Pflegenotstand - SBK Sektion Graubünden
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Pflegenotstand - SBK Sektion Graubünden
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<strong>Pflegenotstand</strong> –<br />
ein Schlagwort oder wird es wieder Realität?<br />
Veranstaltung vom Dienstag 27. November 2007 in Chur<br />
Wir freuen uns, Ihnen die Referate zur Verfügung stellen zu können.<br />
Es referierten und diskutierten:<br />
Dr. Mario Cavigelli, Präsident Bündner Spital- und Heimverband, Chur<br />
Pia Felchlin, Leiterin Ausbildung Pflege Kantonsspital GR, Chur<br />
Barbara Gassmann, Vizepräsidentin <strong>SBK</strong> Schweiz, Bern<br />
Veronika Niederhauser, Direktorin Bildungszentrum Gesundheit und<br />
Soziales (BGS), Chur<br />
Thomas Pfiffner, Pflegedienstleiter Seniorenzentrum Rigahaus, Chur<br />
Max Mäder, Prorektor Bildungszentrum für Gesundheit, Frauenfeld,<br />
Gesprächsleitung<br />
Wir bedanken uns herzlich für die zur Verfügung gestellten Referate<br />
Freundliche Grüsse<br />
Vorstand <strong>SBK</strong> GR<br />
Die Referate werden in alphabetischer Reihenfolge aufgelistet.<br />
Wir beginnen mit den Vorbereitungsnotizen von Hr. Mäder und den<br />
Kernaussagen.<br />
Jedes Referat fängt auf einer neuen Seite an.
Buchempfehlung zum Thema von Max Mäder<br />
Der Pflege eine Stimme geben von Suzanne Gordon und Bernice<br />
Buresh<br />
Was Pflegende wie öffentlich kommunizieren müssen<br />
Vorbereitungsnotizen der Veranstaltung des Moderators<br />
Themen<br />
1. Was erwarten die Klienten<br />
2. Schlagwort „<strong>Pflegenotstand</strong>“<br />
3. <strong>Pflegenotstand</strong> oder<br />
Ressourcenverschwendung<br />
Stichworte<br />
- Klienten sind Einzelpersonen, Familien,<br />
Gruppen, Gemeinden, Gesellschaft<br />
- Pflege als gesellschaftlicher Auftrag<br />
- Pflege als Teil des Leistungsauftrages der<br />
Kantone und Gemeinden<br />
- rechtliche Aspekte des Versorgungsauftrages<br />
- Pflegeleistung als Wertschöpfung<br />
- Pflegeleistung führt zu Lebens- und Gesund-<br />
heitsqualität<br />
- klientennahe Versorgungssysteme<br />
- Wer ist eigentlich in Not?<br />
- Dauerzustand / Alter Zopf / Wer hört noch<br />
hin?<br />
- Welche Pflege ist gemeint? (Professionelle<br />
Pflege, Laienpflege)<br />
- Schlagwort „<strong>Pflegenotstand</strong>“ als<br />
Stimmungsmacherei<br />
- <strong>Pflegenotstand</strong> oder Versorgungsnotstand<br />
- Entspricht der Einsatz der Ausbildung und<br />
dem Auftrag?<br />
- Sind die Versorgungsstrukturen und<br />
Prozesse veraltet?<br />
- Warum werden Pflegestellen systematisch<br />
abgebaut, wenn gleichzeitig andere<br />
Berufsgruppen permanent aufbauen?<br />
- Wie müssen die Pflegeprofis entlastet<br />
werden?<br />
- Was machen Pflegende, wenn sie vorgeben,<br />
dass sie pflegen?<br />
- absichtliche Verknappung eines gesell-<br />
schaftsrelevanten Gutes
4. Neue Aus- und Weiterbildungs-<br />
möglichkeiten<br />
5. Den Auftrag ins Zentrum stellen<br />
und Forderungen stellen<br />
- Pflege als verweilerinnenfeindlicher Beruf<br />
- Hohe Fluktuationsrate hat auch Vorteile<br />
- Wo über Pflege entschieden wird, müssen<br />
Pflegende mitentscheiden<br />
- Neue Ausbildungen führen zu neuen<br />
Kompetenzen<br />
- Professionalisierung tut Not<br />
- Motivierte Junge und die rasche<br />
Abstumpfung<br />
- Schlechtes Image und Rekrutierungs-<br />
rückgang<br />
- Den Auftrag klar kommunizieren<br />
- Versorgungsprobleme aus der Sicht der<br />
Pflege darstellen<br />
- Minimalziele formulieren<br />
- Berufs- und branchentaugliche Strategien<br />
formulieren<br />
- Wertschöpfung der Pflege aufzeigen
Secziun Grischun<br />
Sezione Grigione<br />
<strong>Sektion</strong> <strong>Graubünden</strong><br />
Geschäftsstelle<br />
Stelleweg 4, 7000 Chur<br />
Tel. 081/353 53 79 / Fax 081/353 53 72<br />
E-mail: info@sbk-gr.ch<br />
www.sbk-gr.ch<br />
Nun sind Sie dran!<br />
Kernaussagen helfen bei der Argumentation im Berufsumfeld!<br />
1. Gemäss der Weltgesundheitsorganisation WHO ist professionelle Pflege ein<br />
gesellschaftlicher Auftrag.<br />
2. Die Politik – also Gemeinden und Kantone – haben einen gesetzlichen<br />
Versorgungsauftrag (Service Public). Sie haben auch die<br />
Rahmenbedingungen zu schaffen, damit dieser Auftrag umgesetzt werden<br />
kann.<br />
3. Vorsätzliche, qualitative und quantitative Verknappung von Pflegeleistungen<br />
führt zu sinkender Versorgungsqualität.<br />
4. Eine mangelhafte Versorgungsqualität führt zu einer höheren Morbidität und<br />
Mortalität.<br />
5. Die fehlende Versorgungsqualität führt zu hohen Folgekosten, sinkender<br />
Gesundheits- und Lebensqualität und zu Vertrauensverlust gegenüber dem<br />
Gesundheitswesen.<br />
6. Die Optimierung der Pflegewirksamkeit muss auf Evidenz basieren und<br />
demzufolge den Bachelor als Abschluss der Pflegeausbildung vorsehen.<br />
Die Kernaussagen sind das Ergebnis der Veranstaltung der <strong>Sektion</strong> <strong>Graubünden</strong> des<br />
<strong>SBK</strong> vom 27. November 2007 in Chur zum Thema „<strong>Pflegenotstand</strong> – ein Schlagwort<br />
oder wird es wieder Realität?“
Dr. Mario Cavigelli<br />
Präsident Bündner Spital- und Heimverband, Chur<br />
Ich fühle mich geehrt, heute an diesem Podium teilnehmen zu können und das<br />
Podium mit so qualifizierten Teilnehmerinnen und Teilnehmern teilen zu dürfen. Das<br />
Teilnehmerfeld ist vielfältig zusammengestellt worden. Und wenn Sie mich auch dazu<br />
einladen, so gehe ich davon aus, dass Sie von mir v.a. zwei Optiken zum Thema<br />
erwarten:<br />
1. die Sicht des Bündner Spital- und Heimverbands, und zwar aus einer hohen<br />
Flughöhe; d.h. die Ebene der Verwaltungs- bzw. Stiftungsräte o.ä. und allfällig<br />
auch die Ebene der Geschäftsleitungen wie bspw. die Sicht eines Spitaldirektors<br />
oder Heimleiters<br />
2. die Sicht eines politisch engagierten und interessierten Bürgers, als einer von<br />
insgesamt 120 Mitgliedern im Bündner Grossen Rat<br />
Meine Ausführungen möchte ich wie folgt gliedern:<br />
1. Zum Umfeld der Pflegeberufe aus der Sicht der Gesundheitsunternehmen<br />
a. Die veränderte Pflegeausbildung<br />
b. Der gesellschaftliche Druck nach Qualität und Wirtschaftlichkeit<br />
c. Die strukturellen Vorgegebenheiten: bspw. kantonale Spitalplanung und<br />
kantonale Rahmenplanung Pflegeheime<br />
d. Ansehen der Berufe im Gesundheitswesen<br />
e. weitere Bemerkungen: einige Stichworte<br />
2. Folgerungen und Forderungen der Gesundheitsunternehmen<br />
a. Folgerungen für die Gesundheitsunternehmen<br />
b. Forderungen an die Politik<br />
3. Schlussbemerkung<br />
1. Zum Umfeld der Pflegeberufe aus der Sicht der Gesundheitsunternehmen<br />
(Leitungsorgane)<br />
Die Betriebe der Gesundheitsbranche sehen sich selber in einem Umfeld, das<br />
von sehr unterschiedlichen, vielfältigen Einflüssen von aussen geprägt ist.<br />
Da ist zum einen einmal die Politik bzw. die Stimmbürgerschaft: Es ist nicht immer<br />
leicht zu erkennen, in welche Richtung sich die Rahmenbedingungen hin<br />
bewegen. Man gewinnt manchmal den Eindruck, v.a. auf nationaler Ebene, dass<br />
zwischen den politisch geäusserten Zielen und der Umsetzung und effektiven<br />
Fokussierung auf diese Ziele riesige Diskrepanzen bestehen. Dies schafft<br />
Unsicherheiten und irritiert.<br />
Zum anderen und im Besonderen zu beachten ist dann aber auch die<br />
Gesellschaft: Die gesellschaftlichen Erwartungen werden durch die politischen<br />
Entscheide nicht immer kongruent abgebildet. Dies verstärkt die politisch zu<br />
vertretenden Unsicherheiten und Irritationen.<br />
Die Betriebe müssen mit diesem Umfeld klar kommen und es als normative<br />
Rahmenbedingungen akzeptieren; das versteht sich von selbst und es dies auch<br />
nicht das Thema von heute. Wichtig zu erkennen ist aber, dass es nicht nur<br />
die Politik ist, welche bestimmt, welche Menschen die Leistungen aus den
Spitälern und Heimen wo zu beziehen haben, sondern v.a. und immer<br />
entscheidender auch die kranken oder zu betreuenden Menschen selber.<br />
Denn: Es ist tatsächlich im Spitalbereich so, dass rund 67% der OKP-<br />
Grundversicherten als Zusatzversicherungsleistung bei ihrer Krankenkasse die<br />
sog. „Spital-Wahlfreiheit schweizweit“ freiwillig zusätzlich versichert haben und<br />
dass somit die weitaus meisten in der Schweiz wohnhaften Menschen das Recht<br />
haben, dorthin ins Spital zu gehen, wo sie es wollen. Und auch im<br />
Pflegeheimbereich ist dies nicht viel anders: Es besteht von Gesetzes wegen<br />
jedenfalls und zumindest eine kantonale Pflegeheim-Wahlfreiheit.<br />
Ich habe damit, d.h. am Beispiel der Spital-Wahlfreiheit und der Pflegeheim-<br />
Wahlfreiheit, das umschrieben, was ich so gerne betone: Zwischen den<br />
verschiedenen Leistungserbringern besteht - zumindest aus der Sicht der<br />
Gesundheitsunternehmen - ein Verhältnis gegenseitiger Konkurrenz, natürlich<br />
nicht ganz vergleichbar mit der Konkurrenzsituation in der Privatwirtschaft, aber<br />
eben doch recht beachtlich und Tendenz zunehmend.<br />
Und davon ausgehend mache ich einige Flashes:<br />
a. Die veränderte Pflegeausbildung<br />
- Die neue Pflegeausbildung entspricht nicht einem organisch<br />
gewachsenen Bedürfnis der Gesundheitsunternehmen; zumindest ist<br />
es nicht so, dass die veränderte Pflegeausbildung eine Folge von<br />
Entwicklungen aus der Praxis ist (Wechsel von SRK-Ausbildung zu neu<br />
BBT-Ausbildung). Dies hat bei allen Betroffenen zu Unsicherheiten geführt,<br />
teils sogar zu Akzeptanzschwierigkeiten, zumindest aber zu<br />
Umsetzungsschwierigkeiten. Die Problemstellungen sind bekannt:<br />
- Was können die Auszubildenden während ihrer Ausbildung tun und<br />
was können sie danach?<br />
- Wie ist der Personalschlüssel zwischen FaGe und diplomiertem<br />
Fachpersonal neu zu gestalten?<br />
- Wie funktioniert das Zusammenspiel zwischen Schule, OdA bzw. üK<br />
und Betrieben?<br />
- Wie ist die Ausbildung bspw. der Fachangestellten Gesundheit (FaGe)<br />
oder der Auszubildenden Höhere Fachschule Pflege (HF Pflege)<br />
innerbetrieblich zu gestalten?<br />
- Welche Kosten löst der Systemwechsel innerbetrieblich aus; wird die<br />
Ausbildung mitfinanziert und, wenn ja (wie bspw. im Spitalbereich),<br />
genügen die finanziellen Beiträge des Kantons?<br />
- Etc. etc.<br />
Fazit: Manche Betriebe halten sich zurück, bilden nicht oder nur wenige<br />
Personen aus, v.a. im Bereich Pflegeheime. Und Betriebe, die gar nicht<br />
erst ausbilden oder zu wenig ausbilden, können natürlich auch nicht davon<br />
profitieren, dass Ausgebildete nach Abschluss der Ausbildung in ihrem<br />
Betrieb bleiben. Umgekehrt schafft dies Anreiz, Trittbrett zu fahren und<br />
zuerst einmal die anderen die Erfahrungen machen zu lassen, v.a. aus der<br />
Sicht der kleineren Institutionen (kleinere APH oder Spitexorganisationen).
- Die neue Pflegeausbildung ist auch für die an sich interessierten jungen<br />
Frauen und Männer neu. Es ist ein erhöhtes Risiko, einen Beruf<br />
anzutreten, dessen Ausbildung erst gerade neu gestaltet worden ist.<br />
Zudem dauert die Ausbildung lang: 3 Jahre FaGe und dann mindestens 2<br />
Jahre HF Pflege. Der erste grössere Verdienst und damit die effektive<br />
wirtschaftliche Unabhängigkeit lassen warten. Zudem: Die Ausbildung zur<br />
FaGe ist eine voll abgeschlossene Berufslehre, d.h. ein Abschluss. Und<br />
man kann dadurch natürlich auch geneigt sein, die Branche mit einem<br />
Abschluss in der Tasche zu verlassen.<br />
Fazit: Manch eine interessierte Person tritt die Ausbildung nicht an oder<br />
verlässt die Branche, nachdem sie den Fähigkeitsausweis erlangt hat. Die<br />
Akademisierung des Berufsbilds hat also auch Kehrseiten. Die „Drop-out“-<br />
Quote ist mit der neuen Pflegeausbildung grösser geworden.<br />
- Die neuen Fachangestellten Gesundheit (FaGe) sind nach dem Berufsbild<br />
gemäss BBT ein Pflegeberuf mit Fähigkeitszeugnis (kein Diplom wie DN<br />
I u/o DN II bzw. neu HF Pflege). Prozesseigner in den Spitälern bleiben die<br />
diplomierten Pflegemitarbeiterinnen und Pflegemitarbeiter. Aber: (1.) FaGe<br />
füllen Lücke von Abgängen im Bereich DN I; (2.) FaGe decken Mehrbedarf<br />
an Pflegepersonal im weniger qualifizierten Bereich; (3.) FaGe liefern Basis<br />
für Ausbildung von diplomiertem Pflegepersonal (HF Pflege). Die heutigen<br />
Berufsverbände wie bspw. der <strong>SBK</strong> und Teile der Pflegepersonen<br />
scheinen dies nicht so recht akzeptieren zu wollen.<br />
Fazit: Das Berufsbild der FaGe hat zur Zeit einen eher schweren Stand.<br />
Es ist wichtig, sie als vollwertige Berufsgruppe im Pflegebereich<br />
anzuerkennen und der Berufsgruppe eigenen Stolz zu vermitteln.<br />
b. Der gesellschaftliche Druck nach Wirtschaftlichkeit und Qualität<br />
- Die Betten sind nach den Vorgaben im Kennzahlen-System hoch<br />
auszulasten, bspw. zu 90%. Hinzu kommt, dass die Stellen straff zu<br />
bewirtschaften sind; und nicht selten wird dann u. U. vielleicht halt auch<br />
einmal eine vakante Stelle erst mit einer leichten Verzögerung besetzt -<br />
d.h. nicht nahtlos oder nicht mit einer Einführungszeit zusammen mit der<br />
Funktionsvorgängerin. Hinzu kommt, dass die Aufenthaltsdauer der<br />
Patienten in den Spitälern und der Bewohner in den Pflegeheimen<br />
kontinuierlich sinkt (Stichwort „ambulant vor stationär“), was die<br />
Behandlungsprozesse enorm beschleunigt. Beides zum Teil aus<br />
Kostengründen, zum Teil aber auch aus anderen Überlegungen. Die<br />
Leistungen, die am Patienten bzw. am Bewohner zu erbringen sind,<br />
werden anspruchsvoller.<br />
Fazit: Die Belastung der Mitarbeitenden ist tendenziell gestiegen und sie<br />
wird weiter zunehmen. Mitarbeitende können dazu verleitet sein, ihr<br />
Pensum reduzieren zu wollen - insbesondere wenn es sich um den<br />
Zweitverdiener in einer Beziehung handelt. Teils kann der erhöhte<br />
Arbeitsdruck sogar mit verursachen, dass Mitarbeitende krankheitsbedingt<br />
ausfallen - ein Phänomen, mit dem die übrige Wirtschaft allerdings auch<br />
konfrontiert ist.
- Im Gegenzug fordert die Gesellschaft immer mehr, dass die Qualität der<br />
erbrachten Leistungen transparent gemacht wird. Die Qualität wird zu<br />
einem Massstab für die Entscheidung, welches Spital oder welches Heim<br />
man aufsuchen wird. Ich habe auf die Realität aufmerksam gemacht, dass<br />
die Bevölkerung über weiteste Teile eine schweizweite Spital-Wahlfreiheit<br />
und eine kantonale Pflegeheim-Wahlfreiheit verfügt.<br />
Fazit: Nicht nur die einzelnen Betriebe sondern auch die Mitarbeitenden<br />
sehen sich dadurch noch höheren Anforderungen gegenüber gestellt: nicht<br />
nur hinsichtlich der Kommunikation, sondern und v. a. auch hinsichtlich der<br />
Erfassung von Qualitätsdaten. Die Qualitätsansprüche müssen letztlich bis<br />
an die Front weiter getragen werden, was u.a. auch in<br />
Mitarbeiterbeurteilungen einfliesst. Dies - auch wenn die Beurteilung nicht<br />
direkt lohnwirksam wirkt - erhöht die Belastung auf das Personal.<br />
c. Die strukturellen Vorgegebenheiten: bspw. kantonale Spitalplanung und<br />
kantonale Rahmenplanung Pflegeheime<br />
- Das Führen von öffentlichen und privaten Spitälern ist ebenso<br />
bewilligungspflichtig wie das Führen von Pflegeheimen. Die Politik will<br />
damit ein Mehrfaches erreichen: u. a. eine Aufsicht auch über die Qualität<br />
der Leistungen, welche die Institutionen erbringen, und aber auch die<br />
Sicherstellung der Versorgung bis in die Täler hinaus. Die Regionen<br />
fordern ausserdem ein „eigenes“ Spital bzw. eine Vielzahl räumlich nahe<br />
gelegener „eigener“ Pflegeheime. Je peripherer ein Betrieb liegt, desto<br />
schwieriger wird es für ihn, Fachpersonal - insbesondere<br />
hochqualifiziertes Fachpersonal - rekrutieren zu können. Wenn die<br />
Wirtschaft gut läuft, wird dies noch schwieriger. Die Zentren saugen alles<br />
ab.<br />
Fazit: Die Betriebe sind darauf angewiesen, günstigere Mitarbeitende aus<br />
dem Ausland anzuwerben. Gelingt es den Betrieben nicht - insbesondere<br />
bspw. im Pflegeheimbereich -, qualifiziertes Personal zu rekrutieren, droht<br />
die Gefahr des Betriebs-Bewilligungsentzugs oder kann dies zu<br />
finanziellen Einbussen führen (Stichworte: schlechte Strukturqualität, bei<br />
den Ärzten die Dignitäten etc.).<br />
d. Ansehen der Berufe im Gesundheitswesen<br />
- Das Ansehen der Berufe im Gesundheitswesen ist nicht (generell)<br />
gestiegen. Das hängt insbesondere mit der gesellschaftlichen Stellung<br />
des Arztberufes zusammen. Die Entwicklung des Ansehens der<br />
Ärzteschaft ist tendenziell vergleichbar mit der Entwicklung, wie sie die<br />
Stellung der Lehrpersonen gesellschaftlich schon durchgemacht hat -<br />
wenn auch aus z.T. ganz anderen Gründen. Zahlen untermauern die<br />
These: Ärzte-Staatsexamen anno 1985 909 und anno 2005 gerade noch<br />
623 (-32%!). Wenn die „Flagschiffe“ der Branche an Ansehen leiden, so tut<br />
dies mit ihnen die gesamte Branche. Und dies, obwohl die<br />
Pflegeberufsausbildungen DN I und DN II im gleichen Zeitraum von 2'134<br />
(1985) auf 3'365 (2005) mit 58% (!) zugenommen haben.
Fazit: Die veränderte Pflegeausbildung - insbesondere die<br />
Akademisierung der Stufe DN II, welche neu in etwa der Höheren<br />
Fachschule Pflege (HF Pflege) und somit einer Tertiärstufe I entspricht -<br />
führt zu einem höheren Ansehen der Pflegeberufe. Die veränderte<br />
Pflegeausbildung macht die Pflegeberufe ausserdem insoweit<br />
selbstständiger, als dass das Ansehen der Pflegeberufe von jenem der<br />
Ärzte besser abgekoppelt werden kann. Langfristig gewinnt der<br />
Pflegeberuf an gesellschaftlichem Ansehen und wird somit noch attraktiver.<br />
Auch steigen damit die Löhne und aus betrieblicher Sicht die<br />
Personalkosten.<br />
e. weitere Bemerkungen: einige Stichworte<br />
- Massgeblich ist selbstverständlich auch die demographische<br />
Entwicklung. Zum einen ist der Nachwuchs künftig aus einer kleiner<br />
werdenden Bevölkerungszahl zu rekrutieren. Zum andern steigt der<br />
Bedarf; die Menschen werden immer älter und die Pflegebedürfnisse im<br />
hohen Alter immer komplexer (Multimorbidität; Demenz und verwandte<br />
Krankheitsbilder).<br />
- Lebenslanges Lernen ist in Zeiten erhöhten Leistungsdrucks<br />
unerlässlich, auch in den Pflegeberufen. Der wissenschaftliche Fortschritt<br />
- sei er medizinisch begründet, durch neue ökonomische Grundsätze<br />
verursacht, sei er sonstwie existent - er macht auch vor den Pflegeberufen<br />
nicht halt. Eine Erkenntnis, die sowohl bei den Betrieben als auch bei den<br />
Mitarbeitenden selber - insbesondere bei den älteren Mitarbeitenden -<br />
noch zu wenig gereift ist.<br />
- Das Personal ist in unseren Gesundheitsunternehmen im Vergleich<br />
zu den kleineren und mittleren Unternehmen im Kanton vielfach<br />
international - ähnlich wie in Tourismusbetrieben (Hotels). Dieser Trend<br />
wird zunehmen; er nimmt im übrigen auch in der Privatwirtschaft<br />
schweizweit ganz generell zu, gerade und v.a. auch im Kaderbereich.<br />
Spitäler und Pflegeheime - nicht nur die grösseren! - werden zunehmend<br />
„multi-Kulti“.<br />
2. Folgerungen und Forderungen aus der Sicht von Gesundheitsunternehmen<br />
(Leitungsorgane)<br />
a. Folgerungen für die Gesundheitsunternehmen<br />
1. Die Betriebe sehen die veränderte Pflegeausbildung als Chance an. Sie<br />
richten sich strukturell und organisatorisch darauf ein, die Ausbildung<br />
auch im Bereich der Pflegeberufe zu institutionalisieren. Sie wird zu<br />
einem wichtigen Standbein für die eigene langfristige Funktionstauglichkeit.<br />
Die Betriebe haben also ihren Nachwuchs selber zu fördern.<br />
Insbesondere kleinere Betriebe (wie auch die Spitex) sind auch<br />
aufgefordert, dies nicht zu unterlassen und sich an der Ausbildung des
Nachwuchses zu beteiligen. U.U. haben sie verstärkt auf Verbundlösungen<br />
hinzuwirken (OdA, Nachbarbetriebe etc.).<br />
2. Für die Betriebe ergibt sich an der Schnittstelle zwischen Ausbildungs-<br />
bzw. Praktikumsplatz zum einen und Einstiegs-Arbeitsplatz nach<br />
Abschluss der Ausbildung zum anderen eine Schlüsselsituation.<br />
Erfahrungen in anderen Branchen zeigen nämlich, dass eine<br />
überwiegende Mehrheit der Lernenden bereit ist, nach Abschluss ihrer<br />
Lehre im Lehrbetrieb zu bleiben. Die Betriebe haben es also tun gut<br />
daran, ihren Lernenden bzw. Praktikanten schon während der<br />
Ausbildungszeit interessante neue Stellen anzubieten. Damit<br />
verhindern sie, dass die jungen Menschen den Betrieb oder sogar die<br />
Branche verlassen.<br />
3. Sind die Mitarbeitenden einmal im Betrieb, ist mit den Mitarbeitenden<br />
aller Ebenen stufengerecht und bis ins hohe Erwerbsalter hinein Fort-<br />
und Weiterbildung zu betreiben oder zumindest ist die Fort- und<br />
Weiterbildung ernsthaft zu fördern. Gerade auch bei den älteren<br />
Mitarbeitenden. Damit kann Personal erhalten, deren Belastbarkeit erhöht<br />
und deren Überforderung mit den neuen Herausforderungen gleichzeitig<br />
reduziert werden.<br />
4. Der Pflege ist innerbetrieblich als solche eine wichtige Stellung<br />
einzuräumen; in den Spitälern v.a. neben der Ärzteschaft und in den<br />
Pflegeheimen v.a. auch neben der Heimleitung. Die Leistung der<br />
Pflegepersonen ist eine Stütze im Betrieb; dies belegen gerade auch<br />
Befragungen zur Kundenzufriedenheit. Die Kompetenz der Pflege vermag<br />
manches medizinische oder kaufmännische „Stottern“ wettzumachen. Der<br />
Pflege ist grundsätzlich eine Stellung bis mindestens in die zweithöchste<br />
operative Leitungsfunktion zu gestatten (Geschäftsleitungs- bzw.<br />
Spitalleitungs- oder Heimleitungs-Mitglied). Aufstiegschancen erhöhen die<br />
Attraktivität des Arbeitsplatzes und des Berufes als ganzes.<br />
5. Die Kultur im Unternehmen muss ausserdem generell und insbesondere<br />
aber auch im Bereich der Pflege stimmen. Die Pflege macht in einem<br />
Spital oder Heim in der Regel den grössten Personalanteil aus.<br />
Entscheidend ist dafür eine regelmässige und gerechte<br />
Mitarbeiterbeurteilung, basierend selbstverständlich auf einer fairen<br />
Entlöhnung und auf sonstigen Vergünstigungen wie eben bspw. die<br />
Möglichkeit, sich fort- oder weiterbilden zu können. Besonders<br />
erwähnenswert erscheint mir, dass die Unternehmen sich anstrengen, die<br />
ausländischen Mitarbeitenden echt in die jeweiligen Teams zu integrieren.<br />
6. Generell ist indessen die Schlussfolgerung zu ziehen, dass sich die<br />
allermeisten Betriebe der Situation bewusst sind und den Puls der Zeit<br />
spüren und darauf zu reagieren bereit sind.<br />
b. Forderungen der Gesundheitsunternehmen an die Politik<br />
1. Die Politik - insbesondere der kantonale Gesetzgeber - hat unverzüglich<br />
die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sich die Spitäler und
die Pflegeheime die Ausbildung ihres Nachwuchses in der Pflege<br />
finanziell tatsächlich leisten können. Dabei muss sie darauf achten,<br />
dass zwischen den verschiedenen Institutionen vergleichbare finanzielle<br />
Voraussetzungen bestehen. Es dürfen unter keinen Umständen<br />
Ungleichgewichte nur deswegen akzeptiert werden, weil das Spitalwesen<br />
kantonale Aufgabe ist und das Pflegeheimwesen und die Spitex<br />
demgegenüber kommunale Aufgeben sind. Es darf nicht sein, dass sich<br />
die eine oder andere Gruppe von Institutionen zum Trittbrettfahren bei der<br />
Ausbildungsverpflichtung genötigt sehen muss.<br />
Die akuteste Forderung des BSH und der ihm angeschlossenen<br />
Gesundheitsunternehmen ist, dass der Kanton nicht nur die<br />
Ausbildungen im Pflegebereich der Spitäler als Kosten anerkennt und<br />
mitfinanziert, sondern dass dies auch im Pflegebereich der<br />
Pflegeheime so ist. Entweder, indem der Kanton die Ausbildungskosten<br />
selber und direkt mitfinanziert, oder, indem der Kanton über eine<br />
Gesetzesrevision die Gemeinden als Träger der APH-Einrichtungen dazu<br />
zwingt und dies im interkommunalen Finanzausgleich so berücksichtigt.<br />
2. Die Politik hat mittelfristig eine Rückschau zu halten, wie sich -<br />
ausgehend von den bestehenden normativen Grundlagen (aktuell gültige<br />
Spitalfinanzierung; aktuell gültige Pflegeheimfinanzierung) - die veränderte<br />
Pflegeausbildung auf die Betriebe ausgewirkt hat. Insbesondere ist man<br />
sich dabei Rechenschaft schuldig darüber, ob und inwiefern die<br />
Institutionen in den Randregionen in der Lage sind, Fachpersonal -<br />
insbesondere hochqualifiziertes Fachpersonal - für ihre Betriebe zu<br />
rekrutieren. Sollte dem nicht so sein, müsste der Kanton Massnahmen<br />
einleiten, um die verschiedenen Regionen und ihre<br />
Gesundheitsunternehmen in diesem Kanton so weit wie möglich gerecht<br />
und gleich zu behandeln. Der Kanton soll hierauf also besonders<br />
aufmerksam gemacht sein.<br />
3. Im übrigen ist es den Institutionen am meisten gedient, wenn sie ihre<br />
Aufgaben unternehmerisch möglichst autonom wahrnehmen können.<br />
3. Schlussbemerkung<br />
Die dem BSH angeschlossenen Gesundheitsunternehmen sind gehalten, sich<br />
ihrer Herausforderungen im Bereich der Ausbildung, der Förderung und des<br />
Erhalts des in der Pflege tätigen Personals intensiv anzunehmen und sich dabei<br />
insbesondere und laufend auch der Konsequenzen aus der veränderten<br />
Pflegeausbildung bewusst zu werden. Nach meinen Wahrnehmungen ist dies<br />
heute der Fall. Die im Zentrum und zentrumsnah gelegenen Betriebe haben ihre<br />
Personalbedürfnisse, Stand heute, in den letzten Monaten decken können, wenn<br />
auch teils mit etwas mehr Aufwand als auch schon. Kritischer, wenn auch nicht<br />
alarmierend verhält sich die Situation in den Betrieben in den Randregionen des<br />
Kantons.<br />
Von einem <strong>Pflegenotstand</strong> ist für den Kanton <strong>Graubünden</strong>,<br />
zusammenfassend, derzeit nicht zu sprechen. Dies wäre übertrieben.
Anzeichen für eine Anspannung auf dem Markt der Pflegepersonen sind aber<br />
deutlich spürbarer geworden als auch schon. Die dem BSH angeschlossenen<br />
Gesundheitsunternehmen verfolgen die Entwicklung jedenfalls wachsam.
Pia Felchlin<br />
Leiterin Ausbildung Pflege Kantonsspital GR, Chur<br />
EINLEITUNG<br />
Mein Fokus ist nicht der Notstand, denn ist er da, fand schon lange vorher ein<br />
Qualitätsabbau den Klienten gegenüber statt. Dem Personal geht es schlecht. Die<br />
interdisziplinäre Zusammenarbeit ist nicht mehr gewährleistet.<br />
Folie<br />
Ist der Notstand da, geht dies immer auf Kosten des Pflegeempfängers!<br />
(In der Zwischenzeit haben verschiedene Verantwortungsträger ihre Aufgaben nicht<br />
erfüllt!)<br />
Mein Fokus ist "Ausbildung und Ausbildungsreformen". Frage: Gibt es einen<br />
Zusammenhang der neuen Bildungssystematik im Gesundheitswesen und dem<br />
drohenden Personalnotstand? Voraus genommen, die Bildungsreform bringt viele<br />
wertvolle Neuerungen und Möglichkeiten.<br />
Einige kritische Punkte<br />
- Die Reformen erfolgen in zu kurzen Abständen.<br />
- Fokus zu einseitig auf EU-Kompatibilität und Systematik gelegt.<br />
Ausrichtung der Inhalte ist zu wenig konsequent auf den<br />
Versorgungsauftrag gelegt.<br />
- Schaffung eines neuen Berufes mit unlösbarer, klarer<br />
Kompetenzabgrenzung im Arbeitsfeld.<br />
- Rahmenlehrpläne: BIVO folgen nachdem schon in allen Kantonen<br />
Ausbildungsprogramme auf Sekundarstufe II und Tertiärstufe gestartet<br />
sind. Das sind alles altrechtliche Ausbildungen.<br />
Dies sind einige Punkte und vieles Mehr führt zur grosser Verunsicherungen bei<br />
potentiellen auszubilden Diplomierten, Betriebe und auch politischen<br />
Verantwortungsträgern.<br />
Folie<br />
„Nachhaltige Massnahmen“<br />
bedeutet,<br />
- wenn das erwünschte Ziel bzw. die Massnahme von mittel- langfristigem Bestand<br />
ist<br />
- Vorausschauen – Ressourcen freihalten für zukunftsorientierte Wege und weniger<br />
für Notmassnahmen.
Trägt die Reform HF / FH Pflege, Schaffung FaBe, FaGe, der Nachhaltigkeit<br />
genügend Rechnung:<br />
a) Betreffend Gesundheitsversorgung der Bevölkerung?<br />
b) Attraktivität der Ausbildung und Studiengänge?<br />
a) Versorgung<br />
- Sind die Inhalte / Kompetenzen dem zukünftigen Bedarf für alle<br />
Versorgungssegmente angepasst?! "Zu Akutlastig" (Hinweis: Die Lücke<br />
wird von den Verantwortlichen vor allem im Langzeitbereich erkannt. Einen<br />
Handlungsbedarf haben sie jedoch nicht).<br />
- Ist es richtig für den ganzen Bereich des alten Menschen vorwiegend junge<br />
Menschen auszubilden?<br />
- Ist eine generalistische Ausbildung im Zeitalter der Spezialisierung nicht<br />
ein Widerspruch? Ja/Nein<br />
- Es braucht heute generalistisches Wissen. Die Frage ist, wie erwirkt man<br />
sich die Spezialisierung und wer übernimmt den Aufwand und die Kosten?<br />
(Betriebe müssen "Nachschulen", längere Einarbeitungszeiten, politische<br />
Verantwortung)<br />
b) Attraktivität der Ausbildung<br />
- Sinkend - Verunsicherung bei den Jugendlichen, Berufsberatungen, Eltern,<br />
durch die Reform. Unklarheiten bei der Infobeschaffung.<br />
- Zentralisierung der Schulen spricht nicht alle Interessierten an.<br />
- Lehr- und Lernmethoden sind nicht für alle ideal. Wenig Alternativen.<br />
- Berufspraktische Ausbildung:<br />
o Praktika sind kurz (3 Jahre mit derselben Befähigung).<br />
o Hohe Investitionen in den Betrieben (Ressourcen).<br />
o Wenig Anreize für Betriebe auszubilden.<br />
o Einige Kompetenzen, welche im Curriculum vorgesehen sind, können<br />
in der Praxis nur ansatzweise umgesetzt werden (Prävention,<br />
Assessment, Interdisziplinarität).<br />
Folie<br />
Ausbildung kann nur nachhaltig sein, wenn eine enge / konstruktive<br />
Zusammenarbeit<br />
besteht!<br />
Politische Bildungsanbieter<br />
Verantwortungsträger<br />
ODA<br />
Betriebe
Folie<br />
Folie<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
Folie<br />
0<br />
Fachpersonal (Nachwuchs) kann<br />
nur über die Ausbildung<br />
gewonnen werden!<br />
Veränderung Anzahl Lernende / Studierende<br />
Jahr 2007 Jahr 2008 Jahr 2009 Jahr 2010<br />
Nachhaltige Gesundheits- und Bildungspolitik<br />
ist die wirkungsvollste Massnahme,<br />
um Personalnotstände und<br />
mangelhafte Versorgungsqualität dauerhaft zu minimieren.
Barbara Gassmann<br />
Vizepräsidentin <strong>SBK</strong> Schweiz, Bern<br />
Welches sind die Anzeichen für einen <strong>Pflegenotstand</strong>? Wer gerät dabei vor allem in<br />
Not: Patienten, Pflegepersonen, Institutionen oder alle? Eine Definition für den<br />
Begriff „<strong>Pflegenotstand</strong>“ gibt es nicht. Tatsache ist aber, dass insbesondere<br />
Institutionen in abgelegenen Regionen und in der Langzeitpflege dauernd zuwenig<br />
Pflegepersonal eines gewünschten Profils finden. In immer kürzeren Kontaktzeiten<br />
müssen mehr und zum Teil anspruchsvollere Aufgaben mit weniger diplomierten<br />
Pflegefachpersonen erbracht werden. Es fällt auf, dass berufsfremde Leute<br />
Führungspositionen in Kliniken, Pflegeheimen und in Pflegeschulen übernehmen.<br />
Herausforderungen, die an uns Pflegende gestellt sind:<br />
Zunahme von Menschen, die langfristig eine Gesundheitsversorgung brauchen<br />
Zunahme von hoch betagten Menschen<br />
Zunahme von Menschen mit mehreren Diagnosen (somatischen und<br />
psychiatrischen)<br />
Zunahme von Alleinlebenden<br />
Zunahme von Menschen aus anderen Kulturen<br />
Zunahme der Anspruchshaltung<br />
Umgehen mit abnehmenden Ressourcen<br />
Folgen für die Pflegeperson als Individuum<br />
Verkürzung der Kontaktzeiten zu Patienten und Angehörigen:<br />
Einschätzungen, Massnahmenplanung sowie Instruktion und Beratung samt<br />
Evaluation in kurzer Zeit und durch verschiedene Dienste<br />
Zwang, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit nachzuweisen:<br />
Ergebnisorientiertes Arbeiten basierend auf Evidenz (Wissenschaft + reflektierte<br />
Erfahrung + Patientenpräferenz)<br />
Zunahme der Berufe und Aufgabenteilung im Gesundheitswesen:<br />
Kompetenz in klugem Delegieren und Arbeiten in Netzwerken<br />
Fähigkeit und Bereitschaft, Entscheide zu treffen und Verantwortung zu tragen<br />
Folgen für die Institutionen und Organisationen der Gesundheitsversorgung<br />
Mangel an genügend qualifizierten Pflegefachleuten, gemessen am<br />
Schwierigkeitsgrad der Anforderungen<br />
Mangel an Pflegepersonal mit Spezialausbildungen<br />
Zahlreiche Pflegepersonen fühlen sich in ihrer Berufstätigkeit enttäuscht und denken<br />
an Wechsel der Stelle oder des Berufes<br />
Kurze Berufsverweildauer der Pflegenden:<br />
Mangel an Pflegepersonal mit längerer Berufserfahrung, Hohe Fluktuation mit<br />
entsprechendem Aufwand für Rekrutierung und Einarbeitung von neuen<br />
Mitarbeitenden, Bedarf an Massnahmen zur Integration von Pflegenden aus dem<br />
Ausland
Konsequenzen für die Verhältnisse (Ansprüche an die Politik)<br />
Ressourcen müssen dem Bedarf und den Anforderungen an Pflegeleistungen<br />
entsprechen (Charakteristika von Magnetspitälern):<br />
- Belange der Patienten erhalten höchste Priorität<br />
- Evidenzbasierte Praxis<br />
- Autonomie und Verantwortlichkeit den Pflegenden<br />
- Qualifiziertes, unterstützendes Pflegemanagement, mit Sitz in der Leitung<br />
- Unterstützung der beruflichen Karrieren des Pflegepersonals<br />
- Gute Beziehung und Kommunikation zwischen Pflegenden und Ärzten<br />
- Adäquate Stellenbesetzung<br />
Die Berufsverweildauer der diplomierten Pflegefachpersonen muss erhöht werden:<br />
Pflegeberuf muss für Berufsangehörige langfristig Perspektiven bieten, wobei Aus-<br />
und Weiterbildungen eine wichtige Rolle spielen<br />
Bedingungen sollten das Älterwerden im Beruf erlauben<br />
Wertschätzung der Leistungen durch gute Arbeits- und Anstellungsbedingungen<br />
Der Beruf der diplomierten Pflegefachperson erhält ein eindeutiges Profil, die Teilung<br />
in zwei Diplomarten schwächt den Beruf und führt zu Diskriminierungen:<br />
Junge BerufsinteressentInnen werden bei der Berufswahl verunsichert wegen der<br />
zwei unterschiedlichen Ausbildungswege<br />
Unklarheiten in den Institutionen über Kompetenzzuweisungen<br />
Gefahr der Lohndiskriminierung<br />
Diskriminierung der bisherigen Berufsangehörigen beim „nachträglichen Titelerwerb“<br />
eines Fachhochschultitels bei der Umstellung der Ausbildungssysteme<br />
Diskriminierung der Fachhochschul-Studiengänge bei der Akkreditierung eines<br />
Masterstudiengangs mit dem Argument, es gäbe ja noch die HF<br />
Massnahmen zur Integration von ausländischem Personal
Veronika Niederhauser<br />
Direktorin Bildungszentrum Gesundheit und Soziales<br />
(BGS), Chur<br />
Liebe Anwesende, geschätzte Podiumsteilnehmende<br />
Im Vorfeld dieser Veranstaltung hat der <strong>SBK</strong> <strong>Graubünden</strong> die Podiumsteilnehmenden<br />
gebeten, ihre Thesen, das heisst Behauptungen, zum Titel des heutigen<br />
Anlasses „<strong>Pflegenotstand</strong> – ein Schlagwort oder wird es wieder Realität“ - zu<br />
skizzieren. Behauptungen sind oder wirken in der Regel etwas überspitzt und regen<br />
an, sie zu widerlegen oder erst recht zu beweisen. Das Problem ist wie man so<br />
schön sagt: multifaktoriell, es eignet sich nicht für ein einfaches Schwarzpeterspiel,<br />
besonders dann nicht, wenn man gezwungen sein wird, Lösungen zu finden.<br />
Lösungen werden wir schon gar nicht allein mit Markwirtschaft sondern nur mit<br />
vereinten Kräften und mit viel Solidarität und Altruismus untereinander und zwischen<br />
den Generationen finden.<br />
In diesem Sinne und aus Sicht meiner Funktion sowie meiner langen Erfahrung mit<br />
Lernenden trage ich folgende 10 Thesen zur Diskussion oder zum Nachdenken bei:<br />
1. Es sind die Arbeitsplätze und ihre Rahmenbedingungen, die eine Berufswahl<br />
massgeblich beeinflussen und sich damit direkt auf die Rekrutierung von potentiellen<br />
Auszubildenden auswirken. Frau wählt nicht eine Schule, sondern einen Beruf.<br />
Ein klares Berufsbild und Tätigkeitsfeld wirkt dabei anziehender als eine diffuse<br />
Funktionsbeschreibung. Bis anhin wurde im Hinblick auf kommende Engpässe bei<br />
der Personalrekrutierung im Pflegebereich noch wenig getan, um die Arbeitsplätze<br />
und Funktionen im Pflegeberuf attraktiver und unabhängiger zu gestalten.<br />
Physiotherapie ist unter anderem deshalb attraktiv, weil die Eintrittsanforderungen in<br />
die Ausbildung hoch und der Beruf in die Selbstständigkeit führen kann.<br />
2. Zwischen der Motivation und dem ethischen Hintergrund, einen Pflegeberuf zu<br />
erlernen und dem erlebten Pflegealltag klafft oft eine grosse Lücke. Der Pflegealltag<br />
in den Institutionen müsste deshalb wieder mit mehr ethischen Aspekten und<br />
interessanten Herausforderungen angereichert werden, damit die Pflegepersonen<br />
vermehrt Befriedigung in ihrer Arbeit mit den Menschen finden können. Die<br />
grassierende Bürokratie und Datenerfassungsmanie (Datenfriedhöfe), die bis heute<br />
nichts zur Kostensenkung beigetragen haben, sind zugunsten eines wieder mehr<br />
vom Mensch geprägten Alltags zu redimensionieren.<br />
3. Es wird eng! Allein schon die demografische Entwicklung mit einer sich<br />
zunehmend öffnenden Schere – zunehmend grosse älter werdende<br />
Bevölkerungsgruppe / stark rückläufige Geburtenzahlen – wird Auswirkungen haben:<br />
Der Bedarf an Pflegepersonal dürfte steigen – als Rekrutierungsbasis stehen aber<br />
immer kleiner werdende Jahrgänge zur Verfügung. Zur Illustration für <strong>Graubünden</strong>:<br />
Jahrgang 1992 zählte 2430 Geburten, Jahrgang 2000 hat noch 2000, und Jahrgang<br />
2006 zählt 1530 in <strong>Graubünden</strong> Geborene. Darüber hinaus könnten gesellschaftliche<br />
Entwicklungen – stärkere Individualisierung mit einer Auflösung traditioneller und<br />
tragfähiger Familienstrukturen – den Bedarf an Pflegepersonal ebenfalls erhöhen.<br />
Heute werden in <strong>Graubünden</strong> im Jahr etwa 1600 Lehrverträge abgeschlossen und
ca. 600 Jugendliche beginnen ein Gymnasium. In Zukunft stehen für die beiden<br />
Wege zusammen nur noch 1530 Jugendliche zur Verfügung!<br />
4. Der Pflegeberuf ist mit der Integration in die schweizerische Berufsbildung ein voll-<br />
und gleichwertiger Beruf unter anderen. Bei der Rekrutierung wird sich die<br />
Wettbewerbssituation um die immer weniger werdenden Jugendlichen für alle<br />
Bildungsanbietenden, für die Mittelschulen wie auch für die Berufsbildung,<br />
verschärfen. Das wird – etwas anderes zu behaupten heisst „träumen“ – bei mit<br />
heute vergleichbaren Rahmenbedingungen zu einer verminderten Nachfrage nach<br />
Pflegeausbildungen führen.<br />
5. Sie erwarten die nächste Aussage vielleicht nicht von einer Schulleitung, In den<br />
nächsten Jahren kann es durchaus vermehrt einen Wettlauf geben, in welchem jeder<br />
Ausbildungsbereich die schulisch Leistungsfähigsten für sich gewinnen will – und in<br />
diesem Wettlauf ist die Berufsbildung nicht bei den schnellsten. Mit Eintritt der<br />
geburtenschwächeren Jahrgänge in die Sekundarstufe II werden wohl als Ergänzung<br />
zu schulisch anspruchsvollen Ausbildungen vermehrt Ausbildungsangebote zu<br />
schaffen sein, die auch für schulisch normal oder weniger Leistungsfähige attraktiv<br />
sind. Die demografische Entwicklung setzt uns in diesem Bereich die<br />
Herausforderung. Angebote, Ausländerinnen aus den neuen europäischen oder aus<br />
nicht europäischen Staaten für unseren Kulturkreis und unser Gesundheitswesen zu<br />
begeistern, wird zu einem Gebot der Stunde werden.<br />
6. Die Pflegeausbildung verteilt sich heute und in Zukunft im Gegensatz zu früher auf<br />
mehrere Bildungsstufen, was zu Engpässen führen kann, da die Arbeitsorganisation<br />
in den Institutionen nicht ausreichend flexibel auf die neuen Gegebenheiten/das neue<br />
Umfeld antwortet. Es kann auch sein, dass nicht alle neuen Ausbildungen gleich<br />
attraktiv sind bzw. bleiben, und die eine Bildungsstufe die andere unterschichtet. Die<br />
mögliche Verknappung der Lernenden auf den höheren Bildungsstufen wird auch in<br />
anderen Kantonen thematisiert. So titelte beispielsweise der Tagesanzeiger am 12.<br />
November: „Pflegeausbildung läuft, doch die Betriebe zögern“. Moniert wird, dass zu<br />
wenig FaGe ausgebildet würden, die das „Reservoir“ für die höheren Ausbildungen<br />
sind, weil noch nicht klar sei, welche Funktionen die FaGe übernehmen solle und<br />
einige Spitäler und Heime ihre Strukturen noch nicht angepasst hätten. Auch der<br />
Zulauf zur neuen Fachhochschulausbildung in Winterthur sei mit 38 Studierenden pro<br />
Jahr derzeit unterdurchschnittlich.<br />
7. Eine Pflegeausbildung auf der Tertiärstufe mit mehreren Ausbildungsfeldern ist<br />
attraktiver als eine einseitige. In <strong>Graubünden</strong> sind die Arbeitsfelder leider relativ<br />
beschränkt. Solange attraktive Bereiche ins Unterland abwandern, unterstützt durch<br />
überkommene Ausbildungsstrukturen wie zum Beispiel im Bereich der Kinderpflege,<br />
verlieren wir auch potentielle Lernende. Es fehlen zudem gerade im Langzeitbereich<br />
in den Institutionen innovative Beispiele, die Pflegende herausfordern und<br />
überregionale Ausstrahlung haben. Die gerontologischen Fachbereiche müssen ihre<br />
heutigen und zukünftigen Aufgabensstellungen theoretisch und konzeptionell besser<br />
abstützen, damit sie auch für kognitiv starke Studierende spannender werden<br />
8. Die lange Zeit permanenter Reformen (seit 1992!) in den Pflegeausbildungen führt<br />
zu Ermüdungserscheinungen und zu Interessenverlust bei allen<br />
Ausbildungspartnern. Potentielle Lernende konnten sich lange Zeit nicht richtig über
die neuen Bildungswege informieren. Dadurch entstehen Lücken, die sich in zwei<br />
oder drei Jahren bemerkbar machen werden.<br />
9. Die neue Zersplitterung der Ausbildungen und deren Aufsicht auf 26<br />
Kantonsebenen mit nach wie vor unterschiedlichen Lehrplänen und unterschiedlicher<br />
Ausbildungsstruktur sowie unterschiedliche Strategien in der Deutsch- und<br />
Westschweiz sind für die Attraktivität der Pflegeausbildung nicht förderlich. Das einst<br />
klare Berufsbild hat durch ein zuviel an Reformen an Eindeutigkeit und Ansehen<br />
verloren. Der Wiederaufbau dauert Jahre.<br />
10. An einem Arbeitskräftemangel in den Pflegeberufen leiden praktisch auch alle<br />
anderen europäischen Nachbarstaaten. Da die Schweiz bereits einen hohen Anteil<br />
an ausländischen Pflegekräften hat, dürfte dies dazu führen, das Personal vermehrt<br />
auch in aussereuropäischen Ländern zu rekrutieren, mit allen kulturellen und<br />
sprachlichen Schwierigkeiten, die solches Vorgehen nach sich zieht.<br />
27. November 2007, Veronika Niederhauser
Thomas Pfiffner<br />
Pflegedienstleiter Seniorenzentrum Rigahaus, Chur<br />
1. Problemkreise Langzeitpflege1<br />
Finanzen<br />
• Unsicherheit zu den künftigen Finanzierungssystemen<br />
• Leistungsauftrag und Finanzierung klaffen auseinander<br />
• Steigender Leistungsbedarf bei stagnierenden Ressourcen<br />
(Personalbestand)<br />
• Finanzierung der Langzeitpflege (künftig LZP) wird nicht gleich<br />
gehandhabt, wie bei den Spitälern<br />
• Pflegeleistungen sind – entgegen den KVG-Absichten – teilweise durch<br />
die Klienten selber zu finanzieren<br />
Klientensystem<br />
• LZP ist heute weit mehr als Geriatrie: ACB (Alte, chronisch Kranke,<br />
Behinderte)<br />
• Spitäler schieben als Folge von DRG Patienten früher in die Institutionen<br />
der LZP ab, dies führt zu erhöhtem Pflegeaufwand bei gleichbleibenden<br />
Ressourcen der Institutionen<br />
• Andere Kulturen in den Institutionen der LZP (Migranten)<br />
• Die Komplexität der Pflege ist zunehmend<br />
• Durch die wachsenden Klientenansprüche versus dem<br />
Infrastrukturangebot der Institutionen entsteht ein Spannungsfeld<br />
Personelles<br />
• Ausländisches Pflegepersonal, andere Kulturen (berufliches Wertesystem<br />
im Herkunftsland vs. Pflegeverständnis CH)<br />
• In der Langzeitpflege künftig höheres Kompetenzniveau der Pflege<br />
erforderlich<br />
• Fehlende Anreizsysteme<br />
• Attraktivierung der Arbeitsplätze in der LZP nötig<br />
• Belastbarkeit der Mitarbeitenden gesunken<br />
• Berufsangehörige der alten Bildungssystematik stehen mit den<br />
Berufsangehörigen der neuen Bildungssystematik im Konflikt (unklare<br />
Profilierung / Positionierung?)<br />
• Rolle der FAGE in den Institutionen unklar<br />
• Teamzusammensetzung auf den Pflegeabteilungen durch neue Berufe<br />
mit unklaren Profilen schwierig AKV fehlt<br />
• Mangel an ausgebildetem Personal, Bedeutung der Hilfskräfte wachsend<br />
• Die Heterogenität der Teamzusammensetzung auf den Pflegeabteilungen<br />
erhöht die Komplexität der Führungsaufgabe<br />
• Umgang mit älteren ArbeitnehmerInnen: Tieferes Leistungsvermögen,<br />
aber fehlende Einsatzmöglichkeiten in den Institutionen<br />
(Nischenarbeitsplätze, flexible Arbeitszeit- /einsatzmodelle)<br />
1 Quelle: Zukunftswerkstatt Langzeitpflege H+ / Zürich, 09.11.2007
Bildung<br />
• Fehlende Bildungsangebote für ungelernte Pflege-MA<br />
• Spezialisierung vs Bezugspflege (Spezialisierung vs. Generalismus)<br />
Trend Richtung Spezialisierung<br />
• Pflegeausbildung: Der Praxisbezug in der Grundausbildung ist schlecht,<br />
die Pflege-(Grund-)ausbildung muss sich am Praxisbedarf orientieren<br />
• Lernen braucht organisationale Rahmenbedingungen<br />
• Pflegebildung muss sich auf die benötigten Kernkompetenzen<br />
fokussieren, kein „Bildungsballast“ in der Grundausbildung<br />
Organisation<br />
• Dokumentationspflicht ist am steigen<br />
Gesellschaft<br />
• Image der Langzeitpflege ist schlecht<br />
• Negative Altersbilder<br />
2. FaGe2<br />
Ausgangslage und Entwicklung generell<br />
• „Alternde“ Bevölkerung<br />
• Pflege- und Betreuungsleistungen: Bedarf zunehmend, zunehmende<br />
Komplexität der Pflegesituationen auch im Langzeitbereich (DRG’s)<br />
• Steigende Erwartungen/Anforderungen der „primären Kunden“<br />
(Pflegeempfänger und deren Angehörigen) – kritischere Kunden<br />
• Weniger (-10%) Schulabgänger ab 2008 bis 2014 Konkurrenz um<br />
Schulabgänger<br />
• Diplomausbildungen: Tertialisierung führt zu höherer Zutrittsschwelle<br />
und zu steigenden Anforderungen + weniger Schulabgänger generell =<br />
Weniger Absolventinnen<br />
Merkmale:<br />
• Sekundarstufe II<br />
• Anschluss an obligatorische Schulzeit<br />
• Klassische Berufsausbildung<br />
• Lernortsprinzip<br />
• Einflussmöglichkeit der Betriebe<br />
• Hoher Praxisbezug<br />
Bedeutung:<br />
• Einstiegsberuf für das Gesundheitswesen<br />
• Eigenständiger Beruf<br />
• Entlastung und Ergänzung zur Diplompflege<br />
• Eingeschränkte Kompetenzen im Pflegeprozess<br />
• Rekrutierungsbasis für Diplomausbildungen<br />
2 H+ Tagung zum Thema „FaGe ausbilden und einsetzen“ / Olten, 20.04.2007<br />
3. Fazit<br />
Erhöhter Pflege- und Betreuungsbedarf quantitativ und<br />
Erhöhung der Anforderungen qualitativ
Anzahl diplomierter Absolventinnen tendenziell rückläufig<br />
4. Konsequenzen für die Personalentwicklung<br />
Konsequenzen FaGe<br />
• In FaGe-Ausbildung investieren<br />
• FaGe attraktive Einsatzmöglichkeiten bieten<br />
• FaGe neben HF oder FH spezifische Weiterbildungsmöglichkeiten eröffnen<br />
(z.B. Gerontologische Vertiefungsrichtung)<br />
Konsequenzen Personalentwicklung allgemein:<br />
• Steigende Bedeutung der Inhouse-Bildung – interne Experten, Tutoren<br />
• Höhere Weiterbildungsbudgets in den Organisationen<br />
• Chance: Ältere Mitarbeiter (50+)<br />
• Pflegeassistenzpersonal weiterentwickeln (z.B. Nachholbildung)<br />
• Für Ausbildungsinstitute: Modulare Angebote schaffen, welche die<br />
Organisationen gezielt einkaufen können<br />
5. Konsequenzen für die Organisation<br />
Gesundheitspolitisch<br />
• Weg von einzelnen Klein- und Kleinstbetrieben, hin zu<br />
Gesundheitsversorgungsregionen bzw. -zentren (Beispiel Flury Stiftung<br />
Prättigau)<br />
Betriebliche Organisation<br />
• Aufgaben, Verantwortung, Kompetenzen sauber klären und formulieren<br />
• Schlankes und wirksames Qualitätsmanagement umsetzen<br />
6. Meine Thesen<br />
• Der Mangel an diplomiertem Pflegepersonal ist bereits Realität und er<br />
wird sich in den nächsten 5 Jahren im Langzeitbereich ohne Zweifel weiter<br />
verschärfen.<br />
• Dies muss aber nicht zwingend zu einem „<strong>Pflegenotstand</strong>“ führen.<br />
• Wenn die „neuen“ Berufe (z.B. FaGe, FaBe) geschickt und adäquat in die<br />
Organisationen integriert und mit den „alten“ Berufen kombiniert werden,<br />
besteht sogar die Chance für eine Qualitäts- und Effizienzsteigerung.<br />
• Dies bedingt Investitionen in die Fort- und Weiterbildung (höhere<br />
Weiterbildungsbudgets) und Anpassungen in der Organisation (Aufgaben,<br />
Verantwortung, Kompetenzen).<br />
• Ergänzend dazu sollten Massnahmen zur Imageverbesserung der<br />
Langzeitpflege und des Gesundheitswesens generell eingeleitet werden<br />
(mehr von Leistungen sprechen statt immer nur von Kosten).