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<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong>


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

Auch Japan verfügte in der Zeit zwischen den Weltkriegen über Sperrballoneinheiten.<br />

1938 - tschechoslowakische Soldaten führen einen Sperrballon zum Aufstiegsort.


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

In ihrer B-Ausgabe vom 28. Juli 1979 überschrieb<br />

"Die Welt" einen vierspaltigen Beitrag mit der<br />

Schlagzeile "Vor Ballons versagt die Spürnase".<br />

Die Unterzeile "Als Kopilot auf Übungsflug im<br />

Atombomber FB-lIl über Maine" machte deutlich,<br />

was der Autor H. Joacbim Maitre damit meinte:<br />

Im Verlaufe seiner Reportage über den Mitflug<br />

in diesem Überschall-Kampfflugzeug beschreibt<br />

er dessen hervorragende technischenAusstattungen<br />

sowie Gefechtseigenschaften. Dabei<br />

beantwortet er seine selbst gestellte Frage, welche<br />

Waffen die FB-ln heute zu fürchten habe, so:<br />

"Sperrballons. Die Spürnase der Effbee versagt<br />

vor dünnen Drähten". Die möglicherweise ob ihrer<br />

Kuriosität gewählteArtikelüberschrift verdeut -<br />

lichte schlagartig ein Problem, mit dem sich Experten<br />

der Luftverteidigung international gesehen<br />

nach dem 2. Weltkrieg immer mal wieder beschäftigt<br />

haben: Die Taktik aller Jagdbombereinsätze<br />

LITERATUR<br />

-Bowen, Ezra: Kampfflieger des ersten Weltkrieges,<br />

EltviUe 1983 Dokumentation Das m. Reich -<br />

Ein Volk, ein Reich, ein Führer, Hamburg 1989<br />

-Ege, Lennart: Ballone und Luftschiffe 1783-1973,<br />

Zürich 1973<br />

-Groehler, Olaf: Geschichte des Luftkrieges,<br />

Berlin 1981<br />

-Lenotti, Wolfram, Dr. (Gesamtgestaltung): Rot­<br />

Weiß-Rot zur Luft, Wien 1957<br />

-Nemecek, Vaclav: Vojenska Letadla 1, Prag 1974<br />

-PloetzA.G.: Geschichte des Zweiten Weltkrieges,<br />

Würzburg 1960<br />

TITELBILD<br />

Beobachtungsballon mit getarnter Hülle im<br />

Frontbereich. Auch hier ist die Motorwinde auf<br />

einem Zweiachshänger installiert.<br />

Rechts: Kugelballon, wie er vor dem J. Weltkrieg als<br />

Frei- und aLs FesseLballon auch in DeUTschLand<br />

üblich war.<br />

© Copyright, 1996<br />

Alle Rechte, auch die des a uszugsweisen Nachdrucks,<br />

beim PODZUN-PALLAS -V ERLAG GmbH,<br />

Kohlhäuserstr. 8<br />

61200 WÖLFERSHEIM-BERSTADT<br />

Tel. 0 60 36 / 94 36 - Fax 0 60 36 / 62 70<br />

Verantwortlich für den Inha lt ist der Autor.<br />

Gesamtredaktion: Sicgfried Brcycr, Postf. 1136,<br />

63401 Hanau (Für Beantwortung Ihrer Fragen<br />

bitte einen frankierten Rückumschlag beifügen!)<br />

Technische Herstellung:<br />

Heinz Nickel Satz & Druck, 66482 Zweibrücken<br />

2<br />

VORWORT<br />

ging schließlich dahin, so tief wie möglich anzugreifen<br />

und damit das gegnerische Radar zu unterfliegen,<br />

den Fla-Raketen auszuweichen. Da wäre<br />

es für die jeweilige Luftverteidigung schon sehr<br />

hilfreich gewesen, mit dem in zwei Weltkriegen<br />

bewährten Mittel Sperrballon mindestens für eine<br />

große Verunsicherung der anfliegenden Besatzungen<br />

zu sorgen. Die Luftangriffsmittel wären so in<br />

eine größere Höhe gezwungen worden und somit<br />

leichter zu bekämpfen gewesen.<br />

Mit dem folgenden Heft soll wenigstens teilweise<br />

eine Lücke in der Literatur zum Thema Sperrballon<br />

an Beispielen ihrer Rolle in der Luftverteidigung<br />

von Hauptstädten geschlossen werden. Etwas<br />

ausführlicher wird dabei auf sowjetische<br />

Sperrballone eingegangen, da in der deutschsprachigen<br />

Literatur darüber so gut wie nichts zu<br />

finden ist.<br />

ISBN: 3-7909-0569-0<br />

Vertrieb:<br />

Podzun-Pallas-Verlag GmbH<br />

Kohlhäuserstr. 8<br />

61200 Wölfersheim-Berstadt<br />

Telefon: 0 60 36/94 36<br />

Telefax: 06036 / 6270<br />

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für Österreich:<br />

Pressegroßvertrieb Salzburg<br />

5081 Salzburg-Anif<br />

Niederalm 300<br />

Telefon: 06246 / 37 21<br />

Verkaufspreis für Deutschland: 14,80 DM,<br />

Österreich: 116,- Schilling, Schweiz 15,80 srr.<br />

Für den östcrreichischen Buchhandel: Verlagsauslieferung Dr. Hain,<br />

Industriehof Stadlau, Dr. Olto·Neurath-Gasse 5, 1220 Wien


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

J<br />

I<br />

Um die lahrhundertwende führten Schiffe mehrerer Länder einen Fesselballon mit, um<br />

die Sichtweite und damit die Aufklärungsmöglichkeit zu vergrößern. Das Foto zeigt das<br />

Ballonschiff ELBA.<br />

Ein 1000-m J -Drachenbalion wird am Boden gehalten - die Sandsäcke sind gut zu erkennen (etwa /9/4/15).<br />

3


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

DIE ENTWICKLUNG DES FESSELBALLONS BIS 1918<br />

In den Streitkräften der wichtigsten Industrieländer<br />

sind bis zum Ende des 19. Jahrhunderts mehr<br />

oder weniger einsatzbereite Formationen entstanden,<br />

die den Ballon als Mittel zur Aufldärung der<br />

gegnerischen Linien und dahinter liegender Gebiete<br />

sowie zum Leiten des eigenen Artilleriefeuers<br />

verwenden sollten. Ihre eigentliche "Feuertaufe"<br />

bestanden diese Luftschiffer-Formationen im<br />

Verlaufe des 1. Weltkrieges überwiegend erfolgreich.<br />

Für die Bedeutung der gefesselt aufgelassenen<br />

Ballone spricht die Tatsache, daß ihr Abschuß<br />

der Vernichtung einer gegnerischen Jagdmaschine<br />

gleichgesetzt wurde. Um ein Beispiel zu nennen:<br />

In der Liste der deutschen Flieger-Asse nimmt<br />

Hauptmann Heinrich Gontermann mit 39 Abschüssen<br />

den 13. Platz ein. Tatsächlich hat er 18<br />

BaUone und 21 Flugzeuge abgeschossen.<br />

So verwundert es also nicht, daß Beobachtungsund<br />

Feuerleitballone häufig durch Flak-Sperren<br />

oder Jagdflugzeuge gesichert wurden. Da die Autoren<br />

Joachim Dressel und Manfred Griehl diese<br />

Thematik bereits im Waffen-Arsenal Band 149<br />

(' 'Deutsche Fessel- und Sperrballone/l900 -1945" ;<br />

PODZUN-PALLAS-Verlag 1994) behandelt haben,<br />

kann hier auf eine Wiederholung der internationalen<br />

Ballon-Geschichte verzichtet werden.<br />

Hervorgehoben seien lediglich die folgenden Feststellungen<br />

zum bis 1918 erreichten technischen<br />

Entwicklungsstand:<br />

Bis etwa zur Mitte des 1. Weltkrieges hatte der<br />

längliche, besser in der Luft "stehende" und auch<br />

bei höheren Windgeschwindigkeiten verwend ba-<br />

re Ballon (System Bartsch-Sigsfeld: Drachenwirkung<br />

durch schräge Anstellung des zylindrischen<br />

Körpers mit BaUonet unter dem Heck zum<br />

Prallhalten des Ballons) den kugelf6rmigen verdrängt.<br />

Nach dem Vorbild der ab Juli 1916 durch<br />

die Engländer und Franzosen verwendeten<br />

Caquot-Fesselballone entstand der deutsche AE­<br />

BaUon, mit dem die kaiserlichen Luftschiffer-Formationen<br />

ab Herbst 1916 ausgestattet wurden. Im<br />

Grunde genommen stellte der von Hauptmann<br />

Albert Cacquot geschaffene, am Heck mit drei luftgefüllten,<br />

voneinander um 120 0 versetzten Steuersäcken<br />

ausgestattete französische BaUon eine Wei·<br />

terentwicklung des deutschen DrachenbaUons dar.<br />

Der nach einem erbeuteten Caquot-BaUon entstandene<br />

deutscheAE-Iyp und sein französisches Vorbild<br />

waren gewissermaßen die Basis für die noch<br />

im 2. Weltkrieg von allen Streitkräften verwendeten<br />

Ballon-Muster, wobei der Sperrballon eigentlich<br />

ein Fesselballon ohne Korb und ohne Besatzung<br />

ist.<br />

Bis zur Entwicklung des Caquot-Ballons waren<br />

auch alle anderen Voraussetzungen geschaffen<br />

worden, um den Fesselballon in großem Umfang<br />

militärisch verwenden zu können:<br />

Die Industrie war in der Lage, die benötigten<br />

Ballone zu produzieren (schwerpunktmäßig in<br />

Deutschland Firma August Riedinger, Augsburg;<br />

in Großbritannien Arsenal Woolwich/London,<br />

Chatham in Kent; in Frankreich im Arsenal<br />

Chalais-Meudon). Wasserstoffentwicklungsanlagen<br />

standen ebenso zur Verfügung wie Behälter<br />

Im Gemäldefe.stgehalten: Angriff eines deutschen Jagdflugzeuges auf einen franzäsischen Fesselballon.<br />

4


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

Luftschifftrupp 20 (Darmstadt) mit einem Drachenballon.<br />

D<br />

C r<br />

Drachenballon von Parseval-Sigsfeld im Prinzip -<br />

oben mit leerem, unten mit gefülltem Ballonett. Es<br />

bedeuten: A-Steuersack, B-Ballonett, C-Gasraum, D­<br />

Ventilleine, E- Ventil, F-2. Ventilleine, G-Füllansatz,<br />

H-Füllansatzfür Ballonett, 1-Ventil zum Füllen des<br />

Steuersackes, K-Entleerungsventil des Ballonetts, L­<br />

Entleerungsschlauch des Steuersackes.<br />

E<br />

Prof Dr. Dr. August von Parseval (1861-1942)<br />

erhielt 1893 für den gemeinsam mit Hans<br />

Bartsch von Sigsfeld (1861-1902) konstruierten<br />

Drachenballon ein Reichspatent.<br />

5


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

aus Stahl oder Gewebe zum Gastransport sowie<br />

mobile Motorwinden zum schnellenAuflassen und<br />

Einholen der Ballone (wichtig: Wetteränderung,<br />

Fliegerangriffe). Darüber hinaus waren die Ballone<br />

selbst am Boden beweglich - mit Hilfe von Fuhrwerken,<br />

Lastkraftwagen oder Eisenbahnwaggons.<br />

Selbst auf Schiffen waren sie zu finden. Beispielsweise<br />

erhielt die französische Marine bis zum 1.<br />

Juli 1918 insgesamt 200 Caquot-Ballone der Typen<br />

P (750 m 3 ) und P2 (820 m 3 , für größere Schiffstypen).<br />

Diese Vorbemerkungen sollten deutlich<br />

werden lassen, daß alle Voraussetzungen - Herstellung,<br />

Logistik, Erfahrung der Truppe - vorhanden<br />

waren, um bei Notwendigkeit ein neues<br />

Kampfmittel der Luftverteidigung in Form des<br />

Sperrballons entstehen zu lassen.<br />

Ion vor dem Start.<br />

Eine österreichischeFesselballonabteilung<br />

bestand<br />

J 9 J 4 aus 6 Offizieren,<br />

48 Mann, 8<br />

vierspännigen<br />

Wagen (6 für je 20<br />

Gasflaschen, 1 für<br />

. ·


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

Von Anfang an wurde, international<br />

gesehen, Wert darauf gelegt,<br />

die Motorwinden für die<br />

Fesselballone mobil zu halten.<br />

Nach und nach wichen die zunächst<br />

pferdebespannten Modelle<br />

den motorisierten. Diese russische<br />

pferdebespannte Einachs-Motorwinde<br />

hat noch eine von der<br />

Feldartillerie übernommene<br />

Protze.<br />

Russische Motorwinde "Stella"<br />

von 1915.<br />

Russische Motorwinde 11 Adsundsa"<br />

mit 22,5-kW-Motor, in mehreren<br />

Serien gebaut und von 1914 bis<br />

/9/8 von Balloneinheiten verwendet.<br />

Französische Motorwinde von<br />

Renault.<br />

Motorwinde für Sperrballone von<br />

der gleichen Firma, jedoch auf<br />

Halbkettenfahrzeug.<br />

7


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

PASSIVES KAMPFMITTEL BALLONSPERRE<br />

Gelegentlich kam es im Verlaufe der Kriegsjahre<br />

beimAngriff auf dieAufklärungsballone dazu, daß<br />

ein HaIteseil oder auch der Ballon selbst vom angreifenden<br />

Flugzeug gestreift wurde. Auch andere<br />

ungewollte "Berührungen" von Flugzeug und<br />

BallonlHalteseil dürften gelegentlich aus den verschiedensten<br />

Gründen zustande gekommen sein.<br />

Ob diese "Zusammentreffen" den Gedanken beeinflußt<br />

haben, gefesselte Ballone als Sperren in<br />

der Luft zu verwenden, ist nicht dokumentiert.<br />

Überliefert ist hingegen, daß die Italiener bereits<br />

ab 1916 Sperrballone zum Schutz von Venedig vor<br />

den Angriffen österreichiseher Flugzeuge verwendeten.<br />

Dazu ließen sie 120 Ballone unterschiedlichen<br />

Typs um und in der Stadt auf. Der äußere<br />

Ring mit 80 Ballonen befand sich bis zu 14 km vom<br />

Stadtzentrum entfernt, die restlichen 40 Ballone<br />

wurden in diesem selbst bis zu einer Höhe von 1500<br />

m aufgelassen. Die außen stehenden Ballone nahmen<br />

eine unterschiedliche Höhe ab 150 m ein. Sie<br />

waren nicht untereinander verbunden. Es ist nicht<br />

Der militärische Ballon hat für Venedig bereits J 849<br />

eine Rolle gespielt, allerdings noch nicht für die<br />

Verteidigung. Die zeitgenössische Zeichnung weist<br />

auf Österreichs damaligen Versuch hin, die Lagunenstadt<br />

mit Hilfe von 200 unbemannten Ballonen zu<br />

bombardieren. Es traf aber wohl nur eine Bombe das<br />

Fort St. Andre, ohne großen Schaden anzurichten.<br />

8<br />

belegt, ob oder wieviele von den angreifenden Flugzeugen<br />

zumAbsturz gebracht wurden. Offensichtlich<br />

haben sich die Sperren aber zumindest auf die<br />

Moral der Besatzungen dahingehend ausgewirkt,<br />

daß sie höher anflogen. Damit sank natürlich einerseits<br />

die Treffgenauigkeit (man bedenke das<br />

damalige'fransportvermögen an Bomben, die Motorleistung<br />

sowie die Flughöhe!) und andererseits<br />

ergaben sich für die aktive Luftabwehr (Flak, Jäger)<br />

im Verbund mit den passiven (Scheinwerfer,<br />

Richtungshörer) günstigere Vernichtungsmöglichkeiten.<br />

Die Italiener reagierten auf die Versuche<br />

der österreichischen Maschinen, die Ballonsperren<br />

zu überfliegen, mit dem Auflassen bis zu<br />

einer Höhe von 3000 m. Daß die auch um die Städte<br />

Ferrara, Ancona, Grado, Trent und Brindisi aufgelassenen<br />

Ballonsperren die Angriffe der österreichischen<br />

Flieger beeinflußt haben müssen, ist<br />

durch eine Zahl belegt: Am 23. Juli 1917 gingen<br />

vier Flugzeuge der Donaumonarchie durch italienische<br />

Ballonsperren verloren.<br />

Prinzip des Tandem-Ballons.<br />

Schema einer sehr aufwendigen Ballonsperre aus der<br />

Zeit des J. Weltkrieges.


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

"SCHÜRZEN" AM HIMMEL VON LONDON<br />

Von den italienischen Erfolgen mit Ballonsperren<br />

beeinflußt wurde in Frankreich geplant, nach diesem<br />

System 150Abteilungen mit je 10 Ballonen zu<br />

schaffen und sie um wichtige Zentren zu gruppieren.<br />

Obwohl bis zum Kriegsende nur noch/ und<br />

70 dieser Abteilungen mit 750 Ballonen in den<br />

Dienst gestellt werden konnten, haben sie durch<br />

ihre Konzentration um Paris dazu beigetragen,<br />

Frankreichs Hauptstadt in der letzten Phase des<br />

Krieges vor schweren Luftangriffen zu verschonen.<br />

Ballonsperren gab es auch bei Nancy,<br />

Dünkirchen und Neuves-Maison (20 km hinter der<br />

Front).<br />

Der französische Sperrballon Typ N (Füllung 155<br />

m 3 , bei Aufstieg in die Maximalhöhe von 2000 m:<br />

216 m 3 , Stahlseil 4 mm; Ausführung mit 3-mm­<br />

Seil bis auf 4000 m und als Verbesserung bis auf<br />

5000 m) konnte mit einem weiteren Ballon zum<br />

Tandem N/NN gekoppelt werden. Diese Kombination<br />

war bis zu einer Höhe um 3000 m und ei-<br />

ner Windgeschwindigkeit von 12 mls verwendbar.<br />

Als deutsche Flugzeuge nach den wenig erfolgreichen<br />

Bombenangriffen der Luftschiffe ab 1917<br />

begannen, am Thge und in der Nacht Ziele in Großbritannien<br />

anzugreifen, wurde auch dort die Luftverteidigung<br />

durch das passive Mittel Sperrballon<br />

verstärkt. Zahlreiche Experimente führten zu<br />

einer völlig neuen Form - der Netzsperre: Je drei<br />

Ballone wurden untereinander durch 450 m lange<br />

Stahltrossen verbunden, von denen aus alle 23 m<br />

ein etwa 300 m langes leichtes Kabel nach unten<br />

hing Ge Netz um 40 Kabelenden). Diese auch als<br />

"Schürze" bezeichnete Sperre wurde in eine Höhe<br />

von 2500 bis 3000 m aufgelassen, womit ein Überfliegen<br />

für damalige Verhältnisse nur sehr schwer<br />

möglich war. Diese ab Juli 1917 erprobten Netzsperren<br />

hatten im Sommer 1918 um London eine<br />

Gesamtlänge von 82 km. NachAngaben von Fachleuten<br />

war zumindest die psychologische Wirkung<br />

auf die angreifenden Flugzeugbesatzungen nicht<br />

: .... \.<br />

So könnte eine "Schürze" am Himmel von London im Jahre 1918 ausgesehen haben.<br />

9


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

zu unterschätzen. In Verhören sagten gefangengenommene<br />

deutsche Piloten aus, sie hätten diese<br />

Sperren sehr gefürchtet. Allein das Dasein dieser<br />

Sperren habe eine große psychologische Wirkung<br />

gehabt: Jeder Flugzeugführer vermied peinlichst,<br />

in die Ballonsperre zu fliegen und mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />

abzustürzen.<br />

Obwohl sich diese Ballonsperren inmitten dichtbesiedelter<br />

Räume befanden, wurde die Bevölkerung<br />

nicht über ihren wirklichen Zweck informiert,<br />

vielmehr wurden sie mit einer großen Geheimnistuerei<br />

umgeben.<br />

Deutschland wendete erst ab Januar 1918 intensiv<br />

den Sperrballon in der Luftverteidigung an,<br />

als sich die französisch-britischen Luftangriffe auf<br />

die Industriegebiete an Mosel und Saar, Freiburg,<br />

Mannheim und Köln - teilweise auch gegen Essen,<br />

Hamburg und München häuften. Gab es Ende<br />

1916 neben 500 Flak-Geschützen, 47 Scheinwerfern<br />

und 82 Abfangflugzeugen lediglich 5 Sperrballone,<br />

so änderten sich die Zahlen bis zum 30.<br />

September 1918 wie folgt (Zahlen in Klammern -<br />

Stand Ende 1917): 896 (626) Flak-Geschütze, 454<br />

(447) Scheinwerfer, 170 (77) Flugzeuge und 327<br />

(279) Sperrballone. Erwähnt werden muß noch,<br />

daß die vor allem um wichtige Werke in Luxemburg<br />

sowie im Saar- und im Moseltal stationierten<br />

10 Luftsperrabteilungen auch über 209 Sperrdrachen<br />

verfügten. (1916: 10, 1917: 146). Diese<br />

Sperrdrachen dürften einfacher und billiger als<br />

die Ballone herzustellen gewesen sein, aber nicht<br />

deren Steighöhen erreicht haben. Außerdem ver-<br />

langte der Drachenaufstieg günstige Windverhältnisse<br />

(um es vorweg zu nehmen: in den<br />

Sperrabteilungen der deutschen Luftwaffe spielte<br />

der Drachen noch im 2. Weltkrieg eine kleine Rolle).<br />

Nach dem 1. Weltkrieg blieb der Sperrballon noch<br />

längere Zeit im Bestand der Luftverteidigung mehrerer<br />

Länder, so auch in der Japans und Rumäniens.<br />

Die Streitkräfte Polens und der Tschechoslowakei<br />

- beide Staaten waren nach dem 1. Weltkrieg<br />

entstanden - werteten die Kriegserfahrungen<br />

aus und fühlten sich veranlaßt, in bescheidenem<br />

Maße ebenfalls Sperrballon-Fonnationen aufbauen<br />

zu müssen. Polen orientierte sich damals, wie<br />

im Militärwesen überhaupt, an Frankreich (das<br />

polnische Werk WBS produzierte bis 1938 nach<br />

französischen Lizenzen 200 Tandemballone N und<br />

NN). Die Tschechoslowakei dagegen bemühte sich,<br />

aus dem Nachlaß der zerbrochenen Donaumonarchie<br />

Österreich-Ungarn Ballone und weiteres<br />

Material zu erhalten. Die Luftverteidigung<br />

Österreichs war nach der Zunahme der Luftangriffe<br />

mehnnotoriger italienischer Bomber ab 1915<br />

zunehmend verstärkt worden. Bei Kriegsende<br />

umfaßte sie neben 100 Flugwachen, 14 FlugnachrichtensteIlen<br />

sowie drei Zentralen insgesamt 30<br />

Batterien mit je vier Fla-Waffen (Kanonen und<br />

Maschinengewehre), sechs Fla-MG-Kompanien<br />

mit je 30 MG, 30 Jagdflugzeugen und die Heimatschutzkompanie<br />

1 mit 35 Sperrballonen (Hersteller:<br />

Firma Semperit Wien).<br />

SO GUT WIE UNVERÄNDERT IN DEN 2. WELTKRIEG<br />

In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen haben<br />

sich die Luftfahrzeuge überhaupt und die militärischen<br />

ganz speziell in jeder Hinsicht stark<br />

weiterentwickelt. Der Sperrballon bzw. die Ballonsperre<br />

dagegen ist so gut wie unverändert in die<br />

Luftverteidigungsarsenale der am 2. Weltkrieg<br />

beteiligten Staaten aufgenommen worden. Technische<br />

Modernisierungen betrafen vor allem das<br />

Material, die Winden und das Zubehör. In<br />

Deutschland - hier waren durch den Versailler<br />

Vertrag selbst Luftfahrzeuge leichter als Luft, also<br />

auch Ballone, verboten - beschäftigte sich die<br />

Reichswehr unter der üblichen Geheimhaltung mit<br />

dem Projekt Sperrballone/Sperrdrachen. Den<br />

Schutz durch Fla-Waffen ergänzend waren sie<br />

dafür gedacht, große Objekte - so wichtige Werke<br />

und Verkehrszentren - gegen Tieffiiegerangriffe zu<br />

schützen. Mit dem Aufbau der Wehrmacht und<br />

damit der Luftwaffe (offIzieller Gründungstag: 26.<br />

Februar 1935) sind die Arbeiten an dem Projekt<br />

10<br />

Luftsperrwesen zwar fortgeführt, aber offensichtlich<br />

nicht gerade besonders intensiviert worden:<br />

Aus dem 1935 gebildeten Sperrballon-Versuchszug<br />

war bis Mitte 1939 mit der Luftsperrbatterie<br />

Bad Saarow nahe Berlins lediglich ein aktiver Verband<br />

entstanden. Hinzu kamen drei Reserve-Luftsperrabteilungen<br />

sowie eine Luftsperr-Ersatzbatterie.<br />

Mit der Unterstellung der Flakartillerie<br />

vom Heer zur Luftwaffe (1. April 1935) gehörte<br />

auch der Luftsperrdienst zu Görings Befehlsbereich.<br />

Bevor ausführlicher auf die Rolle von Sperrballonen<br />

bzw. Ballonsperren während des 2. Weltkrieges<br />

in Großbritannien, Deutschland und in der<br />

Sowjetunion eingegangen wird, sei erwähnt, daß<br />

auch Frankreich, Japan, Rumänien und die USA<br />

vor dem 2. Weltkrieg über Sperrballon-Einheiten<br />

verfügten. Die Informationen zu diesem Thema<br />

sind leider sehr spärlich, obwohl es sehr viele Veröffentlichungen<br />

zum Luftkrieg 1939 bis 1945 gibt.


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

Oben: Ausbildung an ZK-Fesselballonen im Ballon­<br />

Zentrum Parris IslandiSouth Carolina des US-Marine<br />

Corps im 2. Weltkrieg.<br />

Polnischer Sperrballon NN. Im Mai 1919 begann in<br />

Polen der Aufbau von Balloneinheiten, der 1920<br />

abgeschlossen war undfünf Formationen umfaßte,<br />

die sich vor allem auffrühere Luftschiffhallen stützten.<br />

Verwendet wurde erbeutetes deutsches sowie<br />

importiertes französisches Material. J 926 begann die<br />

Produktion militärischer Ballone für Aufklärungsund<br />

für Sperraufgaben in Polen.<br />

Rechts: In der Zeit zwischen den Weltkriegen gab es<br />

in mehreren Ländern verschiedene Projekte, Ballone<br />

nicht nur passiv in der Luftverteidigung zu verwenden.<br />

Vielmehr gingen die Vorschläge dahin, den<br />

wasserstoffgefüllten Ballon als eine Art Luftmine zu<br />

benutzen.<br />

Unten: Dieses Projekt einer Luftmine sah vor, die aus<br />

der Meteorologie bekannten Pilotballone mit je einem<br />

200 g schweren Körper (Durchmesser 6 bis 8 cm) zu<br />

behängen, der J 14 g Sprengstoff aufnimmt. Beim<br />

Berühren eines Luftfahrzeugs sollte einer der vier<br />

Stoßzünder aktiviert werden.<br />

11


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

FRANKREICH<br />

Nach den Angaben des "PLOETZ" verfügte lediglich<br />

die Marine über mehrere Sperrballon-Abteilungen<br />

(neben vier Klein-Luftschiffen und mehreren<br />

Beobachtungsballonen auf Vorpostenschiffen).<br />

Bei der Flakartillerie der HeimatIuftverteidigung<br />

werden zwar Scheinwerferabteilungen<br />

erwähnt, jedoch keine Sperreinheiten.<br />

Die Zeitschrift "Die Wehrmacht" berichtete in<br />

ihrer Ausgabe 1/39 (S. 14), die französische Regierung<br />

habe dem Generalrat des Seinedepartements<br />

auf seinen Vorschlag zur Aufstellung einer besonderen<br />

Ballonsperrtruppe zum Schutz von Paris<br />

einen ablebnenenden Bescheid erteilt mit der Begründung,<br />

daß dazu 3000 Sperrballone mit einem<br />

Mannschaftsbestand von etwa 40 000 Mann nötig<br />

seien und sich die Kosten auf rund zwei Milliarden<br />

Francs beliefen.<br />

-<br />

Winston S. Churchill schreibt in seiner Dokumentation<br />

"DER ZWEITE WELTKRIEG" (Scherz Verlag,<br />

Bem München Wien 1995; Seite 908) zur Rolle von<br />

Sperrballonen bereits in der Vorbereitung der In vasion<br />

in der Normandie: "Es erschien höchst unwahr-<br />

12<br />

•<br />

USA<br />

Da die USA bei Kriegsbeginn noch über keine<br />

selbstständige Luftwaffe, sondern nur über Heeres-Luftstreitkräfte<br />

verfügten, gehörten die vorhandenen<br />

8 Ballonstaffeln (nicht getrennt nach<br />

Aufklärungs- und Sperrballonen) zu den Armeekorps.<br />

In den Gliederungen der Flak-Formationen von<br />

1939 (8 aktive Regimenter, 10 Regimenter und 2<br />

selbständige Bataillone der Nationalgarde für den<br />

KriegsfaJl) gab es keine Sperrballone. Mit Kriegsbeginn<br />

hatten dann - obwohl kaum mit Fliegerangriffen<br />

zu rechnen war - sechs BaJlonstaffeln den<br />

Schutz von Basierungen und Depots der US-Marine<br />

zu übernehmen. Unterstellt war der Sperrballondienst<br />

der US-Streitkräfte der Armee und<br />

dem Marine Corps.<br />

Während des Krieges lief bei Goodyear in den 'USA<br />

die Großproduktion des Ballon-Modells ZK, das<br />

auf der Basis des britischen Typs "L.Z." entwikkelt<br />

worden war. Der "L.Z." wiederum basierte<br />

auf dem französischen Caquot-Ballon von 1915.<br />

Bereits hier sei erwähnt, daß die Flotte von 7000<br />

Schiffen und Booten bei ihrer Landung in Nordfrankreich<br />

am 6. Juni 1944 durch zahlreiche Sperrballone<br />

(Ballon-Kommando mit 4000 Mann) gegen<br />

Tieffiieger abgeschirmt wurde.<br />

" Bei der Bildung von Brückenköpfen an feindlich<br />

besetzten Küsten haben die Alliierten oft Teile ihres<br />

Ballon-Kommandos eingesetzt -auf Sizilien und<br />

am italienischen Festland ebenso wie auf Korsika<br />

und SaJerno, am Persischen Golf und bei Suez.<br />

scheinlich, daß all diese Bewegungen zu Land und zu<br />

See der Aufmerksamkeit des Feindes entgehen würden.<br />

Sie boten seiner Luftwaffe so viele verlockende<br />

Ziele, daß wir jede nur erdenkliche Abwehrmaßnahme<br />

ergriffen. Siebendtausend Geschütze und<br />

Raketenwerfer und über tausend Ballone dienten zum<br />

Schutz der großen Soldatenmassen und ihrer Fahrzeuge",


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

Oben und Unten: Die Fotos auf den Seiten 12 und 13 zeigen, daß die<br />

Schiffe und Boote in der Operation "Overlord" auch bei der Überfahrt<br />

von Großbritannien nach Frankreich sowie während der gesamten<br />

Anlandung durch eine große Anzahl von Sperrballonen gegen Tiefflieger<br />

gedeckt wurden.<br />

--<br />

13


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

DIE HILFSFLIEGERTRUPPE GROSSBRITANNIENS<br />

BEGINN MIT DER BALLON EINHEIT NO. 30<br />

In Großbritannien sind offensichtlich gerade noch<br />

rechtzeitig die drohenden Zeichen des herannahenden<br />

Krieges erkannt worden. Waren 1938 im Bestand<br />

der Luftverteidigung 320 Flak-Geschütze im<br />

Kaliber 7,5 cm, 1430 Scheinwerfer und 140<br />

Sperrballone verfügbar, so verstärkte ein Programm<br />

im Umfang von 46 Millionen Pfund Sterling<br />

den Schutz gegen Luftangriffe um 1246 schwere<br />

und 1200 leichte Flak-Waffen, 4704 Scheinwerfer<br />

und etwa 500 Sperrballone. Nachdem man den<br />

Sperrballonen in den 20er und 30er Jahren - wie<br />

in einigen anderen Ländern auch - keine wesentliche<br />

Beachtung mehr geschenkt hatte, schuf die<br />

Royal Air Force am 17. März 1937 speziell für den<br />

Schutz Londons eine erste Sperrballoneinheit.<br />

Unter der Nr. 30 war sie zunächst Teil des Kommandos<br />

der Jagdflieger. Im Jahr darauf (1.11.1938)<br />

wurde sie unter Vizeluftmarschall O.T. Boyd Teil<br />

des neuen und selbständigen Ballonkommandos.<br />

Die Hallen der ehemaligen Königlichen Luftschiffwerke<br />

wurden in eine Ballonversuchsanstalt umgewandelt,<br />

und Salisbury sowie Cardington bildeten<br />

die Ausbildungsstätten für die zehn Sperrballonabteilungen,<br />

die auf die Ballonzentren<br />

Kidbrooke (Nr. 1), Hook (Nr.2), Stanmore (Nr. 3)<br />

und Chigwell (Nr. 4) verteilt waren. Jede Abteilung<br />

hatte etatmäßig 13 Offiziere, 602 Unteroffiziere<br />

und Mannschaften in vier Zügen mit je 15<br />

Sperrballonen. Zunächst war vorgesehen, für jede<br />

Abteilung ein Stammpersonal von 100 Mann der<br />

aktiven RoyalAir Force zu bilden. Später schränkte<br />

man das Stammpersonal auf einen Offzier und<br />

64 UnteroffizierelMannschaften ein. Sie bildeten<br />

Freiwillige aus, mit denen der Bestand aufgefüllt<br />

wurde.<br />

Als die neue Sperrballon truppe im Herbst 1938<br />

ihr erstes Manöver mit zahlreichen Ballonaufstiegen<br />

auf eine Höhe von 1500 m über Regent- und<br />

Beim Aufbau der britischen Sperrballoneinheiten wurde großer Wert auf die Vollmotorisierung gelegt. Einer<br />

der Schlepper f ührte die zum Auffüllen der Ballone notwendigen Wasserstoff- Flaschen mit.<br />

14


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

Hydepark, am Tower und an der Themse veranstaltete,<br />

zeigte sich bereits eine Tücke: FünfBaIlone<br />

rissen sich durch den böigen Wind los, wobei die<br />

nachschleppenden Kabelenden Kurzschlüsse bei<br />

Stromleitungen sowie weitere Schäden verursachten.<br />

Am nächsten Tag wurden zwei der Ballone<br />

nahe der dänischen Küste aus der Nordsee geborgen.<br />

Daß auch andere Gefahren drohten, hatte sich<br />

bereits am 17. September 1937 gezeigt, als bei einer<br />

Übung in der Nähe von Cardington durch<br />

Blitzeinschlag vier der zehn aufgelassenen<br />

Sperrballone zerstört wurden.<br />

Davon unbeschadet ging der Ausbau der Sperrballontruppe<br />

weiter vor sich. Geplant waren zu<br />

jener Zeit Ballonsperren für Birmingham, Bristol,<br />

Cardiff, Glasgow, Manchester, Liverpool, Newcastle,<br />

Plymouth, Sheffield und Southampton.<br />

Mit Kriegsbeginn am 3. September 1939 umgab<br />

London bereits eine Sperre aus 444 Ballonen. Die<br />

Industrieanlagen und/oder Häfen, die Mündung<br />

Im Rahmen der ersten Sperrballonübung<br />

/938 wurde dieser<br />

Ballon in der Londoner City<br />

aufgelassen. Nach damaligen<br />

Angaben dauerten das Füllen<br />

und das Auflassen eines Ballons<br />

in eine Höhe von rund<br />

5000 m etwa 30 min. Frankreich<br />

besaß zu jener Zeit mit<br />

dem Ballon "Arie/" den besten<br />

Typ. Bei Windstille soll er auf<br />

6500 m, bei starkem Wind auf<br />

rund 6000 m gestiegen sein.<br />

Die französischen KabeltrommeIn<br />

nahmen ein 4 mm starkes<br />

Spezialseil von 7500 m Länge<br />

auf<br />

der Themse sowie anderer wichtiger Wasserstraßen<br />

(Behinderung des Legens von Minen aus der<br />

Luft) wurden durch weitere 180 Ballone gesichert.<br />

Zu jener Zeit wurde zwischen stationären (große<br />

Ballone, Höhe bis 6000 m) und mobilen (kleinere,<br />

bis 600 m Höhe, aufgelassen von Motorfahrzeugen<br />

und Schiffen bzw. Kähnen) Sperrballonen<br />

unterschieden.<br />

Die Aufgabe der Ballone wurde darin gesehen, besonders<br />

wichtige und empfindliche Ziele vor Sturzkampffiugzeugen<br />

und Tieffiiegern zu schützen.AIs<br />

wesentlich wurde dabei der moralische Effekt auf<br />

die Besatzungen der angreifenden Maschinen - vor<br />

allem in der Dunkelheit - gesehen.<br />

Nach der Form der Anordnung von Ballonen um<br />

Städte und andere Flächenziele oder um Fabrik-,<br />

Bahn- und Hafenanlagen sowie weitere Punktziele<br />

gab es Ring-, Schachbrett- oder Nadelkissensperren.<br />

Haupttypen waren der Sperrballon MK-VI<br />

mit einem Fassungsvermögen von 76 m 3 und der<br />

MK-VII mit 540 m 3 •<br />

15


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

16<br />

.. Sill da HlllptquJrli.1 des fight. Comm-oo<br />

6 Sitz des Hauplquarti.s da Graup Comm .. d<br />

x Au;p(all des fight« CommlOd<br />

Eine britische Sperrballoneinheit<br />

in der früheren<br />

Luftschiffhalle. Mit den F akrzeugen<br />

ließen sich die aufgefüllten<br />

Ballone schnell in die<br />

vorgesehene Position bringen.<br />

Jeder LKW trug die Motorwinde<br />

und die Kabeltramme l.<br />

Im Falle einer Verlegung fand<br />

auch die Ballonhülle auf der<br />

Ladefläche Platz. In der Vorkriegsplanung<br />

waren 600<br />

Sperrballone für den Schutz<br />

Londons vorgesehen. Sie<br />

sollten mit einem Zwischenraum<br />

von 100 m hochgelassen<br />

werden und so einen Raum mit<br />

einem Durchmesser von etwa<br />

16 km um Charing Craß<br />

decken.<br />

Unten: Die Ballonsperren im<br />

System der britischen Luftverteidigung<br />

mit Stand August<br />

1940.<br />

R_hauplJtlliCII<br />

Ktnnamm. des jMlilill'" Ab$dIninl<br />

Dwrdl eillOllljlllTlfl gachÜtll. Slädt.<br />

TlIllIMlnplinim zwisctt.J .., AbsdInin ..<br />

2 STAfFEUI ZIIII .. JlgIbtlfltln im Absdtnin<br />

16 ZtIII cIIr sdIw ... RakglsdlÜlu bIi S'illt",. AugpliTltll U$W,


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

Wie wichtig die Sperrballone waren, wird durch<br />

Aussagen deutscher Flugzeugbesatzungen bestätigt.<br />

Bereits während des Frankreichfeldzuges war<br />

ein deutsches Flugzeug bei Le Havre an das Stahlkabel<br />

eines Ballons geraten und abgestürzt, den<br />

eine britische Einheit aufgelassen hatte.<br />

Einige Hinweise auf die Wirksamkeit der britischen<br />

Sperrballone im Mutterland sind in dem<br />

Buch von UlfBalke (Der Luftkrieg gegen England<br />

und über dem Deutschen Reich 1941-1945, Teil 2<br />

von: Der Luftkrieg in Europa; Koblenz 1990) zu<br />

finden. Danach konnte beispielsweise die Besatzung<br />

einer Do 217 beim Angriff auf einen Geleitzug<br />

den Ballonen nur durch sofort eingeleiteten<br />

Messerflug entgehen, weil ein Ruf des Funkers den<br />

Piloten noch rechtzeitig warnen kounte. Gelegentlich<br />

wurden nach Berichten der Besatzungen auch<br />

die 20 bis 30 um wichtige Fabrikanlagen gruppierten<br />

Sperrballone rechtzeitig entdeckt - so von einer<br />

Do 217 am 1J2. September 1941. Nach einem<br />

Angriff vom 8. Dezember 1941 berichtete eine<br />

Bomberbesatzung, ihnen wäre durch starke Flakabwehr,<br />

Scheinwerfer und auf 1800 m stehende<br />

Sperrballone keine Wirkungsbeobachtung ihrer<br />

Bomben möglich gewesen. Am 28. Februar 1942<br />

schaffte eine Do 217 gerade noch den Rückflug,<br />

nachdem sie im Tieffiug mit dem Tragflügel ein<br />

Schulmäßiger Aufstieg britischer Sperrballone 1938.<br />

ACHTUNGISPERRBALLONI<br />

Sperrballonseil durchschlagen hatte. Gelegentlich<br />

konnten andere Besatzungen den Absturz ihrer<br />

Kameraden durch eine Ballonsperre sehen und<br />

nach der Landung melden - so geschehen am 9.<br />

Mai 1942 im K.G.2. Häufig machte die Konzentration<br />

von Sperrballonen das Angriffsverfahren<br />

der deutschen Verbände zunichte, die ihre Bomben<br />

im starken Gleitflug abwarfen. Am 27. Juli<br />

1942 erlebte eine Bomberbesatzung, wie ein daumendickes<br />

Seil zwischen Rumpf und rechtem Motor<br />

etwa 10 cm weit in den Tragflügel schnitt,<br />

schließlich riß und noch Löcher in Tragfläche und<br />

Höhenleitwerk schlug. Einige Piloten berichteten<br />

- nach glücklicher Heimkehr oder auch in britischer<br />

Gefangenschaft-, daß sie beim plötzlichen<br />

Ausweichmanöver vor den Scheinwerferstrahlen<br />

mit Ballonseilen in Berührung gekommen sind.<br />

Auch Begegnungen mit Sperrballonen in einer<br />

Höhe von 3000 m waren üblich.<br />

Als Abwehrmaßnahme gegen die Ballone wurden<br />

für die Bomber mehrere Arten von Zerschneidern<br />

oder Abweisern der Kabel entwickelt und erprobt.<br />

Durchgesetzt hatte sich keines dieser Geräte - zu<br />

schwer, zu materialaufwendig, zu teuer. Übrigens:<br />

ähnliche Versuche der britischen und der sowjetischen<br />

Luftstreitkräfte wurden ebenfalls ergebnislos<br />

abgebrochen.<br />

17


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

Aus gut organisierten britischen LuJtabwehrzentren wurden die lagdverbände und die Flak sowie alle Aktivitäten<br />

- darunter auch die Sperrballonaufstiege - geleitet.<br />

An der Küste gefangen genommener deutscher Flieger - möglicherweise war ihm ein Sperrballon zum Verhängnis<br />

geworden.<br />

Heinkel He 111 H-8 mit Sondergerät zum Durchschneiden<br />

von Ballonkabeln.<br />

18<br />

Auch diese lu 88 A-6 trug einen Ballon-Abweiser.


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

Sperrballon der i940 im<br />

Bestand der 945. RAF­<br />

Abteilung formierten<br />

polnischen Ballonstaffel.<br />

Sie war im Verlaufe des<br />

Krieges mit<br />

Sperrballonen der<br />

britischen Typen LZMK­<br />

V und VII sowie der<br />

Modelle MK VIll und XII<br />

aus den USA ausgerüstet.<br />

Die aus 6 Offizieren<br />

und 488 Mannschaften<br />

bestehende polnische<br />

Einheit war am Hafen<br />

von Glasgow (i2 Posten)<br />

ebenso im Einsatz wie<br />

bei der V-i-Abwehr von<br />

London (22 Posten).<br />

FRAUEN ERSETZTEN GROSSBRITANNIENS BALLON-MÄNNER<br />

Insgesamt umfaßte das britische Sperrballon­<br />

Kommando 47 Staffeln (allein für London 10) mit<br />

etwa 2100 Sperrballonen (während des Höhepunktes<br />

der "Luftschlacht um England" etwa 2300 bis<br />

2500) und 28 000 Mann. Im Jahre 1942 traten viele<br />

Frauen der W.A.A.F. (Women's Auxiliary Air<br />

Force) an die Stelle des männlichen Personals. Wie<br />

Fachleute berichten, haben sie sich trotz schwerster<br />

Belastungen - so häufige Luftangriffe, Probleme<br />

mit der Verpflegung der weit abseits gelegenen<br />

Posten - hervorragend bewährt.<br />

Eine besondere Bedeutung kam den britischen<br />

Sperrballonen zu, als am 12.113. Juni 1944 der<br />

Eine V-i im Anflug auf London.<br />

Beschuß Londons mit der V-I begann. Nach englischen<br />

Angaben gelangten von den etwa 8000<br />

Flügelbomben (im Durchschnitt 80 Tage lang täglich<br />

100) um 29% bis London selbst. Von den restlichen<br />

71 % konnten 279 (nach anderen Angaben:<br />

232 V-I) mit Hilfe der 1750 Einheiten umfassenden<br />

Ballonsperre um London vernichtet werden.<br />

Offiziell ist das britische Ballon-Kommando am<br />

5. Februar 1945 mangels Bedarf aufgelöst worden.<br />

Dennoch deckten Ballon-Einheiten Montgomerys<br />

Verbände bei den Kämpfen in Holland und am<br />

Rhein.<br />

Einer der rund 2000 zur Abwehr<br />

der V-i verwendeten Sperrballone<br />

um London.<br />

19


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

Füllung eines Ballons der 8.<br />

Ballonabteilung 1920 auf der<br />

Krim. Oben: Rechts der Gasbehälter.<br />

Mitte: Ob an der<br />

Front oder bei Festen (hier<br />

Flugplatz Moskau zum Tag der<br />

Luftflotte am 2. August /918<br />

mit einem Ballon der J.<br />

Ballonabteilung) - Ballone<br />

waren in Rußland und in der<br />

Sowjetunion beliebt. Unten:<br />

Gasholder 1919 im Fußmarsch<br />

an die Front.<br />

23


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

24


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

Linke Seite: Unveröffentlichte Fotos<br />

von 1925 aus dem Ausbildungszentrum<br />

Kunzewo nahe Moskau der 1.<br />

Ballonabteilung: Hier Gaserzeugung<br />

in und Gastranspart von Kunzewo<br />

zum Artillerie-Schießgelände.<br />

Diese Seite: Aufstieg eines Fesselballons<br />

am Dorf Tokarewo in der Nähe<br />

des Schießplatzes (Mitte).<br />

Unten: Zur Ausstattung von Kunzewo<br />

gehörten auch kugelförmige Freiballone.<br />

Die Vielzahl von Ballonaktivitäten der<br />

Roten Armee erleichterte den schnellen<br />

Aufbau von Sperrballoneinheiten<br />

kurz vor und während des 2. Weltkrieges.<br />

25


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

26<br />

Oben: Angehörige der 1.<br />

Ballonabteilung der Roten<br />

Annee bereiten einen Fesselballon<br />

zum Aufstieg vor. Im<br />

Vordergrund ist das vollgummibereifte<br />

Fahrzeug mit der<br />

Motorwinde zu erkennen.<br />

Aufstieg eines kugelförmigen<br />

Freiballons 1925 nahe Kunzewo<br />

im Dorf Tokarewo. Beide<br />

Fotos verdeutlichen den großen<br />

Bedarf an Bedienungspersonal<br />

für den Ballonaufstieg jeder<br />

Art.


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

Do 17/Ju 88 im Mai 1993 nach 50 Jahren Trennung<br />

in Gotha zu einem Treffen zusammenkamen,<br />

spielte in den Erinnerungen "Wißt ihr noch_ .. "<br />

auch die Frage "Habt Ihr noch die Sperrballone<br />

um Moskau vor Augen?" eine Rolle (Siehe Luftwaffen-Revue<br />

3/93, S. 67: Generation ohne Beispiel).<br />

Doch zurück zum Herbst 1941: Die mit der<br />

immer näher rückenden Front anwachsenden<br />

Bombenangriffe führten dazu, daß die Ballone<br />

nicht nur in jeder Nacht, sondern auch am Tage -<br />

besonders bei bedecktem Himmel - aufgelassen<br />

wurden. Da von den Posten zahlreiche Soldaten<br />

für die Front abgezogen werden mußten, trafen<br />

ab November 1941 in einer kurzen Vorschulung<br />

vorbereitete Frauen bei den Ballon-Einheiten ein.<br />

Zunächst verblieben noch die Offiziere, die Posten­<br />

Chefs, die Maschinenführer und deren Gehilfen<br />

in ihren Funktionen.<br />

Nach und nach sind aber auch diese Stellen bei<br />

den Ballon-Posten oft mit Frauen besetzt worden.<br />

Mit Beginn der Luftangriffe waren nur die Anflugrichtungen<br />

von Norden und Nordwesten<br />

(9.SBR) sowie von Westen und Süden durch<br />

Sperrballone gesichert. Da die Luftwaffe versuchte,<br />

die Stadt zu umfliegen und auch von Osten her<br />

anzugreifen, ist im Frühjahr 1942 mit dem 13. SBR<br />

(Oberstleutnant W.M. Schewtschenko) ein dritter<br />

Sperrballon-Verband für Moskaus östliche Seite<br />

aufgebaut worden.<br />

28<br />

Nach Kriegsbeginn versahen viele Frauen und Mädchen<br />

den verantwortlichen Dienst in den Luftbeobachtungs-<br />

und Luftmeldeposten (russ. Abk.: WNOS). Ihre<br />

präzisen Informationen trugen dazu bei, daß die<br />

Sperrballone rechtzeitig aufgelassen werden konnten.<br />

Unten: Ein sowjetischer Sperrballon und das Windenfahrzeug<br />

- ein leichter Lkw GAZ-AA.


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

Die nur aus Frauen und Mädchen bestehende Bedienung eines sowjetischen Sperrballonpostens ist angetreten.<br />

Unten: Zur moralischen Unterstützung der Moskauer Bevölkerung ausgenutzt - der Absturz eines deutschen<br />

Bombers Junkers Ju 88, an dem vielleicht auch ein Ballonseil beteiligt war.<br />

30


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

Zu dieser Zeit war die sowjetische Dezember-Offensive<br />

schon dahingehend wirksam geworden,<br />

daß sich die Lage auch für die Luftverteidigung<br />

Moskaus etwas entspannt hatte. Jedoch setzten die<br />

harten KriegslWintermonate den Ballon-Posten<br />

arg zu:<br />

Erwiesen sich die Halteseile der Ballone an sich<br />

schon als nicht immer genügend fest, um ein sie<br />

nur streifendes Flugzeug ernsthaft zu beschädigen<br />

(daher auch die Versuche mit Minen am Seil), so<br />

brachten es Stürme und klirrende Fröste ab OktoberlNovember<br />

1941 mit sich, daß die Halteseile<br />

oft brachen, die Ballone sich selbständig machten.<br />

Allein in einer Nacht zu Aufang Oktober 1941 flogen<br />

dem 9. SBR 40 Ballone davon, beim 1. SBR<br />

waren es gar 50 Prozent. Zwar wurden fast alle<br />

wieder gefunden, das war aber zeit- und materialaufwendig,<br />

zudem mußten die Ballone noch repariert<br />

werden.<br />

Leichte Abhilfe brachten die Instruktionen an die<br />

Postenkommandeure dariiber, wie die richtigen<br />

Eiustellwinkel der Ballone vor dem Auflassen zu<br />

erreichen, wie die Winden zweckmäßig zu belasten<br />

sind (Gerätekontrolle über starkes Ansteigen<br />

der Zugkraft). Begonnen wurde, dem Meteorologischen<br />

Dienst stärkere Beachtung zu schenken:<br />

Jedes Regiment richtete einen Posten ein, der die<br />

Wetterverhältnisse in der Höhe der Sperrballone<br />

mit Hilfe daran befestigter Radiosonden registrierte.<br />

Sie gaben alle 15 min. Angaben über Temperatur,<br />

Druck und Windgeschwindigkeit durch. Spä·<br />

ter wurden derartige meteorologische Posten auf<br />

der Abteilungsebene eingerichtet.<br />

Im Zusammenhang mit dem Problem Trossenbruch<br />

sei ein Zwischeufall erwähnt, der sich am 6.<br />

Dezember 1941 im l.SBR ereignet hatte, und der<br />

in die Annalen der sowjetischen Luftverteidigung<br />

eingegangen ist:<br />

Beim Einholen eines Ballous gerieten dem Maschinisten<br />

an der Winde Eissplitterchen von der Stahltrosse<br />

in die Augen. Dadurch verwirrt achtete er<br />

weder auf Winde noch auf Trosse. An der Rolle<br />

entstand ein Knoten, die Trosse riß, und der Ballon<br />

begann zu steigen. Postenfiihrer Sergeant (Unteroffizier)<br />

Dimitri Weligura konnte gerade noch<br />

blitzschnell eine der vom Ballon herabhängenden<br />

Leinen (dienen zum Trausport auf der Erde) ergreifen.<br />

Doch allein ließ sich der Ballon - immerhin<br />

30 m lang und mit einem Durchmesser von 6<br />

rn-nicht halten. Er stieg mit dem Mann am Seil.<br />

Einen Moment später war es zum Absprung zu<br />

spät. Der Wind trug den Ballon in etwa 150 m Höhe<br />

mit Frontrichtung davon. Unter großen Mühen<br />

gelang es Weligura, sich bis zum mit dem Ablaßventil<br />

verbundenen Seil hochzuhangeln und Gas<br />

VOM SPERRBALLON MITGERISSEN<br />

abzulassen. Nach etwa 110 km war er wieder auf<br />

der Erde, um zunächst als vermeintlicher Spion<br />

gefangen genommen zu werden. Als sich alles aufgeklärt<br />

hatte, war der Rotbannerorden Lohn für<br />

Findigkeit und Tapferkeit.<br />

Neben dem Trossenbruch stellte sich die Gasversorgung<br />

der Ballon-Posten als ein weiteres Problem<br />

heraus. Zu großen Schwierigkeiten kam es, weil<br />

die Anzahl der Gasflaschen nicht ausreichte. So<br />

sah sich die Führung gezwungen, Soldaten zum<br />

manuellen Transport der benötigten Mengen in<br />

Gasholdern (Behälter aus Gewebe) über Entfernungen<br />

von 20 bis 25 km einzusetzen. Da die<br />

Zu jener Zeit noch wichtiges Mittel zur Klärung der<br />

Luftlage - ein Trichterhärer, mit dem grob die Anflugrichtung<br />

von Luftfahrzeugen zu bestimmen war.<br />

31


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

tenen Engpässe in der Gaserzeugung zu beseitigen.<br />

Nach sowjetischen Nachkriegs-Veröffentlichungen<br />

sind die 445 Moskauer Ballonposten, die es auf dem<br />

Höhepunkt der Kämpfe gab, schachbrettartig<br />

unter Berücksichtigung der deutschen Anflugrouten<br />

verteilt worden. Die einzeln stehenden<br />

Ballone hatten einen Abstand von 1 km zueinander,<br />

die Tandemballone von 1,5 km. Den Erinnerungen<br />

Beteiligter ist zu entnehmen, daß eine gewisse<br />

Zeit verstreichen mußte, bis die Ballon-Stellungen<br />

richtig verteilt waren: Örtliche Bedingungen<br />

der einzelnen Stadtteile mußten ebenso berücksichtigt<br />

werden wie das Vorhandensein von<br />

markanten Punkten, nach denen sich die angreifenden<br />

Flugzeugbesatzungen richten konnten.<br />

Als festgestellt wurde, daß der ballonfreie Moskwa­<br />

Fluß eine Einflugroute darstellte, wurden die<br />

Ballone umpostiert. Nicht selten ist es zunächst<br />

auch vorgekommen, daß sich die Haltetrossen<br />

beim Auflassen an den Glockentürmen der Kirchen,<br />

an Fabrikschornsteinen oder sonstigen hohen<br />

Gebäuden verlingen, sich eng benachbarte<br />

Ballone mit ihren Trossen verhedderten.<br />

Allein im Dezember 1941 sind Moskaus Sperrballone<br />

an 28 Tagen aufgelassen worden. Sie befanden<br />

sich dabei 314 Stunden in der Luft. Insgesamt<br />

wurden im Raum Moskau an 268 Tagen<br />

Sperrballone aufgelassen.<br />

Beim Zusammenstoß mit den Trossen sind sieben<br />

Abstürze feindlicher Flugzeuge registriert worden,<br />

und in 17 Fällen mußten beschädigte Flugzeuge<br />

nach dem Berühren von Trossen oder Ballonen<br />

notlanden.<br />

Noch ein Wort zum Zusammenwirken der einzelnen<br />

Mittel in der Moskauer Luftverteidigungszone:<br />

Das Vorfeld und die Hauptanflugstrecken<br />

der deutschen Bomber sicherten die Jagdflieger<br />

sowie die Flak-Verbände. Weit vorn begann die<br />

Aktionszone der Jäger. Sie reichte bis zum Feuer-<br />

Auch in anderen Städten diente der Abschuß von Flugzeugen - hier einer Heinkel He Hf in Stalingrad - des<br />

schier übermächtigen Feindes, um die Moral der schwer leidenden Bevölkerung zu heben,<br />

33


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

bereich der Flak, in den die Jäger höchstens bei<br />

der Verfolgung eines wichtigen Zieles einfliegen<br />

durften. Der dichte Flak-Gürtel sowie die aufgelassenen<br />

Ballone in den einzelnen Luftabwehrzonen<br />

waren der Grund, daß in diesen Bereichen<br />

in der Regel keine Luftgefechte stattfanden. Die<br />

Jagdflieger waren über die jeweilige Höhe der aufgelassenen<br />

Sperrballone informiert. Diese wurden<br />

üblicherweise vor der Morgendänunerung eingezogen,<br />

um das Starten und Landen von Maschinen<br />

auf den Moskauer Flugplätzen nicht zu behindern.<br />

Offiziell wurde der Sperrballon als passives<br />

Mittel in der sowjetischen Luftverteidigung<br />

so beurteilt: "Die Hauptbedeutung der Sperrballone<br />

bestand darin, daß sie den Bombern die<br />

Möglichkeit versperrten, aus geringen Höhen zu<br />

34<br />

, '<br />

.,<br />

handeln, wodurch die Treffsicherheit beim<br />

Bombenwurf aufEinzeIprojekte wesentlich verringert<br />

worden war ..• " schrieb Oberstleutnant d. R.<br />

Dipl.-Ing. E. Chasanow im Militärhistorischen<br />

Journal (Moskau Heft 8n7).<br />

Inoffiziell heißt es, daß die am Himmel stehenden<br />

Ballone ebenso wie das Sperrfeuer der Flak für<br />

die stark in Mitleidenschaft gezogene Bevölkerung<br />

eine Art moralische Stütze darstellen sollte und es<br />

auch tatsächlich war.<br />

Der Chasanow-Artikel schließt übrigens mit folgender<br />

Feststellung: "Die wissenschaftlich-technische<br />

Revolution bietet große Möglichkeiten für die<br />

Verbesserung der Sperrballone, der Vergrößerung<br />

ihrer Steighöhe bei der Verwendung neuer, leichterer<br />

und festerer Materialien".<br />

Neben Sperrballonen wurden<br />

von de r Sowjetarmee während<br />

des gesamten Krieges auch<br />

Beobachtungs· und<br />

Feuerleitballone der Artillerie<br />

verwendet. Bis auf die Gondel<br />

waren die äußerlichen Unterschiede<br />

- siehe (oben) den<br />

Sperrballon 1941 über Leningrad<br />

I heute Petersburg - nicht<br />

sehr groß.<br />

Nach 1945 sind Fesselballone<br />

beibehalten worden. beispielsweise<br />

als kostengünstige<br />

Absprungplattjormen für die<br />

Ausbildung von Fallschirmspringern.<br />

(Hier (links) in den<br />

50er Jahren in de r Armee der<br />

Tschechoslowakei: ein sowjetischer<br />

Ballon mit dem gängigen<br />

LKW S1S-151 als Motorwinde).


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

Sperrballone gehörten in der UdSSR bereits vor<br />

Kriegsbeginn nicht nur zur Luftverteidigung der<br />

Hauptstadt. So gab es im Juni 1941 im westlichen<br />

Teil der UdSSR sechs Regimenter und zehn<br />

selbständigeAbteilungen, die mit Sperrballonen<br />

ausgerüstet waren. Außer Moskau hatten zu dieser<br />

Zeit Leningrad und Baku je zwei Sperrballon-Regimenter.<br />

Kiew, Riga, Odessa, Batumi,<br />

Villnius (Vilna), Kaunas, Lwow, Drogobitsche<br />

und Minsk wurden durch je eine selbständige<br />

Ballon-Abteilung gedeckt. In Sewastopol gab es<br />

einen zur Schwarzrneerflotte gehörenden<br />

Sperrballonverband. Er war für die Ballone der<br />

Luftverteidigung von HäfenJ-Flottenbasen ebenso<br />

zuständig wie für die auf den Kriegsschiffen<br />

mitgeführten und aufgelassenen Ballone vom<br />

Typ MAZ-I.<br />

Im Verlaufe des Krieges gab es zahlreiche Veränderungen<br />

(beispielsweise spielten Sperrballone<br />

auch im Raum Stalingrad eine Rolle), auf die hier<br />

aus Platzgriinden nicht eingegangen werden kann.<br />

Nur soviel: Das für die Luftverteidigung Lenin-<br />

LENINGRAD UND ANDERSWO<br />

grads zuständige 2. Luftverteidigungskorps verfügte<br />

über das 4. SBR (Major S. Lukjanow) und<br />

über das 11. SBR (OberstieutnantA. Toropow) mit<br />

insgesamt 297 Ballonposten (145 mit Einzel-, 152<br />

mit Tandem-Ballonen). Damit wurde ein Fläche<br />

von etwa 300 km 2 gedeckt. Da Leningrad bereits<br />

in den ersten Kriegstagen aus der Luft angegriffen<br />

worden ist, mußten die Posten sofort aktiv<br />

werden. Bekannt ist, daß versuchsweise eine aus<br />

drei Ballonen ("Triplet") bestehende Sperre eine<br />

Höhe von 6000 m erreichte. Auf dem Höhepunkt<br />

der Blockade verfügte Leningrad über insgesamt<br />

360 Sperrballone. Bei der Verteidigung Leningrads<br />

spielten Fesselballone für die Feuerleitung der<br />

Eisenbahngeschütze sowie der schweren Artillerie<br />

eine große Rolle. Wenig bekannt ist, daß<br />

die Sowjetarmee Ballone zur Feuerleitung bis<br />

zum Kriegsende verwendete. Beispielsweise<br />

wurden während der Abschlußgefechte im<br />

Kampf um Berlin in über 900 Fällen sowjetische<br />

Ballone aufgelassen, wobei sie 340 deutsche Artillerie-<br />

oder Feuerpositionen erkundeten und<br />

140 Schießkorrekturen ausführten.<br />

Die Originalunterschrift dieses Agenturjotas lautet: Fesselballons vor der lsaaks-Kathedrale während der<br />

900tägigen Belagerung Leningrads. Tatsächlich handelt es sich hier natürlich um Behälter Jür den Gastransport<br />

zu den Sperrballonen.<br />

36


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

I<br />

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,<br />

/<br />

In der Fachliteratur so<br />

gut wie nicht erwähnt -<br />

sowjetische Radarstation<br />

der Moskauer Luftverteidigung<br />

von J 94 J: Auf<br />

zwei Kfz GAZ-AA war<br />

die Funkmeßstation<br />

RUS-I (1939) untergebracht<br />

(oben).<br />

Die verbesserte RUS-2<br />

"Redoute" (1940, 1941<br />

modernisiert) benötigte<br />

nur noch ein Fahrzeug<br />

(unten). Folgende<br />

Parameter der RUS-I /<br />

RUS-2 sind bekannt:<br />

Arbeitsbereich 3,6 - 4/4<br />

m; Strahlungsleistung<br />

300 W/40 - 50 kW<br />

Auffassungsbereich 30/<br />

100 km. Mit den von den<br />

Radarstationen, den<br />

Horch- sowie den visuellen<br />

Meldeposten kommenden<br />

Informationen<br />

ergab sich ein relativ<br />

reales Bild über die<br />

tatsächliche Luftlage,<br />

was nicht zuletzt auch für<br />

die zweckmäßigen<br />

Ballonaufstiege wichtig<br />

war.<br />

\<br />

37


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

DEUTSCHLAND: LUFTSPERRFORMATIONEN ALS TEIL<br />

DER FLAKARTILLERIE<br />

Im bereits erwähnten PLOETZ wird zum Stichwort<br />

deutsche Sperrballone nur gesagt, daß sie<br />

ebenso wie die Sperrdrachen zum Bestand der<br />

Flakartillerie zählten.Auch im Kriegstagebuch der<br />

Wehrmacht sucht man vergeblich nach ausführlicheren<br />

Informationen zu diesem Bereich der deutschen<br />

Luftverteidigung. Betont wird lediglich, daß<br />

Ballone nicht zum dringenden Bedarf zählten. In<br />

der Dokumentation "DIE DEUTSCHE LUFT­<br />

WAFFE 1939-1945" vonA. Galland, K. Ries und<br />

R Ahnert (PODZUN-PALLAS 1987) wird sehr<br />

detailliert der Bestand der Flak-Artillerie aufgezählt<br />

- 21 193 leichte, 4800 mittlere und 113 260<br />

schwere Flak, 83 Fla-Raketenwerfer "Föhn", 2262<br />

Flakscheinwerfer aller Größen und 5559 Ringtrichter-Richtungshörer-,<br />

Sperrballone dagegen<br />

sind überhaupt nicht erwähnt.<br />

Irgendwie belegen allein diese Beispiele aus der<br />

Fachliteratur, welchen Stellenwert die Sperrballone<br />

in der Luftwaffe hatten. Tatsächlich sind<br />

die deutschen Sperrformation natürlich nicht bei<br />

dem vorn erwähnten Stand von einer aktiven Luftsperrbatterie<br />

in Bad Saarow (unterstand dem<br />

Luftflottenkommando 1 Berlin) sowie vier Ersatzbzw.<br />

Reserveformationen geblieben.<br />

Im Jahre 1939 wurden drei Luftsperrabteilungen<br />

gebildet, und 1940 kamen drei weitere hinzu. Offensichtlich<br />

ist ihre Anzahl ab 1941 unter dem Eindruck<br />

des Kriegsverlaufes erhöht worden, denn<br />

bis einschließlich 1943 kamen 18 weitere Abteilungen<br />

hinzu, von denen einige aber 1944 aufgelöst<br />

bzw. umgewandelt wurden. Die ortsfest stationierten<br />

oder mit Hilfe von Transportbatterien beweglichen<br />

bzw. verlegbaren Einheiten waren mit<br />

Ballonen im Fassungsvermögen 70 bis 200 m 3 ausgestattet.<br />

Generell ist festzustellen, daß die Führung der<br />

Luftwaffe in Hinsicht auf die Luftverteidigung<br />

Auch die Wehrmacht verzichtete nicht auf Richtungshörer,<br />

obwohl sich erste Radargeräte im Bestand<br />

befanden.<br />

38<br />

davon ausging, daß infolge der schnellen Besetzung<br />

der Nachbarländer und der Ausdehnung des eigenen<br />

Territoriums sowie der (vor Kriegsbeginn<br />

noch) geringen Reichweite der Bomber nicht mit<br />

massierten Luftangriffen auf Deutschland zu rechnen<br />

war.<br />

Die Erfolge gegen Polen und Frankreich schienen<br />

diese Ansicht zu bestätigen. Interessant ist in diesem<br />

Zusammenhang: An der 1935 gegründeten<br />

Luftkriegsakademie Berlin-Gatow galt die<br />

"LuftangritTslehre" bis 1943 als Hauptfach.AIs die<br />

"Taktik der Luftverteidigung" dann in das<br />

Lehrprogramm aufgenommen werden sollte,<br />

machte es große Schwierigkeiten, dafür geeignete<br />

FachleutelDozenten zu bekommen.<br />

Dennoch kann nicht gesagt werden, daß die Flugabwehr<br />

völlig unterschätzt worden ist. Immerhin<br />

umfaßte allein das für den Raum Berlin (von<br />

Oranienburg im Norden bis SchönefeldlErkner<br />

nach Süden; gehörte zum Luftgau ill) verantwo.rtliche<br />

Luftverteidigungskommando 1 im September<br />

1939 160 Flak-Geschütze 10,5 und 8,8 cm sowie<br />

200 Rohre im Kaliber 3,7 und 2 cm (Gesamtfläche<br />

Berlin 884 km'; 4 Mio. Einwohner;<br />

Rüstungswerke: 40 Flugzeugbau, 10 gepanzerte<br />

Fahrzeuge, 30 Artillerie- und Schützenwaffen sowie<br />

chemische Kampfstoffe, 50% der Sturmgeschützproduktion).<br />

Zur im September 1941 für die Luftverteidigung<br />

Berlins gebildeten 1. Flak-Division gehörten die<br />

Flak-Regimenter 22, 53 und 126 (264 schwere Flak,<br />

75% 8,8 cm), das Flak-Scheinwerfer-Regiment 82<br />

und die ill. Abteilung zur Luftverteidigung z.B. V.<br />

(zur besonderen Verwendung-Sperrabteilung),<br />

außerdem Fernmelde- und Transporteinheiten.<br />

Gegen Sperrballone in der Berliner Luftverteidigung<br />

soll es starke Vorbehalte gegeben haben, da<br />

man durch die aufgelassenen und möglicherwiese<br />

Und immer mal wieder ein deutscher Sperrdrachen.<br />

Dieses Fesselflugzeug O.D.R. 43 von Valentin<br />

Oesterle aus dem Zeitraum 1942/43 war ein<br />

Versuchsmodell. Es sollten größere Ausführungenfür<br />

Luftsperren folgen.


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

Originalseite aus einer Fliegerzeitschrift vom Oktober 1938 mitfolgenden Bildunterschriften: Bilder von den<br />

diesjährigen großen Herbstmanövem.<br />

Links oben nach unten: Der Führer trifft im Manävergelände ein. - Während eines Fliegerangriffs auf einen<br />

Fliegerhorst im Westen Berlins. - Mit Scheinwerfem und Horchgeräten wird der nächtliche Himmel nach Flugzeugen<br />

abgesucht.<br />

Rechts oben nach unten: Abwehr eines Aufklärungsflugzeuges. - Domier-Bombenjlugzeuge im Tiefanjlug. -<br />

Während des" Fliegerangriffs" aufBerlin verfolgen Reichskriegsminister Generalfeldmarschall von Blamberg,<br />

Ministerpräsident Generaloberst Gäring und General der Flieger Milch mit ihrem Stabe vom Dach des Reichsluftfahrtministeriums<br />

aus die Kampfhandlungen. Vom Sperrballon war während des Manövers noch keine Rede!<br />

(WK.)<br />

39


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

abgerissenen Ballone Behinderungen für den normalen<br />

Flugverkehr sowie sonstige Störungen aller<br />

Art befürchtete. Nach Zunahme der Bombenangriffe,<br />

die insbesondere unter Mitwirkung der<br />

US-Verbände durch hunderte Flugzeuge aus Höhen<br />

um 6000 m und darüber vorgenommen wurden,<br />

waren die Sperrballone durch ihre geringe<br />

Steighöhe für die Flächendeckung - so auch für<br />

die Berlins, hier begannen die massierten Angriffe<br />

im Sommer 1943 - ohnehin wirkungslos. Deswegen<br />

wurden dann Sperrballone durch die deutsche<br />

Luftverteidigung vor allem zum Schutz kleinerer<br />

Objekte - Indnstrieanlagen, Talsperren usw. - vor<br />

Tieffiiegern verwendet. Die gleiche Aufgabe, so die<br />

ursprüngliche Absicht, sollten Sperrballone gemeinsam<br />

mit Fla-Waffen gegenüber den Beobachtungs-<br />

und Feuerleitballonen der Artillerie erfüllen.<br />

Diese beiden Fotos erschienen im Dezember 1938 mitfolgendem Text in der deutschen Luftfahrtpresse: Daß<br />

auch die neue Luftwaffe nicht auf die " aufgeblasene Konkurrenz" verzichten kann, zeigen diese Bilder von<br />

einem neuen Deutschen Fesselballon, der anläßlich des Erntedan/ifestes auf dem Bückeberg zu sehen war. Der<br />

Fesselballon kurz vor dem Aufstieg.<br />

Foto aus demfriedensmäßigen Ausbildungsbetrieb einer Fesselballonbatterie der Wehrmacht im Jahre 1939:<br />

Die sorgfältig zusammengelegte Hülle wird auf eine Unterlage getragen, um den Ballon mit Gas zu füllen.<br />

40


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

Der Ballon ist f ertig zum Aufstieg, das Windenseil ist eingehakt, und die Soldaten halten den Ballon an den<br />

Seilen am Boden.<br />

Unten: Die Motorwinde ist auf einem Anhänger untergebracht, als Zugmittel dient ein Halbkettenfahrzeug.<br />

41


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

42<br />

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Oben: Das Einholen<br />

des Ballons durch die<br />

Haltemannschaft wird<br />

geübt .<br />

Eine Ballonhülle wird<br />

entfaltet. Um die empfindliche<br />

Hülle zu schonen, trägt<br />

die Bedienungsmannschaft<br />

Schuhe mit weichen Sohlen.


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

Auch Ballon-Beobachter<br />

und Spezialisten zum Leiten<br />

des Artilleriefeuers aus der<br />

Luft wurden im bestimmten<br />

Umfang noch zur Friedenszeit<br />

ausgebildet.<br />

Links:<br />

Zweiachsiger<br />

Sonderanhänger mit Motorwinde.<br />

Friedensmäßig<br />

werden rot-weiße Windsäcke<br />

in festgelegten Abständen an<br />

der Trosse befestigt, um<br />

eigenen Fliegern den Standort<br />

des Ballons anzuzeigen.<br />

43


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

Rechts: Der Korb für die Beobachter wird an diesen Sperrballon gehängt: Für die Bedienungsmannschaften<br />

bedeutete es keine großen Unterschiede, ob sie für die Fesselballolle zu Beobachtungs- oder zu Sperrzwecken<br />

ausgebildet wurden.<br />

44<br />

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<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

Abschluß des<br />

Ausbildungstages -<br />

der Ballon" marschiert"<br />

in die<br />

Halle.<br />

Vorposten- und Sicherungsboot der KriegsmLlrine<br />

mit Sperrballon, bestückt mit einer 75-mm- und<br />

zwei 37-mm-Flak sowie einem 20-mm-Vierling.<br />

Weil ab 1943 über See keine wirksame Luftdeckung<br />

mehr geflogen werden konnte, waren die<br />

in der östlichen Ostsee operierenden Einheiten<br />

bis an die Grenze ihrer Seetüchtigkeit und Tragfähigkeit<br />

mit Fla-Waffen in den Kalibern 13 bis 105<br />

mm bestückt. Um genügend gegen die gefürchteten<br />

Tie.ffl.ieger der sowjetischen Marine gewappnet<br />

zu sein, wurden zusätzlich Raketen-Abschuß­<br />

Gerüste (RAG) für Drahtseil-Geschosse sowie<br />

Flammenweifer und Sperrballone mitgeführt.<br />

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß<br />

Sperrballone bei der Sicherung der alliierten<br />

Geleitzüge eine nicht unwichtige Rolle spielten.<br />

So gehärten am 29. Juni 1941 zum Schutz eines<br />

aus 44 Handelsschiffen bestehenden alliierten<br />

Geleitzuges drei Zerstörer, mehrere Jagdflugzeuge<br />

und acht Sperrballone. Insgesamt sind zum<br />

Schutz der Seeverbindungen von den Alliierten<br />

fast 5000 Kampfschiffe, etwa 2000 Flugzeuge<br />

und 200 Fesselballone verwendet worden.<br />

45


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

Insgesamt sind folgende Luftsperrabteilungen<br />

formiert (Angaben nach: "Die Verbände der<br />

Luftwaffe 1935-1945", Herausgeber Wolfgang<br />

Dierich; Verlag Heinz Nickel, Zweibrücken<br />

1993) worden:<br />

1939<br />

201: aufgestellt im Luftgau IV Dresden, eingesetzt<br />

im Luftgau VI Münster, ab 1940 im<br />

Luftgau XI (Wilhelmshaven, Hamburg).<br />

202: aufgestellt im Luftgau IV Dresden, eingesetzt<br />

zunächst im Luftgau XI (Kiel); in den<br />

Westen verlegt, 1944 aufgelöst.<br />

203: aufgestellt im Luftgau m Berlin, eingesetzt<br />

im Luftgau XI; der Stab fungierte dort zeitweilig<br />

als "Inspizient der Luftsperrverbände"<br />

dieses Luftgaus, später in BelgienINordfrankreich<br />

stationiert.<br />

1940<br />

204: nach AufstellunglEinsatz im Luftgau VII<br />

München (Oberndorf), dann im Luftgau<br />

XII (Mannheim), 1944 aufgelöst.<br />

205: aufgestellt im Luftgau rv, eingesetzt im<br />

Luftgau XII, dann im Luftgau XI (Kiel),<br />

1944 aufgelöst. -<br />

206: aufgestellt im Luftgau rv, eingesetzt im<br />

Luftgau XI, 1944 aufgelöst.<br />

1941<br />

101: aufgestellt und eingesetzt im Luftgau m<br />

Berlin, 1944 im Luftgau VI wirksam.<br />

102: nach Aufstellung im Luftgau m zum Luftgau<br />

VIII und mit diesem im gleichen Jahr<br />

nach Rumänien verlegt und später Gerät<br />

an rumänische Armee übergeben; 1945<br />

unter der 13_ Flakdivision an der Westfront<br />

im Einsatz.<br />

103: aufgestellt und eingesetzt im Luftgau VI<br />

Münster.<br />

104: aufgestellt und eingesetzt im Luftgau m<br />

Berlin, außerdem noch im Luftgau IV<br />

Leipzig.<br />

105: aufgestellt und eingesetzt im Luftgau XVII<br />

Wien.<br />

106: -aufgestellt und eingesetzt im Luftgau VI.<br />

107: zunächst in Frankreich eingesetzt, 1942/43<br />

im Luftgau IIIJIv.<br />

1942<br />

207: aufgestellt in Westfrankreich, vernichtet<br />

und 1944 neu aufgestellt, zuletzt am<br />

Atlantik.<br />

208: Einsatz im Luftgau XI.<br />

664: aufgestellt im Luftgau VI, im Westen eingesetzt.<br />

Über die 1943 (961, 962) und 1944 (963) aufgestellten<br />

Abteilungen ist nur bekannt, daß sie bis 1944<br />

wieder aufgelöst worden sind, also kaum eine Rolle<br />

gespielt haben können.<br />

Mit Zunahme der alliierten Luftangriffe auf das Reichsgebiet ab 1942 wurden verstärkt Sperrabteilungen um Berlin,<br />

Hamburg und Bremen, im Ruhr- und Saargebiet ( Foto) sowie an anderen wichtigen Stellen konzentriert. Als die<br />

Angriffe die Ballonhöhe von 900 bis 2200 überstiegen, verloren diese Sperren ihren Wert. Bei der Zunahme der<br />

TIejJliegerangriffe ab 1944 wären Ballonsperren wichtig gewesen, doch dazu fehlte die eigene Deckung aus der Luft-<br />

46


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

Der Sperrballon ist nach dem 1. Weltkrieg verschrottet,<br />

im 2. Weltkrieg erneut verwendet und<br />

danach wieder verschrottet worden. Inwieweit eine<br />

Renaissance bei Fortbestehen der Militärbliicke ins<br />

Auge zu fassen gewesen wäre, deutete das Beispiel<br />

mit der FB-l11 im Vorwort an. Thtsächlich spielt<br />

der Fesselballon auch heute noch - wenn auch auf<br />

eine völlig andere Weise - eine gewisse Rolle: Seit<br />

1987 bietet die USA-Finna TCOM Corporation<br />

Fesselballone vom Typ STARS (Länge erste Muster:<br />

25 mund 31 m; Tragfähigkeit 110 bzw. 250<br />

kg) als Träger von Antennen und/oder von<br />

Frühortungsradars an. Ein derartiger - allerdings<br />

60 m langer - Fesselballon entdeckte am 2. August<br />

1990 um 2 Uhr in der Nacht den Aufmarsch der<br />

irakischen Panzer- und Fahrzeugkolonnen vor<br />

dem Überschreiten der Kuwaitischen Grenze. Die-<br />

DER FESSELBALLON LEBT<br />

ser Ballon war 1988 aus den USA bezogen und mit<br />

einem modifIzierten Westinghouse-RadarTPS-63<br />

bestückt worden. Die Iraker hatten die bodengebnndenen<br />

Radarstationen angegriffen oder gestört,<br />

die Station am Fesselballon konnten sie weder<br />

optisch noch mit Radar ausmachen.<br />

Möglicherweise hat diese Episode dazu beigetragen,<br />

daß Syrien im September 1995 an Israel den<br />

Vorschlag richten wollte, nach einem israelischen<br />

Rückzug von den umstrittenen Golan-Höhen dort<br />

Sperrballone für ein Frühwarnsystem zu verankern.<br />

Bemannte israelische Stationen lehnte Syrien<br />

ab. Noch ist dazu nichts entschieden. Sicher aber<br />

dürfte sein, daß das Kapitel Fesselballon - der<br />

Sperrballon ist ein Thil davon - noch nicht abgeschlossen<br />

ist.<br />

Dieser in Kuwait stationierte Fesselballon meldete mit Hilfe seines Westinghouse-Radars TPS-63 am 2.<br />

August 1990 um 2 Uhr nachts den Einmarsch der irakischen Armee.<br />

47


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

Italien bevorzugte kugelförmige Fesselballone. Dieser auch für Beobachtungszwecke zu verwendende Ballon<br />

ist mit einem kleinen Motor versehen, um im Gefahrenteil die Landemanöver zu erleichtern.


<strong>Sandini</strong> <strong>Archiv</strong><br />

Waffen-Arsenal Band 161<br />

Verkaufspreis: DM 14,801 ÖS 116,--1 sfr 15,80<br />

Die Hallen der ehemaligen britischen "Königlichen Luftschiffwerke" waren die Ausbildungsstätte der SperrbaIIongruppe<br />

30, aus der Großbritanniens Sperrballonabteilungen des 2. Weltkrieges hervorgingen. Im<br />

Hintergrund an der Wand ein Rumpfring des früheren britischen Luftschiffes R 101.<br />

Etwa 1000 Sperrballone sicherten 1944 die Landung der Allüerten in der Normandie.<br />

-<br />

PODZUN-PALLAS-VERLAG • 61200 Wölfersheim-Berstadt

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