z 14 EStG verfolgt das Gesetz den Zweck, Einlagen iSd § 8<br />

Abs 1 KStG stets der Bewertung nach § 6 Z 14 EStG zu unterziehen und in<br />

dieser Höhe auf Gesellschaftsebene zu neutralisieren; 93 der Begriff des „sonstigen<br />

Vermögens“ in § 6 Z 14 lit b EStG scheint jedenfalls weit genug, auch den<br />

Schulderlass zu erfassen, selbst wenn darin keine Übertragung eines „Wirt-<br />

88 Siehe auch Bachl in Bertl/Mandl/Mandl/<strong>Ruppe</strong> (Hrsg), Insolvenz – Sanierung – Liquidation<br />

(1998) 87 (101).<br />

89 Vgl Rz 444 EStR 2000; ebenso Heinrich, Forderungsverzicht des Gesellschafters: Bestätigt<br />

der VwGH tatsächlich den BFH? RdW 1999, 50 (51); Heinrich, Der Verzicht<br />

des Gesellschafters auf eine nicht mehr voll werthaltige Forderung, FJ 1997, 312<br />

(314); Achatz in Achatz/Jabornegg/Karollus (Hrsg), Eigenkapitalersatz im Gesellschafts-,<br />

Steuer- und Arbeitsrecht (1999) 91 (108); Staringer in Lang/Schuch/Staringer<br />

(Hrsg) Handbuch des Bilanzsteuerrechts, GedS Gassner (2005) 429 (439 f); <strong>für</strong> eine<br />

zumindest analoge Anwendung Bachl in Bertl/Mandl/Mandl/<strong>Ruppe</strong> (Hrsg), Insolvenz<br />

– Sanierung – Liquidation (1998) 87 (102).<br />

90 UFS 28.4.2004, RV/4641-W/2002.<br />

91 ErlRV 622 BlgNR XVII. GP, 17.<br />

92 Siehe auch Wiesner, Einlagen und Entnahmen, RWZ 2005/99, 332 (332 ff).<br />

93 Ähnlich zum Zusammenhang von § 6 Z 14 EStG und § 8 Abs 1 KStG die Ausführungen<br />

in Rz 2597 EStR 2000; siehe auch Kolienz/Wiesner/Zöchling, Aktuelle Entwicklungen<br />

um Unternehmens- und Konzernsteuerrecht, RdW 2006/617, 658<br />

(659); ebenso im Grundsatz auch Staringer in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg) Handbuch<br />

des Bilanzsteuerrechts, GedS Gassner (2005) 429 (440), der allerdings von einer<br />

Bewertung der Einlage auf Gesellschaftsseite mit dem Buchwert der Verbindlichkeit<br />

ausgeht. Anders Heinrich in Beiser/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), Ertragsteuern in<br />

Wissenschaft und Praxis, FS Doralt (2007) 91 (100).


Der unbedingte Forderungsverzicht des Gesellschafters<br />

291<br />

schaftsgutes“ zu erblicken wäre. Die Überlegung, dass § 6 Z 14 EStG der Abgrenzung<br />

betrieblicher von außerbetrieblichen Wertänderungen eines Wirtschaftsgutes<br />

diene, während § 8 Abs 1 KStG eine umfassende Neutralstellungsnorm<br />

sei, erscheint demnach jedenfalls <strong>für</strong> § 6 Z 14 lit b EStG nicht<br />

indiziert: Es ist gerade diese Vorschrift, die durch die Festlegung des zu neutralisierenden<br />

Betrages diese gesellschaftsrechtlich veranlasste Vermögensmehrung<br />

in den Bereich des § 8 Abs 1 KStG verweist. Folgt man dieser Sichtweise,<br />

gibt also das Gesetz selbst die Abgrenzung zwischen betrieblicher und<br />

gesellschaftsrechtlicher Veranlassung vor: Für den Ansatz des VwGH, dass<br />

sich im Falle eines auf die Gesellschafterstellung zurückzuführenden Schulderlass<br />

„in keiner Weise, also auch nicht insoweit eine betriebliche Veranlassung<br />

[finde], als die Forderung auf Seiten des Gläubigers als nicht mehr werthaltig angesehen<br />

wird“, 94 bleibt insofern kein Raum. Das Zusammenspiel der § 6 Z 14<br />

lit b EStG und § 8 Abs 1 KStG führt dennoch zu einem einleuchtenden Ergebnis:<br />

Verzichtet nämlich ein Nichtgesellschafter auf eine nicht voll werthaltige<br />

Forderung, so führt dies aufgrund des Verbindlichkeitswegfalles jedenfalls<br />

zu einer Gewinnerhöhung bei der Gesellschaft; eine konsequente<br />

Anwendung der § 6 Z 14 lit b EStG und § 8 Abs 1 KStG führt nun – entgegen<br />

dem VwGH – dazu, dass nur der werthaltige <strong>Teil</strong> der Forderung als Vermögenszugang<br />

„insoweit“ neutralisiert wird, als ein real existierender Vermögenswert<br />

eingelegt wird, 95 der darüber hinausgehende Vermögenszuwachs bei<br />

der Gesellschaft aber ebenso erfasst wird, als hätte ein Nichtgesellschafter den<br />

Forderungsverzicht erklärt. 96 Die gegenteilige Rechtsprechung des VwGH<br />

beschwört damit auch einen Dissens zur gesellschaftsrechtlichen Sichtweise<br />

der Behandlung des Forderungsverzichts bzw der Aufrechnung als Sach- bzw<br />

Bareinlage herauf, zumal auch dort nur der werthaltige <strong>Teil</strong> der Forderung <strong>für</strong><br />

die Erfüllung der Einlageverpflichtung berücksichtigt wird. 97<br />

Sowohl gegen die Vollneutralisierungsthese des VwGH als auch gegen<br />

die Bewertung der Einlage nach § 6 Z 14 lit b EStG mit dem Buchwert der<br />

Verbindlichkeit im Rahmen der Zwei-Stufen-Theorie 98 spricht auch eine<br />

Betrachtung des § 6 Z 14 lit b EStG iVm § 8 Abs 1 KStG im Lichte des<br />

94 VwGH 23.9.2005, 2003/15/0078, ÖStZB 2006/130, 164.<br />

95 Ebenso UFS 14.4.2004, RV/2107-L/02.<br />

96 Wassermeyer, Zur Einlage nicht mehr werthaltiger Gesellschafter-Forderungen in das<br />

Vermögen einer Kapitalgesellschaft, DB 1990, 2288 (2288 f).<br />

97 Dazu bereits oben Kapitel II.2.1. sowie im Hinblick auf § 4 Abs 12 EStG unten Kapitel<br />

III. Siehe aus dem Schrifttum insb Konwitschka, ecolex 1998, 485; Koppensteiner,<br />

GmbHG 2 (1998) § 63 Rz 19 mwN; vgl auch OGH 25.9.1997, 6 Ob 264/97k, ecolex<br />

1998, 485 m Anm Konwitschka; OGH 24.8.1998, 8 Ob 64/98i, wbl 1999/23, 39;<br />

vgl weiters die umfangreichen Nachweise bei Koppensteiner, GmbHG 2 (1998) § 63<br />

Rz 15 und Rz 19.<br />

98 Dazu oben Kapitel II.2.1.


292 Georg Kofler<br />

UmgrStG. Sind auf Basis des Wortlautes der fraglichen Bestimmungen zwei Interpretationsergebnisse<br />

möglich, so ist letztlich auch auf die Stellung des<br />

§ 8 Abs 1 KStG im Gesamtsystem des Steuerrechts Rücksicht zu nehmen, um<br />

eine widerspruchsfreie Auslegung zu ermöglichen. Als Leitlinie darf hier vor allem<br />

die steuerliche Behandlung der Confusiogewinne im UmgrStG nicht aus<br />

den Augen verloren werden. Wenn etwa § 3 Abs 3 UmgrStG Gewinne aus der<br />

verschmelzungsbedingten Vereinigung von Aktiven und Passiven <strong>für</strong> steuerpflichtig<br />

erklärt, soll damit geradezu als Paradefall das Zusammenfallen einer<br />

teilwertberichtigten Forderung mit der korrespondierenden, voll ausgewiesenen<br />

Verbindlichkeit erfasst werden. 99 Nichts deutet darauf hin, dass dies bei einer<br />

Verschmelzung von Mutter- und Tochtergesellschaft nicht gelten soll. Ganz im<br />

Gegenteil: Der Zusammenfall von Gläubiger- und Schuldnerposition ist vielmehr<br />

eine häufig anzutreffende Konstellation gerade bei Mutter-Tochter-Verschmelzungen.<br />

100 Wenn der Gesetzgeber also das Zusammenfallen von teilwertabgeschriebenem<br />

Recht und zum Nennwert ausgewiesener Pflicht auch bei<br />

verbundenen Gesellschaften zur steuerlichen Erfassung der Differenz heranzieht,<br />

so steht diese Wertung dem Interpretationsergebnis des VwGH zum Forderungsverzicht<br />

des Gesellschafters diametral entgegen. 101 Das Ergebnis des<br />

VwGH führt nämlich – ebenso wie eine Bewertung der Einlage mit dem Buchwert<br />

der Verbindlichkeit – zB dazu, dass durch rechtzeitigen Forderungsverzicht<br />

der Muttergesellschaft vor eine Up-Stream-Verschmelzung die ausdrückliche<br />

Anordnung des § 3 Abs 3 UmgrStG unterlaufen und eine steuerliche Erfassung<br />

des Differenzbetrages nicht nur als Confusiogewinn, sondern – selbst bei unterstellter<br />

Anwendbarkeit des § 4 Abs 12 EStG auf den vollen Nennbetrag der Verbindlichkeit<br />

102 – aufgrund des Unterganges der Beteiligung und des Evidenzkontos<br />

der Tochtergesellschaft überhaupt vermieden werden könnte. 103 Auch aus<br />

diesem Blickwinkel vermag das Ergebnis des VwGH somit nicht zu überzeugen.<br />

199 Hügel in Hügel/Mühlehner/Hirschler, UmgrStG (2000) § 3 Rz 86; Bruckner in Helbich/Wiesner/Bruckner,<br />

Umgründungen I § 3 Rz 38 f; grundlegend und mit Vergleichen<br />

zum StruktVG bereits Hügel, Buchgewinne und -verluste, Firmenwertabschreibung,<br />

Internationale Schachtelbeteiligung, ecolex 1991, 875 (875 f); Wiesner,<br />

Buchgewinne und Buchverluste sowie Rechtsbeziehungen zwischen den Umgründern,<br />

SWK 1992, A I 121 (A I 121 ff). Für eine einschränkende Interpretation im<br />

Lichte der Vollneutralisierungstheorie des VwGH siehe nunmehr Kohlbacher/Walter<br />

in Beiser/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), Ertragsteuern in Wissenschaft und Praxis, FS<br />

Doralt (2007) 219 (219 ff).<br />

100 Bruckner in Helbich/Wiesner/Bruckner, Umgründungen I § 3 Rz 39 m FN 377; siehe<br />

auch Rz 163 UmgrStR 2001.<br />

101 In diese Richtung auch Wiesner, Einlagen und Entnahmen, RWZ 2005/99, 332<br />

(332 ff).<br />

102 Dazu unten Kapitel III.<br />

103 Siehe dazu gleich die Beispiele unten in Kapitel III.


Der unbedingte Forderungsverzicht des Gesellschafters<br />

III Die Behandlung des verzichtenden Gesellschafters<br />

293<br />

Über die Behandlung des Verzichtes einer nicht mehr voll werthaltigen Forderung<br />

auf Ebene des Gesellschafters besteht Einigkeit: Unabhängig davon,<br />

ob die Forderung zum Betriebs- oder Privatvermögen des Gesellschafters<br />

gehört, führt der gesellschaftlich veranlasste Verzicht des Anteilsinhabers auf<br />

seine Forderung gegen die Körperschaft in Höhe jenes Betrages zu eine Einlage,<br />

der dem Tageswert 104 der Forderung im Zeitpunkt des Verzichts<br />

entspricht. 105 Nur insoweit – und nicht etwa in Höhe des Nennbetrages –<br />

kommt es zu einer steuerneutralen Erhöhung der Anschaffungskosten der<br />

Beteiligung im außerbetrieblichen Bereich bzw des Buchwertes im betrieblichen<br />

Bereich des erlassenden Gesellschafters. 106 Dieses Ergebnis besticht in<br />

seiner Logik auch vor dem Hintergrund, dass eine Einlage nur aus bereits<br />

versteuertem Einkommen 107 erfolgen kann: Im betrieblichen Bereich zeigt<br />

sich die Richtigkeit dieses Ergebnisses daher schon darin, dass die Forderung<br />

nach § 6 Abs 2 lit a EStG bereits mit dem niedrigeren <strong>Teil</strong>wert zu Buche<br />

steht und nur insofern ein auf die Beteiligung aktivierbarer Aufwand getätigt<br />

104 Dies ist im Lichte des § 6 Z 14 lit b EStG im Grunde der gemeine Wert, der allerdings<br />

bei Forderungen ohnehin dem <strong>Teil</strong>wert entsprechen wird; siehe dazu die Nachweise<br />

in FN 52.<br />

105 Darin stimmen im Grunde auch BFH 9.6.1997, GrS 1/94, BFHE 183, 187, BStBl<br />

1998 II 307, und VwGH 26.5.1998, 94/14/0042, ÖStZB 1998, 701, überein. Siehe<br />

weiters Kirchmayr/Zöchling, Forderungsverzicht eines Gesellschafters, ÖStZ 1998, 3<br />

(3 ff); Zorn, Verzicht des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft auf nicht voll werthaltige<br />

Forderungen, SWK 2005, S 913 (S 913 ff).<br />

106 Hinsichtlich des nicht werthaltigen <strong>Teil</strong>es der Forderung kommt es daher auch nicht<br />

zu einer steuerwirksamen Rückgängigmachung von bereits vorgenommenen <strong>Teil</strong>wertabschreibungen.<br />

Anders als bei einem Gesellschafterzuschuss stellen sich allfällige Folgefragen<br />

im Hinblick auf eine <strong>Teil</strong>wertabschreibung oder deren Siebentelung nach<br />

§ 12 Abs 3 KStG hinsichtlich des nicht werthaltigen <strong>Teil</strong>es der Forderung damit von<br />

vornherein nicht; siehe dazu auch R & R, Verzicht auf wertlose Gesellschafterforderung,<br />

FJ 1997, 247 (247); Kirchmayr/Zöchling, Forderungsverzicht eines Gesellschafters,<br />

ÖStZ 1998, 3 (3 ff). Zur nachfolgenden <strong>Teil</strong>wertabschreibung des „hinzuaktivierten“<br />

<strong>Teil</strong>es siehe mwN UFS 14.4.2004, RV/2107-L/02. Zum Ansatz des<br />

Nennbetrages <strong>für</strong> den Fall, dass das Darlehen eigenkapitalersetzenden Charakter hatte<br />

siehe aus der deutschen Rsp BFH 10.11.1998, VIII R 6/96, BFHE 187, 480, BStBl<br />

1999 II 348; BFH 16.5.2001, I B 143/00, BFHE 195, 351, BStBl 2002 II 436; dazu<br />

etwa Ostermayer, Kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen: BFH harmonisiert Darlehensausfall<br />

und Darlehensverzicht, BB 2003, 1 (1 ff); vgl auch Heinrich, Eigenkapitalersetzende<br />

Gesellschafterdarlehen im Steuerrecht, ÖStZ 1995, 417 (417 ff).<br />

107 Im Fall einer fremdfinanzierten Einlage steht dem die Erwartung des Steuerrechts gegenüber,<br />

dass die eingegangene Verbindlichkeit letztlich mit versteuertem Einkommen<br />

getilgt wird.


294 Georg Kofler<br />

wird. 108 Aber auch bei einem Eintreten des Wertverfalls nach dem Bilanzstichtag<br />

kann nichts Anderes gelten: „[D]er Verzicht eines Gesellschafters auf<br />

seine Forderung stellte bei ihm nur mit dem Betrag eine gesellschaftlich veranlaßte<br />

Maßnahme dar, der dem Tageswert der Forderung im Zeitpunkt des Verzichts<br />

entspricht“. 109 Eine ähnliche Symmetrie zeigt sich auch im außerbetrieblichen<br />

Bereich, wo in Höhe des gemeinen Wertes der verzichteten Forderung die<br />

Anschaffungskosten der Beteiligung iSd §§ 30, 31 EStG auf Gesellschafterebene<br />

zu erhöhen sind. 110 Der Forderungsverzicht hat damit im Ergebnis einen<br />

– allenfalls steuerauslösenden 111 – Zufluss der Wertsteigerung der Anteile<br />

in Höhe des Tageswerts der Forderung zur Folge, 112 während der Restbetrag<br />

der Forderung entsprechend der Quellentheorie steuerneutral aus dem Vermögen<br />

des Gesellschafters ausscheidet. 113 Die positiven Wirkungen dieser<br />

Einlage von versteuertem Einkommen treten beim Gesellschafter zumindest<br />

im Veräußerungsfall aufgrund des erhöhten Beteiligungsansatz steuerlich in<br />

Form eines niedrigeren Gewinnes bzw eines höheren Verlustes ein. 114<br />

108 Nolz in Doralt/Hassler/Kranich/Nolz/Quantschnigg (Hrsg), Die Besteuerung der Kapitalgesellschaft,<br />

FS Bauer (1986) 191 (200).<br />

109 VwGH 26.5.1998, 94/14/0042, ÖStZB 1998, 701. Damit wird richtigerweise auch<br />

eine Abgrenzung zwischen dem Wertverfall im betrieblichen Bereich und der Höhe<br />

der Einlage hergestellt: Der Wert der Forderung im Zeitpunkt des Verzichtes ist eine<br />

Einlage iSd § 6 Z 14 lit b EStG, die Differenz zwischen dem letzten Buchwert und<br />

dem <strong>Teil</strong>wert ist hingegen aufwandswirksam; vgl auch Kolienz/Wiesner/Zöchling, Aktuelle<br />

Entwicklungen um Unternehmens- und Konzernsteuerrecht, RdW 2006/617,<br />

658 (659); siehe insofern auch zum betrieblich veranlassten Forderungsverzicht<br />

Rz 7254 EStR 2000; Quantschnigg/Schuch, ESt-HB (1993) § 36 Tz 6; Doralt/Heinrich,<br />

EStG 8 (2004) § 36 Tz 14.<br />

110 Der gemeine Wert ist schon deshalb maßgeblich, weil § 30 Abs 5 und § 31 Abs 7<br />

EStG ausdrücklich auf den gesamten § 6 Z 14 EStG verweisen; aA offenbar Heinrich,<br />

Der Verzicht des Gesellschafters auf eine nicht mehr voll werthaltige Forderung,<br />

FJ 1997, 312 (312 ff).<br />

111 ZB bei Mietzinsforderungen, Darlehenszinsforderungen etc; siehe auch Kirchmayr/<br />

Zöchling, Forderungsverzicht eines Gesellschafters, ÖStZ 1998, 3 (3 ff). Siehe zum<br />

außerbetrieblichen Bereich ausführlich und kritisch Heinrich in Beiser/Kirchmayr/Mayr/<br />

Zorn (Hrsg), Ertragsteuern in Wissenschaft und Praxis, FS Doralt (2007) 91 (101 ff).<br />

112 Siehe dazu auch Heinrich, Der Verzicht des Gesellschafters auf eine nicht mehr voll<br />

werthaltige Forderung, FJ 1997, 312 (312 ff mwN).<br />

113 VwGH 5.7.1988, 85/14/0111, ÖStZB 1989, 36; VwGH 20.6.1990, 90/13/0064,<br />

0065, ÖStZB 1991, 35; VwGH 6.11.1991, 89/13/0093, ÖStZB 1992, 477; VwGH<br />

24.10.2005, 2002/13/0031, ÖStZB 2006/193 = ecolex 2006/102 m Anm Petritz.<br />

114 Siehe allerdings auch die Überlegungen zu den (systemimmanenten) Verschiebeeffekten<br />

zu Gunsten der Mitgesellschafter im Falle des Forderungsverzichts eines<br />

Gesellschafters, der zu weniger als 100 % an der Gesellschaft beteiligt ist, Gebhardt,<br />

Besteuerungsfolgen <strong>für</strong> den GmbH-Gesellschafter nach dem Beschluß des Großen<br />

Senats des BFH zum Forderungsverzicht, DStR 1998, 225 (226).


Der unbedingte Forderungsverzicht des Gesellschafters<br />

295<br />

Die steuerliche Behandlung auf Gesellschafterebene kann allerdings im<br />

Zusammenwirken mit der Neutralisierungstheorie des VwGH auf Gesellschaftsebene<br />

zu Verwerfungen führen, zumal die Vollneutralisierung eine –<br />

zumindest temporäre – Asymmetrie der Steuerwirkungen beim Gesellschafter<br />

einerseits und der Gesellschaft andererseits bewirkt: Sofern es sich nicht um<br />

eine Darlehensgewährung im außerbetrieblichen Bereich handelte, wird beim<br />

verzichtenden Gesellschafter nämlich letztlich nur ein Gewinn bzw Überschuss<br />

in Höhe des werthaltigen <strong>Teil</strong>s der Forderung erfasst, während bei der<br />

Gesellschaft im Ergebnis der gesamte Nennbetrag der Verbindlichkeit gewinnmindernd<br />

wirkt und in den Verlustvortrag eingeht. Diese Effekte treten<br />

sowohl dann ein, wenn der Forderung ein gewinnwirksamer Leistungsvorgang<br />

zwischen Gesellschafter und Gesellschafter zu Grunde liegt, 115 als auch,<br />

wenn es sich um eine Darlehensgewährung aus dem Betriebsvermögen des<br />

Gesellschafters handelt. 116, 117 Besonders augenscheinlich kann sich diese<br />

115 Der einfachste Fall ist, dass der Gesellschafter als Überschussrechner zB der Gesellschaft<br />

eine Liegenschaft vermietet, jedoch noch keinen Zufluss des Mietzinses hatte;<br />

bei der Gesellschaft war die auflaufende Mietzinsenverbindlichkeit hingegen bereits<br />

gewinnmindernd und wird nach dem Vollneutralisierungstheorie des VwGH im Falle<br />

des Verzichts auch nicht nachversteuert, während der Gesellschafter im Verzichtsfall<br />

nur in Höhe des werthaltigen <strong>Teil</strong>s einen steuerpflichtigen Zufluss erfährt. Im betrieblichen<br />

Bereich wird dieser asymmetrische Effekt durch die steuerwirksame<br />

<strong>Teil</strong>wertabschreibung der bereits gewinnerhöhend erfassten Forderung auf Gesellschafterebene<br />

bewirkt, während auf Gesellschaftsebene der gewinnmindernden Verbindlichkeitsbildung<br />

im Verzichtsfalle keine korrespondierende Gewinnerhöhung<br />

gegenübersteht.<br />

116 Im Fall einer Darlehensgewährung im betrieblichen Bereich gewährte der Gesellschafter<br />

das Darlehen aus bereits versteuertem Einkommen, neutralisiert diese Steuerpflicht<br />

aber nachträglich – je nach Wertminderung der Forderung zumindest teilweise<br />

– durch die <strong>Teil</strong>wertabschreibung der Forderung. Auf Seiten der Gesellschaft ist die<br />

Darlehensaufnahme zwar steuerneutral, mit den Darlehensmitteln konnten aber zB<br />

betriebsausgabenwirksame Aufwendungen bestritten wurde. Wenn nun nach Ansicht<br />

des VwGH der gesamte Betrag der Darlehensverbindlichkeit erfolgsneutral ausgebucht<br />

werden kann, bleibt es auf Gesellschaftsebene bei der Ausgabenwirksamkeit.<br />

117 Bei einer privaten Darlehensgewährung kommt es zwar nicht zu einer derartigen<br />

Asymmetrie, es kommt aber durch die Vollneutralisierungsthese zu einem Aufweichen<br />

der Quellentheorie im außerbetrieblichen Bereich: Erfolgte die Darlehensgewährung<br />

aus dem Privatvermögen des Gesellschafters, so wirkte die Wertminderung<br />

nicht gewinnmindernd (siehe zB VwGH 5.7.1988, 85/14/0111, ÖStZB 1989, 36;<br />

VwGH 20.6.1990, 90/13/0064, 0065, ÖStZB 1991, 35; VwGH 6.11.1991,<br />

89/13/0093, ÖStZB 1992, 477). Dies ist freilich eine Konsequenz der grundsätzlichen<br />

Irrelevanz des Vermögensstammes im Privatbereich, deren Kompensation auf<br />

Gesellschaftsebene durch die Vollneutralisierungstheorie des VwGH ebenfalls nicht<br />

angezeigt ist. Allenfalls wäre an eine Berücksichtigung des Wertverlustes bei der Veräußerung<br />

zu denken.


296 Georg Kofler<br />

Asymmetrie im Rahmen der Gruppenbesteuerung auswirken: 118 Wird beispielsweise<br />

eine risikoreiche Tochtergesellschaft mit steuerlich anerkanntem<br />

konzerninternem Fremdkapital ausgestattet, so könnte bei Eintreten des Risikos<br />

und entsprechender Verluste der Tochtergesellschaft schlicht auf die Forderung<br />

verzichtet werden; bei der Muttergesellschaft ist dieser Verzicht – sofern<br />

nicht ohnehin bereits steuerwirksame <strong>Teil</strong>wertabschreibungen auf die<br />

Forderung vorgenommen wurden – in Höhe des nicht werthaltigen <strong>Teil</strong>es betriebsausgabenwirksam,<br />

während es bei der Tochtergesellschaft insgesamt zu<br />

einer steuerneutralen Vermögensmehrung kommt. Innerhalb der Gruppe<br />

kommt es damit zu einer doppelten Verlustverwertung: Einerseits werden die<br />

Verluste der Tochtergesellschaft verwertet, andererseits war die daraus resultierende<br />

Wertminderung der Forderung ausgabenwirksam, ohne dass dem eine<br />

korrespondierende Gewinnerhöhung auf Ebene der Tochtergesellschaft<br />

anlässlich des Verbindlichkeitswegfalles gegenüberstünde. 119<br />

Der steuerliche „Preis“ <strong>für</strong> die Steuervorteile dieser Asymmetrie besteht<br />

<strong>für</strong> den Gesellschafter grundsätzlich in der Eigenkapitalwirkung auf Gesellschaftsebene.<br />

120 Die Ausschüttung der durch die Verbindlichkeitsneutralisierung<br />

geschaffenen Eigenkapitals führt beim Gesellschafter entweder zur Erfassung<br />

als Ausschüttung oder – sofern und insoweit der Forderungsverzicht<br />

handelsrechtliche Einlagewirkung iSd § 229 Abs 2 Z 5 UGB hat – über § 4<br />

Abs 12 EStG zur Reduktion des Beteiligungsansatzes und damit zur Schaffung<br />

stiller Reserven in der Beteiligung. 121 Bereits vor mehr als eineinhalb<br />

118 Dazu Kolienz/Wiesner/Zöchling, Aktuelle Entwicklungen um Unternehmens- und<br />

Konzernsteuerrecht, RdW 2006/617, 658 (659).<br />

119 Eine Verdoppelung von Gewinnen und Verlusten – auf Ebene der Tochtergesellschaft<br />

einerseits, in der Beteiligung andererseits – ist im Falle der Eigenkapitalfinanzierung<br />

im Körperschaftsteuerrecht zwar durchaus systematische Konsequenz des<br />

Trennungsprinzips, wird aber aufgrund der Zusammenfassung der Ergebnisse im Fall<br />

der Gruppenbesteuerung durch § 9 Abs 7 KStG ebenso systemkonform unterbunden;<br />

auch dies spricht dagegen, in der Gruppe eine doppelte Verlustverwertung im<br />

Fremdfinanzierungsfalle durch den Verzicht auf eine nicht mehr voll werthaltige Forderung<br />

zu gestatten. Siehe zur Frage der „Kompensation“ durch die Schaffung stiller<br />

Reserven in der Beteiligung sogleich unten.<br />

120 Siehe auch die Überlegungen bei Heinrich, Der Verzicht des Gesellschafters auf eine<br />

nicht mehr voll werthaltige Forderung, FJ 1997, 312 (312 ff); Petritz, Steuersparmodell<br />

Forderungsverzicht im Konzern, GeS 2006, 125 (125 ff).<br />

121 Für die Sichtweise des VwGH könnte daher allenfalls der Vergleich mit einer Darlehensrückzahlung<br />

nach Wiedererstarken der Gesellschaft oder einem direkten Gesellschafterzuschuss<br />

herangezogen werden, die jeweils im Wesentlichen zu vergleichbaren<br />

Ergebnissen führen wurden (dazu vor allem Heinrich, Der Verzicht des<br />

Gesellschafters auf eine nicht mehr voll werthaltige Forderung, FJ 1997, 312 [312 ff];<br />

siehe zum Vergleich mit der anfänglichen Bareinlage auch Hoffmann, Fragen und


Der unbedingte Forderungsverzicht des Gesellschafters<br />

297<br />

Jahrzehnten wurde daher im deutschen Schrifttum unter dem Schlagwort eines<br />

– vermeintlichen 122 – „Steuersparmodells“ 123 darauf hingewiesen, dass im<br />

Falle einer Vollneutralisierung auf Gesellschaftsebene der Nennwert der Verbindlichkeit<br />

steuerneutral zu Eigenkapital der Gesellschaft werde und nach<br />

Wiedererstarken der Gesellschaft steuerneutral an den Gesellschafter ausgeschüttet<br />

werden könne. Für das österreichische Steuerrecht wird dieser Überlegung<br />

von der hA 124 aufgegriffen und insofern auf einen nicht unerheblichen<br />

Stundungseffekt einer Vollneutralisierung auf Gesellschaftsebene hingewiesen:<br />

Der Gesetzgeber sieht nämlich die Einlagenrückzahlung als contrarius<br />

actus zum als Tausch normierten Einlagevorgang nach § 6 Z 14 lit b;<br />

Einlagenrückzahlungen werden daher als Rücktausch angesehen und in<br />

§ 4 Abs 12 iVm § 15 Abs 4 EStG als Veräußerungstatbestände bezeichnet. 125<br />

Sie mindern den Beteiligungsansatz beim Gesellschafter und führen letztlich<br />

– bei Überschreiten des Beteiligungsansatzes – zu einem Veräußerungsgewinn.<br />

Die hA 126 erblickt nun im Forderungsverzicht in Höhe des Buchwertes<br />

der Verbindlichkeit eine Einlage iSd § 4 Abs 12 EStG, deren Rückzahlung<br />

steuerneutral sei und lediglich den – allenfalls wertaufgeholten – Beteili-<br />

Gestaltungshinweise zur BFH-Entscheidung über den Forderungsverzicht des Gesellschafters<br />

– Vom Steuersparmodell zum BFH-Unikat –, DStR 1997, 1625<br />

[1630]). Im Unterschied zu diesen beiden Gestaltungen beendet aber der Forderungsverzicht<br />

gerade das ursprüngliche Schuldverhältnis und führt es in den Bereich<br />

der Eigenkapitalfinanzierung über, was ausreichender Anlass zu sein scheint, auch die<br />

steuerlichen Folgen unter Anwendung des § 6 Z 14 EStG daraus zu ziehen, selbst<br />

wenn dies zu einem anderen steuerlichen Ergebnis als die Beibehaltung des ursprünglichen<br />

Investments führt.<br />

122 Siehe dazu auch die ausführliche Analyse von Hoffmann, Der Verzicht des Gesellschafters<br />

auf Forderungen gegen die Kapitalgesellschaft, DStR 1995, 77 (80 f); Hoffmann,<br />

Fragen und Gestaltungshinweise zur BFH-Entscheidung über den Forderungsverzicht<br />

des Gesellschafters – Vom Steuersparmodell zum BFH-Unikat –,<br />

DStR 1997, 1625 (1625 ff, 1628).<br />

123 Wassermeyer, Zur Einlage nicht mehr werthaltiger Gesellschafter-Forderungen in das<br />

Vermögen einer Kapitalgesellschaft, DB 1990, 2288 (2288 f).<br />

124 Siehe Heinrich, Der Verzicht des Gesellschafters auf eine nicht mehr voll werthaltige<br />

Forderung, FJ 1997, 312 (312 ff); Petritz, Steuersparmodell Forderungsverzicht im<br />

Konzern, GeS 2006, 125 (125 f).<br />

125 Siehe nur BMF, Steuerliche Behandlung von Einlagenrückzahlungen iSd § 4 Abs 12<br />

und § 15 Abs 4 EStG, AÖF 88/1998 = ÖStZ-BMF 1998/14; siehe auch Rz 691<br />

KStR 2001.<br />

126 Siehe wiederum Heinrich, Der Verzicht des Gesellschafters auf eine nicht mehr voll<br />

werthaltige Forderung, FJ 1997, 312 (312 ff); Beiser, Steuern 5 (2007), 179; Petritz,<br />

Steuersparmodell Forderungsverzicht im Konzern, GeS 2006, 125 (125 f); ebenso<br />

wohl auch Schwarzinger, Besserungsvereinbarungen im Bilanzrecht, ecolex 1997, 529<br />

(529 ff).


298 Georg Kofler<br />

gungsansatz beim Gesellschafter mindere. Im Ausmaß dieser Minderung werden<br />

zwar idealtypisch stille Reserven in der Beteiligung geschaffen, diese wird<br />

der Gesellschafter aber regelmäßig erst im Falle der Beteiligungsveräußerung<br />

realisieren. Im Ergebnis würde damit dem Gesellschafter die sofortige <strong>Teil</strong>wertabschreibung<br />

der Forderung bzw der nur in Höhe des werthaltigen <strong>Teil</strong>es<br />

angenommene Zufluss im „Austausch“ <strong>für</strong> die Schaffung stiller Reserven in<br />

der Beteiligung gewährt. 127<br />

Ob sich ein solch langfristiger Stundungseffekt aber tatsächlich aus der<br />

steuerlichen Rechtsprechung des VwGH ergibt, hängt letztlich einzig davon<br />

ab, ob der Forderungsverzicht eine Einlage iSd § 4 Abs 12 EStG darstellt.<br />

Dies wiederum richtet sich danach, ob und in welcher Höhe die Einlage nach<br />

§ 229 Abs 2 Z 5 UGB in die Kapitalrücklage einzustellen ist. Die deutsche<br />

Rechtsprechung zum vergleichbaren § 272 Abs 2 Nr 4 dHGB geht diesbezüglich<br />

davon aus, dass der Verzicht des Gesellschafters auf Ansprüche der<br />

Gesellschaft nur insoweit eine Einlage gem § 272 Abs 2 Nr 4 dHGB sein<br />

kann, als der gemeine Wert der Forderung reicht; 128 diese Auslegung würde<br />

auch der österreichischen Rechtsprechung zur Anrechnung des Forderungsverzichts<br />

bzw der gesellschaftsseitigen Aufrechnung als Sach- bzw Bareinlage<br />

gegen die Stammeinlageforderung der Gesellschaft nur mit dem werthaltigen<br />

<strong>Teil</strong> der Forderung entsprechen. 129 Folgt man dieser Ansicht <strong>für</strong> Zwecke des<br />

§ 4 Abs 12 EStG iVm § 229 Abs 2 Z 5 UGB, so wäre nur der werthaltige <strong>Teil</strong><br />

der Forderung evidenzkontenerhöhend; im Übrigen wäre die Auskehrung des<br />

Eigenkapitals an eine natürliche Person als Gesellschafter als steuerpflichtige<br />

Ausschüttung nach §§ 93 ff EStG zu erfassen, während bei Körperschaften<br />

als Gesellschafter das Schachtelprivileg des § 10 KStG greifen würde. 130 Dies<br />

hätte freilich <strong>für</strong> das oben erwähnte Beispiel der doppelten Verlustberücksich-<br />

127 Hinzu kommt, dass diesfalls die <strong>Teil</strong>wertabschreibung der Forderung eine Steuerminderung<br />

zum Tarif bewirkte, während die Aufdeckung der stillen Reserven in der<br />

Beteiligung bei natürlichen Personen lediglich mit dem Halbsatz nach § 37 EStG erfasst<br />

wird.<br />

128 FG Hamburg 30.8.2001, VII 105/01, EFG 2002, 94 mwN; anders Baldamus, Forderungsverzicht<br />

als Kapitalrücklage gemäß § 272 Abs 2 Nr. 4 HGB, DStR 2003,<br />

852 (853 f mwN).<br />

129 Dazu bereits oben Kapitel II.2.1.<br />

130 Der aus einer von der hA angenommenen vollen Einlagebehandlung iSd § 4 Abs 12<br />

EStG iVm § 229 Abs 2 Z 5 UGB erfließende „Stundungseffekt“ ist <strong>für</strong> Körperschaften<br />

daher schon deshalb kein Vorteil, weil bei einer Ausschüttungsbehandlung<br />

ohnehin das Schachtelprivileg des § 10 KStG greifen würde; vielmehr wäre <strong>für</strong> Gesellschaften<br />

die beteiligungsansatzmindernde Einlagenrückzahlung nach § 4 Abs 12<br />

EStG insofern die unvorteilhaftere Variante, als die Schaffung stiller Reserven bzw<br />

die Minderung des Beteiligungsansatzes unter Null zu steuerpflichtigen Veräußerungsgewinnen<br />

führen würde (siehe Rz 511 KStR 2001).


Der unbedingte Forderungsverzicht des Gesellschafters<br />

299<br />

tigung im Rahmen der Gruppenbesteuerung zur Folge, dass diese permanent<br />

bliebe und nicht durch eine Schaffung stiller Reserven in der Beteiligung<br />

kompensiert würde.<br />

IV Ergebnis<br />

Der societatis causa erfolgte Verzicht eines Gesellschafters auf eine nicht voll<br />

werthaltige Forderung gegen die Gesellschaft führt auf deren Ebene zu einer<br />

Betriebsvermögensmehrung in Höhe des vollen Nennwertes der weggefallenen<br />

Verbindlichkeit. Die Rechtsprechung des VwGH betrachtet diese Vermögensmehrung<br />

zur Gänze und nicht nur in Höhe des werthaltigen <strong>Teil</strong>es<br />

der Forderung als steuerneutrale Einlage iSd § 8 Abs 1 KStG und kann somit<br />

rechtspolitisch als wünschenswerter Schritt zu einer sanierungsfreundlichen<br />

Besteuerung der Gesellschaftsentschuldung betrachtet werden. Allerdings<br />

steht diesem Ergebnis de lege lata das gesetzliche Korsett des § 6 Z 14<br />

lit b EStG iVm § 8 Abs 1 KStG ebenso entgegen wie die Wertungen des<br />

UmgrStG im Bereich der Confusiogewinne; überdies steht es in offenem<br />

Dissens zur Behandlung des Forderungsverzichts im Gesellschaftsrecht und<br />

dessen Anrechnung lediglich mit dem werthaltigen <strong>Teil</strong> auf die Einlageverpflichtung.<br />

Im Zusammenwirken mit der steuerlichen Behandlung auf<br />

Gesellschafterebene bewirkt die Vollneutralisierung auf Gesellschaftsebene<br />

zudem eine steuergünstige Asymmetrie, die vor allem im Rahmen der Gruppenbesteuerung,<br />

aber auch bei Up-Stream-Verschmelzungen zu einer permanenten<br />

doppelten Verlustverwertung führen kann.<br />

Der Gesetzgeber des BudgetbegleitG 2007 hat die Rechtsprechung des<br />

VwGH durch Verdeutlichungen in § 8 Abs 1 KStG im Sinne der Zwei-Stufen-Theorie<br />

korrigiert. Danach ist § 6 Z 14 lit b EStG auch auf Seiten der<br />

Gesellschaft „sinngemäß anzuwenden“. Ausdrücklich wurde weiters normiert,<br />

dass bei einem Forderungsverzicht des Gesellschafters „der nicht mehr werthaltige<br />

<strong>Teil</strong> der Forderung steuerwirksam“ ist.


Außerbetriebliche Sphäre<br />

von Kapitalgesellschaften


Gericht<br />

Verwaltungsgerichtshof<br />

Entscheidungsdatum<br />

23.02.2010<br />

Geschäftszahl<br />

2007/15/0003<br />

Betreff<br />

23.02.2010<br />

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte<br />

Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer,<br />

über die Beschwerde der P Gesellschaft m.b.H. in U, vertreten durch Mag. Ludwig Redtensteiner, Rechtsanwalt<br />

in 3340 Waidhofen/Ybbs, Unterer Stadtplatz 27, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenats,<br />

Außenstelle Wien, vom 20. November 2006, Zl. RV/0456- W/03, und RV/0745-W/04, betreffend Umsatz- und<br />

Körperschaftsteuer 1996 bis 2001 sowie Kapitalertragsteuer u.a. 1998 bis 2001, zu Recht erkannt:<br />

Spruch<br />

Soweit der angefochtene Bescheid Umsatz- und Körperschaftsteuer 1996 bis 2001 sowie<br />

Kapitalertragsteuer 1998 bis 2001 betrifft, wird er wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.<br />

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen<br />

bei sonstiger Exekution zu ersetzen.<br />

Begründung<br />

Die beschwerdeführende GmbH ist im Bereich der "Halbstoff-Erzeugung" <strong>für</strong> die Papier- und Kosmetikindustrie<br />

tätig. An der Beschwerdeführerin sind Frau IP - sie ist zugleich auch Geschäftsführerin - zu 25% und ihr<br />

Lebensgefährte WH zu 75% beteiligt.<br />

Anlässlich einer den Zeitraum 1996 bis 2000 umfassenden Buch- und Betriebsprüfung traf der Prüfer<br />

u.a. die Feststellung, die - 1989 gegründete - Beschwerdeführerin habe 1992 in N., H-Straße, ein Baugrundstück<br />

(3.455 m2) gekauft und darauf ein Einfamilienhaus errichtet. Das Haus sei mit Mietvertrag vom 2. Jänner 1998<br />

an die Gesellschafter-Geschäftsführerin IP vermietet worden, die es gemeinsam mit WH bewohne. Das Haus sei<br />

nach den Bedürfnissen der Gesellschafter gebaut worden, wobei der Bauplan ursprünglich auf die<br />

Familiennamen der beiden Gesellschafter gelautet habe. Auch Größe und Ausstattung (235 m2 Wohnfläche im<br />

Erdgeschoss, 107 m2 Wohnfläche im Obergeschoss, 235 m2 Kellerfläche, Doppelgarage, 3.455 m2 Garten mit<br />

Schwimmbecken) ließen daran zweifeln, ob das Gebäude auch <strong>für</strong> die Nutzungsüberlassung an einen fremden<br />

Arbeitnehmer hergestellt worden wäre. Es könne daher nicht von einer ausschließlichen oder überwiegenden<br />

betrieblichen Nutzung gesprochen werden. Es sei im gegenständlichen Fall nicht behauptet worden, dass das<br />

Haus als Dienstwohnung überlassen worden sei. Es sei allerdings behauptet worden, dass ca 30% des Gebäudes<br />

<strong>für</strong> den Gewerbebetrieb der Beschwerdeführerin genutzt würden (Besprechungszimmer von 35 m2 und<br />

Gästezimmer von 18 m2 sowie gemeinsam benutzter Vorraum von 28 m2 im Erdgeschoss und als Büro<br />

bezeichneter Raum von 21 m2 im Obergeschoss). Eine Auskunft, wann und von wem diese Räume genutzt<br />

worden seien, habe die Beschwerdeführerin nicht erteilt. Die behauptete Nutzung <strong>für</strong> Besprechungen und<br />

Nächtigungen führe im Übrigen zu Repräsentationsaufwendungen. Die Herstellung des Gebäudes sei sohin nicht<br />

durch den Betrieb veranlasst, das Gebäude zähle daher nicht zum betrieblichen Vermögen. Das Argument, die<br />

Liegenschaft diene neben der Einnahmenerzielung im Wege der Vermietung der Stärkung der Eigenkapitalbasis<br />

und sei daher als gewillkürtes Betriebsvermögen zu betrachten, sei unzutreffend. Da die Errichtung des<br />

Gebäudes durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sei, liege außerbetriebliches Vermögen vor. Die<br />

Vermietung führe im Übrigen derzeit zu einem jährlichen Verlust von 7.980,96 ATS. Nach Ansicht des Prüfers<br />

seien bei der Gewinnermittlung die auf das Gebäude entfallenden Kosten dem Gewinn der Beschwerdeführerin<br />

wiederum hinzuzurechnen, die als Ertrag erfassten Mieten seien hingegen auszuscheiden (Tz 38a des BP-<br />

Berichts).<br />

Das Mietentgelt <strong>für</strong> das gehoben ausgestattete Haus in ruhigem Wohngebiet sei mit 8.500 ATS zuzüglich<br />

Umsatzsteuer zu niedrig. Entgegen der Vereinbarung im Mietvertrag habe die Beschwerdeführerin auch <strong>Teil</strong>e<br />

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Verwaltungsgerichtshof 23.02.2010<br />

der Betriebskosten getragen und die vereinbarte Indexanpassung noch nicht vorgenommen. Auch wenn das<br />

Gebäude nicht zum Betriebsvermögen der Beschwerdeführerin zähle, sei die fremdunübliche<br />

Nutzungsüberlassung kapitalertragsteuerlich als verdeckte Ausschüttung zu erfassen (Tz 44b des BP-Berichts).<br />

Da das Gebäude sohin nicht zum Unternehmen der Beschwerdeführerin gehöre, sei gemäß § 12 Abs. 2 Z. 2<br />

lit. a UStG 1994 der Vorsteuerabzug aus den Errichtungs- und Betriebskosten nicht möglich (Tz 19c des BP-<br />

Berichts).<br />

Den dargestellten und weiteren Prüfungsfeststellungen folgend erließ das Finanzamt Abgabenbescheide<br />

betreffend Körperschaft- und Umsatzsteuer 1996 bis 2001 sowie Haftungsbescheide <strong>für</strong> Kapitalertragsteuer 1997<br />

bis 2001.<br />

In der Berufung gegen diese Bescheide brachte die Beschwerdeführerin - soweit <strong>für</strong> das<br />

verwaltungsgerichtliche Verfahren noch von Bedeutung - vor, ein <strong>Teil</strong> des Gebäudes (ca. 30%) diene ihr <strong>für</strong><br />

Bürozwecke. Bei der Berechnung der Einkünfte aus der Vermietung <strong>für</strong> Wohnzwecke sei daher in diesem<br />

Ausmaß die AfA auszuscheiden, sodass die Vermietung zu einem jährlichen Einnahmenüberschuss führe. Damit<br />

zähle die Liegenschaft nicht zum außerbetrieblichen Vermögen der Beschwerdeführerin. Die mit der Errichtung<br />

des Gebäudes zusammenhängenden Vorsteuern seien <strong>für</strong> Leistungen angefallen, die das Unternehmen beträfen,<br />

und daher abzugsfähig. Dem Mietvertrag zufolge handle es sich bei dem Gebäude um eine Arbeiterwohnstätte,<br />

die der Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin zur Verfügung gestellt worden sei.<br />

Zur Frage der verdeckten Ausschüttung infolge eines zu geringen Mietentgeltes wurde eingewendet, dass<br />

der vereinbarte Mietzins fremdüblich sei und zu positiven Ergebnissen der Beschwerdeführerin führe. Bei der<br />

Beurteilung der Höhe des Mietzinses müsse beachtet werden, dass <strong>für</strong> Wohngebäude, die zum <strong>Teil</strong> betrieblich<br />

verwendet würden, nur ein geringerer Mietzins erzielbar sei.<br />

In einer Beilage zur Berufung berechnete die Beschwerdeführerin eine "angemessene Miete" unter<br />

Anwendung der Sachbezugsverordnung BGBl II Nr. 416/2001 - unter Abzug eines Abschlages von 20% wegen<br />

der Berücksichtigung des Umstandes, dass die Betriebskosten vom Mieter bezahlt werden - mit 7.991,32 ATS<br />

und stellt diese der tatsächlich festgelegten Miete von 8.500 ATS gegenüber. Die Beschwerdeführerin ging dabei<br />

von einer vermieteten Fläche von 222 m2 aus. Laut Punkt 2 des Mietvertrages seien nämlich das<br />

Besprechungszimmer, das Gästezimmer, der Vorraum (gemeinsame Nutzung) und das im Dachgeschoss<br />

gelegene Büro (also insgesamt 102 m2) nicht Gegenstand der Vermietung.<br />

In seiner Stellungnahme zur Berufung brachte der Betriebsprüfer vor, die behauptete betriebliche Nutzung<br />

der Räume im Erdgeschoss sei weder glaubhaft gemacht noch nachgewiesen worden. Angesichts der weiteren<br />

Büroräume der Beschwerdeführerin in der G-Straße sei es unwahrscheinlich, dass auch im Gebäude in der H-<br />

Straße betriebliche Besprechungen stattgefunden hätten. Das im Obergeschoss des Hauses in der H-Straße<br />

gelegene Büro sei als ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer zu werten. Eine betriebliche Nutzung<br />

des Büros im Obergeschoss (neben den Schlafräumen) und der Räume im Erdgeschoss sowie die gemeinsame<br />

Nutzung des Bades/WC sowie des Vorraumes im Erdgeschoss würden bei einer Vermietung an Fremde nicht<br />

vereinbart werden. Zudem seien von der Beschwerdeführerin auch Betriebskosten getragen worden.<br />

In der mündlichen Berufungsverhandlung brachte die Beschwerdeführerin vor, im Jahr 1992 sei ihr der<br />

erste Stock des Betriebsgebäudes in der G-Straße nicht zur Verfügung gestanden, weil er im Wohnungseigentum<br />

der Eltern von Frau IP gestanden sei. Somit habe die Beschwerdeführerin keinen Besprechungsraum gehabt. Es<br />

sei daher der Entschluss gefasst worden, die Liegenschaft in der H-Straße entsprechend "herzurichten". Es<br />

würden dort etwa fünf bis sechs Kunden betreut, insbesondere Kunden aus der Banknotenpapierindustrie, die<br />

eine persönliche und diskrete Betreuung erwarteten.<br />

Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde über die Berufung. Sie setzte die Haftung<br />

<strong>für</strong> Kapitalertragsteuer betragsmäßig herab, im Übrigen gab sie der Berufung in den noch vom<br />

verwaltungsgerichtlichen Verfahren betroffenen Punkten keine Folge.<br />

Zur Begründung führt die belangte Behörde aus, unter dem Terminus einer Arbeiterwohnstätte sei eine<br />

Wohnung verstanden worden, die geeignet sei, das Wohnbedürfnis eines Durchschnittsarbeiters zu befriedigen.<br />

Ihr Erwerb müsse erschwinglich sein. Als angemessene Wohnungsgröße sei eine Nutzfläche von 130 m2 und<br />

eine Grundstücksgröße von 1000 m2 anzunehmen. Eine derartige Arbeiterwohnstätte habe die<br />

Beschwerdeführerin zweifelsfrei nicht errichtet, da sowohl die Wohnnutzfläche als auch die erworbene<br />

Grundstücksfläche bei Weitem überschritten worden seien und eine eher luxuriöse Ausstattung (wie<br />

Doppelgarage, Schwimmbad) vorliege. Die Gebäudeerrichtung sei auch auf die Bedürfnisse der Gesellschafter<br />

bzw der Geschäftsführerin zugeschnitten.<br />

Die in Rede stehende Liegenschaft stelle auch nicht gewillkürtes Betriebsvermögen der Beschwerdeführerin<br />

dar. Im gegenständlichen Fall würden unbestritten 70% des Hauses durch die Gesellschafter privat genutzt; <strong>für</strong><br />

diese scheide die Zuordnung zum (gewillkürten) Betriebsvermögen der Beschwerdeführerin aus.<br />

Für die weiteren 30% des Gebäudes gelte Folgendes:<br />

Die allenfalls erfolgte gelegentliche Einräumung der Nächtigungsmöglichkeit im Gästezimmer im<br />

Erdgeschoss an Geschäftsfreunde, deren Zahl sehr gering sei, bewirke eine betriebliche Nutzung und somit eine<br />

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Verwaltungsgerichtshof 23.02.2010<br />

Zuordnung dieses Raumes zum Betriebsvermögen nicht. Die Bewirtung von Geschäftsfreunden gelte nach § 20<br />

Abs. 1 Z. 3 EStG als Repräsentation.<br />

Das Besprechungszimmer im Erdgeschoss stelle im Hinblick auf seine Wohn- und Esszimmereinrichtung<br />

und den geringen Umfang von Geschäftsfreunden ebenfalls notwendiges Privatvermögen dar. Eine betriebliche<br />

Nutzung sei nicht nachgewiesen oder glaubhaft gemacht worden. Im Falle einer geringfügigen Nutzung <strong>für</strong><br />

Besprechungen mit Geschäftsfreunden dominiere ebenfalls der Repräsentationscharakter.<br />

Das als Büroraum bezeichnete Arbeitszimmer im Obergeschoss stelle nach Ansicht der belangten Behörde<br />

ebenfalls Privatvermögen dar. Der Raum sei in den Wohnungsverband integriert. Er sei mit alten Büromöbeln<br />

und mit einer Anrichte und einem Fernsehgerät ausgestattet. Er stelle nicht den Mittelpunkt der beruflichen<br />

Tätigkeit der Geschäftsführerin dar, wenn sie dort auch abends und an Wochenenden Arbeiten verrichte. Gemäß<br />

§ 20 Abs. 1 Z. 2 lit. d EStG seien aber Aufwendungen <strong>für</strong> ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer<br />

nur dann abzugsfähig, wenn es den Mittelpunkt der betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit der<br />

Beschwerdeführerin (hier repräsentiert durch IP als die Geschäftsführerin) darstelle.<br />

Umsatzsteuerlich sei zwar (hinsichtlich des Arbeitszimmers) auf die Rechtslage im Zeitpunkt des Beitritts<br />

Österreichs zur EU abzustellen; bereits nach jener Rechtslage sei aber ein Arbeitszimmer nur dann steuerlich zu<br />

berücksichtigen gewesen, wenn es notwendigerweise ausschließlich oder nahezu ausschließlich betrieblich<br />

genutzt worden sei. Genauso wie Tätigkeiten eines Notars außerhalb seiner Kanzlei in seinem Einfamilienhaus<br />

an Abenden und an Wochenenden erfülle auch die Tätigkeit der Beschwerdeführerin in ihrem Arbeitszimmer<br />

diese Voraussetzungen nicht.<br />

Sohin stelle das gesamte Gebäude Privatvermögen der Beschwerdeführerin dar.<br />

Der Betriebsprüfer habe im Übrigen zutreffend festgestellt, dass es nach der Nutzung der "Dienstwohnung"<br />

der Geschäftsführerin unabhängig hievon zu Gehaltserhöhungen gekommen sei, sodass ein Konnex zwischen<br />

Geschäftsführertätigkeit und Wohnungsüberlassung nach Ansicht der belangten Behörde nicht ableitbar sei.<br />

Der Mietzins sei nicht in fremdüblicher Höhe festgesetzt worden, zumal eine Zuordnung des vereinbarten<br />

Mietzinses zu einem etwa 70%igen Gebäudeanteil nicht durchführbar sei (und daher ein fremdüblicher Mietzins<br />

nach der Größe des Gesamtgebäudes zu bemessen sei). Weil im konkreten Fall kein fremdüblicher Mietzins<br />

vereinbart worden sei, sei das Mietverhältnis steuerlich nicht anzuerkennen.<br />

Der Vorsteuerabzug stehe gemäß § 12 Abs. 2 Z. 1 UStG 1994 nicht zu, da die Entgelte zur Gänze nicht als<br />

Betriebsausgaben anzuerkennen seien. Dabei lägen auch keine steuerlich zu erfassenden Vermietungsumsätze<br />

vor.<br />

In Zusammenhang mit der Angemessenheit der Höhe des Mietzinses habe der Prüfer Erhebungen über<br />

Vergleichsmieten angestellt, aus denen zu erschließen sei, dass bei vergleichbaren Objekten zum <strong>Teil</strong> weit mehr<br />

als 50 ATS pro m2 erzielbar seien. Somit sei - bezogen auf das gesamte Gebäude - die vom Finanzamt<br />

festgestellte Miethöhe von 17.100 ATS durchaus erzielbar. Durch die zu niedrige Miete sei eine Zuwendung der<br />

Beschwerdeführerin an die Gesellschafter in Form einer verdeckten Ausschüttung erfolgt. Aber nicht nur die<br />

Miete sei zu niedrig gewesen, es seien auch noch - vertragswidrig - die Betriebskosten nur zum <strong>Teil</strong> von der<br />

Mieterin getragen worden und es sei auf die Durchsetzung der Wertsicherung verzichtet worden. Es sei als<br />

erwiesen anzusehen, dass entsprechende Vorteilszuwendungen an die Gesellschafter geplant gewesen seien.<br />

Mangels Fremdüblichkeit sei das Mietverhältnis nicht anzuerkennen, da die durch Lehre und Rechtsprechung<br />

erarbeiteten Grundsätze <strong>für</strong> die steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen (und<br />

zwischen Gesellschaft und Gesellschafter) damit nicht erfüllt seien. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin<br />

hinsichtlich einer Alternativrendite folgend sei allerdings der fremdübliche Mietzins mit 314.708 ATS<br />

anzunehmen. Durch Gegenüberstellung mit der tatsächlich gezahlten Miete von 112.200 ATS errechne sich eine<br />

verdeckte Ausschüttung von nur mehr jährlich 202.508 ATS (<strong>für</strong> die Jahre 1997 bis 2001). Die<br />

Kapitalertragsteuer betrage jährlich<br />

50.627 ATS. Insoweit werde der Berufung hinsichtlich Kapitalertragsteuer teilweise Folge gegeben.<br />

Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.<br />

Sie erachtet sich als verletzt im Recht auf Zuordnung des in Rede stehenden Gebäudes zu ihrem (allenfalls<br />

gewillkürten) Betriebsvermögen sowie auf Anerkennung der damit zusammenhängenden Betriebsausgaben und<br />

Vorsteuern.<br />

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:<br />

Für ca 30% des Gebäudes hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren behauptet, sie seien nicht<br />

vermietet worden, sondern hätten unmittelbar betrieblichen Zwecken gedient. Zu diesen Gebäudeteilen gehört<br />

das Büro im Obergeschoss und das Gästezimmer im Erdgeschoss des Gebäudes.<br />

Auf den Büroraum im Obergeschoss des Hauses hat die belangte Behörde das Abzugsverbot des § 20<br />

Abs. 1 Z. 2 lit. d EStG 1988 zur Anwendung gebracht. Sie hat ausgeführt, nach dieser Bestimmung wären die<br />

Aufwendungen <strong>für</strong> ein Arbeitszimmer nur abziehbar, wenn es den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen oder<br />

beruflichen Tätigkeit der Beschwerdeführerin, hier repräsentiert durch IP als die Geschäftsführerin, darstellte.<br />

Der Raum bilde aber im gegenständlichen Fall nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit der<br />

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Verwaltungsgerichtshof 23.02.2010<br />

Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin. Es treffe auch nicht zu, dass die Geschäftsführerin dieses im<br />

Wohnungsverband befindliche Arbeitszimmer "notwendigerweise" ausschließlich oder nahezu ausschließlich<br />

betrieblich nutze.<br />

Mit dieser rechtlichen Beurteilung hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt. Die Norm des § 20<br />

Abs. 1 Z. 2 lit. d EStG 1988 ist auf Körperschaftsteuersubjekte nicht anwendbar, zumal § 12 KStG 1988 keinen<br />

Verweis auf diese Norm enthält. Aber auch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die auf die<br />

Erforderlichkeit eines häuslichen Arbeitszimmers abstellt (vgl. die bei Doralt/Kofler, EStG11, § 20 Tz 104/9<br />

zitierte hg Rechtsprechung), betrifft lediglich die Frage der steuerlichen Berücksichtigung des Arbeitszimmers<br />

bei demjenigen, in dessen Haushalt das Arbeitszimmer gelegen ist, nicht hingegen die steuerliche<br />

Berücksichtigung beim Arbeitgeber. Als Folge der Verkennung der Rechtslage hat die belangte Behörde<br />

konkrete Feststellungen darüber, dass der Büroraum von den Gesellschaftern privat genutzt worden sei,<br />

unterlassen.<br />

Bereits damit erweist sich der angefochtene Bescheid, soweit er Körperschaftsteuer betrifft, als mit<br />

Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Soweit der angefochtene Bescheid Umsatzsteuer betrifft, gilt Gleiches,<br />

weil die belangte Behörde den Vorsteuerausschluss darauf stützt, dass das Gebäude zur Gänze nicht zu<br />

Betriebsausgaben führt.<br />

Zum - dem Vorbringen der Beschwerdeführerin zufolge <strong>für</strong> ihren Gewerbebetrieb genutzten - Gästezimmer<br />

wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt, die allenfalls erfolgte gelegentliche Einräumung der<br />

Nächtigungsmöglichkeit <strong>für</strong> Geschäftsfreunde bewirke nicht eine Zuordnung zum Betriebsvermögen. Ein<br />

dadurch veranlasster Aufwand sei als Repräsentationsaufwand in Form der Geschäftsfreundebewirtung gemäß<br />

§ 20 Abs. 1 Z. 3 EStG 1988 nicht abziehbar. Diese rechtliche Beurteilung ist zutreffend. In der Tat erfasst das<br />

Abzugsverbot des § 12 Abs. 1 Z. 3 KStG 1988 mit seinem Verweis auf die Repräsentationsaufwendungen nach<br />

§ 20 Abs. 1 Z. 3 EStG 1988 die Bewirtung von Geschäftsfreunden und damit auch die Aufwendungen <strong>für</strong> die<br />

Nächtigung der Geschäftsfreunde (vgl. das hg Erkenntnis vom 24. Juni 2004, 2001/15/0002). Die Ausführungen<br />

des angefochtenen Bescheides enthalten allerdings nicht die Feststellung, dass dieser im Mietvertrag vom<br />

2. Jänner 1998 nicht an IP vermietete Raum von den Gesellschaftern benutzt worden wäre.<br />

Aus ihren Ausführungen zur körperschaftsteuerlichen Behandlung des Gebäudes schließt die belangte<br />

Behörde im angefochtenen Bescheid, dass das gesamte Gebäude an IP zur privaten Nutzung überlassen worden<br />

sei. Gehe man als Folge dessen von einer Überlassung der Nutzung am gesamten Gebäude aus, liege der<br />

vereinbarte Mietzins deutlich unter dem angemessenen Mietzins. Wie oben ausgeführt, enthält der angefochtene<br />

Bescheid allerdings hinsichtlich des Büroraumes und des Gästezimmers bloß Verweise auf Abzugsverbote nach<br />

§ 20 EStG, nicht aber Feststellungen über die tatsächliche Nutzung dieser Räume. Die Ermittlung eines<br />

fremdüblichen Mietentgeltes unter Zugrundelegung der Annahme, dass das gesamte Gebäude an IP zur Nutzung<br />

überlassen worden ist, erweist sich daher als nicht hinreichend begründet. Gleiches gilt <strong>für</strong> die Ausführungen des<br />

angefochtenen Bescheides, wonach das Mietverhältnis generell nicht anzuerkennen sei, weil es mangels eines<br />

fremdüblichen Mietzinses nicht die Voraussetzungen erfülle, die <strong>für</strong> die Anerkennung von Verträgen zwischen<br />

nahen Angehörigen, aber auch zwischen Gesellschaft und Gesellschafter bestünden, zumal im angefochtenen<br />

Bescheid auch die Gravität einer noch nicht geltend gemachten Wertsicherung und zum <strong>Teil</strong> von der<br />

Beschwerdeführerin getragener Betriebskosten nicht dargetan wird.<br />

Da sich die der Kapitalertragsteuer zu unterziehende laufende verdeckte Ausschüttung auf der Basis der<br />

Gegenüberstellung einer fremdüblichen Miete mit der tatsächlich festgelegten Miete errechnet, erweist sich<br />

somit der angefochtene Bescheid, soweit er Kapitalertragsteuer 1998 bis 2001 betrifft, mit Rechtswidrigkeit<br />

belastet, wobei der Verfahrensfehler seiner Ursache nach auch in der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der<br />

Aufwendungen <strong>für</strong> den im Obergeschoss des Gebäudes befindlichen Büroraum gelegen ist. Die Haftung<br />

betreffend Kapitalertragsteuer <strong>für</strong> 1997 resultiert nicht aus der Überlassung der Nutzung des Gebäudes, sondern<br />

aus einem anderen Vorgang (Übernahme von Telefonkosten), gegen den sich die Beschwerde nicht wendet.<br />

Den Beschwerdeausführungen zur Bemessung der Höhe des angemessenen Mietzinses nach der jeweils zur<br />

Anwendung kommenden Sachbezugsverordnung ist im Übrigen entgegen zu halten, dass sich die angemessene<br />

Höhe daraus ableitet, was unter einander fremd gegenüberstehenden Personen vereinbart worden wäre, und<br />

damit insbesondere auch daraus, was ein Investor als Rendite aus der Investition der konkret aufgewendeten<br />

Geldsumme erwartet. Die Werte der Sachbezugsverordnung entsprechen in den Streitjahren im Regelfall nicht<br />

jenen, die unter einander fremd gegenüberstehenden Personen vereinbart worden wären.<br />

In Bezug auf die IP zur Nutzung überlassenen Gebäudeteile ist zu beachten:<br />

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. Mai 2007, 2005/14/0083, ausgeführt hat, ist bei<br />

den (nicht fremdüblich) den Gesellschaftern zur Nutzung überlassenen Gebäuden einer Kapitalgesellschaft zu<br />

unterscheiden zwischen jederzeit im betrieblichen Geschehen (zB durch Vermietung) einsetzbaren Gebäuden<br />

einerseits und andererseits solchen Gebäuden, die schon ihrer Erscheinung nach (etwa besonders repräsentative<br />

Gebäude oder speziell auf die Wohnbedürfnisse des Gesellschafters abgestellte Gebäude) <strong>für</strong> die private<br />

Nutzung durch den Gesellschafter bestimmt sind, sodass sie als "verdeckte Ausschüttung an der Wurzel" von<br />

vorneherein nicht zum Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft zählen (siehe hiezu auch RdW 2007, 620). In<br />

Bezug auf die erstgenannten Gebäude spricht der Umstand, dass sie den Gesellschaftern zu einem unangemessen<br />

niedrigen Mietzins vermietet werden, nicht gegen deren Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen, sondern führt im<br />

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Verwaltungsgerichtshof 23.02.2010<br />

Wege einer laufenden verdeckten Ausschüttung zum Ansatz fremdüblicher Betriebseinnahmen (Mieterträge) der<br />

Kapitalgesellschaft.<br />

Voraussetzung da<strong>für</strong>, in Zusammenhang mit der Nutzungsüberlassung eine verdeckte Ausschüttung (auch<br />

eine solche an der Wurzel) anzunehmen, ist dabei stets, dass die Vereinbarung über die Nutzungsüberlassung<br />

einem Fremdvergleich nicht standhält (vgl. RdW 2007, 620).<br />

Die Sachverhaltsgrundlage <strong>für</strong> eine rechtliche Einstufung eines Gebäudes oder bestimmter Räume eines<br />

Gebäudes als außerbetriebliches Vermögen bedarf einer die konkreten Umstände des Einzelfalles würdigenden<br />

Begründung im Tatsachenbereich, die der angefochtene Bescheid noch nicht in der zu fordernden Weise<br />

aufweist. Der bloße Vergleich mit einer "Arbeiterwohnstätte" leistet in diesem Zusammenhang keinen<br />

hilfreichen Beitrag. Auch hinreichende Sachverhaltsfeststellungen zur Beurteilung der Fremdüblichkeit der Höhe<br />

des Mietzinses fehlen im angefochtenen Bescheid.<br />

Bestimmte bei der Beschwerdeführerin angefallene und von dieser an IP weiterverrechnete Kosten hat die<br />

belangte Behörde im angefochtenen Bescheid bei der Beschwerdeführerin nicht als Betriebseinnahmen<br />

angesetzt. In der Begründung der Beschwerde finden sich Ausführungen, die sich auch dagegen wenden. Das<br />

Ausscheiden von Betriebseinnahmen ist aber nicht von dem in der Beschwerde formulierten Beschwerdepunkt<br />

umfasst. Zudem zeigt die Beschwerde nicht auf, in welcher Weise die Beschwerdeführerin dadurch in<br />

subjektiven Rechten verletzten sein kann. Auf dieses Beschwerdevorbringen war daher nicht einzugehen.<br />

Soweit der angefochtene Bescheid Kapitalertragsteuer 1998 bis 2001 sowie Körperschaftsteuer und<br />

Umsatzsteuer betrifft, war er sohin - wegen des Prävalierens der Rechtswidrigkeit des Inhaltes - gemäß § 42<br />

Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.<br />

Von der Durchführung einer Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen<br />

werden.<br />

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II Nr. 455/2008.<br />

Wien, am 23. Februar 2010<br />

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Steuerrecht-<strong>Finanzrecht</strong>_Kofler.fm Seite 1 Donnerstag, 2. April 2009 2:28 14<br />

Inhaltsübersicht<br />

Die „außerbetriebliche Vermögenssphäre“<br />

der Kapitalgesellschaft<br />

Georg Kofler<br />

I. Ausgangsproblem<br />

II. Fallgruppen<br />

A. Überblick<br />

B. Wirtschaftsgüter im Rahmen der Liebhaberei<br />

C. Zuordnung aufgrund gesetzlicher Vorschriften<br />

D. Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis<br />

III. Resümee<br />

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Steuerrecht-<strong>Finanzrecht</strong>_Kofler.fm Seite 2 Donnerstag, 2. April 2009 2:28 14


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I. Ausgangsproblem<br />

Die „außerbetriebliche Vermögenssphäre“ der Kapitalgesellschaft<br />

Nach § 7 Abs 3 KStG sind bei Kapitalgesellschaften „alle Einkünfte (§ 2 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes<br />

1988) den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 23 Z 1 des Einkommensteuergesetzes<br />

1988) zuzurechnen“. Im Sinne einer Zurechnungsvorschrift wird somit<br />

angeordnet, dass alle steuerbaren Einkünfte den Einkünften aus Gewerbebetrieb zugerechnet<br />

und der Gewinnermittlung nach § 5 EStG unterworfen werden. 1 § 7 Abs 3 KStG<br />

wirft damit umgekehrt die grundsätzliche Frage auf, ob Kapitalgesellschaften auch eine<br />

„außerbetriebliche Vermögenssphäre“ haben können. 2 Wenngleich die grundsätzliche<br />

Denkbarkeit einer solchen Vermögenssphäre vor dem Hintergrund einer kausalgenetischen<br />

Betrachtung des Betriebsausgabenbegriffes bereits früh bejaht wurde 3 und letztlich<br />

auch der Annahme einer Liebhabereifähigkeit von Kapitalgesellschaften zu Grunde<br />

liegt, hat gerade die jüngere Rechtsprechung zur außerbetrieblichen Sphäre im Hinblick<br />

auf Dienstwohnungen und Wohngebäude von Gesellschafter-Geschäftsführern die Diskussion<br />

weiter zugespitzt. 4 Obwohl solcherart kaum Zweifel bestehen dürften, dass Kapitalgesellschaften<br />

prinzipiell neben der betrieblichen Sphäre auch einen „außerbetrieblichen“<br />

Bereich haben können, 5 besteht angesichts der heterogenen Fallgruppen erhebliche<br />

dogmatische Unsicherheit hinsichtlich dessen exakter Ausprägung. Sieht man hier<br />

von außerbetrieblichen Vermögenszugängen ab, 6 kann der außerbetriebliche Vermögens-<br />

1 ErlRV 622 BlgNR XVII. GP, 16; siehe auch Bauer/Quantschnigg/Schellmann/Werilly, KStG 5<br />

(1997) § 7 Tz 70 und Tz 79; ausführlich zu den verschiedenen Theorien Stangl, Die außerbetriebliche<br />

Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004) 18 ff; siehe auch unten Kapitel II.A.<br />

2 Trotz der erheblichen terminologischen Unsicherheit soll – der Konvention entsprechend – der Begriff<br />

der „außerbetrieblichen Sphäre“ der Kapitalgesellschaft beibehalten werden (siehe zB Stoll,<br />

Verluste und Verlustquellen im Steuerrecht [1989] 231 ff; Pernegger, ÖStZ 2002/168, 87 [87 ff];<br />

Stangl, ÖStZ 2005/71, 39 [40 ff]). Dieser Oberbegriff soll im gegebenen Zusammenhang die Termini<br />

des „Privatvermögens“ (zB VwGH 28. 4. 2004, 2001/14/0166, ÖStZB 2004/516, 564; VwGH 26.<br />

3. 2007, 2005/14/0091, ÖStZB 2007/481, 640), des „Nicht-Betriebsvermögens“ (zB Stangl, ÖStZ<br />

2005/71, 39 [41]), des „steuerneutralen Vermögens“ (zB VwGH 19. 4. 2007, 2005/15/0020, ÖStZB<br />

2007/475, 635; VwGH 16. 5. 2007, 2005/14/0083, ÖStZB 2008/73, 76) bzw der „einkünfteirrelevanten<br />

Sphäre“ (zB Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften [2004] 4 f) einschließen,<br />

ohne damit implizieren zu wollen, dass es sich um Vermögen handelt, das der außerbetrieblichen<br />

Einkünfteerzielung iSd § 2 Abs 3 Z 5 bis 7 EStG dient.<br />

3 Siehe zB Stoll in FS Stadler (1981) 255 (272 f); vgl auch Wiesner in FS Bauer 349 (352 ff); Wiesner/<br />

Schneider/Spanbauer/Kohler, KStG (1996) § 7 Anm 32 und § 8 Anm 18; Bauer/Quantschnigg/<br />

Schellmann/Werilly, KStG 5 (1997) § 8 Tz 66, Stichwort „Dienstwohnung“.<br />

4 Siehe VwGH 20. 6. 2000, 98/15/0169, ÖStZB 2000/534, 653; VwGH 24. 6. 2004, 2001/15/0002,<br />

ÖStZB 2005/32, 57; VwGH 30. 6. 2005, 2001/15/0081, ÖStZB 2006/5, 8; VwGH 26. 3. 2007, 2005/<br />

14/0091, ÖStZB 2007/481, 640; VwGH 19. 4. 2007, 2005/15/0020, ÖStZB 2007/475, 635; vgl auch<br />

VwGH 16. 5. 2007, 2005/14/0083, ÖStZB 2008/73, 76.<br />

5 Vgl zB Rz 612 ff KStR 2001; siehe aus dem jüngeren Schrifttum zB Wiesner, RWZ 2000/74, 229<br />

(230); Wiesner, RWZ 2004/56, 225 (226 f); Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften<br />

(2004) 18 ff; Hofstätter/Zorn in Hofstätter/Reichel, EStG 36 (2006) § 4 Abs 1 Tz 78; Urtz,<br />

GeS 2007, 390 (397 f); G. Kofler in FS Doralt (2007) 197 (210 ff); Wiesner, RWZ 2007/37, 129<br />

(129 f); Renner in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger, KStG 11 (2008) § 8 Tz 57 ff und Tz 253<br />

sowie Anh zu § 8, Stichworte „Außerbetrieblicher Bereich“ und „Dienstwohnung“.<br />

6 So sind beispielsweise Vermögenszugänge aus nicht betrieblich veranlassten Erbschaften, Schenkungen,<br />

Spenden etc sowie beispielsweise Lotteriegewinne nicht steuerbar, wobei sich die Zuordnung<br />

zur „außerbetrieblichen“ Sphäre nach ihrem Einsatz richten soll; siehe dazu Wiesner in FS Bau-<br />

3


Steuerrecht-<strong>Finanzrecht</strong>_Kofler.fm Seite 4 Donnerstag, 2. April 2009 2:28 14<br />

Georg Kofler<br />

bereich nach hA nämlich sowohl Wirtschaftsgüter umfassen, die nicht der Einkunftserzielung<br />

dienen (zB Wirtschaftsgüter, die bei einer Liebhabereitätigkeit verwendet werden),<br />

als auch Wirtschaftsgüter, die auf Grund gesetzlicher Bestimmungen als „privat“<br />

anzusehen sind; darüber hinaus ist fraglich, welche Auswirkungen die Abgrenzung zwischen<br />

Gesellschafts- und Gesellschaftersphäre auf den Vermögensbereich der Kapitalgesellschaft<br />

und damit auf das Instrument der verdeckten Ausschüttung hat. Diesen Fragen<br />

und den steuerlichen Konsequenzen einer „außerbetrieblichen“ Sphäre geht der folgende<br />

Beitrag nach.<br />

Bereits am Ausgangspunkt ist freilich eine Abkoppelung der österreichischen Rechtsentwicklung<br />

von der Sichtweise im deutschen Steuerrecht zu konstatieren. Anders als der<br />

VwGH geht der BFH nämlich in seiner jüngeren Rechtsprechung – in Abkehr von der<br />

früheren Judikatur 7 – davon aus, dass bei einer Kapitalgesellschaft schon aufgrund des<br />

§ 8 Abs 2 dKStG sämtliche Aufwendungen als betrieblich veranlasst zu behandeln seien,<br />

weil eine Kapitalgesellschaft keine außerbetriebliche Sphäre, sondern ausschließlich Betriebsvermögen<br />

haben könne. 8 Daraus folgerte der BFH nicht nur, dass Liebhaberei bei<br />

Kapitalgesellschaften prinzipiell ausgeschlossen sei, 9 sondern generell auch, dass sich betriebliche<br />

und gesellschaftliche Veranlassung nicht wechselseitig ausschlössen, sondern<br />

selbst gesellschaftlich veranlasste Aufwendungen als Betriebsausgaben den Gewinn minderten<br />

und eine Gewinnkorrektur nur unter dem Gesichtspunkt einer verdeckten Gewinnausschüttung<br />

in Betracht komme. 10 Diese Divergenz zwischen dem österreichischen und<br />

dem deutschen Steuerrecht schärft freilich den dogmatischen Blick <strong>für</strong> jene Probleme, die<br />

aus der Annahme einer außerbetrieblichen Vermögenssphäre bei Kapitalgesellschaften<br />

resultieren.<br />

7 er (1986) 349 (352); Wiesner/Schneider/Spanbauer/Kohler, KStG (1996) § 7 Rz 11, 12 und 32; Bauer/Quantschnigg/Schellmann/Werilly,<br />

KStG 5 (1997) § 7 Tz 22; Bruckner, ÖStZ 2003/233, 110<br />

(112); Urtz, GeS 2007, 390 (397 f); Renner in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger, KStG 11<br />

(2008) § 8 Tz 60; ausführlich zur diesbezüglichen Relevanz des Veranlassungsprinzips Stangl, Die<br />

außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004) 90 ff.<br />

7 RFH 23. 3 1927, I A 298/26, RFHE 21, 53, RStBl 1930, 353; RFH 26. 4 1930, I A 45/30, RFHE 26,<br />

309, RStBl 1930, 352; BFH 17. 5. 1952, I D 1/52 S, BFHE 56, 591, BStBl 1952 III 228; BFH 2. 11.<br />

1965, I 221/62 S, BFHE 85, 121, BStBl 1966 III 255; BFH 4. 3. 1970, I R 123/68, BFHE 98, 259,<br />

BStBl 1970 II 470; BFH 7. 7. 1976, I R 180/74, BFHE 119, 494, BStBl 1976 II 753; BFH 24. 9.<br />

1980, I R 88/77, BFHE 131, 434, BStBl 1981 II 108.<br />

8 BFH 4. 12. 1996, I R 54/95, BFHE 182, 123; BFH 22. 1. 1997, I R 64/96, BFHE 182, 530, BStBl<br />

1997 II 548; BFH 13. 8. 1997, I R 85/96, BFHE 184, 311, BStBl 1998 II 161; BFH 8. 7. 1998,<br />

I R 123/97, BFHE 186, 540; BFH 8. 8. 2001, I R 106/99, BFHE 196, 173, BStBl 2003 II 487; BFH<br />

7. 11. 2001, I R 14/01, BFHE 197, 287, BStBl 2002 II 861; BFH 31. 3. 2004, I R 83/03, BFHE 206,<br />

58; ebenso nach dem Systemwechsel auf das Halbeinkünfteverfahren BFH 22. 8. 2007, I R 32/06,<br />

BStBl 2007 II 961; siehe aus dem deutschen Schrifttum zB Wassermeyer, DB 1987, 1113 (1113 ff);<br />

Schuck, FR 1992, 537 (537 ff); Thiel, DStR 1993, 1881 (1881 ff); Weber-Grellet, DStR 1994, 12<br />

(12 ff); Wassermeyer, StuW 1998, 76 (77); Prinz, StbJb 1997/98, 97 (97 ff); kritisch zB Pezzer, StuW<br />

1998, 76 (76 ff); dazu ausführlich Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften<br />

(2004) 101 ff mwN, und Wiesner, RWZ 2007/103, 359 (359 ff).<br />

9 Siehe zB BFH 4. 12. 1996, I R 54/95, BFHE 182, 123; dazu insbesondere Prinz, StbJb 1997/98, 97<br />

(99 ff); Schön in FS Flume (1998) 265 (270 ff).<br />

10 BFH 22. 1. 1997, I R 64/96, BFHE 182, 530, BStBl 1997 II 548; dazu Wassermeyer, GmbHR 1998,<br />

157 (158); Wassermeyer, DB 2002, 2668 (2668 f); Prinz, StbJb 1997/98, 97 (101 f).<br />

4


Steuerrecht-<strong>Finanzrecht</strong>_Kofler.fm Seite 5 Donnerstag, 2. April 2009 2:28 14<br />

II. Fallgruppen<br />

A. Überblick<br />

Die „außerbetriebliche Vermögenssphäre“ der Kapitalgesellschaft<br />

Die Annahme einer „außerbetrieblichen“ Sphäre der Kapitalgesellschaft mutet auf den<br />

ersten Blick ungewöhnlich an, fehlt es dieser doch an der den natürlichen Personen eigenen<br />

„privaten“ Sphäre. 11 Auch das Gesetz äußert sich nicht ausdrücklich zu dieser Frage. Der<br />

BFH leitet dementsprechend aus § 8 Abs 2 dKStG, wonach – entsprechend § 8 Abs 2<br />

KStG 1966 – „alle Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln sind“, dem<br />

Fehlen einer außerbetrieblichen Sphäre in der Handelsbilanz, das sich über die Maßgeblichkeit<br />

in der Steuerbilanz niederschlage, und dem Fehlen einer dem § 12 Nr 1 dEStG<br />

entsprechenden, auf die persönliche Sphäre des Steuerpflichtigen abstellenden Vorschrift<br />

ab, dass eine Kapitalgesellschaft keine „außerbetriebliche“ Sphäre haben könne und solcherart<br />

auch der Einkünftebegriff des § 8 Abs 2 dKStG über jenen des EStG hinausgehe. 12<br />

Daher sei bei gesellschaftlicher Veranlassung lediglich eine Ergebniskorrektur mittels der<br />

Grundsätze der verdeckten Ausschüttung vorzunehmen, die sich zB bei fehlender Gewinnerzielungsabsicht<br />

letztlich anhand der Abgrenzungsmerkmale zwischen Einkunftserzielung<br />

und der Liebhaberei orientiert. 13 Tatsächlich scheint auch das österreichische<br />

Steuerrecht auf den ersten Blick davon auszugehen, dass es lediglich einer Abgrenzung<br />

zwischen der Ebene der Gesellschaft und der Ebene der Gesellschafter bedürfe, zumal es<br />

einerseits an einer dem § 20 Abs 1 Z 1 und Z 2 lit a EStG vergleichbaren Vorschrift mangelt<br />

14 und andererseits die Abgrenzung zur Einkommensverwendungssphäre durch § 8<br />

Abs 2 KStG erfolgt, der die betrieblich veranlassten Vorgänge von den in der Anteilsinhaberschaft<br />

begründeten Vorgängen trennt und solcherart als das Gegenstück zur Betriebsausgabenvorschrift<br />

des § 4 Abs 4 EStG angesehen werden kann. 15<br />

Diese Folgerung ist freilich nicht zwingend, zumal nach österreichischem Recht der<br />

Vorschrift des § 7 Abs 3 KStG lediglich ein Zurechnungscharakter unterstellt wird, der<br />

das Vorliegen steuerbarer Einkünfte voraussetzt 16 und sodann sämtliche dem Grunde<br />

nach steuerlich zu erfassenden Einkünfte den Einkünften aus Gewerbebetrieb „zurechnet“.<br />

§ 7 Abs 3 KStG schafft somit – anders als § 8 Abs 2 dKStG – nach hA kein eigen-<br />

11 ZB BFH 22. 8. 2007, I R 32/06, BStBl 2007 II 961.<br />

12 Siehe die Nachweise in FN 8.<br />

13 Siehe BFH 17. 11. 2004, I R 56/03, BFHE 208, 519; ausführlich Haas, DStR 2008, 1997 (1997 ff).<br />

14 § 20 EStG – und damit auch dessen Abs 1 Z 1 bzw Z 2 lit a – ist auf Körperschaften nicht anwendbar<br />

(siehe VwGH 28.6.1977, 1198/76, ÖStZB 1978, 23; VwGH 20.4.1982, 81/14/0120, ÖStZB 1983,<br />

31). Selbst wenn man davon ausgeht, dass die in § 12 Abs 1 Z 1 KStG angesprochene Einkommensverwendungssphäre<br />

im Hinblick auf die Erfüllung satzungsmäßiger Zwecke im Wesentlichen jene<br />

Aufwendungen erfassen soll, die durch § 20 Abs 1 Z 1 und Z 2 lit a EStG bei natürlichen Personen<br />

der privaten Lebensführung zugeordnet werden, zeigt sich doch, dass § 12 Abs 1 Z 1 KStG dem Regelungsgedanken<br />

des § 8 Abs 2 KStG zuzuordnen ist (Wiesner, SWK 1991, A I 139 [A I 157]).<br />

Nimmt man daher die prinzipielle Anwendbarkeit des § 12 Abs 1 Z 1 KStG auf Kapitalgesellschaften<br />

an, kann diese Bestimmung dennoch nur dann zur Anwendung kommen, wenn die Aufwendungen<br />

satzungsgemäß einer der Kapitalgesellschaft völlig fremd gegenüberstehenden Person<br />

zugute kämen (siehe RFH 11. 4. 1933, I A 73/32, RStBl 1933, 970).<br />

15 Vgl Renner in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger, KStG 11 (2008) § 8 Tz 117 f mwN.<br />

16 ErlRV 622 BlgNR XVII. GP, 16.<br />

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Steuerrecht-<strong>Finanzrecht</strong>_Kofler.fm Seite 6 Donnerstag, 2. April 2009 2:28 14<br />

Georg Kofler<br />

ständiges Einkünfteprinzip <strong>für</strong> Kapitalgesellschaften. Es sind daher nicht sämtliche Vermögensmehrungen<br />

und -minderungen steuerlich zu berücksichtigen, 17 sondern – wie der<br />

Verweis auf § 2 Abs 3 EStG impliziert 18 – nur jene, die grundsätzlich unter die einkommensteuerlichen<br />

Einkunftstatbestände fallen. 19 Die Zurechnung nach § 7 Abs 3 KStG erfolgt<br />

jedoch nicht in der Weise, dass Einkünfte nach den <strong>für</strong> diese maßgeblichen Regeln<br />

zu ermitteln und erst dieses Ergebnis nach erfolgter Einkünfteermittlung in gewerbliche<br />

Einkünfte „transformiert“ wird, sondern sie setzt bereits bei der Ermittlung der Einkünfte<br />

an. 20 Vor diesem Hintergrund ist auch die – von der deutschen Judikatur divergierende –<br />

österreichische Rechtsprechung zu sehen, die – ohne Bezugnahme auf § 7 Abs 3 KStG –<br />

davon ausgeht, dass nach § 7 Abs 2 KStG die einkommensteuerlichen Vorschriften über<br />

die Gewinnermittlung in den Bereich der Körperschaftsteuer übernommen werden, daher<br />

die Betriebsvermögenseigenschaft von Wirtschaftsgütern in beiden Bereichen nach den<br />

gleichen Grundsätzen beurteilt werden müsse 21 und diese Beurteilung dem Maßgeblichkeitsprinzip<br />

vorgehe. 22<br />

§ 7 Abs 3 KStG schließt daher die Annahme einer „außerbetrieblichen“ Sphäre bei<br />

Kapitalgesellschaften nicht von vornherein aus. 23 Wenn nämlich § 7 Abs 3 KStG ausdrücklich<br />

auf § 2 Abs 3 EStG verweist, kommt damit zum Ausdruck, dass vor allem der<br />

aus § 2 Abs 3 EStG abgeleitete Liebhabereibegriff auch bei Kapitalgesellschaften Bedeutung<br />

haben soll und die damit verbundenen Wirtschaftsgüter dementsprechend aus der<br />

betrieblichen Sphäre auszuscheiden sind. 24 Eine ähnliche Schlussfolgerung drängt sich<br />

aber auch im Hinblick auf das Veranlassungsprinzip und speziell die Abzugsverbote des<br />

§ 12 KStG auf, denn der kausalgenetische Konnex zwischen Aufwands- und Vermögenssphäre<br />

impliziert, dass die Abzugsverbote auch eine „Verschiebung“ der entsprechenden<br />

Wirtschaftsgüter aus der betrieblichen Sphäre in einen „außerbetrieblichen“ Bereich nach<br />

sich ziehen müssen. 25 Vor dem Hintergrund des steuerlichen Veranlassungsprinzips und<br />

der darauf basierenden Vermögenszuordnung wirft sich schließlich die Frage auf, ob eine<br />

gesellschaftsrechtliche Veranlassung dazu führen kann, dass – auf einer dem <strong>Institut</strong> der<br />

17 Siehe zu den möglichen Sichtweisen Wiesner in FS Bauer 349 (351); Stangl, Die außerbetriebliche<br />

Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004) 24 ff.<br />

18 ErlRV 622 BlgNR XVII. GP, 16; ebenso Stoll, Verluste und Verlustquellen im Steuerrecht (1989)<br />

233 ff.<br />

19 Vgl etwa Rz 333 und Rz 343 KStR 2001; Stoll, Verluste und Verlustquellen im Steuerrecht (1989)<br />

233 ff; Wiesner/Schneider/Spanbauer/Kohler, KStG (1996) § 7 Anm 11 und 32; Bauer/Quantschnigg/Schellmann/Werilly,<br />

KStG5 (1997) § 7 Tz 80; dazu ausführlich und kritisch Stangl, Die außerbetriebliche<br />

Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004) 30 ff.<br />

20 Siehe zB Wiesner/Schneider/Spanbauer/Kohler, KStG (1996) § 7 Anm 32; Bauer/Quantschnigg/<br />

Schellmann/Werilly, KStG5 (1997) § 7 Tz 80; ausführlich Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von<br />

Kapitalgesellschaften (2004) 18 ff mwN.<br />

21 Siehe zB VwGH 20. 6. 2000, 98/15/0169, ÖStZB 2000/534, 653; VwGH 30. 6. 2005, 2001/15/0081,<br />

ÖStZB 2006/5, 8; ebenso zB UFS Linz 11. 7. 2003, RV/0603-L/02; UFS Klagenfurt 30. 5. 2005,<br />

RV/0404-K/02; UFS Graz 31. 1. 2006, RV/0408-G/04.<br />

22 Siehe nur Rz 613 KStR 2001; Renner in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger, KStG11 (2008)<br />

§ 8 Tz 57.<br />

23 Rz 613 KStR 2001; ebenso Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004)<br />

118 ff.<br />

24 Kapitel II.B.<br />

25 Kapitel II.C.<br />

6


Steuerrecht-<strong>Finanzrecht</strong>_Kofler.fm Seite 7 Donnerstag, 2. April 2009 2:28 14<br />

Die „außerbetriebliche Vermögenssphäre“ der Kapitalgesellschaft<br />

verdeckten Ausschüttung nach § 8 KStG vorgelagerten Ebene – Wirtschaftsgüter einer<br />

„gesellschaftsrechtlichen“ Sphäre zuzuordnen sind. 26<br />

B. Wirtschaftsgüter im Rahmen der Liebhaberei<br />

Die Frage nach einer „außerbetrieblichen“ Sphäre der Kapitalgesellschaft wird im Hinblick<br />

auf Tätigkeiten, die auf Dauer nicht geeignet sind, einen Gesamtgewinn abzuwerfen,<br />

besonders deutlich. Während derartige Tätigkeiten nach § 2 Abs 2 iVm Abs 4 EStG einkommensteuerrechtlich<br />

typischerweise als steuerlich unbeachtliche Liebhaberei qualifiziert<br />

werden, 27 war zum KStG 1966 28 umstritten, ob sich eine derartige Sichtweise auf<br />

Kapitalgesellschaften übertragen lässt. Denn § 8 Abs 2 KStG 1966 sah <strong>für</strong> Kapitalgesellschaften<br />

vor, dass „alle Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln sind“,<br />

und gab solcherart Anlass zur Frage, ob ein außerbetrieblicher Bereich überhaupt denkbar<br />

ist. 29 Auch im Lichte eines subjektiven Liebhabereiverständnisses war von der hA im<br />

Schrifttum zum KStG 1966 die Liebhabereifähigkeit von Kapitalgesellschaften deutlich<br />

abgelehnt und eine allfällige Gewinnkorrektur ausschließlich über das Instrument der verdeckten<br />

Ausschüttung vertreten worden. 30 Während diese Position auch in der älteren<br />

Rechtsprechung des VwGH anklang, 31 ist der Gerichtshof nachfolgend im Sinne einer objektivierten<br />

Betrachtung von diesem Verständnis abgewichen und hat sich bereits zum<br />

KStG 1966 ausdrücklich zur Liebhabereifähigkeit bei Kapitalgesellschaften bekannt. 32<br />

Die exakt gegenläufige Entwicklung hat jedoch im deutschen Steuerrecht Platz gegriffen:<br />

War vom BFH zunächst die Liebhabereifähigkeit von Kapitalgesellschaften bejaht worden,<br />

33 wurde diese Sichtweise <strong>für</strong> das dKStG 1977 nicht mehr aufrechterhalten und die<br />

26 Kapitel II.D.<br />

27 Für eine Begriffsbestimmung siehe insbesondere das Erkenntnis des verstärkten Senats VwGH 3. 7.<br />

1996, 93/13/0171, ÖStZB 1996, 397, sowie zusammenfassend Renner in Doralt, EStG 8 (2004) § 2<br />

Tz 301 ff.<br />

28 BGBl 1966/156.<br />

29 Siehe zu den denkbaren Auslegungsvarianten insbesondere BFH 4. 2. 1987, I R 58/86, BFHE 149,<br />

109, BStBl 1988 II 215, und die Diskussion bei Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften<br />

(2004) 108 ff.<br />

30 Vgl etwa <strong>Ruppe</strong> in FS Wenger (1983) 459 (474 f); Stoll in FS Wenger (1983) 479 (495 ff); Gassner,<br />

ÖStZ 1984, 138 ff mwN; aA zB Wiesner, RdW 1984, 152 (152); siehe zu dieser Diskussion auch<br />

Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004) 70 ff.<br />

31 Siehe zB VwGH 15. 12. 1976, 596/76, wonach bei einer Kapitalgesellschaft „die Frage nach der<br />

Gewinnerzielungsabsicht“ nicht untersucht werden brauche, zumal nach § 1 Abs 2 Z 2 GewStG<br />

1953 „die Tätigkeiten der Aktiengesellschaften stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb“ gelten<br />

und dasselbe auch aus den Bestimmungen des KStG 1966 folge.<br />

32 Grundlegend VwGH 22. 9. 1987, 86/14/0196 ÖStZB 1988, 152 (zur Liebhaberei bei einer GmbH);<br />

siehe nachfolgend auch VwGH 26. 4. 1989, 89/14/0001, ÖStZB 1989, 468 (zur fehlenden Gewinnabsicht<br />

bei einer GmbH); VwGH 19. 2. 1992, 92/14/0016, ÖStZB 1992, 690 (zur Liebhaberei bei<br />

einer Fremdenverkehrsförderungs-GmbH); VwGH 20. 11. 1996, 94/13/0226, ÖStZB 1997, 526 (zur<br />

Aussichtslosigkeit der Gewinnerzielung bei einer GmbH mit zum Scheitern verurteilten Projekten);<br />

VwGH 26. 3. 2007, 2006/14/0017, ÖStZB 2007/480, 638 (zur Liebhaberei bei einer Stadtwerke-<br />

GmbH). Die wohl gegenteilige Vorjudikatur (VwGH 15. 12. 1976, 596/76) wurde vom VwGH im<br />

Erk 22. 9. 1987, 86/14/0196 ÖStZB 1988, 152 (Pkt 3.8 und 3.9), wenig überzeugend damit abgetan,<br />

dass sie „zum Tiroler FremdenverkehrsG 1969 ohne Auseinandersetzung mit der Bestimmung des<br />

§ 8 Abs 1 KStG ergangen“ sei und daher keine Verstärkung des erkennenden Senats gebiete.<br />

33 ZB BFH 2. 11. 1965, I 221/62 S, BFHE 85, 121, BStBl 1966 III 255; BFH 4. 3. 1970, I R 123/68,<br />

BFHE 98, 259, BStBl 1970 II 470.<br />

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Steuerrecht-<strong>Finanzrecht</strong>_Kofler.fm Seite 8 Donnerstag, 2. April 2009 2:28 14<br />

Georg Kofler<br />

Möglichkeit einer „außerbetriebliche“ Sphäre von Kapitalgesellschaften a limine abgelehnt.<br />

34 Dieses Verständnis konterkariert freilich nicht nur die gegenteilige Ansicht in den<br />

Gesetzesmaterialien, 35 sondern bahnt letztlich auch einer Soll-Ertragsbesteuerung der Kapitalgesellschaften<br />

den Weg. 36<br />

Im österreichischen Steuerrecht fand die Annahme der Liebhabereifähigkeit bei Kapitalgesellschaften<br />

im Rahmen des KStG 1988 hingegen eine deutliche Bestätigung durch<br />

den Gesetzgeber, indem der Charakter des § 7 Abs 3 KStG als Zurechnungsvorschrift<br />

„klarer hervorgehoben“ wurde und daher „eindeutig“ feststehe, „daß nur ‚steuerbare‘<br />

Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 und 3 sowie 5 bis 7 EStG 1988 der Einkunftsart des<br />

§ 2 Abs. 3 Z 3 zugerechnet und der Gewinnermittlung unterworfen werden können“. 37<br />

Solcherart kann daher ein keine Einkunftsquelle darstellender Voluptar- bzw Liebhabereibetrieb<br />

auch nicht kraft der Transformationsregel des § 7 Abs 3 KStG dem gewerblichen<br />

Bereich zugeordnet werden. 38 Die Bejahung der Liebhabereifähigkeit von Kapitalgesellschaften<br />

entspricht mittlerweile der hA 39 und findet auch Bestätigung in der LiebhabereiVO;<br />

40 denn wenn deren § 5 bestimmte Körperschaften vom Anwendungsbereich<br />

der LiebhabereiVO ausschließt, 41 ergibt sich im Umkehrschluss, dass bei Kapitalgesellschaften<br />

eine Liebhaberei nicht von vornherein verneint werden kann. 42 Umgekehrt folgert<br />

daraus nach hA, dass auch bei Kapitalgesellschaften die Annahme von Liebhaberei<br />

logisch vorranging sei und daher auf Gesellschaftsebene – nicht aber zwingend auch beim<br />

34 ZB BFH 4. 12. 1996, I R 54/95, BFHE 182, 123; BFH 22. 1. 1997, I R 64/96, BFHE 182, 530, BStBl<br />

1997 II 548; offen noch BFH 4. 2. 1987, I R 58/86, BFHE 149, 109, BStBl 1988 II 215; siehe zur<br />

Entwicklung der deutschen Rechtsprechung ausführlich Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von<br />

Kapitalgesellschaften (2004) 101 ff; dazu auch Schuch, SWK 1998, S 768 (S 768 f).<br />

35 Siehe BT-Drs 7/1470, 341, wonach „Einnahmen und Ausgaben, die im Rahmen einer als Liebhaberei<br />

ausgeübten Tätigkeit anfallen“, unberücksichtigt bleiben, „weil sie keiner der im Einkommensteuergesetz<br />

bezeichneten Einkunftsarten zuzuordnen sind“.<br />

36 Dazu kritisch Schön in FS Flume (1998) 265 (270 f).<br />

37 ErlRV 622 BlgNR XVII. GP, 16.<br />

38 Stoll, Verluste und Verlustquellen im Steuerrecht (1989) 231 ff; Bauer/Quantschnigg/Schellmann/<br />

Werilly, KStG 5 (1997) § 7 Tz 31<br />

39 Siehe nur Rz 333 KStR 2001; weiters Stoll, Verluste und Verlustquellen im Steuerrecht (1989)<br />

231 ff; Wiesner, SWK 1991, A I 139 (A I 148); Wiesner/Schneider/Spanbauer/Kohler, KStG (1996)<br />

§ 7 Anm 32; Bauer/Quantschnigg/Schellmann/Werilly, KStG 5 (1997) § 7 Tz 27 ff; Stangl, Die außerbetriebliche<br />

Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004) 70 ff; Hofstätter/Zorn in Hofstätter/Reichel,<br />

EStG 36 (2006) § 4 Abs 1 Tz 78; Wiesner, RWZ 2007/103, 359 (360); Urtz, GeS 2007, 390<br />

(397 f); Laudacher in Jakom, § 2 Rz 285; Renner in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger,<br />

KStG 11 (2008) § 8 Tz 59/1 und Tz 253; ausführlich Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften<br />

(2004) 72 f mwN; kritisch im Hinblick auf die gegenteilige Rechtsprechung des<br />

BFH Schuch, SWK 1998, S 768 (S 768 f).<br />

40 Verordnung des Bundesministers <strong>für</strong> Finanzen über das Vorliegen von Einkünften, über die Annahme<br />

einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit und über die Erlassung vorläufiger Bescheide<br />

(Liebhabereiverordnung), BGBl 1993/33 idF BGBl II 1999/15, BGBl II 1997/358 und BGBl II 1999/<br />

15. Zur Anwendung nur der § 1 Abs 1 und Abs 2 Z 1 und 3, nicht hingegen des § 1 Abs 2 Z 2 der<br />

LiebhabereiVO bei Körperschaften siehe Rz 332 KStR 2001.<br />

41 Etwa Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften öffentlichen Rechts; siehe zB VwGH 29. 5.<br />

2001, 2000/14/0195, ÖStZB 2002/232, 277.<br />

42 Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004) 72; siehe auch Bauer/<br />

Quantschnigg/Schellmann/Werilly, KStG 5 (1997) § 7 Tz 32 ff; Renner in Doralt, EStG 8 (2004) § 2<br />

Tz 352; weiters UFS Wien 29. 6. 2006, RV/1367-W/02.<br />

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Die „außerbetriebliche Vermögenssphäre“ der Kapitalgesellschaft<br />

Gesellschafter 43 – die Annahme einer verdeckten Ausschüttung ausschließe; lediglich<br />

wenn die Verlustträchtigkeit auf unangemessene Leistungsbeziehungen zwischen Gesellschafter<br />

und Gesellschaft zurückzuführen ist, sei im Rahmen des <strong>Institut</strong>s der verdeckten<br />

Ausschüttung eine angemessene Gegenleistung anzusetzen und der Tätigkeitsbereich als<br />

Einkunftsquelle zu behandeln. 44<br />

Ist aber mit der Annahme von Liebhaberei das Ausscheiden aus der betrieblichen<br />

Sphäre zwingend verbunden, so muss es auch eine – wenngleich praktisch bloß in seltenen<br />

Fällen denkbare 45 – „außerbetriebliche“ Sphäre der Kapitalgesellschaft geben. 46 Daher<br />

rechnen auch Wirtschaftsgüter, die im Bereich einer Liebhabereitätigkeit eingesetzt werden,<br />

nicht zum betrieblichen, sondern zum „außerbetrieblichen“ Bereich der Kapitalgesellschaft.<br />

47 Aufwendungen <strong>für</strong> derartige Wirtschaftsgüter sind steuerlich somit grundsätzlich<br />

ebenso unbeachtlich wie damit in Zusammenhang stehende Einnahmen. 48 Gleichermaßen<br />

muss aber bei Verlust der Liebhabereieigenschaft die Überführung in den betrieblichen<br />

Bereich in Form der Einlage iSd § 4 Abs 1 iVm § 6 Z 5 EStG sowie bei Eintreten<br />

einer Liebhaberei umgekehrt die Überführung in den „außerbetrieblichen“ Bereich<br />

in Form der Entnahme iSd § 4 Abs 1 iVm § 6 Z 4 EStG 49 denkbar sein. 50 Fraglich ist jedoch,<br />

ob allfällige Veräußerungsüberschüsse von Wirtschaftsgütern einer Liebhabereitätigkeit<br />

steuerliche Beachtung im Rahmen der §§ 29, 30 und 31 EStG finden. Möchte man<br />

dies mit der hA 51 bejahen, so scheint freilich ein Widerspruch zur ausdrücklichen Anordnung<br />

der Zurechnungsvorschrift des § 7 Abs 3 KStG aufgetan, schließt es diese doch aus,<br />

43 Dazu Rz 1030 KStR 2001.<br />

44 Siehe zu diesen Konsequenzen Rz 335, Rz 763 und Rz 1030 KStR 2001; ebenso Bauer/Quantschnigg/Schellmann/Werilly,<br />

KStG 5 (1997) § 7 Tz 41; Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften<br />

(2004) 74 ff; Wiesner, RWZ 2007/37, 129 (131); Laudacher in Jakom, § 2 Rz 286;<br />

Renner in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger, KStG 11 (2008) § 8 Tz 253; siehe auch Stangl,<br />

ÖStZ 2005/71, 39 (42 m FN 10); kritisch Urtz in Gassner/Göth/Gröhs/Lang, Privatstiftungen (2000)<br />

297 (301).<br />

45 Siehe zu den entsprechenden Einschränkungskriterien im Hinblick auf eine betriebliche oder gesellschaftsrechtliche<br />

Veranlassung ausführlich Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften<br />

(2004) 74 ff und 90.<br />

46 Stoll, Verluste und Verlustquellen im Steuerrecht (1989) 234 f; Urtz in Gassner/Göth/Gröhs/Lang,<br />

Privatstiftungen (2000) 297 (301); Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften<br />

(2004) 70 ff; Wiesner, RWZ 2007/37, 130 (131); Wiesner, RWZ 2007/103, 359 (360).<br />

47 Rz 613 KStR 2001.<br />

48 Rz 285, Rz 613 und Rz 1242 KStR 2001; siehe auch Stoll, Verluste und Verlustquellen im Steuerrecht<br />

(1989) 246 f; Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004) 81.<br />

49 Die KStR 2001 (Rz 613) nennen das Beispiel einer Wohnung, die „zunächst einem betriebszugehörigen<br />

Arbeitnehmer zur Verfügung gestellt und erst später fremdvermietet [wird] und diese Vermietung<br />

[…] auf Dauer gesehen keine Einnahmenüberschüsse erwarten [lässt] (Liebhaberei).“<br />

50 Siehe nur Rz 613 und Rz 877 KStR 2001; Wiesner in FS Bauer (1986) 349 (352); Wiesner, SWK<br />

1991, A I 139 (A I 148); Bruckner, ÖStZ 2003/233, 110 (112); Renner in Quantschnigg/Renner/<br />

Schellmann/Stöger, KStG 11 (2008) § 8 Tz 60 ff; ausführlich Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre<br />

von Kapitalgesellschaften (2004) 86 ff.<br />

51 Rz 611 und Rz 613 KStR 2001; Renner in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger, KStG 11 (2008)<br />

§ 8 Tz 61; siehe auch Rz 877 KStR 2001 (zum Spekulationstatbestand); unklar hingegen Rz 284<br />

KStR 2001, wonach „Vermögensveränderungen, die mit Wirtschaftsgütern im Zusammenhang stehen,<br />

die nicht zum steuerlichen Betriebsvermögen der Körperschaft gehören“, nicht „als <strong>Teil</strong> des<br />

Einkommens einer Körperschaft zu erfassen sind“.<br />

9


Steuerrecht-<strong>Finanzrecht</strong>_Kofler.fm Seite 10 Donnerstag, 2. April 2009 2:28 14<br />

Georg Kofler<br />

dass eine Kapitalgesellschaft andere Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb haben<br />

kann. 52 Richtigerweise wird man jedoch – im Unterschied zur Liebhaberei im außerbetrieblichen<br />

Bereich natürlicher Personen 53 – bei der Liebhabereibeurteilung von Kapitalgesellschaften<br />

aufgrund des § 7 Abs 3 KStG ohnehin davon ausgehen können, dass auch<br />

allfällige Veräußerungs-, Aufgabe- und Liquidationsgewinne der Einkunftsquelle zu berücksichtigen<br />

sind. 54 Umgekehrt folgt daraus, dass bei festgestellter Liebhaberei auch die<br />

Veräußerung von Liebhabereiwirtschaftsgütern steuerlich unbeachtlich sein muss. 55<br />

C. Zuordnung aufgrund gesetzlicher Vorschriften<br />

Der Konnex zwischen dem Begriff der Betriebsausgabe und dem Rechtsphänomen des Betriebsvermögens<br />

56 richtet den Fokus über das allgemeine Veranlassungsprinzip 57 hinaus<br />

auch auf jene gesetzlichen Bestimmungen, die prinzipiell betrieblich veranlassten Ausgaben<br />

und Aufwendungen die steuerliche Relevanz versagen. So ist es beispielsweise im Einkommensteuerrecht<br />

allgemein anerkannt, dass das Abzugsverbot <strong>für</strong> Aufwendungen, die etwa<br />

auf die Luxustangente bei Kraftfahrzeugen nach § 20 Abs 1 Z 2 lit b EStG entfallen, auch<br />

dazu führt, dass die Luxustangente im Wege der Substanzteilung dem Privatvermögen zugeteilt<br />

wird. 58 Im Hinblick auf die Parallelvorschrift des § 12 Abs 1 Z 2 KStG kann dies bei<br />

Kapitalgesellschaften nur bedeuten, dass der „Luxusanteil“ im Sinne einer Doppelvermögenstheorie<br />

einem zweiten, „außerbetrieblichen“, Vermögensbereich zuzuordnen ist. 59<br />

Denn § 7 Abs 2 KStG übernimmt nach der Rechtsprechung die einkommensteuerlichen<br />

Vorschriften über die Gewinnermittlung und damit – unabhängig von der Maßgeblichkeit 60<br />

– auch über den Umfang des Betriebsvermögens in den Bereich des Körperschaftsteuerrechts,<br />

61 weshalb diese Abgrenzung letztlich nicht bei Aufwand und Ertrag Halt machen<br />

kann, sondern auch die Substanz erfassen muss. 62 Zu Recht ordnen daher das österreichische<br />

52 Dazu Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004) 148 ff.<br />

53 Siehe VwGH 3. 7. 1996, 93/13/0171, ÖStZB 1996, 397; UFS Wien 29. 6. 2006, RV/1367-W/02;<br />

Pkt 8.1 LRL 1997, AÖF 1998/48, und zB Renner in Doralt, EStG 8 (2004) § 2 Tz 397; Laudacher<br />

in Jakom, § 2 Rz 237.<br />

54 Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004) 85; ebenso UFS Wien 29. 6.<br />

2006, RV/1376-W/02, allerdings im Ergebnis einschränkend auf den Fall, dass konkrete Maßnahmen<br />

zur Veräußerung ergriffen wurden.<br />

55 Ebenso Wiesner/Schneider/Spanbauer/Kohler, KStG (1996) § 7 Anm 32; Stangl, Die außerbetriebliche<br />

Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004) 85; unklar jedoch Wiesner, RWZ 2007/37, 130 (131).<br />

56 Dazu ausführlich Stoll in FS Stadler (1981) 255 (264 ff); Stoll, Verluste und Verlustquellen im Steuerrecht<br />

(1989) 239 f.<br />

57 Dazu unten Kapitel II.D. sowie ausführlich Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften<br />

(2004) 49 ff.<br />

58 Wiesner, SWK 1991, A I 139 (A I 142 ff); G. Kofler in Doralt, EStG 11 (2007) § 20 Tz 3.<br />

59 Deutlich Wiesner, SWK 1991, A I 139 (A I 148).<br />

60 VwGH 27. 1. 1998, 93/14/0166, ÖStZB 1998, 469.<br />

61 Siehe zB VwGH 20. 6. 2000, 98/15/0169, ÖStZB 2000/534; VwGH 24. 6. 2004, 2001/15/0002,<br />

ÖStZB 2005/32; VwGH 19. 12. 2006, 2004/15/0122.<br />

62 So deutlich bereits Stoll in FS Stadler (1981) 255 (272 f); ebenso zB Rz 613 KStR 2001 und Renner<br />

in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger, KStG 11 (2008) § 8 Tz 59/1; ausführlich dazu G. Kofler<br />

in FS Doralt (2007) 197 (201 ff). Eine Differenzierung zwischen Vermögens- und Einkommensebene<br />

wäre bei dieser Ausgangslage schon deshalb artifiziell, weil der Gewinn einer Kapitalgesellschaft<br />

durch Vermögensvergleich zu ermitteln ist und sich schon deshalb diese beiden Sphären nicht<br />

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Steuerrecht-<strong>Finanzrecht</strong>_Kofler.fm Seite 11 Donnerstag, 2. April 2009 2:28 14<br />

Die „außerbetriebliche Vermögenssphäre“ der Kapitalgesellschaft<br />

Schrifttum 63 und die Rechtsprechung 64 im Sinne einer Doppelvermögenstheorie jene Wirtschaftsgüter,<br />

denen der Gesetzgeber selbst durch § 12 KStG „Privatcharakter“ verliehen hat,<br />

dem „außerbetrieblichen“ Vermögensbereich der Kapitalgesellschaft zu. Dies betrifft beispielsweise<br />

die Luxuskomponente bei Kraftfahrzeugen, Tapisserien sowie Antiquitäten, 65<br />

aber auch <strong>für</strong> gemeinnützige Zwecke und Spenden reservierte Wirtschaftsgüter. 66 Vor allem<br />

im Hinblick auf Repräsentativvermögen lassen sich unter diesem Gesichtspunkt aber auch<br />

verlustbringende Gestüte etc von Kapitalgesellschaften beurteilen, 67 sofern nicht auf der vorgelagerten<br />

Stufe des Einkunftsquellencharakters überhaupt Liebhaberei vorliegt. 68<br />

Diese Beurteilung wird vor allem im Bereich der Verbindlichkeiten augenscheinlich,<br />

zumal konsequenterweise auch jene Verbindlichkeiten (anteilig) dem „außerbetrieblichen“<br />

Vermögensbereich der Kapitalgesellschaft zugeordnet werden müssen, die mit<br />

dem „außerbetrieblichen“ Vermögensbereich (anteilig) zugeordneten Wirtschaftsgütern<br />

in Zusammenhang stehen. 69 Denn auch im Körperschaftsteuerrecht kann der „Ansicht,<br />

Zinsen <strong>für</strong> was immer <strong>für</strong> Schuldverpflichtungen der Körperschaft seien ohne Rücksicht<br />

auf deren Rechtsgrund jedenfalls Betriebsausgaben und als solche abzugsfähig, [...] nicht<br />

beigepflichtet werden“. 70 Daher sind beispielsweise Verbindlichkeiten zur Anschaffung<br />

oder Herstellung eines Wirtschaftsgutes, dessen (teilweise) mangelnde Betriebsvermögenseigenschaft<br />

sich aus § 12 KStG begründen lässt, entsprechend aufzuteilen. 71 Die Abgrenzungsfrage<br />

dehnt sich freilich im Bereich der Verbindlichkeiten auch auf jene Fälle<br />

63 überzeugend trennen lassen; in diese Richtung auch Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften<br />

(2004) 49 ff; Renner in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger, KStG 11 (2008) § 8<br />

Tz 57; siehe aber die Diskussion zur Trennung von Vermögenssphäre einerseits und der steuerlichen<br />

Beurteilung von Einnahmen und Aufwendungen andererseits bei Pezzer, StuW 1998, 76 (78 f).<br />

63 In diesem Sinne Wiesner in FS Bauer (1986) 349 (350 ff); Wiesner, SWK 1991, A I 139 (A I 160);<br />

Bauer/Quantschnigg/Schellmann/Werilly, KStG 5 (1997) § 7 Rz 102/1 und § 8 Tz 17.1 sowie Tz 66<br />

unter „Außerbetrieblicher Bereich“ und „Dienstwohnung“; Wiesner, RWZ 2007/37, 130 (131); Renner<br />

in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger, KStG 11 (2008) § 8 Tz 59/1.<br />

64 Siehe VwGH 24. 6. 2004, 2001/15/0002, ÖStZB 2005/32, wo ein der Unterkunftsgewährung an Geschäftsfreunde<br />

und damit Repräsentationszwecken iSd § 12 Abs 1 Z 3 KStG dienendes Gebäudes<br />

unter Rückgriff auf die einkommensteuerliche Judikatur (VwGH 5. 7. 1994, 91/14/0110, ÖStZB<br />

1995, 172) der „außerbetrieblichen“ Sphäre der Kapitalgesellschaft zugeordnet wurde.<br />

65 G. Kofler in FS Doralt (2007) 197 (201 ff); Renner in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger,<br />

KStG 11 (2008) § 8 Tz 59/1.<br />

66 Bruckner, ÖStZ 2003/233, 110 (112); Renner in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger, KStG 11<br />

(2008) § 8 Tz 59/1.<br />

67 Siehe Gassner, ÖStZ 1984, 138 (145 f); Bruckner, ÖStZ 2003/233, 110 (112); Renner in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger,<br />

KStG 11 (2008) § 8 Tz 59/1; weiters zB Rz 336 KStR 2001.<br />

68 Vgl Rz 333 und Rz 336 KStR 2001; zur „Vorrangigkeit“ der Liebhabereibeurteilung siehe auch<br />

Bauer/Quantschnigg/Schellmann/Werilly, KStG 5 (1997) § 7 Tz 39.<br />

69 Siehe zum doppelt derivativen Konzept der Zuordnung von Verbindlichkeiten G. Kofler in FS Doralt<br />

(2007) 197 (201 ff mwN).<br />

70 VwGH 19. 9. 1958, 2365/55, VwSlg 1875 F/1958.<br />

71 Konkret spiegelt sich dies im Einkommensteuerrecht beispielsweise bei der Luxustangente nach § 20<br />

Abs 1 Z 2 lit b EStG wider, die eine Substanzteilung des betreffenden Wirtschaftsgutes in einen Betriebsvermögens-<br />

und einen Privatvermögensteil erfordert (siehe nur Wiesner, SWK 1991, A I 139<br />

[A I 142 ff]; G. Kofler in Doralt, EStG 11 (2007) § 20 Tz 3). Gleiches gilt aber zB auch <strong>für</strong> die Betriebsvermögenseigenschaft<br />

von Wirtschaftsgütern, die nach § 20 Abs 1 Z 3 EStG der Repräsentation<br />

dienen; auch diese sind dem Privatvermögen zuzuordnen (VwGH 5. 7. 1994, 91/14/0110,<br />

ÖStZB 1995, 172).<br />

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Steuerrecht-<strong>Finanzrecht</strong>_Kofler.fm Seite 12 Donnerstag, 2. April 2009 2:28 14<br />

Georg Kofler<br />

aus, in denen ohne Bezug zu aktiven Wirtschaftsgütern Aufwand fremdfinanziert wird.<br />

Obwohl eine Kapitalgesellschaft keinen der natürlichen Person nachgebildeten Privatbereich<br />

hat, folgt daraus nämlich noch nicht zwingend, dass die Schuldaufnahme zur Finanzierung<br />

nichtabzugsfähiger Aufwendungen dennoch stets zu abzugsfähigen Zinsen<br />

führen müsse. 72 Ist nämlich ein Aufwand – beispielsweise eine Körperschaftsteuerzahlung<br />

– grundsätzlich Betriebsausgabe, 73 wird ihm aber durch § 12 KStG die Abzugsfähigkeit<br />

konstitutiv genommen, bleibt die Frage aufrecht, welcher Vermögenssphäre die<br />

zur Finanzierung des nichtabzugsfähigen Aufwandes aufgenommene Verbindlichkeit zuzuordnen<br />

ist. Die deutsche Rechtsprechung geht diesbezüglich davon aus, dass die Fremdfinanzierungskosten<br />

<strong>für</strong> die Körperschaftsteuerzahlung als Betriebsausgaben abzugsfähig<br />

sind. 74 Diese Überlegung würde demnach auf sämtliche Aufwendungen Anwendung<br />

finden, die dem Grunde nach Betriebsausgaben, aber konstitutiv vom Abzug ausgeschlossen<br />

sind (zB Repräsentationsaufwendungen, verbotene „Schmiergelder“). Für das österreichische<br />

Steuerrecht legt hingegen die Rechtsprechung nahe, dass – analog zur einkommensteuerrechtlichen<br />

Sichtweise, 75 die über § 7 Abs 2 KStG in das Körperschaftsteuerrecht<br />

übernommen wird 76 – Verbindlichkeiten, die nicht der Bestreitung von nach § 4<br />

Abs 4 EStG iVm § 12 KStG betrieblich veranlassten Aufwendungen und Ausgaben dienen,<br />

ebenfalls dem „außerbetrieblichen“ Bereich der Kapitalgesellschaft zuzuordnen wären.<br />

77 Eine Verbindlichkeit ist demnach auch insoweit nicht als Betriebsschuld zu betrachten,<br />

als sie sich auf die vom Gesetzgeber durch § 12 KStG konstitutiv der außerbetrieblichen<br />

Sphäre zugeordneten, nicht abzugsfähigen Aufwendungen bezieht. Diese<br />

Sichtweise wird implizit dadurch bestätigt, dass sich nach hA beispielsweise auch der<br />

durch einen Schulderlass begründete Wegfall einer Verbindlichkeit, die <strong>für</strong> den betrieblichen<br />

Bereich nicht steuerwirksam war (zB hinsichtlich nicht abzugsfähiger Repräsentationsausgaben),<br />

nicht gewinnerhöhend auswirkt, 78 zumal es sich insoweit nicht um den<br />

Wegfall einer betrieblichen Verbindlichkeit handelt.<br />

72 So aber Benn-Ibler/Riedl, SWK 1997, S 39 (S 39 ff); siehe in diese Richtung womöglich noch<br />

VwGH 4. 11. 1955, 2779/53, ÖStZB 1956, 28.<br />

73 Deutlich BFH 23. 11. 1988, I R 180/85, BFHE 154, 552, BStBl 1989 II 116 mwN, wonach die Steuern<br />

einer Kapitalgesellschaft vom Einkommen und Ertrag grundsätzlich als betrieblich veranlasste Aufwendungen<br />

anzusehen sind; siehe auch BFH 4. 12. 1991, I R 26/91, BFHE 167, 32, BStBl 1992 II<br />

686.<br />

74 BFH 23. 11. 1988, I R 180/85, BFHE 154, 552, BStBl 1989 II 116. Die Begründung dieser Sichtweise<br />

liegt implizit darin, dass die fragliche Ausgabe oder Aufwendung – etwa die Körperschaftsteuer –<br />

zwar Betriebsausgabe ist, ihr aber durch eine konstitutive Bestimmung der Abzug versagt wird (BFH<br />

3. 4. 1962, I 196/59 U, BFHE 74, 685, BStBl 1962 III 254); stehe aber die Betriebsausgabeneigenschaft<br />

fest, werde insofern die Verbindlichkeit dennoch zur Betriebsschuld und die entsprechenden<br />

Fremdfinanzierungskosten wären dementsprechend nicht vom Abzugsverbot <strong>für</strong> den ursprünglichen<br />

Aufwand erfasst.<br />

75 VwGH 24. 1. 1990, 88/13/0233, ÖStZB 1990, 309, und VwGH 17. 9. 1997, 93/13/0027, ÖStZB<br />

1998, 396, jeweils zur Fremdfinanzierung von nach § 20 Abs 1 Z 6 EStG nicht abzugsfähigen Steuerzahlungen.<br />

76 Ausdrücklich VwGH 20. 6. 2000, 98/15/0169, ÖStZB 2000/534; VwGH 24. 6. 2004, 2001/15/0002,<br />

ÖStZB 2005/32; siehe auch VwGH 19. 9. 1958, 2365/55, VwSlg 1875 F/1958 (zum mangelnden<br />

Betriebsausgabencharakter von Stundungszinsen <strong>für</strong> die Körperschaftsteuer).<br />

77 G. Kofler in FS Doralt (2007) 197 (201 ff).<br />

78 Dazu zB Nolz in FS Bauer (1986) 191 (195); Quantschnigg/Schuch, ESt-HB (1993) § 36 Tz 2.<br />

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Steuerrecht-<strong>Finanzrecht</strong>_Kofler.fm Seite 13 Donnerstag, 2. April 2009 2:28 14<br />

Die „außerbetriebliche Vermögenssphäre“ der Kapitalgesellschaft<br />

Steht solcherart die grundsätzliche Unbeachtlichkeit von Aufwendungen auf das außerbetriebliche<br />

Vermögen einer Kapitalgesellschaft fest, 79 verbleibt die – weitgehend theoretische<br />

– Folgefrage, inwieweit Änderungen in der Vermögenssubstanz steuerlich relevant<br />

sein können. Im Einkommensteuerrecht wird hier davon ausgegangen, dass §§ 29,<br />

30 und 31 EStG Anwendung finden können; die Veräußerung eines (anteilig) dem Privatvermögen<br />

zugeordneten Wirtschaftsgutes ist (insofern) kein betrieblicher Vorgang, allerdings<br />

kann zB eine Veräußerung innerhalb der Spekulationsfrist (insoweit) eine Besteuerung<br />

nach § 30 EStG auslösen. 80 Aber auch im Körperschaftsteuerrecht geht die Verwaltungspraxis<br />

offenbar davon aus, dass §§ 29, 30 und 31 EStG auf die Veräußerung „außerbetrieblichen“<br />

Vermögens einer Kapitalgesellschaft anzuwenden sind. 81 Tatsächlich<br />

wäre es nicht einzusehen, derartige Veräußerungsvorgänge bei Kapitalgesellschaften nur<br />

deshalb steuerneutral zu belassen, weil das Vermögen (anteilig) nicht dem Betriebsvermögen<br />

zuzurechnen ist. Unklar ist allerdings das Verhältnis dieser Schlussfolgerung zur<br />

Zurechnungsvorschrift des § 7 Abs 3 KStG. 82 Angesichts des Ansetzens des § 7 Abs 3<br />

KStG bei der Einkünfteermittlung 83 wäre es ein mögliches Denkmodell, in der juristischen<br />

Sekunde vor der Veräußerung eine Einlage iSd § 4 Abs 1 iVm § 6 Z 5 EStG in die<br />

betriebliche Sphäre anzunehmen. 84 Zumal nach § 6 Z 5 EStG spekulationsverfangene<br />

Wirtschaftsgüter iSd § 30 EStG und wesentliche Beteiligungen iSd § 31 EStG zwingend<br />

mit den Anschaffungs- bzw Herstellungskosten zu bewerten sind, wäre solcherart auch<br />

eine Erfassung der im außerbetrieblichen Bereich entstandenen stillen Reserven als gewerbliche<br />

Einkünfte iSd § 7 Abs 3 KStG sichergestellt. 85 Erfolgt hingegen eine Veräußerung<br />

nach Ablauf der Spekulationsfrist, käme es zu einer <strong>Teil</strong>werteinlage nach § 6<br />

Z 5 EStG und damit – aufgrund dessen diesfalls typischer Übereinstimmung mit dem<br />

gemeinen Wert 86 – zur systemkonformen Nichterfassung der außerbetrieblichen stillen<br />

Reserven.<br />

79 11 ZB <strong>für</strong> Aufwendungen auf die Pkw-Luxustangente (dazu G. Kofler in Doralt, EStG [2007] § 20<br />

Tz 73 ff mwN) oder <strong>für</strong> Zinszahlungen auf Verbindlichkeiten, die dem „außerbetrieblichen“ Bereich<br />

zugeordnet werden, wie etwa Schulden zur Begleichung von Personensteuern (dazu G. Kofler in Doralt,<br />

EStG11 [2007] § 20 Tz 142 mwN). Zu beachten bleibt allerdings, dass auch aus dem „Privatvermögen“<br />

einer Kapitalgesellschaft getätigte Zuwendungen als Sonderausgaben nach § 8 Abs 4<br />

KStG iVm § 18 Abs 1 Z 7 EStG abzugsfähig sein können; siehe VwGH 28. 4. 2004, 2001/14/0166,<br />

ÖStZB 2004/516, 564.<br />

80 11 G. Kofler in Doralt, EStG (2007) § 20 Tz 3.<br />

81 Rz 613 KStR 2001. Diese Sichtweise findet sich auch im Zusammenhang mit der Veräußerung von<br />

Vermögen, das aufgrund der gesellschaftlichen Veranlassung nicht dem betrieblichen Bereich der<br />

Kapitalgesellschaft zugeordnet wird; siehe dazu Kapitel II.D.<br />

82 Siehe auch die Diskussion bei Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004)<br />

148 ff.<br />

83 Vgl oben Kapitel II.A. mwN.<br />

84 Dazu Bruckner, ÖStZ 2003/233, 110 (114 m FN 40); Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von<br />

Kapitalgesellschaften (2004) 150.<br />

85 Kritisch zur Anwendung dieser Bewertungsregel aber Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von<br />

Kapitalgesellschaften (2004) 147 und 151.<br />

86 Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004) 150 f; ebenso UFS Wien 5. 6.<br />

2008, RV/0719-W/05.<br />

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Steuerrecht-<strong>Finanzrecht</strong>_Kofler.fm Seite 14 Donnerstag, 2. April 2009 2:28 14<br />

Georg Kofler<br />

D. Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis<br />

Nach der jüngeren Judikatur des VwGH rechnen auch einzelne Wirtschaftsgüter, deren<br />

Anschaffung oder Herstellung rein gesellschaftsrechtlich veranlasst ist 87 und die nicht der<br />

Einkommenserzielung der Kapitalgesellschaft dienen, nicht zu deren Betriebsvermögen.<br />

88 Die Rechtsprechung leitet diese Folgerung – ohne Bezugnahme auf § 7 Abs 3 KStG<br />

– daraus ab, dass nach § 7 Abs 2 KStG die einkommensteuerlichen Vorschriften über die<br />

Gewinnermittlung in den Bereich der Körperschaftsteuer übernommen werden und daher<br />

die Betriebsvermögenseigenschaft von Wirtschaftsgütern in beiden Bereichen nach den<br />

gleichen Grundsätzen beurteilt werden müsse. 89 Ein Wirtschaftsgut, dessen Anschaffung<br />

rein gesellschaftsrechtlich veranlasst ist und das objektiv erkennbar gesellschaftsrechtlichen<br />

Zwecken dient, rechnet solcherart nicht zum (gewillkürten) Betriebsvermögen,<br />

sondern als notwendiges Privatvermögen zum „steuerneutralen Vermögen“ der Kapitalgesellschaft;<br />

90 eine solche Trennung von betrieblicher und betriebsfremder Sphäre geht<br />

auch dem Maßgeblichkeitsprinzip vor. 91 Diese „Verschiebung“ in die „außerbetriebliche“<br />

Sphäre aufgrund der Annahme von notwendigem Privatvermögen der Kapitalgesellschaft<br />

betraf bisher die – entgeltliche und unentgeltliche – Überlassung einer luxuriösen Penthousewohnung,<br />

92 eines im attraktiven Erholungsgebiet gelegenen Einfamilienhauses, 93<br />

einer mit persönlichen Gebrauchsgegenständen ausgestatteten Villa 94 sowie einer Seeliegenschaft<br />

mit Bungalow, Pförtner- und Bootshaus 95 an Gesellschafter; 96 ähnliche Erwä-<br />

87 Zur Betonung des Veranlassungszusammenhanges siehe insbesondere Stangl, Die außerbetriebliche<br />

Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004) 131 f und 137 ff.<br />

88 Siehe zu dieser Rechtsprechungslinie insbesondere Bruckner, ÖStZ 2003/233, 110 (110 ff); Stangl,<br />

ÖStZ 2005/71, 39 (39 ff); Wiesner, RWZ 2007/37, 129 (129 ff); Wiesner, RWZ 2007/103, 359<br />

(359 ff); Urtz, GeS 2007, 390 (390 ff); ausführlich Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften<br />

(2004) 123 ff. Zur Aufteilung bei teilweiser betrieblicher Nutzung und zur 20%-<br />

Grenze siehe zB Pröll, UFS 2007, 336 (337), und zur diesbezüglichen Unbeachtlichkeit von Repräsentationsanteilen<br />

iSd § 12 Abs 1 Z 3 KStG vgl VwGH 24. 6. 2004, 2001/15/0002, ÖStZB 2005/<br />

32, 57, und VwGH 26. 3. 2007, 2005/14/0091, ÖStZB 2007/481, 640.<br />

89 Siehe zB VwGH 20. 6. 2000, 98/15/0169, ÖStZB 2000/534, 653; ebenso zB UFS Linz 11. 7. 2003,<br />

RV/0603-L/02; UFS Klagenfurt 30. 5. 2005, RV/0404-K/02; UFS Graz 31. 1. 2006, RV/0408-G/04.<br />

90 So etwa VwGH 24. 6. 2004, 2001/15/0002, ÖStZB 2005/32, 57.<br />

91 Siehe nur Rz 613 KStR 2001; Renner in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger, KStG 11 (2008)<br />

§ 8 Tz 57.<br />

92 VwGH 20. 6. 2000, 98/15/0169, ÖStZB 2000/534, 653; dazu oV, RdW 2000/481, 503 (503 f); Wiesner,<br />

RWZ 2000/74, 229 (229 f); Pernegger, ÖStZ 2002/168, 87 (87 ff); Bruckner, ÖStZ 2003/233,<br />

110 (110 ff); Lang/Riedl in Gröhs et al, Ausgliederungen (2003) 283 (293 f); Stangl, Die außerbetriebliche<br />

Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004) 123 ff.<br />

93 VwGH 24. 6. 2004, 2001/15/0002, ÖStZB 2005/32, 57; dazu Wiesner, RWZ 2004/56, 225 (225 ff);<br />

Stangl, ÖStZ 2005/71, 39 (39 ff).<br />

94 VwGH 30. 6. 2005, 2001/15/0081, ÖStZB 2006/5, 8.<br />

95 VwGH 26. 3. 2007, 2005/14/0091, ÖStZB 2007/481, 640; dazu Wiesner, RWZ 2007/37, 129<br />

(129 ff); Pröll, UFS 2007, 336 (336 ff).<br />

96 Vgl weiters UFS Linz 11. 7. 2003, RV/0603-L/02; UFS Wien 22. 7. 2003, RV/402-W/02, RV/403-<br />

W/02; UFS Klagenfurt 30. 5. 2005, RV/0404-K/02. Siehe zur Anmietung einer Liegenschaft durch<br />

die Gesellschaft auch UFS Graz 31. 1. 2006, RV/0408-G/04, und VwGH 19. 4. 2007, 2005/15/0020,<br />

ÖStZB 2007/475, 635. Zu Mietverhältnissen zwischen Privatstiftung und Stiftern siehe UFS Linz<br />

24. 8. 2007, RV/0540-L/04, und UFS Wien 18. 1. 2008, RV/0743-W/07.<br />

14


Steuerrecht-<strong>Finanzrecht</strong>_Kofler.fm Seite 15 Donnerstag, 2. April 2009 2:28 14<br />

Die „außerbetriebliche Vermögenssphäre“ der Kapitalgesellschaft<br />

gungen sollen aber offenbar auch <strong>für</strong> die Überlassung von „Luxuswirtschaftsgütern“ wie<br />

zB Yachten, 97 Sportwagen, 98 Schwimmbädern, Pferden 99 gelten. 100<br />

Diese Sichtweise ist nicht grundsätzlich neu. 101 Dennoch steht sie zunächst in einem<br />

unklaren Verhältnis zum Konzept des gewillkürten Betriebsvermögens, 102 zur Anwendung<br />

des Missbrauchstatbestands 103 sowie zur gefestigten Rechtsprechung, dass bei der<br />

Überlassung von Wirtschaftsgütern an den Gesellschafter im Normalfall lediglich das<br />

Nutzungsentgelt über das Instrument der verdeckten Ausschüttung auf ein fremdübliches<br />

Maß anzuheben ist, das Wirtschaftsgut aber prinzipiell dem Betriebsvermögen der Gesellschaft<br />

zugeordnet bleibt. 104 Denn das Instrument der verdeckten Gewinnausschüttung<br />

dient gerade dazu, die Einkommenserzielung von der Einkommensverwendung zu trennen<br />

und solcherart die gesellschaftsrechtlich veranlassten Vermögensminderungen bzw<br />

verhinderten Vermögensmehrungen steuerlich nachzuvollziehen. Hier ist es aber auch<br />

unbestritten, dass eine (verdeckte) Ausschüttung nicht auf Basis einer vorgelagerten<br />

Überführung der auszuschüttenden Wirtschaftsgüter im Entnahme- und Einlagewege<br />

nach § 4 Abs 1 EStG in die „außerbetriebliche“ Sphäre der Gesellschaft erfolgt, sondern<br />

vielmehr eine Ausschüttung nach der gesetzlichen Systematik direkt aus dem Betrieb der<br />

Gesellschaft, da es andernfalls – bei einer Zwischenschaltung einer „außerbetrieblichen“<br />

Sphäre – der Anordnung des § 8 Abs 2 TS 1 KStG gar nicht bedürfte. 105<br />

97 Dazu das Beispiel bei Wiesner/Schneider/Spanbauer/Kohler, KStG (1996) § 8 Anm 18; siehe auch<br />

VwGH 9. 7. 2008, 2005/13/0020, ÖStZB ___ (betreffend eine im zivilrechtlichen Eigentum des Gesellschafters<br />

stehende Yacht), und dazu Wiesner, RWZ 2008/69, 255 (255 f), sowie oV, RdW 2008/<br />

564, 608 (608 f).<br />

98 UFS Graz 11. 3. 2008, RV/0137-G/07; dies ablehnend Mayr in Mayr/Treer, Der Salzburger Steuerdialog<br />

2008, ÖStZ Spezial (2008) ___.<br />

99 Rz 819 KStR 2001 nennt neben der „Luxuswohnung <strong>für</strong> den Gesellschafter-Geschäftsführer“ auch<br />

die Anschaffung oder Herstellung von „Schwimmbädern, Sauna, Sportanlagen, Pferden“.<br />

100 Kritisch zu einer schrankenlosen Verallgemeinerung Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften<br />

(2004) 155 ff.<br />

101 Siehe bereits Wiesner in FS Bauer (1986) 349 (352 f), und das Yachtbeispiel bei Wiesner/Schneider/<br />

Spanbauer/Kohler, KStG (1996) § 8 Anm 18; ebenso Bauer/Quantschnigg/Schellmann/Werilly,<br />

KStG 5 (1997) § 8 Tz 66, Stichwort „Dienstwohnung“.<br />

102 Dazu ausführlich Urtz, GeS 2007, 390 (401 f); siehe auch Wiesner, RWZ 2007/37, 129 (131).<br />

103 Siehe zur Anwendung des § 22 BAO im Hinblick auf die Überlassung eines von den Gesellschaftern<br />

gemieteten Einfamilienhauses als Dienstwohnung zB VwGH 29. 11. 1988, 87/14/0200, ÖStZB 1989,<br />

174; vgl auch VwGH v 18.1.1983, 82/14/0092, 0097, ÖStZB 1983, 307. Auch im Erk vom 30. 6.<br />

2005, 2001/15/0081, ÖStZB 2006/5, 8 (zu einer mit persönlichen Gebrauchsgegenständen ausgestatteten<br />

Villa), wies der VwGH zusätzlich darauf hin, dass sich der angefochtene Bescheid „jedenfalls<br />

schon im Grunde der Missbrauchsbestimmung des § 22 BAO als tragfähig begründet erweist“.<br />

104 Siehe zB VwGH 20. 1. 1981, 2230, 2380/79, ÖStZB 1982, 44 (zur Überlassung eines Firmen-Pkw<br />

zur Privatnutzung);VwGH 20. 4. 1982, 81/14/0120, ÖStZB 1983, 31 (zur Überlassung einer luxuriösen<br />

Villa an den Gesellschafter-Geschäftsführer); VwGH 17. 2. 1993, 89/14/0248, ÖStZB 1993, 470<br />

(zur Überlassung einer Wohnung im Betriebsgebäude); VwGH 10. 5. 1994, 90/14/0050, ÖStZB 1995,<br />

19 (zur Überlassung eines Einfamilienhauses der „Luxus-Kategorie“); vgl auch VwGH 16. 5. 2007,<br />

2005/14/0083, ÖStZB 2008/73, 76, und Rz 819 KStR 2001; generell <strong>für</strong> diese Lösung Stangl, Die<br />

außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004) 138 f, sowie in ÖStZ 2005/71, 39 (41 f).<br />

105 Siehe auch VwGH 19. 12. 2006, 2004/15/0122, ÖStZB 2007/224, 291, wonach sich das Abzugsverbot<br />

<strong>für</strong> die Gewinnausschüttung schon aus „dem System der Einkommensbesteuerung von Körperschaften<br />

[ergibt], würde doch im Falle eines Abzuges des Gewinnes grundsätzlich keine Besteuerungsgrundlage<br />

verbleiben“.<br />

15


Steuerrecht-<strong>Finanzrecht</strong>_Kofler.fm Seite 16 Donnerstag, 2. April 2009 2:28 14<br />

Georg Kofler<br />

Unklar ist jedoch, in welchen Fällen von dieser „traditionellen“ Sichtweise abgewichen<br />

werden soll und bereits an der Wurzel „außerbetriebliches“ Vermögen anzunehmen<br />

ist. 106 In der jüngeren Rechtsprechung scheint diese Frage eine vorläufige Konkretisierung<br />

dahingehend gefunden zu haben, dass das betreffende Wirtschaftsgut schon seiner<br />

Erscheinung nach <strong>für</strong> die private Nutzung des Gesellschafters bestimmt sein muss; 107 dies<br />

soll bei Wohnobjekten insbesondere dann der Fall sein, wenn das Wohnobjekt „besonders<br />

repräsentativ“ oder „speziell auf die Wohnbedürfnisse des Gesellschafters abgestellt“<br />

ist, 108 wobei zusätzlich auf die sonstige Tätigkeit der Kapitalgesellschaft Bedacht<br />

zu nehmen sei. 109 Das Verneinen der Betriebsvermögenseigenschaft könne jedoch „nur<br />

in besonders gelagerten Fällen“ greifen, 110 vor allem, „wenn es sich um Objekte handelt,<br />

die realistischerweise nicht fremdüblich vermietbar sind”. 111 Insofern wurde auch vorgeschlagen,<br />

die Grenze danach zu ziehen, dass die Gesellschaft entweder „praktisch zur<br />

Gänze ihren Zweck in der Befriedigung der Gesellschafterinteressen“ hat oder „im Vergleich<br />

zu ihrer operativen Funktion und Größe ungewöhnliche Investitionen im Gesellschafterinteresse“<br />

tätigt, „die ohne Gesellschafterinteresse nicht getätigt worden wären“.<br />

112<br />

Zweifelsohne ist diese Grenzziehung mit erheblichen Problemen belastet. 113 Sollte<br />

aber im Einzelfall ein Wirtschaftsgut „nur eine gesellschaftliche und keine betriebliche<br />

Veranlassung“ haben, 114 wird von Rechtsprechung und Verwaltungspraxis offenbar da-<br />

106 Für einen Abgrenzungsversuch siehe zB Urtz, GeS 2007, 390 (400 f).<br />

107 Siehe auch Rz 819 KStR 2001.<br />

108 VwGH 16. 5. 2007, 2005/14/0083, ÖStZB 2008/73, 76; UFS Wien 5. 6. 2008, RV/0719-W/05; ebenso<br />

Rz 819 KStR 2001; dazu zB Wiesner, RWZ 2007/103, 359 (359 ff); Urtz, GeS 2007, 390 (395 ff).<br />

Vgl demgegenüber noch VwGH 20. 6. 2000, 98/15/0169, ÖStZB 2000/534, 653, UFS Linz 11. 7.<br />

2003, RV/0603-L/02, und UFS Graz 31.1.2006, RV/0408-G/04, wo darauf abgestellt wurde, ob eine<br />

vergleichbare Dienstwohnung auch <strong>für</strong> einen fremden Arbeitnehmer angeschafft würde.<br />

109 Siehe Zorn, RdW 2007/647, 620 (621), und andeutungsweise VwGH 26. 3. 2007, 2005/14/0091,<br />

ÖStZB 2007/481, 640; in diese Richtung auch Wiesner, RWZ 2007/37, 129 (132); dazu weiters Urtz,<br />

GeS 2007, 390 (397); wohl anders Pkt 2.4 des Salzburger Steuerdialogs 2008 (BMF-010216/0155-<br />

VI/6/2008), abgedruckt in Mayr/Treer, Der Salzburger Steuerdialog 2008, ÖStZ Spezial (2008) ___,<br />

wonach es „<strong>für</strong> die Zuordnung eines Wirtschaftsgutes zum betrieblichen bzw. außerbetrieblichen<br />

Bereich […] nicht von Bedeutung sein [kann], welchen Betriebsgegenstand die Kapitalgesellschaft<br />

hat“.<br />

110 Zorn, RdW 2007/647, 620 (621); ebenso Wiesner, RWZ 2007/37, 129 (132) („Extremfälle“); Pkt 7<br />

des KSt-Protokolls 2005 (BMF-010216/0086-IV/6/2005), AÖF 2005/272 („nur in besonders gelagerten<br />

Ausnahmefällen“); siehe auch Pkt 2.4 des Salzburger Steuerdialogs 2008 (BMF-010216/<br />

0155-VI/6/2008), abgedruckt in Mayr/Treer, Der Salzburger Steuerdialog 2008, ÖStZ Spezial<br />

(2008) ___ („nur in Ausnahmefällen“).<br />

111 Pkt 2.4 des Salzburger Steuerdialogs 2008 (BMF-010216/0155-VI/6/2008), abgedruckt in Mayr/<br />

Treer, Der Salzburger Steuerdialog 2008, ÖStZ Spezial (2008) ___; ebenso Rz 819 KStR 2001, wonach<br />

zu fragen sei, ob das Wirtschaftsgut „jederzeit im betrieblichen Geschehen der Kapitalgesellschaft<br />

(zB durch Vermietung) eingesetzt werden” könne. Überschießend daher wohl UFS Graz 11.<br />

3. 2008, RV/0137-G/07 (zu einem Sportwagen), und dies dementsprechend ablehnend Mayr in<br />

Mayr/Treer, Der Salzburger Steuerdialog 2008, ÖStZ Spezial (2008) ___.<br />

112 Wiesner, RWZ 2007/37, 129 (132).<br />

113 Siehe nur Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004) 137 ff; Urtz, GeS<br />

2007, 390 (400 ff); <strong>für</strong> einen Operationalisierungsversuch siehe Rauscher, UFS Journal 2008, 76<br />

(76 ff).<br />

114 Rz 819 KStR 2001.<br />

16


Steuerrecht-<strong>Finanzrecht</strong>_Kofler.fm Seite 17 Donnerstag, 2. April 2009 2:28 14<br />

Die „außerbetriebliche Vermögenssphäre“ der Kapitalgesellschaft<br />

von ausgegangen, dass es sich um „notwendiges Privatvermögen“ handelt; 115 das Wirtschaftsgut<br />

scheide „unabhängig von der Frage, ob das Nutzungsentgelt fremdüblich ist<br />

oder nicht“, 116 aus der „einkünfterelevanten Sphäre“ aus, 117 gehöre damit zum „steuerneutralen<br />

Vermögen“ 118 und werde solcherart in den „außerbetrieblichen Bereich“ „verschoben“.<br />

119 Ist diesfalls ein Wirtschaftsgut dieser „außerbetrieblichen“ Sphäre zuzuordnen,<br />

kann es auf Ebene der Gesellschaft aber denklogisch zu keiner verdeckten Ausschüttung<br />

kommen. 120 Insofern ergeben sich auch asymmetrische steuerliche Konsequenzen:<br />

121 Auf Ebene der Kapitalgesellschaft soll es zunächst ausgabenseitig zu einer<br />

Versagung von AfA, Investitionsbegünstigungen, Zinsaufwand etc kommen; 122 einnahmenseitig<br />

unterbleibt hingegen sowohl der Ansatz des tatsächlichen Mietzinses als Betriebseinnahme<br />

123 als auch eine Erfassung der Differenz zwischen fremdüblichem und<br />

tatsächlichem Nutzungsentgelt als fiktive Einnahme; 124 solcherart bleiben auch entgangene<br />

Erträge aus Alternativveranlagungen unberücksichtigt. 125 Nach hA soll aber überdies<br />

das Wirtschaftsgut in einer „außerbetrieblichen“ Sphäre der Gesellschaft verbleiben<br />

und zB im Falle einer Veräußerung innerhalb der Spekulationsfrist zu Einkünften iSd<br />

§ 30 EStG führen. 126 Auf der Ebene des Gesellschafters gehen die bisherige Verwal-<br />

115 VwGH 24. 6. 2004, 2001/15/0002, ÖStZB 2005/32, 57.<br />

116 Pkt 2.4 des Salzburger Steuerdialogs 2008 (BMF-010216/0155-VI/6/2008), abgedruckt in Mayr/<br />

Treer, Der Salzburger Steuerdialog 2008, ÖStZ Spezial (2008) ___; siehe auch Rz 819 KStR 2001.<br />

117 Siehe zB Rz 919 KStR 2001; Renner in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger, KStG 11 (2008)<br />

Anh zu § 8, Stichwort „Dienstwohnung“.<br />

118 Rz 819 KStR 2001.<br />

119 Pkt 2.4 des Salzburger Steuerdialogs 2008 (BMF-010216/0155-VI/6/2008), abgedruckt in Mayr/<br />

Treer, Der Salzburger Steuerdialog 2008, ÖStZ Spezial (2008) ___.<br />

120 Siehe zB Bruckner, ÖStZ 2003/233, 110 (112 f); Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften<br />

(2004) 153; Urtz, GeS 2007, 390 (400).<br />

121 Kritisch dazu Bruckner, ÖStZ 2003/233, 110 (113); Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften<br />

(2004) 132 ff; Stangl, ÖStZ 2007/71, 39 (41 ff); Urtz, GeS 2007, 390 (400 f).<br />

122 UFS Linz 11. 7. 2003, RV/0603-L/02; ebenso Pernegger, ÖStZ 2002/168, 87 (89 ff); Bruckner,<br />

ÖStZ 2003/233, 110 (114); Renner in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger, KStG 11 (2008) Anh<br />

zu § 8, Stichwort „Dienstwohnung“; siehe auch das Yachtbeispiel bei Wiesner/Schneider/Spanbauer/Kohler,<br />

KStG (1996) § 8 Anm 18. Siehe zum Ausschluss des Vorsteuerabzuges im Geltungsbereich<br />

des UStG 1994 insbesondere VwGH 26. 3. 2007, 2005/14/0091, ÖStZB 2007/481, 640; weiters<br />

zB Pernegger, ÖStZ 2002/168, 87 (89); kritisch Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften<br />

(2004) 178 ff, und in ÖStZ 2005/71, 39 (43 f).<br />

123 UFS Linz 11. 7. 2003, RV/0603-L/02; UFS Graz 31. 1. 2006, RV/0408-G/04. Umgekehrt scheidet<br />

auch die Annahme einer verdeckten Einlage in Höhe des tatsächlich bezahlten Nutzungsentgeltes<br />

aus; siehe Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004) 144 f.<br />

124 VwGH 20. 6. 2000, 98/15/0169, ÖStZB 2000/534, 653; UFS Linz 11. 7. 2003, RV/0603-L/02; dazu<br />

Pernegger, ÖStZ 2002/168, 87 (87 ff); Bruckner, ÖStZ 2003/233, 110 (114); Urtz, GeS 2007, 390<br />

(391 und 400).<br />

125 Dazu Bruckner, ÖStZ 2003/233, 110 (114); Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften<br />

(2004) 162 f.<br />

126 Rz 611 und Rz 613 KStR 2001; Pkt 2.4 des Salzburger Steuerdialogs 2008 (BMF-010216/0155-VI/<br />

6/2008), abgedruckt in Mayr/Treer, Der Salzburger Steuerdialog 2008, ÖStZ Spezial (2008) ___;<br />

ebenso Arnold, wobl 2001/19, 30 (30); Pernegger, ÖStZ 2002/168, 87 (89); Bruckner, ÖStZ 2003/<br />

233, 110 (114); Wiesner, RWZ 2004/56, 225 (226); Wiesner, RWZ 2007/37, 129 (131); Doralt/<strong>Ruppe</strong>,<br />

Steuerrecht I 9 (2007) Tz 960; Renner in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger, KStG 11<br />

(2008) § 8 Tz 61; oV, RdW 2008/564, 608 (609); aA Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von<br />

Kapitalgesellschaften (2004) 142 f und 148 ff. Konsequenterweise müssten dann im Falle der Ver-<br />

17


Steuerrecht-<strong>Finanzrecht</strong>_Kofler.fm Seite 18 Donnerstag, 2. April 2009 2:28 14<br />

Georg Kofler<br />

tungspraxis, 127 <strong>Teil</strong>e des Schrifttums 128 und auch die Rechtsprechung 129 hingegen von<br />

einer verdeckten Ausschüttung „an der Wurzel“ 130 aus, wobei auf Seiten des Vorteilsempfängers<br />

eine Ausschüttung nur in Höhe der Differenz zwischen dem fremdüblichen<br />

und dem tatsächlich gezahlten Nutzungsentgelt anzunehmen sei. 131 Diese Vorgehensweise<br />

wurde gleichsam kritisiert und eine Gleichschaltung der steuerlichen Konsequenzen<br />

auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene gefordert. 132 Diesen Weg scheint<br />

letztlich auch die jüngere Verwaltungspraxis beschreiten zu wollen, wenn die Konsequenz<br />

einer Zuordnung „zum außerbetrieblichen Bereich“ der Gesellschaft darin gesehen<br />

wird, dass es zur vollen verdeckten Ausschüttung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten<br />

an den Gesellschafter kommt. 133<br />

Selbst wenn man aus dogmatischer Sicht von den grundsätzlichen Bedenken gegen<br />

die veranlassungstheoretische Zuordnung von einzelnen Wirtschaftsgütern zum „außer-<br />

127 mietung an den Gesellschafter aber auch die Grundsätze der Einkünfte aus Vermietung nach § 28<br />

EStG schlagend werden (dh zB Vermietungseinkünfte der Gesellschaft im Ausmaß der tatsächlichen<br />

Nutzungsentgelte und AfA im außerbetrieblichen Bereich; in diese Richtung Wiesner, RWZ 2007/<br />

37, 129 [130]; dies ablehnend wohl Bruckner, ÖStZ 2003/233, 110 [114], und Pkt 2.4 des Salzburger<br />

Steuerdialogs 2008 (BMF-010216/0155-VI/6/2008), abgedruckt in Mayr/Treer, Der Salzburger<br />

Steuerdialog 2008, ÖStZ Spezial (2008) ___; aus grundsätzlichen Erwägungen dagegen Stangl, Die<br />

außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften [2004] 143 f; Urtz, GeS 2007, 390 [398 f]). Sowohl<br />

im Hinblick auf Spekulations- als auch auf Vermietungseinkünfte würde sich dann jedoch die<br />

Frage aufwerfen, welche Auswirkung die Transformationsvorschrift des § 7 Abs 3 KStG hat (siehe<br />

dazu oben Kapitel II.C.; weiters Bruckner, ÖStZ 2003/233, 110 [114 m FN 40]; dazu ausführlich<br />

Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004) 150 f; Urtz, GeS 2007, 390<br />

[398 f]). Freilich stößt schon die grundsätzliche Folgerung außerbetrieblicher Einkünfte im Lichte<br />

der Rechtsprechung auf Zweifel, zumal der VwGH offenbar davon ausgeht, dass die Zuordnung zur<br />

„außerbetrieblichen“ Sphäre im Wesentlichen dieselben Rechtsfolgen wie Liebhaberei zeitigen soll,<br />

lehnt er doch in diesen Fällen eines gesonderte Liebhabereiprüfung ausdrücklich ab; siehe VwGH<br />

24. 6. 2004, 2001/15/0002, ÖStZB 2005/32, 57; in diese Richtung auch die Argumentation bei Stangl,<br />

Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004) 144; Urtz, GeS 2007, 390 (398 f).<br />

127 Rz 919 und Rz 1042 KStR 2001.<br />

128 Pernegger, ÖStZ 2002/168, 87 (90); Bruckner, ÖStZ 2003/233, 110 (114); Renner in Quantschnigg/<br />

Renner/Schellmann/Stöger, KStG 11 (2008) Anh zu § 8, Stichwort „Dienstwohnung“; siehe auch die<br />

Diskussion bei Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004) 154 f.<br />

129 VwGH 20. 6. 2000, 98/15/0169, ÖStZB 2000/534, 653; UFS Linz 11. 7. 2003, RV/0603-L/02; siehe<br />

auch UFS Graz 31. 1. 2006, RV/0408-G/04.<br />

130 Siehe oV, RdW 2000/481, 503; Zorn, RdW 2007/647, 620 (621); Renner in Quantschnigg/Renner/<br />

Schellmann/Stöger, KStG 11 (2008) Anh zu § 8, Stichwort „Dienstwohnung“<br />

131 Zur Bewertung siehe Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004) 154 f;<br />

Renner in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger, KStG 11 (2008) Anh zu § 8, Stichwort „Dienstwohnung“<br />

mwN.<br />

132 Siehe Wiesner, RWZ 2007/37, 129 (130); Wiesner, RWZ 2007/103, 359 (361); Pröll, UFS 2007,<br />

336 (338 f); Wiesner, RWZ 2008/69, 255 (255 f); kritisch bereits Wiesner, RWZ 2000/74, 229 (230);<br />

in diese Richtung womöglich nunmehr VwGH 9. 7. 2008, 2005/13/0020, ÖStZB ___ (betreffend<br />

eine im zivilrechtlichen Eigentum des Gesellschafters stehende Yacht); dazu Wiesner, RWZ 2008/<br />

69, 255 (255 f); oV, RdW 2008/564, 608 (608 f).<br />

133 Siehe Pkt 2.4 des Salzburger Steuerdialogs 2008 (BMF-010216/0155-VI/6/2008), abgedruckt in<br />

Mayr/Treer, Der Salzburger Steuerdialog 2008, ÖStZ Spezial (2008) ___: „Wenn die Errichtung<br />

fremdfinanziert ist (zB Kredit 2 Mio Euro und 1 Mio Euro Eigenmittel), führt dies zur sofortigen<br />

verdeckten Ausschüttung der Eigenmittel (= 1 Mio Euro). Die Kreditrückzahlungen (Tilgungen und<br />

Zinsen) führen in der Folge zu verdeckten Ausschüttungen.“<br />

18


Steuerrecht-<strong>Finanzrecht</strong>_Kofler.fm Seite 19 Donnerstag, 2. April 2009 2:28 14<br />

Die „außerbetriebliche Vermögenssphäre“ der Kapitalgesellschaft<br />

betrieblichen“ Bereich und der dadurch heraufbeschworenen komplexen Abgrenzungsproblematik<br />

zur „traditionellen“ Lösung über das <strong>Institut</strong> der verdeckten Ausschüttung<br />

absieht, 134 kann die von der jüngeren Verwaltungspraxis angedachte „Mischlösung“ aber<br />

letztlich nicht überzeugen. Denn diese geht davon aus, dass es einerseits zu einer vollen<br />

(wertmäßigen) Ausschüttung des Wirtschaftsgutes an den Gesellschafter kommt, dieses<br />

andererseits aber im „außerbetrieblichen“ Bereich der Gesellschaft verbleibt. Will man<br />

aber wegen des speziellen Zuschnittes des Wirtschaftsgutes auf den Gesellschafter von<br />

einer „Vollausschüttung“ ausgehen, würde dies schlichtweg implizieren, dass auch das<br />

wirtschaftliche Eigentum – wie im Falle eines Spezialleasings 135 – auf den Gesellschafter<br />

übergeht. 136 Wird aber das Wirtschaftsgut steuerlich dem Gesellschafter zugerechnet, so<br />

kann es sich steuerlich nicht mehr in einer wie auch immer gearteten „außerbetrieblichen“<br />

Sphäre der Gesellschaft befinden; entweder das Gebäude verbleibt in der betrieblichen<br />

Sphäre der Kapitalgesellschaft und die fremdunüblichen Mietentgelte werden im Sinne<br />

der traditionellen Rechtsprechung im Wege einer verdeckten Ausschüttung angepasst<br />

oder es wird dem Gesellschafter zugerechnet und führt bei der Gesellschaft aufgrund des<br />

Ausscheidens aus ihrer steuerlichen Sphäre zu keinen nachgelagerten Steuerfolgen im<br />

Veräußerungsfall; 137 lediglich tatsächlich geleistete Nutzungsentgelte wären sodann als<br />

verdeckte Einlagen zu beurteilen. 138 Eine von der „Mischlösung“ unterstellte Verschiebung<br />

in den „außerbetrieblichen“ Bereich würde überdies das in § 9 Abs 3 UmgrStG zum<br />

Ausdruck kommende gesetzliche Konzept aushöhlen, wonach ein Wirtschaftsgut offenbar<br />

entweder dem Betriebsvermögen der Gesellschaft oder dem notwendigen Privatvermögen<br />

des Gesellschafters zuzuordnen sein soll. 139 Es spricht daher vieles da<strong>für</strong>, die vom<br />

134 Dazu Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004) 132 ff; Stangl, ÖStZ<br />

2007/71, 39 (41 ff); Urtz, GeS 2007, 390 (400 f).<br />

135 Siehe Rz 137 und 141 EStR 2000 und <strong>für</strong> die konkrete Situation diese Analogie bejahend Pröll, UFS<br />

2007, 336 (338 ff).<br />

136 Ebenso Bruckner, ÖStZ 2003/233, 110 (114), und die Anmerkung von Mayr zu Pkt 2.4 des Salzburger<br />

Steuerdialogs 2008 (BMF-010216/0155-VI/6/2008), abgedruckt in Mayr/Treer, Der Salzburger<br />

Steuerdialog 2008, ÖStZ Spezial (2008) ___; siehe auch Pröll, UFS 2007, 336 (338 f). Diese<br />

Frage wurde bisher umgekehrt dahin gehend gestellt, ob das Rechtsverhältnis zwischen Gesellschaft<br />

und Gesellschafter derart ausgestaltet ist, dass das wirtschaftliche Eigentum auf den Gesellschafter<br />

übergeht und es deshalb zu einer verdeckten Ausschüttung in voller Höhe der Anschaffungs- oder<br />

Herstellungskosten kommt; siehe Bruckner, ÖStZ 2003/233, 110 (114); Stangl, Die außerbetriebliche<br />

Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004) 140 f; Stangl, ÖStZ 2005/71, 39 (42); Urtz, GeS 2007,<br />

390 (399 f); ähnlich auch Rz 819 und Rz 1042 KStR 2001.<br />

137 Siehe auch die Anmerkung von Mayr in Mayr/Treer, Der Salzburger Steuerdialog 2008, ÖStZ Spezial<br />

(2008) ___.<br />

138 Rz 1042 KStR 2001.<br />

139 Nach § 9 Abs 3 UmgrStG sind die Grundsätze über den Wechsel der Gewinnermittlung nach § 4<br />

Abs 10 EStG auch auf „den Fall des durch die Umwandlung bewirkten Ausscheidens von Wirtschaftsgütern<br />

aus dem Betriebsvermögen“ anzuwenden. Dabei handelt es sich insbesondere um jene<br />

Wirtschaftsgüter, die zwar auf Seiten der umgewandelten Kapitalgesellschaft auf Grund der Bestimmung<br />

des § 7 Abs 3 KStG Betriebsvermögen, nach der Umgründung jedoch (nunmehr) notwendiges<br />

Privatvermögen darstellen (ErlRV 266 BlgNR XVIII. GP, 20; siehe auch Hirschler in Hügel/Mühlehner/Hirschler,<br />

UmgrStG, § 9 Rz 16; Keppert in Helbich/Wiesner/Bruckner, Umgründungen<br />

II § 9 Tz 35). Hauptanwendungsfall dieser Bestimmung ist gerade die Wohnung des Gesellschafter-<br />

Geschäftsführers (Rz 519 UmgrStR 2002). Scheidet diese umwandlungsbedingt aus dem Betriebsvermögen<br />

aus, so wird vom Gesetz konstitutiv eine Entnahme in das Privatvermögen mit entspre-<br />

19


Steuerrecht-<strong>Finanzrecht</strong>_Kofler.fm Seite 20 Donnerstag, 2. April 2009 2:28 14<br />

Georg Kofler<br />

VwGH aufgeworfenen Fragen rund um die verdeckte Ausschüttung „an der Wurzel“ nach<br />

dem „Entweder-oder-Prinzip“ zu lösen. Diesfalls würden sich auch Folgefragen etwa im<br />

Hinblick auf die Überführung zwischen den verschiedenen Sphären der Gesellschaft im<br />

Entnahme- und Einlagewege nach § 4 Abs 1 EStG erübrigen. 140 Denn gerade auch dieser<br />

Punkt spricht gegen eine „Mischlösung“, zumal der historische Gesetzgeber zwar eine<br />

außerbetriebliche Sphäre bei Kapitalgesellschaften <strong>für</strong> grundsätzlich möglich gehalten<br />

hat, 141 die Anwendbarkeit des Entnahmetatbestandes bei Kapitalgesellschaften im Hinblick<br />

auf deren Verhältnis zu den Gesellschaftern aber offensichtlich ausschließen und<br />

lediglich das Instrument der verdeckten Ausschüttung und die entsprechenden Bewertungsgrundsätze<br />

angewandt wissen wollte. 142<br />

Wenngleich sich die Fragestellung somit im Bereich der Wirtschaftsgüter auf eine<br />

„Entweder-oder-Lösung“ zuspitzen dürfte, bleibt dennoch unklar, ob eine „gesellschaftsrechtliche<br />

Sphäre“ der Kapitalgesellschaft generell ausgeschlossen werden kann. Dieses<br />

Problem wurde im Hinblick auf fremdfinanzierte Ausschüttungen heftig diskutiert. 143<br />

Würde man hier nämlich zu dem Ergebnis kommen, dass die Verbindlichkeit zur Ausschüttungsfinanzierung<br />

veranlassungstheoretisch in einem steuerlich relevanten Konnex<br />

zur Einkommensverwendung nach § 8 Abs 2 KStG steht, wäre wohl die Verbindlichkeit<br />

einer nichtbetrieblichen, gesellschaftsrechtlichen Sphäre der Gesellschaft zuzuordnen<br />

und solcherart dem Zinsaufwand die Abzugsfähigkeit versagt. 144 Diesen Weg hat der<br />

VwGH freilich <strong>für</strong> den Fall der offenen Ausschüttung nicht beschritten, sodass der Finanzierungsaufwand<br />

<strong>für</strong> offene Ausschüttungen nicht den betrieblichen Konnex verliert<br />

139 chender Gewinnrealisierung in Höhe der Differenz zwischen gemeinem Wert und Buchwert unter-<br />

140 stellt (dazu Hirschler in Hügel/Mühlehner/Hirschler, UmgrStG, § 9 Rz 16). § 9 Abs 3 UmgrStG<br />

spricht somit zwar nicht zwingend gegen das Vorliegen einer „außerbetrieblichen“ Sphäre im Hinblick<br />

auf Dienstwohnungen von Gesellschafter-Geschäftsführern (dazu Urtz in Gassner/Göth/<br />

Gröhs/Lang, Privatstiftungen [2000] 297 [303 f]); die Bestimmung demonstriert aber dennoch, wie<br />

selbstverständlich die Betriebsvermögenseigenschaft derartiger Wirtschaftsgüter steuersystematisch<br />

bejaht wurde (siehe auch Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften<br />

[2004] 127 f).<br />

140 Siehe zu dieser Problematik Wiesner, RWZ 2000/74, 229 (230); Pernegger, ÖStZ 2002/168, 87 (89);<br />

Bruckner, ÖStZ 2003/233, 110 (113 f); Lang/Riedl in Gröhs et al, Ausgliederungen (2003) 283<br />

(293); Wiesner, RWZ 2007/37, 129 (130); Doralt/<strong>Ruppe</strong>, Steuerrecht I 9 (2007) Tz 960; ausführlich<br />

Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004) 146 ff.<br />

141 Siehe hinsichtlich der Liebhaberei zB ErlRV 622 BlgNR XVII. GP, 16.<br />

142 Nach ErlRV 622 BlgNR XVII. GP, 17, kann der „Entnahme-Einlagentatbestand des § 4 Abs. 1 EStG<br />

[…] im Körperschaftsteuerrecht nur dort Bedeutung haben, wo eine außerbetriebliche Ebene der<br />

Körperschaft denkbar ist“, wobei beispielhaft lediglich der – im Vergleich zur Kapitalgesellschaft<br />

wirtschaftlich weniger bedeutende – Verein, der „ein Wirtschaftsgut aus dem Vereinsvermögen in<br />

seinen Betrieb einbringt oder aus dem Betriebsvermögen entnimmt“, Erwähnung findet. Daraus ließe<br />

sich umgekehrt folgern, dass bei Kapitalgesellschaften der Entnahmetatbestand nicht zur Anwendung<br />

kommen soll (siehe dazu auch Urtz in Gassner/Göth/Gröhs/Lang, Privatstiftungen [2000] 297<br />

[302]; Urtz, GeS 2007, 390 [402]). Hingewiesen sei auch darauf, dass sich der BFH im Hinblick auf<br />

das Verneinen einer außerbetrieblichen Sphäre auch auf das Mangeln von körperschaftsteuerlichen<br />

Vorschriften zur Überführung von Wirtschaftsgütern zwischen dem betrieblichen und dem außerbetrieblichen<br />

Bereich einer Kapitalgesellschaft stützt; siehe BFH 4. 12. 1996, I R 54/95, BFHE 182,<br />

123; BFH 22. 8. 2007, I R 32/06, BStBl 2007 II 961.<br />

143 Dazu G. Kofler in FS Doralt (2007) 197 (197 ff).<br />

144 G. Kofler in FS Doralt (2007) 197 (201 ff).<br />

20


Steuerrecht-<strong>Finanzrecht</strong>_Kofler.fm Seite 21 Donnerstag, 2. April 2009 2:28 14<br />

Die „außerbetriebliche Vermögenssphäre“ der Kapitalgesellschaft<br />

und somit als betrieblicher Aufwand abzugsfähig bleibt. 145 Abgelehnt wurde diese Zuordnung<br />

zur betrieblichen Sphäre allerdings – gegen die hA im Schrifttum 146 – <strong>für</strong> fremdfinanzierte<br />

verdeckte Ausschüttungen 147 und Einlagenrückzahlungen. 148 Aus der Nichtabzugsfähigkeit<br />

des Zinsaufwandes in diesen Fällen folgt aber auch, dass die entsprechenden<br />

Verbindlichkeiten nicht der betrieblichen Sphäre zugeordnet werden können,<br />

sondern einer „gesellschaftsrechtlichen“, steuerlich unbeachtlichen Sphäre der Kapitalgesellschaft<br />

zugeordnet werden müssen. Diesbezüglich folgert aus § 8 KStG mE aber<br />

auch, dass positive oder negative Wertänderungen dieser Verbindlichkeiten (zB im Falle<br />

der Konvertierung von Fremdwährungsverbindlichkeiten) steuerlich unbeachtlich sein<br />

müssen.<br />

III. Resümee<br />

Die vorstehenden Überlegungen haben gezeigt, dass auch Kapitalgesellschaften eine „außerbetriebliche“<br />

Vermögenssphäre haben können. Diese Sphäre hat jedoch keinen einheitlichen<br />

Charakter. Während die „Liebhabereisphäre“ schon beim Einkünftebegriff des<br />

§ 7 Abs 3 KStG iVm § 2 Abs 3 EStG ansetzt und solcherart einen echten „einkünfteirrelevanten“<br />

Bereich betrifft, 149 setzen die Abzugsverbote des § 12 KStG eine einkünfterelevante<br />

Tätigkeit voraus und verschieben Wirtschaftsgüter in einen „außerbetrieblichen“<br />

Bereich, in dem die Grundsätze der außerbetrieblichen Einkunftsarten – wenn auch mittelbar<br />

über die Einlagenbewertung nach § 6 Z 5 EStG – Bedeutung haben können. Daneben<br />

ist prinzipiell auch eine „gesellschaftsrechtliche“ Sphäre denkbar, die sich aus der<br />

veranlassungstheoretischen Abgrenzung zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterebene<br />

ergibt; in den praktisch relevanten Fällen der Überlassung von ausschließlich auf den<br />

Gesellschafter „zugeschnittenen“ Wirtschaftsgütern zeigt sich freilich, dass es in derartigen<br />

Sonderkonstellationen im Sinne einer „Entweder-oder-Lösung“ allenfalls zu einem<br />

Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf den Gesellschafter kommen kann und solcherart<br />

keines Rückgriffs auf eine „außerbetriebliche“ Sphäre bedarf.<br />

145 VwGH 19. 12. 2006, 2004/15/0122, ÖStZB 2007/224, 291 = RdW 2007/121, 120 m Anm Zorn;<br />

ebenso nunmehr Rz 1217 KStR 2001; dazu ausführlich G. Kofler in FS Doralt (2007) 197 (197 ff).<br />

146 Siehe auch G. Kofler, GesRZ 2002, 10 (16 ff); Achatz in Bertl et al, Beteiligungen in Rechnungswesen<br />

und Besteuerung (2004) 131 (145); G. Kofler in FS Doralt (2007) 197 (215).<br />

147 VwGH 17. 10. 2007, 2006/13/0069, ÖStZB 2008/313, 401 = ecolex 2008/62 m krit Anm Bauer;<br />

dazu oV, RdW 2007/768, 752.<br />

148 VwGH 19. 12. 2006, 2004/15/0122, ÖStZB 2007/224, 291; Rz 1217 KStR 2001; kritisch G. Kofler<br />

in FS Doralt (2007) 197 (215 f mwN); anders vorgehend auch Achatz in Bertl et al, Beteiligungen<br />

in Rechnungswesen und Besteuerung (2004) 131 (144 f).<br />

149 Siehe zur möglichen veranlassungstheoretischen Qualifikation als Einkommensverwendung insbesondere<br />

Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004) 73.<br />

21


Steuerrecht-<strong>Finanzrecht</strong>_Kofler.fm Seite 22 Donnerstag, 2. April 2009 2:28 14<br />

Georg Kofler<br />

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Georg Kofler<br />

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24


Fremdfinanzierte<br />

Gewinnausschüttungen


Gericht<br />

Verwaltungsgerichtshof<br />

Entscheidungsdatum<br />

19.12.2006<br />

Geschäftszahl<br />

2004/15/0122<br />

Betreff<br />

19.12.2006<br />

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte<br />

Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schilhan,<br />

über die Beschwerde der F GmbH & Co KG in F, vertreten durch die Bertl - Fattinger & Partner<br />

Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH in 8010 Graz, Schubertstraße 62, gegen den Bescheid des<br />

unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 8. Juli 2004, GZ. RV/0010- G/04, betreffend<br />

Körperschaftsteuer <strong>für</strong> das Jahr 2001, zu Recht erkannt:<br />

Spruch<br />

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.<br />

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen<br />

bei sonstiger Exekution zu ersetzen.<br />

Begründung<br />

Die F GmbH wurde mit Stichtag 31. Dezember 2002 gemäß Art. II UmgrStG in die beschwerdeführende<br />

GmbH & Co KG (in der Folge: Beschwerdeführerin) umgewandelt.<br />

Bei der Verteilung des Bilanzgewinnes des Jahres 1998 wurde beschlossen, eine Ausschüttung<br />

vorzunehmen, mit der sämtliche in der Bilanz per 31. Dezember 1998 ausgewiesenen "Gewinnvorträge und<br />

unversteuerte Rücklagen" abgedeckt werden sollten. Mit Umlaufbeschluss vom 24. Februar 2000 wurde <strong>für</strong><br />

diese Gewinnausschüttung an die Gesellschafter eine Darlehensaufnahme in Höhe von S 14 Mio. einstimmig<br />

beschlossen. Die damit zusammenhängenden Zinsaufwendungen wurden im Rechenwerk als Aufwand in der<br />

Gewinn- und Verlustrechnung gebucht und bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinnes berücksichtigt.<br />

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurden die Zinsaufwendungen im<br />

Zusammenhang mit dieser Kreditaufnahme nicht als Betriebsausgaben anerkannt. Die belangte Behörde führte<br />

dazu im Erwägungsteil aus, nach § 8 Abs. 2 KStG 1988 sei es <strong>für</strong> die Ermittlung des Einkommens ohne<br />

Bedeutung, ob das Einkommen im Wege offener oder verdeckter Ausschüttungen verteilt oder entnommen oder<br />

in anderer Weise verwendet werde. Dies bedeute, dass Maßnahmen der Einkommensverwendung, wie die<br />

Gewinnverteilung, das Einkommen von Körperschaften nicht mindern dürften. Ebenso wie im<br />

Einkommensteuerrecht gelte also auch im Körperschaftsteuerrecht das Prinzip der Unbeachtlichkeit der<br />

Einkommensverwendung. § 8 KStG 1988 diene der allgemeinen Abgrenzung zwischen der steuerrelevanten<br />

Sphäre einer Körperschaft von der steuerlich nicht relevanten Sphäre. Wie das Einkommen der Körperschaft zu<br />

ermitteln sei, bestimme sich nach dem Einkommensteuergesetz 1988 und dem Körperschaftsteuergesetz 1988.<br />

Nach § 4 Abs. 4 EStG 1988 seien Betriebsausgaben Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb<br />

veranlasst seien. Schuldzinsen im Zusammenhang mit der Finanzierung von Gewinnausschüttungen stünden<br />

nicht mit Betriebsausgaben im Zusammenhang und seien daher nicht abzugsfähig. Sie seien als Kosten zu<br />

werten, die mit der Einkommensverwendung und damit der steuerlich nicht relevanten Sphäre der Gesellschaft<br />

im Zusammenhang stehen und als solche durch die Bestimmung des § 8 Abs. 2 KStG 1988 ausdrücklich von der<br />

Ermittlung des Einkommens ausgenommen worden seien.<br />

Den Hinweis der Beschwerdeführerin, dass § 11 Abs. 1 Z. 1 KStG 1988 <strong>für</strong> Fälle der Kapitalbeschaffung<br />

ausdrücklich den Betriebsausgabencharakter von damit zusammenhängenden Ausgaben normiere und es nicht<br />

einzusehen sei, dass bei der offenen Gewinnausschüttung die Abzugsfähigkeit von Fremdfinanzierungskosten<br />

verneint werde, sei entgegenzuhalten, dass der Gesetzgeber durch die Nichteinbeziehung dieser Kosten in eine<br />

gesetzliche Ausnahmeregelung die Abzugsfähigkeit derselben nicht beabsichtigte.<br />

www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 3


Verwaltungsgerichtshof 19.12.2006<br />

Mit dem Hinweis der Beschwerdeführerin, dass sie die freie Wahl habe, den Betrieb mit Eigen- oder<br />

Fremdmitteln zu finanzieren, übersehe die Beschwerdeführerin, dass die Rechtsprechung die<br />

Zuordnungsindifferenz von Verbindlichkeiten ausdrücklich ablehne. Im Beschwerdefall sei mit dem Darlehen<br />

erst die Gewinnausschüttung möglich geworden. Das Darlehen habe sich zum Zeitpunkt der Aufnahme also<br />

nicht als Ersatz von abgegangenem Eigenkapital dargestellt. Das Darlehen sei auch in wirtschaftlicher<br />

Betrachtungsweise <strong>für</strong> nichts anderes als <strong>für</strong> die Finanzierung der Gewinnausschüttung aufgenommen worden<br />

und stehe somit mit der Einkommensverwendung in ursächlichem Zusammenhang.<br />

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der<br />

Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:<br />

Nach § 7 Abs. 2 KStG 1988 (in der im Streitjahr geltenden Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2001,<br />

BGBl. I Nr. 142/2000) ist das Einkommen der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den im § 2 Abs. 3 EStG 1988<br />

aufgezählten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus den einzelnen Einkunftsarten ergeben,<br />

und nach Abzug der Sonderausgaben (§ 8 Abs. 4) und des Freibetrages <strong>für</strong> begünstigte Zwecke (§ 23). Wie das<br />

Einkommen zu ermitteln ist, bestimmt sich nach dem Einkommensteuergesetz 1988 und diesem Bundesgesetz.<br />

Durch § 7 Abs. 2 KStG 1988 werden u.a. die einkommensteuerlichen Vorschriften über die<br />

Gewinnermittlung in den Bereich der Körperschaftsteuer übernommen.<br />

§ 8 KStG 1988 ordnet im Abs. 2 an, dass es <strong>für</strong> die Ermittlung des Einkommens ohne Bedeutung ist, ob das<br />

Einkommen im Wege offener oder verdeckter Ausschüttungen verteilt, entnommen oder in anderer Weise<br />

verwendet wird. Der mit "Abzugsfähige Aufwendungen und Ausgaben" übertitelte § 11 KStG 1988 sieht im<br />

Abs. 1 Z. 1 vor, dass bei der Gewinnermittlung auch Aufwendungen als Betriebsausgaben im Sinne des<br />

Einkommensteuergesetzes 1988 gelten, und zwar bei unter § 7 Abs. 3 fallenden Steuerpflichtigen die von ihnen<br />

zu tragenden Aufwendungen, soweit sie mit Einlagen und Beiträgen (§ 8 Abs. 1) in unmittelbarem<br />

wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Dem gegenüber sieht der mit "Nicht abzugsfähige Aufwendungen und<br />

Ausgaben" überschriebene § 12 leg. cit. vor, dass bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden dürfen<br />

die Aufwendungen <strong>für</strong> die Erfüllung von Zwecken des Steuerpflichtigen, die durch Stiftung, Satzung oder<br />

sonstige Verfassung vorgeschrieben sind (Z. 1).<br />

Eine Fremdmittelaufnahme ist dann i.S.d. § 4 Abs. 1 und 4 EStG 1988 betrieblich veranlasst - und führt<br />

damit zu abzugsfähigen Fremdmittelkosten - wenn die aufgenommenen Mittel <strong>für</strong> betriebliche Zwecke<br />

Verwendung finden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30. September 1999, 99/15/0106, 0107, und vom<br />

23. April 2001, 2001/14/0044). Fremdmittel, die der Finanzierung einkommensteuerlicher Entnahmen i.S.d. § 4<br />

Abs. 1 EStG 1988 dienen, sind nicht betrieblich veranlasst. Eine Fremdmittelschuld gehört dann zum<br />

Betriebsvermögen, wenn Fremdmittel betrieblichen Einsatz gefunden haben.<br />

Dem Beschwerdefall liegt die im Jahr 2000 getätigte Ausschüttung des Bilanzgewinnes 1998 einer GmbH<br />

zu Grunde. Diese Gewinnausschüttung ist mit einem Darlehen in Höhe von S 14 Mio. finanziert worden. Strittig<br />

ist, ob (bzw. in welchem Ausmaß) die Darlehenszinsen zu Betriebsausgaben führen.<br />

Nach § 82 Abs. 1 GmbHG können die Gesellschafter ihre Stammeinlagen nicht zurückfordern; sie haben,<br />

solange die Gesellschaft besteht, nur Anspruch auf den nach dem Jahresabschluss als Überschuss der Aktiven<br />

über die Passiven sich ergebenden Bilanzgewinn, soweit dieser nicht aus dem Gesellschaftsvertrag oder durch<br />

einen Beschluss der Gesellschafter von der Verteilung ausgeschlossen ist.<br />

Jeder Gesellschafter hat sohin grundsätzlich das Recht auf Ausschüttung des Gewinnes<br />

(vgl. Kastner/Doralt/Nowotny, Grundriss des österreichischen Gesellschaftsrechts5, 433).<br />

Gewinnausschüttungen von Körperschaften beeinflussen gemäß § 8 Abs. 2 KStG 1988 das Einkommen der<br />

Körperschaft nicht. Dies ergibt sich schon aus dem System der Einkommensbesteuerung von Körperschaften,<br />

würde doch im Falle eines Abzuges des Gewinnes grundsätzlich keine Besteuerungsgrundlage verbleiben. Für<br />

offene Ausschüttungen folgt aus § 82 Abs. 1 GmbHG der Anspruch der Gesellschafter auf den Bilanzgewinn.<br />

Die Gewinnausschüttung stellt zwar eine gesellschaftsrechtliche Maßnahme dar; ihr kommt allerdings eine<br />

Sonderstellung zu: ohne den Anspruch auf Gewinnausschüttung würde auch die Kapitalzufuhr <strong>für</strong> den<br />

betrieblichen Bereich der Körperschaft unterbleiben. Sie steht damit in Zusammenhang mit der<br />

Kapitalüberlassung durch die von der den Betrieb führenden Körperschaft zu unterscheidenden Gesellschafter.<br />

Die Gewinnausschüttung steht im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Betrieb, gilt sie doch die durch<br />

die Gesellschafter erbrachte Kapitalüberlassung ab. Zwar bedingt es das System einer Körperschaftsbesteuerung,<br />

die Ausschüttung des Gewinnes an sich von jeder Auswirkung auf das Einkommen der Körperschaft<br />

auszuschließen, solches gilt aber nur <strong>für</strong> den Gewinn bzw. die Gewinnausschüttung an sich, nicht aber <strong>für</strong> die<br />

Aufwendungen der Fremdfinanzierung der Gewinnausschüttung. Die Fremdfinanzierung steht in<br />

Zusammenhang mit dem Anspruch der das Kapital überlassenden Gesellschafter auf Auszahlung des Gewinnes.<br />

Es spricht daher nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nichts dagegen, die Finanzierungsentscheidung zur<br />

Befriedigung des Anspruches auf Gewinnausschüttung (Finanzierung der Zahlung durch Eigen- oder<br />

Fremdmittel) im betrieblichen Bereich zu belassen. Im Falle einer Fremdfinanzierung stellen die Zinsen<br />

Betriebsausgaben dar.<br />

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Verwaltungsgerichtshof 19.12.2006<br />

Zu einem anderen Ergebnis führt die Fremdfinanzierung der Zurücknahme der überlassenen Mittel, nämlich<br />

die fremdfinanzierte Einlagenrückzahlung i.S.d. § 4 Abs. 12 EStG 1988 an den Gesellschafter als contrarius<br />

actus zur Einlagengewährung:<br />

Wird Stammkapital einer Kapitalgesellschaft herabgesetzt und zurückgewährt, liegt der Fall einer<br />

Einlagenrückzahlung vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1984, 83/14/0130). Im Erkenntnis vom<br />

19. Februar 1991, 87/14/0136, hat der Verwaltungsgerichtshof trotz des Fehlens eines<br />

Kapitalherabsetzungsbeschlusses eine handelsrechtliche Gewinnausschüttung als Einlagenrückzahlung gewertet,<br />

weil die Gesellschaft Gewinne noch niemals erwirtschaftet hatte. Im Erkenntnis vom 11. August 1993,<br />

91/13/0005, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, einer Kapitalherabsetzung komme nur im Rahmen der<br />

Beweiswürdigung Bedeutung zu, weil sie in qualifizierte Weise die Vermutung rechtfertige, dass im Einzelfall<br />

tatsächlich Einlagen und nicht erwirtschaftete Gewinne ausgeschüttet werden (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom<br />

22. Dezember 1993, 91/13/0011).<br />

Den eben zitierten Erkenntnissen liegt die Auffassung zu Grunde, dass auch unabhängig von einer<br />

gesellschaftsrechtlichen Kapitalherabsetzung eine Rückzahlung von eingelegtem Kapital erfolgen könne, dass<br />

aber im Einzelfall entsprechende Sachverhaltsfeststellungen zu treffen seien. Die <strong>für</strong> die Sachverhaltsfeststellung<br />

maßgebliche Beweislage hat sich seit dem Inkrafttreten des Rechnungslegungsgesetzes geändert, weil dieses in<br />

der Handelsbilanz den Ausweis der Einlagen als Kapitalrücklagen vorsieht (§ 229 Abs. 2 HGB). Seither kann im<br />

Einzelfall der Nachweis geführt werden, ob erwirtschaftete Gewinne oder eingezahltes Kapital zur Ausschüttung<br />

gelangt (vgl. Hofstätter/Reichel, Tz. 1 zu § 4 Abs. 12 EStG 1988). Mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 hat<br />

der Gesetzgeber in § 4 Abs. 12 EStG 1988 Regelungen über die Einlagenrückzahlung getroffen.<br />

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes führt die Fremdfinanzierung einer Einlagenrückzahlung nicht<br />

zu Betriebsausgaben. Während mit der Ausschüttung des erwirtschafteten Gewinnes die Überlassung von<br />

Kapital durch einen Gesellschafter abgegolten wird und insofern ein betrieblicher Zusammenhang angenommen<br />

werden kann, stellt die Rückgewährung des überlassenen Kapital eine reine gesellschaftsrechtliche Maßnahme<br />

dar, deren Fremdfinanzierung, wie die Fremdfinanzierung einer Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 1 EStG 1988, nicht zu<br />

Betriebsausgaben führt.<br />

Die belangte Behörde hat in Verkennung der Rechtslage den Betriebsausgabenabzug <strong>für</strong> die<br />

Fremdfinanzierung der Ausschüttung von vornherein abgelehnt. Auf der Grundlage ihrer unrichtigen<br />

Rechtsauffassung hat sie nicht geprüft, ob allenfalls ein <strong>Teil</strong> der Gewinnausschüttung auf<br />

Einlagenrückzahlungen zurückzuführen ist und in welchem Ausmaß Fremdkapitalzinsen eben diesem <strong>Teil</strong><br />

zuzuordnen sind.<br />

Die belangte Behörde hat damit ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet; er war daher<br />

gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.<br />

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m.<br />

der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.<br />

Wien, am 19. Dezember 2006<br />

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Gericht<br />

Verwaltungsgerichtshof<br />

Entscheidungsdatum<br />

17.10.2007<br />

Geschäftszahl<br />

2006/13/0069<br />

Betreff<br />

17.10.2007<br />

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Fuchs,<br />

Dr. Pelant, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die<br />

Beschwerde der B Wirtschaftstreuhand GmbH in Wien, vertreten durch Dr. Johannes Patzak und<br />

Dr. Johannes Krauss, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Johannesgasse 16, gegen den Bescheid des unabhängigen<br />

Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 16. Februar 2006, Zlen. RV/1658-W/02 und RV/1657-W/02, betreffend<br />

Körperschaftsteuer <strong>für</strong> die Jahre 1991 bis 1995, Gewerbesteuer <strong>für</strong> die Jahre 1991 bis 1993 und Haftung <strong>für</strong><br />

Kapitalertragsteuer <strong>für</strong> die Jahre 1991 bis 1996, zu Recht erkannt:<br />

Spruch<br />

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als er über Körperschaftsteuer 1995 sowie Haftung <strong>für</strong><br />

Kapitalertragsteuer abspricht, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften<br />

aufgehoben. Im Übrigen (Körperschaftsteuer 1991 bis 1994 und Gewerbesteuer 1991 bis 1993) wird die<br />

Beschwerde als unbegründet abgewiesen.<br />

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen<br />

bei sonstiger Exekution zu ersetzen.<br />

Begründung<br />

Die beschwerdeführende Wirtschaftstreuhandgesellschaft mbH führte jedenfalls seit 1991 <strong>für</strong> ihren alleinigen<br />

Geschäftsführer und zugleich 100 %igen Gesellschafter Mag. B. ein Verrechnungskonto. In einem Bericht<br />

gemäß § 150 BAO vom 10. Februar 1998 wurde die Entwicklung dieses Kontos im Zeitraum 1991 bis 1996 (<strong>für</strong><br />

1996 zum Stichtag 11. Oktober 1996) wie folgt dargestellt:<br />

Verrechnungskonto Mag. B. (gerundet)<br />

1991 1992 1993 1994 1995 1996<br />

EB 1.1. 271.000,00 1,475.000,00 2,465.000,00 5,757.000,00 7,065.000,00 8,299.000,00<br />

+KA/BA 2,183.000,00 1,778.000,00 3,667.000,00 2,177.000,00 1,622.000,00 1,645.000,00<br />

+Verzins. 79.000,00 117.000,00 0,00 0,00 0,00 0,00<br />

- verr.Aufw -250.000,00 -290.000,00 -335.000,00 -305.000,00 -291.000,00 -218.000,00<br />

GF-Bezug -120.000,00 -600.000,00 -100.000,00 0,00 0,00 0,00<br />

- RZ -600.000,00 0,00 0,00 -500.000,00 -122.000,00 0,00<br />

s.Ggverr. -88.000,00 -15.000,00 -60.000,00 -64.000,00 -25.000,00 -99.000,00<br />

Saldo 1,475.000,00 2,465.000,00 5,757.000,00 7,065.000,00 8,299.000,00 9,627.000,00<br />

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Verwaltungsgerichtshof 17.10.2007<br />

Erläuternd führte der Prüfer unter Tz 20 seines Berichts aus, dass die "KA/BA-Entnahmen" durch Mag. B. im<br />

Wesentlichen auf Barabhebungen und Bankkartenabrechnungen <strong>für</strong> private Ausgaben beruhten. Diesbezüglich<br />

sei das Bestehen einer Kreditvereinbarung zwischen der Beschwerdeführerin und Mag. B. behauptet worden.<br />

Die besagte Kreditvereinbarung - über Vorhalt des Finanzamtes noch vor Beginn der Betriebsprüfung im<br />

Juli 1995 vorgelegt - ist undatiert und von Mag. B. im eigenen Namen sowie namens der Beschwerdeführerin<br />

unterfertigt. Sie hat folgenden Wortlaut:<br />

"RAHMENKREDITVEREINBARUNG<br />

abgeschlossen zwischen<br />

1. (Beschwerdeführerin) mit Sitz in ..., vertreten durch den Geschäftsführer, Herrn Stb. Mag. B., und<br />

2. Herrn Stb. Mag. B., Gesellschafter, wohnhaft in ... .<br />

Die Vertragsparteien kommen am heutigen Tag dahingehend überein, dass zwischen der<br />

(Beschwerdeführerin) und Herrn Stb. Mag. B., ein Rahmenkreditvertrag abgeschlossen wird.<br />

Gegenstand dieser Vereinbarung ist, dass die (Beschwerdeführerin) Herrn Stb. Mag. B. einen Rahmenkredit<br />

bis zu einer Höhe von öS 4,000.000,-- (in Worten: vier Millionen) bis auf weiteres einräumt.<br />

Diese Einräumung gilt aber, sofern sie nicht vorher gekündigt wird, solange Herr Stb. Mag. B.<br />

Mehrheitsgesellschafter der (Beschwerdeführerin) ist.<br />

Verringert sich sein Gesellschaftsanteil auf unter 50 % (in Worten: fünfzig Prozent), so hat Herr Stb. Mag. B.<br />

den zu diesem Zeitpunkt aushaftenden Rahmen innerhalb eines Zeitraumes von 18 Monaten in dem selben<br />

prozentuellen Ausmaß zu reduzieren, als sich sein Anteil an der (Beschwerdeführerin) gesamtprozentuell<br />

reduziert hat.<br />

In diesen 18 Monaten, in denen Herr Stb. Mag. B. seine allfälligen Verbindlichkeiten gegenüber der GmbH<br />

zu reduzieren hat, wobei es ihm freisteht, diesen Betrag in Einem oder in <strong>Teil</strong>beträgen zu entrichten, wird eine<br />

kontokorrentmäßige Verzinsung des zu reduzierenden Betrages in der Gestalt vorgenommen, dass ein Zinssatz<br />

zur Anwendung kommt, der der Verzinsung von Bundesanleihen in dem Jahr, in dem die Anteile von Herrn Stb.<br />

Mag. B. unter 50 % fallen, entspricht. Zu diesem Zinssatz wird ein weiteres Prozent an Zinsen hinzugerechnet,<br />

sodass sich der Gesamtprozentsatz <strong>für</strong> die kontokorrentmäßige Verzinsung des genannten Betrages ergibt.<br />

Gleichzeitig verpflichtet sich Herr Stb. Mag. B. zur Besicherung dieses Rahmens, den ihm die<br />

(Beschwerdeführerin) einräumt, ein Blankoakzept zu unterfertigen.<br />

Neben diesem, zur Besicherung des Rahmens ausgestellten und von Herrn Stb. Mag. B. akzeptierten<br />

Blankoakzeptes, verpflichtet sich Herr Stb. Mag. B. <strong>für</strong> die (Beschwerdeführerin) all jene Leistungen in<br />

uneingeschränktem Umfang zu erbringen, die zu einer ordnungsgemäßen steuerlichen Vertretung einer<br />

Kapitalgesellschaft vor den Abgabenbehörden der Republik Österreich gehören.<br />

Unter uneingeschränkter Tätigkeit verstehen die Vertragsparteien, dass sowohl die Erstellung des<br />

Rechnungswesens, die allfällige Erstellung einer Lohnverrechnung, die Erstellung des Jahresabschlusses, sowie<br />

der Steuererklärungen, sowie die Vertretung vor Abgabenbehörden jeder Art zu erfolgen habe.<br />

Für diese Tätigkeit hat Herr Stb. Mag. B. solange keinen Anspruch auf Vergütung, als eine offene<br />

Verbindlichkeit gegenüber der (Beschwerdeführerin) besteht.<br />

Bei Wegfallen dieser offenen Verbindlichkeit richtet sich die Vergütung von Herrn Stb. Mag. B. hinsichtlich<br />

der steuerlichen Vertretung der (Beschwerdeführerin) nach den jeweils gültigen Autonomen Honorarrichtlinien<br />

sowie Allgemeinen Auftragsbedingungen der Kammer <strong>für</strong> Wirtschaftstreuhänder in der jeweils gültigen<br />

Fassung.<br />

Sollte Herr Stb. Mag. B., aus welchen Gründen auch immer, seien sie berufsbedingt, oder krankheitsbedingt,<br />

nicht in der Lage sein, dieser Verpflichtung nachzukommen, so steht es ihm frei, entweder auf eigene Kosten<br />

eine Steuerberatungskanzlei mit der steuerlichen Vertretung der (Beschwerdeführerin) zu beauftragen, oder<br />

rückwirkend, ab dem 1. Jänner jenes Jahres, in dem Herr Stb. Mag. B. verhindert ist, <strong>für</strong> die<br />

(Beschwerdeführerin) die steuerliche Vertretung zu erbringen, einen Zinsendienst <strong>für</strong> die aushaftende<br />

Verbindlichkeit gegenüber der (Beschwerdeführerin) zu leisten.<br />

Dieser Zinsendienst hat kontokorrentmäßig, gemäß der jeweiligen Ausnützung des Rahmens zu erfolgen und<br />

werden die Zinsen in jener Höhe zuzüglich einem weiteren Prozent verrechnet, die einer Höhe der zuletzt<br />

begebenen Bundesanleihe in diesem Jahr, respektive der zuletzt begebenen Bundesanleihe des vorangegangenen<br />

Jahres, oder wenn in diesem vorangegangenen Jahr ebenfalls keine Bundesanleihe emittiert wurde, dem Zinssatz<br />

der zuletzt emittierten Bundesanleihe zu entsprechen hat.<br />

Herr Stb. Mag. B. nimmt als Gesellschafter der (Beschwerdeführerin) zur Kenntnis, dass allfällige<br />

Gewinnansprüche aus seiner Stellung als Gesellschafter vorrangig zur Abdeckung des aushaftenden Rahmens<br />

den ihm die Gesellschaft eingeräumt hat, verwendet werden.<br />

Unter vorrangig verstehen die Vertragsparteien, dass allfällige zur Ausschüttung gelangende Gewinne um<br />

einen Betrag von 50 % (in Worten: fünfzig Prozent) zu kürzen sind und dieser Kürzungsbetrag auf die allenfalls<br />

offenen Verbindlichkeiten angerechnet wird.<br />

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Verwaltungsgerichtshof 17.10.2007<br />

Dieser Kürzungsbetrag von 50 % verringert sich jedoch in jenem Ausmaß, als sie die offenen<br />

Verbindlichkeiten von Herrn Stb. Mag. B. gegenüber der Gesellschaft übersteigen.<br />

Die genannten Vertragsparteien kommen dahingehend überein, dass Leistung und Gegenleistung der jeweils<br />

anderen Partei als angemessen betrachtet werden. Bei allfälligen Streitigkeiten aus dieser Vertragsvereinbarung<br />

ist als Gerichtsstand Wien vereinbart."<br />

Der Prüfer merkte zu dieser Vereinbarung an, dass ungeachtet des mit 4 Mio. S festgelegten Kreditrahmens<br />

der Saldo des Verrechnungskontos auf ca. 9,6 Mio. S angewachsen sei; die Besicherung beruhe auf einem bisher<br />

nicht vorgelegten Blankoakzept und der unentgeltlichen steuerrechtlichen Vertretungsleistung; eine schriftliche<br />

Vereinbarung, die die Geschäftsführertätigkeit des Mag. B. in Bezug auf Leistungsumfang und diesbezügliches<br />

Entgelt darlege, habe nicht vorgelegt werden können; die Einräumungsdauer, Verzinsung sowie die<br />

Rückzahlungsraten, wie sie in der vorgelegten Vereinbarung geregelt seien, seien vom Willen des mit sich selbst<br />

kontrahierenden Alleingesellschafters/Geschäftsführers abhängig; ein lebenslanger Zins- und<br />

Rückzahlungsverzicht liege im Bereich des Möglichen. Die - so der Prüfer weiter - in der behaupteten Form<br />

zwischen Fremden nicht abgeschlossene Vereinbarung lasse keinen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel<br />

ausschließenden Inhalt erkennen; (schon) der Zeitpunkt der Kreditgewährung sei nicht ersichtlich. Es<br />

widerspreche einem Kreditgeschäft zwischen Fremden, eine nicht begründete Rahmenüberziehung zuzulassen.<br />

Ein von der Willensentscheidung des Kreditnehmers abhängiger Verzinsungs- und Rückzahlungszeitpunkt sowie<br />

die nicht bestimmbare Rückzahlungsrate seien bei einem Kreditgeschäft unter Fremden unüblich, sodass in<br />

wirtschaftlicher Betrachtungsweise die ernstliche Rückzahlungsabsicht nicht angenommen werden könne, zumal<br />

es überdies ungewöhnlich sei, dass eine Gesellschaft, die selbst Kredite aufnehmen müsse, Kredite gewähre.<br />

Dazu verwies der Prüfer auf die Bankverbindlichkeiten der Beschwerdeführerin, die sich sukzessive von<br />

2,845.250,83 S im Jahr 1991 auf 8,343.663,50 S im Jahr 1996 erhöht hätten und die somit überwiegend zur<br />

Bedeckung des Verrechnungskontos benötigt worden seien. Im Ergebnis sei davon auszugehen, dass ein<br />

Kreditgeschäft nicht vorliege, weshalb die Zuwächse am Verrechnungskonto Entnahmen darstellten, die - unter<br />

Auflösung des Verrechnungskontos - als verdeckte Ausschüttung zu behandeln seien. Insoweit die als<br />

gewinnmindernd geltend gemachten Bankspesen (insbesondere Zinsen) dem Verrechnungskonto zuzuordnen<br />

seien, stellten sie ebenfalls eine verdeckte Ausschüttung dar.<br />

Mit Bescheiden vom 27. Februar 1998 setzte das Finanzamt die Körperschaftsteuer <strong>für</strong> die Jahre 1991<br />

bis 1994 sowie die Gewerbesteuer <strong>für</strong> die Jahre 1991 bis 1993 - <strong>für</strong> 1991 und 1992 jeweils nach<br />

Wiederaufnahme der Verfahren - auf Basis der Feststellungen im erwähnten Prüfungsbericht fest; außerdem<br />

erließ es, ebenfalls dem Prüfbericht folgend, einen einheitlichen - nicht jahresmäßig untergliederten - Haftungs-<br />

und Abgabenbescheid <strong>für</strong> Kapitalertragsteuer <strong>für</strong> den Zeitraum 1991 bis 1996. Auch die<br />

Körperschaftsteuer 1995 wurde - mit Bescheid vom 13. Mai 1998 und abweichend von der am 17. April 1998<br />

eingelangten Erklärung der Beschwerdeführerin, die u.a. darauf beruhte, dass das Verrechnungskonto des<br />

Mag. B. zum 31.12.1995 einen Stand von 5,696.974,91 S (gegenüber 8,299.000 S lt. Betriebsprüfungsbericht)<br />

aufweise - gemäß den Prüfungsfeststellungen festgesetzt.<br />

Die Beschwerdeführerin erhob gegen die Bescheide vom 27. Februar 1998 und gegen den Bescheid vom<br />

13. Mai 1998 Berufung. Darin brachte sie u.a. vor, dass seitens der Betriebsprüfung <strong>für</strong> 1995 und 1996<br />

vorläufige Salden des Verrechnungskontos <strong>für</strong> Mag. B. zur Ermittlung der verdeckten Ausschüttung<br />

herangezogen worden seien. Wie aus den zwischenzeitlich eingereichten Abgabenerklärungen und<br />

Jahresabschlüssen 1995 und 1996 ersichtlich sei, betrage der Saldo des Verrechnungskontos <strong>für</strong> Mag. B. per<br />

Stichtag 31. Dezember 1995 5,697.000 S und zum Stichtag 31. Dezember 1996 5,853.000 S.<br />

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen als unbegründet ab. Sie hielt<br />

fest, dass der Rahmenkreditvertrag (zwischen der Beschwerdeführerin und Mag. B.) nicht von vornherein nach<br />

außen erkennbar abgeschlossen worden sei. Zwar treffe es zu, dass die Beschwerdeführerin regelmäßig die<br />

gegenüber ihrem Alleingesellschafter/Geschäftsführer Mag. B. aushaftenden Forderungen, in Form eines<br />

Verrechnungskontostandes zum jeweiligen 31.12. eines Jahres, in ihren Bilanzen ausgewiesen habe. Sie habe<br />

aber erst im Juli 1995 durch Vorlage des Rahmenkreditvertrages diesen und die darin angeblich getroffenen<br />

Vereinbarungen erstmals <strong>für</strong> Außenstehende erkennbar gemacht; der Vertrag sei undatiert und beim Finanzamt<br />

<strong>für</strong> Gebühren nicht angezeigt worden. Es bleibe damit völlig unklar, ob er bereits bei Inanspruchnahme der<br />

ersten Kreditbeträge errichtet worden sei. In der Schlussbesprechung aus Anlass der Betriebsprüfung sei seitens<br />

der Beschwerdeführerin ausgeführt worden, dass durch die Verbuchung auf dem Verrechnungskonto<br />

"sozialversicherungsrechtliche Leistungen vermieden bzw. reduziert worden seien", was nur dergestalt<br />

interpretiert werden könne, dass eine Kreditvereinbarung nicht ernsthaft beabsichtigt gewesen und nur<br />

vorgeschoben worden sei. Überdies entspreche der "Vertrag" in allen <strong>für</strong> eine Kreditvereinbarung wesentlichen<br />

Punkten - Sicherheiten, Verzinsung, Rückzahlung, Vertragsdauer, Kündigung und Rahmenüberschreitung - nicht<br />

den im Wirtschaftsleben üblichen Konditionen. Der Rahmenkreditvereinbarung sei somit zusammenfassend die<br />

steuerliche Anerkennung zu versagen und es seien die Buchungen auf dem Verrechnungskonto als Entnahmen<br />

bzw. verdeckte Ausschüttungen zu qualifizieren. Diese Entnahmen hätten nur über ständig steigende Kredite<br />

finanziert werden können, sodass die Zinsenbelastung stark angewachsen sei. Diese Zinsenbelastung sei nicht<br />

betrieblich veranlasst, woran auch die Ausführungen der Beschwerdeführerin über getätigte Investitionen und<br />

Forderungsausfälle nichts änderten; aus den vorgelegten Jahresabschlüssen sei klar abzuleiten, dass die von der<br />

Beschwerdeführerin erzielten Einnahmen hingereicht hätten, die laufenden Aufwendungen und<br />

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Verwaltungsgerichtshof 17.10.2007<br />

Forderungsausfälle zu bedecken. Zwar könne der Anteil des Zinsen- und Bankspesenaufwandes, der nicht<br />

betrieblich veranlasst sei, nur schätzungsweise ermittelt werden, die vorgenommene Schätzung auf Basis der von<br />

der Beschwerdeführerin erklärten Daten durch Gegenüberstellung der Jahresendstände des Verrechnungskontos<br />

einerseits und der Gesamtjahreszinsenbelastung andererseits (und entsprechender Aliquotierung der Zinsen bzw.<br />

Spesen) erscheine jedoch den tatsächlichen Verhältnissen am Nächsten zu kommen. Der betrieblich veranlasste<br />

Zinsaufwand sei - so die belangte Behörde resümierend -<br />

daher zu Recht um jene im Schätzungsweg ermittelten Beträge gekürzt worden, die <strong>für</strong> die Finanzierung der<br />

nicht betrieblich veranlassten Entnahmen des Mag. B. notwendig gewesen seien.<br />

Im Zusammenhang mit der Darstellung ihrer Berechnung des nicht betrieblich veranlassten Zinsaufwandes<br />

führte die belangte Behörde ergänzend aus, es sei im Sinn des Berufungsvorbringens der Beschwerdeführerin<br />

zutreffend, dass die Saldostände des Verrechnungskontos <strong>für</strong> Mag. B. <strong>für</strong> 1995 und 1996 lt. nachträglich<br />

vorgelegtem berichtigten Verrechnungskonto deutlich geringer seien als jene Werte, die von der Betriebsprüfung<br />

den ursprünglich vorgelegten Kontoblättern entnommen worden seien. Allerdings sei auch der tatsächliche<br />

Zinsaufwand lt. Bilanzen der Beschwerdeführerin <strong>für</strong> 1995 und 1996 beträchtlich höher als jener, von dem die<br />

Betriebsprüfung ausgegangen sei. Die vom Finanzamt vorgenommene "Auflösung" des Verrechnungskontos <strong>für</strong><br />

Mag. B. 1995 sei (aber) ohnedies auf Basis der berichtigten Beträge erfolgt. Insoweit könne die<br />

Beschwerdeführerin "durch vordem unrichtige Kontostände" nicht beschwert sein. 1996 sei bezüglich<br />

Körperschaftsteuer nicht streitanhängig, eine "Auflösung" des Verrechnungskontos sei bis dato nicht<br />

vorgenommen worden. Auch insoweit könne die Beschwerdeführerin durch unrichtige Kontostände des<br />

Verrechnungskontos nicht beschwert sein.<br />

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage<br />

und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:<br />

Im vorliegenden Beschwerdefall geht es zunächst darum, ob die auf dem von der Beschwerdeführerin <strong>für</strong><br />

Mag. B. geführten Verrechnungskonto verbuchten Entnahmen (bzw. die sich zu Gunsten der<br />

Beschwerdeführerin jährlich ergebenden Salden) verdeckte Ausschüttungen sind. Des Weiteren ist strittig, ob<br />

Aufwendungen der Beschwerdeführerin <strong>für</strong> Zinsen und sonstige Bankspesen gewinnmindernd als<br />

Betriebsausgaben geltend gemacht oder ob sie als den Entnahmen des Mag. B. zuordenbar in diesem Umfang<br />

nicht abgezogen werden können.<br />

Verdeckte (Gewinn)Ausschüttungen sind Vorteile, die eine Gesellschaft ihren Gesellschaftern aus ihrem<br />

Vermögen in einer nicht als Gewinnausschüttung erkennbaren Form außer der Dividende oder sonstigen offenen<br />

Gewinnverteilung, gleichviel unter welcher Bezeichnung gewährt, die sie anderen Personen, die nicht ihre<br />

Gesellschafter sind, nicht oder nicht unter den gleichen günstigen Bedingungen zugestehen würde (vgl. <strong>für</strong> viele<br />

etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 1991, 90/14/0221, Slg. Nr. 6617/F).<br />

Dass Gesellschafter einer Gesellschaft mbH aus dem Gesellschaftsvermögen "Entnahmen" tätigen, die auf<br />

einen einwandfrei nachgewiesenen zivilrechtlich tragenden Rechtsgrund nicht zurückgeführt werden können, ist<br />

eine Fallkonstellation, mit welcher sich der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt zu befassen hatte. Er hat in<br />

seiner Judikatur hiezu mehrfach klargestellt, dass an die Anerkennung von Vereinbarungen zwischen der<br />

Gesellschaft und ihren Gesellschaftern zumal im Falle eines die Gesellschaft beherrschenden Gesellschafter-<br />

Geschäftsführers ebenso strenge Maßstäbe wie an die Anerkennung von Vereinbarungen zwischen nahen<br />

Angehörigen anzulegen sind. Solche Abmachungen müssen von vornherein ausreichend klar sein und einem<br />

Fremdvergleich standhalten, widrigenfalls die Rückzahlbarkeit der von den Gesellschaftern von der Gesellschaft<br />

empfangenen Geldbeträge oder Sachwerte nicht als erwiesen angenommen werden kann, sodass von einer<br />

verdeckten Ausschüttung ausgegangen werden muss. Der Gerichtshof hat im gegebenen Zusammenhang auch<br />

schon ausgesprochen, dass die bloße Verbuchung von Zuwendungen an den Gesellschafter eine Urkunde über<br />

den Rechtsgrund der Zuwendung nicht ersetzen kann, weil ein solcher Buchungsvorgang weder nach außen zum<br />

Ausdruck kommt, noch daraus der Rechtsgrund <strong>für</strong> die tatsächliche Zahlung hervorgeht. Schließlich hat der<br />

Gerichtshof ebenso auch schon klargestellt, dass sich die aus der Fremdunüblichkeit einer den Gesellschaftern<br />

von der Gesellschaft gewährten Zuwendung ergebenden Bedenken gegen die Ernstlichkeit einer<br />

Rückzahlungsabsicht durch die Tatsache einiger Zahlungen des Gesellschafters an die Gesellschaft noch nicht<br />

entkräften lassen (vgl. <strong>für</strong> viele etwa das hg. Erkenntnis vom 31. März 1998, 96/13/0121, 0122, mit den dort<br />

angeführten weiteren Nachweisen).<br />

Die Frage, ob eine Rechtsbeziehung auch unter Fremden in gleicher Weise zustande gekommen und<br />

abgewickelt worden wäre, ist eine Tatfrage und daher auf Grund entsprechender Erhebungen in freier<br />

Beweiswürdigung zu beantworten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die<br />

Beweiswürdigung der belangten Behörde, die gemäß § 167 Abs. 2 BAO unter sorgfältiger Berücksichtigung der<br />

Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen hat, welche Tatsachen als erwiesen<br />

anzunehmen sind, vom Verwaltungsgerichtshof insoweit zu überprüfen, als es sich um die Feststellung handelt,<br />

ob der Denkvorgang bei der belangten Behörde zu einem den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung<br />

entsprechenden Ergebnis geführt hat und ob der Sachverhalt, der im Denkvorgang gewürdigt worden ist, in<br />

einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. Februar 2007,<br />

2004/15/0149).<br />

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Verwaltungsgerichtshof 17.10.2007<br />

Gegenständlich hat die belangte Behörde im Rahmen ihrer Beurteilung, die von der Beschwerdeführerin 1995<br />

vorgelegte Rahmenkreditvereinbarung halte einem Fremdvergleich nicht stand, auf das Fehlen einer zeitlichen<br />

Befristung, das Fehlen von Kündigungsbestimmungen und das Fehlen einer allgemeinen Zinsvereinbarung<br />

hingewiesen. Richtig hat sie zum letztgenannten Gesichtspunkt dargelegt, dass eine "echte" Verzinsung zunächst<br />

nur vorgesehen sei, wenn sich der Geschäftsanteil des Mag. B. - was allein in seiner Disposition liege - auf unter<br />

50 % reduziere, und dass die weiter als "Gegenleistung" <strong>für</strong> die Kreditgewährung bedungene unentgeltliche<br />

Erbringung von Steuerberatungstätigkeiten schon mangels jeglicher Relation zwischen aushaftendem Saldo<br />

einerseits und Umfang der zu erbringenden Steuerberatungsleistungen andererseits als ungewöhnlich beurteilt<br />

werden müsse. Die belangte Behörde hat weiter ins Treffen geführt, dass der vereinbarte Kreditrahmen - ohne<br />

dass dies Konsequenzen nach sich gezogen hätte - ab 1994 massiv überschritten worden sei, dass die Abdeckung<br />

des aushaftenden Rahmens allein aus - bloß spekulativen - Gewinnansprüchen erfolgen solle und dass man als<br />

Besicherung nur die Begebung eines Blankoakzepts, das freilich trotz wiederholter Aufforderung nicht vorgelegt<br />

worden sei, vereinbart habe.<br />

Wenn die belangte Behörde aus all diesen Gesichtspunkten in Verbindung mit dem Umstand, dass die in<br />

Rede stehende, in Form eines Insichgeschäftes abgeschlossene Rahmenkreditvereinbarung mangels einer<br />

Datierung keinen Rückschluss auf den Zeitpunkt ihres Zustandekommens zulässt, zu dem Ergebnis gelangte,<br />

dem Vertrag sei mangels Fremdüblichkeit die steuerliche Anerkennung zu versagen, so kann ihr - ohne dass auf<br />

die zivilrechtliche Gültigkeit des Vorgangs eingegangen werden müsste - nicht widersprochen werden. Als<br />

verfehlt erweist sich nach dem Vorgesagten jedenfalls das Beschwerdevorbringen, es sei - was ein Indiz <strong>für</strong> das<br />

Vorliegen eines Darlehens darstelle - ohnehin eine Verzinsung vorgesehen und lediglich irrtümlich in einigen<br />

Jahren des Prüfungszeitraumes in der Buchhaltung nicht erfasst worden; das Gegenteil ist der Fall, ist doch auf<br />

Basis der vorgelegten Rahmenkreditvereinbarung (und angesichts der behaupteten Erbringung der<br />

Steuerberatungsleistungen durch Mag. B.) nicht zu sehen, was Grundlage <strong>für</strong> die 1991 und 1992 vorgenommene<br />

Verzinsung sein könnte. Auch dem Standpunkt, das fragliche Darlehen sei "unzweifelhaft in die Bücher der<br />

Gesellschaft aufgenommen (worden) und aus der Bilanz - auch <strong>für</strong> die Abgabenbehörde - erkennbar" gewesen,<br />

kann nicht beigepflichtet werden. Die Beschwerdeführerin verwechselt in diesem Zusammenhang offenkundig<br />

das behauptete "Darlehen" mit dem <strong>für</strong> Mag. B. geführten Verrechnungskonto; letzteres war in der Tat<br />

ausreichend publik, die Rechtsgrundlage der dort verbuchten Entnahmen des Mag. B. hingegen keineswegs.<br />

Begegnet es keinen Bedenken, der behaupteten Darlehens- bzw. Kreditvereinbarung die Anerkennung zu<br />

versagen, so fehlt es an einem ersichtlichen Rechtsgrund <strong>für</strong> die Entnahmen des Mag. B., sodass deren<br />

Bewertung als verdeckte Ausschüttung an ihn nicht zu beanstanden ist. Dass die jährlichen Salden bei der<br />

Beschwerdeführerin als Forderung verbucht wurden und eine Abschreibung der Forderung(en) als<br />

uneinbringlich nicht erfolgte, ist ohne Belang (vgl. abermals das schon zitierte hg. Erkenntnis vom<br />

31. März 1998; vgl. im Ergebnis auch das gleichfalls schon erwähnte hg. Erkenntnis vom 8. Februar 2007 und<br />

das hg. Erkenntnis vom 31. Juli 2002, 98/13/0011, 0040). Auch die behauptete "sukzessive Rückführung" des<br />

ausstehenden Betrages "in den letzten Jahren des von den Bescheiden betroffenen Zeitraums" steht der<br />

Beurteilung, es liege eine verdeckte Ausschüttung vor, nicht entgegen (vgl. erneut die Erkenntnisse vom<br />

31. März 1998 und vom 8. Februar 2007), zumal diese Rückführung erst nach Vorlage des Prüfungsberichts im<br />

Rechenwerk der Beschwerdeführerin ausgewiesen wurde.<br />

Richtig ist, dass ein steuerlich anzuerkennender Vorteilsausgleich die Annahme einer verdeckten<br />

Ausschüttung ausschließt. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang auf die Steuerberatungs- und<br />

Geschäftsführerleistungen des Mag. B. hinweist, ist ihr aber zu entgegnen, dass daraus allenfalls resultierende<br />

Ansprüche des Mag. B. (im Hinblick auf seine Qualifikation und den Unternehmensgegenstand der<br />

Beschwerdeführerin gehen Steuerberatungsleistungen offenkundig in der Geschäftsführertätigkeit auf) ohnehin<br />

auf dem Verrechnungskonto Berücksichtigung gefunden haben (<strong>für</strong> 1992 etwa mit 600.000 S). Wenn dies nicht<br />

<strong>für</strong> alle Jahre des Streitzeitraumes zutrifft, so kann das in Anbetracht der Umstände, etwa in Anbetracht der<br />

"Schwankungsbreite" der ausgewiesenen Bezüge, nicht als Indiz da<strong>für</strong> gewertet werden, Mag. B. seien offene -<br />

nicht verbuchte - Forderungen zugestanden, die einem Vorteilsausgleich zugänglich sein könnten.<br />

Ist nach dem Gesagten mit der belangten Behörde vom Vorliegen einer verdeckten Ausschüttung auszugehen,<br />

so ist damit auch die Beantwortung der zweiten im vorliegenden Fall strittigen Frage (Behandlung der<br />

Aufwendungen <strong>für</strong> Fremdkapital) vorgezeichnet. In dem Ausmaß, in dem diese Aufwendungen den<br />

Ausschüttungen an Mag. B. zuzuordnen sind, sind sie nämlich auch unter Zugrundelegung des hg. Erkenntnisses<br />

vom 19. Dezember 2006, 2004/15/0122, nicht als betrieblich veranlasst anzusehen. Die Beschwerdeführerin hält<br />

dem - abgesehen von der wie gezeigt verfehlten Ansicht, es liege gar keine verdeckte Ausschüttung vor -<br />

nur entgegen, zwischen ihrer Fremdkapitalentwicklung und "den Auslagungen" des Mag. B. bestehe kein<br />

Zusammenhang. Dem ist freilich in Anbetracht des schon im Prüfungsbericht aufgezeigten kontinuierlichen<br />

Ansteigens der Bankverbindlichkeiten einerseits und der Entwicklung des Verrechnungskontos des Mag. B.<br />

andererseits nicht zuzustimmen. Die Beschwerde bestreitet auch nicht konkret die Feststellung des<br />

angefochtenen Bescheides, wonach bei Unterbleiben der "Entnahmen" die erzielten Einnahmen der<br />

Beschwerdeführerin hingereicht hätten, ihre laufenden Aufwendungen und Forderungsausfälle abzudecken. Dass<br />

die belangte Behörde bei der von ihr vorgenommenen schätzungsweisen Ermittlung des der verdeckten<br />

Ausschüttung zuzuordnenden Anteils an Zinsen und sonstigen Bankspesen im Detail falsch vorgegangen sei,<br />

wird in der Beschwerde - mit der im Folgenden dargestellten Ausnahme - gar nicht behauptet.<br />

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Verwaltungsgerichtshof 17.10.2007<br />

Die eben erwähnte Ausnahme ist in dem Vorbringen zu erblicken, der angefochtene Bescheid habe auf<br />

vorläufige Werte zurückgegriffen, obwohl die endgültigen Werte bei der Berufungsentscheidung bereits<br />

vorgelegen wären. Damit wird ausreichend erkennbar auf die Jahre 1995 und 1996 Bezug genommen, bezüglich<br />

derer bei Erstattung des Prüfberichts noch keine Steuererklärungen bzw. Jahresabschlüsse vorlagen. Die belangte<br />

Behörde hat dazu ausgeführt, es sei zutreffend, dass die Saldostände des Verrechnungskontos <strong>für</strong> Mag. B.<br />

<strong>für</strong> 1995 und 1996 lt. nachträglich vorgelegtem berichtigtem Verrechnungskonto deutlich geringer seien als jene<br />

Werte, die von der Betriebsprüfung den ursprünglich vorgelegten Kontoblättern entnommen worden seien. Sie<br />

merkte in diesem Zusammenhang allerdings weiter an (siehe schon eingangs bei Darstellung des bekämpften<br />

Bescheides), die vom Finanzamt vorgenommene "Auflösung" des Verrechnungskontos <strong>für</strong> Mag. B. im Jahr 1995<br />

sei ohnehin auf Basis der berichtigten Beträge erfolgt, sodass die Beschwerdeführerin "durch vordem unrichtige<br />

Kontostände" nicht beschwert sein könne. Dass das Finanzamt bei Erlassung seiner Bescheide <strong>für</strong> 1995 und<br />

1996 von den berichtigten Beträgen ausgegangen sei, trifft freilich nicht zu. Vielmehr hat es seinem, von der<br />

belangten Behörde uneingeschränkt bestätigten Körperschaftsteuerbescheid 1995 abweichend von dem im<br />

April 1998 mit der Steuererklärung eingereichten Jahresabschluss der Beschwerdeführerin <strong>für</strong> 1995 einen Stand<br />

des Verrechnungskontos <strong>für</strong> Mag. B. lt. Betriebsprüfung (knapp 8,3 Mio. S statt knapp 5,7 Mio. S wie<br />

lt. Jahresabschluss) zugrunde gelegt, ebenso wie schon zuvor seinem Haftungs- und Abgabenbescheid <strong>für</strong><br />

Kapitalertragsteuer. Soweit der angefochtene Bescheid das Jahr 1995 betrifft, ist er daher mit Aktenwidrigkeit<br />

belastet. Bezüglich des Jahres 1996 hat die belangte Behörde zwar richtig darauf verwiesen, dass<br />

Körperschaftsteuer nicht streitverfangen sei, sie hat jedoch übersehen, dass das <strong>für</strong> die Kapitalertragsteuer nicht<br />

zutrifft. Die Beschwerdeführerin ist demnach durch die Heranziehung (allenfalls) unrichtiger vorläufiger Stände<br />

des Verrechnungskontos sehr wohl beschwert, weshalb der angefochtene Bescheid im Ergebnis insoweit, als er<br />

über Körperschaftsteuer 1995 sowie über Haftung <strong>für</strong> Kapitalertragsteuer abspricht - wegen Festsetzung eines<br />

einheitlichen Betrages <strong>für</strong> den gesamten Zeitraum 1991 bis 1996 liegt Unteilbarkeit des Spruches vor -, gemäß<br />

§ 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.<br />

Soweit sich die Beschwerde jedoch im Übrigen gegen die Absprüche betreffend die Jahre 1991 bis 1994<br />

wendet, kann ihr nach den obigen Ausführungen kein Erfolg beschieden sein. Daran vermag auch der<br />

abschließend in der Beschwerde erhobene Vorwurf, die belangte Behörde habe trotz Antrags keine mündliche<br />

Verhandlung über die Berufung durchgeführt, nichts zu ändern, weil - wie schon die belangte Behörde<br />

zutreffend aufgezeigt hat - der Antrag nicht bereits in der Berufung, sondern erst in einer Ergänzung vom<br />

7. Juli 2000 und damit nicht rechtzeitig im Sinne des § 284 Abs. 1 BAO (idF vor Inkrafttreten des AbgRmRefG<br />

BGBl. I Nr. 97/2002; vgl. § 323 Abs. 12 letzter Satz BAO) gestellt wurde. Die Beschwerde war daher, soweit sie<br />

Körperschaftsteuer 1991 bis 1994 und Gewerbesteuer 1991 bis 1993 betrifft, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als<br />

unbegründet abzuweisen.<br />

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II<br />

Nr. 333/2003.<br />

Wien, am 17. Oktober 2007<br />

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Die fremdfi nanzierte Gewinnausschüttung<br />

von<br />

Georg Kofl er*<br />

Gliederung<br />

I. Ausgangsproblem<br />

II. Die gesellschaftsrechtliche oder betriebliche Veranlassung der Fremdfi nanzierung von<br />

Ausschüttungen<br />

III. Ein kurzer Blick nach Deutschland zur Frage der (weiteren) verdeckten Ausschüttung von<br />

Fremdkapitalzinsen bei fremdfi nanzierten Gewinnausschüttungen<br />

I. Ausgangsproblem<br />

„Schuldzinsen in Zusammenhang mit der Finanzierung von Gewinnausschüttungen<br />

stehen nicht mit Betriebsausgaben in Zusammenhang und sind daher nicht<br />

abzugsfähig“. 1 Mit dieser kurzen Bemerkung im Jahr 1992 hat Doralt die wissenschaftliche<br />

Diskussion um die steuerliche Beachtlichkeit der Ausschüttungsfi nanzierung<br />

eröffnet und zugleich zum fachlichen Widerspruch angeregt. Während nämlich<br />

an der Abzugsfähigkeit der Zinsen im Zusammenhang mit fremdfi nanzierten Ausschüttungen<br />

in Besteuerungspraxis 2 und Fachschrifttum 3 in der Vergangenheit bisher<br />

offenbar nicht gezweifelt wurde, ist das BMF zunächst in einem Erlass 4 sowie<br />

nachfolgend in den Körperschaftsteuerrichtlinien 5 auf die Linie Doralts geschwenkt,<br />

die schließlich auch vom UFS ausdrücklich übernommen wurde. 6 Weil freilich nicht<br />

sein kann, was nicht sein darf, überraschen auch die im Schrifttum gegen dieses Ergebnis<br />

laut gewordenen Stimmen aus Wissenschaft 7 und Praxis 8 nicht. Der VwGH<br />

* Priv.-Doz. DDr. Georg Kofl er, LL.M. (NYU).<br />

1 Erstmals Doralt, EStG 2 (1992), § 4 Tz 330 und aktuell EStG 7 (2002), § 4 Tz 330, jeweils unter<br />

„Finanzierungskosten“.<br />

2 Siehe bereits die Entscheidung des RFH 11.12.1934, I A 55/34, RStBl 1935, 119.<br />

3 Ebenso, wenngleich kritisch, Margreiter, Zur betrieblichen Abzugsfähigkeit von Kreditzinsen,<br />

SWK 1996, A 459 (A 469); siehe aus dem deutschen Schrifttum auch Lempenau, Betriebsausgaben<br />

und Gewinnermittlung, StbJb 1986/87, 327 (336); Meilicke/Sangen-Emden, Steuerliche<br />

Behandlung von durch verdeckte Gewinnausschüttungen veranlaßten Schulden und Schuldzinsen,<br />

FR 1998, 938 (938); Prinz, Steuerlicher Schuldzinsenabzug – Labyrinth oder Steuerfalle,<br />

StbJb 1999/2000, 293 (312 f); Wacker, Zur Neuregelung des Schuldzinsenabzugs in der<br />

„Mehr-Konten-Situation“ – oder: was können wir von Österreich lernen?, DStR 1999, 1001<br />

(1007).<br />

4 BMF, Behandlung der Aufwandszinsen bei einer fremdfi nanzierten offenen Ausschüttung,<br />

ÖStZ 2000/497 = ecolex 2000, 452 = RdW 2000/549.<br />

5 Rz 1217 KStR 2001; in diese Richtung bereits Wiesner, Die schwierige Abgrenzung betrieblicher<br />

und außerbetrieblicher Zahlungen, SWK 1991, A I 139 (A I 160), und Margreiter, Zur<br />

betrieblichen Abzugsfähigkeit von Kreditzinsen, SWK 1996, A 459 (A 468).<br />

6 UFS Graz 8. 4. 2004, RV/0010-G/04.<br />

7 Damböck, Anmerkungen zu jüngsten BMF-Erledigungen, ecolex 2000, 446 (446); Buschmann/Mayerhofer,<br />

Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen – derzeitige Rechtsprechung und Kritik,<br />

ÖStZ 2000/1173, 675 (677); Beiser, Fremdfi nanzierung von Gewinnausschüttungen? ÖStZ<br />

2002/171, 96 (96 ff); Achatz, Fremdfi nanzierte Gewinnausschüttungen, in Bertl et al (Hrsg),<br />

Beteiligungen in Rechnungswesen und Besteuerung (2004) 131 (131 ff); Stangl, Die außerbetriebliche<br />

Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004) 156 f; siehe auch G. Kofl er, Fremdfi nanzierte<br />

offene Gewinnausschüttungen im Steuerrecht, GesRZ 2002, 10 (10 ff).<br />

8 Widinski, Stellungnahmen des Fachsenats <strong>für</strong> Steuerrecht zum Entwurf der Körperschaftsteuerrichtlinien<br />

2001, ÖStZ 2001/1014, 535 (538).<br />

Ertragsteuern in Wissenschaft und Praxis, <strong>Festschrift</strong> <strong>für</strong> Werner Doralt, Wien 2007 197


Georg Kofl er<br />

hat sich in seinem Ende 2006 ergangenen Erkenntnis9 letztlich <strong>für</strong> die Frage der<br />

fremdfi nanzierten Gewinnausschüttung im Ergebnis den Überlegungen im Schrifttum<br />

zu Gunsten einer Abzugsfähigkeit der Fremdfi nanzierungskosten angeschlossen,<br />

hierbei jedoch eine dogmatische Einordnung seiner Analyse weitgehend vermieden.<br />

Die Problematik der fremdfi nanzierten Gewinnausschüttung führt in steuerrechtliche<br />

Grenzbereiche, die eine nähere Untersuchung rechtfertigen. Der Ausgangspunkt<br />

ist rasch geschildert: Sowohl einnahmen- als auch ausgabenseitig ist es ein<br />

eherner Grundsatz des Ertragsteuerrechts, dass Ausgaben im unmittelbaren Zusammenhang<br />

mit nicht steuerpfl ichtigen Einnahmen10 oder nichtabzugsfähigen Aufwendungen<br />

und Ausgaben der Privatsphäre11 ebenfalls keine Steuerwirkung zu entfalten<br />

vermögen. § 20 EStG und § 12 KStG bestätigen diesen Grundsatz deklarativ. 12 Es<br />

ist ebenfalls unstrittig, dass <strong>für</strong> Kosten der Fremdfi nanzierung nichts anderes gilt. 13<br />

Während das einnahmenseitige Abzugsverbot gem § 20 Abs 2 EStG und § 12 KStG<br />

Abs 2 KStG auf die Vermeidung eines doppelten Vorteils abzielt, 14 fi ndet das ausgabenseitige<br />

Abzugsverbot seine Begründung in der Grenzziehung zwischen Betriebs-<br />

und Privatsphäre und erstreckt sich solcherart auch auf Zinsen, die ihrerseits<br />

mit nichtabzugsfähigen Aufwendungen im Zusammenhang stehen. 15 Ob ein solcher<br />

Zusammenhang besteht, beurteilt der VwGH in seiner jüngeren Rechtsprechung zum<br />

Einkommensteuerrecht nicht nach dem von der hA im Schrifttum16 fokussierten Prinzip<br />

der Finanzierungsfreiheit, sondern vielmehr durch ein Verständnis der Veranlassung<br />

iSd § 4 Abs 4 EStG nach der konkreten Mittelverwendung. 17 Der Gerichtshof<br />

lehnt damit ausdrücklich die im Schrifttum geforderte Zurechnungsindifferenz ab18 und versagt den Betriebsausgabenabzug, wenn private oder betriebliche Eigenmittel<br />

<strong>für</strong> betriebliche Zwecke und deshalb Darlehensmittel <strong>für</strong> private Zwecke verwendet<br />

werden, da diesfalls die Geldmittel der Entnahmefi nanzierung dienen.<br />

9 VwGH 19. 12. 2006, 2004/15/0122.<br />

10 Siehe zB VwGH 10.10.1996, 94/15/0187, ÖStZB 1997, 404; VwGH 20.11.1996, 96/15/0188,<br />

ÖStZB 1997, 623.<br />

11 Siehe zB VwGH 21.10.1986, 86/14/0124, ÖStZB 1987, 302 (zur Fremdfi nanzierung von<br />

Pfl ichtteilszahlungen); weiters VwGH 24.1.1990, 88/13/0233, ÖStZB 1990, 309, und VwGH<br />

17.9.1997, 93/13/0027, ÖStZB 1998, 396 (jeweils zur Fremdfi nanzierung von nach § 20 Abs 1<br />

Z 6 EStG nicht abzugsfähigen Steuerzahlungen).<br />

12 Siehe zur „Einnahmenseite“ Lechner, Die Abzugsfähigkeit der Gesellschaftsteuer bei gesellschaftsrechtlichen<br />

Einlagen, ÖStZ 1984, 246 (246 ff mwN); Doralt, Das Abzugsverbot nach<br />

§ 17 KStG und Aufwendungen <strong>für</strong> Schachtelbeteiligungen, in Doralt/Hassler/Kranich/Nolz/<br />

Quantschnigg (Hrsg), Die Besteuerung der Kapitalgesellschaft, FS Bauer (1986) 1 (2 f).<br />

13 Ausführlich Doralt, EStG 7 (2002), § 4 Tz 330 unter „Finanzierungskosten“.<br />

14 Dazu nur Doralt, Das Abzugsverbot nach § 17 KStG und Aufwendungen <strong>für</strong> Schachtelbeteiligungen,<br />

in Doralt/Hassler/Kranich/Nolz/Quantschnigg (Hrsg), Die Besteuerung der Kapitalgesellschaft,<br />

FS Bauer (1986) 1 (4 f); Doralt, EStG 4 (1999), § 20 Tz 149.<br />

15 Dazu sogleich unten Kapitel II.2.<br />

16 Grundlegend Beiser, Der Abzug von Schuldzinsen in der Einkommensteuer (1990).<br />

17 VwGH 16.11.1993, 89/14/0158, ÖStZB 1994, 299; VwGH 20.11.1996, 89/13/0259, ÖStZB<br />

1997, 529; VwGH 10.9.1998, 93/15/0051, ÖStZB 1999, 365; VwGH 29.6.1999, 95/14/0150,<br />

ÖStZB 1999, 601; VwGH 22.2.2000, 94/14/0129, ÖStZB 2001/101. Hierbei ist allenfalls –<br />

etwa beim Zwei-Konten-Modell – der mittelbaren Verwendung über die Saldierung von Geldmittelkonten<br />

Rechnung zu tragen; siehe VwGH 27.1.1998, 94/14/0017, ÖStZB 1998, 561;<br />

VwGH 29.6.1999, 95/14/0150, ÖStZB 1999, 601; kritisch etwa Pircher/Pülzl, Zweikontenmodell:<br />

Zuordnung nach der Mittelverwendung und saldierte Betrachtungsweise, ÖStZ 1998,<br />

570 (570 ff); Buschmann/Mayerhofer, Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen, ÖStZ 2000, 675<br />

(675 ff).<br />

18 Ausdrücklich VwGH 30.9.1999, 99/15/0106, 0107, ÖStZB 2000/82; VwGH 23.4.2001,<br />

2001/14/0044, ÖStZB 2002/314.<br />

198 Ertragsteuern in Wissenschaft und Praxis, <strong>Festschrift</strong> <strong>für</strong> Werner Doralt, Wien 2007


Die fremdfi nanzierte Gewinnausschüttung<br />

Basierend auf dieser Rechtsprechung liegt daher die Überlegung nahe, die zur<br />

einkommensteuerlichen Entnahme nach § 4 Abs 1 EStG entwickelten Mittelverwendungsgrundsätze<br />

auf steuerneutrale Akte der Einkommensverwendung nach § 8<br />

KStG zu übertragen und solcherart die Abzugsfähigkeit von Kosten der Fremdfi nanzierung<br />

steuerneutraler Ausschüttungen zu verneinen. 19 Unterstellt man den – wohl<br />

nur schwer zu erbringenden 20 – Nachweis des unmittelbaren Zusammenhanges der<br />

Fremdfi nanzierung mit der Einkommensverwendung iSd § 8 Abs 2 KStG, ist die<br />

Schlüssigkeit dieser Argumentation auch nicht von der Hand zu weisen. Sie liegt<br />

wohl auch implizit der Ansicht der deutschen Finanzverwaltung zugrunde 21 und wird<br />

ebenfalls von <strong>Teil</strong>en des deutschen Schrifttums 22 vertreten. 23 Dennoch steht und fällt<br />

sie mit ihrer Prämisse, dass steuerrechtlich ein Veranlassungszusammenhang zwischen<br />

den Finanzierungsaufwendungen und der Auskehrung von Eigenkapital an die<br />

Anteilseigner hergestellt werden kann. Es soll daher – der Aufforderung Doralts zum<br />

wissenschaftlichen Diskus nachkommend – im Folgenden der Versuch unternommen<br />

werden, dieser Prämisse entgegenzutreten und die Argumentation des VwGH einer<br />

kritischen Prüfung zu unterziehen.<br />

II. Die gesellschaftsrechtliche oder betriebliche Veranlassung der<br />

Fremdfi nanzierung von offenen Gewinnausschüttungen<br />

1. Einleitung: Veranlassungszusammenhang und Sphärentrennung<br />

Sowohl nach § 52 AktG als auch nach § 82 Abs 1 GmbHG haben die Gesellschafter<br />

Anspruch auf den Bilanzgewinn, soweit dieser nicht nach Gesetz, Satzung,<br />

Gesellschaftsvertrag oder durch Gesellschafterbeschluss von der Verteilung ausgeschlossen<br />

ist. 24 Steuerrechtlich werden derartige offene Ausschüttungen 25 durch § 8<br />

Abs 2 KStG der unbeachtlichen Sphäre der Einkommensverwendung zugerechnet<br />

und führen aufgrund der strengen Trennung zwischen der Gesellschaft und ihren<br />

Gesellschaftern auf beiden Ebenen zu gesonderten Rechtsfolgen. Hinsichtlich derer<br />

19 In diesem Sinne Rz 1217 KStR 2001; UFS Graz 8.4.2004, RV/0010-G/04.<br />

20 Siehe VwGH 20.10.1999, 94/13/0027, ÖStZB 2000/311 = ecolex 2000/68 m Anm Bachl, und<br />

VwGH 31.5.2000, 95/13/0138, ÖStZB 2000/500, 607, wonach der Zusammenhang zwischen<br />

der Fremdfi nanzierung und steuerfreien Einnahmen (hier: nach einem DBA) von der Behörde<br />

zu beweisen ist und hier<strong>für</strong> der Rückgriff auf statistische Bilanzrelationen nicht genügt; es könne<br />

nämlich einem Kaufmann, der sich der Nichtabzugsfähigkeit von Zinsen bewusst ist, nicht<br />

unterstellt werden, dass er bei ausreichenden Eigenmittel auf eine nichtabzugsfähige Fremdfi<br />

nanzierung zurückgreift. Siehe zu dieser Rechtsprechung etwa Kotschnigg, Grundsatzentscheidung<br />

zum Schuldzinsenabzug bei steuerfreien Einnahmen, SWK 1999, S 803 (S 803 ff);<br />

Wiesner, Dazu auch Abzugsfähigkeit von Aufwandszinsen, RWZ 1999, 358 (358 f); Zöchling,<br />

Zinsenabzugsverbot und bilanzielle Kapitalstruktur, ÖStZ 2000/7, 4 (4).<br />

21 Verfügung der OFD Kiel betreffend „Zinsen auf verdeckte Gewinnausschüttung als weitere<br />

Gewinnausschüttung im Sinne von § 8 Abs 3 Satz 2 KStG und andere Ausschüttung im Sinne<br />

des § 27 Abs 3 Satz 2 KStG“ (S 2742 A-St 261), DB 2000, 2095.<br />

22 Wassermeyer, Neues zur Defi nition der verdeckten Gewinnausschüttung, DB 2002, 2668<br />

(2669); aA Lempenau, Betriebsausgaben und Gewinnermittlung, StbJb 1986/87, 327 (336 f);<br />

Meilicke/Sangen-Emden, Steuerliche Behandlung von durch verdeckte Gewinnausschüttungen<br />

veranlaßten Schulden und Schuldzinsen, FR 1998, 938 (938 ff); Prinz, Steuerlicher Schuldzinsenabzug<br />

– Labyrinth oder Steuerfalle, StbJb 1999/2000, 293 (312 f).<br />

23 Zur deutschen Rechtslage und der im Ergebnis unstrittigen Abzugsfähigkeit der Schuldzinsen<br />

siehe unten Kapitel III.<br />

24 Siehe zu diesem Anspruch und den allfälligen Einschränkungen nur Koppensteiner, GmbHG 2<br />

(1998), § 35 Rz 12 ff und § 82 Rz 10 f.<br />

25 Insb der Gewinnverteilung gem § 126 AktG und der Verteilung des Reingewinnes gem § 35<br />

GmbHG; vgl etwa Wiesner/Schneider/Spanbauer/Kohler, KStG 1988, § 8 Anm 1, 11.<br />

Ertragsteuern in Wissenschaft und Praxis, <strong>Festschrift</strong> <strong>für</strong> Werner Doralt, Wien 2007 199


Georg Kofl er<br />

unterstellt das Steuerrecht über § 8 Abs 1 TS 1 KStG freilich nicht nur eine vollständige<br />

Eigenfi nanzierung auf Gesellschaftsebene, 26 sondern sieht auch entsprechende<br />

Rechtsfolgen auf Seiten der Gesellschafter vor. 27 Daraus lässt sich allerdings noch<br />

nicht mit Sicherheit erschließen, ob das Gesetz steuerlich generell die Annahme einer<br />

Fremdfi nanzierung der ausgeschütteten Mittel, also die Zuordnung von Fremdfi<br />

nanzierungsaufwand zur bilanziell eigenfi nanzierten Ausschüttungen, ausschließen<br />

möchte. 28 Zweifel daran könnten etwa deshalb entstehen, weil das Körperschaftsteuerrecht<br />

in § 8 Abs 2 TS 3 KStG mit der Einkommensverwendung in „anderer Weise“<br />

auch die nach § 12 KStG nicht abzugsfähigen Aufwendungen erfasst, 29 deren Fremdfi<br />

nanzierung die steuerliche Beachtung aber womöglich verwehrt wird. 30<br />

Zur Begründung der Steuerwirksamkeit einer Fremdfi nanzierung der Gewinnausschüttung<br />

wird im Schrifttum zu Recht die Verbindung der Fremdfi nanzierung zur<br />

gesellschaftsrechtlichen Sphäre der Gesellschaft in Zweifel gezogen. Da nämlich<br />

eine Gesellschaft letztlich immer im Interesse der Gesellschafter tätig werde, verbiete<br />

im Grunde bereits das Trennungsprinzip eine zügellose Zurechnung von Aufwendungen<br />

zur gesellschaftsrechtlichen Sphäre. Eine Zuordnung von Vorgängen zur<br />

„außerbetrieblichen“ Sphäre setze jedenfalls eine Mittelverwendung zu Gunsten der<br />

Gesellschafter voraus. 31 Dementsprechend sei eine Zurechnung von Vorgängen zur<br />

„außerbetrieblichen“ Sphäre im Lichte der Rechtsprechung des VwGH 32 auch nur<br />

dann zulässig, wenn dem Gesellschafter Vermögensvorteile gewährt werden, die<br />

ihre Wurzel im Gesellschaftsverhältnis haben. 33 Einen greifbaren, zusätzlich zur Gewinnausschüttung<br />

eintretenden Vorteil erlange der Gesellschafter freilich durch die<br />

Fremdfi nanzierung der Ausschüttung nicht, weshalb die Fremdfi nanzierungskosten<br />

aufgrund der Sphärentrennung des § 8 KStG zwangsläufi g in den Residualbereich<br />

der Einkommenserzielungssphäre der Gesellschaft fallen müsste. 34 Folgt man diesem<br />

Standpunkt, erweist sich eine einfache Kausalitätsüberlegung, dass der Fremdfi<br />

nanzierungsaufwand im Fall der Nichtausschüttung nicht angefallen wäre, als zu<br />

kurz gegriffen. Auch der im Bereich der verdeckten Ausschüttung von der österreichischen<br />

Rechtsprechung geforderte Fremdvergleich 35 oder die von der deutschen<br />

Rechtsprechung präferierte Überlegung, ob die Fremdfi nanzierung dem Sorgfaltsmaßstab<br />

eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers entspricht, 36 können<br />

letztlich die gesellschaftsrechtliche Veranlassung der Fremdfi nanzierung nicht<br />

begründen: Denn einerseits muss der Fremdvergleich schon denklogisch deshalb ins<br />

26 Die Verminderung des Eigenkapitalstandes wird dementsprechend nicht nur in §§ 224 Abs 3<br />

lit a und 229 UGB, sondern auch im steuerlichen Gewinnkapitalstand oder über das Evidenzkonto<br />

nach § 4 Abs 12 EStG refl ektiert.<br />

27 §§ 27 Abs 1 Z 1 lit a und 93 ff EStG.<br />

28 So aber Beiser, Fremdfi nanzierung von Gewinnausschüttungen?, ÖStZ 2002/171, 96 (96 ff);<br />

siehe aber auch unten Kapitel II.4.<br />

29 Bauer/Quantschnigg/Schellmann/Werilly, KStG, § 8 Tz 25.<br />

30 Siehe sogleich unten Kapitel II.2.<br />

31 Siehe auch Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004) 156 f.<br />

32 Dazu sogleich unten Kapitel II.2.<br />

33 Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004) 156 f; Achatz, Fremdfi<br />

nanzierte Gewinnausschüttungen, in Bertl et al (Hrsg), Beteiligungen in Rechnungswesen<br />

und Besteuerung (2004) 131 (138).<br />

34 Siehe zu diesen Überlegungen Achatz, Fremdfi nanzierte Gewinnausschüttungen, in Bertl et al<br />

(Hrsg), Beteiligungen in Rechnungswesen und Besteuerung (2004) 131 (138).<br />

35 ZB VwGH 26.9.2000, 98/13/0216, ÖStZB 2001/145; VwGH 30.5.2001, 99/13/0024, ÖStZB<br />

2002/334; VwGH 19.2.2002, 2001/14/0161, ecolex 2002/209, 536 m Anm G. Kofl er; VwGH<br />

29.1.2003, 98/13/0055, ÖStZB 2003/300.<br />

36 Siehe zB BFH 9.11.2005, I R 89/04, BFHE 211, 287 mwN.<br />

200 Ertragsteuern in Wissenschaft und Praxis, <strong>Festschrift</strong> <strong>für</strong> Werner Doralt, Wien 2007


Die fremdfi nanzierte Gewinnausschüttung<br />

Leere laufen, weil Nichtgesellschafter von vornherein keine Ausschüttung erhalten,<br />

andererseits schränkt der Maßstab des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers<br />

– sofern man ihn <strong>für</strong> anwendbar hält37 – die freie Wahl der Finanzierung nur<br />

in ganz besonderen Fällen ein. 38<br />

Dieser Ansatz führt somit jedenfalls auf einer nachgelagerten Ebene dazu, dass<br />

allfällige Fremdfi nanzierungskosten nicht als weitere verdeckte Ausschüttung angesehen<br />

werden können. 39 Allerdings ist zunächst auf einer vorgelagerten Ebene zu<br />

ermitteln, ob die aufgenommene Verbindlichkeit überhaupt dem Betriebsvermögen<br />

zuzuordnen ist. Auf dieser vorgelagerten Ebene wäre nämlich dem möglichen – und<br />

wohl implizit der Ansicht Doralts, der Finanzverwaltung und des UFS zugrunde<br />

liegenden – Argument entgegenzutreten, dass die <strong>für</strong> eine Ausschüttung aufgenommene<br />

Verbindlichkeit im Sinne der Mittelverwendungstheorie unabhängig von einer<br />

weiteren Vorteilszuwendung an die Gesellschafter dem Schicksal der Ausschüttung<br />

folgt, zumal sie in Zusammenhang mit einer nicht abzugsfähigen Vermögensauskehrung<br />

steht, daher gesellschaftsrechtlich veranlasst und somit der „außerbetrieblichen“<br />

Sphäre zuzuordnen ist.<br />

2. Systematische Einordnung der Fragestellung<br />

Die Beurteilung der Abzugsfähigkeit von Zinsen folgt im Einkommensteuerrecht<br />

einem doppelt derivativen Konzept: „Im Bereich der Einkommensbesteuerung sind<br />

Fremdmittel zwingend nach der Veranlassung (§ 4 Abs 4 EStG) in der Ausprägung,<br />

dass es auf die Mittelverwendung ankommt, den aktiven Wirtschaftsgütern bzw den<br />

Aufwendungen zuzuordnen“. 40 Schuldzinsen sind also abzugsfähig, wenn die Schuld<br />

betrieblich veranlasst ist; 41 dies ist der Fall, wenn die dadurch einsetzbaren Mittel<br />

der Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern oder der Finanzierung eines<br />

betrieblich veranlassten Aufwandes dienen. 42 Die Zuordnung von Verbindlichkeiten<br />

zum Betriebsvermögen ist also an den betrieblichen Einsatz der Fremdmittel geknüpft.<br />

Daran ändert im Grunde auch die Rechtsform der Körperschaft nichts, zumal<br />

der VwGH bereits früh ausgesprochen hat, dass der „Ansicht, Zinsen <strong>für</strong> was<br />

immer <strong>für</strong> Schuldverpfl ichtungen der Körperschaft seien ohne Rücksicht auf deren<br />

Rechtsgrund jedenfalls Betriebsausgaben und als solche abzugsfähig, [...] nicht beigepfl<br />

ichtet werden“ könne. 43<br />

Dieser Grundsatz ist bei der Fremdfi nanzierung von Wirtschaftsgütern relativ<br />

leicht auf den Punkt zu bringen: Schulden zur Anschaffung von Privatvermögen sind<br />

grundsätzlich keine Betriebsschulden, wie umgekehrt zur Beschaffung von (gewillkürtem)<br />

Betriebsvermögen aufgenommenes Fremdkapital eine Betriebsschuld darstellt.<br />

44 Daher sind beispielsweise Verbindlichkeiten zur Anschaffung oder Herstel-<br />

37 Siehe etwa BFH 14.8.1985, I R 149/71, BFHE 144, 548, BStBl 1986 II 86, zur Untauglichkeit<br />

dieser Denkfi gur <strong>für</strong> Rechtsverhältnisse im Zusammenhang mit der Gründung und der Kapitalausstattung<br />

der Kapitalgesellschaft.<br />

38 Dazu Achatz, Fremdfi nanzierte Gewinnausschüttungen, in Bertl et al (Hrsg), Beteiligungen in<br />

Rechnungswesen und Besteuerung (2004) 131 (140 ff).<br />

39 Dazu unten Kapitel III.<br />

40 VwGH 30.9.1999, 99/15/0106, 0107, ÖStZB 2000/82.<br />

41 Siehe nur Doralt, EStG 7 (2002), § 4 Tz 330 unter „Finanzierungskosten“.<br />

42 Vgl zB VwGH 18. 1. 1989, 88/13/0081, ÖStZB 1989, 244; dazu statt aller Doralt, EStG 7<br />

(2002), § 4 Tz 68.<br />

43 VwGH 19.9.1958, 2365/55, VwSlg 1875 F/1958.<br />

44 VwGH 12.5.1981, 81/14/0008, 0014, ÖStZB 1982, 52.<br />

Ertragsteuern in Wissenschaft und Praxis, <strong>Festschrift</strong> <strong>für</strong> Werner Doralt, Wien 2007 201


Georg Kofl er<br />

lung eines teils privat, teils betrieblich genutzten unbeweglichen Wirtschaftsgutes<br />

ebenso aufzuteilen, 45 wie wenn sich die (teilweise) mangelnde Betriebsvermögenseigenschaft<br />

des fi nanzierten Wirtschaftsgutes aus § 20 EStG begründen lässt. 46 Die<br />

Übertragbarkeit dieser Prinzipien auf die Körperschaftsbesteuerung wird implizit<br />

allgemein akzeptiert. Wenn nämlich im Einkommensteuerrecht etwa die Luxustangente<br />

nach § 20 Abs 1 Z 2 lit b EStG im Wege der Substanzteilung dem Privatvermögen<br />

zugeteilt wird, kann dies – entsprechend § 12 Abs 1 Z 2 EStG – bei Kapitalgesellschaften<br />

nur bedeuten, dass dieser <strong>Teil</strong> im Sinne einer Doppelvermögenstheorie<br />

einem zweiten, „außerbetrieblichen“ Vermögensbereich zugeordnet wird, oder dass<br />

eine solche „außerbetriebliche“ Sphäre zwar nicht auf der Vermögensebene, wohl<br />

aber auf der Einkommensebene anerkannt werden muss. Da § 7 Abs 2 KStG nach<br />

der Rechtsprechung des VwGH aber die einkommensteuerlichen Vorschriften über<br />

die Gewinnermittlung und damit – unabhängig von der Maßgeblichkeit 47 – auch über<br />

den Umfang des Betriebsvermögens in den Bereich des Körperschaftsteuerrechts<br />

übernimmt, 48 kann diese Abgrenzung letztlich nicht bei Aufwand und Ertrag haltmachen,<br />

sondern muss auch die Substanz erfassen. Eine Differenzierung zwischen<br />

Vermögens- und Einkommensebene wäre bei dieser Ausgangslage schon deshalb<br />

artifi ziell, weil der Gewinn einer Kapitalgesellschaft durch Vermögensvergleich zu<br />

ermitteln ist und sich schon deshalb diese beiden Sphären nicht überzeugend trennen<br />

lassen. Zu Recht ordnen daher das österreichische Schrifttum 49 und die Recht-<br />

45 Siehe zu Gebäuden VwGH 21.5.1985, 85/14/0004, ÖStZB 1986, 38; VwGH 2.8.2000,<br />

97/13/0019, ÖStZB 2001/100, 136; Rz 1429 ff EStR 2000. Eine Ausnahme besteht <strong>für</strong> den<br />

Fall, dass unbewegliches Vermögen zur Gänze dem Betrieb zugeordnet wird; diesfalls stellen<br />

die auf den Privatanteil entfallenden Schuldzinsen Entnahmen dar; siehe VwGH 18. 1. 1983,<br />

82/14/0100, ÖStZB 1983, 242. Siehe hingegen zum Überwiegensprinzip („Aufteilungsverbot“)<br />

bei beweglichem Vermögen etwa Djanani/Kapferer, Probleme der Zuordnung von Verbindlichkeiten,<br />

ÖStZ 1987, 166 (168), sowie Doralt, EStG 7 (2002), § 4 Tz 81 ff.<br />

46 Konkret spiegelt sich dies beispielsweise bei der Luxustangente nach § 20 Abs 1 Z 2 lit b EStG<br />

wider, die eine Substanzteilung des betreffenden Wirtschaftsgutes in einen Betriebsvermögens-<br />

und einen Privatvermögensteil erfordert (siehe nur Wiesner, Die schwierige Abgrenzung betrieblicher<br />

und außerbetrieblicher Zahlungen, SWK 1991, A I 139 [A I 142 ff]; deutlich auch<br />

Doralt, EStG 7 (2002) § 4 Tz 330 unter „Finanzierungskosten“ zur Aliquotierung der Verbindlichkeit<br />

bei Finanzierung eines Wirtschaftsguts mit Luxustangente). Gleiches gilt aber zB auch<br />

<strong>für</strong> die Betriebsvermögenseigenschaft von Wirtschaftsgütern, die nach § 20 Abs 1 Z 3 EStG<br />

der Repräsentation dienen; auch diese sind dem Privatvermögen zuzuordnen (VwGH 5.7.1994,<br />

91/14/0110, ÖStZB 1995, 172). Der Klarheit halber ist zu betonen, dass sich diese Frage etwa<br />

bei der fremdfi nanzierten Schachtelbeteiligung nicht stellt: Da die Beteiligung zum Betriebsvermögen<br />

gehört, gilt dies auch <strong>für</strong> die Verbindlichkeit, obwohl – zumindest bis zur Veräußerung<br />

(siehe VfGH 25.6.1998, B 125/97, ÖStZB 1998, 862) – der Schuldzinsenabzug ausgeschlossen<br />

wäre (zB VwGH 10.10.1996, 94/15/0187, ÖStZB 1997, 404; VwGH 20.11.1996,<br />

96/15/0188, ÖStZB 1997, 623), würde nicht § 11 Abs 1 Z 4 KStG den Abzug ausdrücklich<br />

gestatten; ebenso Damböck, Anmerkungen zu jüngsten BMF-Erledigungen, ecolex 2000, 446<br />

(446).<br />

47 VwGH 27.1.1998, 93/14/0166, ÖStZB 1998, 469.<br />

48 Siehe zB VwGH 20.6.2000, 98/15/0169, ÖStZB 2000/534; VwGH 24.6.2004, 2001/15/0002,<br />

ÖStZB 2005/32; VwGH 19.12.2006, 2004/15/0122.<br />

49 In diesem Sinne Wiesner, Körperschaftsteuerrechtliche Einlagen und Entnahmen, in Doralt/Hassler/Kranich/Nolz/Quantschnigg<br />

(Hrsg), Die Besteuerung der Kapitalgesellschaft,<br />

FS Bauer (1986) 349 (350 ff); Wiesner, Die schwierige Abgrenzung betrieblicher und außerbetrieblicher<br />

Zahlungen, SWK 1991, A I 139 (A I 160); Bauer/Quantschnigg/Schellmann/<br />

Werilly, KStG, § 7 Rz 102/1 und § 8 Tz 17.1 sowie Tz 66 unter „Außerbetrieblicher Bereich“<br />

und „Dienstwohnung“.<br />

202 Ertragsteuern in Wissenschaft und Praxis, <strong>Festschrift</strong> <strong>für</strong> Werner Doralt, Wien 2007


Die fremdfi nanzierte Gewinnausschüttung<br />

sprechung50 im Sinne einer Doppelvermögenstheorie jene Wirtschaftgüter, denen der<br />

Gesetzgeber selbst durch § 12 KStG „Privatcharakter“ verliehen hat, dem „außerbetrieblichen“<br />

Vermögensbereich der Kapitalgesellschaft zu. Die jüngere Judikatur<br />

geht sogar noch darüber hinaus und hat auch die Zuordnung einzelner Wirtschaftsgüter<br />

zum notwendigen „außerbetrieblichen“ Vermögensbereich vorgenommen,<br />

wenn diese objektiv erkennbar gesellschaftsrechtlichen Zwecken dienten oder objektiv<br />

erkennbar <strong>für</strong> solche Zwecke bestimmt waren. 51 Diese Judikaturlinie ist zwar<br />

aufgrund des schwierigen Verhältnisses zur verdeckten Ausschüttung zu Recht auf<br />

breite Kritik gestoßen, 52 bestätigt aber doch den schon aus § 12 KStG ableitbaren<br />

Grundsatz, dass auch Kapitalgesellschaften einen „außerbetrieblichen“ Vermögensbereich<br />

haben, dem (positive und negative) Wirtschaftsgüter auch dann zugeordnet<br />

werden können, wenn den Gesellschaftern kein Vorteil zugewendet wird und damit<br />

die Ergebniskorrektur im Wege einer verdeckten Ausschüttung nicht in Frage<br />

kommt. 53 In der Konsequenz dieser Sichtweise liegt es dann auch, dass sämtliche<br />

Aufwendungen auf ein dem „außerbetrieblichen“ Bereich zugeordnetes Wirtschaftsgut<br />

steuerlich ebenso unbeachtlich sind wie die damit im Zusammenhang stehenden<br />

Erträge. 54 Demnach müssten konsequenterweise auch jene Verbindlichkeiten (anteilig)<br />

dem „außerbetrieblichen“ Vermögensbereich der Kapitalgesellschaft zugeordnet<br />

werden, die mit den dem „außerbetrieblichen“ Vermögensbereich (anteilig) zugeordneten<br />

Wirtschaftsgütern in Zusammenhang stehen.<br />

Vor diesem Hintergrund lässt sich der Fokus von fremdfi nanzierten Wirtschaftsgütern<br />

auf fremdfi nanzierte Aufwendungen und Ausgaben wechseln und <strong>für</strong> das Einkommensteuerrecht<br />

folgern, dass Schulden, die der Finanzierung von Aufwendungen<br />

50 Siehe VwGH 24.6.2004, 2001/15/0002, ÖStZB 2005/32, wo der VwGH ein der Unterkunftsgewährung<br />

an Geschäftsfreunde und damit Repräsentationszwecken iSd § 12 Abs 1 Z 3<br />

KStG dienendes Gebäudes unter Rückgriff auf die einkommensteuerliche Judikatur (VwGH<br />

5.7.1994, 91/14/0110, ÖStZB 1995, 172) der „außerbetrieblichen“ Sphäre der Kapitalgesellschaft<br />

zugeordnet hat.<br />

51 VwGH 20.6.2000, 98/15/0169, ÖStZB 2000/534 (betreffend die Dienstwohnung des Gesellschafter-Geschäftsführers);<br />

VwGH 24.6.2004, 2001/15/0002, ÖStZB 2005/32 (betreffend ein<br />

privates Wohnhaus). Siehe zu dieser Rechtsprechung Wiesner, Betriebliche oder außerbetriebliche<br />

Veranlassung bei einer Kapitalgesellschaft, RWZ 2000/74, 229 (229 ff); Pernegger,<br />

„Dienstwohnung“ und außerbetriebliche Sphäre, ÖStZ 2002/168; Bruckner, „Privatvermögen“<br />

einer Kapitalgesellschaft – Analyse und kritische Anmerkungen, ÖStZ 2003/233, 110<br />

(110 ff); Wiesner, „Privatvermögen“ einer GmbH – VwGH setzt die Judikatur zur Trennung<br />

von betrieblichem und gesellschaftsrechtlichem Vermögen fort, RWZ 2004/56, 225 (225 ff);<br />

Stangl, Der VwGH zur außerbetrieblichen Sphäre von Kapitalgesellschaften, ÖStZ 2005/71,<br />

39 (39 ff). Zur Möglichkeit der Liebhaberei bei Kapitalgesellschaften siehe bereits VwGH<br />

22.9.1987, 86/14/0196 ÖStZB 1988, 152; VwGH 26.4.1989, 89/14/0001, ÖStZB 1989, 468;<br />

VwGH 19.2.1992, 92/14/0016, ÖStZB 1992, 690. Ausführlich zum Ganzen Stangl, Die außerbetriebliche<br />

Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004) 70 ff und 123 ff.<br />

52 Siehe nur Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004) 132 ff;<br />

Stangl , Der VwGH zur außerbetrieblichen Sphäre von Kapitalgesellschaften, ÖStZ 2005/71,<br />

39 (39 ff).<br />

53 Zum Erfordernis eines vermögenswerten Vorteils siehe nur Wiesner, Körperschaftsteuerrechtliche<br />

Einlagen und Entnahmen, in Doralt/Hassler/Kranich/Nolz/Quantschnigg (Hrsg),<br />

Die Besteuerung der Kapitalgesellschaft, FS Bauer (1986) 349 (375); weiters auch Rz 758<br />

KStR 2001; Bauer/Quantschnigg/Schell mann/Werilly, KStG, § 8 Tz 39.<br />

54 Bruckner, „Privatvermögen“ einer Kapitalgesellschaft – Analyse und kritische Anmerkungen,<br />

ÖStZ 2003/233, 110 (110 ff); siehe auch bereits Wiesner, Körperschaftsteuerrechtliche Einlagen<br />

und Entnahmen, in Doralt/Hassler/Kranich/Nolz/Quantschnigg (Hrsg), Die Besteuerung<br />

der Kapitalgesellschaft, FS Bauer (1986) 349 (354); Margreiter, Zur betrieblichen Abzugsfähigkeit<br />

von Kreditzinsen, SWK 1996, A 459 (A 468 f).<br />

Ertragsteuern in Wissenschaft und Praxis, <strong>Festschrift</strong> <strong>für</strong> Werner Doralt, Wien 2007 203


Georg Kofl er<br />

der privaten Lebensführung dienen, eine Privatverbindlichkeit begründen; dienen sie<br />

hingegen betrieblichen Zwecken, ist die Verbindlichkeit als Betriebsschuld anzusehen.<br />

55 Dementsprechend hat der VwGH wiederholt festgestellt, dass Schulden zur<br />

Finanzierung privater Ausgaben keine Betriebsschulden sind. 56 Wenn etwa Kosten<br />

der Finanzierung von nach § 20 Abs 1 Z 6 EStG nichtabzugsfähigen Personensteuerzahlungen<br />

ebenfalls dem Abzugsverbot unterliegen, 57 so wird damit implizit zum<br />

Ausdruck gebracht, dass die entsprechende Verbindlichkeit nicht dem betrieblichen<br />

Bereich zuzuordnen ist. Sieht man das Abzugsverbot <strong>für</strong> die Zahlung von direkten<br />

Steuern gem § 20 Abs 1 Z 6 EStG als deklarative Bestimmung an, 58 zumal sie zwar<br />

iSd § 4 Abs 4 EStG nur bei Entfaltung einer betrieblichen oder berufl ichen Tätigkeit<br />

anfällt, sie aber nichtsdestoweniger sowohl bei der Einkommensberechnung als<br />

auch bei der Tarifermittlung von persönlichen Gesichtspunkten beeinfl usst wird, erklärt<br />

sich dies schon aus dem privaten Charakter der Schuld. Diese Zuordnung einer<br />

Schuld zum Privatbereich kann aber auch aus einem konstitutiv wirkenden Abzugsverbot<br />

des § 20 Abs 1 EStG folgen; eine Verbindlichkeit ist demnach auch insoweit<br />

nicht als Betriebsschuld zu betrachten, als sie sich auf die vom Gesetzgeber durch<br />

§ 20 Abs 1 EStG konstitutiv der Privatsphäre zugeordneten nichtabzugsfähigen<br />

Aufwendungen bezieht. In diesem Sinne wirkt sich beispielsweise der durch einen<br />

Schulderlass begründete Wegfall einer Verbindlichkeit, die <strong>für</strong> den betrieblichen Bereich<br />

nicht steuerwirksam war (zB hinsichtlich nichtabzugsfähiger Repräsentationsausgaben),<br />

auch nicht gewinnerhöhend aus, 59 zumal es sich insoweit nicht um den<br />

Wegfall einer betrieblichen Verbindlichkeit handelt.<br />

Aus dieser Perspektive kann man sich nunmehr auch der Problematik der fremdfi<br />

nanzierten Gewinnausschüttung dogmatisch nähern. Akzeptiert man nämlich diese<br />

Grundsätze <strong>für</strong> die Zuordnung von Verbindlichkeiten zur Privatsphäre im Einkommensteuerrecht,<br />

so stellt sich aus dem Blickwinkel des Körperschaftsteuerrechts<br />

– unabhängig von Problemen der verdeckten Ausschüttung – die Frage der Übertragbarkeit<br />

auf Kapitalgesellschaften. Gegen eine Übertragbarkeit spricht zunächst<br />

der Umstand, dass die Kapitalgesellschaft keinen der natürlichen Person nachgebildeten<br />

Privatbereich hat. Allerdings scheint das auf die ältere Judikatur60 gestützte<br />

Argument, dass die Schuld aufnahme zur Finanzierung nichtabzugsfähiger Aufwendungen<br />

dennoch zu abzugsfähigen Zinsen führen müsse, weil einer Kapitalgesellschaft<br />

ein privater Bereich abgesprochen und das Gesamtvermögen als Betriebs-<br />

55 Vgl zB VwGH 23.4.2002, 97/14/0127, ÖStZB 2003/53.<br />

56 Siehe zB VwGH 21.10.1986, 86/14/0124, ÖStZB 1987, 302 (zur Fremdfi nanzierung von<br />

Pfl ichtteilszahlungen).<br />

57 VwGH 24.1.1990, 88/13/0233, ÖStZB 1990, 309, und VwGH 17.9.1997, 93/13/0027, ÖStZB<br />

1998, 396, jeweils zur Fremdfi nanzierung von nach § 20 Abs 1 Z 6 EStG nicht abzugsfähigen<br />

Steuerzahlungen.<br />

58 Siehe zB Quantschnigg/Schuch, ESt-HB (1993), § 20 Tz 2; Doralt, EStG 4 (1999), § 20 Tz 139;<br />

Schmidt, VwGH gegen BFH: Schadenersatz wegen Einkommensteuer – Betriebseinnahme?<br />

RdW 1999, 104 (104 ff); siehe auch BFH 18.6.1998, IV R 1/97, BFHE 186, 363, BStBl 1998<br />

II 621.<br />

59 Dazu zB Nolz, Probleme der Sanierungsgewinne im Ertragsteuerrecht, in Doralt/Hassler/Kranich<br />

/Nolz/Quantschnigg (Hrsg), Die Besteuerung der Kapitalgesellschaft, FS Bauer<br />

(1986) 191 (195); Quantschnigg/Schuch, ESt-HB (1993), § 36 Tz 2; Kristen, Erlass des BMF<br />

zur Nichtfestsetzung der Steuer auf den Sanierungsgewinn: Anwendungsbereich, Anwendungsvoraussetzungen<br />

und Wirkung, ZIK 2000/11, 15 (15); Kanduth-Kristen, Steuerliche Behandlung<br />

von Schulderlässen und Sanierungsgewinnen, taxlex 2006, 436 (437).<br />

60 VwGH 4.11.1955, 2779/53, ÖStZB 1956, 28.<br />

204 Ertragsteuern in Wissenschaft und Praxis, <strong>Festschrift</strong> <strong>für</strong> Werner Doralt, Wien 2007


Die fremdfi nanzierte Gewinnausschüttung<br />

vermögen behandelt werde, 61 angesichts der jüngeren Rechtsprechung nicht mehr<br />

zwingend durchzugreifen. Selbst wenn also ein Aufwand – beispielsweise eine Körperschaftsteuerzahlung<br />

– grundsätzlich Betriebsausgabe wäre, 62 ihm aber durch § 12<br />

KStG die Abzugsfähigkeit konstitutiv genommen wird, bleibt die Frage aufrecht,<br />

was mit der zur Finanzierung des nichtabzugsfähigen Aufwandes aufgenommenen<br />

Verbindlichkeit zu geschehen hat. Die deutsche Rechtsprechung geht diesbezüglich<br />

– und schon bereits vor der in der späteren Rechtsprechung vorgenommenen expliziten<br />

Verneinung einer Privatsphäre der Kapitalgesellschaft63 – davon aus, dass die<br />

Fremdfi nanzierungskosten <strong>für</strong> die Körperschaftsteuerzahlung als Betriebsausgaben<br />

abzugsfähig sind. 64 Die Begründung dieser Sichtweise liegt implizit darin, dass die<br />

fragliche Ausgabe oder Aufwendung – etwa die Körperschaftsteuer – zwar Betriebsausgabe<br />

ist, ihr aber durch eine konstitutive Bestimmung der Abzug versagt werde; 65<br />

stehe aber die Betriebsausgabeneigenschaft fest, werde insofern die Verbindlichkeit<br />

dennoch zur Betriebsschuld und die entsprechenden Fremdfi nanzierungskosten wären<br />

dementsprechend nicht vom Abzugsverbot <strong>für</strong> den ursprünglichen – nichtabzugsfähigen<br />

– Aufwand erfasst. Diese Überlegung würde demnach auf sämtliche<br />

Aufwendungen Anwendung fi nden, die dem Grunde nach Betriebsausgaben, aber<br />

konstitutiv vom Abzug ausgeschlossen sind (zB Repräsentationskosten, verbotene<br />

„Schmiergelder“, Körperschaftsteuerzahlungen). Die bisherige Rechtsprechung des<br />

VwGH könnte aufgrund der Übertragung der einkommensteuerlichen Prinzipien in<br />

das Körperschaftsteuerrecht demgegenüber dahingehend verstanden werden, dass<br />

auch im Körperschaftsteuerrecht den mit diesen durch das Gesetz der Privatsphäre<br />

zugeordneten Aufwendungen zusammenhängenden Aufwendungen (zB Fremdfi -<br />

nanzierungskosten) die Abzugsfähigkeit zu versagen ist. Daraus würde – analog zur<br />

einkommensteuerrechtlichen Sichtweise, die von der Rechtsprechung über § 7 Abs 2<br />

KStG in das Körperschaftsteuerrecht übernommen wird66 – folgen, dass Verbindlichkeiten,<br />

die nicht der Bestreitung von nach § 4 Abs 4 iVm § 12 KStG betrieblich veranlassten<br />

Aufwendungen und Ausgaben dienen, ebenfalls dem „außerbetrieblichen“<br />

Bereich der Kapitalgesellschaft zuzuordnen wären. Subsumiert man darunter zB<br />

auch den eine verdeckte Ausschüttung an die Gesellschafter darstellenden, von der<br />

Gesellschaft getragenen Aufwand, wäre die zur Finanzierung dieser verdeckten Ausschüttung<br />

aufgenommenen Verbindlichkeit dem „außerbetrieblichen“ Bereich der<br />

Gesellschaft zuzuordnen.<br />

Damit eröffnet sich freilich schon die Fragstellung dieses Beitrages: Ist die Verbindlichkeit<br />

zur Finanzierung einer – offenen oder verdeckten – Ausschüttung wegen<br />

des Zusammenhanges mit der Gesellschaftersphäre als „rein gesellschaftsrechtlich<br />

veranlasst“ anzusehen, gehört sie auch „nicht zum Betriebsvermögen der Körper-<br />

61 So Benn-Ibler/Riedl, Sind Zinsenaufwendungen im Zusammenhang mit einer Körperschaftsteuerschuld<br />

betrieblich abzugsfähig? SWK 1997, S 39 (S 39 ff).<br />

62 Deutlich BFH 23.11.1988, I R 180/85, BFHE 154, 552, BStBl 1989 II 116 mwN, wonach die<br />

Steuern einer Kapitalgesellschaft vom Einkommen und Ertrag grundsätzlich als betrieblich<br />

veranlasste Aufwendungen anzusehen sind; siehe auch BFH 4.12. 991, I R 26/91, BFHE 167,<br />

32, BStBl 1992 II 686.<br />

63 Dazu unten Kapitel III.<br />

64 BFH 23.11.1988, I R 180/85, BFHE 154, 552, BStBl 1989 II 116.<br />

65 BFH 3.4.1962, I 196/59 U, BFHE 74, 685, BStBl 1962 III 254; siehe auch Prinz, Steuerlicher<br />

Schuldzinsenabzug – Labyrinth oder Steuerfalle, StbJb 1999/2000, 293 (312).<br />

66 Ausdrücklich VwGH 20.6.2000, 98/15/0169, ÖStZB 2000/534; VwGH 24.6.2004,<br />

2001/15/0002, ÖStZB 2005/32; siehe auch VwGH 19.9.1958, 2365/55, VwSlg 1875 F/1958<br />

(zum mangelnden Betriebsausgabencharakter von Stundungszinsen <strong>für</strong> die Körperschaftsteuer).<br />

Ertragsteuern in Wissenschaft und Praxis, <strong>Festschrift</strong> <strong>für</strong> Werner Doralt, Wien 2007 205


Georg Kofl er<br />

schaft, sondern zu ihrem steuerneutralen Vermögen“. 67 Aus einer solchen Zuordnung<br />

zur „außerbetrieblichen“ Sphäre würde sodann das Abzugsverbot der anfallenden<br />

Zinsen folgern. 68 Akzeptiert man diese systematische Einordnung, kann dem von<br />

Doralt angedachten Abzugsverbot <strong>für</strong> die Fremdfi nanzierungskosten einer Gewinnausschüttung<br />

im Wesentlichen unter zwei Gesichtspunkten entgegengetreten werden:<br />

Der erste Gesichtspunkt fokussiert den Zusammenhang zwischen der Fremdmittelaufnahme<br />

und der damit fi nanzierten Vermögensauskehrung und rekurriert auf die<br />

Frage, inwieweit das Abzugsverbot <strong>für</strong> die Gewinnausschüttung selbst auf den Charakter<br />

der da<strong>für</strong> aufgenommenen Verbindlichkeit „durchschlägt“. 69 Anders gewendet<br />

wäre zu begründen, dass die Verbindlichkeit unabhängig von der Verwendung der<br />

Geldmittel <strong>für</strong> eine steuerneutrale Einkommensverwendung zu einer Betriebsschuld<br />

wird. 70 Unter einem zweiten Gesichtspunkt wäre der Zusammenhang zwischen der<br />

Fremdmittelaufnahme und der damit erfolgten Refi nanzierung des Betriebsvermögens<br />

zu fokussieren. Dieser muss dementsprechend auf die Frage abzielen, ob die<br />

Sphärentrennung zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern nach § 8 KStG eine<br />

Durchbrechung des betrieblichen Veranlassungszusammenhanges ausschließt, wenn<br />

lediglich das bisher im Betriebsvermögen refl ektierte Eigenkapital in Erfüllung des<br />

gesellschaftsrechtlichen Ausschüttungsanspruches der Gesellschafter passivseitig<br />

durch Fremdkapital substituiert wird. 71<br />

3. Die gesellschaftsrechtliche Dispositionsbeschränkung und die<br />

daraus folgende steuerliche Dispositionsfreiheit der Kapitalgesellschaft<br />

Der erste Gesichtspunkt einer Argumentation <strong>für</strong> die Abzugsfähigkeit des Fremdfi<br />

nanzierungsaufwandes <strong>für</strong> eine Gewinnausschüttung liegt darin, der Verbindlichkeit<br />

unabhängig von der Verwendung der Geldmittel <strong>für</strong> eine steuerneutrale Einkommensverwendung<br />

den Charakter einer Betriebsschuld zukommen zu lassen. Dies<br />

ließe sich allenfalls damit begründen, dass der Legalanspruch der Gesellschafter<br />

auf die Ausschüttung des Bilanzgewinnes zu einer veranlassungstheoretischen Abkoppelung<br />

des Ausschüttungsvorganges von der Finanzierungsentscheidung der Gesellschaft<br />

führt. Einen Anhaltspunkt da<strong>für</strong> könnte die Überlegung bieten, dass die<br />

durch die Mittelverwendungsrechtsprechung des VwGH bewirkte Einschränkung<br />

der Finanzierungsfreiheit des Steuerpfl ichtigen erkennbar auf die Unterbindung von<br />

steuerlichen Wirkungen der Entnahme von Fremdmitteln aus der betrieblichen in die<br />

außerbetriebliche Sphäre des Einzelunternehmers ausgerichtet ist. So dürfen grundsätzlich<br />

vorhandene Eigenmittel dem Betrieb entzogen werden; das daraus resultie-<br />

67 VwGH 24.6.2004, 2001/15/0002, ÖStZB 2005/32; aA noch Damböck, Anmerkungen zu<br />

jüngsten BMF-Erledigungen, ecolex 2000, 446 (446), der wegen des Mittelzufl usses durch die<br />

Fremdfi nanzierung auch eine Zuordnung der Verbindlichkeit zum gewillkürten Betriebsvermögen<br />

<strong>für</strong> möglich hält.<br />

68 Zum Verhältnis zur verdeckten Gewinnausschüttung siehe unten Kapitel III.<br />

69 Dabei ist es mE aber irrelevant, ob man die Annahme einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung<br />

auf § 8 Abs 2 KStG oder auf § 12 Abs 1 Z 1 KStG stützen möchte, zumal beide Vorschriften im<br />

Verhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft letztlich nur deklarativen Charakter haben<br />

können; siehe dazu und zur Frage, ob § 12 Abs 1 Z 1 KStG auf Gewinnausschüttungen überhaupt<br />

anwendbar ist, G. Kofl er, Fremdfi nanzierte offene Gewinnausschüttungen im Steuerrecht,<br />

GesRZ 2002, 10 (10 ff); Achatz, Fremdfi nanzierte Gewinnausschüttungen, in Bertl et al (Hrsg),<br />

Beteiligungen in Rechnungswesen und Besteuerung (2004) 131 (143 f).<br />

70 Kapitel II.3.<br />

71 Kapitel II.4.<br />

206 Ertragsteuern in Wissenschaft und Praxis, <strong>Festschrift</strong> <strong>für</strong> Werner Doralt, Wien 2007


Die fremdfi nanzierte Gewinnausschüttung<br />

rende höhere betriebliche Erfordernis zur Fremdfi nanzierung führt nicht dazu, dass<br />

die entsprechenden Schuldzinsen ihre Eigenschaft als Betriebsausgaben verlieren. 72<br />

Auch in einem solchen Fall dienen nämlich die Fremdmittel der Finanzierung des<br />

Betriebsaufwandes. Führt aber nicht das durch allfällige Entnahmen verursachte<br />

Fehlen von Eigenmitteln zu einem dadurch ausgelösten vermehrter Fremdkapitalbedarf<br />

zur Bestreitung von Betriebsaufwand und sohin zu höheren Schuldzinsen,<br />

sondern die Bestreitung von Ausgaben der privaten Lebensführung, ist die Abzugsfähigkeit<br />

zu verneinen. Zur Herstellung dieses Konnexes betont der VwGH die Maßgeblichkeit<br />

der Verwendung der Geldmittel; 73 es sei nur relevant, wozu die durch<br />

einen Kredit verfügbar gewordenen fi nanziellen Mittel dienen. 74 Dieser Judikatur<br />

ist allerdings zu unterstellen, dass sie in hohem Maße von der Dispositionsfreiheit<br />

des Steuerpfl ichtigen geprägt ist, die wiederum nur durch seine private Lebensführung<br />

eingeschränkt ist. Er hat einerseits die freie Wahl, wie er den Betrieb fi nanziert,<br />

andererseits die freie Wahl, wie er seine private Lebensführung gestaltet und welchen<br />

Mittelbedarf er da<strong>für</strong> in Kauf nimmt; selbst wenn sich der private Mittelbedarf<br />

zwangsweise ergibt – wie beispielsweise im Falle der Ausgaben des Haushaltes und<br />

Unterhaltes iSd § 20 Abs 1 Z 1 EStG – folgt dieser Zwang aus der privaten Lebensgestaltung.<br />

Vor diesem Hintergrund kann in der Mittelverwendungsrechtsprechung<br />

durchaus eine praktikable, wenngleich dogmatisch nicht befriedigende Verkürzung<br />

der Frage nach dem Veranlassungszusammenhang gesehen werden, um die steuerlichen<br />

Wirkungen einer Verschiebung der Kosten der privaten Lebensführung in den<br />

betrieblichen Bereich zu verhindern.<br />

Exakt diese Dispositionsfreiheit besteht freilich im Fall der Gewinnausschüttung<br />

nicht. Für offene Ausschüttungen folgert sowohl nach § 52 AktG als auch nach § 82<br />

Abs 1 GmbHG der Anspruch der Gesellschafter auf den Bilanzgewinn. Entsteht daher<br />

aufgrund dieser Bestimmungen ein Anspruch der Gesellschafter auf Ausschüttung,<br />

so liegt es nahe, die nachfolgende Finanzierungsentscheidung zur Befriedigung<br />

dieses Anspruches – ähnlich wie beim Zinsendienst im Rahmen der Fremdfi nanzierung<br />

– im betrieblichen Bereich zu belassen. 75 Es handelt sich gerade nicht um die<br />

Ausschüttung von Eigenkapital und nicht um die – bei § 4 Abs 1 EStG umstrittene<br />

– Entnahme von Fremdkapital; bilanziell ist diese Ausschüttung auch vollständig<br />

eigen- und nicht fremdfi nanziert. 76 Für diese Sichtweise spricht auch der Vergleichsfall<br />

der aus Eigenmitteln fi nanzierten Ausschüttung: Es kann nämlich im Grunde<br />

kein Zweifel daran bestehen, dass die Herstellung von Liquidität zur Bedienung der<br />

Ausschüttungsverpfl ichtung durch die Veräußerung von Betriebsvermögen der betrieblichen<br />

und nicht der gesellschaftsrechtlichen Sphäre zuzuordnen ist. Zu Recht<br />

wurde noch nie behauptet, dass beispielsweise die Liquidierung von Wertpapieren<br />

zur Freimachung liquider Mittel eine vorherige Überführung dieser Wertpapiere im<br />

Entnahme- und Einlagewege nach § 4 Abs 1 EStG unter entnahmebedingter Gewinnaufdeckung<br />

nach § 6 Z 4 EStG und <strong>Teil</strong>werteinlage nach § 6 Z 5 EStG in die<br />

„Privatsphäre“ bedeuten würde. Im Gegenteil: Die Ausschüttung erfolgt nach der<br />

gesetzlichen Systematik direkt aus dem Betrieb der Gesellschaft, da es andernfalls<br />

– bei einer Zwischenschaltung der „Privatsphäre“ – der Anordnung des § 8 Abs 2<br />

72 VwGH 16.11.1993, 89/14/0158, ÖStZB 1994, 299.<br />

73 Ausführlich Margreiter, Zur betrieblichen Abzugsfähigkeit von Kreditzinsen, SWK 1996,<br />

A 459.<br />

74 Siehe zB VwGH 29.6.1999, 95/14/0150, ÖStZB 1999, 601; VwGH 22.2.2000, 94/14/0129,<br />

ÖStZB 2001/101.<br />

75 Ebenso nunmehr VwGH 19.12.2006, 2004/15/0122.<br />

76 Siehe auch Beiser, Fremdfi nanzierung von Gewinnausschüttungen?, ÖStZ 2002/171, 96 (97).<br />

Ertragsteuern in Wissenschaft und Praxis, <strong>Festschrift</strong> <strong>für</strong> Werner Doralt, Wien 2007 207


Georg Kofl er<br />

TS 1 KStG gar nicht bedürfte. Zu Recht betont daher der VwGH in seinen Überlegungen<br />

zur Abzugsfähigkeit von Kosten der Fremdfi nanzierung einer Gewinnausschüttung<br />

die Sonderstellung der Gewinnausschüttung nach § 8 KStG im Vergleich<br />

zur Entnahme von Fremdmitteln nach § 4 Abs 1 EStG. Das Abzugsverbot <strong>für</strong> die<br />

Gewinnausschüttung ergibt sich insofern schon aus „dem System der Einkommensbesteuerung<br />

von Körperschaften, würde doch im Falle eines Abzuges des Gewinnes<br />

grundsätzlich keine Besteuerungsgrundlage verbleiben“. 77 Basierend auf der Überlegung,<br />

dass <strong>für</strong> offene Ausschüttungen aus § 82 Abs 1 GmbHG „der Anspruch der<br />

Gesellschafter auf den Bilanzgewinn“ folgt, stelle die Gewinnausschüttung „zwar<br />

eine gesellschaftsrechtliche Maßnahme dar; ihr kommt allerdings eine Sonderstellung<br />

zu: ohne den Anspruch auf Gewinnausschüttung würde auch die Kapitalzufuhr<br />

<strong>für</strong> den betrieblichen Bereich der Körperschaft unterbleiben. Sie steht damit in Zusammenhang<br />

mit der Kapitalüberlassung durch die von der den Betrieb führenden<br />

Körperschaft zu unterscheidenden Gesellschafter.“ 78<br />

Eine solche Analyse könnte freilich dem – oben dargelegten – Einwand begegnen,<br />

dass die Fragestellung nicht beim einkommensteuerlichen Problem der Entnahme<br />

von Fremdmitteln stehen bleiben darf, sondern es vielmehr auf die Determinierung<br />

der Betriebsvermögenseigenschaft der Verbindlichkeit selbst ankommt, wenn<br />

sie nicht der Bestreitung abzugsfähiger Aufwendungen oder Ausgaben dient. Diese<br />

Frage wirft sich nämlich unabhängig davon auf, ob ein Vermögenstransfer zwangsweise<br />

erfolgt ist, solange nur steuerlich die Abzugsfähigkeit <strong>für</strong> diesen Vermögenstransfer<br />

versagt wird; daran knüpft sich die Folgefrage der steuerlichen Behandlung<br />

der damit zusammenhängenden weiteren Aufwendungen. Beispielsweise sei hier<br />

wieder auf die Begleichung der Körperschaftsteuerschuld zurückgegriffen: Diese<br />

entsteht zwangsläufi g aufgrund des Legalanspruches des Fiskus; nichtsdestoweniger<br />

versagt § 12 Abs 1 Z 6 KStG die Abzugsfähigkeit. Die Problemlage liegt damit insofern<br />

parallel zur Ausschüttung, auf die die Gesellschafter ebenfalls einen Legalanspruch<br />

haben, deren Abzugsfähigkeit aber durch § 8 Abs 2 KStG versagt wird. In<br />

beiden Fällen geht es somit gleichermaßen um die Frage, ob die zur Bestreitung des<br />

nichtabzugsfähigen Vermögenstransfers an den Fiskus bzw die Gesellschafter aufgenommene<br />

Verbindlichkeit dem Betriebsvermögen zuzuordnen ist oder vielmehr dem<br />

Charakter des nichtabzugsfähigen Vermögenstransfers in die „außerbetriebliche“<br />

Sphäre folgt.<br />

Einer solchen Annahme lässt sich freilich die – letztlich auch vom VwGH aufgegriffene79<br />

– einfache Überlegung entgegenhalten, dass eine gesellschaftsrechtlich beschlossene<br />

Dividende jedenfalls eine Betriebsschuld begründet, 80 deren Finanzierung<br />

– gleichgültig in welcher Form – steuerrechtlich dem Betrieb zuzurechnen ist. 81 Eine<br />

77 VwGH 19.12.2006, 2004/15/0122.<br />

78 Siehe abermals VwGH 19.12.2006, 2004/15/0122.<br />

79 VwGH 19.12.2006, 2004/15/0122.<br />

80 So deutlich BFH 29.6.1994, I R 137/92, BFHE 175, 347, BStBl 2002 II 366.<br />

81 Lempenau, Betriebsausgaben und Gewinnermittlung, StbJb 1986/87, 327 (336 f); Meilicke/<br />

Sangen-Emden, Steuerliche Behandlung von durch verdeckte Gewinnausschüttungen veranlaßten<br />

Schulden und Schuldzinsen, FR 1998, 938 (939); siehe auch Buschmann/Mayerhofer,<br />

Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen, ÖStZ 2000/1173, 675 (679 f). In eine ähnliche Richtung<br />

geht auch die Überlegung, dass es durch den Zugang des aktiven Wirtschaftsgutes Kassa und<br />

eines passiven Wirtschaftsgutes Verbindlichkeit zu gewillkürtem Betriebsvermögen komme<br />

und daran auch die nachfolgende Verwendung der Aktiva zur Bestreitung der Ausschüttung<br />

nichts am einmal erworbenen Charakter des Betriebsvermögens ändern könne; dazu Damböck,<br />

Anmerkungen zu jüngsten BMF-Erledigungen, ecolex 2000, 446 (446).<br />

208 Ertragsteuern in Wissenschaft und Praxis, <strong>Festschrift</strong> <strong>für</strong> Werner Doralt, Wien 2007


Die fremdfi nanzierte Gewinnausschüttung<br />

solche Argumentation nähert sich damit der wirtschaftlichen Wirklichkeit insofern,<br />

als die Ausschüttung das Entgelt <strong>für</strong> die Kapitalüberlassung durch einen Dritten darstellt<br />

und damit einen Vorgang im Rahmen der Betriebsfi nanzierung darstellt. Auf<br />

dieser Linie liegt denn auch die Rückübertragung dieses Arguments auf das Steuerrecht<br />

insofern, als die Gewinnausschüttung einer Kapitalgesellschaft in unmittelbarem<br />

Zusammenhang mit der Gewährung von Kapital an die Gesellschaft zu sehen<br />

sei: Ohne entsprechende Verzinsung des Kapitals (Gewinnausschüttung) wäre niemand<br />

bereit, der Gesellschaft Kapital zur Verfügung zu stellen. Die Gewinnausschüttung<br />

diene daher unmittelbar betrieblichen Zwecken und stehe in wirtschaftlichem<br />

Zusammenhang mit dem Betrieb; die Verbindlichkeit sei somit betrieblich veranlasst<br />

und die Schuldzinsen bei fremdfi nanzierten Ausschüttungen müssten daher abzugsfähig<br />

sein. 82 Der VwGH hat sich diese Überlegung zu eigen gemacht und solcherart<br />

die Abzugsfähigkeit der Fremdkapitalzinsen bejaht:<br />

„Die Gewinnausschüttung steht im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Betrieb,<br />

gilt sie doch die durch die Gesellschafter erbrachte Kapitalüberlassung ab.<br />

Zwar bedingt es das System einer Körperschaftsbesteuerung, die Ausschüttung<br />

des Gewinnes an sich von jeder Auswirkung auf das Einkommen der Körperschaft<br />

auszuschließen, solches gilt aber nur <strong>für</strong> den Gewinn bzw. die Gewinnausschüttung<br />

an sich, nicht aber <strong>für</strong> die Aufwendungen der Fremdfi nanzierung der Gewinnausschüttung.<br />

Die Fremdfi nanzierung steht in Zusammenhang mit dem Anspruch<br />

der das Kapital überlassenden Gesellschafter auf Auszahlung des Gewinnes. Es<br />

spricht daher nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nichts dagegen, die Finanzierungsentscheidung<br />

zur Befriedigung des Anspruches auf Gewinnausschüttung<br />

(Finanzierung der Zahlung durch Eigen- oder Fremdmittel) im betrieblichen<br />

Bereich zu belassen. Im Falle einer Fremdfi nanzierung stellen die Zinsen Betriebsausgaben<br />

dar.“ 83<br />

4. Die körperschaftsteuerliche Sphärentrennung als Schranke <strong>für</strong> die<br />

Maßgeblichkeit der Mittelverwendung<br />

Die Argumentation <strong>für</strong> die Abzugsfähigkeit des Fremdfi nanzierungsaufwandes unter<br />

dem ersten Gesichtspunkt der mangelnden Dispositionsfreiheit der Gesellschaft<br />

und der darauf basierenden Überlegung, dass die Ausschüttung „die durch die Gesellschafter<br />

erbrachte Kapitalüberlassung ab[gilt]“, lässt sich durch einen zweiten<br />

Gesichtspunkt ergänzen. Dieser komplementäre Argumentationsansatz fokussiert<br />

ebenfalls die Sphärentrennung zwischen Gesellschafter und Gesellschaft, die der Anwendung<br />

der Mittelverwendungstheorie insofern eine Schranke ziehen könnte, als<br />

steuerrechtlich der betriebliche Veranlassungszusammenhang des <strong>für</strong> die Ausschüttungsfi<br />

nanzierung aufgenommenen Fremdkapitals mit dem vormals durch Eigenkapital<br />

fi nanzierten Betriebsvermögen nicht durchbrochen wird. Es besteht im Grunde<br />

Einigkeit, dass die veranlassungstheoretischen Überlegungen des Einkommensteuerrechts,<br />

wie sie bei der Fremdfi nanzierung von Entnahmen nach § 4 Abs 1 EStG angestellt<br />

werden, aufgrund der Besonderheiten des Körperschaftsteuerrechts und des gesellschaftsrechtlichen<br />

Kontextes nicht unbesehen auf die Frage der fremdfi nanzierten<br />

Ausschüttung übertragen werden können. Zur Begründung dieser Sichtweise werden<br />

82 So zB Buschmann/Mayerhofer, Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen, ÖStZ 2000/1173, 675<br />

(679 f).<br />

83 VwGH 19.12.2006, 2004/15/0122.<br />

Ertragsteuern in Wissenschaft und Praxis, <strong>Festschrift</strong> <strong>für</strong> Werner Doralt, Wien 2007 209


Georg Kofl er<br />

die Finanzierungsfreiheit, 84 die Anwendung der Grundsätze der verdeckten Gewinnausschüttung85<br />

sowie die mangelnde Nutzungsziehung der Gesellschafter86 herangezogen.<br />

Der VwGH macht die Bedeutung der Sphärentrennung insofern deutlich, als<br />

er letztlich auf die – mittelbare – betriebliche Veranlassung87 der Fremdfi nanzierung<br />

insofern rekurriert, als die Gewinnausschüttung eine gesellschaftsrechtliche Maßnahme<br />

darstelle, ohne deren Einhaltung auch eine Kapitalzufuhr <strong>für</strong> unternehmerische<br />

Zwecke nicht erfolgen würde; sie stehe damit in betrieblichem Zusammenhang mit<br />

der Kapitalzuführung, auch wenn sie mit Fremdkapital fi nanziert wird. 88 Über diesen<br />

Zusammenhang mit der Kapitalzuführung und Kapitalüberlassung hinaus ist allerdings<br />

im Lichte des zweiten Gesichtspunkts im Folgenden die Frage zu stellen,<br />

ob aufgrund Sphärentrennung im Körperschaftsteuerrecht – aus einer betrieblichen<br />

Perspektive – der Fokus auf das fi nanzierte Vermögen und weniger auf die Mittelauskehrung<br />

an Gesellschafter zu legen ist.<br />

Einen Ansatzpunkt <strong>für</strong> eine körperschaftsteuerspezifi sche Veranlassungsbetrachtung<br />

der Fremdfi nanzierung der Gewinnausschüttung bietet der durch die Rechtsprechung<br />

bereits ausgelotete umgekehrte Fall der Kosten der Eigenkapitalbeschaffung.<br />

Die dortige Fragestellung sei daher kurz umrissen: § 11 Abs 1 Z 1 KStG normiert<br />

<strong>für</strong> unter § 7 Abs 3 KStG fallende Körperschaften den Betriebsausgabencharakter<br />

der von diesen zu tragenden89 Aufwendungen im Zusammenhang mit gesellschaftsrechtlichen<br />

Vorgängen, also etwa Gründung, Kapitalerhöhung, Zuführung von offenen<br />

oder verdeckten Einlagen etc. 90 Dies führt sogleich zur hier interessierenden<br />

Folgefrage, ob § 11 Abs 1 Z 1 KStG bloß deklarative Bedeutung zukommt und damit<br />

<strong>für</strong> derartige Aufwendungen und Ausgaben ohnehin bereits nach allgemeinem<br />

Steuerrecht der Betriebsausgabenabzug zustünde. Diese Streifrage ist vor allem<br />

zum engeren § 12 Abs 1 Z 1 KStG 1966 entbrannt, wonach Kosten <strong>für</strong> die steuerneutrale<br />

Kapitalbeschaffung durch Kapitalgesellschaften in Form der Ausgabe von<br />

Gesellschaftsanteilen „soweit“ als abzugsfähig erklärt wurden, als diese „nicht aus<br />

dem Aufgabegeld gedeckt werden können“. Während die hA im Schrifttum91 davon<br />

84 Beiser, Fremdfi nanzierung von Gewinnausschüttungen?, ÖStZ 2002/171, 96 (96 ff).<br />

85 In diese Richtung Achatz, Fremdfi nanzierte Gewinnausschüttungen, in Bertl et al (Hrsg), Beteiligungen<br />

in Rechnungswesen und Besteuerung (2004) 131 (136 ff).<br />

86 In diese Richtung Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004)<br />

156 f.<br />

87 Buschmann/Mayerhofer, Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen, ÖStZ 2000/1173, 675 (677).<br />

88 VwGH 19.12.2006, 2004/15/0122. Zu diesem Ergebnis gelangen – wenngleich ohne nähere<br />

Begründung – auch die vereinzelten Stellungnahmen in Deutschland; siehe Lempenau, Betriebsausgaben<br />

und Gewinnermittlung, StbJb 1986/87, 336; Meilicke/Sangen-Emden, Steuerliche<br />

Behandlung von durch verdeckte Gewinnausschüttungen veranlaßten Schulden und<br />

Schuldzinsen, FR 1998, 938 (938); Prinz, Steuerlicher Schuldzinsenabzug – Labyrinth oder<br />

Steuerfalle, StbJb 1999/2000, 293 (312 f).<br />

89 Ex lege Gesellschaftssteuer und Eintragungsgebühr; siehe dazu und zur Übernahme der<br />

Gründungskosten aus gesellschaftsrechtlicher Sicht etwa Koppensteiner, GmbHG 2 (1998), § 7<br />

Rz 10 ff.<br />

90 Dazu Wiesner/Schneider/Spanbauer/Kohler, KStG 1988, § 11 Anm 7.<br />

91 Siehe zB Lechner, Zur Abzugsfähigkeit der Gesellschaftsteuer bei gesellschaftsrechtlichen<br />

Einlagen, ÖStZ 1984, 246 (246 ff); Arnold, Verfassungs- und gesellschaftsteuerrechtliche<br />

Überlegungen zur Frage der Abzugsfähigkeit der Gesellschaftsteuer bei Gesellschafterzuschüssen,<br />

ÖStZ 1987, 45 (45 ff). Hingewiesen sei darauf, dass diese Sichtweise auch Rückhalt<br />

in der deutschen Rechtsentwicklung fi ndet: Während die Rechtsprechung anfänglich noch<br />

vom begünstigenden Charakter der – dem § 12 Abs 1 Z 1 KStG 1966 entsprechenden – Vorschrift<br />

des § 11 Nr 1a dKStG 1965 ausgegangen war (zB BFH 6.10.1959, I 136/79 U, BFHE<br />

70, 24, BStBl 1960 III 10; BFH 17.10.1961. I 66/60 U, BFHE 73, 784, BStBl 1961 III 551;<br />

210 Ertragsteuern in Wissenschaft und Praxis, <strong>Festschrift</strong> <strong>für</strong> Werner Doralt, Wien 2007


Die fremdfi nanzierte Gewinnausschüttung<br />

ausging, dass derartige Ausgaben ohnehin nicht vom Abzugsverbot des § 17 Abs 1<br />

KStG 1966 (§ 12 Abs 2 KStG 1988) erfasst seien und daher lediglich eine konstitutiv<br />

wirkende Einschränkung der Abzugsfähigkeit bei einem Ausgabeaufgeld getroffen<br />

sei, sprachen sich Finanzverwaltung 92 und Rechtsprechung 93 zum KStG 1966 <strong>für</strong> der<br />

konstitutiven Charakter der gesamten Vorschrift aus. Dementsprechend seien Aufwendungen<br />

zur nicht steuerbaren Eigenkapitalbeschaffung im Hinblick auf den gesellschaftsrechtlichen<br />

Zusammenhang nach § 17 Abs 1 KStG 1966 (§ 12 Abs 2 KStG<br />

1988) nicht abzugsfähig, sodass der Gesetzgeber in § 12 Z 1 KStG 1966 eine positive<br />

Ausnahmeregelung <strong>für</strong> jene Kosten, die „nicht aus dem Aufgabegeld gedeckt werden<br />

können“, treffen musste; diese Gegenausnahme <strong>für</strong> die Aufgeldsituation sei daher<br />

eng auszulegen. 94 Daraus folgerte <strong>für</strong> das KStG 1966 weiters, dass nur die Emissionskosten<br />

von Kapitalgesellschaften, „soweit“ diese „nicht aus dem Aufgabegeld<br />

gedeckt werden können“, als abzugsfähig angesehen wurden, während Emissionskosten<br />

anderer Körperschaften zur Gänze vom Abzugsverbot betroffen waren. 95 Es<br />

BFH 27.2.1963, I 204/60 U, BFHE 76, 621, BStBl 1963 III 225), hat die nachfolgende Judikatur<br />

den grundsätzlichen Betriebsausgabencharakter von Kosten der Anteilsausgabe oder<br />

Kapitalerhöhung anerkannt, wobei dem Abzug auch das – dem § 12 Abs 2 KStG 1988 vergleichbare<br />

– Abzugsverbot des § 3c dEStG iVm § 8 dKStG nicht entgegenstehe (grundlegend<br />

BFH 21.12.1977, I R 20/76, BFHE 124, 317, BStBl 1978 II 346; nachfolgend BFH 8.6.1988,<br />

I R 132/84, BFH/NV 1989, 48; BFH 26.7.1989, I R 56/84, BFHE 158, 236, BStBl 1989 II<br />

1027; noch offen gelassen in BFH 18.7.1973, I R 88/71, BFHE 110, 129, BStBl 1973 II 790).<br />

Den Vorschriften des § 11 Nr 1a dKStG 1965 bzw nachfolgend § 9 Nr 1 lit a dKStG 1977<br />

wurde daher nur insoweit konstitutiver Charakter beigemessen, als sie eine Abzugsbeschränkung<br />

an die Deckung im Aufgeld knüpften. Seit dem Entfall dieser Bestimmung durch das<br />

StEntlG 1984 (dBGBl I 1983, 1583 = BStBl 1984 I 14) wird dementsprechend von einer vollen<br />

Abzugsfähigkeit der Kapitalbeschaffungskosten ausgegangen; siehe nur Tz 1 des Schreibens<br />

des dBMF zu „Änderungen des Körperschaftsteuergesetzes durch das Steuerentlastungsgesetz<br />

1984“, BStBl 1984 I 369; weiters zB BFH 19.1.2000, I R 24/99, BFHE 191, 107, BStBl 2000<br />

II 545.<br />

92 ZB Wiesner, Körperschaftsteuerrechtliche Einlagen und Entnahmen, in Doralt/Hassler/<br />

Kranich /Nolz/Quantschnigg (Hrsg), Die Besteuerung der Kapitalgesellschaft, FS Bauer (1986)<br />

349 (354 f); Wiesner, Die schwierige Abgrenzung betrieblicher und außerbetrieblicher Zahlungen,<br />

SWK 1991, A I 139 (A I 160). So wohl auch die Regierungsvorlage zum KStG 1988<br />

(ErlRV 622 BlgNR XVII. GP, 19), wo ausdrücklich von einer Erweiterung gegenüber § 12<br />

Z 1 KStG 1966 dahingehend gesprochen wird, dass § 11 Abs 1 Z 1 KStG 1988 einen uneingeschränkten<br />

Abzug der Aufwendungen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit<br />

Einlagen und Beiträgen iSd § 8 Abs 1 KStG gewährt und sohin den Ausnahmecharakter gegenüber<br />

der in § 12 Abs 2 KStG 1988 verankerten Grundregel des Abzugsverbots bestärkt.<br />

93 Siehe jeweils hinsichtlich der von der Gesellschaft getragenen Gesellschaftsteuer <strong>für</strong> nicht<br />

steuer bare Gesellschafterzuschüsse VwGH 3.6.1987, 86/13/0201, 0202, ÖStZB 1988, 124;<br />

VwGH 14.10.1987, 87/13/0130, ÖStZB 1988, 243; VwGH 17.2.1988, 87/13/0240, 0241,<br />

ÖStZB 1988, 490; VwGH 16.3.1988, 87/13/0213, ÖStZB 1988, 490; VwGH 25.5.1988,<br />

87/13/0236, ÖStZB 1989, 15; VwGH 10.12.1992, 89/14/0062, ÖStZB 1992, 666; VwGH<br />

29.4.1992, 87/13/0214, ÖStZB 1992, 839.<br />

94 Ausdrücklich VwGH 29.4.1992, 87/13/0214, ÖStZB 1992, 839.<br />

95 So VwGH 24.2.1967, 1827/66, ÖStZB 1967, 108 = VwSlg 3579 f/1967 (betreffend Rechtsgeschäftsgebühren<br />

<strong>für</strong> die Erhöhung der Geschäftsanteile von Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften);<br />

VwGH 29.4.1992, 87/13/0214, ÖStZB 1992, 839. Für diese Lesart könnte auch<br />

die ausdrückliche Einbeziehung des im Rahmen der KWG-Novelle 1986 (BGBl 325/1986)<br />

geschaffenen Partizipationskapitals als neues Bankenfi nanzierungsinstrument in die Bestimmung<br />

des § 12 Z 1 KStG 1966 durch das 2. AbgÄG 1987 (BGBl 312/1987) sprechen. Denn<br />

ohne diese Bestimmung wären nach Ansicht der Finanzverwaltung sämtliche Emissionskosten<br />

bei körperschaftsteuerpfl ichtigen Banken, die nicht zugleich Kapitalgesellschaften sind, zur<br />

Gänze vom Abzugsverbot betroffen gewesen; dazu Wiesner, Die abgabenrechtlichen Begleitmaßnahmen<br />

zur KWG-Novelle, ÖStZ 1986, 222 (222 ff).<br />

Ertragsteuern in Wissenschaft und Praxis, <strong>Festschrift</strong> <strong>für</strong> Werner Doralt, Wien 2007 211


Georg Kofl er<br />

mag hier dahingestellt bleiben, ob eine Subsumtion der nicht steuerbaren Eigenkapitalbeschaffung<br />

unter § 12 Abs 2 KStG überhaupt widerspruchsfrei erfolgen kann 96<br />

oder ob nicht letztlich sogar das Verfassungsrecht einen anderen Ansatz gebietet.<br />

Wenngleich diese Frage im geltenden Recht wegen § 11 Abs 1 Z 1 KStG kaum noch<br />

Bedeutung haben wird, 99 spricht die von der Rechtsprechung gefundene Lösung eher<br />

gegen das im Schrifttum100 vorgebrachte und eingangs dargestellte Argument des mittelbaren<br />

betrieblichen Zusammenhanges der fremdfi nanzierten Gewinnausschüttung<br />

mit der betrieblichen Notwendigkeit der Kapitalbeschaffung. Allerdings schafft diese<br />

Judikatur im Umkehrschluss auch einen klaren und zutreffenden Anhaltspunkt <strong>für</strong><br />

den Charakter der Trennung der Sphären von Gesellschafter und Gesellschaft. Der<br />

VwGH musste nämlich in Rahmen seiner Judikatur zur Vorgängerbestimmung des<br />

§ 12 Abs 2 KStG auch dem Einwand entgegentreten, dass mit der Einlage eines Einzelunternehmers<br />

zusammenhängende Spesen Betriebsausgaben seien und Gleiches<br />

<strong>für</strong> Gesellschaftereinlagen und die darauf anfallende Gesellschaftsteuer gelten müsse.<br />

Zutreffend hielt der Gerichtshof dieser Überlegung aber die Sphärentrennung entgegen:<br />

101 Bei diesem Vergleich werde nämlich übersehen, „daß bei der Einlage eines<br />

Einzelkaufmannes der Einlegende selbst Steuersubjekt ist. Ihm erwächst im Zusammenhang<br />

mit seiner Erwerbstätigkeit ein abzugsfähiger Aufwand, der in keinem Zusammenhang<br />

mit nicht steuerbaren Einkünften steht. Anders verhält es sich bei einer<br />

Kapitalgesellschaft, die einen Gesellschafterzuschuß erhält. Hier tritt beim Steuersubjekt,<br />

nämlich bei der Kapitalgesellschaft, eine Vermögensvermehrung durch Leistung<br />

von dritter Seite, nämlich seitens der Gesellschafter, ein. Diese Vermögensvermehrung<br />

ist ein nicht steuerbarer <strong>Teil</strong> des handelsrechtlichen Gewinnes [...] und mit<br />

einer Einlage im einkommensteuerrechtlichen Sinn nicht vergleichbar“.<br />

Konsequenterweise muss auch die Trennung der Steuersubjekte im umgekehrten<br />

Fall der Einkommensverwendung nach § 8 Abs 2 TS 1 KStG ebenso streng gesehen<br />

werden. 102 Die Überführung von Fremdmitteln in das Privatvermögen im Wege der<br />

Entnahme iSd § 4 Abs 1 EStG ist damit insofern nicht mit einer fremdfi nanzierten<br />

Ausschüttung iSd § 8 Abs 2 KStG vergleichbar. Im erstgenannten Fall wird der<br />

Sphärenwechsel innerhalb desselben Steuersubjektes vollzogen, während es sich im<br />

96 Sie erscheint jedenfalls insofern inkonsequent, als umgekehrt die betriebliche Veranlassung<br />

der ebenfalls steuerneutralen Fremdmittelbeschaffung nicht bezweifelt und solcherart der sofortige<br />

Betriebsausgabenabzug von – nicht aktivierungspfl ichtigen – Geldbeschaffungskosten<br />

zugelassen wird; siehe VwGH 7.7.1971, 734/69, ÖStZB 1972, 32 = VwSlg 4264 F/1971; die<br />

Abzugsfähigkeit bejahend zB auch BFH 21.2.1973, I R 106/71, BFHE 109, 22, BStBl 1973 II<br />

460 (zur Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen), und dieser Entscheidung folgend BFH<br />

21.12.1977, I R 20/76, BFHE 124, 317, BStBl 1978 II 346, sowie BFH 26.7.1989, I R 56/84,<br />

BFHE 158, 236, BStBl 1989 II 1027. Insofern läge eine Gleichbehandlung von Kosten der<br />

Eigenmittelbeschaffung nahe; in diese Richtung auch BFH 26.7.1989, I R 56/84, BFHE 158,<br />

236, BStBl 1989 II 1027.<br />

97 Arnold, Verfassungs- und gesellschaftsteuerrechtliche Überlegungen zur Frage der Abzugsfähigkeit<br />

der Gesellschaftsteuer bei Gesellschafterzuschüssen, ÖStZ 1987, 45 (45 ff).<br />

98 Zu möglichen Folgerungen <strong>für</strong> die Frage der fremdfi nanzierten Ausschüttungen, sofern man<br />

die Anwendbarkeit des § 12 Abs 2 KStG auf die Kapitalbeschaffung verneint, siehe bereits<br />

G. Kofl er, Fremdfi nanzierte offene Gewinnausschüttungen im Steuerrecht, GesRZ 2002, 10<br />

(16 f).<br />

99 Siehe aber die Überlegungen zur Gesellschaftsteuer bei der GmbH & Co bei Hörtnagl, Gesellschaftsteuer<br />

bei GmbH & Co K(E)G als Betriebsausgabe?, ÖStZ 2004/5, 15 (15 ff)<br />

100 Buschmann/Mayerhofer, Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen, ÖStZ 2000/1173, 675 (677).<br />

101 VwGH 29.4.1992, 87/13/0214, ÖStZB 1992, 839.<br />

102 Siehe auch Wiesner/Schneider/Spanbauer/Kohler, KStG 1988, § 8 Anm 1, 10 ff; Bauer/Quantschnigg/Schell<br />

mann/Werilly, KStG, § 8 Tz 1 ff; siehe auch ErlRV 622 BlgNR XVII. GP, 17.<br />

212 Ertragsteuern in Wissenschaft und Praxis, <strong>Festschrift</strong> <strong>für</strong> Werner Doralt, Wien 2007<br />

97, 98


Die fremdfi nanzierte Gewinnausschüttung<br />

zweitgenannten Fall um eine Vermögensübertragung auf ein anderes Steuersubjekt<br />

handelt. Ebenso wie daher die Einlage iSd § 8 Abs 1 KStG durch ein anderes Steuersubjekt<br />

in das Betriebsvermögen der Gesellschaft erfolgt, stammt auch die Ausschüttung<br />

an die Gesellschafter aus dem Betriebsvermögen der Gesellschaft, ohne dass<br />

ein Umweg über die „Privatsphäre“ der Gesellschaft unterstellt werden dürfte. 103 Der<br />

im Rahmen des ersten Argumentationsgesichtspunktes104 fokussierte Zusammenhang<br />

der Fremdfi nanzierungskosten mit der steuerneutralen Ausschüttung könnte<br />

sich daher aus steuerrechtlicher Sicht auch deshalb als ein scheinbarer erweisen,<br />

weil es sich bei wirtschaftlicher Wertung aus der Sicht der Gesellschaft lediglich um<br />

einen „Gläubigerwechsel“ handelt: Die durch den Ausschüttungsbeschluss entstandene<br />

Verbindlichkeit gegenüber den Gesellschaftern wird durch eine Verbindlichkeit<br />

gegenüber einem dritten Gläubiger ersetzt. Dieser Fall unterscheidet sich von<br />

den sonstigen Fällen nichtabzugsfähiger Aufwendungen überdies dadurch, dass es<br />

nicht um die Abgrenzung zwischen betrieblichem und außerbetrieblichem Aufwand<br />

der Gesellschaft geht, sondern um die Abgrenzung zwischen Gesellschafts- und Gesellschaftersphäre.<br />

Nur im letztgenannten Fall wird der Gesellschaft – auch durch<br />

Gewinne entstehendendes – Eigenkapital zur Nutzung überlassen, dessen Bindung<br />

im Betriebsvermögen aufgrund des Ausschüttungsanspruches aber idealtypisch temporär<br />

ist. Wäre also der Anspruch der Gesellschafter auf die Ausschüttung instantane<br />

erfüllt worden, hätte dies eine entsprechende Fremdmittelaufnahme zur Aufrechterhaltung<br />

oder Expansion des Betriebes bedurft. 105<br />

Hier darf nämlich auch nicht übersehen werden, dass zu Recht eine parallele<br />

Sphärentrennung im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner völlig unbestritten<br />

ist: So ist zweifelsfrei zwar die Schuldentilgung selbst nicht abzugsfähig, wohl<br />

aber Aufwendungen, die durch die steuerneutrale Schuldentilgung veranlasst sind. 106<br />

Außer Zweifel steht auch die Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen <strong>für</strong> ein Darlehen,<br />

wenn die durch dieses Darlehen beschafften Valuta zur – steuerneutralen – Rückzahlung<br />

einer Betriebsschuld verwendet werden. 107 Dass hier das vom VwGH in den<br />

Vordergrund gerückte – und auch gegen die Abzugsfähigkeit der Fremdfi nanzierungszinsen<br />

im Ausschüttungsfalle aktivierte – Konzept der unmittelbaren Mittelverwendung<br />

und der geforderte Zusammenhang mit Betriebsausgaben nicht hinreicht,<br />

ist offensichtlich, wird doch die Abzugsfähigkeit bejaht, obwohl die aufgebrachten<br />

Mittel zur steuerneutralen Fremdmittelrückzahlung verwendet werden. Die betriebliche<br />

Veranlassung lässt sich schon daraus begründen, dass der wirtschaftliche Zusammenhang<br />

der Verschuldung als solcher mit dem betrieblichen Bereich bestehen<br />

bleibt, dient doch das neue Darlehen dem Zweck der Ablösung betrieblich veranlasster<br />

Verbindlichkeiten. 108 Damit wird aber lediglich zum Ausdruck gebracht, dass<br />

103 Ebenso Achatz, Fremdfi nanzierte Gewinnausschüttungen, in Bertl et al (Hrsg), Beteiligungen<br />

in Rechnungswesen und Besteuerung (2004) 131 (137).<br />

104 Oben Kapitel II.3.<br />

105 Siehe auch die Argumentation von Buschmann/Mayerhofer, Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen,<br />

ÖStZ 2000/1173, 675 (681).<br />

106 BFH 21.12.1977, I R 20/76, BFHE 124, 317, BStBl 1978 II 346.<br />

107 Siehe nur BFH 4.7.1990, GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl 1990 II 817 mwN; siehe auch<br />

Niedersächsisches FG 25. 7. 1978, VI E 234/77, EFG 1979, 13; BFH 11.12.1980, I R 198/78,<br />

BFHE 133, 27, BStBl 1981 II 462; weiters zB Heinicke in Schmidt, EStG 24 (2005), § 4 Rz 226.<br />

In diese Richtung deuten auch die österreichische Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zur<br />

Sonderausgabenbegünstigung in Umschuldungssituationen; siehe VwGH 10.6.1964, 1323/63,<br />

VwSlg 3097 F/1964 = ÖStZB 1964, 185, sowie BMF, SWK 1993, A 37.<br />

108 BFH 11.12.1980, I R 198/78, BFHE 133, 27, BStBl 1981 II 462.<br />

Ertragsteuern in Wissenschaft und Praxis, <strong>Festschrift</strong> <strong>für</strong> Werner Doralt, Wien 2007 213


Georg Kofl er<br />

es letztlich auf die Verbindung zwischen der Verbindlichkeit und dem fi nanzierten<br />

Betriebsvermögen ankommt.<br />

Anders als im Falle der Entnahme nach § 4 Abs 1 EStG liegt daher die Argumentation<br />

nahe, eine ähnliche Überlegung auch beim Ersatz von Eigen- durch Fremdkapital<br />

Platz greifen zu lassen, zumal die Sphäre des Gesellschafters von jener<br />

der Gesellschaft getrennt ist. Insofern wäre die durch die Finanzierungsänderung<br />

liquiditätsmäßig ermöglichte steuerneutrale Erfüllung des Ausschüttungsanspruches<br />

nicht geeignet, den tiefer gehenden betrieblichen Zusammenhang mit der Bindung<br />

des Kapitals im Betriebsvermögen aufzuheben. 109 Die auf der betrieblichen Veranlassung<br />

basierende Abzugsfähigkeit der Fremdkapitalzinsen im Fall der Umschuldung<br />

könnte sich also schon daraus ergeben, dass es sich lediglich um den Ersatz von im<br />

Betrieb genutzten Eigenkapital durch Fremdkapital handelt, zumal Ersteres an einen<br />

weiteren Steuerpfl ichtigen überführt werden muss und daher den erneuten Finanzierungsbedarf<br />

schafft. Dies ist aber im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter<br />

besonders deutlich, zumal § 52 AktG und § 82 Abs 1 GmbHG einen gesetzlichen<br />

Anspruch der Gesellschafter auf den Bilanzgewinn der Gesellschaft schaffen.<br />

Damit scheidet aber die Übertragung der zu § 4 Abs 1 EStG entwickelten Mittelverwendungsrechtsprechung<br />

und des darauf basierenden Abzugsverbots <strong>für</strong> die Kosten<br />

entnommenen Fremdkapitals auf eine fremdfi nanzierte Ausschüttung schon an der<br />

Wurzel aus, ist es doch aufgrund der Sphärentrennung nach dem gesetzlichen Konzept<br />

gerade die Eigenkapitalausschüttung, die eine betriebliche Fremdfi nanzierung<br />

notwendig macht. 110<br />

5. Ergebnis und Folgerungen<br />

„Schuldzinsen in Zusammenhang mit der Finanzierung von Gewinnausschüttungen<br />

stehen nicht mit Betriebsausgaben in Zusammenhang und sind daher nicht<br />

abzugsfähig.“ 111 Diese kurze Begründung Doralts ist auch bei näherer Analyse bestechend.<br />

Sie führt über das doppelt derivative Konzept der Zuordnung von Verbindlichkeiten<br />

zum Betriebsvermögen in erster Linie in den Bereich der „außerbetrieblichen“<br />

Sphäre der Kapitalgesellschaft, fokussiert aber weniger die typischerweise im Rahmen<br />

der Analyse verdeckter Ausschüttungen oder der Analyse der gesellschaftsrechtlichen<br />

Veranlassung der Anschaffung oder Herstellung aktiver Wirtschaftsgüter<br />

aufgeworfene Frage, ob dem Gesellschafter ein Vorteil zugewendet worden ist. Allerdings<br />

lässt sich durch eine Fokussierung der Sphärentrennung zwischen Gesellschaft<br />

und Gesellschafter und des Legalanspruches der Gesellschafter auf die Ausschüttung<br />

erwirtschafteter Gewinne durchaus die betriebliche Veranlassung der Fremdfi nanzierung<br />

einer solchen Ausschüttung begründen. Dieser Sichtweise ist letztlich auch der<br />

VwGH gefolgt: Die Gewinnausschüttung stehe deswegen im wirtschaftlichen Zusammenhang<br />

mit dem Betrieb, weil sie die durch die Gesellschafter erbrachte Kapitalüberlassung<br />

abgilt; das – systemimmanente – Abzugsverbot nach § 8 Abs 2 KStG<br />

gilt „nur <strong>für</strong> den Gewinn bzw. die Gewinnausschüttung an sich [...], nicht aber <strong>für</strong><br />

109 In diese Richtung womöglich auch Djanani/Kapferer, Probleme der Zuordnung von Verbindlichkeiten,<br />

ÖStZ 1987, 166 (166) (Schuldaufnahme zum „Ersatz von abfl ießendem Fremd- und<br />

Eigenkapital“).<br />

110 So im Ergebnis auch Beiser, Fremdfi nanzierung von Gewinnausschüttungen?, ÖStZ 2002/171,<br />

96 (97).<br />

111 Doralt, EStG 2 (1992), § 4 Tz 330 und aktuell EStG 7 (2002), § 4 Tz 330, jeweils unter „Finanzierungskosten“.<br />

214 Ertragsteuern in Wissenschaft und Praxis, <strong>Festschrift</strong> <strong>für</strong> Werner Doralt, Wien 2007


Die fremdfi nanzierte Gewinnausschüttung<br />

die Aufwendungen der Fremdfi nanzierung der Gewinnausschüttung“, weshalb „die<br />

Finanzierungsentscheidung zur Befriedigung des Anspruches auf Gewinnausschüttung<br />

(Finanzierung der Zahlung durch Eigen- oder Fremdmittel) im betrieblichen<br />

Bereich zu belassen“ ist und die Zinsen im Falle einer Fremdfi nanzierung daher<br />

Betriebsausgaben darstellen. 112 Über diese Argumentation hinaus ist mE der Anwendung<br />

der Mittelverwendungstheorie auf die Änderung der Finanzierungsform durch<br />

die Sphärentrennung zwischen Gesellschafter und Gesellschaft – ebenso wie bei jener<br />

zwischen Gläubiger und Schuldner – auch insofern eine Schranke gezogen, als<br />

der betriebliche Veranlassungszusammenhang mit dem vormals durch Eigenkapital<br />

fi nanzierten Betriebsvermögen nicht durchbrochen wird. 113<br />

Bejaht man in diesem Sinne die Abzugsfähigkeit der Fremdfi nanzierungskosten<br />

<strong>für</strong> offene Ausschüttungen, so muss diese Konsequenz mE auch <strong>für</strong> verdeckte Ausschüttungen<br />

gezogen werden. 114 Denn § 8 Abs 2 KStG wohnt der Gedanke inne,<br />

die Kapitalgesellschaft und ihren Anteilseigner so zu stellen, als hätten sie sich<br />

fremdüblich verhalten und die Zuwendung in Form einer offenen Gewinnausschüttung<br />

vorgenommen, anstatt sie in einen Leistungsaustausch zu kleiden. Wenn aber<br />

die Fremdfi nanzierung einer offenen Ausschüttung steuerliche Wirkung hat, kann <strong>für</strong><br />

die verdeckte Ausschüttung nichts Anderes gelten. Auch der mögliche Einwand, die<br />

verdeckte Ausschüttung führe zu einem gesellschaftsrechtlichen oder gesellschaftsvertraglichen<br />

Rückforderungsanspruch der Gesellschaft und dessen Nichtgeltendmachung<br />

lasse die Fremdfi nanzierung societatis causa erscheinen, verfängt nicht. 115 Die<br />

steuerliche Erfassung der verdeckten Ausschüttung erfolgt vielmehr unter Ausblendung<br />

eines – noch nicht geltend gemachten – Rückforderungsanspruches, weshalb<br />

der Vorgang auf Gesellschaftsebene auch nicht als bloße Vermögensumschichtung,<br />

sondern als Vorteilszuwendung der Körperschaft an den Anteilsinhaber anzusehen<br />

ist, die die entsprechenden steuerlichen Konsequenzen auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene<br />

auslöst. 116 Erst wenn der gesellschaftsrechtliche Rückgriffsanspruch in<br />

weiterer Folge tatsächlich durchgesetzt wird, handelt es sich um eine Einlage. 117 Dies<br />

führt freilich zu der viel allgemeineren Fragestellung, ob die Nichtgeltendmachung<br />

eines Rückforderungsanspruches und damit aus Gesellschaftssicht einer Einlageforderung<br />

eine verdeckte Ausschüttung in Höhe der entgehenden Zinseinnahmen sein<br />

kann. 118<br />

Schließlich kann noch die Frage der fremdfi nanzierten Einlagenrückzahlung aufgeworfen<br />

werden. Diesbezüglich wird im Schrifttum mit der Eigenschaft der Einlagenrückzahlung<br />

als contrarius actus zum als Tausch normierten Einlagevorgang nach<br />

§ 6 Z 14 lit b EStG argumentiert; es sei somit die Einlagenrückzahlung als Veräuße-<br />

112 VwGH 19.12.2006, 2004/15/0122; siehe dazu oben Kapitel II.3.<br />

113 Siehe dazu oben Kapitel II.4.<br />

114 Siehe auch G. Kofl er, Fremdfi nanzierte offene Gewinnausschüttungen im Steuerrecht, GesRZ<br />

2002, 10 (16 ff); Achatz, Fremdfi nanzierte Gewinnausschüttungen, in Bertl et al (Hrsg), Beteiligungen<br />

in Rechnungswesen und Besteuerung (2004) 131 (145).<br />

115 Vgl Achatz, Fremdfi nanzierte Gewinnausschüttungen, in Bertl et al (Hrsg), Beteiligungen in<br />

Rechnungswesen und Besteuerung (2004) 131 (145 f).<br />

116 Bauer/Quantschnigg/Schellmann/Werilly, KStG, § 8 Rz 36.<br />

117 Vgl etwa VwGH 24.3.1998, 97/14/0118, ÖStZB 1998, 737; Bauer/Quantschnigg/Schellmann/Werilly,<br />

KStG, § 8 Rz 36; siehe aus der deutschen Rechtsprechung zB BFH 29.5.1996,<br />

I R 118/93, BFHE 180, 405, BStBl 1997 II 92; BFH 25.5.1999, VIII R 59/97, BFHE 188, 569,<br />

BStBl 2001 II 226.<br />

118 Dazu Rz 1081 KStR 2001; siehe zu dieser Frage aus der deutschen Rechtsprechung zB BFH<br />

13.11.1996, I R 126/95, BFHE 182, 358 mwN.<br />

Ertragsteuern in Wissenschaft und Praxis, <strong>Festschrift</strong> <strong>für</strong> Werner Doralt, Wien 2007 215


Georg Kofl er<br />

rung von betrieblichem Vermögen anzusehen, die damit im Zusammenhang stehenden<br />

Kosten seien daher als Betriebsausgaben abzugsfähig. 119 Der VwGH ist dieser<br />

Ansicht allerdings mit knapper Begründung entgegengetreten: Die Fremdfi nanzierung<br />

einer Einlagenrückzahlung führt deshalb nicht zu Betriebsausgaben; während<br />

„mit der Ausschüttung des erwirtschafteten Gewinnes die Überlassung von Kapital<br />

durch einen Gesellschafter abgegolten wird und insofern ein betrieblicher Zusammenhang<br />

angenommen werden kann, stellt die Rückgewährung des überlassenen<br />

Kapitals eine rein gesellschaftsrechtliche Maßnahme dar, deren Fremdfi nanzierung,<br />

wie die Fremdfi nanzierung einer Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 1 EStG 1988, nicht zu Betriebsausgaben<br />

führt.“ Obwohl diese Folgerung im Hinblick auf die Rechtsprechung<br />

des VwGH zur prinzipiellen Anwendbarkeit des umgekehrt gelagerten Abzugsverbots<br />

des § 12 Abs 2 KStG auf Aufwendungen im Zusammenhang mit der nicht<br />

steuer baren Kapitalbeschaffung 120 auf den ersten Blick konsequent erscheint, vermag<br />

sie mE letztlich nicht zu überzeugen. Abgesehen davon, dass der VwGH implizit<br />

eine per Analogieschluss umgekehrte Anwendung der ausdrücklichen Abzugserlaubnis<br />

des § 11 Abs 1 KStG <strong>für</strong> Kosten der Kapitalbeschaffung nicht <strong>für</strong> möglich erachtet,<br />

verbleibt gerade bei der Einlagenrückzahlung letztlich noch deutlicher das oben<br />

vorgebrachte Argument, dass es bei der Einlagenrückzahlung zu einer Eigenkapitalausschüttung<br />

kommt, die – ähnlich einer Umschuldung – eine betriebliche Fremdfi<br />

nanzierung notwendig macht und damit letztlich deren betriebliche Veranlassung<br />

nicht beeinfl usst. 121<br />

III. Ein kurzer Blick nach Deutschland zur Frage der (weiteren )<br />

verdeckten Ausschüttung von Fremdkapitalzinsen bei<br />

fremdfi nanzierten Gewinnausschüttungen<br />

Obwohl die Erfassung verdeckter Ausschüttungen auf Gesellschafterebene <strong>für</strong><br />

Vorteilszuwendungen aus dem „außerbetrieblichen“ Bereich einer Kapitalgesellschaft<br />

nicht ausgeschlossen ist, folgt aus der Zuordnung eines Wirtschaftsgutes zur<br />

außerbetrieblichen Sphäre der Gesellschaft, dass auf ihrer Ebene die Annahme einer<br />

verdeckten Ausschüttung jedenfalls ausscheidet. 122 Damit wird aber deutlich, dass<br />

es sich bei der Frage der Abzugsfähigkeit der Fremdfi nanzierungskosten <strong>für</strong> die Gewinnausschüttung<br />

auf Gesellschaftsebene nicht um eine Frage der Vorteilszuwendung<br />

an die Gesellschafter, sondern um eine Frage der Verbindlichkeitszuordnung<br />

handelt. 123 Geht man aber von einer betrieblichen Veranlassung der Verbindlichkeit<br />

und deren Zuordnung zum Betriebsvermögen aus, so folgt schon daraus die Abzugsfähigkeit<br />

der Fremdkapitalzinsen; überdies würde eine (weitere) verdeckte Ausschüttung<br />

der Zinsen schon mangels Vorteilszuwendung an die Gesellschafter ausscheiden.<br />

124 Geht man hingegen von einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung und damit<br />

119 Siehe Achatz, Fremdfi nanzierte Gewinnausschüttungen, in Bertl et al (Hrsg), Beteiligungen in<br />

Rechnungswesen und Besteuerung (2004) 131 (144 f).<br />

120 Siehe dazu und zur gesetzlichen Abzugserlaubnis in § 11 Abs 1 Z 1 KStG oben Kapitel II.4.<br />

121 Dazu oben Kapitel II.4 und wiederum auch Beiser, Fremdfi nanzierung von Gewinnausschüttungen?,<br />

ÖStZ 2002/171, 96 (97).<br />

122 Dazu ausführlich und grundlegend Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften<br />

(2004) 153 ff; siehe auch Bruckner, „Privatvermögen“ einer Kapitalgesellschaft<br />

– Analyse und kritische Anmerkungen, ÖStZ 2003/233, 110 (110 ff).<br />

123 Siehe bereits oben Kapitel II.2.<br />

124 Dazu auch G. Kofl er, Fremdfi nanzierte offene Gewinnausschüttungen im Steuerrecht, GesRZ<br />

2002, 10 (17 f).<br />

216 Ertragsteuern in Wissenschaft und Praxis, <strong>Festschrift</strong> <strong>für</strong> Werner Doralt, Wien 2007


Die fremdfi nanzierte Gewinnausschüttung<br />

der Nichtabzugsfähigkeit der Zinsen auf Gesellschaftsebene aus, so wäre zwar eine<br />

verdeckte Ausschüttung der Zinsen auf Gesellschafterebene theoretisch möglich, 125<br />

kommt aber konkret mangels Vorteilszuwendung ebenfalls nicht in Betracht. 126<br />

Auch im deutschen Recht stellt sich dennoch die Frage nach der verdeckten Ausschüttung<br />

der Fremdkapitalzinsen <strong>für</strong> eine fremdfi nanzierte Ausschüttung, wenngleich<br />

vor einem anderen Hintergrund. 127 Anders als der VwGH geht der BFH nämlich<br />

in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei einer Kapitalgesellschaft schon<br />

aufgrund des § 8 Abs 2 dKStG sämtliche Aufwendungen als betrieblich veranlasst zu<br />

behandeln sind, weil eine Kapitalgesellschaft keine außerbetriebliche Sphäre, sondern<br />

ausschließlich Betriebsvermögen haben kann. 128 Daraus folgerte der BFH wiederum,<br />

dass auf einer ersten Stufe selbst gesellschaftlich veranlasste Aufwendungen<br />

als Betriebsausgaben den Gewinn mindern und eine Gewinnkorrektur nur auf einer<br />

zweiten Stufe unter dem Gesichtspunkt einer verdeckten Gewinnausschüttung in<br />

Betracht komme. 129 Daraus würde <strong>für</strong> das Problem der fremdfi nanzierten Gewinnausschüttung<br />

folgern, dass im Fall der gesellschaftlichen Veranlassung der Fremdkapitalaufnahme<br />

und der daraus resultierenden Schuldzinsen eine Korrektur nur über<br />

das Instrument der verdeckten Gewinnausschüttung erfolgen könnte. 130 Entgegen der<br />

hier vorgeschlagenen Verneinung des steuerlichen Veranlassungszusammenhanges<br />

zwischen Fremdfi nanzierung und Ausschüttung geht die deutsche Finanzverwaltung<br />

allerdings implizit von einer gesellschaftsrechtlichen Mitveranlassung der Fremdfi -<br />

nanzierung aus. 131 Denn nur beim Unterstellen einer solchen gesellschaftsrechtlichen<br />

Mitveranlassung im Sinne einer Mittelverwendungstheorie kann sich nach deutschem<br />

Steuerrecht überhaupt die Folgefrage nach der Korrektur des Zinsaufwandes<br />

im Wege einer verdeckten Ausschüttung stellen. Das Vorliegen einer verdeckten Ausschüttung<br />

wird sodann aber vollkommen zu Recht mangels eines – zumindest potentiellen<br />

– Vorteils auf Gesellschafterebene verneint. 132 Finanzierungsaufwendungen<br />

125 Vgl VwGH 20.6.2000, 98/15/0169, ÖStZB 2000/534 (betreffend die Dienstwohnung des Gesellschafter-Geschäftsführers).<br />

126 Siehe bereits RFH 11.12.1934, I A 55/34, RStBl 1935, 119.<br />

127 Siehe auch G. Kofl er, Fremdfi nanzierte offene Gewinnausschüttungen im Steuerrecht, GesRZ<br />

2002, 10 (17 f).<br />

128 So – in Abkehr von der früheren Rechtsprechung – BFH 4.12.1996, I R 54/95, BFHE 182, 123;<br />

BFH 22.1.1997, I R 64/96, BFHE 182, 530, BStBl 1997 II 548; BFH 31.3.2004, I R 83/03,<br />

BFHE 206, 58; siehe aus dem deutschen Schrifttum zB Wassermeyer, Einige Grundsatzüberlegungen<br />

zur verdeckten Gewinnausschüttung, GmbHR 1998, 157 (158); Pezzer, Körperschaftsteuerpfl<br />

ichtige Einkünfte jenseits der sieben Einkunftsarten? StuW 1998, 76 (77);<br />

Weber-Grellet, Liebhaberei im Ertragsteuerrecht, DStR 1998, 873 (876); Hollatz in Herrmann/<br />

Heuer/Raupach, KStG, § 10 Anm 37; dazu ausführlich Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre<br />

von Kapitalgesellschaften (2004) 101 ff mwN.<br />

129 BFH 22.1.1997, I R 64/96, BFHE 182, 530, BStBl 1997 II 548; dazu Wassermeyer, Einige<br />

Grundsatzüberlegungen zur verdeckten Gewinnausschüttung, GmbHR 1998, 157 (158);<br />

Wassermeyer, Neues zur Defi nition der verdeckten Gewinnausschüttung, DB 2002, 2668<br />

(2668 f).<br />

130 G. Kofl er, Fremdfi nanzierte offene Gewinnausschüttungen im Steuerrecht, GesRZ 2002, 10<br />

(17). Siehe auch die Überlegungen bei Meilicke/Sangen-Emden, Steuerliche Behandlung von<br />

durch verdeckte Gewinnausschüttungen veranlaßten Schulden und Schuldzinsen, FR 1998,<br />

938 (938), zur sonst bestehenden Gefahr der Besteuerung von „Luftgewinnen“.<br />

131 Für mögliche Gegenargumente siehe oben Kapitel II.<br />

132 Verfügung der OFD Kiel betreffend „Zinsen auf verdeckte Gewinnausschüttung als weitere<br />

Gewinnausschüttung im Sinne von § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG und andere Ausschüttung im Sinne<br />

des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG“ (S 2742 A-St 261), DB 2000, 2095. Siehe zu diesem – bisher<br />

in der deutschen Rechtsprechung nicht deutlich zum Ausdruck gekommenen – „Korrespondenzprinzip“<br />

vor allem BFH 7.8.2002, I R 2/02, BFHE 200, 197, BStBl 2004 II 131 (betref-<br />

Ertragsteuern in Wissenschaft und Praxis, <strong>Festschrift</strong> <strong>für</strong> Werner Doralt, Wien 2007 217


Georg Kofl er<br />

<strong>für</strong> offene oder verdeckte Ausschüttungen können daher im deutschen Steuerrecht<br />

nicht als (weitere) verdeckte Ausschüttungen angesehen werden; es bleibt vielmehr<br />

bei der Abzugsfähigkeit. 133 Dies ist im System der verdeckten Gewinnausschüttung<br />

nur folgerichtig: Die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung in Höhe der<br />

auf die ursprüngliche Ausschüttung entfallenden Zinsleistungen würde nämlich letztlich<br />

insofern zu dem unerträglichen Endloszirkel führen, als dann konsequenterweise<br />

auch die mit vorhandener Liquidität vorgenommene Ausschüttung stets zu weiteren<br />

Vermögensminderungen in Form von nicht gezogenen Erträgen führt, die ihrerseits<br />

verdeckte Gewinnausschüttungen darstellen würden. 134 Damit bleibt zumindest im<br />

Ergebnis festzuhalten, dass nach deutschem Recht die Fremdfi nanzierung von offenen<br />

und verdeckten Ausschüttungen einerseits zur Gänze zu abzugsfähigen Zinsen<br />

führt und andererseits dieser Zinsaufwand auch zu keiner (weiteren) verdeckten<br />

Ausschüttung an die Gesellschafter führt. 135<br />

Am 5.2.2007 wurde der Entwurf des BudgetbegleitG 2007 zur Begutachtung<br />

versandt. Darin ist in Reaktion auf das Erkenntis des VwGH die Einfügung eines<br />

§ 12 Abs 1 Z 8 KStG vorgesehen, wonach „Fremdfi nanzierungskosten im Zusammenhang<br />

mit Einkommensverwendungen im Sinne des § 8 Abs. 2“ <strong>für</strong> nichtabzugsfähig<br />

erklärt werden. Zumal aber aufgrund des Erkenntnisses vom 19.12.2006,<br />

2004/15/0122, der grundsätzliche Betriebsausgabencharakter nach § 4 Abs 4 iVm<br />

§ 7 Abs 2 KStG feststeht, bedürfte der Ausschluss der Steuerwirksamkeit und damit<br />

ein Abweichen vom Ordnungssystems des objektiven Nettoprinzips im Lichte des<br />

verfassungsrechtlichen Sachlichkeitsgebotes einer sachlichen Rechtfertigung (siehe<br />

zB VfSlg 8457/1978; VfSlg 9138/1981; VfSlg 11368/1987). Eine solche ist nicht<br />

ersichtlich: Der in den Erläuterungen herangezogene Vergleich mit der fremdfi nanzierten<br />

Entnahme im Einkommensteuerrecht und der Hinweis auf eine Rechtsformneutralität<br />

vermag aufgrund der vom VwGH betonten Systemunterschiede zwischen<br />

der fremdfi nanzierten Entnahme und der fremdfi nanzierten Ausschüttung das Abzugsverbot<br />

gerade nicht zu tragen.<br />

fend Versicherungsbeiträge zur Finanzierung gesellschaftsrechtlich veranlasster Pensionsansprüche);<br />

dazu auch Wassermeyer, Neues zur Defi nition der verdeckten Gewinnausschüttung,<br />

DB 2002, 2668 (2669), sowie bereits RFH 11.12.1934, I A 55/34, RStBl 1935, 119.<br />

133 Ebenso Wassermeyer, Neues zur Defi nition der verdeckten Gewinnausschüttung, DB 2002,<br />

2668 (2669); zustimmend Achatz, Fremdfi nanzierte Gewinnausschüttungen, in Bertl et al<br />

(Hrsg), Beteiligungen in Rechnungswesen und Besteuerung (2004) 131 (145).<br />

134 Siehe auch die Verfügung der OFD Kiel betreffend „Zinsen auf verdeckte Gewinnausschüttung<br />

als weitere Gewinnausschüttung im Sinne von § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG und andere Ausschüttung<br />

im Sinne des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG“ (S 2742 A-St 261), DB 2000, 2095.<br />

135 So im Ergebnis bereits RFH 11.12.1934, I A 55/34, RStBl 1935, 119; ebenso Lempenau, Betriebsausgaben<br />

und Gewinnermittlung, StbJb 1986/87, 327 (336); Meilicke/Sangen-Emden,<br />

Steuerliche Behandlung von durch verdeckte Gewinnausschüttungen veranlaßten Schulden<br />

und Schuldzinsen, FR 1998, 938 (938); Prinz, Steuerlicher Schuldzinsenabzug – Labyrinth<br />

oder Steuerfalle, StbJb 1999/2000, 293 (312 f); Wacker, Zur Neuregelung des Schuldzinsenabzugs<br />

in der „Mehr-Konten-Situation“ – oder: was können wir von Österreich lernen?, DStR<br />

1999, 1001 (1007).<br />

218 Ertragsteuern in Wissenschaft und Praxis, <strong>Festschrift</strong> <strong>für</strong> Werner Doralt, Wien 2007


„Zwischenschaltung“ von<br />

Kapitalgesellschaften


EStR 2000 GZ 06 0104/9-IV/6/00 idF GZ BMF-010203/0704-VI/6/2009 vom 11. Dezember 2009<br />

2.3 Persönliche Zurechnung von Einkünften<br />

2.3.1 Allgemeines<br />

104<br />

Einkünfte iSd § 2 Abs. 3 EStG 1988 sind demjenigen zuzurechnen, dem die Einkunftsquelle<br />

zuzurechnen ist. Die Zurechnung von Einkünften muss sich nicht mit dem wirtschaftlichen<br />

Eigentum an der Einkunftsquelle decken (VwGH 25.02.1997, 92/14/0039; VwGH 09.07.1997,<br />

95/13/0025; VwGH 21.07.1998, 93/14/0149). Die Einkunftsquelle kann sich auf das<br />

wirtschaftliche Eigentum, auf ein Mietrecht, auf ein Recht zur Weiter- oder Untervermietung,<br />

auf ein Nutzungsrecht oder eine bloße Tätigkeit gründen. Zurechnungssubjekt ist derjenige,<br />

der aus der Tätigkeit das Unternehmerrisiko trägt, der also die Möglichkeit besitzt, die sich<br />

ihm bietenden Marktchancen auszunützen, Leistungen zu erbringen oder zu verweigern. Die<br />

rechtliche Gestaltung ist dabei nur maßgebend, wenn sich in wirtschaftlicher<br />

Betrachtungsweise nichts anderes ergibt.<br />

Für Zeiträume ab dem 1.1.2010 gelten <strong>für</strong> "zwischengeschaltete", unter dem Einfluss des<br />

Steuerpflichtigen oder seiner nahen Angehörigen (Rz 1129) stehende Kapitalgesellschaften<br />

folgende Grundsätze <strong>für</strong> die Einkünftezurechnung:<br />

Eine Zurechnung der Einkünfte unmittelbar an die natürliche Person erfolgt insbesondere<br />

dann, wenn die Kapitalgesellschaft<br />

1. in Hinblick auf die betreffende Tätigkeit selbst Marktchancen nicht nutzen kann und<br />

2. über keinen eigenständigen, sich von der natürlichen Person abhebenden geschäftlichen<br />

Betrieb verfügt.<br />

Zu 1.: Marktchancen kann eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft nicht nutzen, wenn<br />

die betreffende Tätigkeit entweder aufgrund eines gesetzlichen oder statutarischen Verbots<br />

nur von natürlichen Personen erbracht werden kann (zB "Drittanstellung" von Vorständen,<br />

Stiftungsvorständen und Aufsichtsräten, siehe dazu insbesondere Rz 5266g) oder in<br />

typisierender Betrachtungsweise nach der Verkehrsauffassung eine höchstpersönliche<br />

Tätigkeit darstellt (zB Schriftsteller, Vortragende, Sportler, Künstler).<br />

Zu 2.: Für das Vorliegen eines eigenständigen, sich von der natürlichen Person abhebenden<br />

geschäftlichen Betriebes spricht insbesondere die Beschäftigung von Mitarbeitern, wobei es<br />

auf die rechtliche Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses nicht ankommt. Bloße<br />

Hilfstätigkeiten in der Kapitalgesellschaft (zB Sekretariat) führen jedoch zu keinem<br />

eigenständigen, sich abhebenden geschäftlichen Betrieb. Ist die Tätigkeit der natürlichen<br />

Person bloßer Ausfluss der eigenbetrieblichen Tätigkeit der Kapitalgesellschaft, erfolgt keine<br />

Zurechnung zur natürlichen Person.<br />

© Bundesministerium <strong>für</strong> Finanzen 20 - 3


EStR 2000 GZ 06 0104/9-IV/6/00 idF GZ BMF-010203/0704-VI/6/2009 vom 11. Dezember 2009<br />

Beispiele:<br />

1. Ein Vorstand gründet eine GmbH und wickelt sein Anstellungsverhältnis über seine<br />

GmbH ab.<br />

Die Vergütungen <strong>für</strong> die Vorstandstätigkeit sind unmittelbar der natürlichen Person<br />

zuzurechnen, da die GmbH die Marktchancen selbst nicht nutzen kann und auch kein<br />

eigenständiger, sich von der Vorstandstätigkeit abhebender Betrieb der GmbH vorliegt.<br />

2. Ein Rechtsanwalt, der Gesellschafter-Geschäftsführer einer Rechtsanwalts-GmbH ist,<br />

wird als Stiftungsvorstand in der von einem seiner Klienten errichteten Privatstiftung<br />

tätig. Sein Dienstvertrag mit der Rechtsanwalts-GmbH sieht vor, dass er die<br />

Vergütungen <strong>für</strong> seine Tätigkeit als Stiftungsvorstand an die Rechtsanwalts-GmbH<br />

abführen muss.<br />

Als Stiftungsvorstand kommt nur eine natürliche Person in Betracht, die Rechtsanwalts-<br />

GmbH kann daher die Marktchancen nicht nutzen. Da die Rechtsanwalts-GmbH jedoch<br />

über einen eigenständigen, sich abhebenden geschäftlichen Betrieb verfügt und die<br />

Tätigkeit als Stiftungsvorstand Ausfluss dieser eigenbetrieblichen Tätigkeit der GmbH<br />

ist, kommt es zu keiner abweichenden Zurechnung.<br />

3. Ein Vorstand eines technischen Unternehmens wickelt sein Anstellungsverhältnis<br />

über seine operativ tätige Wertpapierhandels-GmbH ab.<br />

Zwar verfügt die Wertpapierhandels-GmbH über einen eigenständigen, sich von der<br />

Tätigkeit des Vorstands abhebenden Betrieb; da die Vorstandstätigkeit nicht Ausfluss<br />

dieses Betriebs ist, kommt es zu einer Zurechnung der Vergütungen an die natürliche<br />

Person.<br />

4. Ein Universitätsprofessor rechnet Honorare <strong>für</strong> seine Gutachtenstätigkeit über eine<br />

ihm und seiner Ehefrau gehörende GmbH ab. Einzige Arbeitnehmerin in der GmbH ist<br />

seine Ehefrau, die als Sekretärin beschäftigt wird.<br />

Es liegt in typisierender Betrachtungsweise eine Tätigkeit vor, die höchstpersönlich zu<br />

erbringen ist; die GmbH kann daher nicht die Marktchancen nutzen. Da die GmbH auch<br />

nicht über einen eigenständigen, sich abhebenden Betrieb verfügt, werden die<br />

Honorare der natürlichen Person zugerechnet.<br />

5. Ein Gärtner entschließt sich, sein Einzelunternehmen künftig in der Rechtsform einer<br />

GmbH fortzuführen. Mitarbeiter beschäftigt er nicht.<br />

Da es sich in typisierender Betrachtungsweise um keine höchstpersönliche Tätigkeit<br />

handelt, kann die GmbH die Marktchancen nutzen. Es kommt daher zu keiner<br />

abweichenden Zurechnung.<br />

6. Ein Mitarbeiter der Konzernmutter wird als Aufsichtsrat in die Tochtergesellschaft<br />

entsandt. Die Vergütung <strong>für</strong> diese Tätigkeit ist in seiner Gesamtvergütung, die er von<br />

der Konzernmutter erhält, enthalten. Die Konzernmutter verrechnet der<br />

Tochtergesellschaft eine Umlage <strong>für</strong> diese Konzerngestellung.<br />

Da es sich bei der Konzernmutter nicht um eine unter dem Einfluss des<br />

Steuerpflichtigen oder seiner nahen Angehörigen (Rz 1129) stehende<br />

Kapitalgesellschaft handelt und die Konzernmutter überdies idR über einen<br />

eigenständigen, sich abhebenden Betrieb verfügen wird, kommt es zu keiner<br />

abweichenden Zurechnung. Die von der Tochtergesellschaft geleistete Umlage <strong>für</strong> die<br />

Konzerngestellung unterliegt, ungeachtet der Zurechnung zur Konzernmutter, bei der<br />

Tochtergesellschaft § 12 Abs. 1 Z 7 KStG 1988.<br />

7. Eine Steuerberaterin wird als Vortragende an einer Fachhochschule tätig. Sie<br />

rechnet ihre Honorare aus der Vortragstätigkeit über ihre Steuerberatungs-GmbH ab.<br />

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Als Vortragende an Fachhochschulen kommen nur natürliche Personen in Betracht, die<br />

Steuerberatungs-GmbH kann daher die Marktchancen nicht nutzen. Die<br />

Steuerberatungs-GmbH verfügt zwar über einen eigenständigen, sich abhebenden<br />

geschäftlichen Betrieb. Da die Tätigkeit als Vortragende jedoch nicht Ausfluss dieser<br />

eigenbetrieblichen Tätigkeit der GmbH ist, sind die Vergütungen aus der<br />

Vortragstätigkeit unmittelbar der Steuerberaterin als nichtselbständige Einkünfte (§ 25<br />

Abs. 1 Z 5 EStG 1988) zuzurechnen (vgl. LStR 2002 Rz 992c).<br />

Um eine von der zivilrechtlichen Gestaltung abweichende Einkünftezurechnung ab dem<br />

1.1.2010 zu vermeiden, können bis zum Stichtag 31.12.2009 Umwandlungen gemäß Art. II<br />

UmgrStG vorgenommen werden. Dabei ist davon auszugehen, dass am Tag des<br />

Umwandlungsbeschlusses das Betriebserfordernis erfüllt ist.<br />

105<br />

So etwa werden die von einem Handelsvertreter erbrachten Leistungen diesem und nicht auf<br />

Grund eines internen Rechtsverhältnisses seiner Ehegattin zugerechnet (VwGH 18.10.1995,<br />

95/13/0176). Die Zurechnung der Einkünfte aus einem Bordell etwa erfolgt an denjenigen,<br />

der dort als Geschäftsführer auftritt und Verträge über Getränkelieferungen abschließt<br />

(VwGH 15.12.1998, 98/14/0192). Für sich allein nicht entscheidend ist, auf wessen Konto die<br />

Zahlungen überwiesen wurden (VwGH 15.12.1994, 93/15/0097). Auch wenn während der<br />

Strafhaft eines Steuerpflichtigen sämtliche Geschäfte von seiner Ehefrau geführt werden,<br />

hindert dies die Zurechnung der Einkünfte an ihn nicht (VwGH 3.8.2004, 2001/13/0128).<br />

106<br />

Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung sind demjenigen<br />

zuzurechnen, der zur Nutzung der Vermögenswerte berechtigt ist. Die Durchführung oder<br />

Verhinderung von Reparaturarbeiten an einem Gebäude kennzeichnet typischerweise auch<br />

die vorzunehmende Zurechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung<br />

(VwGH 5.8.1993, 93/14/0031). Für die Zurechnung von Einkünften (aus der Vermietung<br />

einer Liegenschaft) ist es entscheidend, ob das Zurechnungssubjekt über die Einkunftsquelle<br />

verfügt, also wirtschaftlich über diese disponieren und so die Art ihrer Nutzung bestimmen<br />

kann. In Zweifelsfällen ist darauf abzustellen, wer über die dem Tatbestand entsprechende<br />

Leistung verfügen kann, daher vor allem die Möglichkeit besitzt, Marktchancen zu nutzen<br />

oder die Leistung zu verweigern (vgl. VwGH 29.11.1994, 93/14/0150). Bei der Zurechnung<br />

von Einkünften kommt es dabei auf die wirtschaftliche Dispositionsbefugnis über die<br />

Einkünfte und nicht auf eine allenfalls nach § 24 BAO zu lösende Zurechnung von<br />

Wirtschaftsgütern an (VwGH 26.9.2000, 98/13/0070, VwGH 19.11.1998, 97/15/0001).<br />

107<br />

Bei Verpachtung eines Betriebes sind die Einkünfte dem Pächter zuzurechnen. Bei freiwilliger<br />

wie auch zwangsweiser Abtretung der Einkünfte an einen Dritten bleibt der ursprüngliche<br />

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EStR 2000 GZ 06 0104/9-IV/6/00 idF GZ BMF-010203/0704-VI/6/2009 vom 11. Dezember 2009<br />

Bezieher einkommensteuerpflichtig (VwGH 20.7.1999, 93/13/0178, betreffend Einkünfte aus<br />

der Duldung der Automatenaufstellung, die der Ehefrau zugute kamen). So etwa bleibt bei<br />

Lohnpfändung der Arbeitnehmer steuerpflichtig oder sind die Einkünfte eines insolventen<br />

Unternehmens dem Gemeinschuldner (VwGH 29.9.1976, 1387/76) zuzurechnen. Überträgt<br />

der Sportler nicht die Verwertungsrechte an seinem Namen, sondern tritt er gegen Entgelt<br />

die Einnahmen aus den Werbeverträgen ab, dann sind diese Einnahmen (zunächst) weiterhin<br />

ihm zuzurechnen (VwGH 23.1.1996, 95/14/0139).<br />

108<br />

Einkünfte aus einem Nachlassvermögen sind ab dem Todestag dem oder den Erben<br />

(allenfalls im Verhältnis der Erbquoten) zuzurechnen, wobei anderweitige Vereinbarungen<br />

steuerrechtlich anerkannt werden können (VwGH 11. 12. 1990, 90/14/0079;<br />

VwGH 20.4.2004, 2003/13/0160).<br />

Da der ruhende Nachlass einkommensteuerrechtlich nicht als Empfänger von Einkünften in<br />

Frage kommt, sondern die Einkünfte unmittelbar dem Erben zugerechnet werden, bedeutet<br />

dies, dass die zeitliche Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben gemäß § 19 EStG 1988<br />

beim Erben als dem Abgabepflichtigen so erfolgt, als ob die <strong>für</strong> die zeitliche Zuordnung<br />

maßgeblichen Sachverhaltselemente bei ihm selbst und nicht beim ruhenden Nachlass<br />

verwirklicht worden wären. Die vom ruhenden Nachlass erwirtschafteten Überschüsse<br />

werden auch in zeitlicher Hinsicht unmittelbar beim Erben erfasst und bei diesem der<br />

Einkommensteuer unterworfen (VwGH 29.6.2005, 2002/14/0146).<br />

109<br />

In den Fällen der unentgeltlichen Übertragung der Einkunftsquelle gilt Folgendes:<br />

� Im Rahmen einer Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ermittelte Einkünfte bzw.<br />

außerbetriebliche Einkünfte, die noch vom Erblasser (Rechtsvorgänger) erwirtschaftet<br />

worden sind, aber erst nach seinem Tod (der Übertragung der Einkunftsquelle) zufließen,<br />

sind nach dem Zuflussprinzip dem/den Erben (dem/den Rechtsnachfolger/n)<br />

zuzurechnen. Es bestehen aber keine Bedenken, die Einkünfte zeitanteilig zuzuordnen.<br />

� Bei Gewinnermittlung nach §§ 4 Abs. 1 und 5 EStG 1988 ist grundsätzlich zum Ablauf des<br />

Todestages (Übergabetages) eine Schlussbilanz aufzustellen. Erfolgt dies nicht, bestehen<br />

keine Bedenken, anstelle der Aufstellung einer Bilanz zum Todeszeitpunkt<br />

(Übergabezeitpunkt) die Einkünfte auf den Erblasser (Rechtsvorgänger) und die Erben<br />

(Rechtsnachfolger) zeitanteilig zuzuordnen.<br />

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EStR 2000 GZ 06 0104/9-IV/6/00 idF GZ BMF-010203/0704-VI/6/2009 vom 11. Dezember 2009<br />

� In den Fällen der Voll- oder <strong>Teil</strong>pauschalierung bestehen keine Bedenken, die Einkünfte<br />

110<br />

zwischen Übergeber und Übernehmer zeitanteilig zuzuordnen; zur Land- und<br />

Forstwirtschaft siehe Rz 5154.<br />

Der ruhende Nachlass wird nur dann als Körperschaftsteuersubjekt angesehen, wenn keine<br />

Erben vorhanden sind oder diese die Erbschaft ausschlagen (vgl. VwGH 13.3.1997,<br />

96/15/0102; VwGH 26.5.1998, 93/14/0191).<br />

Zur Aufteilung der Einkünfte bei ehelicher Gütergemeinschaft siehe Rz 1224.<br />

2.3.2 Fruchtgenuss<br />

2.3.2.1 Allgemeines<br />

111<br />

Einkünfte aus einem Fruchtgenuss iSd ABGB sind dem Fruchtgenussberechtigten als eigene<br />

Einkünfte zuzurechnen (VwGH 25.6.1969, 1430/68), wenn er auf die Einkünfteerzielung<br />

Einfluss nimmt, indem er am Wirtschaftsleben teilnimmt und die Nutzungsmöglichkeiten nach<br />

eigenen Intentionen gestaltet (VwGH 4.3.1986, 85/14/0133). Dazu gehört, dass der<br />

Fruchtgenussberechtigte die Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Gegenstand des<br />

Fruchtgenusses trägt (insbesondere Erhaltungsaufwand, Abgaben und Zinsen). Dem<br />

Fruchtgenussberechtigten bleibt daher nur der Nettoertrag (Einnahmen abzüglich<br />

Aufwendungen). Außerdem muss der Fruchtgenuss <strong>für</strong> eine gewisse Dauer bei rechtlich<br />

abgesicherter Position bestellt sein. Ein Zeitraum von 10 Jahren kann üblicherweise als<br />

ausreichend angesehen werden.<br />

Die Zurechnung der Einkünfte muss nicht mit der Zurechnung der zur Einkunftserzielung<br />

eingesetzten Wirtschaftsgüter zusammenfallen. Die Eigentumsverhältnisse an einem<br />

Wirtschaftsgut allein sagen noch nichts darüber aus, wem die Einkünfte zuzurechnen sind<br />

(VwGH 14.6.1972, 0770/70, betreffend Zimmervermietung durch einen Ehegatten im<br />

Gebäude, das im Eigentum des anderen Ehegatten steht). AfA kann aber im Allgemeinen nur<br />

der wirtschaftliche Eigentümer, somit im Falle eines Fruchtgenusses regelmäßig nur der<br />

Fruchtgenussbesteller, geltend machen, sofern bei ihm überhaupt eine Einkunftsquelle<br />

anzunehmen ist (VwGH 6.11.1991, 91/13/0074).<br />

112<br />

Leistet im Falle des Vorbehaltsfruchtgenusses (siehe Rz 114 f) der Fruchtnießer dem<br />

Fruchtgenussbesteller eine Zahlung <strong>für</strong> Substanzabgeltung in Höhe der bisher geltend<br />

gemachten AfA, dann ist diese Zahlung beim Fruchtnießer abzugsfähig. Der<br />

© Bundesministerium <strong>für</strong> Finanzen 20 - 7


Steuerumgehung und<br />

Missbrauch


Gericht<br />

Verwaltungsgerichtshof<br />

Entscheidungsdatum<br />

09.12.2004<br />

Geschäftszahl<br />

2002/14/0074<br />

Betreff<br />

09.12.2004<br />

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte<br />

Mag. Heinzl, Dr. Sulyok, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die<br />

Beschwerde der L AG in L, vertreten durch die Exinger GmbH Wirtschaftsprüfungs- und<br />

Steuerberatungsgesellschaft in 1010 Wien, Friedrichstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion <strong>für</strong><br />

Oberösterreich (Berufungssenat I) vom 13. Mai 2002, RV 1092/1-6/2001, betreffend Körperschaftsteuer und<br />

Gewerbesteuermessbeträge <strong>für</strong> 1991 und 1992, zu Recht erkannt:<br />

Spruch<br />

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.<br />

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen<br />

bei sonstiger Exekution zu ersetzen.<br />

Begründung<br />

Mit Gesellschaftsvertrag vom 8. November 1990 gründete die Beschwerdeführerin, eine in Österreich<br />

ansässige AG, mit Gründungshelfern die in Irland ansässige T, eine "Limited Company" mit einem Kapital von<br />

5.000 irischen Pfund und ATS 10.000,-. 1991 erwarb die T 100 % der Anteile der E, einer ebenfalls in Irland<br />

ansässigen "Unlimited Company" mit einem Kapital von 5.000 irischen Pfund und ATS 9.000.000,-. Im<br />

Mai 1999 erhöhte die Beschwerdeführerin das Kapital der T auf ATS 10.000.000,- und leistete im Juni 1991<br />

einen Zuschuss von ATS 390.000.000,- an die E. Dieses Geld wurde in der Folge <strong>für</strong> Finanzgeschäfte<br />

verwendet, die von der in Irland ansässigen B Bank auf Grund eines gesonderten "Managementvertrages"<br />

durchgeführt wurden. In den Jahren 1991 und 1992 erhielt die Beschwerdeführerin von der T eine Dividende<br />

iHv ATS 13.000.000,- bzw ATS 34.000.000,- ausbezahlt. Diese Zahlungen wies die Beschwerdeführerin in<br />

ihren Körperschaftsteuererklärungen <strong>für</strong> die Jahre 1991 und 1992 als steuerfreie Beteiligungserträge gem § 10<br />

KStG aus. Die Körperschaftsteuerbescheide des Finanzamtes <strong>für</strong> die Jahre 1991 und 1992 ergingen<br />

erklärungsgemäß.<br />

Im Jahr 1995 wurde bei der Beschwerdeführerin eine abgabenbehördliche Prüfung betreffend die Jahre 1991<br />

und 1992 durchgeführt. In der Niederschrift über die Schlussbesprechung führte der Prüfer aus, Geschäftszweck<br />

der beiden irischen Gesellschaften seien Transaktionen, die im Zusammenhang mit finanziellen Aktivitäten ( wie<br />

zB Veranlagungen, Ausleihungen, Leasinggesellschaften, Trading von Futures und Commodities,<br />

Finanzierungen, Sicherungen im Währungs- und Zinsbereich etc ( stünden. Die Geschäftsführung der T und der<br />

E werde in Personalunion von drei Iren sowie von zwei Österreichern wahrgenommen. Außer diesen Personen<br />

hätten die Gesellschaften keine weiteren Beschäftigten. Eigene Büroräumlichkeiten stünden nicht zur<br />

Verfügung, stattdessen dürften die Gesellschaften, welche weder im irischen Telefonbuch noch im<br />

Welttelexverzeichnis aufschienen, lediglich die Büroräume der B Bank mitbenützen.<br />

Seit einigen Jahren gewähre Irland ausländischen Gesellschaften, insbesondere Finanzgesellschaften, unter<br />

gewissen Bedingungen eine privilegierte steuerliche Behandlung, welche eine reduzierte Gewinnsteuer von 10 %<br />

vorsehe. Für die Ausübung von Finanzgeschäften einerseits sowie <strong>für</strong> die privilegierte steuerliche Behandlung<br />

andererseits bedürfe es einer Lizenz der irischen Wirtschaftsförderungsbehörde. Die irische Praxis erlaube es,<br />

dass Gesellschaften, welche bereits eine Lizenz <strong>für</strong> die privilegierte steuerliche Behandlung besäßen, diese<br />

Lizenz als Unterlizenz gegen ein Gebühr weitergeben könnten. Möglich sei dies, indem etwa ein bestehender<br />

Lizenzträger mit einer neugegründeten irischen Gesellschaft einen Managementvertrag eingehe, in welchem<br />

festgelegt werde, welche Tätigkeiten der Lizenzträger <strong>für</strong> die Gesellschaft übernehme (zB Führung der<br />

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Verwaltungsgerichtshof 09.12.2004<br />

Buchhaltung, Abschluss von Verträgen). Selbstverständlich werde dies der Lizenzträger nur gegen eine<br />

angemessene Gebühr tun. Infolge einer solchen Konstruktion würden Gewinne des Lizenznehmers mit lediglich<br />

10 % besteuert.<br />

Mit 21. Mai 1991 hätten die Beschwerdeführerin, die T, die E sowie die B Bank einen Managementvertrag<br />

abgeschlossen, demzufolge die B Bank als Manager unter anderem zur Finanzberatung der E, zu<br />

Verwaltungsdienstleistungen <strong>für</strong> diese sowie zur Führung ihrer Geschäftsbücher verpflichtet worden sei.<br />

Ausgehend von diesen Feststellungen sah der Prüfer im Beschwerdefall eine rechtsmissbräuchliche<br />

Konstruktion als gegeben. Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten gem § 22 BAO sei dann gegeben,<br />

wenn der Steuerpflichtige eine rechtliche Gestaltung wähle, die im Hinblick auf den angestrebten Erfolg<br />

ungewöhnlich und unangemessen sei, und ihre Erklärung nur in der Absicht finde, Steuern zu vermeiden. Aus<br />

dem festgestellten Sachverhalt sei abzuleiten, dass es sich bei den irischen Gesellschaften um reine<br />

Briefkastenfirmen handle, Gebilde also, derer man sich gerne <strong>für</strong> internationale Steuerumgehungsstrategien<br />

bediene. Für die Gründung derartiger Briefkastenfirmen seien keine wirtschaftlich beachtlichen Gründe<br />

vorzubringen und sie würden keine wirtschaftlich beachtlichen Tätigkeiten entfalten. Es sei der<br />

Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall nicht gelungen, einen beachtlichen außersteuerlichen Grund <strong>für</strong> die<br />

gewählte Gestaltung zu liefern.<br />

Das Finanzamt erließ - nach Wiederaufnahme des Verfahrens - den Prüfungsfeststellungen entsprechende<br />

Bescheide betreffend die Körperschaftsteuer und den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag <strong>für</strong> 1990 und 1991,<br />

mit welchen es die Zinserträge aus den Kapitalveranlagungen als Betriebseinnahmen der Beschwerdeführerin<br />

(und die in Irland angefallenen Steuern als Betriebsausgaben) erfasste.<br />

Gegen die Sachbescheide richtete sich die Berufung der Beschwerdeführerin. Die Tätigkeit der ausländischen<br />

Finanzierungsgesellschaft habe im gegenständlichen Fall durchaus beachtlichen außersteuerlichen Gründen<br />

gedient. Als solche wurden von der Beschwerdeführerin verminderte Haftungsgründe, vereinfachte<br />

Gründungsvorschriften in Irland, die Möglichkeit regionaler Risikostreuung sowie der Heranziehung irischer<br />

Finanzierungsexperten, die Internationalisierung der Aktivitäten der Unternehmensgruppe, bankrechtliche<br />

Gründe sowie zuletzt die Erhöhung des ausschüttungspolitischen Spielraumes angeführt. Sohin könne in der<br />

Gestaltung kein Missbrauch erblickt werden.<br />

In der Berufung wurde weiters eingewendet, dass die Beschwerdeführerin durch Gründung der T den in<br />

§§ 7 Abs 4 iVm 10 Z 5 KStG vorgezeichneten Weg beschritten habe. Wolle der Steuerpflichtige eine<br />

abgabenrechtliche Begünstigung auf dem Wege erreichen, den das Gesetz ausdrücklich vorsehe, liege nach der<br />

Rechtsprechung des Gerichtshofs jedoch kein Missbrauch vor. Die Beschwerdeführerin führte sodann aus, dass<br />

das DBA Irland (BGBl 1970/390) die Steuerfreiheit der Dividenden ohne Missbrauchsvorbehalt gewähre. Da<br />

jedoch die Eigenständigkeit der DBA-Auslegung die Anwendung innerstaatlicher Missbrauchsvorschriften<br />

zwingend ausschließe und es auf keinen Fall dazu kommen dürfe, dass die durch Artikel 8 Abs 4 DBA Irland<br />

garantierte Steuerfreiheit der Dividenden in Österreich in irgend einer Form - so etwa § 22 BAO - eingeschränkt<br />

werde, bestehe im Ergebnis in Österreich keine Steuerpflicht.<br />

Der Betriebsprüfer führt in seiner der Beschwerdeführerin zugestellten Stellungnahme zur Berufung<br />

Folgendes aus: Faktum sei, dass seit der Einführung der begünstigten Besteuerung <strong>für</strong><br />

Finanzierungsgesellschaften in Irland (10-%ige Besteuerung) ein massiver Kapitalzufluss (nicht nur aus<br />

Österreich) dorthin stattgefunden habe. Da nur irische Firmen (Banken) über die notwendigen Lizenzen<br />

verfügten, die Voraussetzung <strong>für</strong> die begünstigte Besteuerung seien, würden diese Besteuerungsvorteile in Form<br />

von Unterlizenzen an "in Irland errichtete ausländische Gesellschaften" weiter gegeben. Diese neu gegründeten<br />

Gesellschaften würden selbst keine Tätigkeit in Irland entfalten, sondern seien als funktionslose Gebilde<br />

lediglich in Form eines Türschildes bei dem jeweiligen Unterlizenzgeber, als so genannte Briefkastenfirma,<br />

etabliert. Sämtliche begünstigte Finanzierungsgeschäfte würden auf Grund eines Managementvertrages von der<br />

irischen Bank <strong>für</strong> die Unterlizenznehmerin getätigt. Wenn nicht alleiniger Zweck dieser Gestaltungsform die<br />

Steuervermeidung sein sollte, sondern, wie immer behauptet würde, der wichtige und durch äußerst kompetente<br />

Finanzfachleute repräsentierte Finanzplatz Irland im Vordergrund stehe, so dränge sich die Frage auf, wieso über<br />

funktionslose Briefkastenfirmen riesige Summen an Banken weiter geleitet würden, wenn auch ohne diesen<br />

Umweg die Ausnützung eines wichtigen Finanzplatzes möglich wäre, indem ein durch klare Vorgaben<br />

umrissener Bankauftrag direkt (oder über die Hausbank) gegeben werde.<br />

Auch die als außersteuerliche Gründe angeführten Argumente <strong>für</strong> die gewählte Gestaltungsform könnten<br />

nicht überzeugen, denn sowohl die Haftungsfrage als auch bilanzpolitische Maßnahmen seien unabhängig von<br />

der Einschaltung einer irischen Gesellschaft, da die gleichen "Vorteile" auch eine inländische Kapitalgesellschaft<br />

bieten würde. Weiters gehe das Argument der banktechnischen Gründe völlig ins Leere, da ja gerade diese<br />

Geschäfte auf Grund der fehlenden Lizenz nicht von einer der Beschwerdeführerin angehörenden Gesellschaft<br />

hätten getätigt werden können. Da vielmehr auf Grund des Managementvertrages eine irische Bank damit habe<br />

betraut werden müssen, hätten die Geschäfte jederzeit von einer österreichischen Bank durchgeführt werden<br />

können. Diesfalls hätte es einer Bankkonzession gar nicht bedurft. Der weiters angeführte Grund der<br />

vereinfachten Unternehmensgründung in Irland sei nach Ansicht der Prüfers deshalb nicht als beachtlicher<br />

außersteuerlicher Grund geeignet, da ja gerade die Gründung der zwischengeschalteten Gesellschaften nur mit<br />

der Steuervermeidung (Umqualifizierung in Dividendenflüsse) erklärbar sei. Die beiden anderen vorgebrachten<br />

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Verwaltungsgerichtshof 09.12.2004<br />

Gründe (regionale Risikostreuung, Bindung an Finanzplatz England) seien überhaupt nur sehr allgemein und<br />

sagten wenig Konkretes aus.<br />

Der Prüfer gehe daher von Missbrauch iSd § 22 BAO aus, da einerseits die von der Beschwerdeführerin<br />

gewählte Gestaltungsvariante bedingt gewesen sei durch die Erlangung der begünstigten irischen Besteuerung,<br />

aber andererseits <strong>für</strong> funktionslose Gebilde (sprich Briefkastenfirmen) ohne eigenes Personal, Betriebsvermögen<br />

und Büroräumlichkeiten keine außersteuerlichen Gründe vorgelegen seien.<br />

Mit Vorhalt vom 6. März 1998 forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin zur Vorlage ihrer<br />

Aufsichtsratprotokolle betreffend Zustimmung zur Gründung, Erwerb, Kapitalerhöhung und<br />

Gesellschafterzuschuss hinsichtlich der beiden irischen Gesellschaften auf und hielt ihr vor, der von ihr<br />

vorgelegten Aufstellung "Profit and Loss Account" der E <strong>für</strong> 1991 und 1992 seien keine Daten betreffend die<br />

Veranlagungsformen zu entnehmen, die Beschwerdeführerin habe jedoch mitgeteilt, dass die Veranlagung in<br />

Anleihen und Festgeld erfolgt sei. Es werde daher ersucht, die Zusammensetzung des Portefeuilles iSd Vorhaltes<br />

vom 7. Juli 1997 bekannt zu geben und durch Vorlage geeigneter Unterlagen nachzuweisen, da ansonsten<br />

angenommen werden müsse, dass der Unternehmensgegenstand der E, deren Anteile die Tochtergesellschaft T<br />

halte, zu mehr als 25 % im Verwalten von eigenen Forderungswertpapieren bestehe.<br />

Mit Schriftsatz vom 17. März 1998 legte die Beschwerdeführerin einen Auszug aus dem<br />

Aufsichtsratprotokoll vom 8. Mai 1991 und eine englischsprachige Aufstellung über die Veranlagung bei der<br />

Creditanstalt (London Branch), Z-Länderbank Austria AG (London Branch), Mercurbank AG und<br />

CA Leasing GmbH über ein Gesamtvolumen von ATS 380.000.000,- und einem Zinssatz von ca 8,5 % <strong>für</strong> den<br />

Zeitraum 11. Dezember 1992 bis 11. März 1993 vor und führte aus, aus der zur Verfügung gestellten Liste<br />

ergebe sich eindeutig, dass die von der irischen Tochtergesellschaft vorgenommene Veranlagung keinesfalls zu<br />

mehr als 25 % im Verwalten eigener Forderungswertpapiere bestehe. Erst über wiederholte Bitte habe der<br />

Vorstand der irischen Tochtergesellschaft diese Unterlagen zur Verfügung gestellt. Da die irische<br />

Tochtergesellschaft zunächst überhaupt keinen Anlass gesehen habe, derartige Unterlagen an die<br />

Beschwerdeführerin weiter zu leiten, sei dadurch die besondere Mitwirkung der Beschwerdeführerin im<br />

gegenständlichen Verfahren hervorzuheben.<br />

Im genannten Aufsichtsratprotokoll vom 8. Mai 1991 wird im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:<br />

W habe den Antrag gem Anlage 4 gestellt und erläutert, dass die anlässlich der 160. Aufsichtsratssitzung<br />

geforderte Überprüfung der Sicherheiten gezeigt habe, dass das Risiko <strong>für</strong> Veranlagungen über die Irlandtochter<br />

jenem <strong>für</strong> Veranlagungen in Österreich gleichzusetzen sei. Die Haftung durch die B Bank sei im Hinblick auf<br />

Verluste durch Managementvergehen durch ein entsprechendes Managementagreement gedeckt. Im Zuge der<br />

nochmaligen Überprüfung der Gesellschaftskonstruktion habe sich die Notwendigkeit der weiteren Tochter E<br />

herausgestellt, sodass mit der Kapitalerhöhung von ATS 10.500.000,- bei T die Möglichkeit gegeben sei, das<br />

Schachtelprivileg auszunützen und mit dem Zuschuss von ATS 390.000.000,- an E die Gesellschaftssteuer zu<br />

vermeiden. Im Vordergrund dieser Aktivitäten stehe eine Verbesserung des Finanzmanagements, wobei auch<br />

spezielle Leasingfinanzierungen ins Auge gefasst würden.<br />

In der mündlichen Verhandlung vom 26. März 1998 wurde von der Beschwerdeführerin ergänzend<br />

vorgebracht, dass immer gleichmäßig veranlagt und die 25 % Grenze durch Anleihen nicht überschritten worden<br />

sei. Zur Frage, weshalb als Hintergrund <strong>für</strong> die Gründung der Gesellschaft in Irland unter anderem die<br />

Haftungsbeschränkung genannt worden sei, obwohl bei Festgeld und Anleihen gar kein derartiges Risiko<br />

bestehe, wurde von der Beschwerdeführerin vorgebracht, man müsse zwischen Motiv und späterem<br />

tatsächlichen Geschehen unterscheiden. Die Ausgliederung sei zur Beschränkung der Haftung vorgenommen<br />

und damit Vorsorge <strong>für</strong> alle Eventualitäten getroffen worden. Der Vorstand der irischen Gesellschaft habe frei<br />

entscheiden und hätte auch ganz anders veranlagen können.<br />

Dem Hinweis der belangten Behörde, die irischen Gesellschaften hätten gar kein eigenes Personal, wurde von<br />

der Beschwerdeführerin entgegen gehalten, dass in Irland ( im Gegensatz zu Österreich ( der Vorteil bestehe,<br />

<strong>Teil</strong>zeitpersonal zu beschäftigen. Finanzierungsgesellschaften müssten ja nur den Markt beobachten und die<br />

Veranlagung vornehmen. Da<strong>für</strong> seien nicht drei Sekretärinnen, sondern nur Experten, die kaufen und ein Auge<br />

darauf haben, wie sich die Investitionen entwickeln, nötig.<br />

Über Vorhalt, dass nur einer der irischen Geschäftsführer und auch dieser nur mit ATS 17.795,- pro Jahr<br />

bezahlt worden sei, führte die Beschwerdeführerin aus, Irland sei eben sehr vorteilhaft und die Profis in Dublin<br />

im Financial Center sehr günstig.<br />

Mit Schriftsatz vom 26. März 1998 legt die Beschwerdeführerin Unterlagen betreffend die Veranlagungen der<br />

E in Festgeld vor.<br />

Daraus ist Folgendes ersichtlich:<br />

1) Veranlagung von ATS 277.168.113,37 in Festgeld bei der Oberbank in Linz zu 9,3 % vom<br />

11. November 1991 bis 11. Dezember 1991 - Zinsen ATS 3.148.052,88.<br />

2) Veranlagung von ATS 47.446.504,16 in Festgeld bei der CA,<br />

Landesdirektion OÖ, zu 9 % vom 9. Dezember 1991 bis 19. Dezember 1991 - Zinsen<br />

ATS 1.106.023,49.<br />

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Verwaltungsgerichtshof 09.12.2004<br />

Ergänzend wies die Beschwerdeführerin darauf hin, dass hieraus hervorginge, dass ihre Enkelgesellschaft E<br />

im gesamten Berufungszeitraum zu nicht mehr als 25 % in eigenen Forderungswertpapieren veranlagt habe.<br />

Mit Berufungsentscheidung vom 22. April 1998 wurde die Berufung von der belangten Behörde abgewiesen.<br />

Hiergegen erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, der deren<br />

Behandlung mit Beschluss vom 29. Februar 2000, B 1036/98 ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur<br />

Entscheidung abtrat.<br />

Mit Erkenntnis vom 23. April 2001, 2000/14/0053, hob der Verwaltungsgerichtshof die<br />

Berufungsentscheidung wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde auf.<br />

Im fortgesetzten Verfahren übermittelte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom<br />

10. August 2001 Kopien von Auszügen der Protokolle der Aufsichtsratssitzungen 161 vom 8. Mai 1991, 174<br />

vom 15. Dezember 1993 und 179 vom 21. Oktober 1994 sowie Unterlagen betreffend die Rückführung des<br />

Gesellschafterzuschusses Ende 1994.<br />

Den Auszügen der Protokolle der Aufsichtsratssitzungen ist Folgendes zu entnehmen:<br />

Aufsichtsratssitzung 174 vom 15. Dezember 1993:<br />

"Auf die Frage von (K) nach dem Grund der geringeren Dividenden ex T bemerkt (W), dass hie<strong>für</strong><br />

vorwiegend der sinkende Zinssatz ursächlich ist; es ist ohnehin zu überlegen, ob nicht eine Rückführung des<br />

Kapitals zweckmäßig wäre, da auf Grund steuerlicher Verluste (der Beschwerdeführerin in Österreich) sowie des<br />

Wegfalls der Vermögensteuer kein wesentlicher Grund mehr <strong>für</strong> die Veranlagungsform besteht".<br />

Anlage 14 zum Aufsichtsratsprotokoll 79 vom 21. Oktober 1994:<br />

"Wir ersuchen um Zustimmung, der (C) eine Anzahlung auf künftige Kapitalzufuhr in Höhe von<br />

ATS 400.000.000,- übertragen zu können.<br />

Begründung:<br />

Ansammlung von Finanzmittel <strong>für</strong> mögliche Jointventures in Indien und China im Zusammenhang mit<br />

Aktivitäten des Bereiches Technik (der Beschwerdeführerin) und <strong>für</strong> zukünftige Beteiligung an der (C),<br />

Brasilien.<br />

Folgende Schritte sind da<strong>für</strong> notwendig.<br />

1. (T) und (E), unsere beiden Tochtergesellschaften in Irland, beschließen eine Dividendenausschüttung in<br />

Höhe von ATS 400.000.000,-. Dies bedeutet eine Rückführung der in der E zur Verfügung stehenden Mittel an<br />

die (Beschwerdeführerin).<br />

2. (Die Beschwerdeführerin) beschließt, der (C) eine Anzahlung in der oben angeführten Höhe zu leisten.<br />

Bilanzielle Auswirkungen:<br />

zu 1. Vereinnahmung einer steuerfreien Dividende bei (der Beschwerdeführerin).<br />

zu 2. Einbuchung einer Forderung an die (C).<br />

Unser Steuerberater hat bestätigt, dass oben beschriebene Transaktionen keine Gebühren bzw<br />

Kapitalverkehrsteuern auslösen."<br />

Aufsichtsratssitzung 179 vom 21. Oktober 1994:<br />

"Zu Punkt 8 der Tagesordnung - Antrag auf Genehmigung von Anzahlungen der (Beschwerdeführerin) auf<br />

künftige Kapitalmaßnahmen der (C) - ersucht (R) um Berichterstattung.<br />

(S) berichtet anhand Anlage 14, dass eine Umschichtung der in den beiden irischen Tochtergesellschaften T<br />

und E angesammelten Liquidität auf die (C) in Höhe von ATS 400.000.000,- geplant ist, wobei hier eine<br />

Forderung in der Form einer Anzahlung an die (C) in der Bilanz (der Beschwerdeführerin) eingebucht wird.<br />

Der Aufsichtsrat genehmigt einstimmig die Transaktion."<br />

In der zweiten mündlichen Verhandlung am 18. April 2002 brachte die Beschwerdeführerin unter anderem<br />

vor, dass die Dividenden sowohl nach dem DBA Irland als auch nach innerstaatlichem Recht steuerfrei seien.<br />

Nach der Ausnahmebestimmung des § 7 Abs 4 letzter Satz KStG 1988 dürfe der Unternehmensgegenstand zu<br />

nicht mehr als 25 % im Verwalten eigener Forderungswertpapiere bestehen, es sei denn die ausländische<br />

Gesellschaft unterhalte einen Bankbetrieb. Das Schachtelprivileg sei wegen Vorliegens eines Bankbetriebs<br />

unbestreitbar. Es sei <strong>für</strong> einen <strong>Teil</strong>zeitraum nachgewiesen worden, dass die Beschwerdeführerin nur unter 25 %<br />

in Forderungswertpapieren veranlagt habe. Für den restlichen Zeitraum sei die Beischaffung der geforderten<br />

Unterlagen nicht möglich gewesen.<br />

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung neuerlich als unbegründet ab.<br />

Strittig sei, ob von in Österreich der Körperschaftsteuer unterliegenden Zinserträgen der Beschwerdeführerin<br />

auszugehen sei. Der Grundgedanke, der in § 22 BAO übernommen worden sei, besage, dass bei<br />

Rechtsmissbrauch die Abgaben so zu erheben seien, wie sie bei einer angemessenen rechtlichen Gestaltung<br />

angefallen wären. Hätten die Schöpfer dieses Rechtsgedankens damit einen Interpretationsgrundsatz <strong>für</strong> die<br />

einzelnen abgabenrechtlichen Vorschriften aufstellen wollen, so hätten sie dies doch klargestellt und es nicht auf<br />

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Verwaltungsgerichtshof 09.12.2004<br />

einen Interpretationsstreit ankommen lassen. Loukota (SWI 1991, S 166), dem sich die belangte Behörde<br />

anschließe, meine daher, dass den Schöpfern der Bestimmung des § 22 BAO nicht die Ideen einer "Innentheorie"<br />

vorgeschwebt wären, sondern dass diese erst nachträglich entstanden wäre.<br />

Missbrauch sei eine Gestaltung, die im Hinblick auf den angestrebten wirtschaftlichen Erfolg ungewöhnlich<br />

und unangemessen sei und ihre Erklärung nur in der Absicht der Steuervermeidung finde. Es sei dann zu prüfen,<br />

ob der gewählte Weg noch sinnvoll erscheine. wenn man den abgabenersparenden Effekt wegdenke, oder ob er<br />

ohne das Resultat der Steuerminderung einfach unverständlich wäre. Eine ungewöhnliche Gestaltung sei kein<br />

Missbrauch iSd § 22 BAO, wenn <strong>für</strong> sie außersteuerliche Gründe vorlägen, wobei es Sache des<br />

Abgabepflichtigen sei, die außersteuerlichen Gründe darzutun.<br />

Die Beschwerdeführerin vermeine offensichtlich, bei ihrem planmäßigen Vorgehen wäre jeder Schritt <strong>für</strong> sich<br />

zu betrachten und zu beurteilen. Die belangte Behörde verkenne nicht, dass die Gründung einer<br />

Finanzierungsgesellschaft an sich nicht Ungewöhnliches sei. Ungewöhnlich und unangemessen sei es nach<br />

Ansicht der belangten Behörde jedoch, <strong>für</strong> die geplante Veranlagung von Liquiditätsüberschüssen in Festgeld<br />

und Anleihen in Schilling eine Briefkastengesellschaft in einer Steueroase zu gründen, mit dieser Gesellschaft<br />

die Anteile einer zweiten irischen Gesellschaft zu erwerben, diese einen Managementvertrag mit einer irischen<br />

Gesellschaft abschließen zu lassen, welche die Gelder letztlich über Banken in Österreich in Festgeld und<br />

Anleihen in Schilling veranlage, und die daraus resultierenden Zinsen über die beiden irischen Gesellschaften als<br />

steuerfreie Schachteldividenden fließen zu lassen. Im gegenständlichen Fall sei unbestritten eine Veranlagung<br />

ausschließlich in Schilling getätigt worden. Die Mittel seien zunächst den irischen Gesellschaften in Schilling<br />

zugeführt worden. Diese Gesellschaften hätten ihre Jahresabschlüsse nicht in irischen Pfund, sondern in<br />

Schilling erstellt. Eine Veranlagung durch die zwischengeschaltete irische Gesellschaft sei sodann ebenfalls<br />

ausschließlich in Schilling erfolgt. Die belangte Behörde behaupte nun keineswegs, die Veranlagung in<br />

Festgeldern oder Anleihen sei unangemessen. Als unangemessen erachte sie im gegenständlichen Fall lediglich<br />

die Zwischenschaltung der Briefkastengesellschaften in Irland.<br />

Die Notwendigkeit bzw Sinnhaftigkeit der Einrichtung einer eigenen Finanzierungsgesellschaft, insbesondere<br />

einer solchen in Irland, vermöge die belangte Behörde im gegenständlichen Fall nicht zu erblicken.<br />

Gem § 95 Abs 5 Z 1 AktG sollten der Erwerb und die Veräußerung von Beteiligungen nur mit Zustimmung<br />

des Aufsichtsrates vorgenommen werden. Nach § 92 Abs 2 leg cit seien über die Verhandlungen und Beschlüsse<br />

des Aufsichtsrates Niederschriften zu erstellen. Es wäre völlig ungewöhnlich, wenn ein finanzielles Engagement<br />

im vorliegenden Umfang von ca ATS 400.000.000,- nicht dem Aufsichtsrat zur Genehmigung vorgelegt worden<br />

bzw von diesem nicht zumindest nachträglich erörtert worden wäre, wobei zweifelsohne auch die Motive aufs<br />

Tapet hätten kommen müssen. Tatsächlich finde sich im Prüfungsbericht betreffend den Jahresabschluss 1991<br />

der Beschwerdeführerin der Hinweis, dass der Aufsichtsrat am 7. März 1991 der Finanztransaktion mit einer<br />

irischen Tochtergesellschaft und am 8. Mai 1991 der Kapitalerhöhung bei der T und der Gewährung eines<br />

Zuschusses an eine Enkelgesellschaft zugestimmt habe. Erst über Urgenz der belangten Behörde vom<br />

6. März 1998 habe die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 17. März 1998 eine <strong>Teil</strong>ablichtung des<br />

Aufsichtsratprotokolls vom 8. Mai 1991 vorgelegt. Abgesehen davon, dass sie die dort genannte Anlage 4 nicht<br />

angeschlossen habe, sei festzustellen, dass sie das Aufsichtsratsprotokoll vom 7. März 1991 nicht vorgelegt<br />

habe. Am 7. März 1991 sei es jedoch offensichtlich um die Hintergründe, warum überhaupt Transaktionen über<br />

irische Tochtergesellschaften abgewickelt würden, gegangen. Die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin trotz<br />

ausdrücklicher, wiederholter Aufforderung weder das diesbezügliche Aufsichtsratsprotokoll, noch andere<br />

Planungsunterlagen bereffend Gründung und Erwerb der irischen Gesellschaften vorgelegt habe, lasse vermuten,<br />

dass diese Unterlagen nicht ihre behaupteten Motive stützen, sondern als bloß vorgeschobene Gründe entlarven<br />

würden.<br />

Dies sei durch die im Zuge der Anschlussprüfung beigeschafften Auszüge der Protokolle der<br />

Aufsichtsratssitzungen, die der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 10. August 2001 vorgehalten worden<br />

seien, bestätigt worden. Hier sei insbesondere auf jene Stelle des Protokolls hinzuweisen, aus der hervorgehe,<br />

dass Grund der streitgegenständlichen Gestaltung im Wesentlichen nur die Vermeidung der österreichischen<br />

Steuerbelastung, insbesondere der Vermögensteuer gewesen sei, weshalb nach deren Wegfall und auf Grund der<br />

Verluste der Beschwerdeführerin Überlegungen angestellt worden seien, ob eine Rückführung des Kapitals<br />

zweckmäßig wäre.<br />

Aus den <strong>Teil</strong>ablichtungen der Aufsichtsratssitzung 179 vom 21. Oktober 1994 sei zu entnehmen, dass von<br />

den irischen Gesellschaften im Wege einer ihnen auferlegten Dividendenausschüttung ATS 400.000.000,-<br />

abgezogen worden seien, was die steuerfreie Rückführung der Mittel an die Beschwerdeführerin verbunden mit<br />

einer <strong>Teil</strong>wertabschreibung der Beteiligung an der T ohne Belastung mit Gebühren oder Kapitalverkehrsteuern<br />

hätte bewirken sollen.<br />

Offenbar habe die Beschwerdeführerin sofort auf die Novelle des § 10 Abs 3 KStG 1988 per 1. Januar 1995,<br />

BGBl 1994/681, reagiert und wegen der gesunkenen steuerlichen Attraktivität (drohender Methodenwechsel von<br />

der Befreiung zur Steueranrechnung) die Mittel abgezogen.<br />

Missbrauch nach § 22 BAO könne auch bei Auslandsbeziehungen vorliegen. Bei einem Vertragsgeflecht wie<br />

im gegenständlichen Fall sei das Vorliegen von Missbrauch iSd § 22 BAO durchaus denkbar.<br />

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Verwaltungsgerichtshof 09.12.2004<br />

Entgegen den Behauptungen der Beschwerdeführerin könne die belangte Behörde keine beachtlichen<br />

außersteuerlichen Gründe <strong>für</strong> die vorgenommene Gestaltung erkennen. Die von der Beschwerdeführerin<br />

vorgetragenen, nachstehend angeführten außersteuerlichen Gründe seien nicht stichhaltig.<br />

( Haftungsgründe und regionale Risikostreuung:<br />

Bei der Veranlagung von Liquiditätsüberschüssen des Konzerns erscheine die Haftung keineswegs als<br />

plausibler Grund <strong>für</strong> die Zwischenschaltung einer Finanzierungsgesellschaft. Bei Insolvenz eines Schuldners<br />

wären lediglich die hingegebenen Geldmittel verloren. Worin im gegenständlichen Fall die regionale<br />

Risikostreuung liegen solle, wenn ohnehin - offensichtlich um Spesen <strong>für</strong> das Umwechseln zu vermeiden - eine<br />

Veranlagung nur in Schilling erfolgt sei, bleibe nicht nachvollziehbar. Dass geplant gewesen sei, auch ganz<br />

andere Veranlagungen vorzunehmen, erscheine der belangten Behörde unglaubwürdig.<br />

( Vereinfachung der Gesellschaftsgründung:<br />

Da die belangte Behörde - wie der Betriebsprüfer - davon ausgehe, dass die angemessene Gestaltung die<br />

direkte Beauftragung einer Bank mit der Veranlagung gewesen wäre, erwiesen sich sogar die zwar geringfügigen<br />

Kosten und Bemühungen <strong>für</strong> die Gründung bzw den Erwerb der beiden irischen Gesellschaften als unnötig. Die<br />

Argumentation der Beschwerdeführerin gehe daher ins Leere.<br />

( Unterstützung besonders anerkannter Finanzierungsexperten:<br />

Die Veranlagung von Liquiditätsüberschüssen in Festgeld und Anleihen in Schilling - sei es nun bei der<br />

Commerzbank, der Ungarischen Nationalbank oder der Republik Österreich - bedürfe keiner irischen<br />

Finanzierungsexperten. Im Schriftsatz vom 17. November 1997 habe die Beschwerdeführerin überdies die<br />

teilweise Veranlagung in Österreich bei der Bank Austria AG und CA in Wien, der Oberbank, der<br />

Mercur Bank AG und der Raiffeisenlandesbank in Linz eingestanden. So verwundere es nicht weiter, dass die<br />

Direktoren der E überhaupt nichts und von den Direktoren der T auch nur einer eine Entlohnung erhalten habe.<br />

Doch auch diese habe nur ca ATS 18.000,- pro Jahr betragen. Trotz der Behauptung der Beschwerdeführerin,<br />

Irland sei eben sehr günstig und die Profis im Financial Center in Dublin billig, vertrete die belangte Behörde die<br />

Ansicht, dass dieser Betrag derart gering sei, dass insbesondere in Anbetracht der Höhe der letztlich veranlagten<br />

Mittel von ca ATS 400.000.000,- gefolgert werden müsse, dass von den beiden irischen Gesellschaften gar keine<br />

nennenswerte Tätigkeit erbracht worden sei. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse gehe die belangte Behörde<br />

daher in freier Beweiswürdigung davon aus, dass das Argument mit den Finanzierungsexperten jedenfalls nicht<br />

den Grund <strong>für</strong> die vorgenommene Gestaltung darstelle.<br />

Hinsichtlich der Überwachung der irischen Manager (B Bank) vertrete die belangte Behörde die Ansicht, dass<br />

diese durch die beiden aus der Führungsetage der Beschwerdeführerin entsandten Mitglieder des Vorstandes der<br />

T und E wahrgenommen worden sei.<br />

( Anbindung an den Finanzplatz England:<br />

Dieses Argument erscheine der belangten Behörde, insbesondere auf Grund der oben dargestellten<br />

Veranlagung ausschließlich in Schilling und in Mitteleuropa, zudem teilweise überhaupt bei österreichischen<br />

Banken, ebenfalls unglaubwürdig. Die Zahlungen zwischen der Beschwerdeführerin und den beiden irischen<br />

Gesellschaften seien in Schilling erfolgt. Auch die vorliegenden Jahresabschlüsse der irischen Gesellschaften<br />

seien in Schilling erstellt.<br />

( Bankrechtliche Gründe:<br />

Das Bankwesengesetz, BGBl 532/1993, stamme erst aus dem Jahr 1993 und scheide deshalb schon aus<br />

logischen Gründen als Argument und ernsthaftes Motiv <strong>für</strong> die Gründung der T im Jahr 1990 aus.<br />

( Erhöhung des ausschüttungspolitischen Spielraumes:<br />

Der Prüfer habe dem zutreffend entgegen gehalten, dass dieser Zweck auch durch eine österreichische<br />

Kapitalgesellschaft hätte erfüllt werden können. Außerdem habe die Beschwerdeführerin bereits 1990<br />

Beteiligungen an Kapitalgesellschaften im In- und Ausland besessen. Die Verfolgung einer Ausschüttungspolitik<br />

sei daher ohnehin schon vor Gründung bzw Erwerb der irischen Gesellschaften möglich gewesen. So seien etwa<br />

<strong>für</strong> 1989 bereits ATS 85.312.500,- an Dividenden ausgeschüttet worden. All dies spreche da<strong>für</strong>, dass es sich<br />

hierbei um ein bloß vor- bzw nachgeschobenes Argument handle und um kein Motiv <strong>für</strong> die Gründung der<br />

irischen Gesellschaften.<br />

Dem Einwand, die Möglichkeit der Einschaltung ausländischer Finanzierungsgesellschaften sei vom<br />

Gesetzgeber vorgezeichnet, entgegnete die belangte Behörde, die Beschwerdeführerin verkenne, dass Gründung<br />

bzw Erwerb der beiden irischen Gesellschaften nicht isoliert, sondern im Konnex mit der faktischen<br />

Veranlagung der Liquiditätsüberschüsse der Beschwerdeführerin, deren Erträge ihr letztlich wieder zugeflossen<br />

sind, zu betrachten und zu beurteilen seien. § 22 BAO sei nicht nur bei wirtschaftlicher, sondern auch bei<br />

rechtlicher Anknüpfung anwendbar. Außerdem habe § 7 Abs 4 KStG 1988 idF BGBl 1989/660 durch die<br />

Verwendung des Begriffes "Gewinnanteile jeder Art" ohnehin auch einen wirtschaftlichen Anknüpfungspunkt.<br />

Aus der Novelle des § 10 Abs 3 KStG 1988 per 1. Januar 1995, BGBl 1994/681, lasse sich nach Ansicht der<br />

belangten Behörde entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin nicht ableiten, dass die dort<br />

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Verwaltungsgerichtshof 09.12.2004<br />

angesprochenen Einkünfte vor diesem Zeitpunkt in jedem Fall der Steuerbefreiung <strong>für</strong> internationale<br />

Schachtelerträge unterlägen.<br />

Die von der Beschwerdeführerin gewählte Gestaltung führe zu einer Steuerersparnis. 1987 habe Irland im<br />

ehemaligen Hafengebiet von Dublin ein Zentrum <strong>für</strong> Internationale Finanzdienstleistungen (IFSC) geschaffen.<br />

Unternehmen, die sich im IFSC niederließen, erhielten unter bestimmten Voraussetzungen u.a. eine<br />

zeitbegrenzte Steuervergünstigung in Form einer Ermäßigung des Körperschaftsteuersatzes auf effektiv 10 %.<br />

Nach dem irischen Steuerrecht werde auf Dividendenzahlungen einer Körperschaft an den Anteilseigner eine<br />

Advance Corporation Tax (ACT) erhoben. Diese betrage 1/18 der Dividende, wenn die Gewinne der<br />

Körperschaft der ermäßigten Körperschaftsteuer von 10 % unterlägen. ACT falle jedoch nicht an, wenn die<br />

Dividenden an eine Muttergesellschaft gezahlt würden, die mindestens 75 % der Anteile an der irischen<br />

Gesellschaft halte und in einem Land ansässig sei, mit dem ein DBA bestehe. Irland erhebe im gegenständlichen<br />

Fall keine Quellensteuer.<br />

Es sei unbestritten, dass im gegenständlichen Fall die Gewinne aus der Veranlagung in Anleihen und<br />

Festgelder lediglich der irischen ermäßigten Körperschaftsteuer von 10 % unterworfen seien und damit eine<br />

Ersparnis von 2/3 gegenüber dem in Österreich <strong>für</strong> diesen Zeitraum geltenden Körperschaftsteuersatz von 30 %<br />

(zuzüglich Gewerbesteuer) bewirkt worden sei. Das wahre Motiv der Beschwerdeführerin <strong>für</strong> die<br />

vorgenommene ungewöhnliche und unangemessene Gestaltung liege damit nach Ansicht der belangten Behörde<br />

mit der Steuerersparnis von mehreren Millionen Schilling auf der Hand.<br />

Die angemessene Gestaltung wäre im gegenständlichen Fall die Veranlagung durch die direkte Beauftragung<br />

österreichischer Banken gewesen, die letztlich großteils ohnedies erfolgt sei. Dem von der Beschwerdeführerin<br />

erhobenen Einwand, der Effekt der steuerfreien Thesaurierung hätte auch durch Einschaltung einer Privatstiftung<br />

im Inland erzielt werden können, sei entgegen zu halten, dass dies <strong>für</strong> den Berufungszeitraum nicht zutreffe, weil<br />

das Privatstiftungsgesetz, BGBl 694/1993, zufolge dessen Art XI erst mit 1. September 1993 in Kraft getreten<br />

sei.<br />

Wenn man den abgabensparenden Effekt wegdächte, erscheine der hier eingeschlagene Weg nicht nur nicht<br />

sinnvoll, er wäre nach Ansicht der belangten Behörde vielmehr einfach unverständlich. Damit seien alle nach der<br />

Rechtsprechung erforderlichen Voraussetzungen <strong>für</strong> das Vorliegen eines Missbrauches iSd § 22 BAO erfüllt.<br />

Gem Artikel 8 Abs 4 DBA Irland seien Dividenden, die von einer in Irland ansässigen Gesellschaft an eine in<br />

Österreich ansässige Gesellschaft gezahlt würden, von der österreichischen Steuer befreit. Es könne nicht<br />

ernsthaft behauptet werden, dass Bestimmungen eines DBA in ihrem Zusammenhang so interpretiert werden<br />

müssten, dass das Abkommen ein missbräuchliches internationales Steuerumgehungskonzept schützen und<br />

damit fördern wolle. Ziel und Zweck eines solchen Abkommens sei die Vermeidung der Doppelbesteuerung,<br />

nicht aber die Schaffung von Steuerumgehungsmöglichkeiten.<br />

Es könne den Unterhändlern eines DBA nicht die Absicht unterstellt werden, dass sie durch dessen Abschluss<br />

die Steuerumgehung fördern wollten. Dies wäre jedoch der Fall, wenn sie sich durch dessen Abschluss der<br />

Möglichkeit berauben würden, ihre innerstaatlichen Regelungen zur Bekämpfung der internationalen<br />

Steuerumgehung einzusetzen. Denn dadurch wäre im Verhältnis zum Vertragspartner (hier Irland) im Ergebnis<br />

jeglicher Missbrauch legalisiert. Die Legalisierung von Missbrauch könne aber nicht Abkommenszweck sein.<br />

Die im bekämpften Bescheid vorgenommene Besteuerung stehe auch im Einklang mit dem DBA Irland und<br />

dem Völkerrecht. Schon deshalb könne der Berufung kein Erfolg beschieden sein.<br />

Zum selben Ergebnis komme man jedoch auch, wenn man den Weg der richtigen Zurechnung der Einkünfte<br />

beschreite:<br />

Für die Lösung der Frage, ob einer Person mit steuerlicher Wirkung Einkünfte zuzurechnen seien, komme es<br />

entscheidend darauf an, ob diese Person auch über die Einkünftequelle verfügt; dies wiederum setze voraus, dass<br />

diese Person auf die Einkünfteerzielung Einfluss nehmen könne, indem sie am Wirtschaftsleben teilnehme und<br />

die bloße Nutzungsmöglichkeit nach eigenen Intentionen gestalte; Zurechnungssubjekt sei nur derjenige, der die<br />

sich ihm bietenden Marktchancen ausnütze, Leistungen zu erbringen oder zu verweigern.<br />

Die streitgegenständlichen Gelder seien letztlich an Schuldner in Österreich und Ungarn vergeben worden.<br />

Die Mittel stammten aus Liquiditätsüberschüssen der Beschwerdeführerin. Die Abschlüsse der irischen<br />

Gesellschaften seien offensichtlich deshalb in Schilling erstellt worden. Die ausgewiesenen Geschäftsführer der<br />

beiden irischen Gesellschaften seien einerseits offensichtlich drei Angehörige von Treuhandunternehmen vor Ort<br />

und andererseits zwei Mitglieder aus der Führungsetage der Beschwerdeführerin gewesen. Der auf die irischen<br />

Geschäftsführer entfallende Aufwand lasse nur auf eine geringfügige Tätigkeit dieser Personen schließen.<br />

Die beiden irischen Gesellschaften hätten weder eigenes Personal noch ein eigenes Büro, sie hätten nicht<br />

einmal eine eigene Fax- oder Telefonnummer. Nach dem Gesamtbild handle es sich bei diesen beiden<br />

Gesellschaften nach Ansicht der belangten Behörde daher um Unternehmen, die gar keinen eigenen<br />

geschäftlichen Betrieb hätten und deswegen keine Leistung erbringen könnten. Diese Einkünfte sind daher direkt<br />

der Beschwerdeführerin zuzurechnen, weil diese ihre Liquiditätsüberschüsse selbst in Österreich und Ungarn in<br />

Schilling in Anleihen und Festgeld veranlagt habe. Da<strong>für</strong> spreche auch, dass in der Geschäftsführung der<br />

irischen Gesellschaften die beiden leitenden Herren der Beschwerdeführerin installiert worden seien.<br />

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Verwaltungsgerichtshof 09.12.2004<br />

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich dadurch in ihren<br />

Rechten verletzt, dass ihr mit dem angefochtenen Bescheid Einkünfte zugerechnet worden seien, die nicht ihr,<br />

sondern ihren Tochtergesellschaften zuzurechnen seien.<br />

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:<br />

Gem § 10 KStG idF BGBl 660/1989 sind unter anderem folgende<br />

Beteiligungserträge von der Körperschaftsteuer befreit:<br />

"5. Bei internationalen Schachtelbeteiligungen (§ 7 Abs. 4):<br />

( Gewinnanteile jeder Art aus der Beteiligung. Voraussetzung ist, dass die Beteiligung seit mindestens zwölf<br />

Monaten vor dem <strong>für</strong> die Ermittlung des Einkommens maßgeblichen Bilanzstichtag ununterbrochen bestanden<br />

hat; die Frist von zwölf Monaten gilt nicht <strong>für</strong> Anteile, die auf Grund einer Kapitalerhöhung erworben wurden,<br />

soweit sich das Beteiligungsausmaß dadurch nicht erhöht hat,..."<br />

§ 7 Abs 3 u 4 KStG idF BGBl 660/1989 lautet:<br />

"(3) Bei Steuerpflichtigen, die auf Grund der Rechtsform nach handelsrechtlichen Vorschriften zur<br />

Buchführung verpflichtet sind, sind alle Einkünfte (§ 2 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes 1988) den<br />

Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 23 Z 1 des Einkommensteuergesetzes 1988) zuzurechnen. Bei Betrieben<br />

gewerblicher Art (§ 2), die nach handelsrechtlichen Vorschriften zur Buchführung verpflichtet sind, und bei<br />

Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften ist der Gewinn nach § 5 des Einkommensteuergesetzes 1988 zu<br />

ermitteln.<br />

(4) Bei unter Abs. 3 fallenden Steuerpflichtigen bleiben nach Maßgabe des § 10 Z 5 Gewinnanteile jeder<br />

Art aus einer internationalen Schachtelbeteiligung sowie Gewinne aus der Veräußerung der Beteiligung außer<br />

Ansatz. Eine internationale Schachtelbeteiligung liegt vor, wenn der Steuerpflichtige an ausländischen<br />

Gesellschaften, die einer inländischen Kapitalgesellschaft vergleichbar sind, nachweislich in Form von<br />

Gesellschaftsrechten unmittelbar mindestens zu einem Viertel beteiligt ist. Der Unternehmensgegenstand der<br />

ausländischen Gesellschaft darf zu nicht mehr als 25% im Verwalten von eigenen Forderungswertpapieren<br />

(<strong>Teil</strong>schuldverschreibungen, Pfandbriefe, Kommunalschuldverschreibungen und ähnliche Wertpapiere) und<br />

Beteiligungen an anderen Unternehmen mit einem derartigen Unternehmensgegenstand liegen, es sei denn, die<br />

Gesellschaft unterhält einen Bankbetrieb."<br />

§ 22 BAO lautet:<br />

"(1) Durch Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes kann die<br />

Abgabepflicht nicht umgangen oder gemindert werden.<br />

(2) Liegt ein Missbrauch (Abs. 1) vor, so sind die Abgaben so zu erheben, wie sie bei einer den<br />

wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu erheben<br />

wären."<br />

Nach ständiger hg Rechtsprechung wird als Missbrauch im Sinn dieser Gesetzesstelle eine rechtliche<br />

Gestaltung angesehen, die im Hinblick auf die wirtschaftliche Zielsetzung ungewöhnlich und unangemessen ist<br />

und nur aufgrund der damit verbundenen Steuerersparnis verständlich wird. Dabei bildet im Allgemeinen nicht<br />

ein einziger Rechtsschritt, sondern eine Kette von Rechtshandlungen den Sachverhalt, mit dem die Folge des<br />

§ 22 Abs 2 BAO (bzw § 44 UmgrStG) verbunden ist. Ein Missbrauch kann also in der dem tatsächlichen<br />

Geschehen nicht angemessenen Hintereinanderschaltung mehrerer rechtlicher Schritte bestehen (vgl. Stoll,<br />

BAO-Kommentar, 248).<br />

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es <strong>für</strong> die Beurteilung einer Gestaltung als<br />

Missbrauch iSd § 22 BAO nicht darauf an, ob der Tatbestand der anzuwendenden Rechtsnormen stärker oder<br />

weniger stark an das Zivilrecht anknüpft (vgl beispielsweise das hg Erkenntnis vom 24. Juni 2003, 97/14/0060,<br />

14. Jänner 2003, 97/14/0042, 97/14/0051; 2. August 2000, 98/13/0152).<br />

Nach § 22 BAO sind im Umgehungsfall die Steuern so zu erheben, wie sie bei einer den wirtschaftlichen<br />

Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu erheben wären (vgl Kruse,<br />

Steuerrecht3, München 1991, 114, und etwa die hg Erkenntnisse vom 20. März 2002, 96/15/0258, und vom<br />

15. Juni 1993, 91/14/0253).<br />

Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Bestimmung<br />

des § 22 BAO in einer Weise ausgelegt, die mit der - oben wieder gegebenen - hg Rechtsprechung in Einklang<br />

steht. Unzutreffend sind auch die Beschwerdeausführungen, der Verwaltungsgerichtshof wäre von seiner - oben<br />

wieder gegebenen - Rechtsprechung mit den Erkenntnissen vom 24. Jänner 1984, 83/14/0130, vom<br />

13. September 1988, 87/14/0128, vom 23. Mai 1990, 89/13/0272, und vom 20. Juni 1995, 92/13/0268,<br />

abgegangen. Im letztgenannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass<br />

Missbrauch nicht vorliege, wenn der Steuerpflichtige unmittelbar jenen Weg beschreite, den das Gesetz selbst<br />

vorzeichne; diese Ansicht, von der auch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausgeht, hält der<br />

Verwaltungsgerichtshof aufrecht.<br />

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Verwaltungsgerichtshof 09.12.2004<br />

Der Steuerpflichtige ist grundsätzlich nicht gehindert, Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des<br />

bürgerlichen Rechts so einzusetzen, dass die geringste Steuerbelastung erzielt wird. Im Falle einer rechtlichen<br />

Gestaltung, die im Hinblick auf den angestrebten wirtschaftlichen Erfolg ungewöhnlich und unangemessen ist<br />

und ihre Erklärung nur in der Absicht der Steuervermeidung findet, ist zu prüfen, ob der gewählte Weg noch<br />

sinnvoll erscheint, wenn man den abgabenersparenden Effekt wegdenkt oder ob er ohne das Resultat der<br />

Steuerminderung einfach unverständlich ist (vgl das hg Erkenntnis vom 30.5.1990, 86/13/0046). Können daher<br />

beachtliche außersteuerliche Gründe <strong>für</strong> eine ( wenn auch ungewöhnliche ( Gestaltung angeführt werden, ist ein<br />

Missbrauch auszuschließen (vgl auch das hg Erkenntnis vom 24.11.1982, 81/13/0021).<br />

Wie der Gerichtshof bereits mit Erkenntnis vom 26. Juli 2000, 97/14/0070, ausgesprochen hat, lässt das<br />

Fehlen einschlägiger Bestimmungen in einem DBA nicht den Schluss zu, dass das Abkommen den Missbrauch<br />

von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts <strong>für</strong> zulässig erklärt. Derartiges wäre mit dem<br />

( <strong>für</strong> die Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrages bedeutsamen (vgl Artikel 31 des Wiener Übereinkommens<br />

über das Recht der Verträge BGBl 40/1980) ( Ziel und Zweck des Abkommens, die Besteuerungsrechte auf die<br />

Staaten nach sachlichen Kriterien aufzuteilen, unvereinbar. Auch bei Fehlen ausdrücklicher<br />

Abkommensbestimmungen hat daher ein Staat das Recht, sich vor einer unberechtigten Ausnützung der im<br />

Abkommen vorgesehenen Steuervorteile zu schützen (vgl auch Loukota, Internationale Steuerplanung und<br />

"treaty-shopping", ÖStZ 1990, 2 ff, und die dort referierte Rechtsprechung des BFH). Diese Auffassung<br />

entspricht auch der überwiegenden Staatenpraxis (vgl dazu den bei Loukota, aaO, zitierten OECD-Bericht).<br />

Die Beschwerde zeigt zutreffend auf, dass § 22 BAO an eine ungewöhnliche und unangemessene Gestaltung,<br />

die in Steuerersparnisabsicht gesetzt wurde, anknüpft. Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat die belangte<br />

Behörde im angefochtenen Bescheid aber die hie<strong>für</strong> erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen getroffen.<br />

Die belangte Behörde hat die Feststellung getroffen, dass die Beschwerdeführerin <strong>für</strong> die geplante<br />

Veranlagung ihrer Liquiditätsüberschüsse eine Gesellschaft (mit einem im Wesentlichen in Schillingwährung<br />

bestehenden Stammkapital) in der irischen Wirtschaftszone <strong>für</strong> Finanzdienstleistungen ( IFSC (Steueroase) (<br />

gegründet und mit dieser Gesellschaft die Anteile einer zweiten irischen Gesellschaft (wiederum mit einem im<br />

Wesentlichen in Schillingwährung bestehenden Kapital) erworben habe. Im Beschwerdefall sind zur bloßen<br />

Tatsache der Gründung bzw des Kaufes von irischen Gesellschaften (die ihre Jahresabschlüsse in Schilling<br />

erstellten) noch eine Reihe von weiteren Umstände hinzugetreten: Die Gesellschaft E hat von der<br />

Beschwerdeführerin einen "Zuschuss" von ATS 390.000.000,- erhalten, der nicht auf einen Kapitalbedarf der E<br />

zurückzuführen war. Die E veranlagte das Kapital konservativ in Festgeld in Schillingwährung und Anleihen in<br />

Schillingwährung, noch dazu im Wesentlichen bei Banken in Österreich, um die daraus resultierenden Zinsen<br />

über die Gesellschaften T als steuerfreie Schachteldividenden an die Beschwerdeführerin fließen zu lassen. Die<br />

Aktivitäten der irischen Gesellschaften haben sich auf die Veranlagung der Liquiditätsüberschüsse der<br />

Beschwerdeführerin beschränkt; sie haben über keine eigenen Büroräume verfügt; ihr Personal bestand lediglich<br />

aus Direktoren, von denen jeweils zwei zugleich leitende Angestellte der Beschwerdeführerin waren und die<br />

anderen zwar in Irland ansässig waren, aber entweder gar nicht oder nur geringfügigst entlohnt werden mussten.<br />

In der Beschwerde wird eingewendet, die belangte Behörde habe zu Unrecht angenommen, dass die E von<br />

vornherein eine Veranlagung in Schilling geplant habe. Weiters habe sie ihre Feststellung nicht begründet,<br />

wonach die T als "Briefkastengesellschaft" und Irland als "Steueroase" anzusehen sei. Zudem habe die<br />

Beschwerdeführerin keineswegs Einfluss auf die Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft genommen, weshalb<br />

nicht zu vermuten sei, dass sie den Abschluss eines Vertrages zwischen der E und einer irischen Bank veranlasst<br />

habe.<br />

Im Beschwerdefall steht außer Zweifel, dass die Behörde mit dem Begriff der "Briefkastengesellschaft" auf<br />

die ( von der Beschwerdeführerin keineswegs bestrittene ( Tatsache Bezug genommen hat, dass weder die T<br />

noch die E über eigene Büroräumlichkeiten verfügten, sondern nur jene der B Bank in Dublin mitbenützen<br />

konnten. Die beiden irischen Gesellschaften schienen weder im irischen Telefonbuch noch im<br />

Welttelexverzeichnis auf. In der ( nicht konkret bestrittenen ( Stellungnahme des Prüfers zur Berufung der<br />

Beschwerdeführerin wird ausgeführt, die Gesellschaften "entfalten selbst keine Tätigkeit in Irland, sondern sind<br />

als funktionslose Gebilde lediglich in Form eines Türschildes bei dem jeweiligen Unterlizenzgeber" etabliert.<br />

Bei dieser Sachlage und unter Berücksichtigung der geringen Steuerbelastung, welcher die irischen<br />

Gesellschaften unterlagen, erscheint der Begriff der "Briefkastengesellschaft" als durchaus geeignet, die in Rede<br />

stehenden irischen Gesellschaften zu charakterisieren. Dies gilt auch <strong>für</strong> den Begriff der "Steueroase". Aus dem<br />

angefochtenen Bescheid ist nämlich ohne weiteres erkennbar, dass die belangte Behörde diese Formulierung<br />

gewählt hat, um die besonderen steuerlichen Begünstigungen, welche Irland ausländischen Gesellschaften unter<br />

bestimmten ( im Beschwerdefall gegebenen ( Voraussetzungen einräumte, zu beschreiben. Auf diese besondere<br />

steuerliche Situation hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausführlich hingewiesen.<br />

Gesellschafter der E war ausschließlich die T, deren einzige Gesellschafterin wiederum die<br />

Beschwerdeführerin war. Weiters wurde die Geschäftsführung beider irischer Gesellschaften<br />

unbestrittenermaßen von drei Iren, von denen lediglich einer ein Honorar (geringfügige Entlohnung von ca<br />

ATS 18.000,- pro Jahr) bezog, sowie von zwei von der Beschwerdeführerin aus dem Kreis ihrer Dienstnehmer<br />

entsandten Österreichern wahrgenommen. Solcherart handelt es sich im Verhältnis der T zur E und zur<br />

Beschwerdeführerin im Hinblick auf die finanzielle und organisatorische Eingliederung um organschaftsähnliche<br />

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Verwaltungsgerichtshof 09.12.2004<br />

Gestaltungen. Bei dieser Sachlage hält die Beweiswürdigung der belangten Behörde, wonach die maßgeblichen<br />

Finanzierungsentscheidungen betreffend die Veranlagung der ca 400 Millionen Schilling nicht in Irland, sondern<br />

bei der Beschwerdeführerin getroffen wurden, der verwaltungsgerichtlichen Schlüssigkeitskontrolle stand. In<br />

diesem Zusammenhang konnte auch der Umstand mitberücksichtigt werden, dass eine konservative Veranlagung<br />

in Schillingwährung, im Wesentlichen bei österreichischen Banken gewählt worden ist, und dass die<br />

Beschwerdeführerin letztlich den Rückfluss der Mittel (und deren Verwendung <strong>für</strong> andere Zwecke) veranlasst<br />

hat. Die Frage, ob sich die Beschwerdeführerin bereits im vorhinein <strong>für</strong> diese konkrete Art der Veranlagung<br />

entschieden hatte, ist im gegebenen Zusammenhang nicht von entscheidender Bedeutung.<br />

Dass die belangte Behörde bei der gegebenen Sachlage von einer ungewöhnlichen und unangemessenen<br />

Gestaltung ausgegangen ist und die Ursache <strong>für</strong> die Wahl einer solchen Gestaltung im subjektiven Streben nach<br />

Steuervermeidung gesehen hat, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht als rechtswidrig zu erkennen.<br />

Dem steht auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht entgegen, wonach<br />

Finanzierungsentscheidungen niemals unangemessen sein könnten. Denn fraglich ist im streitgegenständlichen<br />

Fall nicht isoliert die Angemessenheit der Finanzierungsentscheidung der E. Zu beurteilen ist vielmehr die<br />

Gesamtgestaltung, welche ( wie oben ausgeführt ( als ungewöhnlich und unangemessen beurteilt werden durfte.<br />

Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auch mit<br />

allen von der Beschwerdeführerin behaupteten außersteuerlichen Gründe <strong>für</strong> die gewählte Vorgangsweise<br />

auseinander gesetzt und ist in unbedenklicher Weise zum Ergebnis gelangt, dass diese Gründe in Wahrheit nicht<br />

vorgelegen sind:<br />

Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Ausgliederung der Finanzierungsaktivitäten in eine eigene<br />

Gesellschaft hätte insbesondere der Haftungsverminderung gedient. Diesem Argument hat die belangte Behörde<br />

im angefochtenen Bescheid zutreffend entgegen gehalten, dass bei der Veranlagung in Festgeld und bei der<br />

Zeichnung von Anleihen im Falle der Insolvenz des Schuldners die hingegebenen Geldmittel verloren seien,<br />

dieses Risiko aber durch die Zwischenschaltung irischer Gesellschaften nicht gemindert werde. Den weiteren<br />

Ausführungen der Beschwerdeführerin, dass bei Finanzierungsaktivitäten durch Übernahme zusätzlicher<br />

Verpflichtungen mehr als das eingesetzte Kapital verloren gehen könnte, ist einerseits zu entgegnen, dass<br />

keinerlei Anzeichen da<strong>für</strong> sprechen, dass risikoreiche Veranlagungsformen dieser Art hinsichtlich der in Rede<br />

stehenden Liquiditätsüberschüsse der Beschwerdeführerin in Betracht gezogen worden wären, anderseits, dass<br />

die Haftungsbeschränkung <strong>für</strong> risikoreiche Geschäfte nicht erreicht werden kann, wenn die<br />

Liquiditätsüberschüsse (ca ATS 400.000.000,-) gerade jenen Gesellschaften überwiesen werden, auf welche die<br />

Haftung beschränkt werden soll, zumal dann die Gläubiger dieser Gesellschaften auf diese Geldmittel greifen<br />

können.<br />

Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, dass Gesellschaftsgründungen in Irland einfacher als in<br />

Österreich durchgeführt werden könnten. Diesem Einwand ist im angefochtenen Bescheid zutreffend entgegen<br />

gehalten worden, dass vergleichsweise nicht auf eine Gesellschaftsgründung in Österreich, sondern darauf<br />

abzustellen ist, welche Kosten und Mühen eine gewöhnliche und angemessene Gestaltung verursacht hätte. Eine<br />

solche hätte jedoch in der direkten Veranlagung (in Anleihen, etc) bestanden, ohne dass es der<br />

Zwischenschaltung einer irischen Gesellschaft bedurft hätte. Im Vergleich dazu hat die Gesellschaftsgründung in<br />

Irland jedenfalls höhere Kosten und Mühen verursacht.<br />

In der Beschwerde wird sodann darauf hingewiesen, dass in Irland besonders ausgebildete<br />

Finanzierungsexperten zur Verfügung gestanden seien. Dabei stünde es der Qualität der Experten nicht entgegen,<br />

dass sich diese <strong>für</strong> eine Veranlagung in österreichischen (aber auch deutschen und ungarischen) Wertpapieren<br />

entschieden hätten sowie aufgrund des geringen Zeitaufwandes nur geringfügig entlohnt worden seien.<br />

Wie bereits aufgeführt hält die Beweiswürdigung der belangten Behörde, wonach die maßgeblichen<br />

Finanzierungsentscheidungen nicht in Irland getroffen worden seien, der verwaltungsgerichtlichen<br />

Schlüssigkeitskontrolle stand. Darüber hinaus unterlässt es die Beschwerdeführerin darzulegen, warum die<br />

Beiziehung der irischen Anlageberater gerade der streitgegenständlichen Gestaltung bedurft habe, wäre es der<br />

Beschwerdeführerin doch unbenommen gewesen, sich unmittelbar ( etwa im Wege eines Werkvertrages ( der<br />

Beratungsleistungen dieser Personen zu bedienen. Solcherart ist nicht ersichtlich, warum die gleiche<br />

Beratungsleistung nicht auch von Österreich aus ( ohne Zwischenschaltung zweier irischer Gesellschaften ( zu<br />

erreichen gewesen wäre.<br />

Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, dass durch die Gründung der irischen Finanzierungsgesellschaft<br />

die Voraussetzungen <strong>für</strong> eine Internationalisierung geschaffen worden seien. Für diese Einsicht bedürfe es keiner<br />

umfangreichen schriftlichen Konzepte.<br />

Der Verwaltungsgerichtshof vermag diese Ausführungen in dieser Allgemeinheit nicht nachzuvollziehen.<br />

Worin jene Internationalisierung bestanden habe, welche die in Rede stehende Gestaltung erforderlich gemacht<br />

hätte, ist aus dem Vorbringen nicht zu erkennen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, worin sich die Anbindung an<br />

den Finanzplatz England und Irland manifestiert haben solle, erfolgte die Veranlagung der Gelder doch<br />

ausschließlich in Schillingwährung sowie in Österreich (und allenfalls anderen kontinentaleuropäischen<br />

Ländern). Der Einwand, die belangte Behörde habe in diesem Zusammenhang jegliche Ermittlungstätigkeit<br />

unterlassen, zeigt einen relevanten Verfahrensfehler nicht auf, weil es die Beschwerdeführerin unterlässt<br />

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Verwaltungsgerichtshof 09.12.2004<br />

auszuführen, welche weiteren Sachverhaltsteile zu erheben gewesen und worin die Vorteile der von ihr<br />

behaupteten "Internationalisierung" im Einzelnen gelegen gewesen wären.<br />

In der Beschwerde wird schließlich eingewendet, dass bankrechtliche Vorschriften die Durchführung der<br />

Finanzierungstätigkeiten im Ausland veranlasst hätten.<br />

Dieses Argument erweist sich schon deshalb als nicht stichhaltig, weil die Befugnis zur Veranlagung eigener<br />

Gelder nicht von der - damals in Geltung gestandenen - Bestimmung des § 1 KWG, BGBl 63/1979, erfasst<br />

gewesen ist. Die Verwaltung eigenen Vermögens (durch Zeichnung von Anleihen, etc) stellt kein Bankgeschäft<br />

iSd KWG dar.<br />

Zuletzt wird in der Beschwerde auf die Erhöhung des bilanzpolitischen Spielraumes als außersteuerlichen<br />

Grund hingewiesen. Die Beschwerdeführerin unterlässt es jedoch, konkret darzulegen, worin diese Erhöhung der<br />

bilanzpolitischen Spielräume bestanden bzw weshalb dies gerade die streitgegenständliche Gestaltung erfordert<br />

habe. Im hg Erkenntnis vom 7. August 1992, 89/14/0160, auf welches sich die Beschwerde bezieht, werden im<br />

Zusammenhang mit der in jenem Beschwerdefall zu prüfenden "Schüttaus-Hol-zurück" Politik der durch jene<br />

Gestaltung bewirkte Ausweis von Erträgen und die Minderung der stillen Reserven im Beteiligungsansatz durch<br />

Erhöhung des Buchwertes der Beteiligung als bilanzpolitische Gründe und damit als außersteuerliche Motive<br />

anerkannt. Im Gegensatz dazu führt jedoch die im Beschwerdefall zu prüfende Gestaltung weder zu einer<br />

Erhöhung der im Jahresabschluss der Beschwerdeführerin auszuweisenden Erträge noch zu einer Minderung<br />

einer stillen Reserve im Bilanzansatz der Beteiligung (an der T). Solcherart zeigt auch dieses Vorbringen nicht<br />

auf, dass die von der Beschwerdeführerin gewählte Gestaltung auf einen außersteuerlichen Grund<br />

zurückzuführen wäre.<br />

Die Beschwerdeführerin wendet sodann ein, der Annahme eines Missbrauchs iSd § 22 BAO stehe entgegen,<br />

dass sie nur jenen Weg beschritten habe, den das Gesetz vorgezeichnet habe. Die in den<br />

Veranlagungszeiträumen 1991 und 1992 anwendbaren Regelungen des § 7 Abs 4 KStG hätten die Steuerfreiheit<br />

<strong>für</strong> Dividenden aus internationalen Schachtelbeteiligungen nur dann nicht vorgesehen, wenn der<br />

Unternehmensgegenstand der ausländischen Gesellschaft zu "mehr als 25% im Verwalten von eigenen<br />

Forderungswertpapieren (<strong>Teil</strong>schuldverschreibungen, Pfandbriefen, Kommunalschuldverschreibungen und<br />

ähnlichen Wertpapieren) und Beteiligungen an anderen Unternehmen mit einem derartigen<br />

Unternehmensgegenstand" liege, es sei denn die Gesellschaft unterhalte einen Bankbetrieb. Mit der<br />

"formalrechtlichen Anknüpfung" an den kapitalertragsteuerlichen Begriff der Forderungswertpapiere im EStG<br />

sei vom Gesetzgeber ganz ausdrücklich vorgezeichnet gewesen, dass jede andere Art der Veranlagung, die nicht<br />

in Form von Forderungswertpapieren erfolge, nicht zur Einschränkung der Steuerfreiheit <strong>für</strong> Dividenden aus<br />

internationalen Schachtelbeteiligungen führe.<br />

Dem Verwaltungsgerichthof ist nicht einsichtig, aus welchen Gründen das Tatbestandsmerkmal der<br />

"Forderungswertpapiere" in § 7 Abs 4 KStG im Sinne einer "formalrechtlichen Anknüpfung" zu interpretieren<br />

sei, bzw welche sachliche Rechtfertigung da<strong>für</strong> gefunden werden könnte - ein solches Interpretationsergebnis<br />

schwebt dem Beschwerdeführer offenkundig mit Appellieren an eine "formalrechtliche Anknüpfung" vor -, bei<br />

der Festlegung einer internationalen Schachtelbeteiligung iSd § 7 Abs 4 KStG Festgeldveranlagungen anders zu<br />

behandeln als etwa Anleihen. Der Zweck der Regelung des § 7 Abs 4 KStG, soweit sie die Begünstigung <strong>für</strong><br />

internationale Beteiligungen ausschließt, wenn der Unternehmensgegenstand der ausländischen<br />

Beteiligungsgesellschaft wesentlich die Verwaltung eigener Forderungswertpapiere umfasst, liegt offenkundig<br />

darin, Gewinnanteile, die wesentlich auf risikoarme "passive Veranlagungsformen" zurückgehen, von der<br />

Steuerbefreiung auszunehmen. Vor einem gänzlich anderen Hintergrund ist die kapitalertragsteuerliche<br />

Regelung des EStG zu sehen: "Kapitalerträge aus Forderungswertpapieren" iSd § 93 Abs 3 EStG erfassen<br />

Zinserträge aus Forderungen gegenüber Banken nicht, weil letztere bereits nach § 93 Abs 2 Z 3 iVm § 93 Abs 1<br />

EStG dem Kapitalertragsteuerabzug unterliegen.<br />

Solcherart wird mit dem Beschwerdevorbringen, der Gesetzgeber wolle mit der Regelung des § 7 Abs 4<br />

KStG gerade Ausschüttungen aus Gesellschaften von der Art der irischen Gesellschaft T (eine Bank ist diese<br />

offenkundig nicht) steuerfrei stellen, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht dargetan.<br />

Wie sich dies aus dem Vorstehenden ergibt, erweist sich die Beschwerde als unbegründet und war daher<br />

gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.<br />

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs 2<br />

Z 6 VwGG abgesehen werden.<br />

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II 333/2003.<br />

Wien, am 9. Dezember 2004<br />

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Gericht<br />

Verwaltungsgerichtshof<br />

Entscheidungsdatum<br />

10.08.2005<br />

Geschäftszahl<br />

2001/13/0018<br />

Beachte<br />

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):<br />

2001/13/0019<br />

Betreff<br />

10.08.2005<br />

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte<br />

Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers<br />

Dr. Keidel LL.M., über die Beschwerden der L P AG in W, vertreten durch Dkfm. Herbert F. Maier,<br />

Wirtschaftsprüfer in 1015 Wien, Walfischgasse 5, gegen 1. den Bescheid der Finanzlandesdirektion <strong>für</strong> Wien,<br />

Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat XI, vom 6. Dezember 2000, Zl. RV/284- 11/02/99, betreffend<br />

Gewerbesteuermessbetrag 1993, Körperschaftsteuer 1993, 1994, 1995 und 1996 sowie Wiederaufnahme der<br />

Verfahren hinsichtlich Körperschaftsteuer 1993 und 1994 (hg. Zl. 2001/13/0018), und 2. den Bescheid der<br />

Finanzlandesdirektion <strong>für</strong> Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat XI, vom 6. Dezember 2000,<br />

Zl. RV/285-11/02/99, betreffend Körperschaftsteuer 1997 (hg. Zl. 2001/13/0019), zu Recht erkannt:<br />

Spruch<br />

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.<br />

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 763,80 EUR binnen<br />

zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.<br />

Begründung<br />

Die beschwerdeführende Kapitalgesellschaft ist Rechtsnachfolgerin der rückwirkend per 1. Jänner 1997 durch<br />

Übertragung des Unternehmens auf den Hauptgesellschafter gemäß § 2 Umwandlungsgesetz<br />

umgewandelten P. AG. Den Gegenstand des Unternehmens bildet (lt. den Angaben in den Abgabenerklärungen)<br />

die Erzeugung und der Vertrieb hydraulischer Bindemittel, insbesondere von Portlandzement.<br />

Im Bericht vom 15. Dezember 1998 über eine abgabenbehördliche Prüfung (Prüfungszeitraum 1993 bis 1996,<br />

Prüfungsbeginn 3. März 1997) wird unter Tz 2.7 Folgendes ausgeführt:<br />

"2.7. C. International Limited/S. International Unlimited International Financial Services Centre, Dublin 1<br />

2.7.1. Gründung<br />

Ende 1992 wurde die C. International Ltd. (im Folgenden auch nur: C.) als Finanzierungs- und<br />

Kapitalanlagegesellschaft mit Sitz in Dublin, Irland gegründet. Die Gesellschaft wurde mit einem Kapital iHv.<br />

S 80.000, -- ausgestattet, wobei ein Anteil von S 800 treuhändig durch eine irische Gesellschaft gehalten wird<br />

(vgl. Tz 59 des WP-Berichtes 1992).<br />

Für die Durchführung der Veranlagungen bediente man sich einer 100 %igen Tochter, der S. International<br />

Unlimited (im Folgenden auch: S.). 1993 wurden der S. im Wege von Gesellschafterzuschüssen S 980.863.025,-<br />

- zugeführt. In der Bilanz der P. AG wurde der Bilanzansatz der C. entsprechend erhöht. In den Bilanzen der C.<br />

scheinen diese Zuschüsse nicht auf, lediglich in der Bilanz der S. sind diese als 'capital contribution'<br />

ausgewiesen. Diese Vorgangsweise wählte man um irische Gesellschaftssteuer iHv.1 % <strong>für</strong> Stammkapital bei der<br />

C. zu vermeiden.<br />

1993 konnte eine Dividende in Höhe von S 10.100.000,-- realisiert werden (vgl. Tz 56 des WP-<br />

Berichtes 1993).<br />

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Verwaltungsgerichtshof 10.08.2005<br />

1994 wurden der S. weitere Barmittel in Höhe von S 430.539.533,10 zugeführt, womit sich der<br />

Beteiligungsansatz an der C. auf S 1.411.482.918,10 erhöhte (vgl. Pkt. E 19 des WP-Berichtes 1994). Der<br />

Beteiligungsertrag betrug S 63.550.000,-- (vgl. Pkt. E 160 des WP-Berichtes 1994).<br />

1995 blieb der Beteiligungsansatz in unveränderter Höhe bestehen. Es wurde ein Beteiligungsertrag iHv.<br />

S 64.390.000,-- erwirtschaftet (vgl. Pkt E 169 des WP-Berichtes 1995).<br />

1996 blieb der Beteiligungsansatz in unveränderter Höhe bestehen. Es wurde ein Beteiligungsertrag iHv.<br />

S 46.430.000,-- erwirtschaftet (vgl. Pkt. E 155 des WP-Berichtes 1996).<br />

1997 blieb der Beteiligungsansatz in unveränderter Höhe bestehen. Es wurde ein Beteiligungsertrag iHv.<br />

S 40.080.000,-- erwirtschaftet (vgl. Pkt. E 166 des WP-Berichtes 1997).<br />

Sämtliche Beteiligungserträge wurden gemäß § 10 KStG 1988 steuerfrei gestellt (vgl. Beilage 3 zu den<br />

jeweiligen KÖSt-Jahreserklärungen).<br />

Buchwert Beteiligung<br />

C.<br />

Beteiligungserträge<br />

steuerfrei gem. § 10 KStG<br />

31.12.1992: S 80.360,-- 0<br />

31.12.1993: S 980,943.385,-- 10,100.000,--<br />

31.12.1994: S 1.411,482.918,-- 63,550.000,--<br />

31.12.1995: S 1.411,482.918,-- 64,390.000,--<br />

31.12.1996: S 1.411,482.918,-- 46,430.000,--<br />

31.12.1997: S 1.411,482.918,-- 40,080.000,--<br />

2.7.2. Folgendes wird in den jeweiligen Aufsichtssratsitzungen der P. AG berichtet:<br />

Aufsichtssratsitzung vom 25.4.1993, Anlage 5:<br />

'3 Kapitalausstattung/Finanzanlagen<br />

Gemäß Genehmigung wurde die C als 100 % ige Tochtergesellschaft mit einem Kapital von S 80.000,-- vor<br />

Jahresende 1992 in Irland gegründet. Dem Zweck als Finanzanlagegesellschaft entsprechend, soll nun eine<br />

irische unlimited Company (S. International Unltd.) unter Verwendung des eingezahlten Kapitals angegliedert<br />

werden. Nach Erlangung der Autorisierung als SPIC (Special Purpose Investment Company) kann sie <strong>für</strong> den<br />

beabsichtigten Zweck aktiviert werden. Dies bedingt die Kapitalzuführung und den Transfer von liquiden<br />

Mitteln in der Größenordnung von S 220 Mio, die im Einvernehmen mit der Bank Austria in Österreich wieder<br />

veranlagt werden. Soferne es erforderlich ist, diese Liquidität <strong>für</strong> Investitionen oder andere Finanzierung zu<br />

verwenden, besteht kurzfristig die Möglichkeit, diese Mittel durch Kapitalherabsetzung wieder rückzuführen.'<br />

'C. Int. Limited.<br />

Nebst einem ansässigen berufsmäßigen Parteienvertreter wird Herr Dr. K. die Mitgeschäftsführung<br />

wahrnehmen'. (Anm.: Dr. K. war Finanzvorstand der P. AG und ist nun Generaldirektor der<br />

(Beschwerdeführerin)).<br />

154. Aufsichtssratsitzung vom 22.12.1993, Anlage 5:<br />

'1. C. International Limited, S. International Unlimited.<br />

Gemäß Genehmigung in der 152. Aufsichtssratsitzung am 12.05.1993 wurde die C. International Limited<br />

als ein 100 % - Tochterunternehmen der P. AG mit einem Nominalkapital von 80.000 Schilling und dem<br />

Sitz in Dublin gegründet. Aus der C. International Limited wurde die S. International Unlimited mit einem<br />

Nominalkapital von 50.000 Schilling und dem Sitz in Dublin etabliert.<br />

Mit Stichtag 7.12.1993 sind über diese irischen Veranlagungskonstruktionen insgesamt liquide Mittel im<br />

Ausmaß von ca. 665 Mio Schilling veranlagt. Diese Veranlagungen der irischen Gesellschaften erfolgen über die<br />

Bank Austria in Wien bzw. die Londoner Filiale der Bank Austria auf 1 - 6 Monatsterminbasis.'<br />

Anlage 6 ds. AR-Sitzung:<br />

'4. S. International Unlimited<br />

Nebst einem - treuhandmäßig gebundenen - ansässigen berufsmäßigen Parteienvertreter sowie einem<br />

Mitarbeiter der AIB International wird MMag. Dr. K. , die Geschäftsführung wahrnehmen.'<br />

2.7.3. Gesellschafterzuschüsse<br />

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Verwaltungsgerichtshof 10.08.2005<br />

Folgende Gesellschafterzuschüsse wurden von Seiten der P. AG geleistet (wobei diese Gelder direkt der S.<br />

zugeführt wurden - siehe Pkt. 2.7.1):<br />

S 220.821.035,-- 14.5.1993<br />

S 170.008.000,-- 8.11.1993<br />

S 130.006.570,-- 22.11.1993<br />

S 90.005.070,-- 29.11.1993<br />

S 50.005.070,-- 7.12.1993<br />

S 70.005.070,-- 16.12.1993<br />

S 130.004.070,-- 23.12.1993<br />

S 70.004.070,-- 28.12.1993<br />

S 50.004.070,-- 30.12.1993<br />

S 430.004.070,-- 1.1.1994<br />

S 535.463,-- 19.5.1994<br />

Diese Beträge enthalten Überweisungsspesen von insgesamt S 67.525,--. Die Gelder wurden vom Bankkonto<br />

der P. AG bei der Bank Austria auf ein Konto der S., ebenfalls bei der Bank Austria umgebucht. Es erfolgten<br />

somit keine Auslandsüberweisungen.<br />

2.7.4. Managementvertrag<br />

Am 10. Mai 1993 wurde zwischen der P. AG, der C. und der S. einerseits und der A. Irish Banks Plc. (AIB)<br />

andererseits ein Managementvertrag abgeschlossen.<br />

Die AIB wird der Gesellschaft bei der Registrierung in der Abteilung 39B der Finance Act, 1980 helfen.<br />

Punkt 4 des Vertrages regelt die Aufgabenbereiche der AIB:<br />

Zusätzlich zu den Investitionstätigkeiten, die mit den Investitionsrichtlinien übereinstimmen müssen,<br />

unterstützt die AIB die Gesellschaften (C. und S., in Folge C/S) bei der Errichtung, Registrierung und der<br />

Erlangung der 'Company's Tax Certificate'. Die AIB würde das Tagesgeschäft, das Rechnungswesen, die<br />

Berichterstattung und die Sekretariatsarbeiten wahrnehmen.<br />

Punkt 5 des Vertrages (Management Fees) regelt die zu bezahlenden Vergütungen <strong>für</strong> die Aktivitäten der<br />

AIB. Die Kündigungsvereinbarungen des Punktes 6 enthalten die Möglichkeit einer raschen und formlosen<br />

Kündigungsmöglichkeit, wenn die Dividenden oder Zinserträge der Besteuerung in Österreich unterworfen<br />

werden.<br />

Laut Investitionsrichtlinien sind folgende Veranlagungen erlaubt (Pkt. 2 der Investment Guidelines):<br />

Veranlagungen bei der Bank Austria, Creditanstalt Bankverein, GiroCredit, Constantia Privatbank; Raiffeisen<br />

Zentralbank Österreich AG; weiters Einlagen und Darlehen bei anderen Banken, soferne das Rating dieser Bank<br />

A1 (Standard & Poor's) bzw. P1 (Moody's) aufweist;<br />

Öffentliche Schuldverschreibungen (Government Securities, Bonds), wobei das Einkommen aus diesen<br />

Veranlagungen nicht 25 % des Gesamteinkommens übersteigen soll. Des Weiteren gibt es eine Regelung, die die<br />

Fälligkeit der Veranlagungen regelt:<br />

100 % der Anteile des Gesamtveranlagungsvolumens dürfen auf 3- Monatsbasis veranlagt werden, maximal<br />

25 % müssen innerhalb von 3 bis 6 Monaten fällig werden, maximal 15 % können <strong>für</strong> einen Zeitraum länger als<br />

6 Monate veranlagt werden. Alle Veranlagungen erfolgen in österreichischen Schillingen, Veranlagungen in<br />

anderen Währungen sind durch Swap-Geschäfte abzusichern, um ein eventuell eintretendes Währungsrisiko<br />

auszuschließen. Diese Richtlinien können bei Bedarf durch das Board-Meeting angepasst werden.<br />

2.7.5. Weitere Erhebungen durch die Bp<br />

Zu den Fragen der Betriebsprüfung (Frageliste vom 22. Mai 1997) nahm das geprüfte Unternehmen wie folgt<br />

Stellung:<br />

Das Auftreten der C. und S. als international agierender Finanzinvestor hätte <strong>für</strong> die Veranlagung der liquiden<br />

Mittel einen positiven Wettbewerb ermöglicht, der vorher P. AG als österreichischen Industrieunternehmen<br />

verschlossen gewesen wäre. Tatsächlich hätte sich die Performance der Veranlagungen positiv gegenüber vorher<br />

entwickelt. Die Veranlagungen wären stets nach einem internationalen Konditionenwettbewerb erfolgt, der die<br />

österreichischen Banken veranlasst hätte, die Quotierung zu verbessern. Darüberhinaus sei durch professionelles<br />

Management der Einsatz von abgeleiteten derivativen Finanzinstrumenten eingeführt worden.<br />

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Verwaltungsgerichtshof 10.08.2005<br />

Durch das <strong>für</strong> die Gesellschaften verfügbare Know-how und die in Irland vorhandene Finanzinfrastruktur wäre<br />

der Zugang zu den Märkten leichter möglich, durch die Liquidität des Marktes sei eine bessere<br />

Kostenoptimierung im Vergleich zu einem rein österreichischen Auftreten möglich.<br />

Die Geschäftseinrichtung bestünde aus einem Büro im West Block, 2. Stock, International Financial Services<br />

Centre, Dublin<br />

1. Das Büro und die Einrichtung wären von der A. Irish Banks, p. l.c., gemietet. Es handle sich um eine übliche<br />

moderne Geschäftsausstattung. C. und S. hätten keine Arbeitnehmer. Die in Irland ausgeübte Geschäftsführung<br />

bestünde aus 3 nicht angestellten Direktoren, die sich bei der Erledigung ihrer Aufgaben im Rahmen ihres<br />

Geschäftsbereiches der Unterstützung qualifizierter Sachbearbeiter bedienen würden, die den Direktoren<br />

weisungsgebunden agierten. Die der S. und der C. zur Verfügung stehenden Fachkräfte würden in Irland im<br />

Rahmen der vom Board of directors genehmigten investment guidelines und der bestehenden<br />

Unterschriftenordnung die Veranlagungen <strong>für</strong> die S. durchführen. In den ausschließlich in Irland stattfindenden<br />

Geschäftsführersitzungen würden der Investitionsstatus hinsichtlich performance und counterparty risk analysiert<br />

und bestätigt.<br />

Den Rahmen <strong>für</strong> die Veranlagungsentscheidungen würden die investment guidelines vorgeben. Durch die<br />

Unterschriftenordnung sei sichergestellt, dass je nach Bedeutung des Rechtsgeschäftes die Unterschriften<br />

hierarchisch abzugeben wären. Nachträglich würde die P. AG über getätigte Großinvestitionen informell<br />

unterrichtet werden. Eine Art Genehmigung durch die irische Geschäftsführung erfolge durch den<br />

Veranlagungsreview. Da die Veranlagungsentscheidungen in Irland getroffen würden, erfolge auch die<br />

Disposition in Irland.<br />

Grundsätzlich gebe es keinen Schriftverkehr der C. oder S. mit der AIB (Auftragsschreiben, Anbote etc.),<br />

wird jedoch bei der AIB-plc veranlagt, gäbe es drittübliche Überweisungsaufträge.<br />

Die Veranlagungstätigkeit der S., die von Dienstnehmern der AIB-plc. abgewickelt werde, würde in<br />

mehrfacher Weise kontrolliert. Der Board of directors hat Veranlagungsrichtlinien erlassen, die von den<br />

Personen, die <strong>für</strong> die S. tätig sind, zu beachten wären. Anlässlich der viermal jährlich stattfindenden<br />

boardmeetings in Dublin würde über die Veranlagungstätigkeit berichtet und die Einhaltung der Richtlinien vom<br />

Board akzeptiert. In der monatlichen Berichterstattung sei jede Veranlagung dargestellt.<br />

2.7.6. Rechtliche Würdigung durch die Bp<br />

Für die Betriebsprüfung stellt sich die Frage, welchen wirtschaftlichen Sinn die Installierung zweier<br />

Gesellschaften (C. und S. - C/S), über die die P. AG steuerfreie Erträge gem. § 10 KStG 1988 bezieht, hat.<br />

Wie in Punkt 2.7.5. ausgeführt, ermöglicht das Auftreten der C/S als international agierender Finanzinvestor<br />

einen positiven Wettbewerb, der vorher P. AG als österreichischem Industrieunternehmen verschlossen gewesen<br />

wäre. Der internationale Konditionenwettbewerb hätte die österreichischen Banken veranlasst, die Quotierungen<br />

zu verbessern.<br />

Zu diesen Argumenten wäre anzumerken, dass <strong>für</strong> die Betriebsprüfung weder das Auftreten der C/S als<br />

international agierender Finanzinvestor erkennbar ist, noch dass ein internationaler Wettbewerb stattgefunden<br />

hat.<br />

a) C/S besitzen kein eigenes Büro und beschäftigen kein Personal. Die Büroräumlichkeiten sowie die<br />

Einrichtung wurden von der Allied Irish Bank p.l.c (AIB) angemietet (ein Mietvertrag - allerdings datiert mit<br />

6. Juni 1997 - wurde vorgelegt). C/S haben keine eigenen Arbeitnehmer. Mangels eigener Arbeitnehmer stellt<br />

sich nicht nur die Frage nach der Sinnhaftigkeit, über eigene Büroräumlichkeiten zu verfügen, es stellt sich auch<br />

die Frage nach der Sinnhaftigkeit, Büroräumlichkeiten anzumieten. Die Geschäftsführung besteht aus 3 nicht<br />

angestellten Direktoren, die sich bei der Erledigung ihrer Aufgaben qualifizierter Sachbearbeiter bedienen<br />

würden.<br />

In den jeweiligen Jahresberichten der C/S fanden sich in der Gewinn- und Verlustrechnung folgende<br />

Aufwendungen <strong>für</strong> 'directors fees':<br />

1993: S 0<br />

1994: S 76.307<br />

1995: S 63.587<br />

1996: S 47.637<br />

1997: S 57.249<br />

Summe: 244.780<br />

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Verwaltungsgerichtshof 10.08.2005<br />

Für die Tätigkeit der Veranlagung ist die AIB aufgrund eines Managementvertrages verantwortlich. Der<br />

wesentliche Inhalt des Vertrages findet sich in Punkt 4 wieder. Da das Tagesgeschäft der AIB überantwortet<br />

wurde, stellt sich auch nicht die Frage nach der Notwendigkeit nach eigenem Personal bei C/S.<br />

Zusammengefasst: Es wurden im International Financial Services Centre Büroräumlichkeiten angemietet, die<br />

im Eigentum jener Bank stehen (AIB), die aufgrund eines Managementvertrages die laufende Geschäftstätigkeit<br />

ausüben soll, man verfügt nicht über eigenes Personal, die Quantität und Qualität der Tätigkeit der Direktoren<br />

wird in 5 Jahren mit insgesamt ATS 244.780,-- vergütet. Nach Ansicht der Bp kann daher die C/S nicht selbst als<br />

international agierender Finanzinvestor auftreten, sondern musste sich jedenfalls in vollem Umfang der<br />

Geschäftstätigkeit eines Erfüllungsgehilfen bedienen.<br />

b) Weiters wurde seitens des gepr. Unternehmens argumentiert, dass das Auftreten der C/S einen positiven<br />

Wettbewerb ermöglichte, der der P. AG verschlossen war, und die Veranlagungen nach einem internationalen<br />

Konditionenwettbewerb erfolgten. Durch das <strong>für</strong> die Gesellschaften verfügbare Know-how und die in Irland<br />

vorhandene Finanzinfrastruktur wäre der Zugang zu den Märkten leichter möglich, durch die Liquidität des<br />

Marktes käme es zu einer besseren Kostenoptimierung im Vergleich zu einem rein österreichischen Auftreten.<br />

Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. In der 150. Aufsichtssratsitzung vom 26. Juni 1992 wurde<br />

Herr GD-Stv. (der Bank Austria) Dkfm R. als Vorsitzender des Aufsichtsrates gewählt. Der Vorsitz verblieb<br />

während des gesamten Prüfungszeitraumes bei Herrn Dkfm. R. Gemäß der Geschäftsordnung bedarf der Erwerb<br />

von Beteiligungen der Zustimmung des Aufsichtsrates.<br />

Wesentliche Geldgeschäfte werden mit der Bank Austria und der Bank Austria nahe stehenden Banken<br />

abgewickelt.<br />

Gemäß den Aufsichtsratsprotokollen (siehe Punkt 2.7.2) erfolgt die Veranlagung der Gelder im<br />

Einvernehmen mit der Bank Austria in Österreich auf 1- 6 Monats-Terminbasis. Weiters soll die Veranlagung<br />

bei der Bank Austria in Wien bzw. deren Filiale London erfolgen. In den Investment Guidelines des<br />

Managementvertrages (Pkt. 2.7.4) mit der AIB wurde von vornherein der Kreis der in Frage kommenden Banken<br />

und Veranlagungsmöglichkeiten eingeschränkt. Es ist klar ersichtlich, dass jedenfalls Risikominimierung<br />

vorrangig war, ebenso wurde die Fristigkeit der einzelnen Veranlagungen so fixiert, dass der größte <strong>Teil</strong> der<br />

Mittel auf lediglich 3-Monats Terminbasis angelegt werden kann.<br />

Der größte <strong>Teil</strong> der Geldmittel wurde bei österreichischen Kreditinstituten bzw in Österreich ansässigen<br />

Kreditinstituten veranlagt (insbes. 1993 und 1994). 1995 erfolgten Veranlagungen bei der Trans Banque Paris<br />

(diese wird in den Minutes of Board Meeting vom 30. Jän. 1995 als 'subsidiary', also Tochtergesellschaft von L.<br />

Copee bezeichnet) und bei L. Copee selbst. Es handelt sich also um Konzernveranlagungen. Des Weiteren<br />

wurden auch Erträge durch Veranlagungen bei AIB erwirtschaftet. Trotz teilweiser Einschaltung ausländischer<br />

Banken erfolgten die Veranlagungen trotzdem auf österreichischen Bankkonten in Österreich. Von einem<br />

Auftreten der C. und S. als international agierender Finanzinvestor, die Veranlagungen stets nach einem<br />

internationalen Konditionenwettbewerb durchführten, kann also keine Rede sein.<br />

Nach Ansicht der Bp wird in der oben dargestellten Konstruktion der Missbrauchstatbestand des § 22 BAO<br />

verwirklicht. Gem. § 22 BAO kann durch Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des<br />

bürgerlichen Rechtes die Abgabenpflicht nicht umgangen oder gemindert werden.<br />

Das geprüfte Unternehmen sieht in dieser Gestaltung keinen Missbrauch von Formen und<br />

Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts.<br />

Als Begründung wird dazu ausgeführt: Der L.-Konzern unterliegt in Frankreich der Konzernbesteuerung, d.h.<br />

alle weltweit erzielten Gewinne werden in Frankreich - unter Anrechnung der im Ausland bezahlten Steuer - der<br />

Körperschaftsteuer unterzogen. Es kommt somit zu einer Besteuerung des Welteinkommens des L.-Konzerns in<br />

Frankreich.<br />

Im konkreten Fall bedeutet das, dass die in Irland erwirtschafteten Gewinne in Frankreich mit französischer<br />

Körperschaftsteuer belastet werden, sodass aus Sicht des Konzerns der Steuervorteil wieder rückgängig gemacht<br />

wird. Wenn daher in Frankreich die volle Körperschaftsteuer zum Tragen käme, könne demnach nicht<br />

Missbrauch unterstellt werden.<br />

Als Nachweis <strong>für</strong> die Konzernbesteuerung wurde der Bp ein Schreiben der franz. Finanzverwaltung<br />

vorgelegt, welche bestätigt, dass ab dem Jahr 1994 die Ergebnisse der P. AG als auch die der irischen<br />

Tochtergesellschaften in den Konsolidierungskreis des L.- Konzerns aufgenommen werden. Ein Nachweis, dass<br />

die Ergebnisse der P. AG, die Gewinne der irischen Tochtergesellschaften tatsächlich mit franz.<br />

Körperschaftsteuer belastet wurden, konnte allerdings nicht beigebracht werden. Selbst wenn dies der Fall wäre,<br />

kann das nicht dazu führen, dass eine österreichische Rechtsvorschrift nur deshalb nicht zur Anwendung gelangt,<br />

weil sowieso in einem anderen europäischen Staat eine Besteuerung erfolgt.<br />

Die öster. Bp hat die Rechtmäßigkeit einer Konstruktion ausschließlich auf Grund der national gültigen<br />

Rechtsvorschriften zu prüfen. Eine allfällige Doppelbelastung (Besteuerung in Österreich, als auch in<br />

Frankreich) müsste im Wege einer Gegenberichtigung durch die französische Finanzverwaltung neutralisiert<br />

werden.<br />

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Verwaltungsgerichtshof 10.08.2005<br />

Weiters wird seitens der P. AG eingewandt, dass im DBA Österreich-Irland der Missbrauchstatbestand nicht<br />

verankert ist. Auch im entsprechenden OECD-Kommentar zum DBA (im gegenständlichen Fall aus dem<br />

Jahr 1963) wird der Missbrauch nicht geregelt.<br />

Aus dem Umstand heraus, dass bei der Neuverhandlung von DBAs in der letzten Zeit<br />

Missbrauchsbestimmungen in das Vertragswerk aufgenommen wurden, wird abgeleitet, dass in all jenen Fällen<br />

in denen der Missbrauch nicht explizit geregelt ist, dieser auch nicht verwirklicht werden kann. Bei den<br />

Missbrauchsvorschriften handle es sich um nationale Bestimmungen, die unterschiedlich interpretierbar seien<br />

bzw. in jedem Land unter Umständen anders geregelt wären. Man könne daher nicht bilaterale Verträge durch<br />

einseitige nationale Auslegungen bzw. Vorschriften ändern oder beeinflussen, denn eine solche Vorgangsweise<br />

würde den Zweck eines solchen Abkommens unterlaufen.<br />

Dem ist folgendes entgegenzuhalten: Erklärtes Ziel und Zweck eines DBA ist die Vermeidung der<br />

Doppelbesteuerung; d.h. ein DBA enthält im Wesentlichen Kollisionsnormen, welche dazu dienen, eine<br />

Doppelbesteuerung zu vermeiden. Ziel und Zweck eines DBA ist niemals die Herbeiführung einer zur<br />

Umgehungszwecken nutzbaren Besteuerungsminimierung.<br />

Die Auslegungsrichtschnur <strong>für</strong> internationale Verträge ergibt sich aus Art. 31 der<br />

Wiener Vertragsrechtskonvention, wonach jeder internationale Vertrag '....im Lichte seines Ziels und Zweckes<br />

....' auszulegen ist.<br />

Würde man der Auffassung des geprüften Unternehmens folgen, bedeutete das im konkreten Fall, dass sich<br />

Österreich durch den Abschluss des DBA mit Irland der Möglichkeit beraubt hätte, seine innerstaatlichen<br />

Möglichkeiten zur Bekämpfung der internationalen Steuerumgehung einzusetzen.<br />

Setzt man diesen Gedanken konsequent fort, würde das bedeuten, dass der Missbrauch im Verhältnis zum DBA-<br />

Partnerstaat unantastbar und damit legalisiert wäre.<br />

Es ergibt sich somit klar und eindeutig, dass aus einem DBA nicht abgeleitet werden kann, dass es einem der<br />

Vertragspartner nicht ermöglicht sein soll, sich in seinem innerstaatlichen Recht gegen die internationale<br />

Steuerumgehung zur Wehr zu setzen.<br />

Für die Betriebsprüfung ergibt sich daraus, dass die seitens des geprüften Unternehmens gewählte<br />

Konstruktion den Tatbestand des § 22 BAO erfüllt. Die Gründung der irischen Tochtergesellschaften erfolgte<br />

ausschließlich zum Zweck der Minimierung der österreichischen Steuerbelastung, zumal die Veranlagung - unter<br />

Zuhilfenahme ausländischer Veranlagungsspezialisten - auch ohne die irischen Tochtergesellschaften hätte<br />

optimiert werden können.<br />

Die im Rahmen der irischen Tochtergesellschaften erwirtschafteten Erträge werden daher in Österreich der<br />

Besteuerung unterzogen. Die sich daraus ergebenden außerbilanzmäßig zuzurechnenden Beträge betragen <strong>für</strong><br />

1993: S 12.365.752,--<br />

1994: S 72.761.818,--<br />

1995: S 73.574.755,--<br />

1996: S 53.892.181,-- "<br />

In einem weiteren Bericht vom 15. Dezember 1998 über eine abgabenbehördliche Prüfung betreffend den<br />

Zeitraum 1997 wird unter Tz 4 gleich lautend wie in Tz 2.7 des Prüfungsberichtes über den<br />

Zeitraum 1993 bis 1996 ausgeführt. In diesem Bericht wird die Zurechnung <strong>für</strong> das Jahr 1997 mit einem Betrag<br />

von 47,013.958 S angegeben.<br />

Gegen die auf der Grundlage der Prüferberichte ergangenen Abgabenbescheide (hinsichtlich<br />

Körperschaftsteuer 1993 und 1994 jeweils nach amtswegiger Wiederaufnahme der Verfahren) erhob die<br />

Beschwerdeführerin Berufung, über die mit den zu den hg. Zlen. 2001/13/0018<br />

(Gewerbesteuermessbescheid 1993, Körperschaftsteuer 1993, 1994, 1995 und 1996 sowie Wiederaufnahme der<br />

Verfahren hinsichtlich Körperschaftsteuer 1993 und 1994) sowie 2001/13/0019 (Körperschaftsteuer 1997)<br />

angefochtenen Bescheiden abweisend entschieden wurde. Der zur hg. Zl. 2001/13/0019 angefochtene Bescheid<br />

verweist zur Begründung auf den zur hg. Zl. 2001/13/0018 angefochtenen Bescheid.<br />

Im Rahmen der Entscheidungsgründe referierte die belangte Behörde in dem zur hg. Zl. 2001/13/0018<br />

angefochtenen Bescheid (im Folgenden nur: angefochtener Bescheid) den Verlauf des Verwaltungsverfahrens.<br />

Sie hielt dabei fest, dass sie hinsichtlich des festgestellten Sachverhaltes den Prüferfeststellungen folge. Nach der<br />

Wiedergabe des Berufungsinhaltes berichtete die belangte Behörde über den Inhalt eines von ihr ergangenen<br />

Vorhaltes vom 7. November 2000, zu dessen Beantwortung eine Frist bis 22. November 2000 eingeräumt<br />

worden sei. Der ebenfalls im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Vorhaltsbeantwortung ist u. a. zu<br />

entnehmen, dass die beiden irischen Gesellschaften C. und S. mit Liquidationsbeschlüssen vom 15. Mai 1998<br />

aufgelöst wurden (auch der Managementvertrag vom 10. Mai 1993 wurde damit beendet). Die Liquidation der<br />

irischen Gesellschaften, die keine anderen als die im Betriebsprüfungs- und Berufungsverfahren dargestellten<br />

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Funktionen erfüllt hätten, sei deshalb erfolgt, weil die veranlagten Mittel inzwischen <strong>für</strong> die Anschaffung von<br />

Beteiligungen in Höhe von rd. 4,1 Mrd. S verwendet worden seien.<br />

Ungeachtet des - so die belangte Behörde im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides - zur Auslegung<br />

des § 22 BAO bestehenden Meinungsstreites hinsichtlich einer "Außentheorie" oder "Innentheorie" sei die<br />

Frage, ob Missbrauch vorliege, nach der dazu entwickelten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu<br />

beurteilen. Demnach sei eine missbräuchliche Gestaltung eine solche, die im Hinblick auf den angestrebten<br />

wirtschaftlichen Erfolg ungewöhnlich und unangemessen sei und ihre Erklärung nur in der Absicht der<br />

Steuervermeidung finde; es sei dann zu prüfen, ob der gewählte Weg noch sinnvoll erscheine, wenn man den<br />

abgabensparenden Effekt wegdenke, oder ob er ohne das Resultat der Steuerminderung einfach unverständlich<br />

wäre (vgl. die Erkenntnisse vom 27. September 1995, 93/13/0095, und vom 10. Dezember 1997, 93/13/0185).<br />

Das Kriterium der Ungewöhnlichkeit und Unangemessenheit sei im Einzelfall in Hinblick auf eine<br />

wirtschaftliche Sinnhaftigkeit einer gewählten zivilrechtlichen Konstruktion zu untersuchen. Die<br />

Ungewöhnlichkeit und Unangemessenheit liege im Beschwerdefall im Wesentlichen in der Einschaltung zweier<br />

irischer Gesellschaften, wobei nahezu ausschließlich Festgeldveranlagungen in ATS durchgeführt worden seien,<br />

und dies außerdem in der Hauptsache über österreichische Banken bzw. über österreichische Filialen<br />

ausländischer Banken erfolgt sei. Dass das veranlagte Geld - zumindest hinsichtlich der lt. Betriebsprüfung<br />

festgestellten Gesellschafterzuschüsse - Österreich nicht verlassen habe, werde auch von der Beschwerdeführerin<br />

nicht bestritten. Bezüglich des in der Berufung angegebenen beabsichtigten Zuganges zu international<br />

angebotenen Finanzdienstleistungen wäre der Beschwerdeführerin zuzustimmen, wenn irgendwelche<br />

Veranlagungen in Irland, allenfalls in Großbritannien, durchgeführt oder auf diesen Märkten angebotene<br />

Finanzanlageprodukte in Anspruch genommen worden wären. Der von der Beschwerdeführerin angesprochene<br />

Finanzmarkt, zu dem ein Zugang gesucht worden sei, sei aber gerade nicht Irland oder ein anderer<br />

ausländischer Finanzmarkt, sondern Österreich gewesen. Dies ergebe sich bereits aus der lt. Berufung gegebenen<br />

Zielsetzung einer risikoarmen kurzfristigen Veranlagung in ATS, wobei von der Beschwerdeführerin behauptet<br />

worden sei, es sei "einmal (von der Bw. wurde nicht einmal präzisiert, wann dies der Fall war) erwogen worden,<br />

in DM zu veranlagen, und zwar im Zusammenhang mit einer Budgetkrise in Österreich, die aber dann noch<br />

rechtzeitig abgewendet worden sei, weswegen auch in diesem Fall in ATS veranlagt worden sei". Auch die S.<br />

habe tatsächlich im Wesentlichen in ATS veranlagt. Die DM-Veranlagungen innerhalb des Konzerns stellten<br />

gleichfalls keinen Irlandbezug her. Ein Anhaltspunkt <strong>für</strong> den geradezu ausschließlichen Österreichbezug der<br />

eingeschalteten irischen Gesellschaften liege weiters darin, dass diese in ATS bilanzierten. Außerdem sei das<br />

Vorstandsmitglied der österreichischen Mutter- bzw. Großmuttergesellschaft Dr. Martin K. einer der<br />

Geschäftsführer der beiden irischen Gesellschaften gewesen. Sei aber der österreichische Finanzmarkt bearbeitet<br />

worden, dann sei es ungewöhnlich, wenn hie<strong>für</strong> Leistungen von irischen Gesellschaften in Anspruch genommen<br />

würden. Wie schon im Vorhalt vom 7. November 2000 ausgedrückt worden sei, könne nämlich davon<br />

ausgegangen werden, dass irische Gesellschaften (zu denen auch die unterstützend tätige AIB zu zählen sei)<br />

grundsätzlich über gute Kenntnisse betreffend den irischen Kapitalmarkt, jedoch nur geringere betreffend den<br />

österreichischen Markt verfügten. Die in der Berufung als wesentliches Kriterium <strong>für</strong> die Einschaltung<br />

ausländischer Kapitalgesellschaften <strong>für</strong> die Bearbeitung ausländischer Finanzmärkte angeführte Verkürzung der<br />

Informationswege sei ebenfalls nicht gegeben, vielmehr habe die Einschaltung irischer Gesellschaften zu einer<br />

Verlängerung der Informationswege geführt, weil von Irland aus nicht in Irland, sondern nahezu ausschließlich<br />

in Österreich veranlagt worden sei. Diese u.a. durch ein Schreiben zwischen den österreichischen Banken und<br />

der S. dokumentierte Verlängerung der Informationswege unterstreiche ebenfalls die Ungewöhnlichkeit der<br />

gewählten Konstruktion. Wenn in der Berufung zur Veranlagung vor allem bei österreichischen Kreditinstituten<br />

ausgeführt werde, eine ausreichende Liquidität in Schillingwährung sei nur bei österreichischen Kreditinstituten<br />

vorhanden, sodass diese regelmäßig in der Lage seien, <strong>für</strong> eine Schilling-Veranlagung bessere Konditionen als<br />

ausländische Kreditinstitute zu bieten, spreche dies ebenfalls da<strong>für</strong>, dass primär österreichische Kreditinstitute<br />

potenzielle Partner der S. hätten werden sollen. Die Konzentration auf österreichische Kreditinstitute ergebe sich<br />

auch aus Pkt. 2 der Investment Guidelines (Annex zum Management Agreement vom 10. März 1993), wonach<br />

Veranlagungen bei namentlich genannten österreichischen Banken (oder bei sonstigen Banken, sofern sie ein<br />

bestimmtes Rating erfüllten) erlaubt seien. Festzuhalten sei auch, dass die Zwischenschaltung irischer<br />

Gesellschaften <strong>für</strong> die Festgeldveranlagungen in ATS zu zusätzlichen beträchtlichen Kosten geführt habe<br />

("administrative expenses, insbes. management fees (an die AIB)" lt. Bilanz der S. 1993 1,030.407 S,<br />

1994 2,114.468 S, 1995 2,077.736 S, 1996 2,172.822 S, 1997 2,391.560 S sowie "administrative expenses"<br />

lt. Bilanz der C. 1993 39.268 S, 1994 39.088 S, 1995 59.031 S, 1996 46.609 S und 1997 50.678 S). Auch hätten<br />

die beiden irischen Gesellschaften keine anderen Aktivitäten entfaltet als jene, die mit den Veranlagungen auf<br />

Grund der Zuschüsse durch die Beschwerdeführerin zusammenhingen. Die Kosten stünden ausschließlich mit<br />

dem "hier als missbräuchlich beurteilten Veranlagungsmodell im Zusammenhang, wobei der Großteil auf eine<br />

gemäß dem Management Agreement vom 10.3.1993 von der S. an die AIB zu entrichtende von der Anlagehöhe<br />

abhängige Management Fee zurückzuführen ist". Bei einer vergleichbaren Veranlagung in Österreich wären<br />

diese Kosten nicht angefallen. Zutreffend habe die Betriebsprüfung festgehalten, dass die S. erst durch die AIB<br />

als Erfüllungsgehilfin ihre Tätigkeit habe entfalten können (die rechtliche Existenz der S. werde damit von der<br />

belangten Behörde aber nicht in Frage gestellt). Bei Festgeldveranlagungen handle es sich um eine kurzfristige,<br />

besonders risikoarme Anlageform, die im Gegensatz zu einer Veranlagung insbesondere in Aktien oder Anleihen<br />

kein vergleichbares umfassendes Know how erfordere. Es gehe ausschließlich um die Auswahl jenes geeigneten<br />

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Schuldners, der nach Ablauf der vereinbarten Zeit das zur Verfügung gestellte Kapital inklusive der vereinbarten<br />

Zinsen wieder zurückzustellen habe. Hinsichtlich des in diesem Zusammenhang zu vereinbarenden Zinssatzes<br />

sei außerdem davon auszugehen, dass "innerhalb einer Währung" <strong>für</strong> die gleiche Anlagedauer und Anlagehöhe<br />

bei gleicher Bonität des Schuldners keine gravierenden Unterschiede erzielbar seien, sondern eher von einer<br />

weitgehenden Koppelung an die Vienna Interbank Offered Rate (VIBOR) ausgegangen werden könne (die<br />

Koppelung an den VIBOR ergebe sich zudem aus zahlreichen von der Beschwerdeführerin hinsichtlich der<br />

Festgeldveranlagungen der S. vorgelegten Unterlagen). Die Veranlagungsmöglichkeiten seien im<br />

Beschwerdefall zusätzlich durch die Investment Guidelines eingeschränkt gewesen. Auch betreffend<br />

Anlagedauer habe eine Konzentration auf kurzfristige Anlagen bestanden (maximal 15 % des Anlagevolumens<br />

hätten <strong>für</strong> einen Zeitraum länger als sechs Monate veranlagt werden dürfen). Nach Ansicht der belangten<br />

Behörde erforderten gerade die von der S. getätigten Vermögensanlagen kein umfassendes unternehmerisches<br />

Know how und "schon gar nicht eine unternehmerische Infrastruktur gerade in Irland". Dass dennoch in Irland<br />

Personal von der AIB zur Verfügung gestellt und Räumlichkeiten angemietet worden seien, sei nach der<br />

vorgenommenen Beurteilung "nicht in einer unternehmerischen Notwendigkeit gegründet, sondern darin<br />

gegründet, dass zur Abwehr einer missbrauchsverdächtigten Konstruktion eben gewisse Anhaltspunkte <strong>für</strong> eine<br />

Sinnhaftigkeit der Verlagerung von Aktivitäten nach Irland geschaffen werden mussten". Zudem sei von der<br />

Betriebsprüfung in den Niederschriften festgehalten worden, dass Büroräumlichkeiten erst auf Grund eines<br />

Mietvertrages mit AIB vom 6. Juni 1997 (und damit gegen Ende der "Irlandgeschäfte") angemietet worden seien<br />

und die Sinnhaftigkeit des Mietvertrages überhaupt in Frage stehe, weil die S. über kein eigenes Personal verfügt<br />

habe, sondern dieses wiederum vom Mietvertragspartner AIB zur Verfügung gestellt worden sei.<br />

Zusammenfassend sei es daher ungewöhnlich und unangemessen, wenn eine österreichische Kapitalgesellschaft<br />

ihre Kapitalveranlagungen im Wesentlichen in ATS und überwiegend über österreichische Bankverbindungen<br />

insoweit nach Irland verlagere, als dort Kapitalgesellschaften zwischengeschaltet würden, die "keine<br />

wirtschaftlich sinnvollen Aktivitäten erbringen und damit außerdem zusätzliche beträchtliche Kosten anfallen,<br />

die bei einer Direktveranlagung in Österreich nicht angefallen wären".<br />

Zum "Vorliegen von steuerlichen Motiven <strong>für</strong> die ungewöhnliche und unangemessene Konstruktion" führte<br />

die belangte Behörde aus, hier sei zu untersuchen, ob die vorliegende, in wirtschaftlicher Hinsicht nicht<br />

verständliche Einschaltung irischer Gesellschaften <strong>für</strong> Veranlagungen in Österreich steuerlich motiviert gewesen<br />

sei. Dies sei zweifellos zu bejahen. Eine Veranlagung der von der Beschwerdeführerin an die irischen<br />

Gesellschaften übertragenen Gelder in Österreich durch die Beschwerdeführerin selbst hätte zu einer<br />

Besteuerung der Zinserträge im Rahmen ihrer gewerblichen Einkünfte geführt, wobei der maßgebliche<br />

Steuersatz bis 1993 30 % und ab dem Veranlagungsjahr 1994 34 % betragen hätte. Demgegenüber seien die aus<br />

Zinserträgen resultierenden Gewinne bei der S., einer Gesellschaft, die im Rahmen der irischen<br />

Wirtschaftssonderzone <strong>für</strong> Finanzdienstleistungen, dem sog. Dublin International Financial Services Centre<br />

(IFSC), situiert gewesen sei, auf Grund ihres Sonderstatus in Irland lediglich mit 10 % besteuert worden. In<br />

diesem Sinne habe die S. auch das im Managementvertrag vom 10. Mai 1993 angesprochene Steuerzertifikat<br />

vom irischen Finanzminister betreffend Steuererleichterungen <strong>für</strong> IFSC-Gesellschaften erhalten. Aus den<br />

vorgelegten Bilanzen gehe die herabgesetzte irische Besteuerung hervor. Anzumerken sei auch, dass das irische<br />

IFSC-Modell im internationalen Schrifttum als bedeutsame Attraktivität <strong>für</strong> ausländische Finanzgesellschaften<br />

und ausländisches Kapital beurteilt werde (diese Dienstleistungen müssten "in nichtirischer Währung ausgeführt<br />

und mit oder <strong>für</strong> nicht in Irland ansässige durchgeführt werden"). Diese Steueranreize seien auch <strong>für</strong> die<br />

Beschwerdeführerin "der einzige Grund der - letztlich nur beabsichtigten - Verlagerung ihrer<br />

Österreichveranlagungen in die irische Wirtschaftssonderzone" gewesen. Im Zusammenhang mit der<br />

vergleichsweise niedrigen irischen Besteuerung stehe auch die von der Beschwerdeführerin beabsichtigte<br />

Inanspruchnahme des internationalen Schachtelprivilegs nach § 10 Abs. 2 KStG 1988. Damit sollten im<br />

Zusammenhang mit der gewählten Konstruktion in Österreich letztlich keine Steuern bezahlt werden, sondern<br />

sich die "Steuerbelastung <strong>für</strong> in Österreich erzielte Zinserträge auf bloß 10 % irische Steuer erschöpfen". Nach<br />

Auffassung der belangten Behörde gewinne das im Vergleich mit einer üblichen Festgeldveranlagung in<br />

Österreich und einer Festgeldveranlagung unter Zwischenschaltung irischer Gesellschaften erläuterte<br />

Steuermotiv eine "schwerwiegendere Bedeutung, wenn die angestrebte Steuerersparnis besonders hoch ist".<br />

Davon sei im Beschwerdefall auszugehen, weil sich die Besteuerungsgrundlagen im Jahr 1993 um 12,365.752 S,<br />

1994 72,761.818 S, 1995 73,574.755 S, 1996 53,892.181 S und 1997 47,013.958 S erhöht hätten. Ein weiterer<br />

Anhaltspunkt <strong>für</strong> die ausschließlich verfolgten Interessen zur Steuervermeidung gehe aus Pkt. 6 des<br />

Managementvertrages vom 10. Mai 1993 hervor, in dem der Beschwerdeführerin, der S. und der C. eine<br />

Kündigungsmöglichkeit gegenüber der AIB <strong>für</strong> den Fall eingeräumt worden sei, dass eine der angeführten<br />

Gesellschaften nachvollziehbare Anhaltspunkte da<strong>für</strong> erlange, dass die von der S. empfangenen Dividenden-,<br />

Kapitalgewinn- oder Zinseinkünfte "einer Besteuerung in Österreich unterworfen würden oder werden könnten<br />

oder dass eine der angeführten Gesellschaften nachvollziehbare Anhaltspunkte da<strong>für</strong> erlangt, dass entweder auf<br />

die Bw., die S. oder die C. in Hinblick auf die ausgeübte Geschäftstätigkeit in Irland" ein höherer<br />

Körperschaftsteuersatz zur Anwendung gelangen würde. Eine solche weitgehende Kündigungsmöglichkeit aus<br />

steuerlichem Grund sei als unüblich anzusehen und bringe auch zum Ausdruck, dass bei der gewählten<br />

Konstruktion nicht die Verfolgung wirtschaftlicher Interessen im Vordergrund gestanden sei, sondern nur eine<br />

optimale Steuergestaltung bzw. Steuervermeidung. Eine steuerliche Motivation der gewählten zivilrechtlichen<br />

Gestaltung werde weiters damit in Abrede gestellt, dass die Beschwerdeführerin ab dem Jahr 1994 dem L.-<br />

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Konzern angehöre, weshalb sämtliche weltweit erzielten Gewinne in Frankreich unter Anrechnung der im<br />

Ausland bezahlten Steuern der französischen Körperschaftsteuer unterlägen, wobei der französische<br />

Körperschaftsteuersatz den österreichischen Körperschaftsteuersatz lediglich um 0,67 % unterschreite. Auch<br />

diese Argumentation sei aus mehreren Gründen verfehlt. § 22 BAO verfolge das Ziel, die Umgehung<br />

österreichischer Steuern - sei es durch ungewöhnliche Konstruktionen mit ausschließlichem Inlandsbezug, aber<br />

auch mit Auslandsbezug - hintanzuhalten. Diese Zielsetzung würde weitgehend vereitelt, wenn eine (zudem nur<br />

mögliche; von der Beschwerdeführerin sei eine in diesem Zusammenhang stehende Entrichtung französischer<br />

Steuern nicht nachgewiesen worden) ausländische, außerdem allenfalls von einem anderen Steuerpflichtigen (der<br />

französischen Konzernmuttergesellschaft L.C.), zu entrichtende Steuer zu einem Verlust des österreichischen<br />

Besteuerungsanspruches führen würde. Eine potenzielle Besteuerung der französischen<br />

Konzernmuttergesellschaft in Frankreich sei auch "als irrelevant <strong>für</strong> einen Österreich hinsichtlich eines in<br />

Österreich unbeschränkt Steuerpflichtigen zustehenden Besteuerungsanspruches anzusehen, wenn es weder in<br />

Irland noch in Frankreich einen erkennbaren Steueranknüpfungspunkt <strong>für</strong> denselben Steuerpflichtigen gibt".<br />

Auch der von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Umstand, es gehe zumindest ab der Zugehörigkeit zum L.-<br />

Konzern hervor, dass es nicht (mehr) um die Umgehung von Steuern gehe, verkenne, dass die Beurteilung von<br />

Missbrauch nicht die Umgehung irgendwelcher nicht näher konkretisierter Steuern betreffe, sondern die<br />

Umgehung der österreichischen Körperschaftsteuer. Ein Wille auf Umgehung dieser Steuer sei jedenfalls<br />

während des gesamten Berufungszeitraumes aufrecht geblieben. Auch die wirtschaftlich unverständliche<br />

Zwischenschaltung irischer Kapitalgesellschaften zum Zweck der Umgehung der österreichischen<br />

Körperschaftsteuer habe unverändert bestanden. Außerdem lasse das Vorbringen der Beschwerdeführerin<br />

unberücksichtigt, dass aus der von ihr vorgelegten Bestätigung der französischen Finanzverwaltung vom<br />

9. Februar 1998 die Zugehörigkeit der S. und der C. zum Konsolidierungskreis der L.C. erst ab dem Jahr 1994<br />

hervorgehe. Die im Beschwerdefall zu beurteilende missbräuchliche Konstruktion habe jedoch bereits im<br />

Jahr 1992 ihren Ausgang gefunden (vgl. das Protokoll über die Aufsichtsratssitzung vom 25. April 1993, wonach<br />

die C. Ltd. vor Jahresende 1992 gegründet und die Zwecke einer Finanzanlagegesellschaft angesprochen worden<br />

seien). Von einer in Folgejahren möglichen Besteuerung in Frankreich habe damit zum Zeitpunkt der<br />

Begründung der ungewöhnlichen rechtlichen Konstruktion jedenfalls nicht mit Sicherheit ausgegangen werden<br />

können. Die Argumentation der Beschwerdeführerin sei daher auch in zeitlicher Hinsicht nicht geeignet, die<br />

"ausschließliche Zielsetzung der Steuerersparnis im zu beurteilenden maßgeblichen Zeitpunkt der Begründung<br />

der ungewöhnlichen zivilrechtlichen Gestaltung in Frage zu stellen".<br />

Zum Vorliegen außersteuerlicher Gründe, die einem Missbrauch entgegenstehen könnten, sei darauf<br />

hinzuweisen, dass es grundsätzlich Aufgabe der Beschwerdeführerin gewesen wäre, das Vorliegen<br />

wirtschaftlicher Gründe darzutun. Der Beschwerdeführerin sei dies jedoch nicht einmal ansatzweise gelungen.<br />

Vielmehr seien ihre Argumente als bloße Scheinargumente zur Abwendung der Missbrauchsbeurteilung<br />

anzusehen. Ein zentrales von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Argument bilde das Vorbringen, die<br />

S. hätte auf Grund ihres besonderen Know how eine bessere Anlagerendite erzielt als die Beschwerdeführerin<br />

selbst. Diese Behauptung habe die belangte Behörde im Vorhalt vom 7. November 2000 in Frage gestellt. Die<br />

durchgeführten Veranlagungen stellten eine Anlageform dar, die nicht eines besonderen Know how bedürfe, und<br />

im Vorhalt seien die Veranlagungen mit Sparbuchveranlagungen verglichen worden. Die Beschwerdeführerin<br />

habe diese Beurteilung durch die belangte Behörde in ihrer Vorhaltsbeantwortung nicht schlechthin in Abrede<br />

gestellt, sondern "sie als lediglich simplifizierende ex post-Betrachtung charakterisiert". Die wohl<br />

vereinfachende Vergleichbarkeit mit einer Sparbuchveranlagung werde von der belangten Behörde weiterhin <strong>für</strong><br />

richtig erachtet. Die belangte Behörde gehe allerdings davon aus, dass schon von Anfang an von den<br />

Vertragsparteien des Managementvertrages mit der AIB nicht beabsichtigt gewesen sei, "komplexere<br />

Anlageinstrumente" anzuwenden. Auch wenn solche nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in Pkt. 2<br />

Abs. 2 der Investment Guidelines vorgesehen gewesen seien, sei zunächst zu erwidern, dass die angesprochenen<br />

- entgegen dem Vorhalt nicht erläuterten Anlageinstrumente - nicht in den Investment Guidelines, die<br />

Bestandteil des Management Agreements vom 10. Mai 1993 geworden seien, enthalten seien, sondern lediglich<br />

in den Investment Guidelines der S. Zudem spreche die lange Dauer der Anlagetätigkeit der S., die dennoch<br />

keine anderen als besonders einfache Anlageformen erforderlich gemacht habe, dagegen, dass "je etwas in<br />

Richtung komplizierter know how-bedürftiger Anlageinstrumente beabsichtigt war". Zusätzlich sei auf die<br />

Beantwortung der Frage 6 des Ergänzungsvorhaltes hinzuweisen, wonach von den in den Investment Guidelines<br />

vorgesehenen Anlageabsicherungsgeschäften nie Gebrauch gemacht worden sei. Auch der in der<br />

Vorhaltsbeantwortung zu Frage 4 unter Hinweis auf eine Äußerung des Dr. K. enthaltene Passus: "Die in<br />

Österreich ansässigen international anerkannten Anlageberater bieten im Wesentlichen Fondsmanagement an,<br />

das aber <strong>für</strong> die Bw. keinesfalls in Betracht kommt, nach dem die liquiden Mittel kurzfristig und ohne großes<br />

Risiko veranlagt werden sollen, damit diese im Falle einer sich bietenden Akquisition oder einer zu tätigenden<br />

Investition prompt zur Verfügung stehen" spreche da<strong>für</strong>, dass von Anfang an keine komplizierteren<br />

Anlageformen "als Festgeldveranlagungen in ATS beabsichtigt waren". Insbesondere spreche die Art der<br />

Veranlagung in örtlicher Hinsicht - Veranlagungen nahezu ausschließlich in Österreich bei österreichischen<br />

Vertragsbanken bzw. bei Österreich-Filialen ausländischer Banken "sowie gleichfalls nicht eines besonderen<br />

Know Hows fordernder Konzernveranlagungen (direkt bei L.C. bzw. bei T. Bank)" - gegen ein gerade in Irland<br />

"zu suchendes und auffindbares Know How". Auszugehen sei eher davon, dass das "geringe erforderliche<br />

Know How <strong>für</strong> die vereinfachend:<br />

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ausschließlich Österreichveranlagungen kaum von den beiden irischen Geschäftsführern, sondern von Herrn<br />

Dr. K., Vorstandsmitglied bei der Bw., kam". Stelle sich damit die Sachlage aber insgesamt so dar, dass in Irland<br />

kein relevanter Faktor <strong>für</strong> eine Ergebnisverbesserung hinsichtlich der durchgeführten "Österreich-<br />

Veranlagungen" gegenüber einer Veranlagung durch die Beschwerdeführerin selbst erkennbar sei, dann seien<br />

allfällige bessere Zinserträge in anderen Faktoren zu suchen. "Nichtsdestotrotz" sei die Beschwerdeführerin im<br />

Vorhalt vom 7. November 2000 zu einer Erläuterung hinsichtlich der Ergebnisverbesserung aufgefordert<br />

worden. Die Beschwerdeführerin habe die "präzisen zu erfüllenden Erfordernisse jedoch nichteinmal<br />

ansatzweise erfüllt, sondern lediglich schon vorhandene <strong>für</strong> unzureichend befundene Unterlagen vorgelegt". In<br />

diesem Zusammenhang habe die Beschwerdeführerin auch gleichsam ihren bei Sachverhalten mit<br />

Auslandsbezug erhöhten Mitwirkungspflichten nicht entsprochen. Ein tauglicher Vergleich hätte sich nur aus<br />

Veranlagungen "<strong>für</strong> die gleiche Zeit, der gleichen Art und der gleichen Anlagehöhe" ergeben können. Die<br />

belangte Behörde würdige die vorgelegten Unterlagen dahingehend, dass die Einschaltung der S. keine<br />

Ergebnisverbesserung bewirkt habe, weil "von dieser Gesellschaft keine Vorteile <strong>für</strong> eine Veranlagung in<br />

Österreich nachvollziehbar sind, ausgenommen solche der hier <strong>für</strong> ausschließlich relevant erachteten<br />

steuerlichen Vorteile". Zur Begründung der von der Beschwerdeführerin gewählten Vorgangsweise mit einer<br />

Loslösung von der ehemaligen Mehrheitsgesellschafterin und Hausbank (Bank Austria) werde die Beurteilung<br />

lt. Vorhalt vom 7. November 2000 weiterhin <strong>für</strong> richtig befunden. Es stelle nämlich eine "geradezu<br />

unverständlich umständliche Methode" dar, um die behaupteten Zielsetzungen im Zusammenhang mit einer<br />

Herbeiführung eines höheren Wettbewerbsdrucks <strong>für</strong> die Hausbank zu verfolgen, wenn man sich hie<strong>für</strong> der mit<br />

beträchtlichen Kosten verbundenen Zwischenschaltung irischer Gesellschaften bediene. Der wirtschaftlich<br />

verständliche Weg hätte darin bestanden, wenn die Beschwerdeführerin selbst Kontakte mit österreichischen<br />

Banken hergestellt hätte. Zu betonen sei auch, dass die Beschwerdeführerin in der Zeit vor der Einschaltung der<br />

irischen Gesellschaften und auch neben der bestehenden Geschäftsbeziehung mit Irland in der Lage gewesen sei,<br />

Festgeldveranlagungen selbst durchzuführen, was "angesichts der Art dieser Veranlagungsform und der<br />

Unternehmensgröße" der Beschwerdeführerin keine Besonderheit darstelle. Außerdem sei die Argumentation<br />

der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang widersprüchlich und deshalb auch unglaubwürdig. Wäre<br />

nämlich die Zielsetzung tatsächlich in einer Loslösung von der Hausbank gelegen gewesen, hätte die<br />

Geschäftsbeziehung mit dieser Bank auch bei vergleichsweise guten offerierten Konditionen nicht<br />

aufrechterhalten werden dürfen. Demgegenüber habe die Beschwerdeführerin in der Berufung vorgebracht, dass<br />

eine Veranlagung bei der Hausbank nur dann vorgenommen worden sei, wenn diese vergleichsweise bessere<br />

Konditionen geboten hätte. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin sei weiters deshalb als Scheinargument zu<br />

beurteilen, weil der seinerzeitige Generaldirektor der Hausbank am 26. Juni 1992 zum Vorsitzenden des<br />

Aufsichtsrates bei der Beschwerdeführerin gewählt worden sei und diese Funktion bis zum Ende des<br />

Berufungszeitraumes ausgeübt habe. Eine tatsächlich verfolgte Strategie der Loslösung von der Hausbank hätte<br />

seine Enthebung aus dieser bedeutsamen Funktion als konsequent erachten lassen. Auch die Investment<br />

Guidelines führten die Hausbank als eine von fünf namentlich angeführten möglichen Vertragsbanken <strong>für</strong> die<br />

von der S. vorzunehmenden Veranlagungen an. Das Protokoll über die Aufsichtsratssitzung vom<br />

25. Februar 1993, in dem die Kapitalzuführung in Höhe von 220 Mio. S an die S. angesprochen worden sei,<br />

spreche ebenfalls gegen eine Abkoppelungsstrategie von der Hausbank. Diese Mittel hätten nämlich im<br />

Einvernehmen mit der Hausbank in Österreich wieder veranlagt werden sollen. Die entgegenstehende<br />

Argumentation der Beschwerdeführerin sei "nicht leicht verständlich und nicht nachvollziehbar". Auch im<br />

Aufsichtsratssitzungsprotokoll vom 22. Dezember 1993 (Anlage 5) fänden sich Anhaltspunkte, die gegen die<br />

behauptete Loslösungsstrategie von der Hausbank sprächen, wenn es darin laute: "Mit Stichtag 7.12.1993 sind<br />

über diese irischen Veranlagungskonstruktionen insgesamt liquide Mittel im Ausmaß von ca. 665 Mio S<br />

veranlagt. Diese Veranlagungen der irischen Gesellschaften erfolgen über die (Hausbank) in Wien bzw. die<br />

Londoner Filiale der (Hausbank) auf 1 - 6 Monatsterminbasis". Es stehe nach Auffassung der belangten Behörde<br />

geradezu in Widerspruch zu den Behauptungen der Beschwerdeführerin, wenn das gesamte Ausmaß von<br />

665 Mio Schilling durch jene irischen Gesellschaften, die zum Zweck der Loslösungsstrategie von der Hausbank<br />

(mit-)begründet bzw. eingeschaltet worden seien, "von den selben wiederum und ausschließlich" bei der<br />

Hausbank veranlagt werde. Wenn die gesamte Anlagesumme wiederum bei der (vormaligen) Hausbank<br />

veranlagt werde, könne nicht einmal von einem "Konditionenwettbewerb" ausgegangen werden. Bei der<br />

vorliegenden Fallkonstellation sei außerdem von der Beschwerdeführerin "nicht nur irgendein wirtschaftlicher<br />

Grund <strong>für</strong> die gewählte zivilrechtliche Gestaltung zu verlangen", sondern einer von einem wirtschaftlichen<br />

Gewicht, der "in einer gewissen Relation zum angestrebten bedeutsamen Steuervorteil steht". Ein derartiger<br />

wirtschaftlicher Grund <strong>für</strong> die gewählte Konstruktion sei "trotz Bemühens, den Argumenten der Bw. umfassend<br />

nachzugehen," nicht erkennbar. Es seien ausschließlich - gerade im vorliegenden Fall besonders stark<br />

ausgeprägte - steuerliche Motive verfolgt worden.<br />

Zu der von der Rechtsprechung im Zusammenhang mit § 22 BAO geforderten "Kette von Rechtshandlungen"<br />

lägen "zahlreiche Schritte vor, insbesondere:<br />

"1. Gründung der C., Ende 1992, 100 % Tochterunternehmen der Bw.<br />

2. Etablierung der (schon im Jahr 1990 gegründeten) S. als Finanzanlagengesellschaft, 100 %<br />

Tochtergesellschaft der C.<br />

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Verwaltungsgerichtshof 10.08.2005<br />

3. Abschluss eines Managementvertrages mit der AIB vom 10.5.1993, der hinsichtlich der Veranlagungen<br />

keinen Irlandbezug, sondern nahezu ausschließlich Österreichbezug aufweist, außerdem vorgesehene<br />

Unterstützung der S. bei der Erlangung der IFSC-Steuerbegünstigung, weiters Vereinbarung einer<br />

Kündigungsmöglichkeit 'aus steuerlichem Grund'.<br />

4. Erlangung der IFSC-Steuerbegünstigung durch die S., folglich herabgesetzte irische Körperschaftsteuer<br />

von 10 %.<br />

5. Fortlaufende Zuführung von Barmitteln in ATS durch die Bw. an die S.<br />

6. Veranlagung der Gelder durch die S. im wesentlichen in ATS und bei österr. Banken bzw. österr. Filialen<br />

ausländischer Banken bzw. Durchführung von Konzernveranlagungen.<br />

7. Ausschüttungen an die Bw., die durch Inanspruchnahme des internat. Schachtelprivilegs steuerfrei bleiben<br />

bzw. bleiben sollten."<br />

Die belangte Behörde halte insgesamt die Beurteilung durch die Betriebsprüfung aufrecht, sodass<br />

(entsprechend einer angemessenen rechtlichen Gestaltung im Sinne des § 22 Abs. 2 BAO) die über die irischen<br />

Gesellschaften erzielten Erträge unmittelbar als von der Beschwerdeführerin in Österreich erzielt anzusehen<br />

seien. Wegen dieser unmittelbaren Zurechnung an die Beschwerdeführerin scheide auch die Anwendung des<br />

internationalen Schachtelprivilegs aus. Soweit die Beschwerdeführerin hinsichtlich einer "zu besteuernden<br />

angemessenen Gestaltung" geltend mache, dass in diesem Fall "irgendwelche zusätzliche Aufwendungen primär<br />

in Österreich angefallen wären", sei festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin die Höhe solcher hypothetischen<br />

Aufwendungen nicht genannt habe. Außerdem sei davon auszugehen, dass diese Aufwendungen nur eine<br />

vernachlässigbare Größe darstellten (Festgeldveranlagungen seien von der Beschwerdeführerin ohnehin getätigt<br />

worden und es hätte - anders als bei der S. - nicht erst eine Infrastruktur eingerichtet und bezahlt werden<br />

müssen). Soweit die Berücksichtigung von in Irland aufgelaufenen Aufwendungen (insbesondere irischer<br />

Steuern) begehrt werde, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde mit der vorliegenden<br />

Entscheidung nicht die Existenz der irischen Gesellschaften schlechthin verneine. Soweit bei den irischen<br />

Gesellschaften Aufwendungen angefallen seien, sei außerdem "vorauszuschicken, dass diese im Rahmen ihrer<br />

Besteuerung in Irland grundsätzlich geltend gemacht werden können". Der angemessene Weg bestehe "in einer<br />

gänzlichen Negierung des Irland-Bezugs der getätigten Veranlagungen". In diesem Sinne wären der<br />

Beschwerdeführerin bei dem zu besteuernden fiktiven angemessenen Sachverhalt keinerlei irische Steuern<br />

aufgelaufen. Bei Anrechnung einer irischen Steuer würde ein ausschließlich und zur Gänze Österreich<br />

zustehender Besteuerungsanspruch auf dem Umweg der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten<br />

"frustrierten Aufwendungen" zumindest zum <strong>Teil</strong> wieder verloren gehen.<br />

Nach Ansicht der belangten Behörde sei die Anwendung der Bestimmung des § 22 BAO auch nicht durch die<br />

Norm des § 10 Abs. 3 KStG 1988 bzw. die dazu ergangene Verordnung BGBl. Nr. 57/1995 zur steuerlichen<br />

Entlastung von Erträgen aus internationalen Schachtelbeteiligungen verdrängt. Auch das Vorbringen der<br />

Beschwerdeführerin zur Einschränkung des österreichischen Besteuerungsrechts durch das<br />

Doppelbesteuerungsabkommen mit Irland sei verfehlt. Nach dem zu besteuernden angemessenen Sachverhalt,<br />

bei dem die Zwischenschaltung irischer Gesellschaften als missbräuchlich beurteilt worden sei, weise der zu<br />

besteuernde angemessene Sachverhalt entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin keinen Irlandbezug (mehr)<br />

auf, zumal die von der S. erzielten Zinserträge unmittelbar als von der Beschwerdeführerin selbst in Österreich<br />

lukriert zu fingieren und zu besteuern seien.<br />

Die Wiederaufnahme des Verfahrens (hinsichtlich Körperschaftsteuer 1993 und 1994) sei zu Recht verfügt<br />

worden, weil erst im Zuge des Betriebsprüfungsverfahrens zahlreiche neue Beweismittel hervorgekommen seien,<br />

die die Geschäftsbeziehung der Beschwerdeführerin zur S. bzw. C. betroffen hätten. In einem<br />

Mängelbehebungsverfahren zur Berufung betreffend Wiederaufnahme der Verfahren habe die<br />

Beschwerdeführerin auch hinsichtlich der Wiederaufnahme die Abänderung beantragt, die steuerliche<br />

Ergebniszurechnung in Abzug zu bringen. Auch bezüglich der Begründung sei auf jene zur Berufung gegen die<br />

Sachbescheide verwiesen worden.<br />

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur<br />

gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden (im Folgenden nur: Beschwerde) erwogen:<br />

Der Körperschaftsteuer ist nach § 7 Abs. 1 KStG 1988 das Einkommen zu Grunde zu legen, dass der<br />

unbeschränkt Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat. Bei Steuerpflichtigen, die auf Grund<br />

der Rechtsform nach handelsrechtlichen Vorschriften zur Buchführung verpflichtet sind, sind nach § 7 Abs. 3<br />

leg. cit. alle Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG 1988) den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 23 Z 1 EStG 1988)<br />

zuzurechnen.<br />

§ 7 Abs. 4 KStG 1988 in seiner bis zum 31. August 1993 in Geltung gestandenen Fassung<br />

BGBl. Nr. 660/1989 hatte folgenden Wortlaut:<br />

"(4) Bei unter Absatz 3 fallenden Steuerpflichtigen bleiben nach Maßgabe des § 10 Z 5 Gewinnanteile jeder<br />

Art aus einer internationalen Schachtelbeteiligung sowie Gewinne aus der Veräußerung der Beteiligung außer<br />

Ansatz. Eine internationale Schachtelbeteiligung liegt vor, wenn der Steuerpflichtige an ausländischen<br />

Gesellschaften, die einer inländischen Kapitalgesellschaft vergleichbar sind, nachweislich in Form von<br />

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Gesellschaftsrechten unmittelbar mindestens zu einem Viertel beteiligt ist. Der Unternehmensgegenstand der<br />

ausländischen Gesellschaften darf zu nicht mehr als 25 % im Verwalten von eigenen Forderungswertpapieren<br />

(<strong>Teil</strong>schuldverschreibungen, Pfandbriefe, Kommunalschuldverschreibungen und ähnliche Wertpapiere) und<br />

Beteiligungen an anderen Unternehmen mit einem derartigen Unternehmensgegenstand liegen, es sei denn, die<br />

Gesellschaft unterhält einen Bankbetrieb."<br />

Nach § 10 Z 5 KStG 1988 in seiner bis zum 31. August 1993 in Kraft gestandenen Fassung der Novelle<br />

BGBl. Nr. 660/1989 waren von der Körperschaftsteuer Beteiligungserträge befreit, zu denen bei internationalen<br />

Schachtelbeteiligungen (§ 7 Abs. 4) auch Gewinnanteile jeder Art aus der Beteiligung gezählt wurden, wobei als<br />

Voraussetzung definiert war, dass die Beteiligung seit mindestens zwölf Monaten vor dem <strong>für</strong> die Ermittlung des<br />

Einkommens maßgeblichen Bilanzstichtag ununterbrochen bestanden hatte.<br />

Durch die Novelle BGBl. Nr. 694/1993 wurde die Regelung über die Erträge (Gewinnanteile jeder Art) aus<br />

internationalen Schachtelbeteiligungen aus der Bestimmung des § 7 KStG 1988 entfernt und zur Gänze in die<br />

Bestimmung des § 10 Abs. 2 KStG 1988 übernommen.<br />

Durch die mit 1. Jänner 1995 in Kraft getretene Novelle BGBl. Nr. 681/1994 erhielt die Bestimmung des § 10<br />

Abs 2 KStG 1988 eine neue Fassung. Demnach liegt eine internationale Schachtelbeteiligung vor, wenn unter<br />

§ 7 Abs. 3 fallende Steuerpflichtige nachweislich in Form von Gesellschaftsanteilen unmittelbar mindestens zu<br />

einem Viertel beteiligt sind a) an ausländischen Gesellschaften, die einer inländischen Kapitalgesellschaft<br />

vergleichbar sind, oder b) an anderen ausländischen Gesellschaften, die die in der Anlage 2 zum EStG 1988<br />

vorgesehenen Voraussetzungen des Art. 2 der Richtlinie Nr. 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 (ABl. EG<br />

Nr. L 225 S. 6) in der Fassung des Vertrages über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union erfüllen.<br />

Nach einem neu eingefügten dritten Absatz des § 10 KStG 1988 wird die Befreiung von Erträgen aus<br />

internationalen Schachtelbeteiligungen von der Körperschaftsteuer im Falle des Vorliegens von Gründen<br />

ausgeschlossen, wegen derer der Bundesminister <strong>für</strong> Finanzen dies zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen<br />

und Missbräuchen (§ 22 BAO) durch Verordnung anordnet. Das Vorliegen derartiger Gründe kann insbesondere<br />

dann angenommen werden, wenn der Unternehmensschwerpunkt der ausländischen Gesellschaft unmittelbar<br />

oder mittelbar darin besteht, Einnahmen aus Zinsen, aus der Überlassung beweglicher, körperlicher oder<br />

unkörperlicher Wirtschaftsgüter und aus der Veräußerung von Beteiligungen zu erzielen, das Einkommen der<br />

ausländischen Gesellschaft hinsichtlich der Ermittlung der Bemessungsgrundlage bzw. hinsichtlich der<br />

Steuersätze keiner der österreichischen Körperschaftsteuer vergleichbaren ausländischen Steuer unterliegt, und<br />

nicht nachgewiesen wird, dass an der Körperschaft unmittelbar oder mittelbar überwiegend natürliche Personen<br />

beteiligt sind, bei denen das Besteuerungsrecht der Republik Österreich hinsichtlich der Einkommensteuer im<br />

Verhältnis zu anderen Staaten eingeschränkt ist. Auf Grund der Verordnungsermächtigung des § 10 Abs. 3<br />

KStG 1988 ist die Verordnung BGBl. Nr. 57/1995 ergangen.<br />

Nach § 22 Abs. 1 BAO kann durch Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen<br />

Rechtes die Abgabepflicht nicht umgangen oder gemindert werden. Liegt ein Missbrauch nach dieser<br />

Gesetzesstelle vor, sind nach § 22 Abs. 2 BAO die Abgaben so zu erheben, wie sie bei einer den wirtschaftlichen<br />

Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu erheben wären.<br />

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird als Missbrauch im Sinne des § 22 BAO<br />

eine rechtliche Gestaltung angesehen, die im Hinblick auf die wirtschaftliche Zielsetzung ungewöhnlich und<br />

unangemessen ist und nur auf Grund der damit verbundenen Steuerersparnis verständlich wird. Dabei bildet im<br />

Allgemeinen nicht ein einziger Rechtsschritt, sondern eine Kette von Rechtshandlungen den Sachverhalt, mit<br />

dem die Folge des § 22 Abs. 2 BAO verbunden ist. Ein Missbrauch kann also in der dem tatsächlichen<br />

Geschehen nicht angemessenen Hintereinanderschaltung mehrerer rechtlicher Schritte bestehen. Für die<br />

Beurteilung einer Gestaltung als Missbrauch kommt es nicht darauf an, ob der Tatbestand der anzuwendenden<br />

Rechtsnormen stärker oder weniger stark an das Zivilrecht anknüpft (vgl. das hg. Erkenntnis vom<br />

9. Dezember 2004, Zl. 2002/14/0074, mwN).<br />

Wie auch in der Beschwerde ausgeführt wird, diente die Gründung der mit einem Stammkapital in<br />

Schillingwährung ausgestatteten (Tochter- und Enkel-) Gesellschaften der Beschwerdeführerin in der irischen<br />

Wirtschaftszone <strong>für</strong> Finanzdienstleistungen (IFSC) zur "Veranlagung" der aus Beteiligungsveräußerungen der<br />

Beschwerdeführerin resultierenden Liquiditätsüberschüsse. Die diesen Gesellschaften über so genannte<br />

Gesellschafterzuschüsse zugeführten, in der Beschwerde auch als '"Kriegskasse" bezeichneten Gelder sollten der<br />

Beschwerdeführerin <strong>für</strong> die Akquisition von Beteiligungen im Bedarfsfall (im Wege einer Kapitalherabsetzung)<br />

zur Verfügung bleiben. Nach der Verwendung der veranlagten Mittel zur Anschaffung von Beteiligungen<br />

wurden die beiden irischen Gesellschaften im Jahr 1998 auch liquidiert. Die irische Gesellschaft S. bzw. die auf<br />

Grund eines gesonderten "Managementvertrages" eingeschaltete irische Bank (AIB) veranlagte - so auch die<br />

Ausführungen in der Sachverhaltsschilderung lt. Beschwerde - die "ihr zugeführten liquiden Mittel vorrangig in<br />

ATS und bei österreichischen Kreditinstituten". Die aus diesen (Festgeld-)Veranlagungen resultierenden Zinsen<br />

sollten wiederum in Form steuerfreier Schachteldividenden an die Beschwerdeführerin fließen. Die Aktivitäten<br />

der irischen Gesellschaften, die über kein eigenes Personal und keine eigene Büroräumlichkeiten (solche wurden<br />

erst ab 6. Juni 1997 von der AIB angemietet, wobei die belangte Behörde die Sinnhaftigkeit dieser Anmietung lt.<br />

Beschwerde auch unwidersprochen in Zweifel zog) verfügten, beschränkten sich auf die Veranlagung der<br />

Liquiditätsüberschüsse der Beschwerdeführerin. Auf diese Veranlagung nahm die Beschwerdeführerin über die<br />

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Vorgaben in den so genannten "investment guidelines" Einfluss und die Feststellung im angefochtenen<br />

Bescheid, wonach das Know-how <strong>für</strong> die (vereinfachend gesagt) "Österreich-Veranlagungen" eher vom<br />

Vorstandmitglied der Beschwerdeführerin Dr. K. (der Geschäftsführungsfunktionen bei beiden irischen<br />

Gesellschaften wahrgenommen habe) als von den beiden irischen Geschäftsführern gestammt habe, bleibt in der<br />

Beschwerde auch unbekämpft. Insgesamt ging die belangte Behörde davon aus, die zwischengeschalteten<br />

irischen Gesellschaften hätten keine "wirtschaftlich sinnvollen Aktivitäten" erbracht, wobei außerdem<br />

beträchtliche Kosten (sowie u. a. längere Informationswege) angefallen seien, die bei einer Direktveranlagung in<br />

Österreich nicht zu tätigen gewesen wären. Warum der "Aufbau einer internen Veranlagungsabteilung unter<br />

Beiziehung von Finanzberatern" den Anforderungen "nicht hinreichend" entsprochen hätte, sodass die<br />

Beschwerdeführerin dem Aufbau eines ausgelagerten Risikomanagementsystems in Kooperation mit der AIB<br />

den Vorzug eingeräumt habe, erläutert die Beschwerde nicht nachvollziehbar. Den Ausführungen im<br />

angefochtenen Bescheid, wonach bei "einer angemessenen rechtlichen Gestaltung" (Erzielung der über die<br />

irischen Gesellschaften geflossenen Beträge unmittelbar durch die Beschwerdeführerin) keine nennenswerten<br />

Aufwendungen <strong>für</strong> die Beschwerdeführerin angefallen wären, tritt die Beschwerde nicht entgegen.<br />

Damit gleicht die vorliegende Sachverhaltskonstellation aber in wesentlichen Punkten derjenigen des dem<br />

oben zitierten hg. Erkenntnis vom 9. Dezember 2004, 2002/14/0074, zu Grunde liegenden Beschwerdefalles. Es<br />

lag somit eine Gesamtgestaltung (auch in Form einer Kette von Rechtshandlungen) vor, die seitens der belangten<br />

Behörde als ungewöhnlich und unangemessen mit dem Motiv der Steuervermeidung im Sinne des § 22 BAO<br />

beurteilt werden durfte.<br />

Auch die im vorliegenden Beschwerdefall vorgetragenen außersteuerlichen Gründe <strong>für</strong> die gewählte<br />

Gestaltung überzeugen nicht:<br />

In der Beschwerde wird vorgebracht, im Rahmen der Berufung seien die seinerzeitigen Rahmenbedingungen<br />

<strong>für</strong> die Schillingveranlagung "kurz" erläutert worden, wobei darauf hingewiesen worden sei, dass der<br />

Finanzmarkt damals be<strong>für</strong>chtet habe, die Kaufkraft des österreichischen Schilling könnte sich gegenüber der<br />

deutschen Mark zusehends verschlechtern, weshalb eine Konvertierung der aus Beteiligungsverkäufen<br />

stammenden und in österreichischen Schilling veranlagten Geldmittel in "vergleichsweise abwertungsfestere<br />

Währungen einen wesentlichen und nachhaltigen Aspekt der Veranlagungs- und Risikoüberlegungen des<br />

Vorstands der Beschwerdeführerin bildete, der <strong>für</strong> eine ausreichende Risikovorsorge und -absicherung zu sorgen<br />

hatte". Die belangte Behörde trat diesen "kurzen" Erläuterungen in der Berufung einerseits mit dem Hinweis auf<br />

die unpräzise gebliebenen Angaben hinsichtlich einer behaupteten Veranlagung in DM und andererseits mit den<br />

tatsächlich in Schillingwährung vorgenommenen Veranlagungen entgegen. Auch die in der Beschwerde erstmals<br />

- und insoweit auch unter Verstoß gegen das Neuerungsverbot nach § 41 Abs. 1 VwGG - weitwendig unter<br />

Zitaten aus Pressemeldungen und Auszügen aus dem Geschäftsbericht der Österreichischen Nationalbank <strong>für</strong> das<br />

Geschäftsjahr 1993 vorgetragene Begründung <strong>für</strong> einen "Schilling-Abwertungsdruck in 1992/1993" hilft der<br />

Beschwerdeführerin nicht darüber hinweg, dass sie mit diesem Vorbringen in Bezug auf die Motivation <strong>für</strong> die<br />

gegenständliche Gestaltung auf Behauptungsebene bleibt, wobei sie auch nicht einsichtig macht, in welcher<br />

Weise ein durch "Währungsturbulenzen" veranlasstes "präventives Risikomanagementsystem" konkret in der in<br />

Rede stehenden Veranlagung unter Einschaltung der irischen Gesellschaften ihren Niederschlag gefunden hätte.<br />

Mit der ins Treffen geführten "Abkoppelungsstrategie gegenüber dem vormaligen Mehrheitseigentümer" (der<br />

Hausbank) hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auseinander gesetzt und dabei u.a. auf die<br />

nach wie vor gegebene Einbindung der Hausbank in die Veranlagungen, die (damalige) Personalunion des<br />

Generaldirektors mit dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Beschwerdeführerin und den wirtschaftlich<br />

unverständlichen (mit beträchtlichen Kosten verbundenen) Weg durch Zwischenschaltung irischer<br />

Gesellschaften hingewiesen. Ohne diesen Ausführungen im angefochtenen Bescheid im Einzelnen zu<br />

widersprechen, wird in der Beschwerde als Begründung <strong>für</strong> die "Abkoppelungsstrategie" vor allem auf die<br />

"andauernden Währungsturbulenzen ab der zweiten Hälfte des Jahres 1992" hingewiesen. Mit diesem bereits<br />

oben zur "Schillingveranlagung" als nicht stichhältig erkannten Argument kann die Beschwerdeführerin die<br />

betreffend die "Abkoppelungsstrategie" im angefochtenen Bescheid dargelegte Beweiswürdigung aber nicht<br />

erschüttern.<br />

Zu einer Ergebnisverbesserung hinsichtlich der durchgeführten "Österreich-Veranlagungen" hat die belangte<br />

Behörde lt. angefochtenem Bescheid, "nichtsdestotrotz" eine solche durch Einschaltung der irischen<br />

Gesellschaften gegenüber einer Veranlagung durch die Beschwerdeführerin selbst nach der Sachlage (so habe<br />

das Know-How <strong>für</strong> die Veranlagungen vom Vorstandsmitglied der Beschwerdeführerin Dr. K. gestammt) nicht<br />

erkennbar gewesen sei, die Beschwerdeführerin im Vorhalt vom 7. November 2000 zu einer Erläuterung<br />

aufgefordert (die Beschwerdeführerin habe allerdings eine Verbesserung der Konditionen infolge Einschaltung<br />

der irischen Gesellschaften nicht einmal ansatzweise nachgewiesen und nur schon vorhandene Unterlagen<br />

vorgelegt). Wenn in der Beschwerde zu einer "erzielten Renditesteigerung" allgemein geltend gemacht wird, aus<br />

zwei sowohl im Rahmen der Betriebsprüfung als auch im Rahmen der Berufung beigebrachten Grafiken<br />

("Performance S. ATS" und "Performance S. DEM") gehe hervor, dass die "die irische Gesellschaft deutlich<br />

höhere Zinssätze im Bereich der Schilling-Veranlagung erzielte als die Beschwerdeführerin selbst erzielt hätte,<br />

nämlich 3-Monats-VIBOR abzüglich 15 Basispunkte" und "die irische Gesellschaft insbesondere ab September<br />

1996 wesentlich höhere Zinssätze im Bereich der DEM-Veranlagung erzielte als die Beschwerdeführerin selbst<br />

erzielt hätte, nämlich 3-Monats-VIBOR abzüglich 15 Basispunkte", wird damit ein beachtlicher<br />

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außersteuerlicher Grund <strong>für</strong> die gewählte Gestaltung noch nicht plausibel gemacht, zumal konkrete<br />

Vergleichsangaben fehlen und auch keine Relation zu den mit der Veranlagung über die irischen Gesellschaften<br />

entstandenen Kosten (und der mit der vorliegenden Gestaltung verbundenen Steuerersparnis) hergestellt wird.<br />

Inwieweit die belangte Behörde eine wesentliche Verletzung von Verfahrensvorschriften zu verantworten hätte<br />

(die Beschwerde moniert eine zu kurze Fristsetzung im Vorhalt vom 7. November 2000 und einen zu Unrecht<br />

von der belangten Behörde getätigten Hinweis auf eine erhöhte Mitwirkungspflicht), wird in der Beschwerde<br />

nicht deutlich gemacht.<br />

Zur "weltweiten Konzernbesteuerung der L.-Gruppe" (zu der die Beschwerdeführerin ab dem Jahr 1994<br />

gehöre) in Frankreich, die im Übrigen betreffend ihrer tatsächlichen Durchführung auch in der Beschwerde nicht<br />

näher erläutert wird, hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid bereits zutreffend darauf hingewiesen,<br />

dass eine derartige Besteuerung (eines anderen Steuersubjektes) nichts am Besteuerungsanspruch Österreichs<br />

und der Anwendbarkeit des § 22 BAO ändern könnte (vgl. in diesem Zusammenhang auch - betreffend die<br />

Umgehung von Abgaben iSd § 3 BAO - das hg. Erkenntnis vom 25. November 1999, 97/15/0104). Ob die<br />

Beibehaltung der Veranlagungspolitik der Beschwerdeführerin aus der Sicht einer Konzernbesteuerung in<br />

Frankreich eine Abgabenersparnis bewirkt hätte, ist damit auch nicht von Relevanz. Dass der österreichische<br />

Besteuerungsanspruch etwa durch Normen des internationalen Steuerrechts konkret beschränkt wäre, behauptet<br />

auch die Beschwerde nicht.<br />

Soweit die Beschwerde das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Republik Österreich und Irland<br />

(BGBl Nr. 66/1968 und Nr. 12/1989) ins Spiel bringt, das keine Missbrauchsregelung enthalte (Art. 8 Abs. 4<br />

dieses Abkommens normiere vielmehr eine generelle Beteiligungsertragsbefreiung), kann auf die Ausführungen<br />

im bereits zitierten hg. Erkenntnis vom 9. Dezember 2004 verwiesen werden, wonach auch bei Fehlen<br />

ausdrücklicher Abkommensbestimmungen ein Staat das Recht hat, sich vor einer unberechtigten Ausnützung der<br />

im Abkommen vorgesehenen Steuervorteile zu schützen.<br />

§ 22 BAO sanktioniert im Einzelfall einen der wirtschaftlichen Realität nicht angemessenen Einsatz<br />

zivilrechtlicher Gestaltungsmittel allein zum Zweck der Abgabenvermeidung. Durch Missbrauchsbestimmungen<br />

auf dem Gebiet des österreichischen Außensteuerrechts wird die Anwendung dieser Bestimmung nicht verdrängt<br />

(vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 2005, 2000/13/0176). Auch die mit 1. Jänner 1995 in Kraft getretene<br />

Bestimmung des § 10 Abs. 3 KStG 1988, wonach bei Gründen <strong>für</strong> das Vorliegen von Missbrauch bei den<br />

Erträgen aus internationalen Schachtelbeteiligungen ein Methodenwechsel von der Steuerbefreiungs- zur<br />

Anrechnungsmethode eintritt, konnte daher an der - bereits an der Einkünftezurechnung selbst ansetzenden -<br />

Missbrauchsbeurteilung im Beschwerdefall nichts ändern, wie dies auch seitens der belangten Behörde im<br />

angefochtenen Bescheid zutreffend festgehalten wurde (vgl. z.B. Loukota/Quantschnigg, Neues österreichisches<br />

Missbrauchsabwehrrecht gegenüber ausländischen Basisgesellschaften, SWI 1995, S. 13, sowie Wiesner,<br />

Die österreichischen Missbrauchsbestimmungen auf dem Gebiet des Außensteuerrechts - § 10 Abs. 3 KStG<br />

1988, SWI 1995, S. 131).<br />

Zur "Gemeinschaftswidrigkeit des § 22 BAO" wird in der Beschwerde vorgetragen, § 22 BAO sei - in seiner<br />

"Unbeschränktheit" entweder gemeinschaftsrechtswidrig oder die belangte Behörde habe § 22 BAO iVm § 10<br />

Abs. 3 KStG 1988 einen Inhalt unterstellt, den "diese in gemeinschaftskonformer Weise nicht haben können".<br />

Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass nach Rechtsprechung des EuGH die nationalen Gerichte im<br />

Einzelfall dem missbräuchlichen oder betrügerischen Verhalten des Betroffenen auf der Grundlage objektiver<br />

Kriterien Rechnung tragen können, um ihm gegebenenfalls die Berufung auf das einschlägige<br />

Gemeinschaftsrecht zu verwehren, wobei aber bei der Beurteilung eines solchen Verhaltens die Ziele der<br />

fraglichen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen zu beachten sind (vgl. z.B. das Urteil des EuGH vom<br />

21. November 2002, C-436/00, X und Y, Rn 42). Der Anwendung des § 22 BAO ist damit im Einzelfall auch im<br />

Geltungsbereich gemeinschaftsrechtlicher Normen (der Beschwerdefall betrifft u.a. Streitzeiträume nach dem<br />

Beitritt Österreichs zum EWR bzw. zur EU) nicht der Boden entzogen (vgl. z.B. Tumpel, Steuerumgehung im<br />

DBA-Recht und EG-Grundfreiheiten, in Lang/Jirousek (Hrsg.), Praxis des Internatonalen Steuerrechts, FS<br />

Loukota, Wien 2005, S. 589). Eine in der Beschwerde angeregte Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH<br />

hatte angesichts dessen nicht zu erfolgen.<br />

Die Beschwerdeführerin bringt vor, es sei <strong>für</strong> sie unbestritten von Vorteil gewesen, dass seit 1987 <strong>für</strong> eine<br />

gewisse - auch den verfahrensgegenständlichen Zeitraum betreffende - Zeit im ehemaligen Hafengebiet<br />

("Custom House Dock Area") von Dublin ein Zentrum <strong>für</strong> internationale Finanzdienstleistungen ("International<br />

Financial Service Center" - IFSC) bestanden habe, wobei die dort niedergelassenen Gesellschaften unter<br />

bestimmten Voraussetzungen - die auch auf die Beschwerdeführerin zugetroffen seien - eine zeitlich begrenzte<br />

Ermäßigung der Körperschaftsteuer auf 10 % hätten in Anspruch nehmen können. Diese<br />

Körperschaftsteuerermäßigung stelle eine staatliche Förderungsmaßnahme und somit eine nationale<br />

Lenkungsmaßnahme der Republik Irland dar, die darauf abgezielt habe, die Gründung von IFSC-Gesellschaften<br />

in der Custom House Dock Area zu erleichtern. Diese staatliche Förderungsmaßnahme sei durch die<br />

Kommission der Europäischen Gemeinschaften "im Rahmen der Beihilfenaufsicht nach Art 87 ff EGV (alt)<br />

zeitlich befristet genehmigt (Schreiben der EU-Kommission, Amtsblatt EG/C 198/14/ vom 18. 12. 1989)". Selbst<br />

wenn die Behauptungen der belangten Behörde über das Fehlen von außersteuerlichen Motiven <strong>für</strong> die<br />

Ansiedlung der "Off-Shore-Gesellschaft" zuträfen, dürfe ein "Ausweichen" von Steuerpflichtigen in das "EU-<br />

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Verwaltungsgerichtshof 10.08.2005<br />

Ausland und unter Inanspruchnahme von gemeinschaftsrechtlich zulässigen Förderungsmaßnahmen durch eine<br />

österreichische Missbrauchsregelung" nicht "korrigiert" werden. Der österreichische Gesetzgeber habe in § 10<br />

KStG 1988 die so genannte "Mutter-Tochter-Richtlinie" umgesetzt. Nach keiner Bestimmung dieser Richtlinie<br />

dürfe ein Mitgliedstaat die Steuerfreiheit von Auslandsdividenden dadurch "unterlaufen", dass er sie im Wege<br />

einer allgemeinen und überschießenden Missbrauchsregelung "korrigiert". Überdies sei auch im<br />

Anwendungsbereich der Grundfreiheiten jede Diskriminierung von grenzüberschreitenden Vorgängen gegenüber<br />

rein innerstaatlichen (z.B. rein irischen) Vorgängen verboten. Würde "nun - aus der Sicht des irischen Rechts -<br />

ausländischen (Mutter- bzw Großmutter-) Unternehmen wie etwa österreichischen Unternehmen eine<br />

'Partizipation' an diesen Förderungen verwehrt, so läge darin sowohl eine krasse Beschränkung der<br />

Niederlassungsfreiheit als auch eine Diskriminierung von ausländischen Unternehmen aus EU-Mitgliedstaaten".<br />

Eine im Rahmen der Niederlassungsfreiheit unzulässige Ausgangsbeschränkung stelle weiters das Ergebnis des<br />

angefochtenen Bescheides sowie des zu Grunde liegenden § 22 BAO dar, "weil die Beschwerdeführerin dadurch<br />

aufgrund einer ausschließlich innerstaatlichen Bestimmung um den Genuss einer gemeinschaftsrechtlichen<br />

zulässigen Förderungsmaßnahme im EU-Ausland gebracht werden würde". Dadurch, dass die<br />

Beschwerdeführerin in Form der mittels des angefochtenen Bescheides auferlegten Steuerbelastung einen<br />

Wettbewerbsnachteil gegenüber den in Irland (oder in anderen EU-Mitgliedstaaten, deren Rechtsordnungen<br />

keine mit § 22 BAO vergleichbare Bestimmung enthielten) ansässigen "und ebendort tätigen<br />

Kapitalgesellschaften" erfahre, sei sie auch in ihrer Freiheit über deren in Irland ansässige Tochtergesellschaften<br />

Finanzdienstleistungen zu erbringen, "durch die vertragswidrige Auslegung der Bestimmungen des § 22 BAO<br />

iVm § 10 Abs 3 KStG beschränkt."<br />

Zu diesem Vorbringen ist zunächst an den im Beschwerdefall zu beurteilenden Sachverhalt zu erinnern.<br />

Demnach lag nach dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren als unbedenklich erkannten Feststellungen der<br />

belangten Behörde eine ausschließlich zur Umgehung nationaler (österreichischer) Abgaben dienende<br />

ungewöhnliche und unangemessene Gesamtgestaltung (und nicht nur "die Ausnützung einer<br />

gemeinschaftsrechtlich zulässigen Förderung in einem anderen Mitgliedstaat") vor. Die rechtliche Existenz<br />

dieser irischen Gesellschaften wurde - worauf auch die belangte Behörde hinweist - nicht schlechthin verneint,<br />

sondern nur vor dem Hintergrund der Besonderheiten des Einzelfalles (Existenz der irischen Gesellschaften nur<br />

zur Veranlagung von in Form von Gesellschafterzuschüssen überlassenen Liquiditätsüberschüssen der<br />

Beschwerdeführerin, keine Sinnhaftigkeit der Einschaltung dieser Gesellschaften zur Erbringung von<br />

Finanzdienstleistungen betreffend die in Rede stehenden konservativen Festgeldveranlagungen in<br />

Schillingwährung) als zutreffend erachtet, dass der den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und<br />

Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung (in Form direkter Veranlagungen durch die<br />

Beschwerdeführerin) im Sinne des § 22 BAO zum Durchbruch zu verhelfen und solcherart die - unbestritten - in<br />

beträchtlicher Höhe erfolgte Umgehung der strittigen nationalen Abgaben zu verhindern sei. Der<br />

Verwaltungsgerichtshof vermag in dieser auf den Einzelfall bezogenen Beurteilung, die österreichischen<br />

Unternehmen eine "Partizipation" an gemeinschaftsrechtlich gebilligten Förderungsmaßnahmen <strong>für</strong> die so<br />

genannte "Custom House Dock Area" in Irland weder allgemein versagt noch eine den Zielrichtungen<br />

(Schaffung wettbewerbsneutraler steuerlicher Regelungen <strong>für</strong> Zusammenschlüsse von Gesellschaften<br />

verschiedener Mitgliedstaaten) der "Mutter-Tochter-Richtlinie" (Richtlinie Nr. 90/435/EWG des Rates vom<br />

23. Juli 1990, ABl. EG Nr. L 225 S 6) zuwiderlaufende "allgemeine und überschießende Missbrauchsregelung"<br />

beinhaltet, keinen Verstoß gegen gemeinschaftsrechtliche Vorgaben zu erblicken (vgl. in diesem Sinne auch<br />

Loukota, Einschaltung ausländischer Basisgesellschaften, SWI 2005, S. 205 ff).<br />

Die Beschwerden, die betreffend die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Körperschaftsteuer 1993<br />

und 1994 keine gesonderten Ausführungen enthalten, waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet<br />

abzuweisen.<br />

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II<br />

Nr. 333/2003.<br />

Wien, am 10. August 2005<br />

www.ris.bka.gv.at Seite 15 von 15


Zweifelsfragen zur<br />

Beteiligungsertrags-<br />

befreiung und zur<br />

Rückerstattung von<br />

Quellensteuern


676 RdW 10/2009 Artikel-Nr. 692 Steuerrecht<br />

■ RdW 2009/692, 676<br />

Highlights aus dem Workshop „Internationales<br />

Steuerrecht“<br />

Auf der „RuSt 09“, dem 13. Jahresforum <strong>für</strong> Recht und Steuern, fi ndet wie jedes<br />

Jahr der Workshop „Update Internationales Steuerrecht“ statt. Im Rahmen dieses<br />

Workshops werden – unter anderem – folgende Themenschwerpunkte gesetzt:<br />

die Fortentwicklung und Modifi kation des Betriebsstättenbegriffs im Lichte der<br />

neuesten Überlegungen der OECD, die durch das KorrStrÄG 2009 angeheizte<br />

Diskussion um die Behandlung von Auslandsprovisionen in der Betriebsprüfung,<br />

die aktuellen Entwicklungen rund um das Bankgeheimnis, die durch Rz 104<br />

EStR 2000 erneut ins Blickfeld gerückte Frage der internationalen Einkünftezurechnung<br />

sowie die Änderungen bei der Besteuerung grenzüberschreitender<br />

Dividenden durch das BBG 2009.<br />

1. Überblick über aktuelle Entwicklungen in Legistik,<br />

Rechtsprechung und Verwaltungspraxis<br />

Die Entwicklungen des internationalen Steuerrechts im Jahr<br />

2009 waren durch den globalen Kampf gegen Steuerhinterziehung<br />

und den zunehmenden Druck auf das österreichische<br />

Bankgeheimnis geprägt. Die Implementierung des neuen<br />

OECD-Transparenzstandards im Hinblick auf den steuerlichen<br />

Informationsaustausch sowohl durch die Revision zahlreicher<br />

Abkommen als auch durch die Schaffung einer nationalen Ausführungsgesetzgebung<br />

war heuer ein massiver Schwerpunkt<br />

der ministeriellen Tätigkeit im internationalen Steuerrecht. 1)<br />

Die Außensteuerlegistik tat im BBG 2009 2) einen weiteren<br />

Schritt zur europarechtsfreundlichen Gestaltung des österreichischen<br />

Steuerrechts, wurde doch einerseits die Befreiung <strong>für</strong><br />

Beteiligungserträge in § 10 KStG auf „Portfoliobeteiligungen“<br />

an EU- und EWR-Gesellschaften ausgedehnt, andererseits<br />

in § 21 Abs 1 Z 1a KStG ein Rückzahlungsmechanismus zur<br />

Vermeidung einer Diskriminierung von Dividendenausschüttungen<br />

an ausländische Gesellschaften eingeführt. 3) Neben<br />

den nachfolgend ausführlich dargelegten Entwicklungen in<br />

Rechtsprechung und Verwaltungspraxis 4) erscheinen überdies<br />

zwei Entwicklungen rund um die Verlustverwertungsproblematik<br />

bemerkenswert.<br />

Gerade in Zeiten von Wirtschaftskrise und Gewinneinbrüchen<br />

erlebt das alte Thema des Anrechnungsvortrages eine Renaissance,<br />

führt doch eine Versagung eines Anrechnungsvortrages<br />

zu einer zeitverschobenen Doppelbesteuerung, wenn ausländische<br />

Gewinne einen inländischen Verlustvortrag kürzen, ohne<br />

dass da<strong>für</strong> in späteren Perioden ein Anrechnungsguthaben bestünde.<br />

Bisher haben sowohl die Rechtsprechung 5) als auch<br />

1) Siehe Kapitel 4.<br />

2) BGBl I 2009/52.<br />

3) Siehe Kapitel 6.<br />

4) Siehe die Kapitel 2. (Betriebsstättenbesteuerung), 3. (Provisionen)<br />

und 5. (Einkünftezurechnung).<br />

5) VwGH 20. 4. 1999, 99/14/0012 ÖStZB 1999, 696; VwGH 28. 9. 2004,<br />

2000/14/0172 ÖStZB 2005/219 = SWI 2005, 302 m Anm R. Weninger<br />

= GeS 2005, 167 m Anm Obermair/P. Weninger; UFS Klagenfurt<br />

5. 1. 2007, RV/0121-K/04.<br />

Dr. Stefan Bendlinger<br />

ICON Wirtschaftstreuhand GmbH, Linz<br />

Univ.-Prof. DDr. Georg Kofl er,<br />

LL.M. (NYU)<br />

Johannes Kepler Universität Linz<br />

die Verwaltungspraxis 6) gegen die Kritik im Schrifttum 7) einen<br />

Anrechnungsvortrag im Hinblick auf ausländische Quellensteuern<br />

stets versagt. 8) Zweifelhaft ist auch, ob sich ein solcher<br />

allenfalls aus den Grundfreiheiten begründen lässt. 9) Vor diesem<br />

Hintergrund ist daher die jüngste Entwicklung in der Verwaltungspraxis<br />

sehr zu begrüßen: Das BMF ist nunmehr „aus<br />

wirtschaftlichen und standortpolitischen Gründen“ und auch<br />

aus „gemeinschaftsrechtlicher Sicht“ bereit, einzelfallbezogen im<br />

Wege des § 48 BAO zur Vermeidung einer zeitverschobenen,<br />

wirtschaftlichen Doppelbesteuerung einen Anrechnungsvortrag<br />

zu gewähren. 10) Die allfällige Gewährung eines Anrechnungsvortrages<br />

betrifft nur tatsächlich entrichtete Steuern 11)<br />

und bedarf einer ausreichenden Dokumentation des Vorliegens<br />

einer ausgleichsbedürftigen wirtschaftlichen Doppelbesteue-<br />

6) ZB Rz 7587 EStR 2000; EAS 1150 = SWI 1997, 532; EAS 2021 = SWI 2002,<br />

206; EAS 2036 = SWI 2002, 320; EAS 2591 = SWI 2005, 253.<br />

7) Siehe etwa Schuch, Verluste im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen<br />

(1998) 163 ff; Schuch, Die Zeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen<br />

(2002) 255 ff; siehe auch Nowotny, Erkenntnis des<br />

VwGH zur Anrechnung ausländischer Quellensteuern bei Verlusten<br />

im Ansässigkeitsstaat, SWI 1999, 388 (390 ff); Schuch, VwGH verneint<br />

Anrechnungsvortrag, SWI 1999, 469 (469 ff); W. Loukota in Lang/<br />

Schuch/Staringer (Hrsg), Tax Treaty Law and EC Law (2007) 125 (135);<br />

weiters Gassner, Anrechnungsvortrag schon nach derzeit geltendem<br />

Recht möglich? SWI 1999, 59 (59 f).<br />

8) Offen in Art 23 Tz 65 f OECD-MK.<br />

9) Da<strong>für</strong> zB Petritz, Gebieten Abkommens- und/oder Gemeinschaftsrecht<br />

einen Anrechnungsvortrag? RdW 2007/331, 311 (315); Marschner, EuGH<br />

in Columbus und Sammelverfahren CFC and Dividend sowie VwGH zu<br />

§ 10 Abs 2 KStG: Der ungebremste Siegeszug der Anrechnungsmethode,<br />

FJ 2008, 260 (263); vgl in diese Richtung auch Loukota, Neuerungen<br />

bei der zwischenstaatlichen Verlustverwertung, SWI 2001, 163<br />

(169); Loukota, Gebietet EU-Recht einen DBA-Anrechnungsvortrag?<br />

SWI 2006, 250 (250 ff), und Loukota, Doppelbesteuerungsabkommen<br />

im Einfl ussbereich des Gemeinschaftsrechts, in Quantschnigg/Wiesner/<br />

Mayr (Hrsg), Steuern im Gemeinschaftsrecht, FS Nolz (2008) 131 (142);<br />

vgl weiters Haslinger in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg), KStG (2009) § 10<br />

Rz 120, die unter Hinweis auf die KESt-Anrechnung im Inlandsfall<br />

bei nicht unter § 94 Z 2 EStG fallenden Dividenden eine diskriminierungsfreie<br />

Anrechnung fordert. Diese Frage offengelassen in VwGH<br />

28. 2. 2007, 2003/13/0064 ÖStZB 2007/410, 541; deutlich ablehnend<br />

UFS Klagenfurt 5. 1. 2007, RV/0121-K/04. Dagegen zB auch Kühbacher,<br />

Erfordert § 10 Abs. 2 KStG bei ausländischen Portfoliobeteiligungen<br />

einen Anrechnungsvortrag? SWI 2008, 387 (391 ff); Zorn, Ausländische<br />

Portfoliodividenden und § 10 KStG, RdW 2009/142, 171 (179 f).<br />

10) Siehe EAS 3065 (22. 5. 2009) (zu belgischen Zinseinkünften).<br />

11) Da § 48 BAO auf den „Ausgleich der in- und ausländischen Besteuerung“<br />

abzielt, können nur tatsächlich an der Quelle einbehaltene<br />

Steuern vom Einkommen in den Anrechnungsvortrag einbezogen<br />

werden, nicht jedoch zB Anrechnungsguthaben aufgrund einer<br />

Matching-Credit-Regelung.


Steuerrecht RdW 10/2009 Artikel-Nr. 692<br />

rung der anrechnungsbegünstigten Einkünfte (zB Ermittlung<br />

der Auslandseinkünfte) sowie der Sicherstellung, dass durch<br />

ein sachgerechtes Aufzeichnungssystem auch bei komplizierten<br />

Sachverhaltsentwicklungen eine verlässliche Prüfung der Umsetzung<br />

des Anrechnungsvortrages ermöglicht wird. 12)<br />

Die durch das Gemeinschaftsrecht 13) angeheizte Diskussion<br />

über die grenzüberschreitende Verlustverwertung hat in Österreich<br />

durch die Einführung des § 2 Abs 8 EStG 14) bzw des<br />

§ 9 Abs 6 KStG 15) (Verwertung von Auslandsverlusten durch<br />

unbeschränkt Steuerpfl ichtige) sowie durch eine einschränkende<br />

Auslegung des § 102 Abs 2 Z 2 letzter Satz EStG im Lichte<br />

von Diskriminierungsverboten (Verlustvortrag von Inlandsverlusten<br />

beschränkt Steuerpfl ichtiger) 16) zwar an Dynamik<br />

verloren. Dass aber viele Einzelfragen in diesem Themenbereich<br />

ungelöst sind, beweist ein interessanter Grenzfall, mit dem sich<br />

der VwGH unlängst zu befassen hatte. 17) Strittig war, ob ausländische<br />

(konkret: deutsche) Verluste, die vor Begründung der<br />

unbeschränkten Steuerpfl icht in Österreich entstanden sind,<br />

nach dem Wechsel in die unbeschränkte Steuerpfl icht durch<br />

Verrechnung mit hiesigen Einkünften verwertet werden können.<br />

Wenngleich dies aus der Sicht des nationalen Steuerrechts schon<br />

bisher allgemein verneint wurde, 18) war gerade im Lichte des<br />

Gemeinschaftsrechts fraglich, ob ein derartiger „Verlustimport“<br />

zur Vermeidung eines „Zuzugshemmnisses“ geboten sei. Der<br />

VwGH hat dies unter Hinweis auf das vom EuGH in Futura<br />

Participations 19) anerkannte Territorialitätsprinzip jedoch klar<br />

und uE zu Recht verneint. 20) Diese Entscheidung liegt im Ergebnis<br />

auf einer Linie mit der geänderten Verwaltungspraxis, auch<br />

in Umgründungsfällen die Möglichkeit der Verlusthereinnahme<br />

nicht mehr zu eröffnen. 21) War nämlich früher insb <strong>für</strong> Fälle der<br />

verschmelzenden Umwandlung die Ansicht vertreten worden,<br />

12) EAS 3065 (22. 5. 2009).<br />

13) Der EuGH war mittlerweile sowohl mit Verlusten von Tochtergesellschaften<br />

(EuGH 13. 12. 2005, C-446/03, Marks & Spencer, Slg 2005,<br />

I-10837; EuGH 18. 7. 2007, C-231/05, Oy AA, Slg 2007, I-6373; EuGH<br />

27. 11. 2008, C-481/07, Société Papillon) und mit „befreiten“ Betriebsstättenverlusten<br />

(EuGH 28. 2. 2008, C-293/06, Deutsche Shell<br />

GmbH, Slg 2008, I-1129; EuGH 15. 5. 2008, C-414/06, Lidl Belgium, Slg<br />

2008, I-3601; EuGH 23. 10. 2008, C-157/07, Krankenheim Ruhesitz am<br />

Wannsee) als auch mit negativen Vermietungseinkünften beschränkt<br />

Steuerpfl ichtiger befasst (EuGH 21. 2. 2006, C-152/03, Ritter Coulais,<br />

Slg 2006, I-1711; EuGH 18. 7. 2007, C-182/06, Lakebrink, Slg 2007,<br />

I-6705; EuGH 16. 10. 2008, C-527/06, Renneberg).<br />

14) Verwertung „befreiter“ Betriebsstättenverluste; eingefügt durch<br />

das StRefG 2005, BGBl I 2004/57, in Reaktion auf VwGH 25. 9. 2001,<br />

99/14/0217 ÖStZB 2002/365, 474.<br />

15) Verlusthereinnahme im Rahmen der Gruppenbesteuerung; eingefügt<br />

durch das StRefG 2005, BGBl I 2004/57, und das AbgÄG 2004, BGBl I<br />

2004/180.<br />

16) EAS 2345 = SWI 2003, 476; EAS 2595 = SWI 2005, 359 = ÖStZ 2006/255,<br />

128; siehe auch zB Rz 8059 EStR 2000 und Rz 324 KStR 2001; ebenso<br />

VwGH 16. 2. 2006, 2005/14/0036 ÖStZB 2006/402, 496; VwGH<br />

28. 11. 2007, 2007/14/0048 ÖStZB 2008/404, 502; ferner UFS Wien<br />

21. 3. 2005, RV/0495-W/04; UFS Wien 3. 8. 2005, RV/1266-W/04; UFS<br />

Wien 7. 4. 2006, RV/0439-W/05.<br />

17) VwGH 28. 5. 2009, 2008/15/0034, und vorgehend UFS Innsbruck<br />

24. 2. 2004, RV/0408-I/03.<br />

18) Siehe zB Rz 208 und Rz 8059 EStR 2000; EAS 1553 = SWI 2000, 285 = ÖStZ<br />

2000/868, 435; EAS 2097 = SWI 2002, 472; UFS Innsbruck 24. 2. 2004,<br />

RV/0408-I/03; so bereits auch VwGH 10. 2. 1950, 1864/48 VwSlg 192<br />

F/1950; vgl aus der Literatur auch Staringer, Besteuerung doppelt<br />

ansässiger Kapitalgesellschaften (1999) 338 f; Ludwig in Doralt, EStG 9<br />

§ 102 Tz 32 (anders womöglich Doralt, EStG 9 § 1 Tz 32/3, wohl im<br />

impliziter Abkehr von Doralt/<strong>Ruppe</strong>, Steuerrecht I 7 , 224); Fuchs in<br />

Hofstätter/Reichel, EStG 41 § 1 Tz 6; ebenso EAS 14 = SWI 1991, 260,<br />

im Hinblick auf den negativen Progressionsvorbehalt.<br />

19) EuGH 15. 5. 1997, C-250/95, Futura Participations, Slg 1997, I-2471.<br />

20) VwGH 28. 5. 2009, 2008/15/0034, und vorgehend ebenso UFS Innsbruck<br />

24. 2. 2004, RV/0408-I/03; wie hier auch Schön/Schindler in Lutter/<br />

Hommelhoff, SE Kommentar (2008) StR Rz 180 f.<br />

21) Siehe zB Rz 160a und Rz 194 UmgrStR 2002 idF UmgrStR-Wartungserlass<br />

2006/07; dazu Bruckner/Kolienz, UmgrStR-Wartungserlass 2006/07:<br />

Neuerungen beim Verlustabzug, ÖStZ 2007/997, 474 (478).<br />

eine Hereinnahme von Verlustvorträgen untergehender ausländischer<br />

Tochtergesellschaften sei unter gewissen Voraussetzungen<br />

möglich, 22) wurde diese Auffassung „ über die inländische<br />

Verwertbarkeit von Auslandsverlusten in Umgründungsfällen “ „ in<br />

dieser Form ab Einführung der Gruppenbesteuerung (2005) nicht<br />

mehr aufrechterhalten “. 23)<br />

2. Highlights aus der Betriebsstättenbesteuerung:<br />

Ein neuer Betriebsstättenbegriff im OECD-MK<br />

2008<br />

2.1. Die Dienstleistungsbetriebsstätte als alternativer<br />

Sondertatbestand<br />

Als Reaktion auf die sich verändernden Formen internationaler<br />

Geschäftstätigkeit, die es ermöglichen, auch ohne die Nutzung<br />

von Geschäftseinrichtungen Auslandseinkünfte zu erwirtschaften,<br />

wurde – ohne den seit 1977 nicht mehr angetasteten<br />

Wortlaut des Art 5 OECD-MA zu ändern 24) – im Zuge der<br />

in dreijährigen Rhythmen vorgenommenen Anpassungen des<br />

OECD-MK die Betriebsstättenschwelle ständig abgesenkt . 25) Der<br />

jüngste Vorstoß zur Aufweichung des Betriebsstättenbegriffes<br />

wurde – dem Druck von Entwicklungs- und Schwellenländern<br />

nachgebend – durch die am 17. 7. 2008 vom OECD-Fiskalausschuss<br />

26) veröffentlichte Neufassung des OECD-MK gesetzt. In<br />

den Rz 42.11 ff OECD-MK zu Art 5 OECD-MA wird unter<br />

dem Titel „The Taxation of Services“ den DBA-Vertragsstaaten<br />

in der Rz 42.23 OECD-MK zu Art 5 OECD-MA ein Abkommenstext<br />

<strong>für</strong> einen alternativen Betriebsstättentatbestand<br />

vorgeschlagen. 27)<br />

Dieser Sondertatbestand soll den Betriebsstättenbegriff insofern<br />

erweitern, 28) als allein eine bestimmte zeitliche Präsenz des<br />

Unternehmers im Quellenstaat den Bestand einer Betriebsstätte<br />

auslösen soll, selbst wenn nach den Tatbeständen des Art 5<br />

Abs 1 und 2 OECD-MA eine solche nicht anzunehmen wäre.<br />

Ist beispielsweise ein Berater über einen längeren Zeitraum an<br />

verschiedenen Orten im Quellenstaat tätig, ohne dort eine „feste<br />

Geschäftseinrichtung“ iSd Art 5 Abs 1 OECD-MA zu begründen,<br />

wäre nach der neuen „deeming provision“ aufgrund der<br />

mehr als 183-tägigen Präsenz eine solche anzunehmen. Wenn<br />

aber ein Sachverhalt bereits die Voraussetzungen einer „festen<br />

Geschäftseinrichtung“ erfüllt, ist der Sondertatbestand nicht<br />

weiter zu untersuchen. 29) Der Sondertatbestand kann auch unabhängig<br />

von Art 5 Abs 3 OECD-MA zur Anwendung kommen.<br />

Wenn zB ein selbstständig tätiger Unternehmer im Quellenstaat<br />

über einen Zeitraum von mehr als 183 Tagen innerhalb eines<br />

22) EAS 1992 = SWI 2002, 166 = ÖStZ 2002/474, 282; EAS 2110 = SWI<br />

2003, 199 = ÖStZ 2003/505, 269; EAS 2339 = SWI 2003, 442 = ÖStZ<br />

2004/86, 34; siehe auch EAS 2365 = SWI 2003, 535 (zur Einbringung<br />

verlustbringender Betriebe durch ausländische Kapitalgesellschaften)<br />

und EAS 2110 = SWI 2003, 199 (zu Hereinverschmelzungen).<br />

23) Vgl BMF-010221/0666-IV/4/2006 = ARD 5740/7/2007; krit dazu Grau/<br />

Stefaner, Nutzung ausländischer Verluste durch Umgründungen, SWI<br />

2007, 217 (217 ff), und Waitz-Ramsauer, Internationale Umgründungen<br />

und deren Steuerfallen, in Fraberger/Baumann/Plott/Waitz-Ramsauer<br />

(Hrsg), Handbuch Konzernsteuerrecht (2008) 565 (579 ff).<br />

24) Reimer, Die Zukunft der Dienstleistungsbetriebsstätte, IStR 2009, 378<br />

(379).<br />

25) Bendlinger, Paradigmenwechsel bei der Auslegung des Betriebsstättenbegriff<br />

im DBA-Recht durch die OECD, SWI 2006, 358 (358 ff).<br />

26) Zuletzt durch die Revision von OECD-MA und OECD-MK 2008: OECD,<br />

Model Tax Convention on Income and on Capital, Condensed Version<br />

(17. 7. 2008).<br />

27) Bendlinger, Die Betriebsstätte – ein alternativer Betriebsstättentatbestand,<br />

IStR 2009, 523 ff.<br />

28) Rz 42.24 OECD-MK zu Art 5 OECD-MA.<br />

29) Rz 42.24 OECD-MK zu Art 5 OECD-MA.<br />

677


678 RdW 10/2009 Artikel-Nr. 692 Steuerrecht<br />

12-Monats-Zeitraumes Leistungen an verschiedenen Baustellen<br />

erbringt, die isoliert betrachtet die 12-monatige Schonfrist in<br />

Art 5 Abs 3 OECD-MA nicht überschreiten würden, kann dennoch<br />

eine Betriebsstätte unterstellt werden. Abgrenzungsfragen<br />

werden sich in Fällen ergeben, in denen Dienstleistungen sowohl<br />

Art 5 Abs 3 OECD-MA als auch dem Alternativtatbestand<br />

zugeordnet werden könnten. Da Letzterer eine Betriebsstätte<br />

schon bei 6-monatiger Präsenz unterstellt, während Art 5 Abs 3<br />

OECD-MA einen 12-Monatszeitraum vorsieht, ist davon auszugehen,<br />

dass Quellenstaaten versuchen werden, Sachverhalte im<br />

Zweifel unter dem Sondertatbestand zu subsumieren. Deshalb<br />

wird im OECD-MK vorgeschlagen, die in den beiden Tatbeständen<br />

vorgesehenen Fristen aufeinander abzustimmen. 30) Das<br />

entspricht der bei DBA-Neuverhandlungen zu beobachtenden<br />

Tendenz, die <strong>für</strong> Bau- und Montageausführungen vorgesehene<br />

Schonfrist zu verkürzen. 31)<br />

Der Sondertatbestand soll nur auf Dienstleistungen („Services“)<br />

Anwendung fi nden, die im Quellenstaat vom Unternehmer<br />

oder von diesem abhängigen Personen erbracht werden, 32) unabhängig<br />

davon, wo der Leistungsempfänger ansässig ist. 33)<br />

Lit a des im OECD-MK vorgeschlagenen DBA-Textes stellt<br />

einerseits auf die physische Anwesenheitsdauer 34) der die Dienstleistung<br />

erbringenden natürlichen Person ab. Unabhängig davon,<br />

ob diese als Einzelunternehmer oder (zB als Arbeitnehmer)<br />

in einem Abhängigkeitsverhältnis („ under the supervision, direction<br />

or control “) im Auftrag eines Unternehmens tätig wird. 35)<br />

Zusätzlich wird vorausgesetzt, dass mehr als 50 % der vom<br />

Unternehmen aus „aktiver“ (jedoch nicht auf Dienstleistungen<br />

beschränkter) 36) Geschäftstätigkeit erwirtschafteten „gross<br />

revenues“ aus den von der natürlichen Person im Quellenstaat<br />

ausgeübten Tätigkeiten stammen. 37)<br />

In lit b wird auf eine projektbezogene Betrachtungsweise<br />

abgestellt und eine Betriebsstätte unterstellt, wenn eine oder<br />

mehrere Personen über einen Zeitraum von mehr als 183 Tagen<br />

im 12-Monatszeitraum <strong>für</strong> ein Projekt oder wirtschaftlich<br />

miteinander verbundene Projekte Leistungen im Quellenstaat<br />

erbringen. 38) Es wird in diesem Fall also nicht auf die Anwesenheitsdauer,<br />

sondern auf den Zeitraum der Leistungserbringung<br />

abgestellt. 39) Da auch die 183-Tage-Regelung missbräuchlich<br />

umgangen werden könnte, wird in Rz 42.45 OECD-MK zu<br />

Art 5 OECD-MA ein der Missbrauchsabwehr dienender Textvorschlag<br />

unterbreitet, der es zulassen soll, unter gewissen Voraussetzungen<br />

die Abschirmwirkung rechtlich selbstständiger<br />

Konzernunternehmen zu durchbrechen. 40)<br />

30) Rz 42.27 OECD-MK zu Art 5 OECD-MA.<br />

31) So ist zB selbst in den DBA mit den EU-Mitgliedstaaten Estland (BGBl<br />

III 2003/11), Lettland (BGBl III 2007/76) und Litauen (BGBl III 2005/209)<br />

<strong>für</strong> Bauausführungen und Montagen nur eine 9-monatige Schonfrist<br />

vorgesehen. Ebenso in dem ab 1. 1. 2010 wirksam werdenden DBA<br />

mit Griechenland (BGBl III 2009/16).<br />

32) Rz 42.32 OECD-MK zu Art 5 OECD-MA.<br />

33) Rz 42.31 OECD-MK zu Art 5 OECD-MA.<br />

34) Die 183-Tage-Frist ist nach den gleichen Grundsätzen zu berechnen,<br />

wie die im Bereich der Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit in<br />

Art 15 Abs 2 lit a OECD-MA vorgesehene Schonfrist; siehe Rz 42.36<br />

OECD-MK zu Art 5 OECD-MA.<br />

35) Rz 42.43 ff OECD-MK zu Art 5 OECD-MA.<br />

36) Rz 42.37 OECD-MK zu Art 5 OECD-MA.<br />

37) In Rz 42.37 OECD-MK zu Art 5 OECD-MA wird den DBA-Staaten freigestellt,<br />

nicht auf den Umsatz („gross revenue“), sondern auf den<br />

Gewinn abzustellen, oder darauf, dass die im Quellenstaat erbrachten<br />

Dienstleistungen den wichtigsten Bestandteil der Geschäftstätigkeiten<br />

des Unternehmens ausmachen.<br />

38) Rz 42.39 ff OECD-MK zu Art 5 OECD-MA.<br />

39) Rz 42.42 OECD-MK zu Art 5 OECD-MA.<br />

40) Rz 42.45 OECD-MK zu Art 5 OECD-MA.<br />

2.2. Territorialprinzip und „Nettobesteuerung“<br />

Die Praxis zeigt, dass viele Staaten zwecks Sicherung des Steueraufkommens<br />

den Schuldner einer Dienstleistungsvergütung<br />

dazu verpfl ichten, einen Quellensteuerabzug vom Bruttobetrag<br />

der Vergütungen einheben. Auch Österreich erfasst Einkünfte,<br />

die beschränkt Steuerpfl ichtige aus im Inland ausgeübter kaufmännischer<br />

oder technischer Beratung (§ 99 Abs 1 Z 5 EStG)<br />

erwirtschaften, im Wege einer 20%igen Quellensteuer, wobei<br />

es dem beschränkt Steuerpfl ichtigen jedoch überlassen bleibt,<br />

eine Veranlagung zu beantragen (§ 102 Abs 1 Z 3 EStG). Auch<br />

der OECD-MK bekennt sich ausdrücklich zum Gebot der Nettobesteuerung<br />

. 41) Auch der Besteuerung von „offshore-Gewinnen“,<br />

also solchen, die außerhalb des Quellenstaates erwirtschaftet<br />

worden sind, wird eine klare Absage erteilt. 42) Ebenso wenig<br />

soll allein der Umstand, dass der Schuldner der Vergütung eine<br />

im Quellenstaat ansässige Person ist bzw dass die Leistungen<br />

im Quellenstaat genutzt werden, nicht ausreichen, um ein<br />

Besteuerungsrecht des Quellenstaates zu rechtfertigen. Eine<br />

solche steuerliche Anknüpfung fi ndet sich noch in einigen von<br />

Österreich abgeschlossenen DBA. 43)<br />

3. Auslandsprovisionen in der Betriebsprüfung:<br />

KorrStrÄG 2009<br />

Internationale Geschäftstätigkeit bedarf der professionellen<br />

Unterstützung im Ausland erfahrener Personen, die Kontakte<br />

zu potentiellen Kunden und Auftraggebern pfl egen und so <strong>für</strong><br />

Auftragserfolge sorgen. Die Praxis zeigt, dass die Betriebsausgabeneigenschaft<br />

der da<strong>für</strong> von österreichischen Unternehmen zu<br />

leistenden Vergütungen (Provisionen) bei der Betriebsprüfung<br />

exportorientierter Unternehmen in jüngster Zeit zu einem der<br />

Prüfungsschwerpunkte zählt. Der Finanzverwaltung bieten sich<br />

eine Reihe gesetzlicher Angriffspunkte da<strong>für</strong>, ins Ausland fl ießenden<br />

Vergütungen <strong>für</strong> die Vermittlung von Exportgeschäften die steuerliche<br />

Anerkennung zu versagen bzw den Vergütungsschuldner<br />

zur Haftung <strong>für</strong> eine allenfalls quellensteuerpfl ichtige Zahlung<br />

in Anspruch zu nehmen. Die relevanten Normen sind in der<br />

folgenden Tabelle aufgelistet: siehe Seite 679<br />

Für österreichische Unternehmen bzw deren Organe hat § 20<br />

Abs 1 Z 5 EStG bzw die korrespondierende Bestimmung des § 12<br />

Abs 1 Z 4 KStG eine besondere Brisanz, zumal die Anwendbarkeit<br />

diese Bestimmungen im Verhältnis zu § 162 BAO vorrangig zu<br />

41) Rz 42.47 OECD-MK zu Art 5 OECD-MA.<br />

42) Rz 42.18 ff OECD-MK zu Art 5 OECD-MA.<br />

43) Art 12 des österreichisch-indischen DBA (BGBl III 2001/231) ermöglicht<br />

es zB dem Quellenstaat, Entgelte <strong>für</strong> technische Dienstleistungen<br />

einer auf 10 % des Bruttobetrages der Vergütung begrenzten Besteuerung<br />

zu unterziehen, wenn der Schuldner eine dort ansässige<br />

Person ist. Ebenso Art 13 des österreichisch-pakistanischen DBA (BGBl<br />

III 2007/49).<br />

44) Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar 2 § 115 Rz 10; Schröcker,<br />

Die steuerliche Abzugsfähigkeit von Auslandsprovisionen aus dem<br />

Blickwinkel der Betriebsprüfung, SWK 2002, S 529 (S 533); VwGH 23.<br />

2. 1994, 92/15/0159 ÖStZB 1994, 590; VwGH 30. 5. 1995, 93/13/0076<br />

ÖStZB 1996, 29.<br />

45) VwGH 8. 4. 1970, 1415/68; VwGH 25. 11. 1999, 97/15/0104 ÖStZB<br />

2000/138.<br />

46) VwGH 25. 5. 1993, 93/14/0019 ÖStZB 1994, 53; VwGH 25. 1. 2001,<br />

95/15/0134 ÖStZB 2002/190.<br />

47) Bendlinger, Steueroasen und Offshore-Strukturen, in Hammerschmied<br />

(Hrsg), Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung in Europa, FS Brogyányi<br />

(2008) 525 (553).<br />

48) VwGH 25. 4. 1996, 95/16/0244 ÖStZB 1997, 38.<br />

49) Renner, Briefkastenfi rmen und internationaler Gestaltungsmissbrauch<br />

– Erscheinungsformen und ihre Bekämpfung, in Lang/Jirousek<br />

(Hrsg), Praxis des Internationalen Steuerrechts, FS Loukota (2005) 399<br />

(414).


Steuerrecht RdW 10/2009 Artikel-Nr. 692<br />

Norm Inhalt<br />

§ 4 Abs 4 EStG Veranlassungsprinzip bei Betriebsausgaben<br />

§ 20 Abs 1 Z 5 EStG und<br />

§ 12 Abs 1 Z 4 KStG<br />

§ 70 EStG, § 98 ff EStG und<br />

§ 21 Abs 1 KStG<br />

prüfen ist. § 20 Abs 1 Z 5 EStG, wonach Geld- und Sachzuwendungen<br />

, deren Gewährung oder Annahme mit gerichtlicher Strafe<br />

bedroht ist, sowie Verbandsgeldbußen nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz<br />

die Betriebsausgabeneigenschaft versagt<br />

wird, wurde im Zuge des AbgÄG 1998 50) mit Wirksamkeit ab<br />

13. 1. 1999 in das Einkommen- bzw Körperschaftsteuerrecht<br />

übernommen. 51) Mit diesen Bestimmungen wurde – zusammen<br />

mit der Verschärfung der strafrechtlichen Bestimmungen im StrafrechtsänderungsG<br />

1998 dem OECD-Übereinkommen über die<br />

Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger 52) Genüge<br />

getan. 53) § 20 Abs 1 Z 5 EStG und § 12 Abs 1 Z 4 KStG verweisen<br />

unmittelbar auf österreichisches Strafrecht . Ob die Gewährung oder<br />

Annahme von Geld- oder Sachzuwendungen Tatbestandsmerkmal<br />

eines in den Strafgesetzen umschriebenen Tatbildes ist, ist <strong>für</strong><br />

die Abgabenbehörde eine Vorfrage, die von der Finanzverwaltung<br />

nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen<br />

eigenen Anschauungen beurteilt werden kann (§ 116 BAO). 54)<br />

In Rz 4843 EStR 2000 sind die betroffenen Delikte aufgelistet.<br />

55) Die Beurteilung strafrechtlicher Normen durch Beamte der<br />

Finanzverwaltung ist zweifellos ein schwieriges Unterfangen. 56)<br />

Das BMF geht bei der Geschenkannahme bzw Bestechung eines<br />

50) BGBl I 1999/28.<br />

51) Für einen Überblick zu den ertragsteuerlichen Normen siehe Kofl er<br />

in Doralt, EStG 11 (2007) § 20 Tz 126 ff; Bieber/Kofl er, Korruptionstatbestände<br />

im Ertragsteuerrecht, Zak 2009, 187 (187 ff).<br />

52) OECD, Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer<br />

Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr (17. 12. 1997),<br />

abgedruckt in Dannecker/Leitner, Schmiergelder (2002) 153 ff.<br />

53) BGBl I 1998/153.<br />

54) Rz 4846 EStR 2000.<br />

55) Die bei Drucklegung dieses Beitrages vorliegende Richtlinienfassung<br />

verweist noch auf die Rechtslage nach dem Strafrechtsänderungsgesetz<br />

2008. Die sich aus dem Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz<br />

2009 (KorrStrÄG 2009, BGBl I 2009/98) ergebenden Anpassungen sind<br />

in den EStR bislang noch nicht berücksichtigt.<br />

56) Leitner, Die Bedeutung des Abzugsverbotes des § 20 Abs 1 Z 5 EStG<br />

im österreichischen Finanzstrafrecht, in Dannecker/Leitner (Hrsg),<br />

Schmiergelder (2002) 73 (77).<br />

Abzugsverbot <strong>für</strong> Geld- und Sachzuwendungen, deren Gewährung oder Annahme mit gerichtlicher<br />

Strafe bedroht ist und <strong>für</strong> Verbandsgeldbußen nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz<br />

Inanspruchnahme des inländischen Schuldners der Vergütung, wenn der Steuerausländer im<br />

Inland kaufmännische oder technische Beratungsleistungen ausübt oder als Arbeitnehmer zu<br />

qualifi zieren ist und seine Arbeit im Inland ausübt oder verwertet<br />

§ 119 BAO Offenlegungs- und Wahrheitspfl icht gegenüber den Abgabenbehörden<br />

§ 120 ff BAO Anzeige und Meldepfl ichten<br />

§ 138 BAO (Erhöhte) Mitwirkungspfl icht bei Auslandssachverhalten 44) . Aus dieser Bestimmung wird auch<br />

eine Beweisbeschaffungs- 45) und Beweisvorsorgepfl icht 46) des Abgabepfl ichtigen abgeleitet<br />

§ 162 BAO Gläubiger- und Empfängerbenennung<br />

§ 163 BAO Prüfungseinstieg, wenn begründeter Anlass <strong>für</strong> die Vermutung besteht, die sachliche Richtigkeit<br />

von Büchern und Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen 47)<br />

§ 167 Abs 2 BAO Sachverhaltsbeurteilung in freier Beweiswürdigung. Kann der Sachverhalt nicht mit völliger<br />

Sicherheit festgestellt werden, kann die Finanzverwaltung jene als erwiesen annehmen, der<br />

gegenüber anderen Möglichkeiten die überwiegende Wahrscheinlichkeit zukommt 48)<br />

§ 169 ff BAO Einvernahme von Zeugen<br />

§ 184 BAO Schätzungsbefugnis bei fehlender Möglichkeit, die Grundlagen <strong>für</strong> die Abgabenerhebung zu<br />

ermitteln 49)<br />

§ 143 BAO Auskunftspfl icht über alle <strong>für</strong> die Erhebung von Abgaben maßgeblichen Tagsachen, die jedermann<br />

trifft, auch wenn es sich nicht um seine persönlichen Angelegenheiten handelt<br />

§ 144 BAO Nachschau bei Personen, die nach abgabenrechtlichen Vorschriften Bücher oder Aufzeichnungen<br />

zu führen haben<br />

§ 158 BAO Beistandspfl icht aller Dienststellen von Körperschaften des öffentlichen Rechts<br />

ausländischen Beamten jedenfalls dann von einer Strafbarkeit aus,<br />

wenn der ausländische Beamte in hoheitlicher Funktion handelt.<br />

In Fällen, bei denen der deliktische Charakter einer Zahlung mit<br />

Auslandsbezug nicht offenkundig ist, sollen amtswegige Ermittlungen<br />

nur dann vorgenommen werden, wenn begründeter Verdacht<br />

auf Erfüllung eines Straftatbestandes vorliegt. Bei „anderen<br />

Delikten“ nur dann, wenn in Österreich bereits ein gerichtliches<br />

Strafverfahren eingeleitet worden ist. 57)<br />

Organe international tätiger Unternehmen, die im Zuge ihrer<br />

Auslandsaktivitäten „nützliche Abgaben“ leisten müssen, sollten<br />

sich jedenfalls mit den in der folgenden Tabelle aufgelisteten<br />

strafrechtlichen Bestimmungen auseinandersetzen:<br />

Norm des StGB 58) Inhalt der Norm<br />

§ 168c Geschenkannahme durch Bedienstete<br />

oder Beauftragte<br />

§ 168d Bestechung von Bediensteten oder<br />

Beauftragten<br />

§ 74 Abs 1 Z 4a Defi nition des Begriffs „Amtsträger“<br />

§ 302 Missbrauch der Amtsgewalt<br />

§ 304 Bestechlichkeit<br />

§ 305 Vorteilsannahme<br />

§ 306 Vorbereitung der Bestechlichkeit oder<br />

Vorteilsannahme<br />

§ 307 Bestechung<br />

§ 307a Vorteilszuwendung<br />

§ 307b Vorbereitung der Bestechung<br />

§ 307c Tätige Reue<br />

§ 308 Verbotene Intervention<br />

57) Rz 4844 EStR 2000; Haimerl, Steuerliches Abzugsverbot von Geld- und<br />

Sachzuwendungen, in Dannecker/Leitner (Hrsg), Schmiergelder (2002)<br />

57 (65).<br />

58) In der Fassung KorrStrÄG 2009, BGBl I 2009/98.<br />

679


680 RdW 10/2009 Artikel-Nr. 692 Steuerrecht<br />

Sofern sich dem Abgabenprüfer im Zuge einer steuerlichen<br />

Betriebsprüfung der augenscheinliche Verdacht auf Erfüllung<br />

eines der genannten Straftatbestände auftut, muss der Steuerpfl<br />

ichtige damit rechnen, dass die Finanzbehörde Anzeige bei<br />

der Staatsanwaltschaft erstattet. Denn Organe des Bundes, der<br />

Länder und der Gemeinden sind gem Art 22 B-VG im Rahmen<br />

ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereichs zur wechselseitigen<br />

Hilfeleistung verpfl ichtet. Vorständen und Geschäftsführern ist<br />

im Umgang mit Vorteilszuwendungen also dringend anzuraten,<br />

präventive Maßnahme zu setzen, indem die innerbetriebliche<br />

Praxis einer „Gesundenuntersuchung“ unterzogen wird, allenfalls<br />

Strafrechtsexperten involviert werden, ein <strong>für</strong> alle Mitarbeiter<br />

verbindlicher Verhaltenskodex („Compliance“-Richtlinien) erarbeitet<br />

wird und alle Geschäftsfälle zeitnah und ausreichend<br />

dokumentiert werden. Denn die Zahlung von Schmier- und<br />

Bestechungsgeldern kann – auch wenn sie ins Ausland fl ießen,<br />

egal ob in EU-Staaten oder in Drittstaaten – in Österreich<br />

straf- und natürlich auch fi nanzstrafrechtliche Folgen <strong>für</strong> die als<br />

Vertreter der Gesellschaft handelnde natürliche Person mit sich<br />

bringen und zusätzlich nach dem seit 1. 1. 2006 wirksamen VerbandsverantwortlichkeitsG<br />

59) geahndet werden. Bei entdecktem<br />

Verstoß gegen strafrechtliche Bestimmungen wird die Versagung<br />

des Betriebsausgabenabzugs wohl das geringste Übel sein.<br />

4. Internationaler Informationsaustausch und<br />

Bankgeheimnis<br />

Auf internationaler Ebene hat sich in den vergangenen Jahren<br />

und Monaten ein enormer Druck auf die Einhaltung eines<br />

globalen Transparenzstandards aufgebaut, in dem nationale<br />

Bankgeheimnisse <strong>für</strong> den grenzüberschreitenden Informationsaustausch<br />

keinen Platz mehr haben sollten. Beginnend mit<br />

einem umfassenden OECD-Bericht 60) und der Schaffung eines<br />

standardsetzenden „Musterabkommens zum Informationsaustausch<br />

in Steuersachen“ 61) fand dieser Transparenzstandard<br />

im Jahr 2005 auch Eingang in Art 26 OECD-MA. Demnach<br />

kann der ersuchte Staat die Auskunftsleistung, die sich auf alle<br />

Informationen, die zur Erfüllung dieser Zwecke im um Amtshilfe<br />

ersuchenden Staat voraussichtlich erheblich („ foreseeably<br />

relevant “) sind, nicht ausschließlich mit der Begründung ablehnen,<br />

dass sich die erbetenen Informationen in den Händen<br />

eines Kreditinstituts befi nden und daher aufgrund bestehender<br />

Ermittlungsbeschränkungen (Bankgeheimnis) nicht beschafft<br />

werden können. Die Bemühungen der OECD fanden sowohl<br />

durch Staatengruppen (zB G20 und G8) 62) als auch durch die<br />

EU 63) massive Unterstützung. Zusätzlich zu diesem in den<br />

vergangenen Monaten dramatisch intensivierten internationalen<br />

Druck auf nationale Bankgeheimnisse haben einzelne<br />

Staaten begonnen, über „Defensivgesetzgebungsmaßnahmen“<br />

59) BGBl I 2005/151.<br />

60) „Improving Access to Bank Information for Tax Purposes“ (2000);<br />

„Improving Access to Bank Information for Tax Purposes – The 2003<br />

Progress Report“ (2003), und „Improving Access to Bank Information<br />

for Tax Purposes – The 2007 Progress Report“ (2007).<br />

61) Sog „Tax Information Exchange Agreement – TIEA“; siehe auch den<br />

Bericht „Tax Co-operation: Towards a Level Playing Field – 2008<br />

Assessment by the Global Forum on Taxation“ (2008).<br />

62) Siehe die Zusammenstellung in dem Bericht „Overview of the OECD’s<br />

Work on Countering International Tax Evasion“ (2009), sowie zB „Improving<br />

Access to Bank Information for Tax Purposes – The 2007<br />

Progress Report“ (2007) 8 und 11 f.<br />

63) Siehe den an den OECD-Standards orientierten Vorschlag <strong>für</strong> eine<br />

neue Richtlinie des Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden<br />

im Bereich der Besteuerung, KOM(2009)29 endg.<br />

nachzudenken, 64) wobei Deutschland unlängst einen großen<br />

Schritt in diese Richtung durch die Erlassung eines Gesetzes<br />

zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung 65) getan hat; zuletzt<br />

hatte auch die Europäische Investitionsbank EIB Sanktionen<br />

angedroht. 66)<br />

Es kann daher nicht verwundern, dass das auch gegenüber<br />

den Abgabenbehörden geltende österreichische Bankgeheimnis<br />

des § 38 BWG unter Druck geraten ist, konnte doch Österreich<br />

den neuen globalen Transparenzstandard nicht erfüllen. Denn<br />

bisher war eine Durchbrechung des Bankgeheimnisses nur „ im<br />

Zusammenhang […] mit eingeleiteten Strafverfahren wegen vorsätzlicher<br />

Finanzvergehen “ möglich. 67) Wenngleich damit auch<br />

vergleichbare ausländische verwaltungsbehördliche Verfahren<br />

gemeint sind, 68) bedurfte es nach der Rechtsprechung einer<br />

besonderen „Einleitung“ des behördlichen Strafverfahrens durch<br />

einen schriftlichen, gesondert anfechtbaren Verwaltungsakt, 69)<br />

weshalb zB der bloße Einleitungsvermerk nach § 397 der deutschen<br />

AO nicht genüge. 70) Diese Beschränkung der Durchbrechung<br />

des Bankgeheimnisses auf formal eingeleitete behördliche<br />

Finanzstrafverfahren entsprach freilich nicht den – von der<br />

OECD geforderten – Transparenzstandards, die eine Verpfl ichtung<br />

zur Auskunftsleistung <strong>für</strong> alle Auskünfte vorsehen, die im<br />

um Amtshilfe ersuchenden Staat zur Besteuerung voraussichtlich<br />

erheblich („ foreseeably relevant “) sind, ohne dass es auf einen<br />

Verdacht eines Finanzstrafdeliktes ankäme. Wenngleich das<br />

Bankgeheimnis vor dem Hintergrund des österreichischen Systems<br />

einer Kapitalertragsbesteuerung mit Abgeltungswirkung<br />

und mangels einer Vermögensbesteuerung <strong>für</strong> die innerstaatliche<br />

Steuersystematik derzeit nur bedingt als „Problemzone“<br />

anzusehen ist, war Österreich aus international-steuerrechtlicher<br />

Sicht im März 2009 letztlich zum Einlenken gezwungen. Der<br />

bisherige österreichische Vorbehalt zum 2005 eingefügten Art 26<br />

64) So wurden in der Staatengemeinschaft beispielsweise als legitime<br />

Abwehrmaßnahmen die Erhöhung der Quellensteuer in Bezug auf ein<br />

breites Spektrum von Zahlungen an nicht-kooperative Jurisdiktionen,<br />

die Versagung des Betriebsausgabenabzugs an in nicht-kooperativen<br />

Jurisdiktionen ansässige Empfänger, die Einführung verstärkter Offenlegungspfl<br />

ichten, die Versagung von Steuerbefreiungen <strong>für</strong> Beteiligungsgewinne<br />

und die Kündigung der Abkommen mit Ländern und<br />

Gebieten, die sich weigern, einen effektiven Auskunftsaustausch zu<br />

praktizieren, erwogen; siehe dazu die Zusammenfassung der Schlussfolgerungen<br />

der Zweiten Konferenz zum Kampf gegen internationalen<br />

Steuerbetrug und Steuerhinterziehung durch mehr Transparenz<br />

und effektiven Auskunftsaustausch <strong>für</strong> Steuerzwecke in Berlin<br />

(23. 6. 2009).<br />

65) dBGBl I 2009/48, 2302; siehe dazu zB Fellner, Aus <strong>für</strong> österreichisches<br />

Bankgeheimnis? SWK 2009, T 141 (T 141 f).<br />

66) Siehe dazu auch die Presseaussendung der KWT „Wirtschaftstreuhänder<br />

urgieren die geplante Anpassung des Bankgeheimnisses an<br />

OECD-Standards“ (24. 8. 2009).<br />

67) Siehe dazu etwa Loukota, Bankgeheimnis und internationale Amtshilfe,<br />

SWI 2002, 362 (362 ff); Klein, Das österreichische Bankgeheimnis,<br />

Anwalt aktuell Mai/Juni 2009, 34 (34 f).<br />

68) VwGH 21. 10. 1983, 82/17/0087; VfGH 20. 3. 1986, B 410/85; VwGH<br />

27. 2. 1992, 86/17/0169.<br />

69) VwGH 26. 7. 2006, 2004/14/0022 ÖStZB 2007/75, 92 = RdW 2006/593 m<br />

Anm Zorn; siehe zB auch VfGH 11. 12. 1986, G 119/86; VwGH 5. 4. 1989,<br />

88/13/0021; VwGH 23. 5. 1990, 89/13/0237; VwGH 14. 2. 1991,<br />

90/16/0210; VwGH 16. 2. 1994, 91/13/0203 ÖStZB 1994, 390; vgl<br />

diese Anforderungen implementierend auch §§ 83 Abs 2, 152 Abs 1<br />

FinStrG.<br />

70) VwGH 26. 7. 2006, 2004/14/0022 ÖStZB 2007/75, 92 = RdW 2006/593<br />

m Anm Zorn; siehe dazu auch Arnold, Bankgeheimnis: Ausländische<br />

verwaltungsbehördliche Finanzstrafverfahren am (qualifi zierten)<br />

Prüfstand der Rechtsstaatlichkeit, ÖBA 2007, 722 (722 ff); Huber,<br />

Steuerstrafverfahren deutscher Finanzbehörden durchbricht österreichisches<br />

Bankgeheimnis nicht! SWK 2006, S 774 (S 774 f); siehe<br />

auch die Kritik bei Fellner, Neue Entwicklungen beim Bankgeheimnis<br />

– Fehlgriff statt Kunstgriff, RdW 2009/259, 315 (317).


Steuerrecht<br />

RdW RdW 10/2009 10/2009 Artikel-Nr. Artikel-Nr. 692<br />

Abs 5 OECD-MA 71) wurde zurückgezogen 72) und in einer entsprechenden<br />

Pressemitteilung des BMF vom 13. 3. 2009 darauf<br />

hingewiesen, dass keine formale Änderung des innerstaatlichen<br />

Bankgeheimnisses erfolgen, sondern in Doppelbesteuerungsabkommen<br />

„ ein formal anderer Weg des Informationsaustausches<br />

gewählt “ werden soll. 73) Solcherart hat sich Österreich zur Übernahme<br />

des OECD-Standards und damit zum Austausch von<br />

Informationen auf Ersuchen bereit erklärt. Die entsprechende<br />

Umsetzung dieser Verpfl ichtung erfolgt auf zwei Ebenen:<br />

Zunächst bemühte und bemüht sich Österreich derzeit, mit<br />

seinen Abkommenspartnern bestehende Abkommen an den<br />

neuen Standard des Art 26 OECD-MA anzupassen 74) bzw<br />

im Rahmen von Neuverhandlungen diesen Standard zu<br />

implementieren, 75) wobei mit einigen Staaten auch isolierte<br />

Abkommen zum Informationsaustausch in Steuersachen<br />

(TIEAs) abgeschlossen wurden. 76) Österreich ist es dadurch<br />

gelungen, bis September 2009 die – in einem ersten Schritt –<br />

erforderliche Anzahl von 12 Abkommen zu unterzeichnen,<br />

um von der „grauen Liste“ der OECD gestrichen zu<br />

werden. 77) Die Weiterentwicklung und Überprüfung der<br />

Einhaltung des Transparenzstandards war auch Gegenstand<br />

des Anfang September stattgefundenen Treffens des „Global<br />

Forum on Transparency and Exchange of Information“ in<br />

Mexiko.<br />

Diese Bemühungen auf internationaler Ebene müssen<br />

freilich durch eine innerstaatliche Rechtsgrundlage zur<br />

Durchbrechung des Bankgeheimnisses nach § 38 BWG<br />

begleitet sein. Im Juni 2009 wurde daher im Nationalrat<br />

ein Amtshilfe-Durchführungsgesetz (ADG) 78) eingebracht,<br />

dessen ausgewiesenes Ziel es ist, „ dem neuen Standard der<br />

Amtshilfeleistung ohne Beeinträchtigung der <strong>für</strong> den rein<br />

innerstaatlichen Rechtsbereich geltenden Rechtsgrundsätze<br />

hinsichtlich der Schutzwirkung des Bankgeheimnisses zum<br />

Durchbruch zu verhelfen “, und solcherart innerstaatliche<br />

Spezialnormen zu schaffen, um „ lediglich <strong>für</strong> Zwecke der<br />

internationalen Amtshilfe den allgemeinen Bestimmungen des<br />

§ 38 des Bankwesengesetzes (BWG) in dem von der OECD<br />

71) Wie auch die anderen „Bankgeheimnisstaaten“ Belgien, Luxemburg<br />

und Schweiz hatte Österreich einen Vorbehalt zu Art 26 Abs 5<br />

OECD-MA abgegeben. Dieser lautete: „Austria reserves the right<br />

not to include paragraph 5 in its conventions. However, Austria is<br />

authorised to exchange information held by a bank or other fi nancial<br />

institution where such information is requested within the framework<br />

of a criminal investigation which is carried on in the requesting State<br />

concerning the commitment of tax fraud.“<br />

72) Siehe zB den Bericht „Overview of the OECD’s Work on Countering<br />

International Tax Evasion“ (2009) 2.<br />

73) Dazu krit Perl, Bankgeheimnis <strong>für</strong> Ausländer vor dem Aus, SWK 2009,<br />

T 87 (T 87 f); Fellner, Neue Entwicklungen beim Bankgeheimnis –<br />

Fehlgriff statt Kunstgriff, RdW 2009/259, 315 (317).<br />

74) Entsprechende Protokolle wurden zum Zeitpunkt des Abschlusses<br />

dieses Manuskripts am 21. 9. 2009 bereits mit Luxemburg (7. 7. 2009),<br />

der Schweiz (3. 9. 2009), den Niederlanden (8. 9. 2009), Belgien<br />

(10. 9. 2009), Großbritannien (11. 9. 2009), Singapur (15. 9. 2009),<br />

Dänemark (16. 9. 2009), Norwegen (16. 9. 2009), Mexiko (18. 9. 2009)<br />

und San Marino (18. 9. 2009) unterzeichnet (Unterzeichnungsdatum<br />

in Klammer).<br />

75) Das neue Abkommen mit Bahrain (unterzeichnet am 2. 7. 2009) enthält<br />

bereits den neuen OECD-Transparenzstandard.<br />

76) TIEAs wurden zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Manuskripts am<br />

21. 9. 2009 mit St. Vincent & The Grenadines (14. 9. 2009). Monaco<br />

(15. 9. 2009), Andorra (17. 9. 2009) und Gibraltar (17. 9. 2009) abgeschlossen<br />

(Unterzeichnungsdatum in Klammer).<br />

77) Abrufbar unter http://www.oecd.org/dataoecd/50/0/43606256.pdf.<br />

78) Antrag der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kai Jan Krainer,<br />

Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über die<br />

Umsetzung der OECD-Grundsätze der internationalen abgabenrechtlichen<br />

Amtshilfe (Amtshilfe-Durchführungsgesetz – ADG), 681/A (24.<br />

GP), abgeändert in 323 BlgNR 24. GP; siehe auch Gruber/Vondrak,<br />

Initiativantrag zum Amtshilfe-Durchführungsgesetz eingebracht, SWK<br />

2009, T 153 (T 153 ff).<br />

verlangten eingeschränkten Umfang [zu] derogieren “. Dieses<br />

– nach heftigen politischen Diskussionen – vom Nationalrat<br />

in einer Sondersitzung am 1. 9. 2009 79) mit dem in<br />

§ 38 Abs 5 BWG vorgesehenen Quorum 80) beschlossene<br />

Gesetz 81) schafft solcherart eine nationale Rechtsgrundlage<br />

<strong>für</strong> die Finanzverwaltung auf Basis jener Abkommen, die<br />

bereits den neuen Transparenzstandard enthalten, Bankinformationen<br />

<strong>für</strong> Zwecke der internationalen Amtshilfe<br />

zu erlangen. Der Rechtsschutz des Einzelnen wird durch<br />

die Eröffnung des Rechtsweges gewährleistet. Eine – verfassungsrechtlich<br />

womöglich bedenkliche – Rückwirkung<br />

wird durch entsprechende Inkrafttretensbestimmungen in<br />

den völkerrechtlichen Abkommen ausgeschlossen.<br />

5. Fragen der Einkünftezurechnung im Internationalen<br />

Steuerrecht<br />

5.1. Einkünftezurechnung im österreichischen<br />

Ertragsteuerrecht<br />

Die Einkünftezurechnung im österreichischen Ertragsteuerrecht<br />

ist nach wie vor durch die von <strong>Ruppe</strong> 82) vor Jahrzehnten<br />

entwickelte Zurechnungslehre geprägt, wonach derjenige<br />

als Zurechnungssubjekt der Einkunftsquelle gilt, der über die<br />

Leistungserstellung disponieren kann, der aus der Tätigkeit<br />

das Unternehmerrisiko trägt, die Möglichkeit hat, die sich ihm<br />

bietenden Marktchancen zu nutzen , Leistungen variieren und<br />

im Extremfall auch verweigern kann, indem er seine Tätigkeit<br />

einstellt, Kapital zurückzieht oder Mietverhältnisse kündigt. 83)<br />

Diesem Ansatz ist auch die herrschende Lehre, Verwaltungspraxis<br />

und Rechtsprechung gefolgt. 84) Die österreichische<br />

79) Am 8. 7. 2009 wurde im Plenum des Nationalrates der Antrag auf<br />

Rückverweisung des Initiativantrags betreffend das Amtshilfe-Durchführungsgesetz<br />

(ADG) an den Finanzausschuss einstimmig beschlossen;<br />

im Finanzausschuss am 27. 8. 2009 wurde das ADG unter Berücksichtigung<br />

eines Abänderungsantrages (siehe 323 BlgNR 24. GP) mit<br />

Stimmenmehrheit angenommen und im Plenum des Nationalrates<br />

am 1. 9. 2009 mit 136 Ja-Stimmen (gegenüber 34 Nein-Stimmen) mit<br />

der erforderlichen qualifi zierten Mehrheit beschlossen. Der Bundesrat<br />

hat am 3. 9. 2009 beschlossen, keinen Einspruch zu erheben.<br />

80) Das österreichische Bankgeheimnis ist aufgrund der Verfassungsbestimmung<br />

des § 38 Abs 5 BWG mit einer erhöhten Bestandskraft<br />

versehen, kann es doch „vom Nationalrat nur in Anwesenheit von<br />

mindestens der Hälfte der Abgeordneten und mit einer Mehrheit<br />

von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen abgeändert werden.“<br />

81) Kundgemacht in BGBl I 2009/102 vom 8. 9. 2009.<br />

82) <strong>Ruppe</strong>, Möglichkeiten und Grenzen der Übertragung von Einkunftsquellen<br />

als Problem der Zurechnung, in Tipke (Hrsg), Übertragung von<br />

Einkunftsquellen im Steuerrecht 2 (1979) 7 (7 ff); <strong>Ruppe</strong>, Die persönliche<br />

steuerliche Zurechnung von Einkünften und Abzugsposten innerhalb<br />

des Angehörigenverbandes, in <strong>Ruppe</strong> (Hrsg), Handbuch der Familienverträge<br />

2 (1985) 127 (127 ff); siehe auch Tanzer, Die Zurechnung von<br />

Einkünften bei der juristischen Person im Körperschaftsteuerrecht,<br />

GesRZ 1999, 213 (213 ff) und GesRZ 2000, 12 (12 ff); Kofl er, Der steuerliche<br />

Durchgriff bei der Privatstiftung (2001) 19 ff; Tanzer, Einkünftezurechnung<br />

im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, 15 ÖJT<br />

III/1 (2003); Gassner, Grundsatzfragen der Einkünftezurechnung, ÖStZ<br />

2003/955, 438 (438 ff); Gassner, Grundsatzfragen der Einkünftezurechnung,<br />

15 ÖJT III/2 (2004) 67 (67 ff); Tanzer, Einkünftezurechnung an<br />

ausländische Basis- und Finanzierungsgesellschaften, GesRZ 2005, 59<br />

(59 ff) und 115 (115 ff).<br />

83) Siehe zB Rz 104 EStR 2000; VwGH 29. 11. 1994, 93/14/0150; Doralt/<br />

Renner, EStG 8 § 2 Tz 142; Quantschnigg/Schuch, ESt-HB § 2 Tz 46;<br />

Wiesner/Atzmüller/Grabner/Leitner/Wanke, EStG § 2 Anm 33.<br />

84) Vgl die Nachweise bei Bergmann, Die „Drittanstellung“ von Managern<br />

im Gesellschafts- und Steuerrecht (<strong>Teil</strong> 2), taxlex 2009, 184 (184 ff);<br />

siehe zB auch UFS 24. 11. 2008, RV/0215-F/07; UFS 16. 12. 2008, RV/0237-<br />

L/04; VwGH 28. 5. 2009, 2006/15/0360; VwGH 23. 4. 2008, 2005/13/0115<br />

ÖStZB 2008/493, 617; VwGH 25. 6. 2008, 2008/15/0014 ÖStZB 2009/98,<br />

115; VwGH 27. 8. 2008, 2006/15/0013 ÖStZB 2009/151, 137; VwGH<br />

18. 12. 2008, 2006/15/0199 ÖStZB 2009/187, 169.<br />

681


682 RdW 10/2009 Artikel-Nr. Artikel-Nr. 692 Steuerrecht<br />

„Steueroasen-Judikatur“ stellt diesbezüglich auf den „Träger der<br />

Erwerbstätigkeit“ ab. 85)<br />

Durch die Änderung der Rz 104 der EStR 2000 im Zuge<br />

des EStR-Wartungserlasses 2/2008 vom 12. 1. 2009 wurden<br />

die Ausführungen zur Zurechnung von Einkünften um den<br />

folgenden Zusatz ergänzt: „ Die Vergütungen <strong>für</strong> höchstpersönliche<br />

Tätigkeiten sind ab 1. 7. 2009 demjenigen zuzurechnen, der<br />

die Leistung persönlich erbringt (z.B. Schriftsteller, Vortragende,<br />

Wissenschaftler, „Drittanstellung“ von Vorständen) “ . Damit wollte<br />

das BMF Gestaltungen entgegentreten, die darauf abzielten,<br />

durch die Zwischenschaltung von Kapitalgesellschaften zwischen<br />

Leistungserbringer und Leistungsempfänger steuer- und<br />

beitragsrechtliche Vorteile zu erzielen (Thesaurierung, Lohnnebenkosten,<br />

Vorsteuerabzug etc). Insbesondere die „Drittanstellung“<br />

von Vorständen, Geschäftsführern und Aufsichtsräten<br />

über „Management-GmbHs“ wurde ins Visier genommen. 86)<br />

Zur Einkünftezurechnung bei einer zwischengeschalteten Aufsichtsrats-GmbH<br />

hat jüngst der VwGH – allerdings in einem<br />

nicht zu verallgemeinernden Fall – Stellung genommen. 87)<br />

Die Fachliteratur hat dem Ansatz der Finanzverwaltung,<br />

Einkünfte aus höchstpersönlichen Tätigkeiten generell der natürlichen<br />

Person zuzurechnen, entgegengehalten, dass es dem<br />

Grunde nach sowohl gesellschafts- als auch steuerrechtlich zulässig<br />

sein muss, auch „höchstpersönliche Leistungen“ über<br />

einen zwischengeschalteten Rechtsträger zu erbringen, wenn<br />

Letzterem nicht bloß die Funktion einer „Zahlstelle“ zukommt,<br />

sondern dieser auch die Verwertungsmacht über die Leistung<br />

hat. 88)<br />

Die Änderung der Rz 104 EStR 2000 hat die Frage aufgeworfen,<br />

ob damit auch die in der Praxis übliche Gestellung von<br />

Arbeitskräften im Konzern dazu führt, dass das zwischen den<br />

Konzerngesellschaften da<strong>für</strong> (fremdüblich) vereinbarte Entgelt<br />

dem Arbeitnehmer und nicht der überlassenden Gesellschaft<br />

zugerechnet werden muss. Nach Ansicht des BMF soll das nicht<br />

der Fall sein, weil sich die aktuelle Fassung der Rz 104 EStR 2000<br />

nur auf „zwischengeschaltete“ Kapitalgesellschaften beziehen<br />

soll. Eine Änderung der Einkünftezurechnung zur natürlichen<br />

Person soll also nur bei der Zwischenschaltung von Kapitalgesellschaften<br />

erfolgen, die über keinen eigenständigen , sich von der<br />

natürlichen Person abhebenden geschäftlichen Betrieb verfügen<br />

und die deshalb Marktchancen nicht nutzen können, so wie<br />

das bei Vergütungen <strong>für</strong> höchstpersönliche Tätigkeiten in der<br />

Regel der Fall ist. Wie man aus dem BMF hört, soll die Rz 104<br />

EStR 2000 entsprechend angepasst werden.<br />

85) VwGH 10. 12. 1997, 93/13/0185 ÖStZB 1998, 568; VwGH 22. 5. 1995,<br />

93/13/0076 ÖStZB 1996, 29.<br />

86) Mayr, Drittanstellung von Vorständen zulässig? RdW 2009/384, 420<br />

(420 ff).<br />

87) VwGH 28. 5. 2009, 2006/15/0360; dazu Doralt, VwGH: Einkünftezurechnung<br />

bei zwischengeschalteter Aufsichtsrats-GmbH, RdW 2009,<br />

545 (545).<br />

88) Siehe zu dieser Diskussion Arnold, Zur gesellschaftsrechtlichen Zulässigkeit<br />

der Drittanstellung von Geschäftsführern (Vorstandsmitgliedern),<br />

ÖStZ 2009/229, 120 (120 ff); Beiser, Jedem Arbeitnehmer seine<br />

GmbH? RdW 2009/322, 370 (370); Bergmann, Die „Drittanstellung“<br />

von Managern im Gesellschafts- und Steuerrecht (<strong>Teil</strong> 2), taxlex 2009,<br />

184 (184 ff); Huber, Einkünftezurechnung an Arbeitgeber und Einmanngesellschaften,<br />

taxlex 2009, 285 (289); Tanzer, Die Einkünftezurechnung<br />

bei Drittanstellung von Geschäftsführern (Vorständen)<br />

im Ertragsteuerrecht, ÖStZ 2009/230, 123 (127); Ehrke-Rabel/Zierler,<br />

Einkünftezurechnung bei „höchstpersönlichen Tätigkeiten, SWK 2009,<br />

S 423 (S 423 ff).<br />

5.2. Einkünftezurechnung im internationalen<br />

Steuerrecht<br />

Was im rein innerstaatlichen Verhältnis hinsichtlich der Zurechnung<br />

von Einkünften gilt, ist auch im zwischenstaatlichen<br />

Bereich von Relevanz. 89) Denn selbst im Verhältnis zu DBA-<br />

Staaten gilt, dass stets nach innerstaatlichem Steuerrecht zu prüfen<br />

ist, wem Einkünfte zuzurechnen sind. 90) DBA enthalten dazu<br />

keine Aussage. 91) Solange nationales Recht in wirtschaftlicher<br />

Betrachtungsweise festlegt, wem Einkünfte zuzurechnen sind<br />

und wer der Nutzungsberechtigte dieser Einkünfte ist, wird<br />

diese Zurechnung durch DBA-Recht nicht beeinträchtigt. 92) Auf<br />

Basis dieser Argumentation wurde vom BMF einer im Bereich<br />

des „Interim Management“ tätigen schweizerischen Aktiengesellschaft,<br />

die Vorstände und Geschäftsführer im Wege der<br />

Arbeitskräftegestellung an österreichische Kapitalgesellschaften<br />

überlassen hat, (vorbehaltslos) die Eigenschaft als Einkünfte-<br />

Zurechnungssubjekt aberkannt. 93) Dies, obwohl die Änderung<br />

der Einkünftezurechnung bis 1. 7. 2009 nur auf funktionslose<br />

Gebilde angewandt worden ist. 94) Angesichts der angekündigten<br />

Änderung der Rz 104 EStR 2000 wird die bisherige Verwaltungspraxis<br />

aber beibehalten werden müssen, wenn nachgewiesen<br />

werden kann, dass die ausländische Gesellschaft über<br />

einen eigenen, sich von der natürlichen Person abhebenden<br />

Betrieb verfügt.<br />

Die Zurechnung höchstpersönlich abzuleistender Leitungsfunktionen<br />

an die jeweiligen Funktionsträger sei – so das BMF –<br />

auch in § 99 Abs 1 Z 1 EStG vorgesehen, „international nicht<br />

unüblich“ 95) und könne daher auch nicht gegen den Abkommenszusammenhang<br />

iSd Art 3 Abs 2 OECD-MA verstoßen.<br />

5.3. Vermeidung doppelter Besteuerung bei bilateralen<br />

Zurechnungskonfl ikten<br />

Wenn nun ein Staat die vom Steuerpfl ichtigen gewählte Gestaltung<br />

anerkennt, während der andere Staat davon abweichend<br />

die Einkünftezurechnung ändert, sind Besteuerungskonfl ikte<br />

die zwangsläufi ge Folge. Im Verhältnis zu Staaten, mit denen ein<br />

DBA besteht, sollte die drohende Doppelbesteuerung aber durch<br />

Anwendung des Methodenartikels (Art 23 A/B OECD-MA) gelöst<br />

werden können.<br />

Wenn auf österreichischer Seite einer DBA-rechtlich in Österreich<br />

ansässigen Person in Anwendung wirtschaftlicher Betrachtungsweise<br />

Einkünfte zugerechnet werden, ist diese Person<br />

auch berechtigt, das österreichische DBA-Netz in Anspruch<br />

zu nehmen. 96) Der Umstand, dass in Ansässigkeits- und Quellenstaat<br />

die Einkünftezurechnung nicht deckungsgleich ist,<br />

ändert nichts an der von Österreich im DBA eingegangenen<br />

Verpfl ichtung , die Steuern des Quellenstaates anzurechnen oder<br />

89) Zorn, Die Zurechnung von Einkünften unter dem Aspekt der Zwischenschaltung<br />

von Auslandsgesellschaften, in Beiser/Kirchmayr/Mayr/Zorn<br />

(Hrsg), Ertragsteuern in Wissenschaft und Praxis, FS Doralt (2007) 527<br />

(527 ff).<br />

90) Rz 33 EStR 2000; EAS 2947 = SWI 2008, 146.<br />

91) BFH 4. 4. 2007, I R 110/05 BStBl 2007 II 521; Kofl er in IFA (Hrsg), Confl icts<br />

in the Attribution of Income to a Person, CDFI 92b, 2007, 85 (90 ff);<br />

EAS 2944 = SWI 2008, 101.<br />

92) EAS 3059 = SWI 2009, 267, unter Verweis auf Rz 22 OECD-MK zu Art 1<br />

OECD-MA und BFH 4. 4. 2007, I R 110/05 BStBl 2007 II 521.<br />

93) EAS 3059 = SWI 2009, 267.<br />

94) EAS 2029 = SWI 2002, 258; EAS 2545 = SWI 2005, 107.<br />

95) EAS 2545 = SWI 2005, 107, unter Verweis auf die Vorgangsweise in<br />

Deutschland.<br />

96) EAS 3036 = SWI 2009, 65.


Steuerrecht RdW 10/2009 Artikel-Nr. 692<br />

Einkünfte steuerfrei zu stellen. 97) Dies selbst dann, wenn der<br />

Quellenstaat – weil er die zwischengeschaltete Gesellschaft als<br />

Steuersubjekt betrachtet – Körperschaftsteuer erhebt, Österreich<br />

die natürliche Person aber der Einkommensbesteuerung unterzieht.<br />

Denn die Vorgangsweise im Ausland ist <strong>für</strong> die Zurechnung<br />

von Einkünften nach österreichischem Steuerrecht bedeutungslos.<br />

98) Das gilt in gleicher Weise <strong>für</strong> die DBA-Verordnung (<strong>für</strong><br />

ausländische Ertragsteuern, die von lokalen Gebietskörperschaften<br />

erhoben werden), 99) deren Anwendung den Grundsätzen<br />

des DBA-Rechts folgt. Diese Entlastungsverpfl ichtung wirkt<br />

absolut und besteht unabhängig von der jeweils innerstaatlichen<br />

Einkünftequalifi kation. 100)<br />

6. Grenzüberschreitende Dividenden nach dem<br />

BBG 2009<br />

Mit dem BBG 2009 101) hat der Gesetzgeber auch auf den zunehmenden<br />

gemeinschaftsrechtlichen Druck auf eine europarechtskonforme<br />

Besteuerung grenzüberschreitender Dividendenausschüttungen<br />

reagiert: Einerseits wurde die Befreiung <strong>für</strong><br />

Beteiligungserträge in § 10 KStG auf „Portfoliobeteiligungen“ an<br />

EU- und EWR-Gesellschaften ausgedehnt, andererseits in § 21<br />

Abs 1 Z 1a KStG ein Rückzahlungsmechanismus zur Vermeidung<br />

einer Diskriminierung von Dividendenausschüttungen an ausländische<br />

Gesellschaften eingeführt.<br />

6.1. Beteiligungsertragsbefreiung nach § 10 KStG<br />

Das Problem einer Doppel- oder Mehrfachbelastung auf Gesellschaftsebene<br />

tritt auch im Verhältnis zum Ausland auf, sofern<br />

die ausschüttende Gesellschaft im Ausland der Körperschaftsbesteuerung<br />

unterliegt. Bislang hat der Gesetzgeber ein – letztlich<br />

auch durch die Mutter-Tochter-RL vorgesehenes – Privileg<br />

lediglich <strong>für</strong> die „Verschachtelung“ von Beteiligungen in Form<br />

des internationalen Schachtelprivilegs vorgesehen, das auf eine<br />

Mindestbeteiligungshöhe (10 %) und eine Mindestbehaltedauer<br />

rekurriert. 102) Aufgrund der Bedenken gegen die bisher<br />

bestehende Differenzierung zwischen nationalen und internationalen<br />

Beteiligungserträgen 103) hat das BBG 2009 104) zwar<br />

diese – nunmehr in § 10 Abs 1 Z 7 iVm Abs 2 KStG enthaltene<br />

– Schachtelbegünstigung inhaltlich unverändert beibehalten, 105)<br />

die Beteiligungsertragsbefreiung in § 10 Abs 1 Z 5 und 6 KStG<br />

97) EAS 3068 = SWI 2009, 320, mit Verweis auf EAS 1054 = SWI 1997,<br />

238.<br />

98) Loukota, Vermeidung von Irrwegen bei der DBA-Auslegung, SWI 1998,<br />

559 (561).<br />

99) BGBl II 2002/474.<br />

100) EAS 2965 = SWI 2008, 227.<br />

101) BGBl I 2009/52.<br />

102) Zur umfassenden Neuordnung des internationalen Schachtelprivilegs<br />

durch das BBG 2003 (BGBl I 2003/71) siehe zB Aigner/Kofl er, Internationale<br />

Schachtelbeteiligungen – Neuregelung durch das Budgetbegleitgesetz<br />

2003, ecolex 2003, 485 (485 ff).<br />

103) Siehe dazu bereits Kirchmayr/Kofl er, Highlights aus dem Workshop<br />

„Internationales Steuerrecht“ („RuSt 2008“), RdW 2008/628, 676<br />

(676 ff).<br />

104) BGBl I 2009/52.<br />

105) Im Hinblick auf Gewinnanteile aus internationalen Schachtelbeteiligungen<br />

wurde durch das BBG 2009 (BGBl I 2009/52) lediglich eine<br />

Zweiteilung vorgenommen: Fanden sich bisher Tatbestand und Rechtsfolge<br />

in § 10 Abs 2, so wurden durch das BBG 2009 in den Katalog des<br />

§ 10 Abs 1 mit der Z 7 „formell neu […] die Beteiligungserträge aus<br />

internationalen Schachtelbeteiligungen im Sinne des Abs. 2 aufgenommen“<br />

(ErlRV 113 BlgNR 24. GP 69). § 10 Abs 2 enthält in der Fassung<br />

des BBG 2009 „eine bloße Defi nition des Begriffes ‚internationale<br />

Schachtelbeteiligung‘. Diese Defi nition entspricht uneingeschränkt<br />

jener des bestehenden Abs. 2. Entfallen ist lediglich die Anordnung<br />

einer Rechtsfolge“ (ErlRV 113 BlgNR 24. GP 69).<br />

aber auf „Portfoliodividenden“ aus EU-Staaten und EWR-Staaten<br />

ausgedehnt. 106)<br />

Diese Ausdehnung des § 10 KStG soll vor allem die bisher<br />

nicht von der internationalen Schachtelbeteiligung erfassten<br />

„Portfoliodividenden“ (unter 10 %) aus EU-Staaten und EWR-<br />

Staaten mit umfassender Amts- und Vollstreckungshilfe 107) in<br />

die Befreiung einbeziehen, 108) während Portfoliodividenden<br />

aus Drittstaaten oder EWR-Staaten ohne umfassende Amts- und<br />

Vollstreckungshilfe (dh Liechtenstein und Island) „ weiterhin<br />

von der Steuerbefreiung ausgeschlossen bleiben “ sollen. 109) § 10<br />

Abs 1 Z 5 und Z 6 sind jedoch nach ihrem Wortlaut nicht<br />

auf Portfoliodividenden beschränkt, sondern vermögen immer<br />

dann einzugreifen, wenn eine Befreiung nach dem vorrangigen<br />

§ 10 Abs 1 Z 7 iVm Abs 2 KStG nicht möglich ist: Einerseits<br />

verweisen § 10 Abs 1 Z 5 und Z 6 zunächst ausdrücklich auf<br />

„ Gewinnanteile im Sinne der Z 1 bis 4 “ und stellen damit eine<br />

Gleichbehandlung mit der inländischen Beteiligungsertragsbefreiung<br />

her; sie können solcherart im Hinblick auf die befreiten<br />

Beteiligungserträge auch über das internationale Schachtelprivileg<br />

nach § 10 Abs 1 Z 7 iVm Abs 2 hinausgehen, zumal<br />

dort das Bestehen eines „Kapitalanteils“ gefordert ist. 110) Andererseits<br />

kann die Befreiung nach § 10 Abs 1 Z 5 bzw Z 6<br />

eingreifen, wenn wegen Nichterfüllens der Voraussetzungen <strong>für</strong><br />

das Vorliegen einer internationalen Schachtelbeteiligung etwa<br />

im Hinblick auf die Mindestbeteiligungshöhe (10 %) oder die<br />

Mindestbeteiligungsdauer (ein Jahr) Gewinnanteile nicht nach<br />

§ 10 Abs 1 Z 7 iVm Abs 2 befreit sind.<br />

Für Beteiligungen iSd § 10 Abs 1 Z 5 und Z 6 wurde durch<br />

das BBG 2009 in § 10 Abs 5 iVm Abs 6 in gewissen Fällen<br />

einer „unangemessen niedrigen Körperschaftsbesteuerung“ ein<br />

Wechsel von der Befreiungs- zur Anrechnungsmethode vorgesehen:<br />

§ 10 Abs 5 normiert im Falle einer näher umschriebenen Niedrigbesteuerung<br />

eine Versagung der Befreiungen nach § 10 Abs 1<br />

Z 5 und 6 <strong>für</strong> Gewinnanteile aus Beteiligungen an EU- und<br />

qualifi zierten EWR-Tochterkörperschaften; in diesem ordnet<br />

§ 10 Abs 6 einen Übergang zu Anrechnungsmethode an, sodass<br />

auf diesem Weg eine Entlastung von der wirtschaftlichen<br />

Doppelbesteuerung erfolgt („Methodenwechsel“). 111) Dieser<br />

106) Siehe dazu ErlRV 113 BlgNR 24. GP 69 f.<br />

107) Dh derzeit Norwegen nach dem DBA BGBl III 1997/1 idF BGBl III<br />

2006/181.<br />

108) Siehe auch Mayr, § 10 KStG: EU/EWR-Portfoliodividenden befreit,<br />

RdW 2009/321, 368 (368).<br />

109) ErlRV 113 BlgNR 24. GP 69. Zur Kritik am Ausschluss dieser Gesellschaften<br />

im Hinblick auf das EWR-Abkommen bzw die weltweit<br />

wirkende Kapitalverkehrsfreiheit nach Art 56 EG siehe zB Marschner,<br />

EuGH in Columbus und Sammelverfahren CFC and Dividend<br />

sowie VwGH zu § 10 Abs 2 KStG: Der ungebremste Siegeszug der<br />

Anrechnungsmethode, FJ 2008, 260 (265); Stefaner, Internationale<br />

Schachteldividenden – Beseitigung der Diskriminierung? GeS 2008,<br />

164 (166); Kühbacher, Erfordert § 10 Abs. 2 KStG bei ausländischen<br />

Portfoliobeteiligungen einen Anrechnungsvortrag? SWI 2008, 387<br />

(390 f); Massoner/Stürzlinger, Anrechnungsmethode als geringster<br />

und gemeinschaftsrechtskonformer Eingriff in die Besteuerung von<br />

Portfoliodividenden, SWI 2008, 400 (408 ff); Prechtl, Steuerpfl icht<br />

von Portfoliodividenden erneut auf dem Prüfstand, SWI 2008, 497<br />

(503); Haslinger in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg), KStG (2009) § 10<br />

Rz 90; Marschner/Stefaner, Die Zulässigkeit von Einschränkungen der<br />

Kapitalverkehrsfreiheit gegenüber Drittstaaten aufgrund fehlender<br />

Amts- und Vollstreckungshilfe, SWI 2009, 372 (383 f); siehe auch die<br />

Überlegungen bei Zorn, Ausländische Portfoliodividenden und § 10<br />

KStG, RdW 2009/142, 171 (176 f).<br />

110) Siehe zB zur Frage des Fruchtgenusses Rz 560 KStR 2001 und Kofl er,<br />

Fruchtgenuss und internationales Schachtelprivileg, SWI 2008, 513<br />

(514 f).<br />

111) ErlRV 113 BlgNR 24. GP 70. Der Wortlaut des § 10 Abs 6 KStG spricht<br />

wohl aufgrund eines Redaktionsversehens im zweiten Satz lediglich<br />

von der Anrechnung jener Steuer, „die auf die aus der internationalen<br />

Schachtelbeteiligung bezogenen Gewinnanteile jeder Art entfällt“,<br />

und bezieht sich im letzten Satz wiederum auf die Hinzurechnung<br />

zu den „Gewinnanteilen jeder Art aus der internationalen Schach-<br />

683


684 RdW 10/2009 Artikel-Nr. 692 Steuerrecht<br />

Methodenwechsel ist strenger als jener des – <strong>für</strong> internationale<br />

Schachtelbeteiligungen iSd § 10 Abs 2 ausschließlich 112)<br />

anwendbare – § 10 Abs 4, zumal er nicht auf die Passivität<br />

der Auslandsgesellschaft abstellt, sondern lediglich das ausländische<br />

Besteuerungsniveau zum Anknüpfungspunkt nimmt.<br />

Die „Niedrigbesteuerung“ wird in drei alternativen, nur schwer<br />

voneinander abgrenzbaren Varianten defi niert:<br />

Nach § 10 Abs 5 Z 2 KStG kommt es zunächst dann zu<br />

einer Versagung der Befreiung, wenn der im Ausland anzuwendende<br />

(nominelle) Steuersatz einer der österreichischen<br />

Körperschaftsteuer vergleichbaren Steuer unter 15 %<br />

liegt. 113)<br />

Demgegenüber rekurriert § 10 Abs 5 Z 1 KStG darauf,<br />

dass das Ausland (generell) keine körperschaftsteuerähnliche<br />

Belastung der Gesellschaft vorsieht, weil etwa keine<br />

Gewinnbesteuerung besteht (zB Tonnagensteuersysteme <strong>für</strong><br />

Schiffsgesellschaften).<br />

§ 10 Abs 5 Z 3 setzt schließlich zwar eine grundsätzlich bestehende<br />

ausländische körperschaftsteuerähnliche Belastung<br />

voraus, versagt aber die Befreiung der Beteiligungserträge,<br />

wenn die Tochtergesellschaft Gegenstand einer umfassenden<br />

persönlichen oder sachlichen Befreiung ist, wobei Befreiungen<br />

<strong>für</strong> Gewinnanteile und Veräußerungsgewinne iSd § 10<br />

Abs 1 bzw Abs 3 unschädlich sind (zB bei Beteiligungsholdinggesellschaften).<br />

114)<br />

Dieser weite Methodenwechsel knüpft an die – von Rechtsprechung<br />

115) und Verwaltungspraxis 116) vertretene – Grundthese<br />

von der pauschalen Gleichwertigkeit von Befreiung und indirekter<br />

telbeteiligung“. Da sich der Einleitungssatz aber nicht nur auf internationale<br />

Schachtelbeteiligungen nach § 10 Abs 4, sondern auch<br />

auf die Fälle des § 10 Abs 5 bezieht, ist die Anrechnungsmethode<br />

trotz des zweifelhaften Wortlauts auch bei EU- und EWR-Portfoliobeteiligungen<br />

iSd § 10 Abs 1 Z 5 und 6 anwendbar; so deutlich ErlRV<br />

113 BlgNR 24. GP 70; Mayr, § 10 KStG: EU/EWR-Portfoliodividenden<br />

befreit, RdW 2009/321, 368 (369); Mayr et al, Körperschaftsteuer 2009<br />

(2009) 114.<br />

112) § 10 Abs 5 auf internationale Schachtelbeteiligungen nicht anwendbar<br />

(siehe auch Mayr, § 10 KStG: EU/EWR-Portfoliodividenden befreit,<br />

RdW 2009/321, 368 [368 f]); dies ergibt sich daraus, dass § 10 Abs 1<br />

Z 5 und 6 ausdrücklich den Vorrang des § 10 Abs 1 Z 7 normieren (arg<br />

„nicht unter Z 7 fällt“). Für internationale Schachtelbeteiligungen<br />

enthält § 10 Abs 4 iVm Abs 6 somit eine abschließende Regelung des<br />

Methodenwechsels im Sinne der bisherigen Rechtslage.<br />

113) Die Lösung der Frage nach der Vergleichbarkeit der ausländischen<br />

Steuer wird sich an den bereits bisher zu § 10 Abs 4 KStG entwickelten<br />

Leitlinien orientieren können; siehe zu diesen insb Hofbauer, Die<br />

Berechnung einer vergleichbaren Durchschnittssteuerbelastung im<br />

Rahmen von § 10 Abs. 4 KStG sowie VO zu § 48 BAO, SWI 2004, 179<br />

[184 f mwN]). Entscheidend ist, dass die ausländische Steuer von einer<br />

vergleichbaren Bemessungsgrundlage (Gesamtgewinn) erhoben wird,<br />

was zB bei der deutschen Gewerbesteuer der Fall ist (EAS 3035 = SWI<br />

2009, 55); einzubeziehen sind auch Körperschaftsteuern, die erst im<br />

Ausschüttungsfalle erhoben werden (EAS 2903 = SWI 2008, 8, zum<br />

estnischen System).<br />

114) § 10 Abs 5 Z 3 kann solcherart etwa im Hinblick auf Kapitalanlagegesellschaften<br />

relevant sein, die mit den zufl ießenden Einkünften<br />

nicht besteuert werden (s im Hinblick auf § 94a EStG zB Z 3 des<br />

österreichisch-deutschen Ergebnisprotokolls AÖF 1999/62; s a EAS<br />

1383 = SWI 1999, 52 = ÖStZ 1999, 131; EAS 2930 = SWI 2008, 50). Unschädlich<br />

muss es jedoch sein, wenn die Tochtergesellschaft zugleich<br />

Unterkörperschaft einer ausländischen Unternehmensgruppe ist und<br />

ihr Ergebnis dem Gruppenträger zugerechnet wird (s zu umgekehrten<br />

Situation EAS 869 = SWI 1996, 330; EAS 1756 = SWI 2001, 4 = ÖStZ<br />

2001/183, 84; EAS 2819 = SWI 2007, 103; ebenso UFS Wien 23. 8. 2006,<br />

RV/1915-W/04). Nach seinem Wortlaut kann § 10 Abs 5 Z 3 aber auch<br />

dann zur Anwendung kommen, wenn das Ausland steuerliche Investitionsanreize<br />

gewährt (zB „Tax Holidays“; s zu solchen Anreizen zB<br />

EAS 2308 = SWI 2003, 396; EAS 2618 = SWI 2005, 364).<br />

115) Siehe VwGH 17. 4. 2008, 2008/15/0064 ÖStZB 2009/5, 5; zuvor bereits<br />

Zorn, EG-Grundfreiheiten und dritte Länder, in Quantschnigg/Wiesner/<br />

Mayr (Hrsg), Steuern im Gemeinschaftsrecht, FS Nolz (2008) 211 (234 f),<br />

und nunmehr Zorn, Ausländische Portfoliodividenden und § 10 KStG,<br />

RdW 2009/142, 171 (172 ff).<br />

116) Siehe die BMF-Info zu § 10 Abs 2 KStG 1988, abgedruckt in ARD<br />

5875/7/2008 = FJ 2008, 274 = ÖStZ 2008/561, 270 = SWK 2008, S 528.<br />

Anrechnung an, 117) weshalb der „Methodenwechsel“ nach § 10<br />

Abs 5 iVm Abs 6 vom Gesetzgeber als gemeinschaftsrechtlich<br />

unproblematisch erachtet wird. 118) Im Schrifttum werden jedoch<br />

sowohl die Gleichwertigkeit der Methoden und damit<br />

die Beseitigung der Diskriminierung je nach Fallkonstellation<br />

bezweifelt, 119) als auch grundfreiheitsrechtliche Bedenken im<br />

Hinblick auf die Nachweisführung durch Minderheitsgesellschafter<br />

geäußert. 120) Eine Klärung dieser gemeinschaftsrechtlichen<br />

Fragestellungen wird hoffentlich durch den EuGH in<br />

den vom UFS vorgelegten Rs Haribo und Österreichische Salinen<br />

erfolgen. 121)<br />

Die Einbeziehung von EU- und EWR-„Portfoliodividenden“<br />

ist nach § 26c Z 16 lit b KStG auf alle offenen Veranlagungen<br />

anzuwenden. Aufgrund der Rückwirkung können sich allerdings<br />

auch Abgrenzungsfragen im Hinblick auf die solcherart<br />

anwendbar gewordenen Bestimmungen des § 11 Abs 1 Z 4 iVm<br />

§ 12 Abs 2 (Betriebsausgabenabzugsverbote) und des § 12 Abs 3<br />

(Einschränkungen der Steuerwirksamkeit von <strong>Teil</strong>wertabschreibungen)<br />

ergeben. Unklar ist daher etwa, ob rückwirkend der<br />

Abzug von sonstigen, nicht ohnehin von § 11 Abs 1 Z 4 erfassten<br />

Aufwendungen <strong>für</strong> die Beteiligungsanschaffung zu versagen ist,<br />

oder ob steuerwirksame <strong>Teil</strong>wertabschreibungen auf eine bisher<br />

steuerwirksame Portfoliobeteiligung aufgrund der Einbeziehung<br />

in § 12 Abs 3 rückwirkend zu „siebenteln“ sind.<br />

6.2. Rückzahlungsmechanismus nach § 21 Abs 1<br />

Z 1a KStG<br />

Bis zum BBG 2009 bestanden erhebliche gemeinschaftsrechtliche<br />

Bedenken gegen die defi nitive – allenfalls abkommensrechtlich<br />

reduzierte – KESt-Belastung von Dividenden einer<br />

österreichischen Tochtergesellschaft an ihre EU- oder EWR-<br />

Muttergesellschaft außerhalb der durch § 94a EStG erfassten<br />

Situationen, 122) zumal im Inlandsfall die KESt auf Ebene der<br />

Muttergesellschaft angerechnet oder erstattet wird. 123) Diese<br />

Rechtslage war nicht nur im Schrifttum auf – durch die EuGH-<br />

117) ErlRV 113 BlgNR 24. GP 69.<br />

118) Siehe wiederum ErlRV 113 BlgNR 24. GP 69.<br />

119) Siehe zu dieser Diskussion Massoner/Stürzlinger, Anrechnungsmethode<br />

als geringster und gemeinschaftsrechtskonformer Eingriff in<br />

die Besteuerung von Portfoliodividenden, SWI 2008, 400 (407); Bieber/Haslehner/Kofl<br />

er/Schindler, Taxation of Cross-Border Portfolio<br />

Dividends in Austria: The Austrian Supreme Administrative Court<br />

Interprets EC Law, ET 2008, 583 (586 ff); Kirchmayr/Kofl er, Highlights<br />

aus dem Workshop „Internationales Steuerrecht“ („RuSt 2008“), RdW<br />

2008/628, 676 (677); Aigner/Prechtl, Ermittlung der anrechenbaren<br />

ausländischen Körperschaftsteuer bei Portfoliodividenden! SWK 2008,<br />

S 761 (S 761 ff); Haslinger in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg), KStG (2009)<br />

§ 10 Rz 118; Zorn, Ausländische Portfoliodividenden und § 10 KStG,<br />

RdW 2009/142, 171 (175 f) [zum Forschungsfreibetrag]; Massoner/<br />

Stürzlinger, Gleichartigkeit von Anrechnungs- und Befreiungsmethode<br />

aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht: (An-)Rechnung ohne Wirt?<br />

SWI 2009, 280 (280 ff, insb 285 ff); s a die Überlegungen des High<br />

Court 27. 11. 2008 in der nationalen Nachfolgeentscheidung zu FII<br />

Group Litigation [2008] EWHC 2893 (Ch).<br />

120) Siehe Aigner/Prechtl, Ermittlung der anrechenbaren ausländischen<br />

Körperschaftsteuer bei Portfoliodividenden! SWK 2008, S 761<br />

(S 761 ff); Prechtl, Steuerpfl icht von Portfoliodividenden erneut auf<br />

dem Prüfstand, SWI 2008, 497 (498 ff); Haslinger in Lang/Schuch/<br />

Staringer (Hrsg), KStG (2009) § 10 Rz 115; Zorn, Ausländische Portfoliodividenden<br />

und § 10 KStG, RdW 2009/142, 171 (177 f).<br />

121) C-436/08, Haribo (Vorlage des UFS Linz 29. 9. 2008, RV/0611-<br />

L/05), und C-437/08, Österreichische Salinen (Vorlage des UFS Linz<br />

29. 9. 2008, RV/0493-L/08), beim EuGH verbunden durch Beschluss<br />

vom 16. 1. 2009.<br />

122) § 93 iVm § 98 Abs 1 Z 5 lit a EStG iVm § 21 KStG idF vor dem BBG 2009,<br />

BGBl I 2009/52.<br />

123) § 94 Z 2 EStG iVm § 10 Abs 1 KStG.


Steuerrecht RdW 10/2009 Artikel-Nr. 692<br />

Rechtsprechung 124) bekräftigte – Kritik gestoßen, 125) sondern<br />

wurde auch von der Kommission beanstandet. 126) Angesichts des<br />

auch im Inlandsfall bei unter 25%igen Beteiligungen vorzunehmenden<br />

KESt-Abzuges (§ 94 Z 2 EStG) richten sich die Bedenken<br />

freilich weniger gegen das Erhebungsverfahren in Form des<br />

KESt-Abzuges, als gegen die nachfolgende Nichtentlastung. 127)<br />

Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich aber auch, dass<br />

eine Entlastung (Rückerstattung) nicht schrankenlos erfolgen<br />

muss: Entgegen der Fokus Bank -Entscheidung des EFTA-Gerichtshofs<br />

128) ist nämlich nach der jüngeren Rechtsprechung des<br />

EuGH in den Rs Denkavit Internationaal 129) und Amurta 130) eine<br />

Ungleichbehandlung dann zulässig, wenn im Ansässigkeitsstaat<br />

der Muttergesellschaft eine abkommensrechtliche Anrechnung<br />

der Quellensteuer und damit eine „Neutralisierung“ der Diskriminierung<br />

erfolgt. 131)<br />

Mit dem BBG 2009 hat der Gesetzgeber auf diese gemeinschaftsrechtlichen<br />

Rahmenbedingungen durch die Einfügung<br />

eines § 21 Abs 1 Z 1a KStG reagiert und <strong>für</strong> EU-Gesellschaften<br />

und EWR-Gesellschaften (bei umfassender Amts- und<br />

Vollstreckungshilfe) 132) , unabhängig von materiellen Voraussetzungen<br />

(Beteiligungshöhe, Beteiligungsdauer, Unmittelbarkeit),<br />

eine antragsgebundene Rückzahlungsmöglichkeit <strong>für</strong> die<br />

124) EFTA-Gerichtshof 23. 11. 2004, E-1/04, EFTA Court Report 2004, 11,<br />

Fokus Bank; EuGH 14. 12. 2006, C-170/05, Denkavit Internationaal,<br />

Slg 2006, I-11949; EuGH 8. 11. 2007, C-379/05, Amurta, Slg 2007,<br />

I-9569,.<br />

125) ZB Blasina, Internationales Schachtelprivileg und Gemeinschaftsrecht,<br />

SWI 2003, 14 (16); W. Loukota, Dividendenbesteuerung bei beschränkter<br />

Körperschaftsteuerpfl icht – verbleibende Diskriminierungen im<br />

Lichte der EG/EWR-Freiheiten, SWI 2004, 504 (504 ff); W. Loukota,<br />

EG-Grundfreiheiten und beschränkte Steuerpfl icht (2006) 273 ff;<br />

Biebl/Pfeiffer, Rechtswidrigkeit der Diskriminierung von Dividenden<br />

gemäß § 94a EStG in EWR-Staaten, SWI 2006, 307 (307 ff); Biebl,<br />

EuGH-Entscheidung Denkavit und ihre Folgen <strong>für</strong> die österreichische<br />

Quellenbesteuerung, SWI 2007, 65 (69 ff); Haslinger, Die Besteuerung<br />

von Dividenden – EuGH bestätigt Kritik an geltender Rechtslage, SWI<br />

2007, 175 (175 ff); Biebl, EuGH in der Rs. Amurta: Einschränkung der<br />

Kapitalverkehrsfreiheit durch Quellensteuer auf Outbound-Dividenden,<br />

SWI 2008, 29 (29 ff); Kofl er/Tumpel, Amurta: Diskriminierende<br />

Quellenbesteuerung und Anrechnungsmethode, ÖStZ 2008/149, 54<br />

(58 f).<br />

126) Siehe die Pressemitteilung IP/07/1152 und dazu die Mitteilung in ÖStZ<br />

2007/737, 369; vgl auch Pkt 5 des Protokolls Außensteuerrecht und<br />

Internationales Steuerrecht 2006 = ARD 5745/12/2007.<br />

127) Ausf Biebl, EuGH-Entscheidung Denkavit und ihre Folgen <strong>für</strong> die österreichische<br />

Quellenbesteuerung, SWI 2007, 65 (72); Kofl er/Tumpel,<br />

Amurta: Diskriminierende Quellenbesteuerung und Anrechnungsmethode,<br />

ÖStZ 2008/149, 54 (58 f). Ob sich Bedenken gegen den<br />

KESt-Abzug (bzw auch gegen das Abstellen auf die Anrechenbarkeit<br />

im Ausland in § 21 Abs 1 Z 1a KStG) im Vergleich zur Quellentlastung<br />

nach § 94a EStG womöglich aus dem Urteil in der Rs Kommission/<br />

Niederlande (EuGH 11. 6. 2009, C-521/07) ableiten lassen, bleibt abzuwarten<br />

(s dazu Haunold/Tumpel/Widhalm, SWI 2009, 409 ff), zumal<br />

eine solche Überlegung auf eine – vom EuGH bisher abgelehnte (zB<br />

EuGH 6. 12. 2007, C-298/05, Columbus Container Services, Slg 2007,<br />

I-10451) – horizontale Vergleichspaarbildung zweier grenzüberschreitender<br />

Situationen (Quellenentlastung nach § 94a EStG bei Ausschüttungen<br />

an qualifi zierte EU-Muttergesellschaften, Quellenabzug und<br />

durch § 21 Abs 1 Z 1a bedingte Rückzahlung bei Ausschüttungen an<br />

EWR-Muttergesellschaften) hinausliefe.<br />

128) EFTA-Gerichtshof 23. 11. 2004, E-1/04, EFTA Court Report 2004, 11,<br />

Fokus Bank; <strong>für</strong> eine krit Analyse aus österreichischer Sicht siehe Kofler,<br />

EFTA-Gerichtshof: Besteuerung von „Auswärtsausschüttungen“<br />

unter der EWR-Kapitalverkehrsfreiheit, ÖStZ 2005/279, 143 (143 ff),<br />

und Kofl er, Einige Überlegungen gegen die DBA-Irrelevanzthese im<br />

Fokus-Bank-Urteil, ÖStZ 2005/375, 169 (169 ff).<br />

129) EuGH 14. 12. 2006, C-170/05, Denkavit Internationaal, Slg 2006,<br />

I-11949, RN 45 ff.<br />

130) EuGH 8. 11. 2007, C-379/05, Amurta, Slg 2007, I-9569, RN 79 ff.<br />

131) Siehe dazu und zu EWR-Situationen Kofl er/Tumpel, Amurta: Diskriminierende<br />

Quellenbesteuerung und Anrechnungsmethode, ÖStZ<br />

2008/149, 54 (54 ff mwN); Marschner in Jakom 2 (2009) § 94a Rz 5 f.<br />

132) Dh derzeit Norwegen nach dem DBA BGBl III 1997/1 idF BGBl III<br />

2006/181. Solcherart läuft aber die Neureglung im Hinblick auf EWR-<br />

Staaten aber derzeit im Grunde ins Leere, zumal im Verhältnis zu<br />

Norwegen ohnehin eine Quellensteuerbefreiung <strong>für</strong> Ausschüttungen<br />

an eine nutzungsberechtigte Gesellschaft iSd Art 10 Abs 2 des DBA<br />

Norwegen besteht.<br />

Kapitalertragsteuer nach § 93 Abs 2 Z 1 lit a EStG (Dividenden<br />

etc) vorgesehen, „ soweit die Kapitalertragsteuer nicht auf<br />

Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens im Ansässigkeitsstaat<br />

angerechnet werden kann “; diese Nichtanrechenbarkeit ist vom<br />

Steuerpfl ichtigen nachzuweisen. Entsprechend den vom EuGH<br />

aufgestellten Grundsätzen sollte somit „ eine Rückzahlungsmöglichkeit<br />

<strong>für</strong> jene <strong>Teil</strong>e der Kapitalertragsteuer, die im Ausland nicht<br />

auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens angerechnet werden<br />

können, geschaffen werden “. 133) Die Rückzahlung hat nach<br />

dem Gesetzeswortlaut – wie bei § 94a EStG – durch das „ <strong>für</strong><br />

die Erhebung der Körperschaftsteuer des Schuldners der Kapitalerträge<br />

“ zuständige Finanzamt (Betriebsfi nanzamt iSd § 59 BAO)<br />

zu erfolgen, wobei die Quellensteuerrückzahlung nach § 21<br />

Abs 1 Z 1a KStG aufgrund ihrer weiteren Entlastungswirkung<br />

wohl einer gleichzeitigen Entlastung nach einem DBA, <strong>für</strong> die<br />

gem § 13a AVOG das Finanzamt Bruck-Eisenstadt-Oberwart<br />

zuständig wäre, vorgeht. 134)<br />

Der Wortlaut des § 21 Abs 1 Z 1a KStG wirft freilich zahlreiche<br />

Fragen auf. So wird normiert, dass der Nachweis der Nichtanrechenbarkeit<br />

im Ausland vom Steuerpfl ichtigen zu erbringen<br />

ist, wozu die Materialen auf den Nachweis „ z.B. durch einen ausländischen<br />

Besteuerungsbescheid “ verweisen. 135) Zwar wird dieser<br />

Nachweis im Falle einer Befreiung im Ausland relativ einfach<br />

erfolgen können, 136) doch kann die Nachweisführung insb dann<br />

problembehaftet sein, wenn das Ausland den Vor- oder Rücktrag<br />

einer DBA-Anrechnung gestattet. Neben der Nachweisführung<br />

ist auch der von § 21 Abs 1 Z 1a KStG verwendete Begriff der<br />

„Ansässigkeit“ der Muttergesellschaft im EU- oder EWR-Raum<br />

problembehaftet. So ist offen, ob die „Ansässigkeit“ iS einer<br />

einfachen Anknüpfung an die unbeschränkte Steuerpfl icht im<br />

Ausland auf Basis des (ausländischen) Sitzes oder Orts der Geschäftsleitung<br />

zu verstehen sein soll. Denkbar wäre auch ein<br />

Abstellen auf den abkommensrechtlichen Ansässigkeitsbegriff<br />

(Art 4 Abs 1 OECD-MA); <strong>für</strong> dieses Verständnis könnte insb<br />

sprechen, dass § 21 Abs 1 Z 1a KStG auf die Anrechnung der<br />

KESt „auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens im<br />

Ansässigkeitsstaat“ abstellt. Eine solche Auslegung führt freilich<br />

zu komplexen Folgefragen, etwa im Hinblick auf doppelt<br />

ansässige Gesellschaften. 137)<br />

Mangels besonderer Inkrafttretensbestimmung ist § 21 Abs 1<br />

Z 1a am 18. 6. 2009 in Kraft getreten. Für vor diesem Zeitpunkt<br />

einbehaltene Quellensteuern bei Ausschüttungen an EU-<br />

Gesellschaften steht diesen jedoch gemeinschaftsrechtlich und<br />

133) ErlRV 113 BlgNR 24. GP 71. Siehe umfassend zur Neuregelung bereits<br />

W. Loukota, Neue Steuerentlastung <strong>für</strong> Outbound-Dividenden an EU-/<br />

EWR-Körperschaften, SWI 2009, 432 (432 ff).<br />

134) So zu § 94a EStG auch UFS Salzburg 11. 4. 2007, RV/0323-S/06.<br />

135) ErlRV 113 BlgNR 24. GP 71.<br />

136) Marschner in Jakom 2 (2009) § 94a Rz 4.<br />

137) Es wäre sodann nämlich die Folgefrage zu stellen, ob auch die OECD-<br />

Auslegung in Art 4 Tz 8.2 OECD-MK 2008 anwendbar sein soll; danach<br />

wäre eine Gesellschaft, die aufgrund einer Tie-Breaker-Regel iSd Art 4<br />

Abs 3 im Fall einer in zwei ausländischen Staaten doppelt ansässigen<br />

Gesellschaft in nur einem der beiden ausländischen Staaten „ansässig“<br />

ist, auch aus der Sicht eines Quellenstaates nur in diesem Staat als<br />

ansässig anzusehen. Eine solche Auslegung wäre aber teleologisch<br />

angreifbar: Liegt nämlich der Sitz der Gesellschaft in einem Drittstaat,<br />

der Ort der Geschäftsleitung aber in der EU bzw in Norwegen, käme<br />

§ 21 Abs 1 Z 1a KStG zur Anwendung, obwohl die Gesellschaft mangels<br />

Gründung in der EU bzw im EWR keine „nach den Rechtsvorschriften“<br />

eines EG- oder EWR-Mitgliedstaats iSd Art 48 EG bzw Art 34<br />

EWR-Abkommen gegründete Gesellschaft ist. Bei einer intendierten<br />

Anknüpfung an den abkommensrechtlichen Ansässigkeitsbegriff wäre<br />

überdies fraglich, wie in jenen Fällen vorzugehen wäre, in denen die<br />

abkommensrechtliche Ansässigkeitsdeterminierung bei doppelt ansässigen<br />

Gesellschaften eines Verständigungsverfahrens bedürfte.<br />

685


686 RdW 10/2009 Artikel-Nr. 692 Steuerrecht<br />

unabhängig von der Geltung der BeitreibungsRL 138) dennoch<br />

die Möglichkeit offen, eine im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht<br />

erhobene Quellensteuer auf Grundlage des § 240 Abs 3 BAO<br />

zurückzufordern, sofern die Steuer im Ansässigkeitsstaat nicht<br />

auf Basis eines Doppelbesteuerungsabkommens angerechnet<br />

werden konnte oder kann. 139) Derartige Rückerstattungsanträge<br />

sind nach der Verwaltungspraxis beim FA Bruck-Eisenstadt-<br />

Oberwart zu stellen. 140)<br />

Unklar ist überdies, wie im Hinblick auf die von § 21 Abs 1<br />

Z 1a KStG nicht erfassten Gesellschaften in EWR-Staaten ohne<br />

umfassende Amts- und Vollstreckungshilfe und generell Gesellschaften<br />

in Drittstaaten vorzugehen ist. So schließt die bisherige<br />

Verwaltungspraxis 141) die Rückerstattung etwa im Verhältnis zu<br />

den EWR-Staaten Liechtenstein und Island aus, zumal diese<br />

mangels Geltung der AmtshilfeRL und der BeitreibungsRL bzw<br />

vergleichbarer abkommensrechtlicher Instrumente gegenüber<br />

Österreich nicht zur Leistung von Amts- und Vollstreckungshilfe<br />

bereit sind. 142) Wenngleich unklar ist, inwieweit das Abstellen<br />

auf eine Vollstreckungs hilfe notwendig und solcherart gemein-<br />

138) Zumindest <strong>für</strong> EU-Situationen hat eine diskriminierungsfreie Besteuerung<br />

von Ausschüttungen wohl auch vor dem Inkrafttreten<br />

der BeitreibungsRL mit Wirkung ab Mitte 2002 (RL 76/308/EWG, ABl<br />

L 73/18 [19. 3. 1976], idF RL 2001/44/EG, ABl L 175/17 [28. 6. 2001]) zu<br />

gelten (siehe zu den Streitjahren 1987 bis 1989 zB EuGH 14. 12. 2006,<br />

C-170/05, Denkavit Internationaal, Slg 2006, I-11949).<br />

139) Vgl zB Haslinger, Die Besteuerung von Dividenden – EuGH bestätigt<br />

Kritik an geltender Rechtslage, SWI 2007, 175 (180); Kofl er/Tumpel,<br />

Amurta: Diskriminierende Quellenbesteuerung und Anrechnungsmethode,<br />

ÖStZ 2008/149, 54 (58 f).<br />

140) So EAS 3012 = SWI 2009, 8.<br />

141) ZB EAS 2956 = SWI 2008, 204; EAS 2976 = SWI 2008, 286.<br />

142) Loukota, Ist § 94a EStG wirklich europarechtswidrig? SWI 2006, 13<br />

(13); auch ein von der ausländischen Steuerverwaltung bestätigtes Formular<br />

ZS-QU 2 kann nicht als Ersatz <strong>für</strong> eine Amtshilfe herangezogen<br />

werden (EAS 2976 = SWI 2008, 286). Zur Kritik an diesem Ausschluss<br />

Biebl/Pfeiffer, Rechtswidrigkeit der Diskriminierung von Dividenden<br />

gemäß § 94a EStG in EWR-Staaten, SWI 2006, 307 (307 ff); Marschner<br />

in Jakom 2 (2009) § 94a Rz 6.<br />

1/2009<br />

Herausgeber:<br />

Peter Braumüller<br />

Daniel Ennöckl<br />

Nicolas Raschauer<br />

Pbb. Pbb. Erscheinungsort Erscheinungsort Wie Wien, Verlagspostamt 1030 Wien, GZ 06Z037013P, ISSN-Nr: 1996-2401<br />

Beiträge<br />

Zeitschrift <strong>für</strong><br />

Bernhard Raschauer:<br />

Finanzmarktrecht<br />

Anlegerentschädigung neu<br />

Christian Winternitz/Boris Steinmair:<br />

Finanzdienstleistungsassistent –<br />

deleted or reloaded<br />

Gemeinsame Publikation von FMA und OeNB:<br />

Aufsichtliche Vorgehensweise im<br />

Rahmen der Säule 2<br />

Judikatur<br />

BGH: Ad-hoc-Publizität beim vorzeitigen<br />

Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds<br />

VwGH: Bestrafung eines Börsemitglieds wegen<br />

Schädigung des Ansehens der Börse<br />

UVS: Satzungsänderung; unverzügliche Anzeige<br />

an die FMA<br />

OGH: Aktuelle versicherungsrechtliche Entscheidungen<br />

Aktuelles<br />

Aktuelle Ministerialentwürfe und Regierungsvorlagen<br />

im Bereich Banken- und Wertpapieraufsichtsrecht<br />

1/2009, S. 1 – 40<br />

Art.-Nr. 1 – 28<br />

Der Autor:<br />

Dr. Stefan Bendlinger ist Steuerberater und<br />

Partner der ICON Wirtschaftstreuhand und<br />

beschäftigt sich seit mehr als 25 Jahren mit internationaler<br />

Steuerberatung. Er ist Fachautor<br />

und Vortragender, Lektor an der Johannes<br />

Kepler Universität Linz und an der FH<br />

Wels sowie Mitglied des Fachsenats <strong>für</strong> Steuerrecht<br />

der Kammer der Wirtschaftstreuhänder.<br />

ZFR Z Zeitschrift <strong>für</strong> Finanzmarktrecht<br />

schaftsrechtlich zulässig ist, 143) scheint der EuGH zuletzt zuzugestehen,<br />

dass eine Quellensteuerbefreiung vom Nachweis, dass<br />

die Auslandsgesellschaften die im nationalen „ Recht festgelegten<br />

Voraussetzungen tatsächlich erfüllen “, abhängig gemacht werden<br />

könne und die nationalen Steuerbehörden die Erfüllung dieser<br />

Voraussetzungen „ tatsächlich nachprüfen können müssen “, 144)<br />

was zumindest <strong>für</strong> die Zulässigkeit der Amtshilfe voraussetzung<br />

in § 21 Abs 1 Z 1a spricht. 145) Gleiche Überlegungen gelten<br />

vor dem Hintergrund der weltweit anwendbaren Kapitalverkehrsfreiheit<br />

wohl auch <strong>für</strong> Portfoliobeteiligungen durch<br />

Drittstaatsgesellschaften, 146) wenngleich hier wohl dennoch<br />

darauf abzustellen wäre, ob allenfalls mit dem Drittstaat zB<br />

eine abkommensrechtliche Amts- und (allenfalls auch) Vollstreckungshilfe<br />

vereinbart wurde. 147)<br />

143) Siehe auch Marschner/Stefaner, Die Zulässigkeit von Einschränkungen<br />

der Kapitalverkehrsfreiheit gegenüber Drittstaaten aufgrund fehlender<br />

Amts- und Vollstreckungshilfe, SWI 2009, 372 (383).<br />

144) EuGH 11. 6. 2009, C-521/07, Kommission/Niederlande, RN 47 f.<br />

145) So Haunold/Tumpel/Widhalm, EuGH: Erhebung niederländischer Quellensteuer<br />

auf Dividenden an irische und norwegische Gesellschaften<br />

verstößt gegen die Kapitalverkehrsfreiheit, SWI 2009, 409 (409 ff).<br />

146) Ungeachtet der Streitfrage, ob und ab welcher Beteiligungshöhe<br />

die Kapitalverkehrsfreiheit durch die binnenmarktorientierte Niederlassungsfreiheit<br />

verdrängt wird, darf jedenfalls nach Art 57 EG<br />

eine beschränkende Regelung <strong>für</strong> Direktinvestitionen (ab ca 10 %;<br />

siehe UFS Wien 14. 12. 2007, RV/0303-W/03; EAS 2880 = SWI 2007,<br />

442) im Verhältnis zu Drittstaaten weiterhin angewendet werden,<br />

sofern sie bereits am 31. 12. 1993 bestanden hat; da zu diesem Stichtag<br />

Dividenden an Drittstaatsgesellschaften nach österreichischem<br />

Recht bereits der KESt ohne Rückerstattungsmöglichkeit unterlegen<br />

sind, dürfte daher die Stillstandsklausel des Art 57 EG eingreifen<br />

(siehe auch Marschner in Jakom 2 [2009] § 94a Rz 5). Greift aber bei<br />

unter 10%igen Beteiligungen Art 57 EG mangels Bestehens einer<br />

Direktinvestition nicht ein, so ist eine direkte Berufung auf Art 56 EG<br />

prinzipiell möglich (zur unmittelbaren Anwendbarkeit des Art 56 EG<br />

in Drittstaatssituationen s EuGH 18. 12. 2007, C-101/05, A, Slg 2007,<br />

I-11531, RN 21; EuGH 20. 5. 2008, C-194/06, Orange European Smallcap<br />

Fund, Slg 2008, I-3747, RN 87 f).<br />

147) Vgl zB EuGH 18. 12. 2007, C-101/05, A, Slg 2007, I-11531, RN 54 ff.<br />

Der Autor:<br />

Univ.-Prof. DDr. Georg Kofl er, LL.M. (NYU),<br />

lehrt und forscht an der Johannes Kepler Universität<br />

Linz und ist Mitarbeiter in der Abteilung<br />

<strong>für</strong> Internationales Steuerrecht im BMF.<br />

➡ Finanzmarktrechtliche Judikatur der österreichischen und europäischen Behörden<br />

➡ Fachartikel zu aktuellen nationalen und internationalen Fragestellungen<br />

➡ Beleuchtung der jeweiligen Themen aus praktischer und wissenschaftlicher Sicht<br />

➡ Analyse von Entwicklungen und Trends durch das ZFR-Experten-Team<br />

www.lexisnexis.at<br />

Jahresabonnement 2009<br />

6 Ausgaben um € 89,–<br />

Ihr kostenloses Probeheft unter:<br />

Tel.: (01) 534 52-5555<br />

Fax: (01) 534 52-141<br />

E-Mail: bestellung@lexisnexis.at


Internationale<br />

Steuerarbitrage


456 ÖStZ 1. Oktober/Nr. 19 Artikel-Nr. 916 Steuerrecht aktuell<br />

■ ÖStZ 2009/916, 456<br />

Gratwanderungen – Das Niemandsland<br />

zwischen aggressiver Steuerplanung,<br />

Missbrauch und Abgabenhinterziehung<br />

In einer vernetzten und globalisierten Welt versucht der besonnene und auf seinen<br />

Vorteil bedachte Wirtschaftsteilnehmer im Regelfall, sein Wirtschaftsleben planmäßig<br />

und frei von Zufällen aktiv zu gestalten. Im Regelfall wird also nicht mehr<br />

oder weniger spontan ein Sachverhalt verwirklicht, auf den schließlich die relevanten<br />

Gesetze der jeweils in Betracht kommenden Materien anzuwenden sind.<br />

Der besonnene Wirtschaftsteilnehmer bedient sich vielmehr bewusst der ihm zur<br />

Verfügung stehenden zivilrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten, um bestimmte<br />

Folgen in anderen Rechtsgebieten, so etwa im Steuerrecht, herbeizuführen. Das<br />

Ziel eines „rechtschaffenen“ Wirtschaftsteilnehmers liegt darin, seine tatsächlichen<br />

und rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten so auszuschöpfen, dass ein <strong>für</strong> ihn<br />

steueroptimales Ergebnis erreicht wird, ohne sich dadurch strafbar zu machen.<br />

Diese „Gratwanderung“ zwischen zulässiger Steuerplanung, Missbrauch und<br />

Abgabenhinterziehung haben wir zum Thema unserer gemeinsamen Antrittsvorlesung<br />

an der Johannes Kepler Universität Linz im März 2009 gemacht. Einige<br />

der dort andiskutierten Überlegungen wollen wir im Folgenden näher darlegen.<br />

1. Einleitung<br />

Versucht man zunächst das mögliche Verhalten eines Steuerpflichtigen<br />

und die möglichen Reaktionen eines Staats darauf<br />

auf einer Skala darzustellen, so steht an der untersten Stufe<br />

das „normale“ Steuerverhalten. Dieses besteht in seiner einfachsten<br />

Ausprägung in der Verwirklichung eines Sachverhalts<br />

ohne allzu bewusste Berücksichtigung der möglichen steuerlichen<br />

Beurteilung. Auf diesen Sachverhalt werden schließlich<br />

die entsprechenden Gesetzesbestimmungen angewandt. Dass<br />

auch auf dieser Stufe unterschiedliche Interpretationen der<br />

Gesetze und daher unterschiedliche Auffassungen zwischen<br />

der Finanzverwaltung und dem Steuerpflichtigen hinsichtlich<br />

des Subsumtionsprozesses auftreten können, ist unbestritten.<br />

Daher kann sich bereits in diesem Bereich ein Staat veranlasst<br />

fühlen, durch Lückenschließungslegistik allfällige unerwünschte<br />

Ergebnisse zu beseitigen. Auf einer nächsten Stufe<br />

möglichen Verhaltens auf Seiten des Steuerpflichtigen steht<br />

schließlich die aggressive Steuerplanung. Dieses ist dadurch<br />

gekennzeichnet, dass der Steuerpflichtige sein Wirtschaftsleben<br />

bewusst und unter Ausnutzung sämtlicher nationaler<br />

und internationaler Möglichkeiten in einer Form gestaltet,<br />

die ihm eine möglichst niedrige Steuerbelastung vermitteln<br />

soll. Die so verstandene aggressive Steuerplanung bewegt sich<br />

jedenfalls noch im Rahmen des rechtlich Zulässigen. Auf aggressive<br />

Steuerplanung kann ein Staat wiederum – wenn nicht<br />

allgemeine Grundprinzipien des Steuerrechts die vom Steuerpflichtigen<br />

vorgenommene Interpretation der geltenden<br />

Gesetze „auszuhebeln“ vermögen – mit einer Lückenschließungslegistik<br />

reagieren. Die aggressive Steuerplanung kann in<br />

ein Umgehungs- oder Missbrauchsverhalten ausarten, wobei<br />

die Übergänge zwischen aggressiver Steuerplanung, Umgehung<br />

und Missbrauch fließend sind. Umgehungen und missbräuchliche<br />

Verhaltensweisen sind nun im Unterschied zum<br />

normalen Steuerverhalten und auch zur aggressiven Steuerplanung<br />

sowohl international als auch in den unterschiedlichen<br />

nationalen Rechtsordnungen unzulässig. Sowohl das inter-<br />

Univ.-Prof. Dr. Tina Ehrke-Rabel<br />

Univ.-Prof. DDr. Georg Kofler,<br />

LL.M. (NYU)<br />

Johannes-Kepler-Universität Linz<br />

nationale Steuerrecht und das Gemeinschaftsrecht als auch<br />

die einzelnen Staaten bekämpfen diese Art von Gestaltungen<br />

des Wirtschaftslebens durch Antimissbrauchsbestimmungen.<br />

Antimissbrauchsbestimmungen können positivrechtlich verankert<br />

oder durch die Rechtsprechung entwickelt worden<br />

sein. Sie können genereller oder spezieller Natur sein. Als<br />

Beispiel <strong>für</strong> eine generelle Antimissbrauchsbestimmung sei<br />

§ 22 BAO genannt, Beispiel <strong>für</strong> spezielle Antimissbrauchsbestimmungen<br />

stellen § 10 Abs 4 und Abs 5 KStG und § 42<br />

InvFG dar. Antimissbrauchsbestimmungen ermöglichen es,<br />

einen Sachverhalt der in missbräuchlicher Weise unter Ausschöpfung<br />

von rechtlichen und tatsächlichen Gestaltungsmöglichkeiten<br />

verwirklicht worden ist, nach seinem „wahren“<br />

wirtschaftlichen Gehalt zu beurteilen. Dies hat zur Folge, dass<br />

die geplante Steuervermeidung sich nicht realisieren kann.<br />

Am anderen Ende der Skala möglichen Verhaltens stehen auf<br />

Seiten des Steuerpflichtigen schließlich Betrug und Hinterziehung,<br />

auf Seiten möglicher Reaktionen der öffentlichen Hand<br />

das Steuerstrafrecht. Auch der Übergang vom Missbrauch<br />

zum Betrug oder zur Hinterziehung ist ein fließender. Eine<br />

klare Grenzziehung ist auch hier auf verallgemeinernde Art<br />

und Weise nicht möglich.<br />

Grafik 1<br />

Steuerplanung und staatliche Reaktionen – Besonnene Wirtschaftsteilnehmer<br />

gestalten ihre wirtschaftlichen Aktivitäten auch mit dem<br />

Ziel, eine möglichst geringe Steuerbelastung tragen zu müssen. Je<br />

nach Intensität des planerischen Verhaltens stehen dem Gesetzgeber<br />

eine Reihe von Instrumenten zur Verfügung, mit denen er Gegenmaßnahmen<br />

setzen kann.<br />

OeStZ_19_2009__CS3_v1.indd Abs2:456 9/29/2009 12:05:39 PM


Steuerrecht aktuell ÖStZ 1. Oktober/Nr. 19 Artikel-Nr. 916<br />

Wir unternehmen im Folgenden den Versuch, diese Gratwanderungen<br />

zwischen aggressiver Steuerplanung, Missbrauch und<br />

Steuerhinterziehung zunächst im nationalen und schließlich im<br />

internationalen Bereich an Hand von praxisrelevanten Gestaltungen<br />

darzustellen, um im Anschluss daran auf den internationalen<br />

Kampf gegen unfairen Steuerwettbewerb und Steuerhinterziehung<br />

näher einzugehen. Letztendlich soll ein Ausblick<br />

auf Herausforderungen an die Zukunft gegeben werden.<br />

2. Nationale Steuerplanung und die Grenze zum<br />

Missbrauch<br />

2.1. Anerkennung der Zwischenschaltung einer<br />

juristischen Person<br />

Juristische Personen und ihre Anteilseigner sind sowohl ertrag-<br />

als auch umsatzsteuerrechtlich eigenständige Steuersubjekte.<br />

Leistungsbeziehungen zwischen ihnen werden daher steuerrechtlich<br />

anerkannt, soweit sie unter fremdüblichen Bedingungen<br />

eingegangen wurden (Trennungsprinzip). 1) Diese Grundsätze<br />

gelten sowohl zwischen juristischen Personen und ihren<br />

Anteilseignern, die natürliche Personen sind, als auch gegenüber<br />

Anteilseignern, die selbst juristische Personen sind.<br />

Das Körperschaftsteuerrecht bietet die Möglichkeit, unter<br />

bestimmten Voraussetzungen miteinander verbundene Kapitalgesellschaften<br />

zu einer Gruppe zusammenzufassen und damit als<br />

ein Steuersubjekt zu behandeln (sog Gruppenbesteuerung gem<br />

§ 9 KStG). 2) Ähnliches gilt <strong>für</strong> bestimmte Betriebe gewerblicher<br />

Art von Körperschaften öffentlichen Rechts, die durch das Zusammenfassen<br />

in einem sog Versorgungsbetriebeverbund als ein<br />

Steuersubjekt behandelt werden können (§ 2 Abs 4 KStG). 3)<br />

Dabei handelt es sich um gesetzlich vorgesehene Gestaltungen,<br />

die es den Steuerpflichtigen ermöglichen, ihre Ergebnisse zu saldieren<br />

und damit eine im Verhältnis zur getrennten Betrachtung<br />

niedrigere Steuerbelastung zu erzielen.<br />

Im Bereich des Umsatzsteuerrechts werden Kapitalgesellschaften<br />

als mit einem anderen Unternehmer verbunden und damit<br />

als einheitliches Steuersubjekt behandelt, wenn sie nach dem<br />

Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich<br />

und organisatorisch in das andere Unternehmen eingegliedert<br />

sind (sog Organschaft, § 2 Abs 2 Z 2 UStG). Konsequenz<br />

der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft ist, dass die Umsätze<br />

zwischen den Organmitgliedern nicht umsatzsteuerbar sind. 4)<br />

Im Unterschied zum Ertragsteuerrecht bedarf die Annahme<br />

einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft keiner Willenserklärung.<br />

Sie ist bei Vorliegen der Voraussetzungen automatisch<br />

gegeben. In der Erfüllung der Tatbestandsmerkmale kann der<br />

Steuerpflichtige jedoch auch das Vorliegen einer umsatzsteuerrechtlichen<br />

Organschaft beeinflussen.<br />

2.2. Leistungserbringung über eine juristische<br />

Person<br />

Aus den zivil- und gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten ergeben<br />

sich in Kombination mit der Steuersubjektivität von juristischen<br />

Personen einerseits und der grundsätzlichen Anerkennung von<br />

Leistungsbeziehungen zwischen juristischen Personen und ihren<br />

Anteilseignern (Trennungsprinzip) anderseits Gestaltungen<br />

1) Vgl Doralt/<strong>Ruppe</strong>, Steuerrecht I 9 (2007) Rz 902.<br />

2) Doralt/<strong>Ruppe</strong>, Steuerrecht I 9 , Rz 938 f.<br />

3) Doralt/<strong>Ruppe</strong>, Steuerrecht I 9 , Rz 928.<br />

4) Doralt/<strong>Ruppe</strong>, Steuerrecht I 9 , Rz 1220.<br />

zur Optimierung des steuerlichen Ergebnisses. Hier stellt sich<br />

zunächst die Frage, ob eine zivil- oder gesellschaftsrechtliche Gestaltung<br />

in der im Steuerrecht maßgeblichen wirtschaftlichen<br />

Betrachtungsweise auch steuerrechtlich anzuerkennen ist. Ist dies<br />

der Fall, so bleibt zu prüfen, wann die Grenze zwischen zulässiger<br />

Steuerplanung und Umgehung oder Missbrauch überschritten<br />

wird.<br />

Ein in Wissenschaft und Praxis seit Ende des letzten Jahres<br />

viel diskutiertes Thema ist die Frage, inwieweit die Zwischenschaltung<br />

einer Kapitalgesellschaft zur Erbringung bestimmter<br />

freiberuflicher Leistungen oder zur Ausübung gesellschaftsrechtlicher<br />

Funktionen – etwa der Geschäftsführung, der Tätigkeit<br />

als Aufsichtsratsmitglied oder als Stiftungsvorstand – steuerrechtlich<br />

anzuerkennen ist. Zu den hier im Fokus stehenden<br />

freiberuflichen Leistungen zählen jene Tätigkeiten, die in der<br />

Literatur 5) als höchstpersönlich bezeichnet werden. Dies sind<br />

insbesondere die Tätigkeiten als Schriftsteller, Wissenschafter,<br />

Vortragender, Künstler oder Sportler.<br />

Wird eine solche Tätigkeit nicht direkt durch eine natürliche<br />

Person, sondern durch (eine unter ihrem Einfluss stehende)<br />

Kapitalgesellschaft ausgeübt, so ist dies nach hA sowohl aus<br />

gesellschafts- als auch aus zivilrechtlicher Sicht grundsätzlich<br />

zulässig. 6) Das allgemeine Zivilrecht und das Gesellschaftsrecht<br />

lassen zu, dass auch Leistungen von Künstlern, Wissenschaftern,<br />

Vortragenden oder Sportlern sowie Organfunktionen in Kapitalgesellschaften<br />

durch eine Kapitalgesellschaft selbst erbracht<br />

werden. Dass tatsächlich eine natürliche Person die entsprechende<br />

Leistung ausführen muss, liegt im Wesen der juristischen<br />

Person als einem „künstlichen“ Rechtsgebilde. 7)<br />

Ist die Vergütung aus dieser Tätigkeit auch steuerrechtlich<br />

der zivilrechtlich verpflichteten juristischen Person zuzurechnen,<br />

so kann dies im Verhältnis zur Erbringung der Leistung<br />

ohne Zwischenschaltung der Kapitalgesellschaft steuer- und<br />

sozialversicherungsrechtliche Vorteile mit sich bringen: Die<br />

Vergütung unterliegt auf Ebene der Kapitalgesellschaft der Körperschaftsteuer<br />

in Höhe von 25 %. Erst die Ausschüttung des<br />

Gewinns führt zu einer Ertragsteuerbelastung beim Anteilseigner,<br />

was kumuliert eine Belastung der Erträge mit rund 43,75 %<br />

ergibt. Hinzu kommt, dass bei entsprechender Ausgestaltung<br />

des Dienstverhältnisses zwischen der juristischen Person, die<br />

die Leistung zivilrechtlich zu erbringen verpflichtet ist, und der<br />

natürlichen Person, die die Leistung tatsächlich erbringt, die<br />

Lohnnebenkosten und Sozialversicherungsbeiträge gering gehalten<br />

werden können. Würde <strong>für</strong> die Ausübung dieser Tätigkeiten<br />

hingegen direkt die natürliche Person zivilrechtlich verpflichtet,<br />

so unterlägen die Vergütungen da<strong>für</strong> der Einkommensteuer<br />

zum progressiven Tarif 8) und wären allenfalls in vollem Umfang<br />

lohnnebenkosten- und sozialversicherungspflichtig.<br />

In Frage steht nun, ob die Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft,<br />

die im Verhältnis zu einer Leistungserbringung als<br />

natürliche Person zweifelsohne Steuervorteile mit sich bringt,<br />

ertragsteuerrechtlich in dem Sinn verwerflich ist, dass sie nicht<br />

anzuerkennen ist. Der Vergütung der hier in Frage stehenden<br />

5) Mayr, „Drittanstellung“ von Vorständen zulässig? RdW 2008/384,<br />

420.<br />

6) W. D. Arnold, Zur gesellschaftsrechtlichen Zulässigkeit der Drittanstellung<br />

von Geschäftsführern (Vorstandsmitgliedern), ÖStZ 2009/229,<br />

120; Ehrke-Rabel/Zierler, Einkünftezurechnung bei „höchstpersönlichen“<br />

Tätigkeiten, SWK 2009, S 423 (S 427 f); Bergmann, Die „Drittanstellung“<br />

von Managern im Gesellschafts- und Steuerrecht (I), taxlex<br />

2009, 131 f.<br />

7) Vgl dazu genauer Ehrke-Rabel/Zierler, SWK 2009, S 423 (S 430 f).<br />

8) Durch den neuen Grundfreibetrag relativiert sich der Steuervorteil<br />

einer Kapitalgesellschaft jedoch erheblich.<br />

OeStZ_19_2009__CS3_v1.indd Abs2:457 9/29/2009 12:05:39 PM<br />

457


458 ÖStZ 1. Oktober/Nr. 19 Artikel-Nr. 916 Steuerrecht aktuell<br />

Tätigkeiten an die Kapitalgesellschaft könnte die Anerkennung<br />

mit der Begründung versagt werden, dass sie im Sinne der<br />

Markteinkommenstheorie, 9) die auf die Möglichkeit, über eine<br />

Einnahmequelle zu verfügen, rekurriert, nicht der Kapitalgesellschaft,<br />

sondern der natürlichen Person direkt zuzurechnen seien.<br />

Diese Auffassung vertritt das BMF: Die Vergütungen aus den<br />

hier dargestellten Tätigkeiten sind als „ Vergütungen aus höchstpersönlichen<br />

Tätigkeiten ab 1. 7. 2009 demjenigen zuzurechnen,<br />

der die Leistung persönlich erbringt (zB Schriftsteller, Vortragender,<br />

Wissenschafter „Drittanstellung“ von Vorständen) “. 10) Im Schrifttum<br />

ist diese Aussage der EStR auf massive Kritik gestoßen, 11)<br />

was das BMF zu einer Revision im (noch nicht veröffentlichten)<br />

Protokoll zum Salzburger Steuerdialog 2009 bewegt hat.<br />

Danach sollen nur „künstlich anmutende“ Konstruktionen von<br />

der Rz 104 der EStR erfasst werden, die insbesondere dann<br />

vorliegen sollen, wenn die „zwischengeschaltete“ Kapitalgesellschaft<br />

unter dem beherrschenden Einfluss der höchstpersönlich<br />

tätigen Person steht. Im Fokus der Finanzverwaltung stehen<br />

damit offenbar in erster Linie „zwischengeschaltete“ Einmann-<br />

Kapitalgesellschaften. Die steuerliche Anerkennung zwischengeschalteter<br />

Kapitalgesellschaften sei jedenfalls im Einzelfall zu<br />

beurteilen: Verfügt die auftretende GmbH über eine eigenständige,<br />

sich von der natürlichen Person abhebende betriebliche<br />

Struktur, mit der sie am Marktgeschehen teilnimmt und auftritt,<br />

so sind die entsprechende Leistung und das da<strong>für</strong> entrichtete<br />

Entgelt der Kapitalgesellschaft zuzurechnen. Die Gestaltung<br />

ist damit steuerrechtlich unbedenklich. Die Formulierung des<br />

BMF im Salzburger Steuerdialog 2009 relativiert den Anwendungsbereich<br />

der Rz 104 der EStR zwar insoweit, als nunmehr<br />

feststeht, dass nicht jeglicher „Zwischenschaltung“ einer Kapitalgesellschaft<br />

zur Erbringung freiberuflicher Leistungen oder<br />

zur Ausübung bestimmter gesellschaftsrechtlicher Funktionen<br />

die steuerrechtliche Anerkennung zu versagen ist, wirft aber<br />

auch neue Fragen auf. So stellt sich etwa die Frage, wann von<br />

einer betrieblichen Struktur auszugehen ist.<br />

Der VwGH hatte noch nicht explizit die Gelegenheit, zur<br />

Auffassung des BMF Stellung zu nehmen. 12) Bei der jüngst<br />

entschiedenen Frage der steuerlichen Anerkennung einer zur<br />

Ausübung der Funktion als Mitglied des Aufsichtsrats zwischengeschalteten<br />

Kapitalgesellschaft stand die Einkünftezurechnung<br />

aufgrund der Sachverhaltslage nicht zur Debatte: Da<br />

zwischen der GmbH, deren Gesellschafter zum Aufsichtsrat<br />

einer anderen Kapitalgesellschaft bestellt worden war, und<br />

dieser anderen Kapitalgesellschaft keinerlei Vereinbarung über<br />

die Ausübung der Aufsichtsratstätigkeit getroffen worden war,<br />

war <strong>für</strong> den VwGH „ von vornherein ausgeschlossen, dass die in<br />

9) Vgl <strong>Ruppe</strong>, Möglichkeiten und Grenzen der Übertragung von Einkunftsquellen<br />

als Problem der Zurechnung von Einkünften, in Tipke<br />

(Hrsg), DStJG, Übertragung von Einkunftsquellen im Steuerrecht 2<br />

(1979) 7 (16 ff).<br />

10) Rz 104 EStR 2000. Nach EAS 3059 sind Managementvergütungen,<br />

die eine österreichische Gesellschaft aufgrund eines ausschließlich<br />

mit einer Schweizer Gesellschaft geschlossenen Interims-Managementvertrages<br />

leistet, entgegen der Auffassung in älteren EAS (EAS<br />

2029 und 2045) in Übereinstimmung mit Rz 104 EStR 2000 der zum<br />

Manager bestellten natürlichen Person zuzurechnen.<br />

11) Tanzer, Die Einkünftezurechnung bei Drittanstellung von Geschäftsführern<br />

(Vorständen) im Ertragsteuerrecht, ÖStZ 2009/230,<br />

123; Ehrke-Rabel/Zierler, SWK 2009, S 423 (S 430f); Bergmann, Die<br />

„Drittanstellung von Managern im Gesellschafts- und Steuerrecht<br />

(II), taxlex 2009, 184; Huber, Einkünftezurechnung an Arbeitgeber<br />

und Einmanngesellschaften, taxlex 2009, 285. – Zustimmend jedoch<br />

Beiser, Jedem Arbeitnehmer seine GmbH? Die Einkünftezurechnung<br />

bei einer Drittanstellung, RdW 2009/322, 370.<br />

12) Vgl aber eine Übersicht über die in jüngster Zeit durch den VwGH<br />

und den UFS entschiedenen Fälle zur Zwischenschaltung von Kapitalgesellschaften<br />

bei Huber, taxlex 2009, 285.<br />

Rede stehenden Vergütungen der Gesellschaften, deren Aufsichtsrat<br />

der Beschwerdeführer angehörte, zu Einkünften der GmbH (...)<br />

geführt haben .“ 13)<br />

In einem anderen Fall war der Sachverhalt so gelagert, dass der<br />

VwGH von einer missbräuchlichen Gestaltung ausgegangen ist:<br />

Die nachträgliche Zwischenschaltung einer unter dem beherrschenden<br />

Einfluss des Geschäftsführers stehenden Gesellschaft<br />

in das Geschäftsführungsverhältnis zu einer anderen GmbH war<br />

seines Erachtens ohne irgendeine Veränderung der Vergütungsbedingungen<br />

nur in der Absicht gewählt worden, Lohnnebenkosten<br />

zu umgehen. 14) Eine solche Gestaltung hielt der VwGH<br />

<strong>für</strong> missbräuchlich, mit der Konsequenz, dass die Geschäftsführungsvergütung<br />

unmittelbar dem gesellschaftsrechtlich bestellten<br />

Geschäftsführer zuzurechnen war und bei ihm als Vorteil aus dem<br />

Dienstverhältnis der Kommunalsteuer unterlag.<br />

Grafik 2<br />

Zwischenschaltung einer juristischen Person – In Wissenschaft und<br />

Praxis wird seit dem letzten Jahr intensiv diskutiert, inwieweit ein<br />

Auseinanderfallen zwischen gesellschaftsrechtlicher Bestellung zum<br />

Geschäftsführer einer GmbH und zivilrechtlicher Anstellung dieses<br />

Geschäftsführers über eine im eigene (Einmann-)GmbH bei der zu<br />

führenden GmbH steuerrechtlich anzuerkennen ist. Konkret stellt<br />

sich die Frage, ob die Vergütungen <strong>für</strong> diese Geschäftsführertätigkeit<br />

der den Anstellungsvertrag abschließenden (Einmann-)GmbH oder<br />

aber dem Geschäftsführer selbst zuzurechnen sind.<br />

Die Zwischenschaltung einer Einmann-Kapitalgesellschaft zur<br />

Ausübung sog höchstpersönlicher Tätigkeiten oder zur Ausübung<br />

unterschiedlicher gesellschaftsrechtlicher Funktionen ist<br />

aus steuerrechtlicher Sicht zusammengefasst folgendermaßen<br />

zu beurteilen:<br />

Allgemeiner Konsens dürfte dahin gehend bestehen, dass die<br />

Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft bei gesellschafts-<br />

und zivilrechtlicher Zulässigkeit 15) aufgrund des Trennungsprinzips<br />

grundsätzlich auch ertragsteuerrechtlich anzuerkennen<br />

ist. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass dies<br />

unabhängig von der Art der Tätigkeit, also auch <strong>für</strong> die hier<br />

in Frage stehenden sog höchstpersönlichen Tätigkeiten gilt.<br />

Ob sich die Finanzverwaltung und die Rechtsprechung dieser<br />

13) VwGH 28. 5. 2009, 2006/15/0360. Dazu Doralt, VwGH: Einkünftezurechnung<br />

bei zwischengeschalteter Aufsichtsrats-GmbH, RdW 2009/536,<br />

545.<br />

14) VwGH 25. 6. 2008, 2008/15/0014, ÖStZB 2009/98, 115.<br />

15) Vgl viel weitergehend Huber, taxlex 2009, 285, wonach die zivil- oder<br />

gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit <strong>für</strong> die steuerliche Beurteilung<br />

keine Rolle spielen dürfe.<br />

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Steuerrecht aktuell ÖStZ 1. Oktober/Nr. 19 Artikel-Nr. 916<br />

Auffassung letztendlich anschließen werden, bleibt abzuwarten.<br />

Unter der Prämisse, dass auch sog höchstpersönliche Tätigkeiten<br />

über eine Kapitalgesellschaft ausgeübt werden können,<br />

dürfte auch Einigkeit dahin gehend bestehen, dass der „Zwischenschaltung“<br />

der Kapitalgesellschaft die Anerkennung zu<br />

versagen ist, wenn die Kapitalgesellschaft selbst keine Funktion<br />

innehat. 16) Diesfalls sind die aus der Tätigkeit entspringenden<br />

Einkünfte direkt der natürlichen Person zuzurechnen. Die Zurechnung<br />

von Leistungsvergütungen an die zwischengeschaltete<br />

Kapitalgesellschaft ist wohl dann nicht zu akzeptieren, wenn<br />

es sich um eine nachträgliche Zwischenschaltung handelt, die<br />

weder bezüglich des Umfangs noch bezüglich des Inhalts der<br />

erbrachten Leistungen eine Änderung herbeiführt. 17) Einigkeit<br />

dürfte letztendlich auch dahin gehend bestehen, dass die<br />

Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft auch dann nicht<br />

anzuerkennen ist, wenn von einem Missbrauch von Formen und<br />

Gestaltungsmöglichkeiten auszugehen ist. Das bloße Ausnützen<br />

von Steuervorteilen, die sich aus der fehlenden Rechtsformneutralität<br />

der Beteiligungen ergeben, ist uE jedoch keinesfalls als<br />

Missbrauch zu qualifizieren. 18)<br />

Gerade das Beispiel der zwischengeschalteten Kapitalgesellschaften<br />

zur Erbringung sog höchstpersönlicher Leistungen oder<br />

zur Ausübung von Leitungsagenden in Kapitalgesellschaften<br />

zeigt, dass der Übergang zwischen zulässiger Steuerplanung und<br />

unzulässigem Missbrauch von Rechts- und Gestaltungsformen<br />

ein fließender ist, der nur in der Einzelfallbetrachtung festgemacht<br />

werden kann. Insgesamt zeigt die Diskussion um die<br />

ertragsteuerrechtliche Anerkennung der „Zwischenschaltung“<br />

juristischer Personen zur Erbringung sog höchstpersönlicher<br />

Leistungen, dass der Ausschöpfung zivilrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten<br />

im Einzelfall entweder schlicht durch die Anwendung<br />

steuerlicher Grundprinzipien wie etwa der wirtschaftlichen<br />

Betrachtungsweise, der Unterscheidung zwischen Zufluss und<br />

Einkommensverwendung oder der Markteinkommenstheorie<br />

oder aber durch die Feststellung eines missbräuchlichen Verhaltens<br />

steuerrechtliche Grenzen gesetzt sind.<br />

2.3. Befriedigung privater Bedürfnisse durch eine<br />

juristische Person<br />

Die Zwischenschaltung juristischer Personen erfolgt in der Praxis<br />

auch mit dem Ziel, die Befriedigung privater Bedürfnisse<br />

steuerlich optimal zu gestalten. Ebenso wie beim klassischen<br />

„Zwei-Konten-Modell“ 19) wurde auch hier versucht, dem Wesen<br />

nach private Aufwendungen durch die Zwischenschaltung einer<br />

Kapitalgesellschaft in eine steuerlich relevante Sphäre zu verlagern.<br />

So sollte beispielsweise die Schaffung privaten Wohnraums<br />

steuerlich derart strukturiert werden, dass Abschreibungen und<br />

Zinsaufwand abgezogen und Investitionsbegünstigungen und<br />

16) Ehrke-Rabel/Zierler, SWK 2009, S 423 (S 430); Huber, taxlex 2009, 285<br />

(290). – Für die Beantwortung der Frage, ob eine betriebliche Struktur<br />

gegeben ist, ist uE hilfsweise auf die Judikatur des VwGH zu den<br />

Briefkastenfirmen abzustellen (zB VwGH 22. 3. 1995, 93/13/0076; 11. 7.<br />

1995, 91/13/0154; 17. 11. 2005, 2001/13/0247; 31. 5. 2006, 2002/13/0145,<br />

0146; 20. 9. 2007, 2007/14/0007). – Das BMF stellt im Protokoll zum Salzburger<br />

Steuerdialog 2009 darauf ab, ob Mitarbeiter beschäftigt sind<br />

und innerhalb der Kapitalgesellschaft Tätigkeiten ausgeübt werden,<br />

die über bloße Vorbereitungs- und Hilfshandlungen hinausgehen.<br />

17) Vgl in diesem Zusammenhang die Judikatur des VwGH zur Zwischenschaltung<br />

einer im Eigentum der Mitunternehmer stehenden GmbH<br />

in die Leistungsbeziehungen zwischen einer Mitunternehmerschaft<br />

und deren Mitunternehmern: VwGH 30. 5. 1990, 86/13/0046; 5. 10.<br />

1994, 92/15/0003.<br />

18) Vgl dazu im Detail Ehrke-Rabel/Zierler, SWK 2009, S 432.<br />

19) Dazu zB VwGH 27. 1. 1998, 94/14/0017, ÖStZB 1998, 561; VwGH 29. 6.<br />

1999, 95/14/0150, ÖStZB 1999, 601.<br />

Vorsteuerabzug in Anspruch genommen werden können. Die<br />

durch solche Gestaltungen aufgeworfenen Fragen nach einer<br />

„außerbetrieblichen“ Sphäre von Kapitalgesellschaften werden<br />

im Schrifttum intensiv diskutiert, 20) wobei gerade die jüngere<br />

Rechtsprechung zur außerbetrieblichen Sphäre im Hinblick<br />

auf Dienstwohnungen und Wohngebäude von Gesellschafter-<br />

Geschäftsführern die Diskussion weiter zugespitzt hat.<br />

Nach der jüngeren Judikatur des VwGH zählen nämlich<br />

auch einzelne Wirtschaftsgüter, deren Anschaffung oder Herstellung<br />

rein gesellschaftsrechtlich veranlasst ist 21) und die nicht<br />

der Einkommenserzielung der Kapitalgesellschaft dienen, nicht<br />

zu deren Betriebsvermögen. 22) Die Rechtsprechung leitet diese<br />

Folgerung – ohne Bezugnahme auf § 7 Abs 3 KStG – daraus<br />

ab, dass ungeachtet des Maßgeblichkeitsprinzips 23) durch § 7<br />

Abs 2 KStG die einkommensteuerlichen Vorschriften über die<br />

Gewinnermittlung in den Bereich der Körperschaftsteuer übernommen<br />

werden und daher die Betriebsvermögenseigenschaft<br />

von Wirtschaftsgütern in beiden Bereichen nach den gleichen<br />

Grundsätzen beurteilt werden müsse. 24) Ein Wirtschaftsgut,<br />

dessen Anschaffung rein gesellschaftsrechtlich veranlasst ist und<br />

das objektiv erkennbar gesellschaftsrechtlichen Zwecken dient,<br />

gehört solcherart nicht zum (gewillkürten) Betriebsvermögen,<br />

sondern als notwendiges Privatvermögen zum „steuerneutralen<br />

Vermögen“ der Kapitalgesellschaft. 25) Diese „Verschiebung“ in<br />

die „außerbetriebliche“ Sphäre aufgrund der Annahme von<br />

notwendigem Privatvermögen der Kapitalgesellschaft betraf<br />

bisher die – entgeltliche und unentgeltliche – Überlassung<br />

einer luxuriösen Penthousewohnung, 26) eines im attraktiven<br />

Erholungsgebiet gelegenen Einfamilienhauses, 27) einer mit<br />

persönlichen Gebrauchsgegenständen ausgestatteten Villa 28)<br />

sowie einer Seeliegenschaft mit Bungalow, Pförtner- und<br />

Bootshaus 29) an Gesellschafter; 30) ähnliche Erwägungen sollen<br />

aber offenbar auch <strong>für</strong> die Überlassung von „Luxuswirtschafts-<br />

20) Für eine Zusammenfassung der Diskussion siehe zuletzt Kofler, Die<br />

„außerbetriebliche Vermögenssphäre“ der Kapitalgesellschaft, in<br />

Urnik/Fritz-Schmied/Kanduth-Kristen (Hrsg), Steuerwissenschaften<br />

und betriebliches Rechnungswesen — Strukturen – Prinzipien – Neuerungen,<br />

FS Kofler (2009) 103 (103 ff).<br />

21) Zur Betonung des Veranlassungszusammenhanges siehe insbesondere<br />

Stangl, Die außerbetriebliche Sphäre von Kapitalgesellschaften (2004)<br />

131 f und 137 ff.<br />

22) Siehe zu dieser Rechtsprechungslinie insbesondere Bruckner, „Privatvermögen“<br />

einer Kapitalgesellschaft – Analyse und kritische<br />

Anmerkungen, ÖStZ 2003/233, 110 (110 ff); Stangl, Der VwGH zur<br />

außerbetrieblichen Sphäre von Kapitalgesellschaften, ÖStZ 2005/71,<br />

39 (39 ff); Wiesner, Außerbetriebliches Vermögen einer Kapitalgesellschaft<br />

auf dem Prüfstand, RWZ 2007/37, 129 (129 ff); Wiesner, Der<br />

außersteuerliche Bereich einer Kapitalgesellschaft im österreichischen<br />

und deutschen Abgabenrecht, RWZ 2007/103, 359 (359 ff); Urtz, Neueste<br />

VwGH-Judikatur: Die Privatsphäre von Kapitalgesellschaften, GeS<br />

2007, 390 (390 ff); Pröll, Außerbetriebliches Vermögen der Kapitalgesellschaft<br />

– Ertragsteuerliche Konsequenzen auf Gesellschafterebene,<br />

ÖStZ 2009/583, 288 (288 ff); ausführlich Stangl, Außerbetriebliche<br />

Sphäre 123 ff.<br />

23) Siehe nur Rz 613 KStR 2001; Renner in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger,<br />

KStG 11 (2008) § 8 Tz 57.<br />

24) Siehe zB VwGH 20. 6. 2000, 98/15/0169, ÖStZB 2000/534, 653; ebenso<br />

zB UFS Linz 11. 7. 2003, RV/0603-L/02; UFS Klagenfurt 30. 5. 2005,<br />

RV/0404-K/02; UFS Graz 31. 1. 2006, RV/0408-G/04.<br />

25) So etwa VwGH 24. 6. 2004, 2001/15/0002, ÖStZB 2005/32, 57.<br />

26) VwGH 20. 6. 2000, 98/15/0169, ÖStZB 2000/534, 653.<br />

27) VwGH 24. 6. 2004, 2001/15/0002, ÖStZB 2005/32, 57.<br />

28) VwGH 30. 6. 2005, 2001/15/0081, ÖStZB 2006/5, 8.<br />

29) VwGH 26. 3. 2007, 2005/14/0091, ÖStZB 2007/481, 640.<br />

30) Vgl weiters UFS Linz 11. 7. 2003, RV/0603-L/02; UFS Wien 22. 7. 2003,<br />

RV/402-W/02, RV/403-W/02; UFS Klagenfurt 30. 5. 2005, RV/0404-<br />

K/02. Siehe zur Anmietung einer Liegenschaft durch die Gesellschaft<br />

auch UFS Graz 31. 1. 2006, RV/0408-G/04, und VwGH 19. 4. 2007,<br />

2005/15/0020, ÖStZB 2007/475, 635. Zu Mietverhältnissen zwischen<br />

Privatstiftung und Stiftern siehe UFS Linz 24. 8. 2007, RV/0540-L/04,<br />

und UFS Wien 18. 1. 2008, RV/0743-W/07.<br />

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459


460 ÖStZ 1. Oktober/Nr. 19 Artikel-Nr. 916 Steuerrecht aktuell<br />

gütern“ wie zB Yachten, 31) Sportwagen, 32) Schwimmbädern,<br />

Pferden etc 33) gelten. 34)<br />

Grafik 3<br />

Befriedigung privater Bedürfnisse – Nach der jüngeren Judikatur des<br />

VwGH zählen Wirtschaftsgüter, deren Anschaffung oder Herstellung<br />

rein gesellschaftsrechtlich veranlasst ist, zur „außerbetrieblichen Sphäre“<br />

der Kapitalgesellschaft. Dies wirft eine Reihe von Zweifelsfragen und<br />

systematischen Bedenken auf.<br />

Diese Sichtweise ist nicht grundsätzlich neu 35) und womöglich<br />

auch ein origineller Versuch, der Zwischenschaltungsproblematik<br />

Herr zu werden. Dennoch steht sie zunächst in<br />

einem unklaren Verhältnis zum Konzept des gewillkürten<br />

Betriebsvermögens, 36) zur Anwendung des Missbrauchstatbestands<br />

37) sowie zur gefestigten Rechtsprechung, dass bei der<br />

Überlassung von Wirtschaftsgütern an den Gesellschafter im<br />

Normalfall lediglich das Nutzungsentgelt über das Instrument<br />

der verdeckten Ausschüttung auf ein fremdübliches Maß anzuheben<br />

ist, das Wirtschaftsgut aber prinzipiell dem Betriebsvermögen<br />

der Gesellschaft zugeordnet bleibt. 38) Unklar ist überdies,<br />

31) Dazu das Beispiel bei Wiesner/Schneider/Spanbauer/Kohler, KStG<br />

(1996) § 8 Anm 18; siehe auch VwGH 9. 7. 2008, 2005/13/0020, ÖStZB<br />

2009/117, 106 (betreffend eine im zivilrechtlichen Eigentum des Gesellschafters<br />

stehende Yacht).<br />

32) UFS Graz 11. 3. 2008, RV/0137-G/07; dies ablehnend Mayr/Treer in<br />

Mayr/Treer, Der Salzburger Steuerdialog 2008, ÖStZ Spezial (2008)<br />

11 f.<br />

33) Rz 819 KStR 2001 nennt neben der „Luxuswohnung <strong>für</strong> den Gesellschafter-Geschäftsführer“<br />

auch die Anschaffung oder Herstellung von<br />

„Schwimmbädern, Sauna, Sportanlagen, Pferden“.<br />

34) Kritisch zu einer schrankenlosen Verallgemeinerung Stangl, Außerbetriebliche<br />

Sphäre 155 ff.<br />

35) Siehe Wiesner, Körperschaftsteuerrechtliche Einlagen und Entnahmen,<br />

in Doralt/Hassler/Kranich/Nolz/Quantschnigg (Hrsg), Die Besteuerung<br />

der Kapitalgesellschaft, FS Bauer (1986) 349 (352 f), und<br />

das Yachtbeispiel bei Wiesner/Schneider/Spanbauer/Kohler, KStG § 8<br />

Anm 18; ebenso Bauer/Quantschnigg/Schellmann/Werilly, KStG 5 (1997)<br />

§ 8 Tz 66, Stichwort „Dienstwohnung“.<br />

36) Dazu ausführlich Urtz, GeS 2007, 390 (401 f).<br />

37) Siehe zur Anwendung des § 22 BAO im Hinblick auf die Überlassung<br />

eines von den Gesellschaftern gemieteten Einfamilienhauses<br />

als Dienstwohnung zB VwGH 29. 11. 1988, 87/14/0200, ÖStZB 1989,<br />

174; vgl auch VwGH 18. 1. 1983, 82/14/0092, 0097, ÖStZB 1983, 307.<br />

Auch im Erk vom 30. 6. 2005, 2001/15/0081, ÖStZB 2006/5, 8 (zu einer<br />

mit persönlichen Gebrauchsgegenständen ausgestatteten Villa), wies<br />

der VwGH zusätzlich darauf hin, dass sich der angefochtene Bescheid<br />

„jedenfalls schon im Grunde der Missbrauchsbestimmung des § 22<br />

BAO als tragfähig begründet erweist“.<br />

38) Siehe zB VwGH 20. 1. 1981, 2230, 2380/79, ÖStZB 1982, 44 (zur Überlassung<br />

eines Firmen-Pkw zur Privatnutzung); VwGH 20. 4. 1982,<br />

81/14/0120, ÖStZB 1983, 31 (zur Überlassung einer luxuriösen Villa an<br />

den Gesellschafter-Geschäftsführer); VwGH 17. 2. 1993, 89/14/0248,<br />

ÖStZB 1993, 470 (zur Überlassung einer Wohnung im Betriebsgebäude);<br />

VwGH 10. 5. 1994, 90/14/0050, ÖStZB 1995, 19 (zur Überlassung<br />

eines Einfamilienhauses „der ‚Luxus‘-Kategorie“); vgl auch VwGH<br />

in welchen Fällen von dieser „traditionellen“ Sichtweise abgewichen<br />

werden soll und bereits an der Wurzel „außerbetriebliches“<br />

Vermögen anzunehmen ist. In der jüngeren Rechtsprechung<br />

scheint diese Frage eine vorläufige Konkretisierung dahin gehend<br />

gefunden zu haben, dass das betreffende Wirtschaftsgut<br />

schon seiner Erscheinung nach <strong>für</strong> die private Nutzung des<br />

Gesellschafters bestimmt sein muss; 39) dies soll bei Wohnobjekten<br />

insbesondere dann der Fall sein, wenn das Wohnobjekt<br />

„ besonders repräsentativ “ oder „ speziell auf die Wohnbedürfnisse des<br />

Gesellschafters abgestellt “ ist, 40) wobei zusätzlich auf die sonstige<br />

Tätigkeit der Kapitalgesellschaft Bedacht zu nehmen sei. 41) Das<br />

Verneinen der Betriebsvermögenseigenschaft könne jedoch „ nur<br />

in besonders gelagerten Fällen “ greifen, 42) vor allem, „ wenn es<br />

sich um Objekte handelt, die realistischerweise nicht fremdüblich<br />

vermietbar sind ”. 43)<br />

Zweifelsohne ist diese Grenzziehung mit erheblichen Problemen<br />

belastet. 44) Sollte aber im Einzelfall ein Wirtschaftsgut<br />

„ nur eine gesellschaftliche und keine betriebliche Veranlassung “<br />

haben, 45) wird von Rechtsprechung und Verwaltungspraxis offenbar<br />

davon ausgegangen, dass das Wirtschaftsgut „ unabhängig<br />

von der Frage, ob das Nutzungsentgelt fremdüblich ist oder nicht “, 46)<br />

aus der „ einkünfterelevanten Sphäre “ ausscheide 47) und in den<br />

„ außerbetrieblichen Bereich “ „ verschoben “ werde. 48) Ist diesfalls<br />

ein Wirtschaftsgut dieser „außerbetrieblichen“ Sphäre zuzuordnen,<br />

kann es auf Ebene der Gesellschaft aber denklogisch zu<br />

keiner verdeckten Ausschüttung kommen. 49) Insofern ergeben<br />

sich auch asymmetrische steuerliche Konsequenzen: Auf Ebene<br />

16. 5. 2007, 2005/14/0083, ÖStZB 2008/73, 76, und Rz 819 KStR 2001;<br />

generell <strong>für</strong> diese Lösung Stangl, Außerbetriebliche Sphäre 138 f,<br />

sowie in ÖStZ 2005/71, 39 (41 f).<br />

39) Siehe auch Rz 819 KStR 2001.<br />

40) VwGH 16. 5. 2007, 2005/14/0083, ÖStZB 2008/73, 76; UFS Wien 5. 6.<br />

2008, RV/0719-W/05; ebenso Rz 819 KStR 2001. Vgl demgegenüber<br />

noch VwGH 20. 6. 2000, 98/15/0169, ÖStZB 2000/534, 653, UFS Linz<br />

11. 7. 2003, RV/0603-L/02, und UFS Graz 31. 1. 2006, RV/0408-G/04,<br />

wo darauf abgestellt wurde, ob eine vergleichbare Dienstwohnung<br />

auch <strong>für</strong> einen fremden Arbeitnehmer angeschafft würde.<br />

41) Siehe Zorn, VwGH neuerlich zu Privatvermögen einer GmbH, RdW<br />

2007/647, 620 (621), und andeutungsweise VwGH 26. 3. 2007,<br />

2005/14/0091, ÖStZB 2007/481, 640; wohl anders Pkt 2.4 des Salzburger<br />

Steuerdialogs 2008 – ESt/KSt/UmgrSt (BMF-010216/0155-VI/6/2008),<br />

wonach es „<strong>für</strong> die Zuordnung eines Wirtschaftsgutes zum betrieblichen<br />

bzw. außerbetrieblichen Bereich […] nicht von Bedeutung sein<br />

[kann], welchen Betriebsgegenstand die Kapitalgesellschaft hat“.<br />

42) Zorn, RdW 2007/647, 620 (621); ebenso Wiesner, RWZ 2007/37, 129<br />

(132) („Extremfälle“); Pkt 7 des KSt-Protokolls 2005 (BMF-010216<br />

/0086-IV/6/2005), AÖF 2005/272 („nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen“);<br />

siehe auch Pkt 2.4 des Salzburger Steuerdialogs 2008 –<br />

ESt/KSt/UmgrSt („nur in Ausnahmefällen“).<br />

43) Pkt 2.4 des Salzburger Steuerdialogs 2008 – ESt/KSt/UmgrSt, abgedruckt<br />

in Mayr/Treer, Steuerdialog, ÖStZ Spezial (2008) 9 ff; ebenso<br />

Rz 819 KStR 2001, wonach zu fragen sei, ob das Wirtschaftsgut „jederzeit<br />

im betrieblichen Geschehen der Kapitalgesellschaft (zB durch<br />

Vermietung) eingesetzt werden” könne. Überschießend daher wohl<br />

UFS Graz 11. 3. 2008, RV/0137-G/07 (zu einem Sportwagen), und dies<br />

dementsprechend ablehnend Mayr/Treer in Mayr/Treer, Steuerdialog,<br />

ÖStZ Spezial (2008) 11 f. Insofern wurde auch vorgeschlagen, die<br />

Grenze danach zu ziehen, dass die Gesellschaft entweder „praktisch<br />

zur Gänze ihren Zweck in der Befriedigung der Gesellschafterinteressen“<br />

hat oder „im Vergleich zu ihrer operativen Funktion und Größe<br />

ungewöhnliche Investitionen im Gesellschafterinteresse“ tätigt, „die<br />

ohne Gesellschafterinteresse nicht getätigt worden wären“; siehe<br />

Wiesner, RWZ 2007/37, 129 (132).<br />

44) Siehe nur Stangl, Außerbetriebliche Sphäre 137 ff; Urtz, GeS 2007,<br />

390 (400 ff); <strong>für</strong> einen Operationalisierungsversuch siehe Rauscher,<br />

UFS und Mietverhältnisse zwischen Kapitalgesellschaften und Gesellschaftern<br />

zu Wohnzwecken, UFS Journal 2008, 76 (76 ff).<br />

45) Rz 819 KStR 2001.<br />

46) Pkt 2.4 des Salzburger Steuerdialogs 2008 – ESt/KSt/UmgrSt; siehe<br />

auch Rz 819 KStR 2001.<br />

47) Siehe zB Rz 919 KStR 2001; Renner in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger,<br />

KStG 11 , Anh zu § 8, Stichwort „Dienstwohnung“.<br />

48) Pkt 2.4 des Salzburger Steuerdialogs 2008 – ESt/KSt/UmgrSt.<br />

49) Siehe zB Bruckner, ÖStZ 2003/233, 110 (112 f); Stangl, Außerbetriebliche<br />

Sphäre 153; Urtz, GeS 2007, 390 (400).<br />

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Steuerrecht aktuell ÖStZ 1. Oktober/Nr. 19 Artikel-Nr. 916<br />

der Kapitalgesellschaft soll es zunächst ausgabenseitig zu einer<br />

Versagung von AfA, Investitionsbegünstigungen, Zinsaufwand<br />

etc kommen; 50) einnahmenseitig unterbleiben hingegen sowohl<br />

der Ansatz des tatsächlichen Mietzinses als Betriebseinnahme 51)<br />

als auch eine Erfassung der Differenz zwischen fremdüblichem<br />

und tatsächlichem Nutzungsentgelt als fiktive Einnahme. 52)<br />

Nach hA soll aber überdies das Wirtschaftsgut in einer „außerbetrieblichen“<br />

Sphäre der Gesellschaft verbleiben und zB<br />

im Falle einer Veräußerung innerhalb der Spekulationsfrist zu<br />

Einkünften iSd § 30 EStG führen. 53) Auf der Ebene des Gesellschafters<br />

gehen die bisherige Verwaltungspraxis, 54) <strong>Teil</strong>e des<br />

Schrifttums 55) und auch die Rechtsprechung 56) hingegen von<br />

einer verdeckten Ausschüttung „an der Wurzel“ 57) aus, wobei<br />

auf Seiten des Vorteilsempfängers eine Ausschüttung nur in<br />

Höhe der Differenz zwischen dem fremdüblichen und dem<br />

tatsächlich gezahlten Nutzungsentgelt anzunehmen sei. 58) Diese<br />

Vorgehensweise wurde gleichsam kritisiert und eine Gleichschaltung<br />

der steuerlichen Konsequenzen auf Gesellschafts- und<br />

Gesellschafterebene gefordert. 59) Diesen Weg scheint letztlich<br />

auch die jüngere Verwaltungspraxis beschreiten zu wollen, wenn<br />

die Konsequenz einer Zuordnung „zum außerbetrieblichen<br />

Bereich“ der Gesellschaft darin gesehen wird, dass es zur vollen<br />

verdeckten Ausschüttung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten<br />

an den Gesellschafter kommt. 60)<br />

50) UFS Linz 11. 7. 2003, RV/0603-L/02; ebenso Pernegger, „Dienstwohnung“<br />

und außerbetriebliche Sphäre, ÖStZ 2002/168, 87 (89 ff); Bruckner,<br />

ÖStZ 2003/233, 110 (114); Renner in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger,<br />

KStG 11 , Anh zu § 8, Stichwort „Dienstwohnung“; Pröll,<br />

ÖStZ 2009/583, 288 (292); siehe auch das Yachtbeispiel bei Wiesner/<br />

Schneider/Spanbauer/Kohler, KStG § 8 Anm 18.<br />

51) UFS Linz 11. 7. 2003, RV/0603-L/02; UFS Graz 31. 1. 2006, RV/0408-<br />

G/04.<br />

52) VwGH 20. 6. 2000, 98/15/0169, ÖStZB 2000/534, 653; UFS Linz<br />

11. 7. 2003, RV/0603-L/02. Solcherart bleiben auch entgangene Erträge<br />

aus Alternativveranlagungen unberücksichtigt; dazu Bruckner, ÖStZ<br />

2003/233, 110 (114); Stangl, Außerbetriebliche Sphäre 162 f.<br />

53) Rz 611 und Rz 613 KStR 2001; Pkt 2.4 des Salzburger Steuerdialogs<br />

2008 – ESt/KSt/UmgrSt; ebenso zB Renner in Quantschnigg/Renner/<br />

Schellmann/Stöger, KStG 11 , § 8 Tz 61; Pröll, ÖStZ 2009/583, 288 (293 f).<br />

Konsequenterweise müssten dann im Falle der Vermietung an den<br />

Gesellschafter aber auch die Grundsätze der Einkünfte aus Vermietung<br />

nach § 28 EStG schlagend werden (dh zB Vermietungseinkünfte der<br />

Gesellschaft im Ausmaß der tatsächlichen Nutzungsentgelte und AfA<br />

im außerbetrieblichen Bereich). Sowohl im Hinblick auf Spekulations-<br />

wie auch auf Vermietungseinkünfte würde sich dann jedoch die Frage<br />

aufwerfen, welche Auswirkung die Transformationsvorschrift des § 7<br />

Abs 3 KStG hat (siehe zB Bruckner, ÖStZ 2003/233, 110 [114 m FN 40],<br />

und ausf Stangl, Außerbetriebliche Sphäre 150 f; Urtz, GeS 2007, 390<br />

[398 f]). Freilich stößt schon die grundsätzliche Folgerung außerbetrieblicher<br />

Einkünfte im Lichte der Rechtsprechung auf Zweifel,<br />

zumal der VwGH offenbar davon ausgeht, dass die Zuordnung zur<br />

„außerbetrieblichen“ Sphäre im Wesentlichen dieselben Rechtsfolgen<br />

wie Liebhaberei zeitigen soll, lehnt er doch in diesen Fällen eine<br />

gesonderte Liebhabereiprüfung ausdrücklich ab; siehe VwGH 24. 6.<br />

2004, 2001/15/0002, ÖStZB 2005/32, 57.<br />

54) Rz 919 und Rz 1042 KStR 2001.<br />

55) Pernegger, ÖStZ 2002/168, 87 (90); Bruckner, ÖStZ 2003/233, 110 (114);<br />

Renner in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger, KStG 11 , Anh zu<br />

§ 8, Stichwort „Dienstwohnung“.<br />

56) VwGH 20. 6. 2000, 98/15/0169, ÖStZB 2000/534, 653; UFS Linz 11. 7.<br />

2003, RV/0603-L/02; siehe auch UFS Graz 31. 1. 2006, RV/0408-G/04.<br />

57) Siehe Zorn, RdW 2007/647, 620 (621); Renner in Quantschnigg/Renner/<br />

Schellmann/Stöger, KStG 11 , Anh zu § 8, Stichwort „Dienstwohnung“<br />

58) Siehe zB Pröll, ÖStZ 2009/583, 288 (292); zur Bewertung siehe Stangl,<br />

Außerbetriebliche Sphäre 154 f; Renner in Quantschnigg/Renner/<br />

Schellmann/Stöger, KStG 11 ,Anh zu § 8, Stichwort „Dienstwohnung“<br />

mwN.<br />

59) Siehe Wiesner, RWZ 2007/37, 129 (130); Wiesner, RWZ 2007/103, 359<br />

(361); Pröll, Einfamilienhaus: Verdeckte Gewinnausschüttung „an der<br />

Wurzel“ in Höhe der Anschaffungs- bzw Herstellungskosten, UFS 2007,<br />

336 (338 f); Wiesner, KESt-Bemessungsgrundlage bei außerbetrieblichem<br />

Vermögen von Kapitalgesellschaften, RWZ 2008/69, 255 (255 f);<br />

in diese Richtung womöglich nunmehr VwGH 9. 7. 2008, 2005/13/0020,<br />

ÖStZB 2009/117, 106 (betreffend eine im zivilrechtlichen Eigentum<br />

des Gesellschafters stehende Yacht).<br />

60) Siehe Pkt 2.4 des Salzburger Steuerdialogs 2008 – ESt/KSt/UmgrSt:<br />

„Wenn die Errichtung fremdfinanziert ist (zB Kredit 2 Mio Euro und<br />

Selbst wenn man aus dogmatischer Sicht von den grundsätzlichen<br />

Bedenken gegen die veranlassungstheoretische Zuordnung<br />

von einzelnen Wirtschaftsgütern zum „außerbetrieblichen“ Bereich<br />

und der dadurch heraufbeschworenen komplexen Abgrenzungsproblematik<br />

zur „traditionellen“ Lösung über das<br />

<strong>Institut</strong> der verdeckten Ausschüttung absieht, 61) kann die von der<br />

jüngeren Verwaltungspraxis angedachte „Mischlösung“ letztlich<br />

nicht überzeugen. Denn diese geht davon aus, dass es einerseits<br />

zu einer vollen (wertmäßigen) Ausschüttung des Wirtschaftsguts<br />

an den Gesellschafter kommt, dieses andererseits aber im<br />

„außerbetrieblichen“ Bereich der Gesellschaft verbleibt. Will<br />

man aber wegen des speziellen Zuschnitts des Wirtschaftsguts<br />

auf den Gesellschafter von einer „Vollausschüttung“ ausgehen,<br />

würde dies schlichtweg implizieren, dass auch das wirtschaftliche<br />

Eigentum – wie im Falle eines Spezialleasings 62) – auf den Gesellschafter<br />

übergeht. 63) Wird aber das Wirtschaftsgut steuerlich<br />

dem Gesellschafter zugerechnet, so kann es sich steuerlich nicht<br />

mehr in einer wie auch immer gearteten „außerbetrieblichen“<br />

Sphäre der Gesellschaft befinden: Entweder das Gebäude verbleibt<br />

in der betrieblichen Sphäre der Kapitalgesellschaft und<br />

die fremdunüblichen Mietentgelte werden im Sinne der traditionellen<br />

Rechtsprechung im Wege einer verdeckten Ausschüttung<br />

angepasst, oder es wird dem Gesellschafter zugerechnet und<br />

führt bei der Gesellschaft aufgrund des Ausscheidens aus ihrer<br />

steuerlichen Sphäre zu keinen nachgelagerten Steuerfolgen im<br />

Veräußerungsfall; 64) lediglich tatsächlich geleistete Nutzungsentgelte<br />

wären sodann als verdeckte Einlagen zu beurteilen. 65)<br />

Eine von der „Mischlösung“ unterstellte Verschiebung in den<br />

„außerbetrieblichen“ Bereich würde überdies das in § 9 Abs 3<br />

UmgrStG zum Ausdruck kommende gesetzliche Konzept aushöhlen,<br />

wonach ein Wirtschaftsgut offenbar entweder dem<br />

Betriebsvermögen der Gesellschaft oder dem notwendigen Privatvermögen<br />

des Gesellschafters zuzuordnen sein soll. 66) Es spricht<br />

daher vieles da<strong>für</strong>, die vom VwGH aufgeworfenen Fragen rund<br />

um die verdeckte Ausschüttung „an der Wurzel“ nach einem<br />

„Entweder-Oder-Prinzip“ zu lösen. Diesfalls würden sich auch<br />

Folgefragen etwa im Hinblick auf die Überführung zwischen<br />

den verschiedenen Sphären der Gesellschaft im Entnahme- und<br />

Einlagewege nach § 4 Abs 1 EStG erübrigen, was wohl auch der<br />

Intention des historischen Gesetzgebers entspricht. 67)<br />

1 Mio Euro Eigenmittel), führt dies zur sofortigen verdeckten Ausschüttung<br />

der Eigenmittel (= 1 Mio Euro). Die Kreditrückzahlungen<br />

(Tilgungen und Zinsen) führen in der Folge zu verdeckten Ausschüttungen.“<br />

Siehe auch Pröll, ÖStZ 2009/583, 288 (292 f).<br />

61) Dazu Stangl, Außerbetriebliche Sphäre 132 ff.<br />

62) Siehe Rz 137 und 141 EStR 2000 und <strong>für</strong> die konkrete Situation diese<br />

Analogie bejahend Pröll, UFS 2007, 336 (338 ff).<br />

63) Dazu Kofler in FS Kofler 103 (116 ff); siehe auch die Anmerkung von<br />

Mayr/Treer zu Pkt 2.4 des Salzburger Steuerdialogs 2008 – ESt/KSt/<br />

UmgrSt in Mayr/Treer, Steuerdialog, ÖStZ Spezial (2008) 11 f.<br />

64) Siehe auch die Anmerkung von Mayr/Treer in Mayr/Treer, Steuerdialog,<br />

ÖStZ Spezial (2008) 11 f.<br />

65) Rz 1042 KStR 2001.<br />

66) Dazu zB Urtz in Gassner/Göth/Gröhs/Lang, Privatstiftungen (2000) 297<br />

(303 f).<br />

67) Nach ErlRV 622 BlgNR 17. GP, 17, kann der „Entnahme-Einlagentatbestand<br />

des § 4 Abs. 1 EStG […] im Körperschaftsteuerrecht nur dort<br />

Bedeutung haben, wo eine außerbetriebliche Ebene der Körperschaft<br />

denkbar ist“, wobei beispielhaft lediglich der – im Vergleich zur Kapitalgesellschaft<br />

wirtschaftlich weniger bedeutende – Verein, der „ein<br />

Wirtschaftsgut aus dem Vereinsvermögen in seinen Betrieb einbringt<br />

oder aus dem Betriebsvermögen entnimmt“, Erwähnung findet. Daraus<br />

ließe sich umgekehrt folgern, dass bei Kapitalgesellschaften der<br />

Entnahmetatbestand nicht zur Anwendung kommen soll (siehe dazu<br />

auch Urtz in Gassner/Göth/Gröhs/Lang 297 [302]). Hingewiesen sei<br />

auch darauf, dass sich der BFH im Hinblick auf das Verneinen einer<br />

außerbetrieblichen Sphäre auch auf das Mangeln von körperschaftsteuerlichen<br />

Vorschriften zur Überführung von Wirtschaftsgütern<br />

zwischen dem betrieblichen und dem außerbetrieblichen Bereich<br />

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461


462 ÖStZ 1. Oktober/Nr. 19 Artikel-Nr. 916 Steuerrecht aktuell<br />

Die Zwischenschaltung von Kapitalgesellschaften zur Verlagerung<br />

dem Wesen nach privaten Aufwendungen in eine steuerlich<br />

relevante Sphäre hat nicht bloß eine ertragsteuerrechtliche<br />

Dimension, sie betrifft auch die Umsatzsteuer: Gilt ein Wirtschaftsgut<br />

als <strong>für</strong> das Unternehmen ausgeführt, so besteht das<br />

Recht auf Vorsteuerabzug. Ein Ziel jeder Steuerplanung liegt<br />

daher in der Maximierung des Rechts zum Vorsteuerabzug.<br />

Gerade in den Bereichen, in denen zwischen betrieblich und<br />

gesellschaftsrechtlich veranlasster Verwendung von Wirtschaftsgütern<br />

zu unterscheiden ist, ist die ertragsteuerrechtliche Beurteilung<br />

in Österreich auch <strong>für</strong> das Recht auf Vorsteuerabzug von<br />

Bedeutung. Nach § 12 Abs 2 Z 2 lit a UStG gelten Lieferungen,<br />

sonstige Leistungen und Einfuhren nicht als <strong>für</strong> das Unternehmen<br />

ausgeführt, wenn deren Entgelte überwiegend keine<br />

abzugsfähigen Aufwendungen iSd §§ 8 Abs 2 und 12 Abs 1 Z 1<br />

bis 5 KStG sind. Die Überlassung von privatem Wohnraum<br />

durch eine Kapitalgesellschaft an ihren Gesellschafter zählt im<br />

Fall der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung zur Einkommensverwendung<br />

iSd § 8 Abs 2 KStG und führt daher nach der Rsp<br />

des VwGH zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug. 68) Damit hat<br />

die Zuordnung eines Wirtschaftsguts zur außerbetrieblichen<br />

Sphäre der Gesellschaft auch umsatzsteuerrechtliche Bedeutung.<br />

Würde man die hier in Frage stehenden Fälle der Verlagerung<br />

privat veranlasster Aufwendungen in den betrieblichen Bereich,<br />

wie vorgeschlagen, nach den Grundsätzen über das Spezialleasing<br />

lösen, so wäre der Vorsteuerabzug wegen von vornherein<br />

fehlender Ausfuhr <strong>für</strong> unternehmerische Zwecke bereits nach<br />

§ 12 Abs 2 Z 1 UStG ausgeschlossen. Im Übrigen hängt aber<br />

die umsatzsteuerrechtliche Lösung nicht notwendigerweise von<br />

der ertragsteuerrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts ab: In<br />

Betracht käme, den Vorsteuerabzug außerhalb des Anwendungsbereichs<br />

von § 12 Abs 2 Z 2 lit a UStG wegen Missbrauchs<br />

auszuschließen (siehe dazu später). 69)<br />

3. Internationale Steuerplanung<br />

3.1. Die passive Zwischengesellschaft im Ertragsteuerrecht<br />

Zum Standardrepertoire der internationalen Konzernsteuerplanung<br />

gehört die Nutzung von Steuergefällen und Abkommensvorteilen<br />

durch die Einschaltung von ausländischen<br />

Gesellschaften. Solche Gestaltungen werden freilich von der<br />

Finanzverwaltung auch unter Missbrauchsgesichtspunkten kritisch<br />

beäugt. Nachdem der VwGH bereits vor einigen Jahren<br />

in seinen beiden Erkenntnissen zum Treaty Shopping 70) mit der<br />

einer Kapitalgesellschaft stützt; siehe BFH 4. 12. 1996, I R 54/95, BFHE<br />

182, 123; BFH 22. 8. 2007, I R 32/06, BStBl 2007 II 961.<br />

68) VwGH 26. 3. 2007, 2005/14/0091, ÖStZB 2007/481, 640. Der VwGH<br />

begründet ausführlich, warum § 12 Abs 2 Z 2 lit a UStG mit den Vorgaben<br />

der MwSt-Syst-RL als zum Zeitpunkt des Beitritts Österreichs<br />

zur EU bereits bestehende Vorsteuerausschlussbestimmung mit dem<br />

Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Diese Auffassung wurde nun wohl<br />

durch EuGH 23. 4. 2009, C-460/07, Puffer, und das darauf ergangene<br />

Erkenntnis des VwGH 24. 6. 2009, 2004/15/0104, bestätigt. § 12 Abs 2<br />

Z 2 lit a UStG iVm §§ 8 Abs 2 und 12 Abs 1 Z 1 bis 5 KStG dürfte auch<br />

vor dem Hintergrund der jüngeren Rechtsprechung des EuGH zum<br />

nichtwirtschaftlichen Bereich von Unternehmern gemeinschaftsrechtlich<br />

unbedenklich sein (vgl EuGH 12. 2. 2009, C-515/07, VNLTO; EuGH<br />

13. 3. 2008, C-437/06, Slg 2008, I-1597, Securenta). Siehe allgemein<br />

zu ??? dieser Diskussion zB auch Pernegger, ÖStZ 2002/168, 87 (89);<br />

kritisch Stangl, Außerbetriebliche Sphäre 178 ff, und in ÖStZ 2005/71,<br />

39 (43 f).<br />

69) Vgl BMF, Umsatzsteuerprotokoll über den Salzburger Steuerdialog<br />

2008, BMF-010219/0416-VI/4/2008.<br />

70) VwGH 10. 12. 1997, 93/13/0185, ÖStZB 1998, 568, und VwGH 26. 7.<br />

2000, 97/14/0070, ÖStZB 2001/57.<br />

Frage des „Einkaufens“ in günstige Abkommensbeziehungen<br />

befasst war, stand in den vergangenen Jahren in zahlreichen<br />

Erkenntnissen die „Abschirmwirkung“ zwischengeschalteter<br />

Auslandsgesellschaften zur Diskussion. 71) Auch die intensive<br />

Diskussion dieser Fragestellungen im Schrifttum ist ungebrochen.<br />

72) Die grundlegende „Konstruktion“ läuft hier vielfach<br />

darauf hinaus, dass steuerpflichtige Erträge (zB Zinsen) durch<br />

die Auslagerung der Einkunftsquelle auf eine Zwischengesellschaft<br />

in das niedrig oder nicht besteuernde Ausland in steuerfreie<br />

Beteiligungserträge – nach § 10 KStG oder auf Basis eines<br />

abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs – „transformiert“<br />

werden sollen.<br />

Die Befreiungen nach § 10 Abs 1 Z 5 bis 7 KStG erfassen zwar<br />

grundsätzlich auch Ausschüttungen von Auslandsgesellschaften,<br />

die ausschließlich zur Vermögensanlage oder als Holding genutzt<br />

werden. In Extremfällen kann aber zunächst fraglich sein,<br />

welchem Steuersubjekt die Einkünfte auf Basis der allgemeinen<br />

Zurechnungsdogmatik oder auf Basis der Missbrauchsbestimmung<br />

des § 22 BAO zuzurechnen sind. 73) Aus § 10 Abs 4 und<br />

Abs 5 lässt sich immerhin ableiten, dass bloße Passivität und<br />

Niedrigbesteuerung <strong>für</strong> sich alleine die Zurechnungsträgereigenschaft<br />

der Auslandstochter nicht in Frage stellen, 74) setzt<br />

doch der Methodenwechsel diese voraus. 75) Die Möglichkeit der<br />

Versagung des internationalen Schachtelprivilegs auf Basis des<br />

§ 22 BAO ist jedoch mittlerweile gesicherte Rechtsprechung.<br />

Auch die Frage, ob ein „Durchgriff“ auf Basis der – außentheoretisch<br />

verstandenen 76) – Missbrauchsbestimmung des § 22<br />

71) Siehe zB VwGH 9. 12. 2004, 2002/14/0074, ÖStZB 2005/460 = ecolex<br />

2005/153 m Anm Kofler = GeS 2005, 175 m Anm Stieglitz = IStR 2005,<br />

206 m Anm Schmidt = RWZ 2005/4, 9 m Anm Wiesner (Dublin Docks I);<br />

VwGH 19. 1. 2005, 2000/13/0176, ÖStZB 2005/308 = GeS 2005, 220 m<br />

Anm Stieglitz (Hong Kong); VwGH 10. 8. 2005, 2001/13/0018, ÖStZB<br />

2006/65, 86 (Dublin Docks II); VwGH 22. 9. 2005, 2001/14/0188, ÖStZB<br />

2006/195, 249 (Jersey I); VwGH 18. 10. 2006, 2003/13/0031, ÖStZB<br />

2007/298, 401 (Guernsey I); VwGH 29. 11. 2006, 2003/13/0026, ÖStZB<br />

2007/282, 379 (Luxemburg); VwGH 24. 7. 2007, 2007/14/0029, ÖStZB<br />

2007/520, 704 (Jersey II); VwGH 3. 9. 2008, 2007/13/0031, ÖStZB<br />

2009/174, 161 (Guernsey II).<br />

72) Siehe zB Fraberger, Briefkastengesellschaften im internationalen Steuerrecht<br />

– praktische Probleme mit der Zurechnung von Einkünften<br />

und wirtschaftlichem Eigentum, in Albeseder/Manhartsgruber/Roth/<br />

Schmidl/Spritzey (Hrsg), Wirtschaft Steuer Recht, FS Wundsam (2003)<br />

347 (347 ff); Kofler, Dublin Docks Gesellschaften zwischen Missbrauch<br />

und Gemeinschaftsrecht, RdW 2005/859, 786 (786 ff); Lang, VwGH<br />

zur Anwendung des § 22 BAO auf irische IFSC-Gesellschaften, SWI<br />

2005, 67 (67 ff); Loukota, Einschaltung ausländischer Basisgesellschaften,<br />

SWI 2005, 205 (205 ff); Tumpel, Steuerumgehung im DBA-Recht<br />

und EG-Grundfreiheiten, in Lang/Jirousek (Hrsg), Praxis des internationalen<br />

Steuerrechts, FS Loukota (2005) 585 (585 ff); Bendlinger,<br />

Die Holdinggesellschaft im Fadenkreuz der Finanzverwaltung, ÖStZ<br />

2007/1224, 593 (593 ff); Zorn, Die Zurechnung von Einkünften unter<br />

dem Aspekt der Zwischenschaltung von Auslandsgesellschaften, in<br />

Beiser/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), Ertragsteuern in Wissenschaft<br />

und Praxis, FS Doralt (2007) 527 (527 ff); Bendlinger, Steueroasen<br />

und Offshore-Strukturen, in Hammerschmied (Hrsg), Steuerberatung<br />

und Wirtschaftsprüfung in Europa, FS Brogyányi (2008) 525 (525 ff);<br />

Lechner, Steuerliche Anerkennung ausländischer Gesellschaften, in FS<br />

Brogyányi 513 (513 ff); Stieglitz, § 22 BAO und Gemeinschaftsrecht.<br />

Kritik der Rechtsprechung des VwGH zum Einsatz von Auslandsgesellschaften<br />

in Niedrigsteuerländern, in Fraberger/Baumann/Plott/Waitz-<br />

Ramsauer (Hrsg), Handbuch Konzernsteuerrecht (2008) 485 (485 ff);<br />

Novacek, Der steuerliche Missbrauch und das Gemeinschaftsrecht,<br />

ÖStZ 2009/532, 265 (265 ff).<br />

73) Dazu Kofler in IFA (Hrsg), Conflicts in the Attribution of Income to a<br />

Person, CDFI 92b (2007) 85 (87 ff mwN).<br />

74) Kofler in IFA, CDFI 92b (2007) 85 (88).<br />

75) Ist aber nicht die ausländische Gesellschaft, sondern zB direkt die<br />

inländische Muttergesellschaft Zurechnungssubjekt, finden freilich<br />

auch die Befreiungen nach § 10 Abs 1 Z 5 bis 7 und der Methodenwechsel<br />

des § 10 Abs 4 bis 6 auf die – sodann keinen ertragsteuerlichen<br />

Vorgang darstellenden – „Ausschüttungen“ der Tochtergesellschaft<br />

keine Anwendung; Rz 581 KStR 2001; EAS 1881 = SWI 2001, 370 = ÖStZ<br />

2001/1006, 515; siehe auch Fraberger in FS Wundsam 347 (370).<br />

76) Siehe zusammenfassend zum Meinungsstreit rund um die Innen- und<br />

Außentheorie Kofler, Die steuerliche Abschirmwirkung ausländischer<br />

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Steuerrecht aktuell ÖStZ 1. Oktober/Nr. 19 Artikel-Nr. 916<br />

BAO auch im Geltungsbereich der EG-Grundfreiheiten und<br />

der Mutter-Tochter-RL zulässig ist, wurde vom VwGH – ohne<br />

Einholung einer Vorabentscheidung – bejaht; 77) ebenso, dass<br />

der Anwendung des § 22 BAO ein allfälliges DBA nicht entgegensteht.<br />

78)<br />

Grafik 4<br />

Die „passive“ Zwischengesellschaft – Die Rechtsprechung war wiederholt<br />

mit der Einschaltung „passiver“ Auslandsgesellschaften im<br />

niedrig besteuernden Ausland befasst. Als missbräuchlich wurde es<br />

zB beurteilt, wenn die Veranlagung in österreichischen, risikoarmen<br />

Finanzprodukten über eine ausländische Zwischengesellschaft erfolgt,<br />

um dadurch die Steuerpflicht der Zinsen durch „Umqualifikation“<br />

in steuerfreie Schachteldividenden zu umgehen.<br />

Wann aber die vom VwGH <strong>für</strong> das Vorliegen eines Missbrauchs<br />

geforderte „rechtliche Gestaltung, die im Hinblick auf den angestrebten<br />

wirtschaftlichen Erfolg ungewöhnlich und unangemessen<br />

ist und ihre Erklärung nur in der Absicht der Steuervermeidung<br />

findet“ , 79) vorliegt, entzieht sich letztlich einer allgemeingültigen<br />

Beantwortung. Auch der höchstgerichtliche Ansatz, „zu<br />

prüfen, ob der gewählte Weg noch sinnvoll erscheint, wenn man<br />

den Abgaben sparenden Effekt wegdenkt, oder ob er ohne das Resultat<br />

als Steuerminderung einfach unverständlich wäre“ , 80)<br />

Dublin Docks gestaltet und auf Grundlage des internationalen<br />

Schachtelprivilegs bzw des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs<br />

des Art 8 Abs 4 DBA-Irland steuerfrei nach Österreich<br />

geschüttet werden sollte, als missbräuchlich beurteilte<br />

bietet<br />

letztlich in Grenzbereichen keine trennscharfe Abgrenzung.<br />

Wenn aber der VwGH eine Gestaltung, bei der der Zinsbezug<br />

aus einer Veranlagung in Schilling-Festgeld und österreichische<br />

Bundesanleihen über eine irische Kapitalgesellschaft in den<br />

81) und<br />

auch ähnlichen Gestaltungen auf dieser Basis entgegengetreten<br />

ist, 82) so kann dieser Beurteilung auch aus innentheoretischer<br />

Sicht schwerlich entgegengetreten werden. 83) Umgekehrt steht<br />

aber fest, dass auch eine Holding ohne Personal und Betriebsräumlichkeiten<br />

„sinnvolle Funktionen innehaben“ kann und<br />

damit nicht zwingend Missbrauch anzunehmen ist. 84) Zuletzt<br />

hat der VwGH auch einzelne Geschäfte (Darlehensvergabe im<br />

Konzern) als missbräuchliche Gestaltung beurteilt, obwohl eine<br />

wirtschaftliche Substanz in der Auslandsgesellschaft vorhanden<br />

war, 85) was wohl dazu führen kann, dass „zivilrechtlich gültige<br />

und verbindliche Rechtsgeschäfte von der steuerlichen Anerkennung<br />

deshalb auszuschließen [sind], weil sie unangemessen und ökonomisch<br />

sinnlos sind“ . 86)<br />

Diese „Gratwanderung“ zwischen Missbrauchsverdikt und<br />

Gestaltungsakzeptanz vollzieht auch die deutsche Rechtsprechung<br />

behutsam und mit unterschiedlichen Nuancen. 87) Die<br />

Rechtsprechung des EuGH wiederum lässt eine Rechtfertigung<br />

diskriminierender nationaler Steuervorschriften auf Basis des<br />

Arguments der Steuerumgehung nur dann zu, wenn es sich<br />

im Einzelfall um „ rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität<br />

bare Gestaltungen “ zum Zwecke der Steuervermeidung handelt,<br />

wobei der EuGH <strong>für</strong> diese Beurteilung auf das – auch in § 94a<br />

Abs 2 EStG und § 2 der VO BGBl 1995/56 anklingende –<br />

„ Ausmaß des greifbaren Vorhandenseins der beherrschten ausländischen<br />

Gesellschaft in Form von Geschäftsräumen, Personal und<br />

Ausrüstungsgegenständen “ rekurriert. 88) Dieser Ansatz wiederum,<br />

der auf die physische Existenz von Räumlichkeiten, Personal<br />

und Ausrüstungsgegenständen abstellt, ist natürlich insofern<br />

unbefriedigend, als damit der Einkünfteverlagerungsproblematik<br />

in – notgedrungen substanzschwachen – Vermögensverwaltungssituationen<br />

nur unzureichend Rechnung getragen<br />

wird. 89) Gerade im Hinblick auf Quellensteuerfragen im Lichte<br />

der Mutter-Tochter-RL bleibt daher die zukünftige Entwicklung<br />

abzuwarten. Denn wenn der BFH im Hinblick auf die<br />

Richtlinienvorgaben zunächst davon ausgegangen war, dass im<br />

Falle der Einschaltung einer – in einen aktiven Konzern ein-<br />

Finanzierungsgesellschaften (2002) 209 ff.<br />

77) VwGH 10. 8. 2005, 2001/13/0018, ÖStZB 2006/65, 86 (Dublin Docks II);<br />

VwGH 22. 9. 2005, 2001/14/0188, ÖStZB 2006/195, 249 (Jersey I); VwGH<br />

24. 7. 2007, 2007/14/0029, ÖStZB 2007/520, 704 (Jersey II); siehe auch<br />

Zorn in FS Doralt 527 (527 ff); krit Stieglitz in Fraberger/Baumann/Plott/<br />

Waitz-Ramsauer 485 (485 ff), und Kofler, RdW 2005/859, 786 (786 ff),<br />

insb <strong>für</strong> Fälle, bei denen sich die ausländische Niedrigbesteuerung aus<br />

einer gemeinschaftsrechtlich genehmigten Beihilfe ergibt.<br />

78) Diesbezüglich verwies der VwGH auf sein zweites Treaty Shopping-<br />

Erkenntnis vom 26. 7. 2000, 97/14/0070, ÖStZB 2001/57; im Ergebnis<br />

ebenso zB BFH 28. 1. 1992, VIII R 7/88, BFHE 167, 273, BStBl 1993<br />

II 84; BFH 29. 10. 1997, I R 35/96, BFHE 184, 476, BStBl 1998 II 235;<br />

siehe aber zu den Bedenken gegen diese Sichtweise zB Bendlinger/<br />

Schuch, Beschränkung der Nutzung von Niedrigsteuersystemen durch<br />

multinationale Unternehmen: Stand und Trends, SWI 2002, 369 (369 ff<br />

mwN).<br />

79) Siehe zB VwGH 19. 1. 2005, 2000/13/0176, ÖStZB 2005/308 (Dublin<br />

Docks II).<br />

80) Siehe zB VwGH 22. 9. 2005, 2001/14/0188, ÖStZB 2006/195, 249<br />

(Jersey I).<br />

81) VwGH 9. 12. 2004, 2002/14/0074, ÖStZB 2005/460 (Dublin Docks I).<br />

82) Siehe zB VwGH 19. 1. 2005, 2000/13/0176, ÖStZB 2005/308 (Dublin<br />

Docks II).<br />

83) So tendenziell auch Kirchmayr/Achatz, Missbräuchliche Auslandsgesellschaften<br />

– der VwGH greift durch, taxlex 2005, 489.<br />

84) UFS Salzburg 11. 4. 2007, RV/0323-S/06, und dazu Schwaiger, UFS<br />

zur KESt-Erstattung gemäß § 94a EStG 1988, SWI 2007, 409 (409 ff);<br />

siehe aber auch EAS 2787 = SWI 2007, 148 = ÖStZ 2008/437, 215, zum<br />

österreichisch-deutschen Verhältnis.<br />

85) VwGH 3. 9. 2008, 2007/13/0031, ÖStZB 2009/174, 161 (Guernsey II).<br />

86) Siehe die Wiedergabe der Ansicht Loukotas bei Massoner, SWI-Jahrestagung:<br />

Missbräuchliche Veranlagung von Konzerngeldern in einer<br />

Guernsey-Gesellschaft, SWI 2009, 397 (397 ff).<br />

87) Siehe zu Fragen der Abschirmwirkung zB BFH 19. 1. 2000, I R 94/97,<br />

BFHE 191, 257, BStBl 2001 II 222 (Dublin Docks I), BFH 19. 1. 2000,<br />

I R 117/97, BFH/NV 2000, 824 (Dublin Docks II), und BFH 25. 2. 2004,<br />

I R 42/02, BFHE 206, 5, BStBl 2005 II 14 = IStR 2004, 527 m Anm Philipowski<br />

und Wolff, sowie zu Quellensteuerfragen zB BFH 20. 3. 2002,<br />

I R 38/00, BFHE 198, 514, BStBl 2002 II 819 (Hilversum I), und in Abkehr<br />

davon BFH 31. 5. 2005, I R 74/04, BStBl 2006 II 118 (Hilversum II); vgl<br />

auch BFH 29. 1. 2008, I R 26/06, BFHE 220, 392 (SOPARFI), und dazu<br />

Kaiser, Zur Anerkennung funktionsschwacher Gesellschaften im deutschen<br />

Steuerrecht – Directive Shopping in Luxemburg, IStR 2009, 121<br />

(121 ff).<br />

88) EuGH 12. 9. 2006, C-196/04, Cadbury Schweppes, Slg 2006, I-7995,<br />

RN 67.<br />

89) Siehe zu Überlegungen speziell im Hinblick auf Kapitalanlage- und<br />

Finanzierungsfunktionen BFH 29. 1. 2008, I R 26/06, BFHE 220, 392<br />

(SOPARFI).<br />

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464 ÖStZ 1. Oktober/Nr. 19 Artikel-Nr. 916 Steuerrecht aktuell<br />

gebetteten – substanzlosen ausländischen Holdinggesellschaft<br />

ohne Geschäftsleitungsfunktion „ der Missbrauch offensichtlich<br />

und nach jedem denkbaren Verständnis gegeben “ sei, 90) kurz darauf<br />

diese Rechtsprechung jedoch revidiert hat, 91) zeigt dies<br />

zumindest deutlich, dass in diesem Bereich noch erheblicher<br />

Diskussionsbedarf besteht.<br />

3.2. Internationale Mehrwertsteuerplanung und<br />

-betrug<br />

Werden im Bereich der Mehrwertsteuer Gestaltungsmöglichkeiten<br />

gewählt, die einer Optimierung des umsatzsteuerrechtlichen Ergebnisses<br />

dienen, so stellt sich wiederum die Frage nach der Grenze<br />

zwischen zulässiger Steuerplanung und unzulässigem Missbrauch.<br />

Gestaltungen im Bereich der Mehrwertsteuer sollen in erster Linie<br />

der Maximierung des Vorsteuerpotenzials und der Minimierung<br />

der Umsatzsteuerbelastung dienen. Auch die Erlangung von Steuerbefreiungen<br />

kann ein Ziel von Gestaltungen im Bereich der<br />

Mehrwertsteuer darstellen. Vereinfacht gesehen geschieht dies<br />

entweder schlicht durch die Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs<br />

ohne Abfuhr der zugrunde liegenden Umsatzsteuer oder<br />

aber durch die Entfaltung einer unternehmerischen Tätigkeit mit<br />

der eine im Verhältnis zum Vorsteuervolumen geringe Umsatzsteuerbelastung<br />

verbunden ist. Unterstellt man, dass die damit<br />

verbundenen Handlungen bewusst gesetzt wurden, so ist im ersten<br />

Fall – völlig unzweifelhaft – von einer Abgabenhinterziehung iSv<br />

§ 33 FinStrG auszugehen. Im zweiten Fall stellt sich hingegen die<br />

Frage, ob es sich dabei um eine zulässige Ausnützung rechtlicher<br />

Gestaltungsmöglichkeiten oder aber um ein missbräuchliches Verhalten<br />

handelt, das steuerlich nicht anzuerkennen ist.<br />

Aus der Judikatur des EuGH lassen sich diesbezüglich folgende<br />

Grundsätze ableiten:<br />

Im Interesse der Ziele des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems,<br />

unter anderem Rechtssicherheit zu gewährleisten und die<br />

mit der Anwendung der Mehrwertsteuer verbundenen Maßnahmen<br />

zu erleichtern, wird grundsätzlich auf die objektive<br />

Natur des betroffenen Umsatzes abgestellt. 92) Die Begriffe der<br />

Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Steuerpflichtiger<br />

als solcher ausführt, haben daher rein objektiven Charakter und<br />

sind unabhängig vom Zweck und vom Ergebnis der betroffenen<br />

Umsätze anwendbar. 93) Bei der Feststellung, ob ein Umsatz eine<br />

Lieferung oder eine sonstige Leistung und damit eine wirtschaftliche<br />

Tätigkeit darstellt, kommt es daher grundsätzlich<br />

nicht darauf an, ob der Umsatz ausschließlich zur Erlangung<br />

eines Steuervorteils getätigt wird. 94) Das Mehrwertsteuerrecht<br />

differenziert daher grundsätzlich nicht zwischen strafbaren<br />

Handlungen und solchen, die nicht strafbar sind. 95)<br />

Dennoch ist eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung<br />

auf das Gemeinschaftsrecht nicht möglich. 96) Der EuGH<br />

90) BFH 20. 3. 2002, I R 38/00, BFHE 198, 514, BStBl 2002 II 819 (Hilversum<br />

I).<br />

91) BFH 31. 5. 2005, I R 74/04, BStBl 2006 II 118 (Hilversum II).<br />

92) EuGH 6. 7. 2006, C-439/04 und C-440/04, Kittel ua, Slg 2006, I-6161,<br />

RN 42.<br />

93) EuGH 6. 7. 2006, C-439/04 und C-440/04, Kittel ua, Slg 2006, I-6161,<br />

RN 41; 12. 1. 2006, C-354/03, C-355/03 und C-484/03, Optigen, Slg 2006,<br />

I-483, RN 37.<br />

94) EuGH 21. 2. 2006, C-223/03, University of Huddersfield, Slg 2006,<br />

I- 1751, RN 51.<br />

95) EuGH 6. 7. 2006, C-439/04 und C-440/04, Kittel ua, Slg 2006, I-6161,<br />

RN 50; 12. 1. 2006, C-354/03, C-355/03 und C-484/03, Optigen, Slg 2006,<br />

I-483, RN 49.<br />

96) Vgl zB EuGH 12. 5. 1998, C-367/96, Kefalas ua, Slg 1998, I-2843, RN 20;<br />

23. 3. 2000, C-373/97, Diamantis, Slg 2000, I-1705, RN 33; 3. 3. 2005,<br />

C-32/03, Fini H, Slg 2005, I-1599, RN 32; 21. 2. 2006, C-255/02, Halifax,<br />

nennt die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen<br />

und etwaigen Missbräuchen als ein von der MwSt-<br />

Syst-RL anerkanntes und gefördertes Ziel. 97) In Situationen, in<br />

denen aufgrund spezifischer Eigenschaften bestimmter Waren<br />

oder bestimmter Dienstleistungen jeder Wettbewerb zwischen<br />

einem legalen und einem illegalen Wirtschaftssektor ausgeschlossen<br />

ist, hat daher die Illegalität des Verhaltens auch dessen<br />

fehlende Umsatzsteuerbarkeit zur Folge. 98) Ähnliches gilt, wenn<br />

der Steuerpflichtige selbst eine Steuerhinterziehung begeht: Ist<br />

dies der Fall, so liegt eine wirtschaftliche und umsatzsteuerbare<br />

Tätigkeit nicht vor. 99)<br />

Außerhalb dieses Bereichs der nicht-wirtschaftlichen Tätigkeiten<br />

ist der Steuerpflichtige jedoch nicht verpflichtet, von mehreren<br />

möglichen Gestaltungen jene zu wählen, die die größte<br />

Steuerbelastung nach sich zieht. Er hat vielmehr das Recht, seine<br />

Tätigkeit so auszurichten, dass er seine Steuerschuld in Grenzen<br />

hält. 100) Vor dem Hintergrund der Ziele des Mehrwertsteuersystems<br />

dürfen die Anwendung des Gemeinschaftsrechts und<br />

damit die Ausschöpfung von Gestaltungsmöglichkeiten aber<br />

nicht so weit gehen, dass die missbräuchlichen Praktiken der<br />

Wirtschaftsteilnehmer gedeckt werden. Ist eine Tätigkeit zwar<br />

nach den objektiven Merkmalen als wirtschaftlich und damit<br />

umsatzsteuerrechtlich relevant zu qualifizieren, so ist das Recht auf<br />

Vorsteuerabzug dennoch ausgeschlossen, wenn die Umsätze, die<br />

dieses Recht begründen, eine missbräuchliche Praxis darstellen. 101)<br />

Umsätze, die nicht im Rahmen normaler Handelsgeschäfte, sondern<br />

nur in der Absicht getätigt werden, in den Genuss von im<br />

Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Steuervorteilen zu kommen,<br />

sind damit auch gemeinschaftsrechtlich nicht anzuerkennen. 102)<br />

Die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis auf dem Gebiet<br />

der Mehrwertsteuer verlangt nach der Rechtsprechung des<br />

EuGH, dass die fraglichen Umsätze trotz formaler Anwendung<br />

der Bedingungen der einschlägigen (gemeinschaftsrechtlichen<br />

und nationalen) Bestimmungen des Mehrwertsteuerrechts<br />

einen Steuervorteil zum Ergebnis haben, dessen Gewährung<br />

dem mit den Bestimmungen der MwSt-Syst-RL und des zu<br />

deren Umsetzung erlassenen nationalen Rechts verfolgten Ziel<br />

zuwiderlaufen würde. 103) Es bedarf somit eines Widerspruchs<br />

zwischen formaler Tatbestandserfüllung auf der einen Seite und<br />

dem Ziel der anzuwendenden Rechtsnormen auf der anderen<br />

Seite. 104) Dass im Wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt wird,<br />

muss aus einer Reihe von objektiven Anhaltspunkten ersichtlich<br />

sein. Ein Missbrauch ist ausgeschlossen, wenn die in Frage<br />

stehenden Umsätze eine andere Erklärung haben können als<br />

Slg 2006, I-1609, RN 68; 6. 7. 2006, C-439/04 und C-440/04, Kittel ua,<br />

Slg 2006, I-6161, RN 41, 54.<br />

97) EuGH 29. 4. 2004, C-487/01 und C-7/02, Gemeente Leusden und Holin<br />

Groep, Slg 2004, I-5337, RN 76; 21. 2. 2006, C-255/02, Halifax, Slg 2006,<br />

I-1609, RN 71; 6. 7. 2006, C-439/04 und C-440/04, Kittel, Slg 2006, I-6161,<br />

RN 54.<br />

98) EuGH 29. 6. 1999, C-158/98, Coffeeshop „Siberie“, Slg 1999, I-3971,<br />

RN 14 und 21; 29. 6. 2000, C-455/98, Salumets ua, Slg 2000, I-4993,<br />

RN 19; 6. 7. 2006, C-439/04 und C-440/04, Kittel ua, Slg 2006, I-6161,<br />

RN 50.<br />

99) EuGH 6. 7. 2006, C-439/04 und C-440/04, Kittel ua, Slg 2006, I-6161,<br />

RN 53; 21. 2. 2006, C-255/02, Halifax, Slg 2006, I-1609, RN 59.<br />

100) EuGH 21. 2. 2006, C-255/02, Halifax, Slg 2006, I-1609, RN 73; 6. 4. 1995,<br />

C-4/94, BLP Group, Slg 1995, I-983, RN 22; 9. 10. 2001, C-108/99, Cantor<br />

Fitzgerald International, Slg 2001, I-7257, RN 33.<br />

101) EuGH 21. 2. 2006, C-223/03, University of Huddersfield, Slg 2006,<br />

I-1751, RN 52.<br />

102) Vgl EuGH 11. 10. 1977, 125/76, Cremer, Slg 1977, 1593, RN 21; 3. 3.<br />

1993, C-8/92, General Milk Products, Slg 1993, I-779, RN 21; EuGH<br />

14. 12. 2000, C-110/99, Emsland-Stärke, Slg 2000, I-11569, RN 51;<br />

21. 2. 2006, C-255/02, Halifax, Slg 2006, I-1609, RN 69.<br />

103) EuGH 21. 2. 2006, C-255/02, Halifax, Slg 2006, I-1609, RN 86; VwGH<br />

23. 4. 2008, 2005/13/0115.<br />

104) Beiser, Missbrauch in der Umsatzsteuer, ÖStZ 2006, 322 (324).<br />

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Steuerrecht aktuell ÖStZ 1. Oktober/Nr. 19 Artikel-Nr. 916<br />

nur die Erlangung von Steuervorteilen. 105) Wie nach der Rsp<br />

des VwGH zu § 22 BAO liegt daher auch nach Auffassung des<br />

EuGH kein Missbrauch vor, wenn beachtliche außersteuerliche<br />

Gründe <strong>für</strong> eine Gestaltung angeführt werden können. 106)<br />

Ob die Tatbestandsvoraussetzungen missbräuchlichen Verhaltens<br />

erfüllt werden, haben die nationalen Gerichte zu beurteilen.<br />

107) Dabei haben sie sich an die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts<br />

zu halten.<br />

Inwieweit das Vorliegen gemeinschaftsrechtlichen Missbrauchs<br />

ein subjektives Element, nämlich die Absicht, sich einen gemeinschaftsrechtlich<br />

vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen,<br />

dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen<br />

werden, voraussetzt, scheint nicht ganz geklärt zu sein. 108)<br />

Konsequenz der Feststellung einer missbräuchlichen Praxis ist,<br />

dass die betreffenden Umsätze in einer Weise neu zu definieren<br />

sind, die ohne die diese missbräuchliche Praxis darstellenden<br />

Umsätze nicht bestanden hätte. 109) Besteht der Missbrauch in<br />

der Vornahme eines nicht zustehenden Vorsteuerabzugs, so ist<br />

der Vorsteuerabzug zu verweigern. 110)<br />

Ein missbräuchliches Verhalten kann neben der missbräuchlichen<br />

Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs auch darin bestehen,<br />

dass der Abnehmer einer Lieferung oder sonstigen Leistung falsche<br />

Tatsachen vortäuscht und damit beim Erbringer der Leistung die<br />

Überzeugung erweckt, seine Leistung sei von der Umsatzsteuer<br />

befreit. 111) In diesem Zusammenhang hält der EuGH fest, dass der<br />

leistende Unternehmer in seiner Funktion als Steuereinnehmer <strong>für</strong><br />

Rechnung des Staats und im Interesse der Staatskasse angesichts<br />

des Ziels, der Steuerhinterziehung vorzubeugen, mitunter hohen<br />

Anforderungen und Verpflichtungen unterworfen ist. Die Verteilung<br />

des Risikos zwischen den leistenden Unternehmern und der<br />

Finanzverwaltung aufgrund eines von einem Dritten begangenen<br />

Betrugs muss jedoch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit<br />

vereinbar sein. 112) Offenkundig unverhältnismäßig ist es, einem<br />

105) EuGH 21. 2. 2006, C-255/02, Halifax, Slg 2006, I-1609, RN 75, unter<br />

Verweis auf RN 89 der Schlussanträge von GA Poiares Maduro. – Vgl<br />

dazu Hahn, Zu Inhalt und Funktion des Begriffs des Gestaltungsmissbrauchs<br />

im Gemeinschaftsrecht – Zugleich eine Besprechung von<br />

Christian Böing: „Steuerlicher Gestaltungsmissbrauch in Europa“, IStR<br />

2007, 323.<br />

106) Beiser, Missbrauch durch Immobilienausgliederung und Option zur<br />

Umsatzsteuerpflicht?, SWK 2007, S 334 ff; Beiser, Missbrauch in der<br />

Umsatzsteuer, ÖStZ 2006/675, 322 (324); Achatz, Rechtsgrundlagen<br />

und Rechtsfolgen des Missbrauchs im Umsatzsteuerrecht – eine<br />

Bestandsaufnahme zur ungerechtfertigten Inanspruchnahme von<br />

Steuervorteilen, in Achatz/Tumpel (Hrsg), Missbrauch im Umsatzsteuerrecht<br />

(2008) 21 (36).<br />

107) EuGH 21. 7. 2005, C-515/03, Eichsfelder Schlachtbetrieb, Slg 2005,<br />

I-7355, RN 40; EuGH 21. 2. 2006, C-255/02, Halifax, Slg 2006, I-1609,<br />

RN 76. – Dabei können die nationalen Gerichte den rein willkürlichen<br />

Charakter dieser Umsätze sowie die rechtlichen, wirtschaftlichen und/<br />

oder personellen Verbindungen zwischen den Wirtschaftsteilnehmern<br />

berücksichtigen, die in den Plan einbezogen waren (14. 12. 2000,<br />

C-110/99, Emsland-Stärke, Slg 2000, I-11569, RN 58; EuGH 21. 2. 2006,<br />

C-255/02, Halifax, Slg 2006, I-1609, RN 81).<br />

108) In diese Richtung: EuGH 14. 12. 2000, C-110/99, Emsland-Stärke, Slg<br />

2000, I-11569, RN 52 und 53; EuGH 21. 7. 2005, C-515/03, Eichsfelder<br />

Schlachtbetrieb, Slg 2005, I-7355, RN 39. – Vgl ohne expliziten Hinweis<br />

auf ein subjektives Element jedoch EuGH 21. 2. 2006, C-255/02, Halifax,<br />

Slg 2006, I-1609. – Vgl dazu auch die Schlussanträge von GA Maduro<br />

in der Rs C-255/02, Halifax, RN 70 ff.<br />

109) EuGH 21. 2. 2006, C-255/02, Halifax, Slg 2006, I-1609, RN 94.<br />

110) EuGH 3. 3. 2005, C-32/03, I/S Fini H, 2005, I-1599, RN 34; EuGH 6. 7.<br />

2006, C-439/04 und C-440/04, Kittel ua, Slg 2006, I-6161, RN 54; EuGH<br />

14. 2. 1985, 268/83, Rompelman, Slg 1985, 655, RN 24; EuGH 21. 3.<br />

2000, C-110/98 bis C-147/98, Gabalfrisa, Slg 2000, I-1577, RN 46.<br />

111) Vgl EuGH 21. 2. 2008, C-271/06, Netto Supermarkt, Slg 2008, I-771: Hier<br />

ging es um eine Kette von Discount-Supermärkten, die ihren (Privat-)<br />

Kunden die USt erstattet hatte, wenn diese den Nachweis der Ausfuhr<br />

anlässlich nichtkommerzieller Reisen erworbener Waren nach einem<br />

Ort außerhalb der Gemeinschaft erbringen konnten.<br />

112) EuGH 21. 2. 2008, C-271/06, Netto Supermarkt, Slg 2008, I-771, RN 21<br />

und 22.<br />

Steuerpflichtigen anzulasten, dass durch betrügerische Machenschaften<br />

Dritter, auf die er keinen Einfluss hat, Steuereinnahmen<br />

entgehen. 113) Vom leistenden Unternehmer darf jedoch gefordert<br />

werden, dass er alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise<br />

von ihm verlangt werden, um sicherzustellen, dass der von ihm<br />

getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an der Steuerhinterziehung<br />

führt. 114) Ist ein Unternehmer etwa selbst bei Beachtung der<br />

Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns außerstande zu erkennen,<br />

dass die Voraussetzungen <strong>für</strong> die Befreiung seiner Leistung in Wirklichkeit<br />

nicht gegeben waren, weil die vom Abnehmer vorgelegten<br />

Ausfuhrnachweise gefälscht waren, so kann er nicht nachträglich<br />

zur Zahlung dieser Mehrwertsteuer herangezogen werden. 115) In<br />

diesem Sinn kann auch ein Unternehmer, der alle Maßnahmen<br />

trifft, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um<br />

sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in eine Mehrwertsteuerhinterziehung<br />

oder in einen sonstigen Betrug einbezogen sind,<br />

daher auf die Rechtsmäßigkeit seiner Umsätze vertrauen, ohne<br />

Gefahr zu laufen, sein Recht auf Vorsteuerabzug oder – wenn es um<br />

eine Lieferung in einen anderen Mitgliedstaat oder das Drittland<br />

geht – auf Befreiung seiner Umsätze zu verlieren. 116)<br />

Das Recht auf Vorsteuerabzug ist daher nur zu verweigern,<br />

wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige<br />

wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit<br />

seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung<br />

einbezogen war. 117)<br />

Dasselbe gilt hinsichtlich betrügerischer Handlungen eines<br />

dem Umsatz eines Steuerpflichtigen vorgelagerten Umsatzes in<br />

einer Leistungskette: Der Steuerpflichtige darf die Konsequenzen<br />

des betrügerischen Verhaltens eines von ihm verschiedenen<br />

Steuerpflichtigen nur zu spüren bekommen, wenn er die betrügerischen<br />

Machenschaften kannte oder kennen musste. 118) Führt<br />

also ein Steuerpflichtiger einen Umsatz aus, der nach objektiven<br />

Kriterien als eine wirtschaftliche Tätigkeit zu qualifizieren ist,<br />

so wird sein Recht auf Vorsteuerabzug nicht dadurch berührt,<br />

dass in der Lieferkette, zu der seine Umsätze gehören, ein von<br />

einem anderen Steuerpflichtigen – vor- oder nachgelagert –<br />

getätigter Umsatz mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet<br />

ist, von dem der Steuerpflichtige weder Kenntnis hatte noch<br />

Kenntnis haben konnte. 119) Ob die Mehrwertsteuer, die <strong>für</strong> den<br />

vorausgegangenen oder den nachfolgenden Verkauf geschuldet<br />

113) EuGH 21. 2. 2008, C-271/06, Netto Supermarkt, Slg 2008, I-771, RN 23;<br />

EuGH 27. 9. 2007, C-409/04, Teleos, Slg 2007, I-7797, RN 58.<br />

114) EuGH 21. 2. 2008, C-271/06, Netto Supermarkt, Slg 2008, I-771, RN 24;<br />

EuGH 27. 9. 2007, C-409/04, Teleos, Slg 2007, I-7797, RN 65.<br />

115) EuGH 21. 2. 2008, C-271/06, Netto Supermarkt, Slg 2008, I-771, RN 27;<br />

EuGH 6. 7. 2006, C-439/04 und C-440/04, Kittel ua, Slg 2006, I-6161,<br />

RN 43 und 51; EuGH 12. 1. 2006, C-354/03, C-355/03 und C-484/03, Optigen,<br />

Slg 2006, I-483, RN 46; EuGH 11. 11. 2006, C-384/04, Federation<br />

of Technological Industries, Slg 2006, I-4191, RN 33.<br />

116) EuGH 11. 11. 2006, C-384/04, Federation of Technological Industries,<br />

Slg 2006, I-4191, RN 33; EuGH 6. 7. 2006, C-439/04 und C-440/04, Kittel<br />

ua, Slg 2006, I-6161, RN 51; EuGH 21. 2. 2008, C-271/06, Netto Supermarkt,<br />

Slg 2008, I-771, RN 25; EuGH 27. 9. 2007, C-409/04, Teleos, Slg<br />

2007, I-7797, RN 66; EuGH 27. 9. 2007, C-184/05, Twoh International<br />

BV, Slg 2007, I-7897, RN 27. – Vgl dazu Achatz in Achatz/Tumpel 21<br />

(29).<br />

117) EuGH 11. 11. 2006, C-384/04, Federation of Technological Industries,<br />

Slg 2006, I-4191, RN 33; EuGH 6. 7. 2006, C-439/04 und C-440/04, Kittel<br />

ua, Slg 2006, I-6161, RN 51 und 59; EuGH 21. 2. 2008, C-271/06, Netto<br />

Supermarkt, Slg 2008, I-771, RN 25; EuGH 27. 9. 2007, C-409/04, Teleos,<br />

Slg 2007, I-7797, RN 66; EuGH 27. 9. 2007, C-184/05, Twoh International<br />

BV, Slg 2007, I-7897, RN 27. – Vgl dazu Achatz, in Achatz/Tumpel 21<br />

(29).<br />

118) EuGH 6. 7. 2006, C-439/04 und C-440/04, Kittel ua, Slg 2006, I-6161,<br />

RN 43; EuGH 12. 1. 2006, C-354/03, C-355/03 und C-484/03, Optigen,<br />

Slg 2006, I-483, RN 46.<br />

119) EuGH 6. 7. 2006, C-439/04 und C-440/04, Kittel ua, Slg 2006, I-6161,<br />

RN 44; EuGH 12. 1. 2006, C-354/03, C-355/03 und C-484/03, Optigen,<br />

Slg 2006, I-483, RN 52.<br />

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465


466 ÖStZ 1. Oktober/Nr. 19 Artikel-Nr. 916 Steuerrecht aktuell<br />

war, tatsächlich an den Staat entrichtet wurde, ist <strong>für</strong> das Recht<br />

eines Unternehmers auf Vorsteuerabzug unbeachtlich. 120)<br />

Grafik 5<br />

„Karussellbetrug“<br />

Der Umstand, dass die Mehrwertsteuer im grenzüberschreitenden<br />

Güterverkehr entfällt (sog steuerfreie innergemeinschaftliche<br />

Lieferungen oder steuerfreie Ausfuhrlieferungen), der Erwerber<br />

eine Erwerbs- oder Einfuhrumsatzsteuer zu entrichten hat, aus<br />

der er einen Vorsteuerabzug lukriert, hat Gestaltungen angeregt,<br />

die als Karussellbetrug bezeichnet werden. Der einfachste Fall<br />

eines Karussellbetrugs liegt vor, wenn ein Unternehmer A mit<br />

Sitz in einem Mitgliedstaat A Gegenstände an einen Unternehmer<br />

B mit Sitz im Mitgliedstaat B verkauft. Schließlich verkauft<br />

B den Gegenstand an C mit Sitz im Mitgliedstaat B weiter. B<br />

verrechnet C die Umsatzsteuer auf diese Lieferung, verschwindet<br />

aber, bevor er die Umsatzsteuer abführt. C nimmt seinerseits den<br />

Vorsteuerabzug in Anspruch und verkauft den Gegenstand an<br />

A mit Sitz im Mitgliedstaat A weiter. Seine Lieferung ist daher<br />

von der Umsatzsteuer befreit. Bei dieser Konstellation handelt<br />

es sich um einen „echten“ Karussellbetrug. 121) Der Betrug wird<br />

unmittelbar durch B begangen, weil er zwar Umsatzsteuer in<br />

Rechnung stellt, sie aber nicht abführt. B wird als „Missing<br />

Trader“ bezeichnet. Ob die Unternehmer in der Lieferkette,<br />

deren Umsätze jenem des „Missing Trader“ vor- oder nachgelagert<br />

sind, selbst steuerbare Umsätze ausführen oder den Vorsteuerabzug<br />

zu Recht geltend gemacht haben, hängt davon ab,<br />

inwieweit sie im Sinne der oben angeführten Grundsätze vom<br />

betrügerischen Verhalten wussten oder wissen mussten. 122)<br />

Handelt es sich bei den in einen Karussellbetrug involvierten<br />

Gegenständen um solche, die nicht aufgrund ihrer Besonderheit<br />

vom Wettbewerb zwischen dem legalen und dem illegalen Sektor<br />

ausgeschlossen sind (wie etwa Drogen), so liegt zunächst einmal<br />

eine Lieferung iSd MwSt-Syst-RL vor, sofern der liefernde Unternehmer<br />

selbst die betrügerische Absicht eines anderen Unternehmers<br />

in der Lieferkette oder den betrügerischen Zweck der<br />

Lieferung weder kannte noch kennen musste. 123) Das Recht dieses<br />

Lieferanten auf Vorsteuerabzug entfällt auch nicht dadurch, dass<br />

120) EuGH 6. 7. 2006, C-439/04 und C-440/04, Kittel ua, Slg 2006, I-6161,<br />

RN 49; EuGH 12. 1. 2006, C-354/03, C-355/03 und C-484/03, Optigen,<br />

Slg 2006, I-483, RN 37.<br />

121) Vgl EuGH 12. 1. 2006, C-354/03 und C-355/03, Optigen, Slg 2006,<br />

I- 483.<br />

122) Vgl dazu ausführlich Brandl, Karussellbetrug – Umsatzsteuerliche und<br />

finanzstrafrechtliche Konsequenzen, in Achatz/Tumpel 139 ff.<br />

123) EuGH 12. 1. 2006, C-354/03, C-355/03 und C-484/03, Optigen, Slg 2006,<br />

I-483, RN 51.<br />

in der Lieferkette, zu der seine Umsätze gehören, ohne dass dieser<br />

davon Kenntnis hat oder haben kann, ein anderer Umsatz, der<br />

dem von ihm getätigten Umsatz vorausgeht oder nachfolgt, mit<br />

einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet ist. 124) Für das Recht auf<br />

Vorsteuerabzug ist nämlich ohne Bedeutung, ob die Umsatzsteuer<br />

auf die Umsätze abgeführt wurde, die der eigenen Lieferung vorangegangenen<br />

oder nachgefolgt sind. 125) Im Sinne der allgemeinen<br />

Rechtsprechung des EuGH zum Mehrwertsteuerbetrug ist damit<br />

auch der gutgläubige Unternehmer, der in einen Karussellbetrug<br />

verwickelt wird, in seinem Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der<br />

seinem Umsatz vor- und nachgelagerten Umsätze geschützt.<br />

4. Missbräuchliches Verhalten als Abgabenhinterziehung?<br />

Eine über den „Missbrauch“ hinausgehende Dimension, die in der<br />

Steuerplanung stets zu berücksichtigen ist, ist das Steuerstrafrecht.<br />

Ziel einer Steuerplanung ist immer, die rechtlichen Möglichkeiten<br />

<strong>für</strong> den Steuerpflichtigen so optimal auszunützen, dass die Grenze<br />

des rechtlich Zulässigen nicht überschritten wird. Missbrauch<br />

liegt jenseits der Grenze des rechtlich Zulässigen. Fraglich ist,<br />

ob durch ein solcherart missbräuchliches Verhalten automatisch<br />

auch das Terrain des Steuerstrafrechts betreten wird.<br />

Der in Österreich relevante Steuerstraftatbestand, die Abgabenhinterziehung,<br />

wird durch die Verletzung einer abgabenrechtlichen<br />

Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht verwirklicht,<br />

mit der eine Abgabenverkürzung einhergehen muss. Strafbar ist<br />

selbstverständlich nur, wer vorsätzlich (§ 33 FinStrG) oder zumindest<br />

fahrlässig gehandelt hat (§ 34 FinStrG). Ein Missbrauch<br />

von Gestaltungsmöglichkeiten kann somit nur dann finanzstrafrechtlich<br />

relevant sein, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen<br />

der §§ 33 und 34 FinStrG erfüllt sind. Von einer Verletzung der<br />

Offenlegungspflicht ist auch in Missbrauchsfällen dann nicht<br />

auszugehen, wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen (noch)<br />

durch eine vertretbare Rechtsauffassung gedeckt ist. 126) Da der<br />

Grat einerseits zwischen zulässiger (aggressiver) Steuerplanung<br />

und Missbrauch und andererseits zwischen Missbrauch und<br />

Steuerhinterziehung schmal und vor allem zumeist im Voraus<br />

nicht eindeutig definierbar ist, empfiehlt sich im Zweifel – zur<br />

Vermeidung finanzstrafrechtlicher Konsequenzen – eine umfassende<br />

Offenlegung gegenüber der Finanzverwaltung. Gerade bei<br />

Missbrauchssachverhalten ist die bloße Sachverhaltsoffenlegung<br />

nicht ausreichend. Nach einzelnen Stimmen in der Literatur<br />

muss die Offenlegung gerade in diesen Fällen auch die Absicht<br />

der Steueroptimierung einschließen. 127)<br />

Bei den Finanzstraftatbeständen der vorsätzlichen und der fahrlässigen<br />

Abgabenhinterziehung handelt es sich zweifelsohne um<br />

Blankettstrafnormen, die erst durch die Abgabenrechtsnorm, die<br />

nicht befolgt wurde, inhaltserfüllt werden. In Frage steht, ob § 22<br />

BAO, der die Grundlage <strong>für</strong> die steuerrechtliche Nicht-Anerkennung<br />

einer rechtlichen Gestaltung bildet, den Anforderungen<br />

des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebots (Art 18 B-VG, Art 7<br />

EMRK) gerecht wird. Der Verstoß gegen eine Abgabenrechtsnorm<br />

kann nur dann finanzstrafrechtlich relevant sein, wenn dem<br />

124) EuGH 12. 1. 2006, C-354/03, C-355/03 und C-484/03, Optigen, Slg 2006,<br />

I-483, RN 52.<br />

125) EuGH, 3. 3. 2004, C-395/02, Transport Service, Slg 2004, I-1991, RN 26;<br />

EuGH 12. 1. 2006, C-354/03, C-355/03 und C-484/03, Optigen, Slg 2006,<br />

I-483, RN 54.<br />

126) Vgl Leitner/Toifl/Brandl, Österreichisches Finanzstrafrecht 3 (2008)<br />

Rz 951.<br />

127) Plückhahn, Finanzstrafrechtliche Konsequenz des internationalen<br />

Gestaltungsmissbrauchs, 13. ÖJT 1997, Band III/2, 37 (46); Leitner/Toifl/<br />

Brandl, Finanzstrafrecht 3 , Rz 951.<br />

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Steuerrecht aktuell ÖStZ 1. Oktober/Nr. 19 Artikel-Nr. 916<br />

Abgabepflichtigen die Strafbarkeit seines Verhaltens erkennbar<br />

war. 128) Im Fall eines Missbrauchs von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten<br />

verneint dies Brandstetter unter Bezugnahme auf<br />

die Rechtsprechung des VfGH ganz kategorisch. Ein Straftatbestand,<br />

der denjenigen mit Strafe bedroht, der durch Missbrauch<br />

von Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts eine Abgabenhinterziehung<br />

bewirkt, läge eindeutig weit über der Grenze<br />

dessen, was das Bestimmtheitsgebot zulässt, und sei damit verfassungswidrig.<br />

129) Im Schrifttum wird die Verwirklichung eines<br />

Finanzstraftatbestands in Missbrauchsfällen nur bei Be<strong>für</strong>wortung<br />

der Innentheorie <strong>für</strong> möglich gehalten. 130) In Anlehnung an eine<br />

alte Rechtsprechung des BGH 131) gehen sie davon aus, dass in<br />

jenen Fällen, in denen sich die Rechtsprechung zum Missbrauch<br />

zu einer bestimmten Fallkonstellation bereits gefestigt hat, eine<br />

Abgabenhinterziehung möglich sei. Es bleibt abzuwarten, wie<br />

die Rechtsprechung in Österreich mit dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot<br />

in Missbrauchsfällen umgehen wird.<br />

Was die subjektive Tatseite anbelangt, so ist auch bei der finanzstrafrechtlichen<br />

Beurteilung von Missbrauchsfällen zu beachten,<br />

dass die Beweislast bei der Strafbehörde liegt und dass diese die<br />

Ergebnisse des abgabenbehördlichen Ermittlungsverfahrens nicht<br />

ohne eigenständige Ermittlungen übernehmen darf. So darf die<br />

mangelhafte (erhöhte) Mitwirkung des Abgabepflichtigen bei der<br />

Aufklärung des relevanten Sachverhalts etwa nicht der Grund <strong>für</strong><br />

die Annahme eines strafrechtlichen Vorsatzes sein. 132) Aus der<br />

Absicht, die Abgabepflicht zu umgehen, die Tatbestandsmerkmal<br />

des § 22 BAO ist, ergibt sich nicht selbstverständlich ein finanzstrafrechtlicher<br />

Vorsatz. Fehlt demjenigen, der den Missbrauch<br />

begeht, das Unrechtsbewusstsein, so fehlt es ihm auch an dem<br />

Vorsatz, eine Abgabenverkürzung zu bewirken. Dieser Fall wird<br />

üblicherweise über den Irrtum gelöst. 133)<br />

5. Der internationale Kampf gegen unfairen Steuerwettbewerb<br />

und Steuerhinterziehung und das<br />

österreichische Bankgeheimnis<br />

Aggressive Steuerplanung durch Steuerpflichtige setzt oftmals voraus,<br />

dass sich einzelne Jurisdiktionen durch spezifische Steuerregime<br />

oder besondere Anreize <strong>für</strong> eine derartige Planung anbieten.<br />

Insofern findet die Steuerplanung durch den Steuerunterworfenen<br />

ihr Gegenstück im internationalen Steuerwettbewerb der<br />

Staaten. Vor diesem Hintergrund ist es auch verständlich, dass<br />

die OECD 134) und die EU 135) bereits seit Mitte der 1990er Jahre<br />

128) Leitner, Finanzstrafrechtliche Grenzen internationaler Steuergestaltungen<br />

aus österreichischer Sicht, in Leitner/Dannecker (Hrsg), Finanzstrafrecht<br />

2003 (2004) 189 (210); Toifl, Finanzstrafrechtliche Folgen<br />

von missbräuchlichen Steuergestaltungen, JSt 2006, 73 (75).<br />

129) Brandstetter, Das Bestimmtheitsgebot im (Steuer-)Strafrecht, in Leitner<br />

(Hrsg), Finanzstrafrecht 2005, 159 (174).<br />

130) Leitner/Toifl/Brandl, Finanzstrafrecht 3 , Rz 951; Toifl, JSt 2006, 73 f.<br />

131) BGH 27. 1. 1982, 3 StR 217/81, NStZ 1982, 206.<br />

132) Vgl dazu ausführlich Leitner/Toifl/Brandl, Finanzstrafrecht 3 , Rz 951;<br />

Leitner in Leitner/Dannecker 189 (212).<br />

133) Plückhahn, Gestaltungsmissbrauch, 13. ÖJT 1997, Band III/2, 37 (45);<br />

kritisch Brandstetter in Leitner 159 (161).<br />

134) Siehe zB die OECD-Berichte „Harmful Tax Competition: An Emerging<br />

Global Issue“ (1998), „Towards Global Cooperation: Progress in Identifying<br />

and Eliminating Harmful Tax Practices“ (2000), „The OECD’s<br />

Project on Harmful Tax Practices: The 2001 Progress Report“ (2001),<br />

„Guidance in Applying the 1998 Report to Preferential Tax Regimes<br />

(Consolidated Application Note)“ (2004), und „The OECD’s Project<br />

on Harmful Tax Practices: The 2006 Update on Progress in Member<br />

Countries“ (2006); siehe auch Katsushima, Harmful Tax Competition,<br />

Intertax 1999, 396 (396 f); Hofbauer, Aktuelles aus dem Bereich<br />

„Harmful Tax Competition“ – Der 2004-Progress Report, SWI 2004,<br />

238 (238 ff).<br />

135) Siehe zB die Mitteilung der Kommission „Koordinierung der Steuerpolitik<br />

in der Europäischen Union – Maßnahmenpaket zur Bekämpfung<br />

an Fragen des „unfairen“ bzw „schädlichen“ Steuerwettbewerbs<br />

arbeiten. 136) Hierbei wird stets auch betont, dass Transparenz und<br />

Auskunftsaustausch <strong>für</strong> Steuerzwecke die Grundlage <strong>für</strong> einen<br />

fairen Wettbewerb in einer globalen Wirtschaft und <strong>für</strong> eine<br />

gerechte Verteilung der Steuerlast ehrlicher Steuerzahler sind und<br />

der Kampf gegen jede Form von Steuervergehen eine gemeinsame<br />

Verantwortung aller Staaten und Gebiete ist. 137)<br />

Im Rahmen dieser Bemühungen um einen globalen Transparenzstandard<br />

sind nationale „Bankgeheimnisse“ und Hinterziehungspotenziale<br />

außerhalb des Spektrums legaler Steuerplanung<br />

in das internationale Blickfeld gerückt. Beginnend<br />

mit einem umfassenden OECD-Bericht 138) fand schließlich in<br />

das 2002 geschaffene, standardsetzende „Musterabkommen<br />

zum Informationsaustausch in Steuersachen“ 139) eine Klausel<br />

Eingang, wonach auf Ersuchen auch Auskünfte von Banken<br />

und anderen Finanzinstitutionen auszutauschen sind. 140) Dieser<br />

Standard des Informationsaustausches wurde schließlich 2005<br />

in Art 26 des OECD-Musterabkommens übernommen: Nach<br />

Art 26 Abs 2 besteht zwar keine Verpflichtung, „ Verwaltungsmaßnahmen<br />

durchzuführen, die von den Gesetzen oder der Verwaltungspraxis<br />

dieses oder des anderen Vertragsstaats abweichen “; 141)<br />

allerdings kann diesem Gesetzesvorbehalt seither nach Art 26<br />

Abs 5 kein Verständnis dahin gehend beigemessen werden,<br />

„ als könne ein Vertragsstaat die Erteilung von Informationen nur<br />

deshalb ablehnen, weil sich die Informationen bei einer Bank,<br />

einem sonstigen Kreditinstitut, einem Bevollmächtigten, Vertreter<br />

oder Treuhänder befinden oder weil sie sich auf das Eigentum an<br />

einer Person beziehen .“ 142) Der OECD-Transparenzstandard sieht<br />

demnach prinzipiell die uneingeschränkte Verpflichtung des um<br />

steuerliche Amtshilfe ersuchten Staats zur Amtshilfeleistung<br />

einerseits in jenen Fällen vor, in denen der ersuchte Staat kein<br />

des schädlichen Steuerwettbewerbs“ KOM(97)495 endg, die Mitteilung<br />

der Kommission „Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des schädlichen<br />

Steuerwettbewerbs in der Europäischen Union“, KOM(97)564<br />

endg, die Schlussfolgerungen des Rates Wirtschafts- und Finanzfragen<br />

vom 1. Dezember 1997 zur Steuerpolitik (Verhaltenskodex <strong>für</strong> die<br />

Unternehmensbesteuerung) , ABl C 2/1 ff (6. 1. 1998), sowie den<br />

Bericht der Gruppe „Verhaltenskodex (Unternehmensbesteuerung)“<br />

unter dem Vorsitz der britischen Generalzahlmeisterin Dawn Primarolo<br />

(Primarolo-Bericht), 4901/99. Siehe zu diesen Entwicklungen zB<br />

Bratton/McCahery, Tax Coordination and Tax Competition in the European<br />

Union: Evaluating the Code of Conduct on Business Taxation,<br />

CML Rev. 2001, 677 (677 ff); Nijkamp, Landmark agreement on EU<br />

tax package: new guidelines stretch scope of EU Code of Conduct,<br />

EC Tax Rev. 2001, 147 (147 ff); Meussen, The EU-fight against harmful<br />

tax competition: future developments, EC Tax Rev. 2002, 157 (157 ff);<br />

Schön, Tax Competition in Europe – General Report, in Schön (Hrsg),<br />

Tax Competition in Europe (2003) 1 (1 ff); Cattoir, A history of the<br />

„tax package“: The principles and issues underlying the community<br />

approach, Taxation Paper No 10 (2007).<br />

136) Für eine Abgrenzung zum „fairen“ Steuerwettbewerb siehe zB Pinto,<br />

EU and OECD to Fight Harmful Tax Competition: Has the Right Path<br />

Been Undertaken? Intertax 1998, 386 (386 ff); Schön in Schön 1 (6 ff);<br />

<strong>für</strong> einen Vergleich der Bemühungen von OECD und EU siehe zB<br />

Osterweil, OECD Report on Harmful Tax Competition and European<br />

Union Code of Conduct Compared, ET 1999, 198 (198 ff).<br />

137) Siehe auch den zusammenfassenden Bericht „Overview of the OECD’s<br />

Work on Countering International Tax Evasion“ (2009). – Siehe auch<br />

die Begründungserwägungen der Kommission zum Vorschlag einer<br />

(geänderten) Richtlinie des Rates über die Zusammenarbeit der<br />

Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung, KOM (2009)29<br />

endg.<br />

138) „Improving Access to Bank Information for Tax Purposes“ (2000),<br />

„Improving Access to Bank Information for Tax Purposes – The 2003<br />

Progress Report“ (2003), und „Improving Access to Bank Information<br />

for Tax Purposes – The 2007 Progress Report“ (2007).<br />

139) Sog „Tax Information Exchange Agreement – TIEA“; siehe auch den<br />

Bericht „Tax Co-operation: Towards a Level Playing Field – 2008 Assessment<br />

by the Global Forum on Taxation“ (2008).<br />

140) Siehe Art 5 Abs 4 lit 1 des Musterabkommens zum Informationsaustausch<br />

in Steuersachen (2002).<br />

141) Art 26 Abs 2 lit a OECD-MA.<br />

142) Art 26 Abs 5 OECD-MA idF Update 2005.<br />

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468 ÖStZ 1. September/Nr. Oktober/Nr. 19 17 Artikel-Nr. 916 Steuerrecht aktuell<br />

eigenes steuerliches Interesse an der Beschaffung der erbetenen<br />

Informationen hat; andererseits kann der ersuchte Staat die<br />

Auskunftsleistung nicht ausschließlich mit der Begründung<br />

ablehnen, dass sich die erbetenen Informationen in den Händen<br />

eines Kreditinstituts befinden und daher aufgrund bestehender<br />

Ermittlungsbeschränkungen (Bankgeheimnis) nicht beschafft<br />

werden können. Die Verpflichtung zur Auskunftsleistung erstreckt<br />

sich daher auf alle Auskünfte, die zur Erfüllung dieser<br />

Zwecke im um Amtshilfe ersuchenden Staat voraussichtlich<br />

erheblich („ foreseeably relevant “) sind, ohne dass es auf einen<br />

Verdacht eines Finanzstrafdelikts ankäme.<br />

Diese von der OECD erarbeiteten Standards <strong>für</strong> eine effektive<br />

Amtshilfe finden auch durch Staatengruppen (zB G20 und G8)<br />

massive Unterstützung 143) und auch die die EU-Kommission hat<br />

unlängst einen an den OECD-Standards orientierten Vorschlag<br />

<strong>für</strong> eine neue Richtlinie des Rates über die Zusammenarbeit der<br />

Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung vorgelegt. 144)<br />

Zusätzlich zu diesem in den vergangenen Monaten dramatisch intensivierten<br />

internationalen Druck auf nationale Bankgeheimnisse<br />

haben einzelne Staaten begonnen, über „Defensivgesetzgebungsmaßnahmen“<br />

nachzudenken, 145) wobei Deutschland unlängst<br />

einen großen Schritt in diese Richtung durch die Erlassung eines<br />

Gesetzes zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung 146) getan hat.<br />

Dieser Druck ist auch am österreichischen, auch gegenüber<br />

den Abgabenbehörden geltenden Bankgeheimnis des § 38<br />

BWG 147) nicht spurlos vorübergegangen. Wenngleich das Bankgeheimnis<br />

vor dem Hintergrund des österreichischen Systems<br />

einer Kapitalertragsbesteuerung mit Abgeltungswirkung und<br />

mangels einer Vermögensbesteuerung <strong>für</strong> die innerstaatliche<br />

Steuersystematik nur bedingt als „Problemzone“ anzusehen<br />

ist, war Österreich aus international-steuerrechtlicher Sicht im<br />

143) Siehe die Zusammenstellung in dem Bericht „Overview of the OECD’s<br />

Work on Countering International Tax Evasion“ (2009), sowie zB „Improving<br />

Access to Bank Information for Tax Purposes – The 2007<br />

Progress Report“ (2007), 8 und 11 f.<br />

144) KOM(2009)29 endg.<br />

145) So wurden in der Staatengemeinschaft beispielsweise als legitime<br />

Abwehrmaßnahmen die Erhöhung der Quellensteuer in Bezug auf ein<br />

breites Spektrum von Zahlungen an nicht-kooperative Jurisdiktionen,<br />

die Versagung des Betriebsausgabenabzugs an in nicht-kooperativen<br />

Jurisdiktionen ansässige Empfänger, die Einführung verstärkter Offenlegungspflichten,<br />

die Versagung von Steuerbefreiungen <strong>für</strong> Beteiligungsgewinne<br />

und die Kündigung der Abkommen mit Ländern und<br />

Gebieten, die sich weigern, einen effektiven Auskunftsaustausch zu<br />

praktizieren, erwogen; siehe dazu die Zusammenfassung der Schlussfolgerungen<br />

der Zweiten Konferenz zum Kampf gegen internationalen<br />

Steuerbetrug und Steuerhinterziehung durch mehr Transparenz<br />

und effektiven Auskunftsaustausch <strong>für</strong> Steuerzwecke Berlin (23. Juni<br />

2009).<br />

146) DBGBl I 2009/48, 2302.<br />

147) Das österreichische Bankgeheimnis entwickelte sich vor dem Hintergrund<br />

der Nachkriegswirtschaft ab 1945 zunächst von einem faktischen<br />

Verzicht der Finanzverwaltung auf die abgabenrechtliche<br />

Auskunftsverpflichtung der Banken über den Wegfall der ununterbrochenen<br />

Aufzeichnungspflicht der Banken (BGBl 1948/151) zur<br />

gesetzlichen Verankerung, zunächst in § 23 KWG (BGBl 1979/63) und<br />

nachfolgend in § 38 BWG (BGBl 1993/532 idF BGBl I 2007/108; siehe<br />

zur Rechtsentwicklung auch Luther, Österreichisches Bankgeheimnis –<br />

das unbekannte Wesen oder Was Sie schon immer über das österreichische<br />

Bankgeheimnis wissen wollten, FJ 1989, 162 (162 f); Fellner,<br />

Steuerhinterziehung und Bankgeheimnis, RdW 2000/215, 244 (244 ff)).<br />

Nach dieser Bestimmung dürfen „Kreditinstitute, ihre Gesellschafter,<br />

Organmitglieder, Beschäftigte sowie sonst <strong>für</strong> Kreditinstitute tätige<br />

Personen dürfen Geheimnisse, die ihnen ausschließlich auf Grund<br />

der Geschäftsverbindungen mit Kunden anvertraut oder zugänglich<br />

gemacht worden sind, nicht offenbaren oder verwerten“; diese Verpflichtung<br />

zur Wahrung des Bankgeheimnisses wird nach § 38 Abs 2<br />

nur unter besonderen Umständen durchbrochen, etwa „im Zusammenhang<br />

mit einem Strafverfahren auf Grund einer gerichtlichen<br />

Bewilligung (§ 116 StPO) gegenüber den Staatsanwaltschaften und<br />

Strafgerichten und mit eingeleiteten Strafverfahren wegen vorsätzlicher<br />

Finanzvergehen, ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten,<br />

gegenüber den Finanzstrafbehörden“.<br />

März 2009 letztlich zum Einlenken gezwungen. Der bisherige<br />

österreichische Vorbehalt zum 2005 eingefügten Art 26 Abs 5<br />

OECD-MA 148) wurde zurückgezogen 149) und in einer entsprechenden<br />

Pressemitteilung des BMF vom 13. 3. 2009 150) darauf<br />

hingewiesen, dass keine formale Änderung des innerstaatlichen<br />

Bankgeheimnisses erfolgen, sondern in Doppelbesteuerungsabkommen<br />

„ ein formal anderer Weg des Informationsaustausches<br />

gewählt “ werden soll. Der rechtliche Status Quo in Österreich<br />

gestattet zwar eine Durchbrechung des Bankgeheimnisses, allerdings<br />

nur „ im Zusammenhang […] mit eingeleiteten Strafverfahren<br />

wegen vorsätzlicher Finanzvergehen “. 151) Wenngleich damit auch<br />

vergleichbare ausländische verwaltungsbehördliche Verfahren<br />

gemeint sind, 152) bedarf es zum Eingreifen dieser Durchbrechung<br />

nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung einer besonderen<br />

„Einleitung“ des behördlichen Strafverfahrens durch einen<br />

schriftlichen, gesondert anfechtbaren Verwaltungsakt, 153) weshalb<br />

zB der bloße Einleitungsvermerk nach § 397 der deutschen<br />

AO nicht genüge. 154) Auch vor diesem Hintergrund wird daher<br />

deutlich, dass die österreichische Rechtslage in diesem Punkt<br />

nicht den internationalen Transparenzstandards entspricht. 155)<br />

Österreich hat sich daher zur Übernahme des OECD-Standards<br />

und damit zum Austausch von Informationen auf Ersuchen<br />

bereit erklärt, die zur Durchführung des jeweiligen Abkommens<br />

oder zur Anwendung oder Durchsetzung des innerstaatlichen<br />

Rechts betreffend Steuern jeder Art und Bezeichnung „voraussichtlich<br />

erheblich sind“, ohne dass es auf das Vorliegen eines<br />

Verdachts oder gar eines eingeleiteten Verfahrens wegen vorsätzlicher<br />

Finanzvergehen bedürfte. Österreich bemüht sich derzeit,<br />

mit seinen Abkommenspartnern bestehende Abkommen an<br />

den neuen Standard anzupassen bzw bei Neuverhandlungen<br />

diesen Standard zu implementieren; mit einigen Staaten werden<br />

auch TIEAs verhandelt. Österreich ist es dadurch gelungen, bis<br />

September 2009 mehr als die – in einem ersten Schritt – erforderliche<br />

Anzahl von 12 Abkommen zu unterzeichnen, um von<br />

der „grauen Liste“ der OECD gestrichen zu werden. 156)<br />

Diese Bemühungen auf internationaler Ebene müssen freilich<br />

durch eine innerstaatliche Rechtsgrundlage begleitet sein, bindet<br />

doch ein Doppelbesteuerungsabkommen lediglich die beteilig-<br />

148) Wie auch die anderen „Bankgeheimnisstaaten“ Belgien, Luxemburg<br />

und Schweiz hatte Österreich einen Vorbehalt zur Neufassung des<br />

Art 26 Abs 5 OECD-MA abgegeben. Dieser lautete: „Austria reserves<br />

the right not to include paragraph 5 in its conventions. However,<br />

Austria is authorised to exchange information held by a bank or<br />

other financial institution where such information is requested within<br />

the framework of a criminal investigation which is carried on in the<br />

requesting State concerning the commitment of tax fraud.“<br />

149) Siehe zB den Bericht „Overview of the OECD’s Work on Countering<br />

International Tax Evasion“ (2009), 2.<br />

150) Dazu krit Perl, Bankgeheimnis <strong>für</strong> Ausländer vor dem Aus, SWK 2009,<br />

T 87 (T 87 f); Fellner, Neue Entwicklungen beim Bankgeheimnis –<br />

Fehlgriff statt Kunstgriff, RdW 2009/259, 315 (317).<br />

151) Siehe dazu etwa Loukota, Bankgeheimnis und internationale Amtshilfe,<br />

SWI 2002, 362 (362 ff); Klein, Das österreichische Bankgeheimnis,<br />

Anwalt aktuell Mai/Juni 2009, 34 (34 f).<br />

152) VwGH 21. 10. 1983, 82/17/0087; VfGH 20. 3. 1986, B 410/85; VwGH<br />

27. 2. 1992, 86/17/0169.<br />

153) VwGH 26. 7. 2006, 2004/14/0022, ÖStZB 2007/75, 92 = RdW 2006/593<br />

m Anm Zorn; siehe zB auch VfGH 11. 12. 1986, G 119/86; VwGH 5. 4.<br />

1989, 88/13/0021; VwGH 23. 5. 1990, 89/13/0237; VwGH 14. 2. 1991,<br />

90/16/0210; VwGH 16. 2. 1994, 91/13/0203, ÖStZB 1994, 390; vgl<br />

diese Anforderungen implementierend auch §§ 83 Abs 2, 152 Abs 1<br />

FinStrG.<br />

154) VwGH 26. 7. 2006, 2004/14/0022, ÖStZB 2007/75, 92 = RdW 2006/593<br />

m Anm Zorn; siehe dazu auch Arnold, Bankgeheimnis: Ausländische<br />

verwaltungsbehördliche Finanzstrafverfahren am (qualifizierten)<br />

Prüfstand der Rechtsstaatlichkeit, ÖBA 2007, 722 (722 ff); Huber,<br />

Steuerstrafverfahren deutscher Finanzbehörden durchbricht österreichisches<br />

Bankgeheimnis nicht! SWK 2006, S 774 (S 774 f).<br />

155) Siehe auch die Kritik bei Fellner, RdW 2009/259, 315 (317).<br />

156) Abrufbar unter http://www.oecd.org/dataoecd/50/0/43606256.pdf.<br />

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Steuerrecht aktuell ÖStZ 1. Oktober/Nr. 19 Artikel-Nr. 916<br />

ten Staaten, begründet aber <strong>für</strong> sich keine Verpflichtung oder<br />

Berechtigung der Bank, vom Geheimnisschutz abzusehen. Zu<br />

diesem Zwecke wurde im Juni 2009 im Nationalrat ein Amtshilfe-<br />

Durchführungsgesetz (ADG) 157) mit umfassenden und instruktiven<br />

Erläuterungen eingebracht, dessen ausgewiesenes Ziel es ist,<br />

„ dem neuen Standard der Amtshilfeleistung ohne Beeinträchtigung<br />

der <strong>für</strong> den rein innerstaatlichen Rechtsbereich geltenden Rechtsgrundsätze<br />

hinsichtlich der Schutzwirkung des Bankgeheimnisses<br />

zum Durchbruch zu verhelfen “, und solcherart innerstaatliche<br />

Spezialnormen zu schaffen, um „ lediglich <strong>für</strong> Zwecke der internationalen<br />

Amtshilfe den allgemeinen Bestimmungen des § 38 des<br />

Bankwesengesetzes (BWG) in dem von der OECD verlangten eingeschränkten<br />

Umfang [zu] derogieren “. Nach heftigen politischen<br />

Diskussionen wurde das ADG vom Nationalrat in einer Sondersitzung<br />

am 1. 9. 2009 158) mit dem in § 38 Abs 5 BWG vorgesehenen<br />

Quorum 159) beschlossenen 160) und schafft solcherart eine<br />

nationale Rechtsgrundlage <strong>für</strong> die Finanzverwaltung, auf Basis<br />

jener Abkommen, die bereits den neuen Transparenzstandard<br />

enthalten, Bankinformationen <strong>für</strong> Zwecke der internationalen<br />

Amtshilfe zu erlangen. Der Rechtsschutz des Einzelnen wird<br />

durch die Eröffnung des Rechtswegs gewährleistet. Eine – verfassungsrechtlich<br />

womöglich bedenkliche – Rückwirkung wird<br />

durch entsprechende In-Kraft-Tretens-Bestimmungen in den<br />

völkerrechtlichen Abkommen ausgeschlossen.<br />

6. Herausforderungen der Zukunft<br />

6.1. Planungssicherheit als Rechtsproblem<br />

Für die dargestellten unterschiedlichen Aspekte, die eine Gratwanderung<br />

zwischen aggressiver Steuerplanung, Missbrauch<br />

und Abgabenhinterziehung bestimmen, gilt der Befund, dass die<br />

wirtschaftliche Realität eine Vielschichtigkeit von Sachverhaltskonstellationen<br />

aufweist, deren steuerrechtliche Beurteilung sich<br />

nach zum Großteil höchst unbestimmten Gesetzestatbeständen<br />

richtet. Komplexe Sachverhalte lassen sich steuerrechtlich<br />

oftmals nur anhand der zum <strong>Teil</strong> schillernden und daher nur<br />

eingeschränkt mit Sicherheit bestimmbaren allgemeinen Steuerprinzipien<br />

– wie etwa die Einkünftezurechnung, den Betriebsausgaben-<br />

und Betriebsvermögensbegriff, Verteilungspflichten,<br />

wirtschaftliche Betrachtungsweise und Scheingeschäft – beurteilen.<br />

Sie laufen dann immer noch Gefahr, vor dem Hintergrund<br />

allgemeiner oder spezieller Antimissbrauchsbestimmungen oder<br />

auch durch die Entwicklungen der internationalen Rahmen-<br />

157) Antrag der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kai Jan Krainer,<br />

Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über<br />

die Umsetzung der OECD-Grundsätze der internationalen abgabenrechtlichen<br />

Amtshilfe (Amtshilfe-Durchführungsgesetz – ADG), 681/A<br />

(24. GP), abgeändert in 323 BlgNR 24. GP; siehe auch Gruber/Vondrak,<br />

Initiativantrag zum Amtshilfe-Durchführungsgesetz eingebracht, SWK<br />

2009, T 153 (T 153 ff).<br />

158) Am 8. 7. 2009 wurde im Plenum des Nationalrates der Antrag auf<br />

Rückverweisung des Initiativantrags betreffend das Amtshilfe-Durchführungsgesetz<br />

(ADG) an den Finanzausschuss einstimmig beschlossen;<br />

im Finanzausschuss am 27. 8. 2009 wurde das ADG unter Berücksichtigung<br />

eines Abänderungsantrages (siehe 323 BlgNR 24. GP) mit<br />

Stimmenmehrheit angenommen und im Plenum des Nationalrates<br />

am 1. 9. 2009 mit 136 Ja-Stimmen (gegenüber 34 Nein-Stimmen) mit<br />

der erforderlichen qualifizierten Mehrheit beschlossen. Der Bundesrat<br />

hat am 3. 9. 2009 beschlossen, keinen Einspruch zu erheben.<br />

159) Das österreichische Bankgeheimnis ist aufgrund der Verfassungsbestimmung<br />

des § 38 Abs 5 BWG mit einer erhöhten Bestandskraft<br />

versehen, kann es doch „vom Nationalrat nur in Anwesenheit von<br />

mindestens der Hälfte der Abgeordneten und mit einer Mehrheit<br />

von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen abgeändert werden.“<br />

160) Kundgemacht in BGBl I 2009/102 vom 8. 9. 2009.<br />

bedingungen anders als vom Abgabepflichtigen beabsichtigt<br />

beurteilt zu werden.<br />

Der Abgabepflichtige, der seine wirtschaftlichen Aktivitäten<br />

oft unter Einsatz beachtlicher finanzieller Mittel setzt, hat ein<br />

durchaus legitimes Interesse daran, bereits vor der Umsetzung<br />

seiner wirtschaftlich motivierten Pläne deren steuerrechtliche<br />

Konsequenzen zu kennen. Planungssicherheit ist somit ein berechtigtes<br />

Anliegen von Abgabepflichtigen, das auch die Entscheidung<br />

<strong>für</strong> oder gegen einen Wirtschaftsstandort maßgeblich<br />

beeinflussen kann.<br />

Vollständige Planungssicherheit ist in einer schnelllebigen<br />

und globalisierten Welt uE nicht erreichbar. Sie könnte aber<br />

in Österreich durch die Schaffung bindender Auskünfte der<br />

Finanzbehörden um ein Vielfaches erhöht werden. 161)<br />

Steuerpflichtige, die sich über die steuerrechtlichen Konsequenzen<br />

eines von ihnen geplanten wirtschaftlichen Vorhabens<br />

Gewissheit verschaffen wollen, wenden sich auch in Österreich<br />

an das jeweils zuständige Finanzamt, in Einzelfällen auch an<br />

den BMF. Im Regelfall erteilen die Finanzämter und auch der<br />

BMF eine Auskunft darüber, ob der vom Steuerpflichtigen vorgenommenen<br />

steuerrechtlichen Beurteilung seines Vorhabens<br />

zuzustimmen ist. Anders als in einigen europäischen Staaten<br />

entfalten diese Auskünfte keine Bindungswirkung. Auskünfte<br />

werden nämlich als bloße Wissenserklärungen nicht als Bescheid<br />

qualifiziert. 162) Daher kann sich der Adressat einer Auskunft<br />

weder vollständig auf ihre Richtigkeit verlassen, noch kann<br />

er gegen sie ein Rechtsmittel erheben. Derartige Auskünfte<br />

können – mangels Bescheidcharakters – außerdem jederzeit<br />

zurückgenommen oder geändert oder im Zuge der Veranlagung<br />

durch das Finanzamt schlicht nicht berücksichtigt werden. 163)<br />

Der Abgabepflichtige hat daher grundsätzlich in keinem Fall<br />

einen Anspruch auf Erlassung eines auskunftskonformen Bescheids.<br />

Sein Vertrauen in die Richtigkeit der Auskunft kann<br />

jedoch unter bestimmten Voraussetzungen durch den Grundsatz<br />

von Treu und Glauben geschützt sein. 164) Voraussetzung ist nach<br />

der hA, 165) dass die Auskunft von der sachlich und örtlich zuständigen<br />

Abgabenbehörde erteilt, der Abgabepflichtige den in der<br />

Auskunft dargelegten Sachverhalt auch tatsächlich verwirklicht<br />

und damit im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft disponiert<br />

hat und dass ihm durch das Abweichen des Finanzamts von<br />

der in der Auskunft vorgenommenen steuerrechtlichen Beurteilung<br />

ein Schaden erwachsen ist. Da der Grundsatz von Treu und<br />

161) Die gewünschte oder vermeintliche Bindungswirkung von Auskünften<br />

wurde im Schrifttum laufend diskutiert. Vgl <strong>für</strong> viele: <strong>Ruppe</strong>, Auskünfte<br />

und Zusagen durch Finanzbehörden, ÖStZ 1979, 50; Achatz,<br />

Das Auskunftspflichtgesetz – Rechtsnatur und Rechtswirkungen von<br />

behördlichen Auskünften insbesondere im Steuerrecht, NZ 1988,<br />

213; Stoll, Finanzbehördliche Rechtsauskünfte (Bindung, Vertrauensschutz,<br />

Unverbindlichkeits-Vorbehalt), ÖStZ 1998, 444; Achatz/<br />

Kofler, Haftung <strong>für</strong> fehlerhafte Rechtsauskünfte im Steuerrecht, in<br />

Holoubek/Lang (Hrsg), Organhaftung und Staatshaftung in Steuersachen<br />

(2002) 197 f; Ehrke, Verbindliche Auskünfte im österreichischen<br />

Steuerrecht? (2003); Fraberger, „Ruling“ – Die verbindliche Absprache<br />

von Rechtsfragen mit dem Finanzamt bereits auf Basis der momentanen<br />

Rechtslage möglich?, ÖStZ 2003, 369; Fellner, Vereinbarungen<br />

im Steuerrecht, SWK 2005, S 986; Werndl, Sind Vereinbarungen im<br />

Steuerrecht verfassungskonform? ÖStZ 2006, 499.<br />

162) ZB VwGH 24. 4. 1968, 999/67, ÖStZB 1968, 149; 25. 6. 1985, 85/14/0028,<br />

ÖStZB 1986, 51; 14. 12. 2000, 95/15/0028; LStR 1999 Rz 1240 f; Doralt,<br />

EStG, § 90 Tz 5; Ritz, Lohnsteuerauskunft gemäß § 90 EStG 1988, ÖStZ<br />

1999, 321. – Vgl dazu ausführlich Ehrke, Verbindliche Auskünfte (2003)<br />

43 ff.<br />

163) Vgl a Doralt, EStG, § 90 Tz 5.<br />

164) ZB VwGH 27. 6. 1974, 303/74; VwGH 3. 11. 1986, 85/15/0270; VwGH<br />

3. 5. 2000, 99/16/0034; VwGH 7. 6. 2001, 98/15/0065; BMF, Richtlinien<br />

zum Grundsatz von Treu und Glauben, AÖF 2006/126.<br />

165) ZB VwGH 8. 9. 1992, 82/14/0091, ÖStZB 1993, 325; 14. 7. 1994,<br />

91/17/0170; BMF, Richtlinien zum Grundsatz von Treu und Glauben,<br />

AÖF 2006/126; Doralt/<strong>Ruppe</strong>, Steuerrecht II 5 (2006) Rz 371.<br />

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470 ÖStZ 1. Oktober/Nr. 19 Artikel-Nr. 916 Steuerrecht aktuell<br />

Glauben keinesfalls das Legalitätsprinzip ausschalten kann, 166)<br />

ist grundsätzlich ausgeschlossen, dass aufgrund einer (rechtswidrigen)<br />

Auskunft ein (rechtswidriger) auskunftskonformer<br />

Bescheid ergeht. Aus der Rechtsprechung des VwGH ergibt sich,<br />

dass bei Ermessensentscheidungen das Ermessen zugunsten des<br />

Abgabepflichtigen zu üben ist, wenn dieser sein Verhalten nach<br />

einer entsprechenden Auskunft gerichtet hat. Das bedeutet im<br />

Ergebnis, dass in diesen Fällen eine auskunftskonforme, jedoch<br />

unter Umständen rechtswidrige steuerrechtliche Behandlung<br />

aufgrund des Grundsatzes von Treu und Glauben beizubehalten<br />

ist. Die Frage, ob eine der Auskunft entsprechende Behandlung<br />

letztendlich auch tatsächlich nach Verwirklichung des auskunftsgegenständlichen<br />

Sachverhalts stattfinden wird, artet damit <strong>für</strong><br />

den Abgabepflichtigen in eine Art Glücksspiel aus: Hält sich<br />

die Abgabenbehörde im Veranlagungsbescheid an die Auskunft,<br />

so hat der Abgabepflichtige gewonnen. Sämtliche Rechtskraftdurchbrechungen,<br />

die die Abgabenbehörde von Amts wegen<br />

vornehmen kann, liegen in ihrem Ermessen. 167) Ist das Ermessen<br />

aufgrund des Grundsatzes von Treu und Glauben zugunsten des<br />

Abgabepflichtigen zu üben, läuft dies auf eine Aufrechterhaltung<br />

des (rechtswidrigen) auskunftskonformen Bescheids hinaus. 168)<br />

Hält sich die Abgabenbehörde im Veranlagungsbescheid hingegen<br />

nicht an die Auskunft, kann der Grundsatz von Treu<br />

und Glauben aufgrund des Legalitätsprinzips nicht zu einer<br />

Abänderung des Bescheids führen. Der Abgabepflichtige hat<br />

jedoch die Möglichkeit, auf Basis der VO BGBl II 2005/435<br />

einen Antrag auf Nachsicht zu stellen. Dieser ist – abgesehen<br />

vom administrativen Aufwand – mit zwei Unsicherheiten belastet:<br />

Einerseits handelt es sich bei der Nachsicht wiederum<br />

um eine Ermessensentscheidung, andererseits soll die Nachsicht<br />

nach den RL des BMF zum Grundsatz von Treu und Glauben<br />

lediglich im Ersatz des Vertrauensschadens bestehen. Dieser<br />

wird in besagten Richtlinien 169) als „ die Differenz zwischen jener<br />

Abgabenschuld, die sich aus dem im Vertrauen auf die Auskunft<br />

gesetzten Verhalten ergibt und der Abgabenbelastung, die aus dem<br />

Verhalten resultiert wäre, das der Abgabepflichtige gesetzt hätte,<br />

wenn ihm die richtige Auskunft erteilt worden wäre “. Die Höhe<br />

des Vertrauensschadens ist bei dieser Definition davon abhängig,<br />

welches Verhalten der Abgabepflichtige gesetzt hätte, wäre<br />

die Auskunft von vornherein richtig gewesen. Der Vertrauensschaden<br />

besteht somit in der Verpflichtung, eine Person, die<br />

auf die Gültigkeit einer Auskunft vertraut hat, so zu stellen,<br />

wie sie ohne das Vertrauen stünde. 170) Im Ergebnis ist damit<br />

<strong>für</strong> den Abgabepflichtigen nicht sicher, dass er so gestellt wird<br />

wie er gestanden hätte, hätte sich die Abgabenbehörde an die<br />

Auskunft gehalten. 171)<br />

Die fehlende Bindungswirkung von Auskünften führt gerade<br />

bei komplexen wirtschaftlichen Sachverhalten zu einer erheblichen<br />

Planungsunsicherheit. Die Einführung eines bindenden<br />

166) ZB VwGH 3. 7. 1980, 1289/77, 1683/80; VwGH 27. 2. 1983, 81/15/0120;<br />

VwGH 25. 6. 1985, 85/14/0028; VwGH 18. 9. 2000, 2000/17/0048; Richtlinien<br />

zum Grundsatz von Treu und Glauben, AÖF 2006/126.<br />

167) Sowohl bei den Rechtskraftdurchbrechungen nach §§ 293 ff BAO<br />

handelt es sich um Ermessensentscheidungen als auch bei der Wiederaufnahme<br />

von Amts wegen gem § 303 Abs 4 BAO.<br />

168) Vgl dazu ausführlich mit Beispielen Ehrke-Rabel, Zur Bindungswirkung<br />

von finanzbehördlichen Rechtsauskünften unter besonderer<br />

Berücksichtigung der Richtlinien des BMF zum Grundsatz von Treu<br />

und Glauben, in FS Doralt 19 (30 f).<br />

169) Richtlinien zum Grundsatz von Treu und Glauben, AÖF 126/2006,<br />

Pkt 3.3. – Diese Schadensdefinition wurde aus dem Erlass zum Grundsatz<br />

von Treu und Glauben aus dem Jahr 1995 (BMF AÖF 1995/70)<br />

übernommen.<br />

170) Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II 13 , 289.<br />

171) Vgl dazu ausführlich Ehrke-Rabel in FS Doralt 31 f.<br />

Auskunftsverfahrens würde diese Unsicherheit vermindern und<br />

die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Österreich maßgeblich<br />

steigern. Unbestritten ist, dass ein solches Rechtsinstitut<br />

<strong>für</strong> den Legisten eine große Herausforderung darstellt: So<br />

sind verbindliche Auskünfte mit dem österreichischen Rechtsstaatsverständnis,<br />

das traditionell von der Geschlossenheit des<br />

Rechtsquellensystems ausgeht, in Einklang zu bringen. Es ist zu<br />

entscheiden, ob dem Abgabepflichtigen gegen eine abschlägige<br />

Auskunft ein Rechtsmittel einzuräumen ist, ob sein Ersuchen<br />

um Auskunft kostenpflichtig sein soll, ob die Auskunft nur die<br />

Abgabenbehörde oder auch den Abgabepflichtigen binden soll.<br />

Dass diese Fragen lösbar sind und dass bindende Auskünfte<br />

auch ohne großen administrativen und verfahrensverzögernden<br />

Aufwand umsetzbar sind, zeigen andere Mitgliedstaaten der Europäischen<br />

Union. Dem Vernehmen nach soll in beschränkten<br />

<strong>Teil</strong>bereichen (zB der Verrechnungspreisproblematik) bereits<br />

in naher Zukunft ein Rulingverfahren in Österreich eingeführt<br />

werden.<br />

6.2. Internationale „Steuerarbitrage“<br />

Selbst in globalisierten und teilweise hochintegrierten Märkten<br />

differieren die einzelnen nationalen Steuersysteme. Diese<br />

Unterschiede können zu Situationen führen, in denen grenzüberschreitend<br />

tätige Steuerpflichtige in solider Übereinstimmung<br />

mit den Vorschriften der verschiedenen Staaten agieren,<br />

aufgrund der unterschiedlichen steuerlichen Tatbestände und<br />

Rechtsfolgen aber steuerliche Vorteile erlangen, die bei rein nationaler<br />

Tätigkeit nicht zur Verfügung stehen. 172) Wenngleich die<br />

Definitionen einer derartigen „internationalen Steuerarbitrage“<br />

im Detail variieren, 173) entsteht sie im Wesentlichen, „ wenn<br />

dieselbe Transaktion in zwei oder mehr Steuerrechtsordnungen<br />

einer unterschiedlichen Besteuerung unterworfen werden “. 174) Die<br />

steuerplanerische Nutzung 175) dieser Divergenzen wird zwar<br />

bisweilen als „aggressive Steuerplanung“ charakterisiert, 176) unterscheidet<br />

sich aber dennoch konzeptionell klar sowohl vom<br />

Ausnutzen eines (unfairen) Steuerwettbewerbs als auch von<br />

missbräuchlichen Gestaltungen. 177)<br />

Die Erscheinungsformen internationaler Steuerarbitrage sind<br />

daher ebenso vielfältig wie die unterschiedlich definierten Steuervorteile<br />

(zB Verlustverwertung, beschleunigte Abschreibung,<br />

Abzug von Zinszahlungen, Schachtelprivilegien etc), die in den<br />

beteiligten Steuerrechtsordnungen bestehen. 178) Steuerarbitrage<br />

bietet Steuerpflichtigen die – durchaus elegante – Möglichkeit zur<br />

172) Siehe die Empfehlungen der Ausschüsse zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes<br />

2008 (JStG 2008), BR-Drs 544/1/07, 76: „Diese Situation<br />

kann von dem Steuerpflichtigen zu einer ganzen oder teilweisen<br />

Nichtbesteuerung genutzt werden – ein Vorteil, der bei Durchführung<br />

dieser Transaktion in nur einer Steuerrechtsordnung nicht bestehen<br />

würde“.<br />

173) Für einen Überblick siehe Kofler/Kofler, Internationale Steuerarbitrage,<br />

in Brähler/Lösel (Hrsg), Deutsches und internationales Steuerrecht<br />

– Gegenwart und Zukunft, FS Djanani (2008) 381 (382 ff).<br />

174) Siehe die Begründung zu § 138a Abs 2 AO des Gesetzesentwurfs zur<br />

Anzeigepflicht von Steuergestaltungen (Stand: 25. 6. 2007) sowie<br />

BR-Drs 544/1/07, 76.<br />

175) Internationale Steuerarbitrage wurde sogar als das „tax planning of<br />

the future“ bezeichnet; siehe Rosenbloom, International Tax Arbitrage<br />

and the “International Tax System”, 53 Tax Law Review 2000, 137<br />

(166).<br />

176) Siehe <strong>für</strong> eine Übersicht Steiner, Aggressive Steuerplanung – oder wo<br />

das Geld hinfließt, SWI 2007, 308 (308 ff).<br />

177) Vgl nur Boyle, Cross-Border Tax Arbitrage – Policy Choices and Political<br />

Motivations, BTR 2005, 527 (528).<br />

178) Für eine Auflistung möglicher Arbitragesituationen siehe auch § 138<br />

Abs 2 des Gesetzesentwurfs zur Anzeigepflicht von Steuergestaltungen<br />

(Stand: 25. 6. 2007) sowie die Erläuterungen in BR-Drs 544/1/07,<br />

77 f.<br />

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Steuerrecht aktuell<br />

Reduktion ihrer weltweiten Steuerlast ohne signifikante Änderungen<br />

in der Struktur oder Lokalisierung ihrer wirtschaftlichen<br />

Operationen. Vor einer geschickten und mit wirtschaftlicher<br />

Substanz erfolgenden Nutzbarmachung bestehender Unterschiede<br />

sind auch Staaten mit sophistizierten Steuersystemen<br />

nicht immun, zumal Arbitrage weder auf der Einschaltung von<br />

Niedrigsteuerregimen beruht, noch unter dem Gesichtspunkt<br />

missbräuchlicher Steuerplanung auf Bedenken stoßen sollte. 179)<br />

Steuerarbitrage kann vielmehr „ zulässigerweise die Möglichkeiten<br />

nutzen, die sich aus dem fairen Steuerwettbewerb der Staaten<br />

ergeben “. 180) Internationale Steuerarbitrage tritt daher a prima vista<br />

als natürliches Nebenprodukt nicht harmonisierter oder koordinierter<br />

Steuersysteme in globalisierten Märkten auf, wobei selbst<br />

relativ kleine Unterschiede substanzielle Arbitragemöglichkeiten<br />

bieten können. 181) Diese entstehen beispielsweise dadurch, dass<br />

ein Steuersubjekt in mehreren Staaten als unbeschränkt steuerpflichtig<br />

angesehen wird (zB doppelte Konsolidierung von Verlusten),<br />

dass Zahlungen in mehreren Jurisdiktionen unterschiedlich<br />

eingeordnet werden (zB Unterschiede in der Qualifikation als<br />

Eigen- oder Fremdkapital und der entsprechenden Zahlungsströme),<br />

dass Gesellschaften in verschiedenen Jurisdiktionen<br />

unterschiedlich charakterisiert werden (zB Umqualifikation von<br />

Zahlungsströmen durch Einschaltung hybrider Gesellschaften),<br />

oder dass Wirtschaftsgüter aufgrund unterschiedlicher Zuordnungskonzepte<br />

in mehreren Jurisdiktionen berücksichtigt werden<br />

(zB „Double-Dip-Leases“). 182)<br />

Grafik 6<br />

„Dual Consolidated Loss“ – Staaten knüpfen die unbeschränkte Steuerpflicht<br />

von Gesellschaften oftmals an unterschiedliche Kriterien (zB<br />

statutarischer Sitz oder Ort der Geschäftsleitung). Ist es solcherart<br />

möglich, durch einen einmaligen Aufwand (zB Zinszahlungen <strong>für</strong><br />

eine fremdfinanzierte Unternehmensakquisition) in einer doppelt-an-<br />

179) Siehe zB Rosenbloom, 53 Tax Law Review 2000, 137 (143): „The beauty<br />

of international tax arbitrage, when practiced most skillfully, is that<br />

none of the objections to agressive or abusive tax planning should<br />

apply anywhere because, from the vantage point of any single country,<br />

there is neither aggressiveness nor abuse“.<br />

180) Siehe die Begründung zu § 138a Abs 2 AO des Gesetzesentwurfs zur<br />

Anzeigepflicht von Steuergestaltungen (Stand: 25. 6. 2007), sowie<br />

BR-Drs 544/1/07, 76.<br />

181) Siehe zB die ausführliche Untersuchung zur divergierenden Behandlung<br />

des Disagios in den USA und Japan bei Ring, One Nation Among<br />

Many: Policy Implications of Cross-Border Tax Arbitrage, 44 Boston<br />

College Law Review 2002, 79 (90 ff).<br />

182) Siehe zu diesen Formen ausf Kofler/Kofler in FS Djanani 381 (388 ff<br />

mwN).<br />

ÖStZ 1. Oktober/Nr. 19 Artikel-Nr. 916<br />

sässigen Gesellschaft diesen Aufwand durch die Konsolidierung in<br />

zwei Staaten zu verwerten, liegt ein Fall der internationalen Steuerarbitrage<br />

vor<br />

Erst in den letzten zwei Jahrzehnten ist das Phänomen der internationalen<br />

Steuerarbitrage vermehrt in den Fokus sowohl der<br />

Wissenschaft 183) als auch der nationalen Steuerverwaltungen und<br />

Gesetzgeber gerückt. Unklar ist freilich nach wie vor, ob bzw in<br />

welchen Situationen internationale Steuerarbitrage konzeptionell<br />

überhaupt als (steuerpolitisches) Problem anzusehen ist. So<br />

wirft sich bereits am Ausgangspunkt die – berechtigte – Frage<br />

auf, auf Basis welcher steuerpolitischen Überlegungen ein Staat<br />

darüber besorgt sein sollte, dass ein Steuerpflichtiger oder eine<br />

nahe stehende Person steuerliche Vorteile in einem anderen Staat<br />

genießt. 184) Einer möglichen Unbedenklichkeitsbescheinigung<br />

<strong>für</strong> internationale Steuerarbitrage werden allerdings verschiedene<br />

Überlegungen entgegengehalten, die von der Annahme<br />

eines Prinzips der Einmalbesteuerung als Baustein eines „internationalen<br />

Steuerregimes“ über Argumente der Effizienz und<br />

Gerechtigkeit bis zu staatlichen Fiskalinteressen rangieren. 185)<br />

In der Rechtswirklichkeit ist die Reaktion der Staaten und<br />

internationalen Organisationen auf das Phänomen der internationalen<br />

Steuerarbitrage beschränkt, inkonsistent und keineswegs<br />

international koordiniert. Lediglich punktuell haben einige<br />

Staaten einzelne Arbitragevorgänge einer gesetzlichen Regelung<br />

zugeführt, freilich zumeist ohne gleichermaßen die negativen<br />

Effekte divergierender Steuersysteme und daraus resultierende<br />

Doppelbesteuerungseffekte systematisch einzubeziehen. Solcherart<br />

stellt das Phänomen der internationalen Steuerarbitrage<br />

nationale Gesetzgeber vor spezifische Probleme, die sich in<br />

der Zukunft auch <strong>für</strong> das österreichische Steuerrecht vermehrt<br />

aufwerfen werden. Die Frage, ob bzw wie darauf (legistisch)<br />

reagiert werden sollte, entzieht sich freilich einer Generallösung.<br />

Denn selbst wenn gewisse Formen der internationalen<br />

Steuerarbitrage konzeptionell Bedenken hervorrufen könnten,<br />

lässt sich ein sinnvoller Pfad <strong>für</strong> gesetzgeberische Reaktionen<br />

nur schwer identifizieren. Allerdings wird bzw wurde in mehreren<br />

Staaten die Einführung von Meldepflichten im Hinblick<br />

auf Arbitragetransaktionen überlegt, 186) wenngleich diese Maßnahmen<br />

keine unmittelbaren materiell-steuerrechtlichen Konsequenzen<br />

nach sich ziehen würden. Vielmehr sollte es der<br />

183) Siehe insb West, Foreign Law in U.S. International Taxation: The Search<br />

for Standards, 3 Florida Tax Review 1996, 147; Rosenbloom, 53 Tax Law<br />

Review 2000, 137; Harter, International Tax Arbitrage: Is It a Problem?<br />

Whose Problem Is It?, 41 Tax Management Memorandum, Apr. 24,<br />

2000, 139; Ring, One Nation Among Many: Policy Implications of Cross-<br />

Border Tax Arbitrage, 44 Boston College Law Review 2002, 79; Shaviro,<br />

Money on the Table?: Responding to Cross-Border Tax Arbitrage, 3<br />

Chicago Journal of International Law 2002, 317; Kane, Strategy and<br />

Cooperation in National Responses to International Tax Arbitrage, 53<br />

Emory Law Journal 2004, 89; Shaviro, More Revenues, Less Distortion?<br />

Responding to Cross-Border Tax Arbitrage, 1 NYU Journal of Law and<br />

Business 2004, 113; Boyle, BTR 2005, 527; Rosenzweig, Harnessing the<br />

Costs of International Tax Arbitrage, 26 Virginia Tax Review 2007, 555;<br />

Avi-Yonah, Tax Competition, Tax Arbitrage, and the International Tax<br />

Regime, Bulletin for International Taxation 2007, 130 = Public Law and<br />

Legal Theory Working Paper Series, Working Paper No. 73 (January<br />

2007); siehe zuletzt auch Kofler/Kofler in FS Djanani 381 (381 ff).<br />

184) Rosenbloom, 53 Tax Law Review 2000, 137 /137 ff, insb 147 und<br />

154).<br />

185) Siehe zu den entsprechenden Argumenten Kofler/Kofler FS Djanani<br />

381 (396 ff mwN).<br />

186) So der deutsche Gesetzesentwurf zur Anzeigepflicht von Steuergestaltungen<br />

(Stand: 25. 6. 2007) sowie BR-Drs 544/1/07, 64 ff, der<br />

aber letztlich nicht in das Jahressteuergesetz 2008 (dBGBl 2007 I<br />

3150) aufgenommen worden. Vgl dazu etwa Kessler/Eicke, Anzeigepflicht<br />

<strong>für</strong> Steuergestaltungen nach § 138a AO durch das JStG<br />

2008 – Transparente Perspektiven <strong>für</strong> die Finanzverwaltung, BB 2007,<br />

2370 (2370 ff).<br />

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471


472 ÖStZ 1. Oktober/Nr. 19 Artikel-Nr. 917 Artikelrundschau<br />

Finanzverwaltung dadurch ermöglicht werden, „ legale, jedoch<br />

unerwünschte Gestaltungen früher als bisher [zu] erkennen und<br />

entsprechende Maßnahmen auf Verwaltungsebene [zu] ergreifen<br />

oder Maßnahmen gesetzgeberischer Art “ anzuregen. 187) Dennoch<br />

bleibt festzuhalten, dass das Phänomen der internationalen<br />

Steuerarbitrage mehr und mehr in den Fokus der nationalen<br />

Gesetzgeber rückt und Staaten wie die USA, das Vereinigte<br />

187) Siehe die Begründung zu § 138a AO des Gesetzesentwurfs zur Anzeigepflicht<br />

von Steuergestaltungen (Stand: 25. 6. 2007), und BR-Drs<br />

544/1/07, 69.<br />

Die Autoren:<br />

Univ.-Prof. Dr. Tina Ehrke-Rabel, <strong>Institut</strong> <strong>für</strong><br />

<strong>Finanzrecht</strong>, Steuerrecht und Steuerpolitik<br />

an der Johannes-Kepler-Universität in Linz.<br />

Artikelrundschau<br />

Dr. Eva Drauschbacher/Dr. Christa Lattner<br />

Zeitraum: August 2009 – <strong>Teil</strong> 1<br />

Allgemeines – national, Gesetzesentwürfe,<br />

Steuerpolitik<br />

■ ÖStZ 2009/917, 472<br />

Übersicht über den Stand wichtiger aktueller<br />

Gesetzesvorhaben<br />

(RdW 2009, S. IV)<br />

Tabellarische Auflistung von im BGBl verlautbarten Gesetzen,<br />

von Gesetzesvorschlägen und Begutachtungsentwürfen – Stand<br />

5. 8. 2009.<br />

■ ÖStZ 2009/918, 472<br />

Zur Verschärfung der Quotenregelung ab der<br />

Veranlagung 2007<br />

(Pülzl, SWK 22/2009, T 171)<br />

Ab dem Veranlagungsjahr 2007 wurde die Quotenvereinbarung<br />

um das einzelfallbezogene Kriterium der Übermittlung bestimmter<br />

Erklärungen über Finanzonline erweitert („subjektbezogene<br />

Quotenanpassung“). In diesem Zusammenhang stell(t)en sich<br />

neben zahlreichen Übergangsproblemen auch viele grundlegende<br />

Fragen. Eine davon wird im Beitrag aufgegriffen.<br />

■ ÖStZ 2009/919, 472<br />

Steuern: Rückgang um über fünf Prozent im ersten<br />

Halbjahr<br />

(SWK 23/24/2009, T 177)<br />

Königreich oder Australien Vorreiterrollen übernommen haben;<br />

vor allem dem „Joint International Tax Shelter Information<br />

Centre“ (JITSIC) dieser drei Staaten und Kanada wird in die-<br />

sem Bereich erhebliche Bedeutung zugeschrieben. 188) Überdies<br />

bleibt abzuwarten, ob internationale Steuerarbitrage zukünftig<br />

vermehrt in das Blickfeld internationaler Bemühungen innerhalb<br />

der OECD rückt. 189)<br />

188) Siehe dazu zB Boyle, BTR 2005, 527 (533 ff).<br />

189) Siehe diesbezüglich vor allem die „Seoul Declaration“ (Sept. 2006) und<br />

das nachfolgende „Cape Town Communiqué“ (Jan. 2008), abrufbar<br />

unter www.oecd.org.<br />

Univ.-Prof. DDr. Georg Kofler,<br />

LL.M., lehrt und forscht an der Johannes-<br />

Kepler-Universität Linz und ist Mitarbeiter<br />

in der Abteilung <strong>für</strong> Internationales<br />

Steuerrecht im BMF.<br />

Laut einer APA-Meldung sind die Steuereinnahmen bis Juni<br />

hinter das erste Halbjahr 2007 zurückgefallen, wobei die Körperschaftsteuer<br />

um fast 30 % eingebrochen ist.<br />

■ ÖStZ 2009/920, 472<br />

Das Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz 2009<br />

(Schuschnigg, SWK 23/24/2009, W 95)<br />

Mit dem Beschluss über die neuen Bestimmungen des Antikorruptionsstrafrechts<br />

im öffentlichen Bereich hat der Gesetzgeber einer<br />

weit verbreiteten Rechtsunsicherheit Rechnung getragen und<br />

die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs wesentlich präzisiert.<br />

■ ÖStZ 2009/921, 472<br />

Rechts- und Praxisfragen zu Unternehmensanleihen<br />

(Thurnher/Meusburger, SWK 23/24/2009, W 101)<br />

Der Beitrag bereitet das Wesen der Anleihe sowie die rechtlichen<br />

und praxisrelevanten Fragen einer Anleihebegebung auf. Ziel ist<br />

es, die Anleihe interessierten Unternehmen und deren Beratern<br />

näher zu bringen.<br />

Allgemeines – international, EU-Recht,<br />

Auslandsbeziehungen<br />

■ ÖStZ 2009/922, 472<br />

Internationaler Rundblick<br />

(Schiebel/Nagy, RWZ 2009/66, S. 241)<br />

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