Orale Kontrazeptiva mit antiandrogen wirksamer ... - Frauenarzt
Orale Kontrazeptiva mit antiandrogen wirksamer ... - Frauenarzt
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ANTIKONZEPTION<br />
<strong>Orale</strong> <strong>Kontrazeptiva</strong> <strong>mit</strong> <strong>antiandrogen</strong><br />
<strong>wirksamer</strong> gestagener Komponente<br />
Teil 1: Grundlagen<br />
M. Ludwig, C. Grave, U. Hugo<br />
<strong>Orale</strong> <strong>Kontrazeptiva</strong> sind die Methode der Wahl bei der Kontrazeption<br />
der Frau. Sie werden von über 70% der koituserfahrenen<br />
Frauen genutzt, die eine Kontrazeption betreiben<br />
(44). Unklar ist, wie viele Frauen zusätzlich oder allein aufgrund<br />
kosmetischer Probleme orale <strong>Kontrazeptiva</strong> einnehmen.<br />
Unklar ist auch, wie häufig dafür welches Präparat eingesetzt<br />
wird. Im folgenden Beitrag werden die verschiedenen oralen<br />
<strong>Kontrazeptiva</strong>, die zur Behandlung einer Hyperandrogenämie<br />
bzw. einer kosmetischen Problematik infrage kommen, dargestellt<br />
und ihre verschiedenen Indikationsspektren diskutiert.<br />
Bei unserer Auswertung stützen wir<br />
uns neben den theoretischen Überlegungen,<br />
die sich aus den Daten zur<br />
physiologischen Funktion von Haut<br />
und Haaren bzw. den hormonellen<br />
Auswirkungen darauf ergeben, vorzugsweise<br />
auf prospektiv randomisierte<br />
Studien.<br />
Diese Übersichtsarbeit berücksichtigt<br />
nicht andere <strong>antiandrogen</strong>e<br />
Therapieverfahren wie den Einsatz<br />
von 5-α-Reduktase-Hemmern wie<br />
z.B. von Flutamid, Spironolacton,<br />
Finasterid oder auch von Metformin<br />
im Falle des polyzystischen Ovarsyndroms.<br />
Hierzu dürfen wir auf andere<br />
Arbeiten verweisen, die die<br />
Thematik tiefer gehend behandelt<br />
haben (7, 42).<br />
<strong>Orale</strong> <strong>Kontrazeptiva</strong> enthalten immer<br />
eine gestagene Komponente.<br />
Während der Estrogenanteil (Ethinylestradiol)<br />
in erster Linie für die<br />
Zyklusstabilität, aber über eine negative<br />
Rückkoppelung auf die FSH-<br />
Sekretion auch für die Hemmung der<br />
Follikelreifung verantwortlich ist,<br />
ist der Gestagenanteil hauptverantwortlich<br />
für die Ovulationshemmung;<br />
er unterdrückt im Wesentlichen<br />
die LH-Sekretion und so<strong>mit</strong><br />
den präovulatorischen LH-Peak.<br />
Grundsätzlich wirken alle kombinierten<br />
oralen <strong>Kontrazeptiva</strong> über zwei<br />
Mechanismen mehr oder weniger<br />
<strong>antiandrogen</strong>:<br />
� Hemmung der Hypothalamus-Hypophysen-Ovar-Achse<br />
und da<strong>mit</strong> der<br />
ovariellen Steroidbiosynthese.<br />
� Steigerung der Synthese von Sexualhormon-bindendem<br />
Globulin (SHBG)<br />
in der Leber. Allerdings sind bestimmte<br />
Nortestosteronabkömmlinge<br />
wie Levonorgestrel und Norethisteron<br />
nicht zur <strong>antiandrogen</strong>en Therapie geeignet,<br />
da sie selbst an SHBG binden<br />
und da<strong>mit</strong> den Anteil der freien (wirksamen)<br />
Androgene wiederum erhöhen.<br />
Ein weiterer Mechanismus ist einigen<br />
wenigen kombinierten oralen <strong>Kontrazeptiva</strong><br />
vorbehalten, die so<strong>mit</strong> auch<br />
bei ausgeprägten Androgenisierungserscheinungen<br />
Wirkung zeigen:<br />
� Wirkung spezieller Gestagene als<br />
direktes Antiandrogen (Rezeptorblockade).<br />
Suppression der ovariellen<br />
Steroidbiosynthese<br />
Die in den oralen <strong>Kontrazeptiva</strong> enthaltenen<br />
Sexualsteroide führen zu einer<br />
Suppression der Hypothalamus-<br />
Hypophysen-Ovar-Achse und da<strong>mit</strong> zur<br />
gewünschten Ovulationshemmung.<br />
Über die Suppression der Hypothalamus-Hypophysen-Ovar-Achseresultiert<br />
ebenso die Hemmung der Steroidbiosynthese<br />
im Ovar – einschließlich<br />
der Androgenbiosynthese durch<br />
den Wegfall der LH-Stimulation auf die<br />
Thekazellschicht des Follikels.<br />
Steigerung der SHBG-<br />
Synthese in der Leber<br />
Ein weiterer Mechanismus besteht in<br />
der Steigerung der Synthese von<br />
SHBG in der Leber. Diese Steigerung<br />
ist abhängig von der Dosierung des<br />
Ethinylestradiols sowie von der Art<br />
des enthaltenen Gestagens. Allerdings<br />
ist oberhalb einer Dosierung<br />
von 20 µg Ethinylestradiol der zusätzlich<br />
steigernde Effekt nur noch<br />
gering (3, 35).<br />
Außerdem ist die SHBG-Steigerung<br />
auch deutlich abhängig vom enthaltenen<br />
Gestagen sowie von der<br />
Kombination <strong>mit</strong> einer definierten<br />
Ethinylestradioldosis (78, 45, 23).<br />
Levonorgestrel allein führt offensichtlich<br />
zu einer Abnahme der<br />
SHBG-Synthese in der Leber (70).<br />
Zusätzlich ist zu beachten, dass einige<br />
Gestagene selbst reversibel an<br />
SHBG binden und dadurch endogene<br />
Sexualsteroide wie z.B. Testosteron<br />
aus ihrer Bindung zu SHBG verdrängen.<br />
Dies ist bei einigen Gestagenen<br />
der 19-Nortestosteron-Abkömmlingen<br />
(Levonorgestrel, Norethisteron)<br />
deutlich stärker ausgeprägt als bei<br />
anderen synthetischen Gestagenen.<br />
Levonorgestrel bindet zu 48%, Norethisteron<br />
zu 36% an SHBG (68). Die<br />
<strong>antiandrogen</strong> wirksamen Gestagene<br />
wie Chlormadinonacetat, Cyproteronacetat,<br />
Dienogest und Drospirenon<br />
binden nicht an SHBG, so dass<br />
DIAGNOSTIK + THERAPIE<br />
FRAUENARZT � 47 (2006) � Nr. 1 25
DIAGNOSTIK + THERAPIE<br />
26<br />
mehr Bindungspotential für z.B. Testosteron<br />
besteht.<br />
Die <strong>antiandrogen</strong>e Wirksamkeit<br />
von Gestagenen<br />
Der Gestagenkomponente selbst<br />
kommt als Antiandrogen eine ganz besondere<br />
Rolle zu. Grundsätzlich wird<br />
unterschieden zwischen Gestagenen<br />
<strong>mit</strong> und ohne <strong>antiandrogen</strong>e Partialwirkung.<br />
Zu den Gestagenen <strong>mit</strong> <strong>antiandrogen</strong>er<br />
Partialwirkung durch Blockade<br />
des Androgenrezeptors gehören<br />
� Chlormadinonacetat,<br />
� Cyproteronacetat,<br />
� Dienogest sowie<br />
� Drospirenon.<br />
Cyproteronacetat und Chlormadinonacetat<br />
sind Progesteron-Derivate,<br />
Dienogest ist ein Nortestosteron-<br />
Derivat und insofern eine pharmakologisch<br />
besondere Substanz, als es<br />
FRAUENARZT � 47 (2006) � Nr. 1<br />
aus einer Gruppe von Gestagenen<br />
stammt, die alle eine androgenanabole<br />
Wirksamkeit auszeichnet.<br />
Drospirenon wiederum ist ein Abkömmling<br />
des Spironolacton. Diese<br />
Gestagene sind in verschiedenen am<br />
Markt angebotenen oralen <strong>Kontrazeptiva</strong><br />
enthalten (s. Tab. 1).<br />
Alle Gestagene in oralen <strong>Kontrazeptiva</strong><br />
haben eine antigonadotrope<br />
Wirkung, die allerdings unterschiedlich<br />
stark ausgeprägt ist. Bei Cyproteronacetat<br />
und Chlormadinonacetat<br />
kommt es in einer definierten Ovulationshemmdosis<br />
zur Suppression der<br />
Ovaraktivität und da<strong>mit</strong> zu einer zusätzlichen<br />
Minderung der ovariellen<br />
Androgenbiosynthese (s. Tab. 2). Dieser<br />
Effekt ist bei Dienogest nur relativ<br />
schwach und beschränkt sich<br />
offenbar auf einen peripheren Effekt<br />
<strong>mit</strong> Minderung der präovulatorischen<br />
<strong>Orale</strong> <strong>Kontrazeptiva</strong> <strong>mit</strong> <strong>antiandrogen</strong> <strong>wirksamer</strong><br />
gestagener Komponente<br />
Präparat Ethinylestradioldosis Gestagen 1. Phase<br />
Balanca 1 0,03 mg Chlormadinonacetat 2 mg<br />
Belara 1 0,03 mg Chlormadinonacetat 2 mg<br />
Neo-Eunomin 2 0,05 mg Chlormadinonacetat 1 mg/2 mg*<br />
Petibelle 1 0,03 mg Drospirenon 3 mg<br />
Valette 3 0,03 mg Dienogest 2 mg<br />
Yasmin 1 0,03 mg Drospirenon 3 mg<br />
Attempta-Ratiopharm 4 0,035 mg Cyproteronacetat 2 mg<br />
Bella Hexal 4 0,035 mg Cyproteronacetat 2 mg<br />
Cyproderm 4 0,035 mg Cyproteronacetat 2 mg<br />
Diane 35 4 0,035 mg Cyproteronacetat 2 mg<br />
Ergalea 4 0,035 mg Cyproteronacetat 2 mg<br />
Juliette 4 0,035 mg Cyproteronacetat 2 mg<br />
* Neo-Eunomin® ist ein Zwei-Phasen-Präparat <strong>mit</strong> durchgängig 50 µg Ethinylestradiol,<br />
aber 1 mg Chlormadinonacetat in der 1. und 2 mg in der 2. Phase<br />
1 zugelassen zur Kontrazeption<br />
3 zugelassen für „Hormonale Kontrazeption für Frauen, bei denen unter Mikropillen<br />
Zwischenblutungen auftreten, gleichzeitig zur Behandlung von Akne,<br />
Seborrhoea oleosa, androgenetischer Alopezie u. Hirsutismus“ (Zitat aus der<br />
Produktinformation)<br />
3 zugelassen für „Hormonale Kontrazeption; Estrogen-Gestagen-Kombination <strong>mit</strong><br />
<strong>antiandrogen</strong>er Wirkung, insbesondere auch geeignet für Frauen <strong>mit</strong> leichter<br />
bis <strong>mit</strong>telschwerer Akne und Seborrhoe“ (Zitat aus der Produktinformation)<br />
4 alle diese Präparate sind primär zugelassen zur Behandlung der <strong>mit</strong>telschweren<br />
Akne, wenn andere Therapieformen (explizit erwähnt ist die Antibiotikatherapie)<br />
nicht greifen bzw. bei einer Abwägung gegenüber diesen die hormonelle<br />
Therapie die klinisch günstigere scheint; ferner sind die Präparate<br />
zugelassen für die Behandlung des Hirsutismus sowie – allerdings nicht alle<br />
– für die Behandlung der androgenetischen Alopezie<br />
Tab. 1: Im Handel befindliche orale <strong>Kontrazeptiva</strong> <strong>mit</strong> <strong>antiandrogen</strong> <strong>wirksamer</strong> gestagener<br />
Komponente.<br />
Ovulationshemmdosis<br />
von Gestagenen<br />
Gestagen Ovulationshemmdosis<br />
in<br />
mg/Tag per os<br />
Progesteron 300<br />
Chlormadinonacetat 1,5–2,0<br />
Cyproteronacetat 1,0<br />
Dienogest 1,0<br />
Drospirenon 2,0<br />
Tab. 2: Ovulationshemmdosis von Gestagenen<br />
<strong>mit</strong> <strong>antiandrogen</strong>er Wirksamkeit im Vergleich<br />
zu Progesteron (Daten aus 62).<br />
Estradiolsekretion der Follikel (37,<br />
38).<br />
Ferner antagonisieren Cyproteronacetat<br />
und Chlormadinonacetat, im<br />
Gegensatz zu anderen Gestagenen,<br />
nicht die Ethinylestradiol-induzierte<br />
SHBG-Synthese in der Leber und unterstützen<br />
da<strong>mit</strong> zusätzlich den positiven<br />
Effekt durch Reduktion des<br />
Anteils freier Androgene (57).<br />
Die <strong>antiandrogen</strong>e Wirksamkeit von<br />
Gestagenen kann durch verschiedene<br />
Tests beurteilt werden. Klassischerweise<br />
wird der Hershberger-Assay bei<br />
männlichen Ratten eingesetzt (57).<br />
Allerdings ist die Testung im Tierexperiment<br />
nicht analog zu sehen zur<br />
<strong>antiandrogen</strong>en Wirksamkeit bei<br />
Frauen, da die <strong>antiandrogen</strong>e Wirksamkeit<br />
von Gestagenen und oralen<br />
<strong>Kontrazeptiva</strong> nicht nur abhängig ist<br />
von der Androgenrezeptorblockade<br />
(wobei sich auch die Androgenrezeptoren<br />
bei Ratte und Mensch unterscheiden),<br />
sondern auch z.B. von der<br />
Stimulation der SHBG-Synthese. Zur<br />
Beurteilung der direkten klinischen<br />
Wirksamkeit sind prospektiv randomisierte<br />
Studien heranzuziehen, die<br />
in der vorliegenden Arbeit zusammen<br />
<strong>mit</strong> den eigenen Erfahrungen zu den<br />
verschiedenen Gestagenkombinationen<br />
diskutiert werden.<br />
Schlussfolgerung zur <strong>antiandrogen</strong>en<br />
Wirksamkeit<br />
oraler <strong>Kontrazeptiva</strong><br />
Anhand der dargestellten drei Mechanismen<br />
wird klar, warum grund-
Therapie von Androgenisierungserscheinungen <strong>mit</strong> oralen <strong>Kontrazeptiva</strong><br />
mäßige Androgenisierungserscheinungen<br />
– schwere Akne<br />
– Alopezie (Ludwig °I–II)<br />
– Hirsutismus °I<br />
Abb. 1: Übersicht zum Einsatz der Therapie von Androgenisierungserscheinungen <strong>mit</strong> oralen <strong>Kontrazeptiva</strong>. (*Anmerkung: Alternative Behandlungsansätze<br />
und Lokaltherapeutika sollten ggf. als Ergänzung eingesetzt werden.)<br />
sätzlich jedes kombinierte orale Kontrazeptivum<br />
<strong>mit</strong> mehr oder weniger<br />
gutem Erfolg zur <strong>antiandrogen</strong>en<br />
Therapie eingesetzt werden kann. Es<br />
zeigt aber auch, dass dabei einerseits<br />
die Ethinylestradiol-Dosis und<br />
andererseits die Gestagenkomponente<br />
eine ganz wesentliche Rolle<br />
spielen. Zur Ethinylestradiol-Dosis<br />
kann man festhalten, dass eine Steigerung<br />
über 20–30 µg täglich offensichtlich<br />
keine relevante klinische<br />
Verbesserung über eine weitere Steigerung<br />
der SHBG-Synthese bringt.<br />
Hinsichtlich der Gestagenkomponente<br />
sollte eine Antagonisierung des<br />
positiven Ethinylestradiol-Effekts im<br />
Androgenisierungserscheinungen<br />
(keine Kontraindikation<br />
gegen orale <strong>Kontrazeptiva</strong>)<br />
leichte Androgenisierungserscheinungen<br />
– insbesondere leichte Akne<br />
– beginnende Alopezie (Ludwig I)<br />
jedes kombinierte orale Kontrazeptivum*<br />
außer solche <strong>mit</strong> NETA oder Levonorgestrel<br />
kombinierte orale <strong>Kontrazeptiva</strong> <strong>mit</strong><br />
<strong>antiandrogen</strong> <strong>wirksamer</strong> gestagener<br />
Komponente*, ggf. Langzyklus<br />
kombinierte orale <strong>Kontrazeptiva</strong><br />
<strong>mit</strong> Cyproteronacetat*,<br />
ggf. zusätzlich<br />
5–10 mg Cyproteronacetat<br />
keine oder nur mäßige Besserung<br />
nach ca. 3–4 Monaten<br />
keine oder nur mäßige Besserung<br />
nach ca. 3–6 Monaten<br />
Falle von Androgenisierungserscheinungen<br />
vermieden werden. Bei ausgeprägten<br />
klinischen Androgenisierungserscheinungen<br />
(s. Abb. 1)<br />
sind solche Präparate zu bevorzugen,<br />
die eine zusätzliche Androgenrezeptorblockade<br />
über das Gestagen<br />
aufweisen.<br />
Diskutiertes thrombogenetisches<br />
Risiko <strong>antiandrogen</strong><br />
<strong>wirksamer</strong> Gestagene<br />
Hinsichtlich Cyproteronacetat wurde<br />
erst in einer kürzlichen Publikation<br />
wieder ein potentiell erhöhtes<br />
Thromboserisiko diskutiert (74). Allerdings<br />
konnten andere Autoren in<br />
schwere Androgenisierungserscheinungen<br />
– schwerste Akne<br />
– Alopezie (Ludwig °II–III)<br />
– Hirsutismus °II–III<br />
einer darauf folgenden Diskussion<br />
zeigen, dass der Einsatz von 50 mg<br />
Cyproteronacetat bei Patientinnen<br />
<strong>mit</strong> systemischem Lupus erythematodes<br />
und deutlicher Thrombophilie<br />
ein niedrigeres Risiko für Thromboembolien<br />
nach sich zog als erwartet.<br />
Insofern scheint, so die Autoren in<br />
der Diskussion, eher die Ethinylestradiol-Dosis<br />
in dem Cyproteronacetat-haltigen<br />
Kontrazeptivum als das<br />
Gestagen selbst für das erhöhte<br />
Thromboserisiko verantwortlich zu<br />
sein (21). Für die anderen <strong>antiandrogen</strong><br />
wirksamen Gestagene wurde<br />
gegenüber dem grundsätzlich unter<br />
oralen <strong>Kontrazeptiva</strong> erhöhten<br />
Thromboserisiko keine weitere Stei-<br />
DIAGNOSTIK + THERAPIE<br />
FRAUENARZT � 47 (2006) � Nr. 1 27
DIAGNOSTIK + THERAPIE<br />
28<br />
gerung beschrieben. Prinzipiell ist<br />
durch die Einnahme eines oralen<br />
Kontrazeptivums ein etwa dreifach<br />
erhöhtes Thromboserisiko zu erwarten<br />
(17, 28, 40, 63, 72).<br />
Zusammenfassend ist insofern bei den<br />
<strong>antiandrogen</strong> wirksamen Gestagenen<br />
im Vergleich zu kombinierten oralen<br />
<strong>Kontrazeptiva</strong> <strong>mit</strong> vergleichbarer Ethinylestradioldosis<br />
nicht von einem<br />
höheren Thromboserisiko auszugehen.<br />
Wirkung von Östrogenen<br />
und Androgenen am Haar<br />
und an der Haut<br />
Die Phasen des Haarzyklus lassen<br />
sich wie folgt gliedern:<br />
� Anagenphase: Wachstumsphase<br />
des Haares; sie beginnt, noch während<br />
das „alte“ Telogenhaar im Haarkanal<br />
steckt. Dauer etwa 3 bis 6 Jahre,<br />
ca. 80% der Kopfhaare.<br />
� Katagenphase: In dieser Übergangsphase<br />
verändert sich der Haarfollikel<br />
und schrumpft, der aktive<br />
Wachstumsprozess wird beendet. Es<br />
kommt zu verschiedenen morphologischen<br />
Veränderungen; insbesondere<br />
läuft eine massive programmierte<br />
Apoptose der follikulären Keratinozyten<br />
ab. Dauer etwa 1 bis 2<br />
Wochen; 1–3% der Kopfhaare.<br />
� Telogenphase: Phase des nicht<br />
mehr stoffwechselaktiven Haares, die<br />
Verbindung zum Haarfollikel geht verloren.<br />
In dieser Phase ist das Haar –<br />
im Gegensatz zur Anagenphase –<br />
nicht mehr anfällig für schädigende<br />
Noxen, spricht allerdings auch nicht<br />
mehr auf eine Therapie an. Dauer 2 bis<br />
4 Monate, ca. 20% der Kopfhaare.<br />
Verschiedene Hormone haben Einfluss<br />
auf den Haarzyklus, dazu gehören<br />
neben den Androgenen und<br />
Estrogenen vor allem die Schilddrüsenhormone,<br />
Glukokortikoide, Prolaktin<br />
und Wachstumshormon (52).<br />
Bei der humanen Körperbehaarung<br />
initiieren Androgene, besonders Testosteron,<br />
das Haarwachstum, führen<br />
zur Vergrößerung des Haarschaftdurchmessers<br />
und zu einer verstärkten<br />
Pigmentierung. Estrogene ver-<br />
FRAUENARZT � 47 (2006) � Nr. 1<br />
halten sich in Bezug auf die Körperbehaarung<br />
gegenläufig zu den Androgenen;<br />
sie verlangsamen das<br />
Haarwachstum und verhindern den<br />
Wachstumsbeginn. Sie führen zu feinerem,<br />
weniger pigmentiertem Haar.<br />
In tierexperimentellen Untersuchungen<br />
wurde gezeigt, dass die Gabe von<br />
Estradiol zu einem Arrest der Haarfollikel<br />
in der Telogenphase führt<br />
(12). Beim Menschen hingegen wird<br />
die Anagenphase durch Estradiol verlängert<br />
(15).<br />
Auch Kopfhaare durchlaufen in ihrer<br />
Entwicklung verschiedene Schritte,<br />
die im Wesentlichen abhängig sind<br />
vom Estrogen- und Androgenhaushalt<br />
und der genetischen Veranlagung des<br />
einzelnen Menschen. Je kürzer unter<br />
Androgeneinfluss die Wachstumszyklen<br />
sind und je mehr die Haarfollikel<br />
schrumpfen, desto dünner sind<br />
die von diesen Follikeln gebildeten<br />
Haare, so dass schließlich nur noch<br />
Vellushaare ausgebildet werden. Eine<br />
Alopezie ist entstanden (79).<br />
An der Haut führen Androgene zu einer<br />
Stimulation der Talgbildung und<br />
zu einer Vergrößerung der Talgdrüsen<br />
(18). Estrogene hingegen haben eine<br />
indirekte Wirkung und hemmen die<br />
Talgproduktion durch eine verminderte<br />
ovarielle Stimulation infolge<br />
Suppression der Gonadotropine sowie<br />
durch eine vermehrte SHBG-Stimulation<br />
(s.o.). Estradiol verbessert den<br />
Kollagengehalt sowie die Kollagenzusammensetzung<br />
der Haut, erhöht<br />
den Gehalt an Mukopolysacchariden<br />
und Hyaluronsäure und sorgt für eine<br />
verbesserte Vaskularisation sowie<br />
eine erhöhte Hautdicke (9, 65). Estradiol<br />
hat über den indirekten Effekt<br />
ganz offensichtlich auch einen direkten<br />
Effekt auf die Haut (25, 26,<br />
27, 31, 34, 41, 56).<br />
Ferner kann in den Fettzellen und Fibroblasten<br />
der Haut die Aromatase als<br />
Schlüsselenzym der Estrogenbiosynthese<br />
nachgewiesen werden (29, 59).<br />
Unklar ist, ob und auf welche Weise<br />
Estradiol den Androgenmetabolismus<br />
in der Haut beeinflusst. Hier wird entweder<br />
eine direkte Hemmung der<br />
5-α-Reduktase oder auch eine vermehrte<br />
Konversion von Testosteron<br />
zu schwächeren Androgenen postuliert<br />
(51). Dagegen spricht allerdings<br />
die – zumindest bei Frauen – geringe<br />
therapeutische Effektivität von Finasterid<br />
als Typ-2-5-α-Reduktase-Inhibitor<br />
(54, 77). Eine andere Möglichkeit<br />
wäre die individuelle genetische<br />
Determinierung einer vermehrten<br />
Androgen-Rezeptor-Aktivität (60)<br />
bzw. einer verminderten Aromatase-<br />
Aktivität (33). So ist auch bekannt,<br />
dass sowohl Frauen als auch Männer<br />
<strong>mit</strong> androgenetischer Alopezie höhere<br />
Konzentrationen an Androgenrezeptoren<br />
sowie der 5-α-Reduktase in<br />
Haarfollikeln aus dem frontalen im<br />
Vergleich zum okzipitalen Bereich des<br />
Kopfhaares zeigen. Allerdings ist bei<br />
Frauen die Androgenrezeptor-Dichte<br />
im Frontalbereich um 40% geringer,<br />
die Konzentration an 5-α-Reduktase<br />
um den Faktor 3 bis 3,5 (59).<br />
Teil 2 dieses Beitrags erscheint im<br />
Februar 2006. Themen sind dermatologische<br />
Indikationen, Ovarialzysten,<br />
perimenopausaler Übergang<br />
und Kontraindikationen.<br />
Literatur bei den Autoren<br />
Für die Autoren<br />
Prof. Dr. med.<br />
Michael Ludwig<br />
Endokrinologikum Hamburg<br />
Zentrum für Hormon- und<br />
Stoffwechselerkrankungen,<br />
Gynäkologische Endokrinologie<br />
und Reproduktionsmedizin<br />
Lornsenstraße 4–6<br />
D-22767 Hamburg<br />
Tel. +49 40 30628-324<br />
Fax +49 40 30628-349<br />
E-Mail Michael.Ludwig@<br />
Endokrinologikum.com