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Abschlussbericht Projekt "Persönliches Budget im Leistungsmix"

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Dorothée Schlebrowski, Markus Schäfers, Gudrun Wansing<br />

<strong>Abschlussbericht</strong> der Technischen Universität Dortmund<br />

zum Forschungsprojekt<br />

PerLe 3<br />

<strong>Persönliches</strong> <strong>Budget</strong> <strong>im</strong> Leistungsmix –<br />

Neues Wohnen für Menschen mit geistiger Behinderung<br />

zwischen stationärem Setting, ambulanten Leistungen und informellen Hilfen<br />

<strong>im</strong> Rahmen des Programms<br />

zur Struktur-Verstärkung von Persönlichen <strong>Budget</strong>s<br />

<strong>im</strong> Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales<br />

Wir danken für die<br />

finanzielle Förderung durch das<br />

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)<br />

Technische Universität Dortmund<br />

Fakultät Rehabilitationswissenschaften<br />

Rehabilitationssoziologie<br />

Prof. Dr. Elisabeth Wacker<br />

Emil-Figge-Straße 50<br />

44227 Dortmund<br />

April 2009


Inhaltsverzeichnis 2<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis ........................................................................................... 3<br />

Einleitung .............................................................................................................................................. 5<br />

1 Das Persönliche <strong>Budget</strong> <strong>im</strong> stationären Wohnbereich ........................................................ 8<br />

2 Der Modellversuch PerLe........................................................................................................ 15<br />

2.1 Entstehungszusammenhang und Ziele des Modellversuchs ........................... 16<br />

2.2 Das Wohnhe<strong>im</strong> am Stadtring in Bielefeld und seine Bewohnerschaft ........... 17<br />

2.3 Modellkonzeption ................................................................................................... 19<br />

2.3.1 Modellphase 1 .................................................................................................. 20<br />

2.3.2 Modellphase 2 .................................................................................................. 25<br />

3 Evaluation: Konzeption und methodisches Vorgehen ...................................................... 28<br />

3.1 Fragestellung und Untersuchungsansatz ........................................................... 28<br />

3.2 Datenerhebung und -auswertung ........................................................................ 29<br />

4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen ................................ 35<br />

4.1 <strong>Budget</strong>bezogene Kenntnisse und Kompetenzen ............................................... 36<br />

4.2 <strong>Budget</strong>beratung und -assistenz ............................................................................ 44<br />

4.3 <strong>Budget</strong>verwendung ................................................................................................ 49<br />

4.3.1 Entwicklung der <strong>Budget</strong>ausgaben insgesamt und individuell ................ 49<br />

4.3.2 Nachgefragte Dienstleistungen: Art und Erbringungsform ..................... 57<br />

4.4 Wirkungen <strong>im</strong> Leben der <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer .............. 61<br />

4.5 Wirkungen auf die Arbeitssituation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter . 67<br />

4.6 Ansatzpunkte der Weiterentwicklung aus Sicht der Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter .......................................................................................................................... 75<br />

5 Rahmenbedingungen für das Persönliche <strong>Budget</strong> <strong>im</strong> stationären Wohnbereich ........ 79<br />

6 Schlussfolgerungen und Empfehlungen ............................................................................. 82<br />

Literaturverzeichnis .......................................................................................................................... 87


Abbildungs- und Tabellenverzeichnis 3<br />

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis<br />

Abbildungsverzeichnis<br />

Abb. 1: Wohnsituation der <strong>Budget</strong>nehmer/innen zum Zeitpunkt der<br />

<strong>Budget</strong>beantragung (in %; n=825; vgl. Metzler et al. 2007, 88) ....................... 8<br />

Abb. 2: Überblick über das Forschungsprogramm PerLe .......................................... 15<br />

Abb. 3: Anteile der Maßnahmepauschale für ein <strong>Persönliches</strong> <strong>Budget</strong> ................. 23<br />

Abb. 4: Entwicklung der monatlichen <strong>Budget</strong>ausgaben <strong>im</strong> zweijährigen<br />

Erhebungszeitraum (Oktober 2006 bis September 2008; Gesamt aller<br />

<strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer) ...................................................... 50<br />

Abb. 5: Entwicklung der halbjährlichen <strong>Budget</strong>ausgaben <strong>im</strong> dreijährigen<br />

Erhebungszeitraum (Oktober 2005 bis September 2008;<br />

Intern/Extern/Gesamt aller <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer) ...... 50<br />

Abb. 6: Verhältnis der <strong>Budget</strong>ausgaben intern/extern <strong>im</strong> Zeitraum Oktober 2005<br />

bis September 2008 .............................................................................................. 51<br />

Abb. 7: <strong>Budget</strong>inanspruchnahme nach Personen (in % des kumulierten <strong>Budget</strong>s;<br />

Identifikationsnummer auf der x-Achse; Zeitraum Oktober 2006 bis<br />

September 2008) .................................................................................................. 53<br />

Abb. 8: <strong>Budget</strong>inanspruchnahme nach Personen (in % des kumulierten <strong>Budget</strong>s;<br />

Identifikationsnummer auf der x-Achse; Zeitraum Oktober 2005 bis<br />

September 2008) .................................................................................................. 54<br />

Abb. 9: <strong>Budget</strong>ausgaben personenbezogen (in % des kumulierten <strong>Budget</strong>s;<br />

intern/extern; Identifikationsnummer auf der x-Achse; Zeitraum Oktober<br />

2006 bis September 2008) ................................................................................... 55<br />

Abb. 10: Verhältnis der <strong>Budget</strong>ausgaben intern/extern des <strong>Budget</strong>nehmers mit der<br />

Identifikationsnummer 17 (Zeitraum Oktober 2005 bis September 2008) .. 56<br />

Abb. 11: Verhältnis der <strong>Budget</strong>ausgaben intern/extern der <strong>Budget</strong>nehmerin mit der<br />

Identifikationsnummer 27 (Zeitraum Oktober 2005 bis September 2008) .. 57


Abbildungs- und Tabellenverzeichnis 4<br />

Tabellenverzeichnis<br />

Tab. 1: Übersicht über Modellprojekte zum Persönlichen <strong>Budget</strong> in stationären<br />

Wohneinrichtungen in Deutschland ................................................................ 10<br />

Tab. 2: Altersstruktur der <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer ...................... 18<br />

Tab. 3: Anzahl der <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer pro Leistungstyp<br />

(LT) und Hilfebedarfsgruppe (HBG) ............................................................... 19<br />

Tab. 4: Sachleistungen und Geldleistungen ................................................................. 21<br />

Tab. 5: <strong>Budget</strong>höhen nach Leistungstyp und Hilfebedarfsgruppe in Phase 1 ....... 23<br />

Tab. 6: <strong>Budget</strong>höhen nach Leistungstyp/ Hilfebedarfsgruppe in Phase 1 und 2 ... 26<br />

Tab. 7: Thematischer Orientierungsrahmen für die Interviews mit den<br />

<strong>Budget</strong>nehmer/innen und ihren Bezugsmitarbeiter/innen ........................... 31<br />

Tab. 8: Übersicht über die Phasen der Datenerhebung der <strong>Projekt</strong>e PerLe 1 – 3 ... 32<br />

Tab. 9: Übersicht über die geführten Interviews der vorliegenden Folgestudie<br />

(Phase IV) ............................................................................................................. 33<br />

Tab. 10: Aktivitäten und Ausgaben des <strong>Budget</strong>nehmers Herrn A. (BN 11) ............. 58<br />

Tab. 11: Aktivitäten und Ausgaben des <strong>Budget</strong>nehmers Herrn D. (BN 05) ............. 59


Einleitung 5<br />

Einleitung<br />

Das Rehabilitationssystem orientiert sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts neu: Die Selbstver-<br />

ständlichkeit, mit der traditionelle Hilfesysteme für Menschen mit Behinderung konzipiert<br />

und angeboten werden, gerät ins Wanken. Es geht nicht mehr um die Frage, wie Versorgung<br />

(mit standardisierten Leistungen) gewährleistet wird, sondern wie Menschen mit Behinde-<br />

rung ihre erschwerten Lebenslagen selbstbest<strong>im</strong>mt bewältigen und am gesellschaftlichen<br />

Leben teilhaben können.<br />

Welche Ressourcen hier <strong>im</strong> Einzelfall benötigt werden, ist abhängig von den individuel-<br />

len Aufgaben, Kompetenzen und Risiken von Menschen mit Behinderung in ihren jeweiligen<br />

Lebenszusammenhängen. Ihre Mitwirkung bei der Auswahl und Gestaltung entsprechender<br />

Leistungen ist demzufolge eine „strukturell begründete Mindestbedingung“ (Schnurr 2005,<br />

S. 1334) einer teilhabeorientierten Rehabilitation. Innerhalb des bestehenden Dienstleistungs-<br />

systems kollidieren diese fachlichen Anforderungen jedoch vielfach mit strukturellen, wie<br />

etwa finanziellen und organisatorischen Gegebenheiten in Einrichtungen und Diensten.<br />

Um den erforderlichen Wandel in Richtung Nutzerorientierung und Partizipation zu<br />

unterstützen, gewinnt das Persönliche <strong>Budget</strong> seit der Verankerung eines Rechtsanspruches<br />

<strong>im</strong> Jahr 2008 weiterhin an Bedeutung und kann vor dem Hintergrund bereits gewonnener<br />

Erkenntnisse als Erfolg versprechend hinsichtlich seiner Wirkungen auf die Ermöglichung<br />

passgenauer Hilfen bewertet werden (vgl. Metzler et al. 2007). Im Mittelpunkt stehen hierbei<br />

ein Zuwachs an Aktivitäten und sozialer Teilhabe, positive Auswirkungen auf das Wohlbe-<br />

finden und die Lebensqualität, eine bessere Passgenauigkeit der Hilfen, Entscheidungsfrei-<br />

räume bei der Auswahl und Gestaltung von Unterstützungsleistungen und somit die Flexi-<br />

bilität <strong>im</strong> Rahmen der Unterstützungsgestaltung. Daneben spielen die gestiegenen Möglich-<br />

keiten einer selbständigen Lebensführung eine wichtige Rolle sowie die gewonnene Unab-<br />

hängigkeit von Diensten und Angehörigen bzw. eine (wiedererlangte) Kontrolle über das<br />

eigene Leben (vgl. Baumgartner et al. 2007, S. 113 f.). Die Leistungsform des Persönlichen<br />

<strong>Budget</strong>s führt in ihrer praktischen Ausgestaltung zu einer erheblichen Ausweitung der Mit-<br />

gestaltungsmöglichkeiten der Nutzerinnen und Nutzer <strong>im</strong> Leistungsgeschehen.<br />

Die bislang gemachten Erfahrungen beziehen sich dabei allerdings fast ausschließlich<br />

auf den ambulanten Bereich der Unterstützungsgestaltung, und gesicherte Erkenntnisse hin-


Einleitung 6<br />

sichtlich einer Nutzung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> stationären Kontext liegen bisher nur<br />

rud<strong>im</strong>entär vor. Damit bleibt ein wesentlicher Bereich des bestehenden Unterstützungssys-<br />

tems der Eingliederungshilfe von den Entwicklungschancen durch das Persönliche <strong>Budget</strong><br />

ausgenommen und somit ein Großteil der erwachsenen Menschen mit geistiger und komp-<br />

lexer Behinderung, die nach wie vor überwiegend in stationären Einrichtungen leben, von<br />

den Möglichkeiten und Wirkungen des Persönlichen <strong>Budget</strong>s ausgeschlossen. Auch oder<br />

gerade weil davon auszugehen ist, dass Menschen mit Behinderung, die in stationären Ein-<br />

richtungen leben, bislang in vielerlei Hinsicht nicht den „Idealtypus eines Nutzers“ darstel-<br />

len, der aktiv nachfragend und gut informiert den Prozess der Unterstützungsgestaltung<br />

steuert, lohnt sich die Frage, inwieweit und unter welchen Bedingungen auch dieser Perso-<br />

nenkreis von einer neuen (Selbst-)Steuerung durch das Persönliche <strong>Budget</strong> profitieren kann.<br />

An diesem Punkt setzt das Forschungsprogramm PerLe an, das über einen Zeitraum von<br />

inzwischen acht Jahren in insgesamt drei <strong>Projekt</strong>teilen Fragestellungen zum Persönlichen<br />

<strong>Budget</strong> <strong>im</strong> stationären Wohnbereich bearbeitet (vgl. Kap. 2): PerLe 1: Personenbezogene<br />

Unterstützung und Lebensqualität (vgl. Wacker, Wansing, Schäfers 2005), PerLe 2: Persönli-<br />

ches <strong>Budget</strong> und Lebensqualität (vgl. Schäfers, Wacker, Wansing 2009) sowie PerLe 3: Per-<br />

sönliches <strong>Budget</strong> <strong>im</strong> Leistungsmix. Der dritte Teil liegt diesem <strong>Abschlussbericht</strong> zugrunde.<br />

PerLe startete 2003 als Modellversuch in einer stationären Wohneinrichtung der Behinder-<br />

tenhilfe und wird mittlerweile als Regelleistung fortgeführt.<br />

Inwiefern das Persönliche <strong>Budget</strong> zu einer veränderten Leistungsgestaltung <strong>im</strong> Bereich<br />

des stationären Wohnens beiträgt und welche Wirkungen es nach einem Zeitraum von in-<br />

zwischen fünf Jahren sowohl bezogen auf die Lebensführung, -lagen und -stile der Bewoh-<br />

nerinnen und Bewohner als auch auf den Arbeitsalltag der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

entfaltet, wird in diesem Bericht <strong>im</strong> Querschnitt wie auch <strong>im</strong> Längsschnitt analysiert und<br />

reflektiert.<br />

In Kapitel 1 wird zunächst ein kurzer Überblick über Modellversuche zum Persönlichen<br />

<strong>Budget</strong> <strong>im</strong> stationären Bereich der Unterstützungsgestaltung gegeben. Kapitel 2 befasst sich<br />

mit der konkreten Erprobung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s in einem Wohnhe<strong>im</strong> <strong>im</strong> Rahmen des<br />

Forschungsprogramms PerLe. In dem Kontext werden Ausgangslage, Zielsetzungen und<br />

Rahmenbedingungen des Modellversuchs erläutert. Die Skizzierung der Konzeption und<br />

Methodik der wissenschaftlichen Begleitforschung erfolgt in Kapitel 3. Im daran anschlie-


Einleitung 7<br />

ßenden 4. Kapitel werden die Forschungsergebnisse vorgestellt und interpretiert. Die zentra-<br />

len Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Umsetzung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> sta-<br />

tionären Wohnbereich werden in Kapitel 5 dargelegt. Den Abschluss des Berichts bilden<br />

Schlussfolgerungen und Empfehlungen für eine erfolgreiche Umsetzung des Persönlichen<br />

<strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> stationären Kontext.<br />

Damit das Forschungsprojekt erfolgreich verlaufen konnte, waren vielfache Dienstleistungen<br />

nötig. Einigen Unterstützern möchten wir an dieser Stelle besonders danken:<br />

An erster Stelle sind dies die <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer, die <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong><br />

am Stadtring der vBA Bethel leben, die dort tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie<br />

die Wohnhe<strong>im</strong>leitung. Für die Kooperation und die wiederholte Bereitschaft, in den ausführ-<br />

lichen Interviews über ihre Erfahrungen mit dem Persönlichen <strong>Budget</strong> zu berichten, bedan-<br />

ken wir uns ganz besonders.<br />

Dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) danken wir für die finanzielle<br />

Förderung der wissenschaftlichen Begleitforschung.<br />

Sophia Mowka sei gedankt für die Transkription zahlreicher Interviews.


1 Das Persönliche <strong>Budget</strong> <strong>im</strong> stationären Wohnbereich 8<br />

1 Das Persönliche <strong>Budget</strong> <strong>im</strong> stationären Wohnbereich<br />

Die Erfahrungen in bisherigen Modellprojekten zur Umsetzung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s<br />

konzentrieren sich <strong>im</strong> Wesentlichen auf ambulante Leistungen der Eingliederungshilfe, wo-<br />

hingegen stationäre Leistungen <strong>im</strong> Wohnbereich beispielsweise nur in seltenen Fällen in ein<br />

<strong>Persönliches</strong> <strong>Budget</strong> einbezogen werden (vgl. Kastl, Metzler 2005; Metzler et al. 2007). So<br />

wohnten <strong>im</strong> Kontext der bundesweiten Modellversuche zum Trägerübergreifenden Persön-<br />

lichen <strong>Budget</strong> lediglich 3 % der <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer zum Zeitpunkt der<br />

Antragsstellung in stationären Einrichtungen, während die meisten <strong>Budget</strong>nehmerinnen<br />

und <strong>Budget</strong>nehmer in Privatwohnungen oder in ambulant betreuten Wohnangeboten lebten<br />

(vgl. Abb. 1).<br />

Privatwohnung<br />

77%<br />

Familienpflege<br />

1%<br />

Wohn-, Pflege-,<br />

Seniorenhe<strong>im</strong><br />

3%<br />

ambulant<br />

betreutes Wohnen<br />

12%<br />

betreute Wohngemeinschaft<br />

7%<br />

Abb. 1: Wohnsituation der <strong>Budget</strong>nehmer/innen zum Zeitpunkt der <strong>Budget</strong>beantragung (in %;<br />

n=825; vgl. Metzler et al. 2007, 88)<br />

Damit liefern die bisherigen empirischen Erkenntnisse insofern einen begrenzten Betrach-<br />

tungsrahmen als sie eine wesentliche Zielgruppe von Teilhabeleistungen bzw. Eingliede-<br />

rungshilfen ausklammern: Von insgesamt 250.000 Empfängern von Eingliederungshilfen <strong>im</strong><br />

Bereich Wohnen erhalten deutschlandweit 23 % ambulante und 77 % stationäre Leistungen


1 Das Persönliche <strong>Budget</strong> <strong>im</strong> stationären Wohnbereich 9<br />

(vgl. BAGüS 2006, S. 10). Für Nordrhein-Westfalen stellt sich das Verhältnis von ambulanten<br />

zu stationären Leistungen <strong>im</strong> bundesweiten Vergleich leicht abweichend zugunsten der am-<br />

bulanten Leistungen dar (38 % zu 62 %). Dies gilt jedoch nicht für alle Zielgruppen gleicher-<br />

maßen: Für Menschen mit geistiger Behinderung bedeutet die Inanspruchnahme wohnbezo-<br />

gener Hilfen nach wie vor in der Regel eine Lebensführung in stationären Wohneinrichtun-<br />

gen (17 % ambulant zu 83 % stationär; Stichtag 31.12.2007, vgl. ZPE 2008, S. 190).<br />

Auch wenn sich verschiedene Einrichtungsträger zunehmend mit der Frage auseinan-<br />

dersetzten, ob und wie das Persönliche <strong>Budget</strong> in der eigenen Einrichtung <strong>im</strong>plementiert<br />

werden soll, liegen Informationen aktuell nur zu wenigen praktischen Erprobungsansätzen<br />

<strong>im</strong> stationären Wohnbereich vor (vgl. Tab. 1). Dabei handelt es sich bei keinem der Modelle<br />

um das Persönliche <strong>Budget</strong> in der „Reinform“, wie es sozialrechtlich <strong>im</strong> § 17 SGB IX bzw. in<br />

der <strong>Budget</strong>verordnung verankert ist. Vielmehr geht es <strong>im</strong> Kern um eine Differenzierung und<br />

Flexibilisierung einzelner Unterstützungsanteile <strong>im</strong> Gesamtpaket der Wohnhe<strong>im</strong>angebote.


1 Das Persönliche <strong>Budget</strong> <strong>im</strong> stationären Wohnbereich 10<br />

Nr. <strong>Projekt</strong>titel Wohnhe<strong>im</strong>träger<br />

(1) Geld- und Zeitbudget<br />

in<br />

Wohngruppen<br />

(2) Persönliche<br />

<strong>Budget</strong> in stationärenWohneinrichtungen<br />

der<br />

Harz-Weser-<br />

Werkstätten<br />

(3) <strong>Persönliches</strong><br />

<strong>Budget</strong> in der<br />

Wohnanlage<br />

Kronenstraße,<br />

Rheinfelden<br />

(4) <strong>Persönliches</strong><br />

<strong>Budget</strong> für personenzentrierte<br />

Leistungen in<br />

der Wohnstätte<br />

Maria Droste,<br />

Coesfeld<br />

(5) <strong>Projekt</strong> PerLe<br />

(1-3)<br />

Leben mit<br />

Behinderung,<br />

Hamburg<br />

Harz-Weser-<br />

Werkstätten<br />

gGmbH, Osterode<br />

St. Josefshaus,<br />

Herten<br />

Stiftung Haus<br />

Hall, Gescher<br />

Von Bodelschwinghsche<br />

Anstalten<br />

Bethel<br />

Laufzeit Einbezogene<br />

Leistungen<br />

03/ 2002 –<br />

03/2004<br />

04/2005 –<br />

04/2006<br />

08/2008 –<br />

07/2010<br />

02/2007 –<br />

02/2009<br />

08/2003 –<br />

09/2006<br />

(danach<br />

Fortsetzung<br />

des PB <strong>im</strong><br />

Regelbetrieb)<br />

a) Geldbudget: Sachmittel<br />

des täglichen Gebrauchs<br />

(Lebensmittel,<br />

Pflegeprodukte, Reinigungsmittel)<br />

b) Zeitbudget: Flexible<br />

und individuelle Gestaltung<br />

der Unterstützung<br />

durch Mitarbeiter<br />

Lebensmittel, Wirtschaftsmittel<br />

und Betreuungsmittel<br />

Zeitgutscheine für<br />

individuelle Unterstützungsleistungen<br />

durch einen Betreuer<br />

eigener Wahl<br />

Gutscheine für 4-5<br />

Stunden individuell<br />

gewählte Unterstützung<br />

durch Wohnhe<strong>im</strong>mitarbeiter/innen<br />

(Schwerpunkt Freizeitaktivitäten)<br />

10% der Maßnahmepauschale<br />

für individuell<br />

gewählte Unterstützung<br />

durch externe<br />

Dienstleister und Privatpersonen<br />

Anteile der Maßnahmepauschale<br />

für individuell<br />

gewählte Unterstützung<br />

durch<br />

Wohnhe<strong>im</strong>mitarbeiter/innen<br />

oder externe<br />

Dienstleister und Privatpersonen <br />

Teilnehmer/innen<br />

a) 20 Personen,<br />

b) 5 Personen<br />

in insgesamt 6<br />

Wohngruppen<br />

9 Personen in<br />

drei Wohnstätten<br />

(insgesamt<br />

140 Bewohner/innen)<br />

Teilnehmerzahl<br />

war konzeptionell<br />

auf 9 begrenzt<br />

16 von insgesamt<br />

23 Bewohner/innen<br />

eines<br />

Wohnhe<strong>im</strong>s<br />

alle 20 Bewohner/innen<br />

der<br />

Wohnstätte<br />

16-18 von insgesamt<br />

24 Bewohner/innen<br />

Tab. 1: Übersicht über Modellprojekte zum Persönlichen <strong>Budget</strong> in stationären Wohneinrichtungen<br />

in Deutschland


1 Das Persönliche <strong>Budget</strong> <strong>im</strong> stationären Wohnbereich 11<br />

(1) Zum einen ist in diesem Zusammenhang das Modellprojekt „Geldbudget und Zeit-<br />

budget in Wohngruppen von LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG“ zu nen-<br />

nen (vgl. Westecker 2004). Im Zeitraum von März 2002 bis März 2004 wurde dieses<br />

<strong>Projekt</strong> in sechs von insgesamt fünfzig Wohngruppen durchgeführt. Die Bewohne-<br />

rinnen und Bewohner hatten die Möglichkeit, <strong>im</strong> Rahmen des Geldbudgets auf<br />

Wunsch einen Teil der Sachkosten in Geld ausgezahlt zu bekommen und damit ihren<br />

Lebensalltag unabhängig von den anderen Bewohnerinnen und Bewohnern zu ge-<br />

stalten. Mit dem Geld konnten folgende Artikel des täglichen Verbrauchs individuell<br />

eingekauft werden: Lebensmittel, Körperpflegemittel und Reinigungsmittel. Auch<br />

über den Modellzeitraum hinaus besteht die Möglichkeit, in diesen Bereichen Selbst-<br />

versorger zu sein (vgl. Westecker 2004, S. 2). Diese Leistungsbereiche entsprechen <strong>im</strong><br />

Kern nicht den budgetfähigen Leistungen, wie sie in § 17 SGB IX verankert sind. Das<br />

Persönliche <strong>Budget</strong> <strong>im</strong> eigentlichen Sinne bezieht sich auf personenbezogene Unters-<br />

tützung <strong>im</strong> Alltag und nicht auf Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.<br />

Parallel zum Geldbudget wurde der Versuch gestartet, auf Wunsch ein persönliches<br />

Zeitbudget für die Bewohner zu entwickeln. Mit dem Zeitbudget sollte den Bewoh-<br />

nerinnen und Bewohnern die Möglichkeit eröffnet werden, die Zeit, die Mitarbeiter<br />

für sie individuell zur Verfügung haben, entsprechend der eigenen Bedürfnisse zu<br />

nutzen. Sie sollten somit selbst entscheiden können, für welche Aktivitäten sie die<br />

Mitarbeiter in Anspruch nehmen, zu welcher Zeit und insbesondere durch welchen<br />

Mitarbeiter die Unterstützung erfolgen sollte (vgl. Westecker 2004, S. 4). Das Zeit-<br />

budget konnte in seiner geplanten Form nicht dauerhaft realisiert werden, so dass ei-<br />

ne Inanspruchnahme über den <strong>Projekt</strong>zeitraum hinaus nicht möglich war (vgl. West-<br />

ecker 2004, S. 7). Das Zeitbudget dient zwar einer stärkeren Individualisierung der<br />

Unterstützung und soll die Wahlmöglichkeiten der Bewohner/innen stärken, es stellt<br />

allerdings keine Variante des eigentlichen Persönlichen <strong>Budget</strong>s dar.<br />

(2) Einen weiteren Modellversuch stellt das „Persönliche <strong>Budget</strong> in stationären Wohn-<br />

einrichtungen der Harz-Weser-Werkstätten“ dar. In drei Wohneinrichtungen nutz-<br />

ten neun Bewohnerinnen und Bewohner für einen Zeitraum von einem Jahr die Mög-


1 Das Persönliche <strong>Budget</strong> <strong>im</strong> stationären Wohnbereich 12<br />

lichkeit, statt der herkömmlichen Sachleistungen Geldleistungen zu erhalten, die sie<br />

in den Bereichen Lebensmittel, Wirtschaftsmittel und Betreuungsmittel ausgeben<br />

konnten. Zusätzlich gab es Zeitgutscheine für individuelle Unterstützungsleistungen<br />

durch eine Betreuerin/einen Betreuer nach eigener Wahl (vgl. Hampel, Goltermann<br />

2007). Ingesamt wurde die <strong>Budget</strong>nutzung für den Bereich Lebensmittel achtmal in<br />

Anspruch genommen und in den Bereichen Betreuungs- und Wirtschaftsmittel je-<br />

weils einmal sowie für den Bereich Zeitbudget ebenfalls einmal (vgl. Hampel 2007, S.<br />

10). Das Persönliche <strong>Budget</strong> wurde sowohl von den <strong>Budget</strong>nehmerinnen und Bud-<br />

getnehmern als auch von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern insgesamt positiv<br />

bewertet, vor allem hinsichtlich eines Zuwachses an Selbstbest<strong>im</strong>mung und Selbst-<br />

verantwortung für die Bewohnerinnen und Bewohner einer stationären Wohnein-<br />

richtung. Dies führte dazu, dass die <strong>Budget</strong>nutzung auch über den Modellzeitraum<br />

hinaus in den einzelnen Wohneinrichtungen je nach Rahmenbedingungen für 2 – 6<br />

Bewohnerinnen und Bewohner möglich ist (vgl. Hampel 2007, S. 13).<br />

(3) Ein Modellprojekt mit einer zweijährigen Laufzeit ist <strong>im</strong> August 2008 in einer statio-<br />

nären Wohneinrichtung des St. Josefshaus Herten gestartet 1 . Den 23 Bewohnerinnen<br />

und Bewohnern der <strong>im</strong> Januar 2008 ans Netz gegangenen Wohnanlage Kronenstraße<br />

in Rheinfelden stehen 4 - 5 Stunden Eins-zu-eins-Unterstützung monatlich zur freien<br />

Verfügung. Über Gutscheine können die Bewohnerinnen und Bewohner frei wählen,<br />

welche/welchen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sie wann für eine best<strong>im</strong>mte<br />

Unterstützung „einkaufen“ möchten. Aktuell liegt der Schwerpunkt der Unterstüt-<br />

zungsgestaltung mit dem „Persönlichen <strong>Budget</strong>“ <strong>im</strong> Bereich der Freizeitaktivitäten.<br />

16 der 23 Bewohnerinnen und Bewohner nehmen momentan am Modellprojekt teil.<br />

Auch <strong>im</strong> Rahmen dieser Erprobung handelt es sich nicht um ein Geldbudget <strong>im</strong> ei-<br />

gentlichen Sinne, sondern um ein Zeitbudget, welches den Bewohnerinnen und Be-<br />

wohnern in einem definierten Rahmen die Möglichkeit eröffnet, Einfluss auf die Leis-<br />

tungsgestaltung durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu nehmen.<br />

1 Die Informationen entstammen einem telefonischen Gespräch mit der <strong>Projekt</strong>leitung


1 Das Persönliche <strong>Budget</strong> <strong>im</strong> stationären Wohnbereich 13<br />

(4) Ein Modellprojekt <strong>im</strong> Sinne eines „echten“ Geldbudgets stellt das <strong>im</strong> Zeitraum von<br />

Februar 2007 bis Februar 2009 durchgeführte Pilotprojekt der Stiftung Haus Hall<br />

„Einsatz vom begrenzten Persönlichen <strong>Budget</strong> für personenzentrierte Leistungen“<br />

dar. Den Bewohnerinnen und Bewohnern der Wohnstätte Maria Droste in Coesfeld<br />

standen 10 % der Maßnahmepauschale als zweckgebundener Geldwert zur Verfü-<br />

gung. Mit dem Persönlichen <strong>Budget</strong> konnte ein Teil der personenbezogenen Unters-<br />

tützung für die folgenden Lebensbereiche realisiert werden: Förderung sozialer Kon-<br />

takte, Teilnahme an Bildungsangeboten, sportlichen Aktivitäten und kulturellen An-<br />

geboten sowie Gestaltung der Freizeit. Im Gegensatz zu den oben genannten Projek-<br />

ten konnte das Geldbudget ausdrücklich nicht für Unterstützung durch Mitarbeite-<br />

rinnen und Mitarbeiter des Wohnhe<strong>im</strong>s eingesetzt werden, sondern war ausschließ-<br />

lich für den Einsatz von externen professionellen Dienstleistern oder Privatpersonen<br />

vorgesehen. Darüber hinaus konnten nur Dienstleistungen finanziert werden, die au-<br />

ßerhalb der Räumlichkeiten der Wohnstätte erbracht werden (vgl. Eberson 2007, S.<br />

14). Von den <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmern wurde die <strong>Budget</strong>nutzung<br />

sehr positiv bewertet. Sie ermöglicht ihnen „ein hohes Maß an individuellen perso-<br />

nenzentrierten Leistungen und eine erhöhte Möglichkeit zur Teilhabe am gesell-<br />

schaftlichen Leben“ (Eberson 2009, S. 3). Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bewer-<br />

ten die neue Situation trotz anfänglicher Schwierigkeiten vor allem <strong>im</strong> Rahmen der<br />

zu übernehmenden <strong>Budget</strong>beratung ebenfalls als positiv. Auch über den <strong>Projekt</strong>zeit-<br />

raum hinaus können die Bewohnerinnen und Bewohner das begrenzte Persönliche<br />

<strong>Budget</strong>, zukünftig Teilhabebudget, in Anspruch nehmen. Die Ergebnisse der Modell-<br />

erprobung haben gezeigt, dass die ursprüngliche Höhe des Persönlichen <strong>Budget</strong>s von<br />

10 % der Maßnahmepauschale nicht unbedingt erforderlich ist. Aus diesem Grund<br />

steht den <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmern zukünftig ein <strong>Persönliches</strong> Bud-<br />

get in Höhe von 7,5 % der Maßnahmepauschale zur Verfügung, was aktuell einem<br />

monatlichen Betrag von 145 € entspricht (vgl. Eberson 2009, S. 3 f.).


1 Das Persönliche <strong>Budget</strong> <strong>im</strong> stationären Wohnbereich 14<br />

(5) Das <strong>Projekt</strong> PerLe stellt über einen fünfjährigen Erfahrungszeitraum den bislang um-<br />

fassendsten Modellversuch zum Persönlichen <strong>Budget</strong> <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong> dar. Der spezifi-<br />

sche Modellzuschnitt in einem Wohnhe<strong>im</strong> der von Bodelschwinghschen Anstalten<br />

Bethel in Bielefeld, der auch dem vorliegenden <strong>Projekt</strong>bericht zugrunde liegt, soll <strong>im</strong><br />

folgenden Kapitel (Kap. 2) ausführlich dargestellt werden.<br />

Generell lässt sich für die Einführung eines Persönlichen <strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> stationären Wohnbe-<br />

reich konstatieren, dass es insofern eine besondere Herausforderung darstellt als hier der<br />

Grundgedanke einer personenorientierten, individualisierten und flexiblen Hilfegestaltung<br />

einem gewachsenen Hilfesystem gegenübersteht, das stark in der Tradition der pauschalen<br />

Sachleistung bzw. einer gruppenbezogenen Organisationsstruktur verhaftet ist.<br />

So ist die Einführung eines Persönlichen <strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> stationären Setting vielfach mit Be-<br />

denken vonseiten der Leistungsanbieter und -träger sowie der Angehörigen verbunden, die<br />

sich sowohl auf strukturelle Aspekte der Umsetzung (Finanzierbarkeit, Dienstplangestal-<br />

tung, Personalausstattung) beziehen als auch auf die Sinnhaftigkeit Persönlicher <strong>Budget</strong>s für<br />

Menschen mit geistigen und komplexen Behinderungen (vgl. Wansing, Hölscher, Wacker<br />

2003). Die vorliegende Längsschnittstudie „<strong>Persönliches</strong> <strong>Budget</strong> <strong>im</strong> Leistungsmix“ dient der<br />

empirisch gestützten Überprüfung über einen Zeitraum von insgesamt fünf Jahren, welche<br />

Wirkungen und Nebenwirkungen die Umsteuerung durch das Persönliche <strong>Budget</strong> tatsäch-<br />

lich <strong>im</strong> Kontext stationärer Versorgungsstrukturen entfaltet, und ob und unter welchen Be-<br />

dingungen die neue Leistungsform auch die Position von Menschen mit geistiger und komp-<br />

lexer Behinderung <strong>im</strong> Leistungsgeschehen stärken kann.


2 Der Modellversuch PerLe 15<br />

2 Der Modellversuch PerLe<br />

Das <strong>Projekt</strong> „<strong>Persönliches</strong> <strong>Budget</strong> <strong>im</strong> Leistungsmix“ reiht sich als dritter Teil ein in das breit<br />

angelegte Forschungsprogamm PerLe „Personenbezogene Unterstützung und Lebensquali-<br />

tät (1)“ (für eine ausführliche Darstellung vgl. Wacker, Wansing, Schäfers 2005) sowie „Per-<br />

sönliches <strong>Budget</strong> und Lebensqualität (2)“ (für eine ausführliche Darstellung vgl. Schäfers,<br />

Wacker, Wansing 2009) ein (vgl. Abb. 2). Durch die Fortführung des Forschungsprogramms<br />

ergibt sich die Möglichkeit, die Wirkungen der Einführung eines Persönlichen <strong>Budget</strong>s <strong>im</strong><br />

Wohnhe<strong>im</strong> sowohl <strong>im</strong> Querschnitt als auch <strong>im</strong> Längsschnitt über einen Zeitraum von mehr<br />

als fünf Jahren zu verfolgen.<br />

Modul A: Universität Tübingen<br />

Analyse des Zusammenhangs zwischen<br />

Hilfebedarf, Ressourceneinsatz und Ergebnisqualität<br />

(Bezugsrahmen: Sachleistungssystem)<br />

PerLe 1<br />

Personenbezogene Unterstützung und Lebensqualität<br />

Laufzeit: März 2001 bis April 2004<br />

Abb. 2: Überblick über das Forschungsprogramm PerLe<br />

Modul B: Universität Dortmund<br />

Konzeptionelle Grundlegung und Ausgestaltung<br />

eines Persönlichen <strong>Budget</strong>s, Modellerprobung<br />

<strong>im</strong><br />

Wohnhe<strong>im</strong><br />

(Bezugsrahmen: Geldleistungssystem)<br />

PerLe 2<br />

<strong>Persönliches</strong> <strong>Budget</strong> und<br />

Lebensqualität<br />

Laufzeit: Mai 2005 bis Oktober 2006<br />

Fortsetzung der Modellerprobung<br />

<strong>Persönliches</strong> <strong>Budget</strong> <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong>:<br />

Konzeption, Weiterentwicklung<br />

und Evaluation<br />

PerLe 3<br />

<strong>Persönliches</strong> <strong>Budget</strong> <strong>im</strong> Leistungsmix<br />

Laufzeit: August 2008 bis April 2009<br />

Umsetzung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s <strong>im</strong><br />

Regelbetrieb<br />

Follow-Up-Studie und Empfehlungen


2 Der Modellversuch PerLe 16<br />

2.1 Entstehungszusammenhang und Ziele des Modellversuchs<br />

Im Zeitraum von August 2003 bis September 2006 wurde innerhalb des <strong>Projekt</strong>s PerLe das<br />

Persönliche <strong>Budget</strong> in einer stationären Einrichtung für Menschen mit geistigen und komp-<br />

lexen Behinderungen erprobt und wird seitdem als alternative Regelleistung zur ausschließ-<br />

lichen Sachleistung fortgeführt. Der praktischen Erprobung voraus ging der konzeptionelle<br />

Entwurf eines idealtypischen Modells zur Ausgestaltung eines Persönlichen <strong>Budget</strong>s <strong>im</strong><br />

deutschen Rehabilitationssystem (vgl. Wacker, Wansing, Schäfers 2005).<br />

Um Erkenntnisse u. a. zu den teilhaberelevanten Wirkungen des Persönlichen <strong>Budget</strong>s<br />

für die Zielgruppe der Menschen mit geistiger Behinderung zu gewinnen, entstand der<br />

Wunsch, das idealtypische Modell empirisch <strong>im</strong> stationären Setting zu erproben und auf<br />

dieser Basis weiterzuentwickeln und ggf. zu modifizieren. Von März 2002 bis Mai 2003 wur-<br />

den die Möglichkeiten der praktischen Erprobung durch ein Expertengremium (<strong>im</strong> Wesent-<br />

lichen bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der TU Dortmund, des Landschaftsver-<br />

bands Westfalen-Lippe, des Stiftungsbereichs Behindertenhilfe der von Bodelschwinghschen<br />

Anstalten Bethel sowie zeitweise des Bundesministeriums für Arbeit) geprüft und der Start<br />

des Modellversuchs vorbereitet. Es entstand ein Modellversuch, der sich von allen bisher<br />

erprobten Modellen (vgl. Metzler et al. 2007) unterschied: Die Erprobung wurde auf Leis-<br />

tungen des überörtlichen Sozialhilfeträgers (Eingliederungshilfe <strong>im</strong> Bereich Wohnen) zuge-<br />

schnitten und sah die explizite Beteiligung jener Personengruppe vor, deren Fähigkeiten und<br />

Chancen zur Nutzung eines Persönlichen <strong>Budget</strong>s in Fachdiskussionen nach wie vor häufig<br />

in Frage stehen: Es ging ausdrücklich um Menschen mit geistiger Behinderung und umfäng-<br />

lichen Unterstützungsbedarfen, die <strong>im</strong> stationären Kontext leben.<br />

Folgende Ziele wurden mit der Einführung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> stationären Kontext<br />

verfolgt:<br />

• „die Eigenverantwortung und Selbstbest<strong>im</strong>mung der Bewohnerinnen und Be-<br />

wohner zu fördern,<br />

• Entscheidungsspielräume bei der Auswahl von Unterstützungsleistungen zu<br />

schaffen und zu erweitern (Optionen zu öffnen, wer welche Leistung zu wel-<br />

chem Zeitpunkt erbringen soll),<br />

• Unterstützungsleistungen stärker zu individualisieren,<br />

• Teilhabechancen und -aktivitäten zu erhöhen,


2 Der Modellversuch PerLe 17<br />

• persönliche, soziale und ökologische Ressourcen der Bewohnerinnen und Be-<br />

wohner zu entdecken, zu stärken und ins Spiel zu bringen sowie<br />

• die stationären Angebote mit ambulanten Leistungen sowie bürgerschaftlichen<br />

und privaten Hilfen zu verknüpfen“ (Schäfers, Wacker, Wansing 2009, S. 41f.).<br />

2.2 Das Wohnhe<strong>im</strong> am Stadtring in Bielefeld und seine Bewohnerschaft<br />

Das am Modellversuch beteiligte Wohnhe<strong>im</strong> am Stadtring ist eine Einrichtung des Stiftungs-<br />

bereichs Behindertenhilfe der von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel in Bielefeld. Der<br />

Stiftungsbereich Behindertenhilfe ist mit 1.284 stationären Wohnplätzen (He<strong>im</strong>e, Wohn-<br />

gruppen, Einzelwohnen) an den Standorten Bielefeld, Kreis Herford, Kreis Gütersloh sowie<br />

Kreis Paderborn einer der größten Einrichtungsträger in Westfalen-Lippe. Darüber hinaus<br />

bietet der Arbeitsbereich 435 Plätze <strong>im</strong> Bereich des ambulant betreuten Wohnens, 404 Plätze<br />

in stationären Behandlungs- und Betreuungsangeboten in Fachkrankenhäusern, Familienent-<br />

lastende Dienste, Kurzzeitbetreuung, Tagesstrukturierende Angebote in und außerhalb der<br />

Werkstätten für behinderte Menschen sowie Tagesförderangebote für Senioren (vgl. Stif-<br />

tungsbereich Behindertenhilfe o.J.²).<br />

Das Wohnhe<strong>im</strong> am Stadtring wurde <strong>im</strong> Jahr 2000 errichtet und liegt mitten in Brackwe-<br />

de, einem zentral gelegenen Stadtteil von Bielefeld. Die städtische Infrastruktur und der öf-<br />

fentliche Nahverkehr sind in wenigen Gehminuten erreichbar. Die Einrichtung mit 24 Plät-<br />

zen verfügt über zwölf Einzelappartements mit Einbauküche und Badez<strong>im</strong>mer sowie zwölf<br />

Einzelz<strong>im</strong>mer mit Bad, die in drei Wohngruppen eingeteilt sind.<br />

Konzeptionell ist das Wohnhe<strong>im</strong> darauf ausgerichtet, erwachsene und zumeist jüngere<br />

Menschen mit geistiger Behinderung zu unterstützen. Mit Hilfe der entsprechenden Angebo-<br />

te sollen die Lebensperspektive weiterentwickelt werden, individuelle Verantwortung für<br />

die Aufgaben der Wohn- und Lebenssituation von den Bewohnern zunehmend übernom-<br />

men werden und der stationäre Betreuungsbedarf je nach Möglichkeit mittelfristig abgebaut<br />

werden (vgl. Stiftungsbereich Behindertenhilfe o. J. 1 ).<br />

Die nun folgenden Angaben zu den Bewohnerinnen und Bewohnern, die sich für die<br />

Möglichkeit entschieden haben, einen Teil der Leistungen zur Teilhabe mit einem Persönli-<br />

chen <strong>Budget</strong> nach individuellen Vorstellungen zu organisieren, beziehen sich ausschließlich<br />

auf die dritte Phase der wissenschaftlichen Begleitforschung (August 2008 – April 2009) (für


2 Der Modellversuch PerLe 18<br />

ausführliche Informationen zu den Phasen 1 und 2 vgl. Wacker, Wansing, Schäfers 2005;<br />

Schäfers, Wacker, Wansing 2009).<br />

Von den 24 Bewohnerinnen und Bewohnern des Wohnhe<strong>im</strong>s nutzen in der dritten Phase<br />

16 Personen (11 Männer und 5 Frauen) das Persönliche <strong>Budget</strong>. Die Teilnahme ist nach wie<br />

vor freiwillig und die Rückkehr zur vorherigen Hilfe- und Finanzierungsform (Sachleistung)<br />

zeitnah möglich.<br />

Die Altersspanne der <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer reicht von 23 bis 78 Jahren<br />

(Mittelwert: 37 Jahre) (vgl. Tab. 2).<br />

Anzahl<br />

der BN<br />

Altersklasse in Jahren<br />

21-<br />

25<br />

26-<br />

30<br />

31-<br />

35<br />

36-<br />

40<br />

41-<br />

45<br />

46-<br />

50<br />

2 3 5 2 - 2 1 - - - 1<br />

51-<br />

55<br />

Tab. 2: Altersstruktur der <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer<br />

Für neun Teilnehmerinnen und Teilnehmer stellt das Wohnhe<strong>im</strong> am Stadtring die erste<br />

Wohnform nach dem Auszug aus dem Elternhaus dar, die Gesamtzeit der stationären Be-<br />

treuung variiert dabei sehr stark zwischen 1 und 75 Jahren.<br />

Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer arbeiten mit Ausnahme des ältesten Teilnehmers<br />

in Werkstätten für behinderte Menschen in der Region.<br />

Die teilnehmenden Personen lassen sich mit Blick auf die Leistungsvereinbarungen zwi-<br />

schen Leistungsträger und -erbringer nach §§ 75ff. SGB XII sowie nach der in Nordrhein-<br />

Westfalen geltenden Leistungsmatrix, die in 32 Leistungstypen und drei Hilfebedarfsgrup-<br />

pen differenziert ist, in die folgenden Leistungstypen und Hilfebedarfsgruppen einordnen<br />

(vgl. Tab. 3):<br />

56-<br />

60<br />

61-<br />

65<br />

66-<br />

70<br />

70-


2 Der Modellversuch PerLe 19<br />

HBG 1 HBG 2 HBG 3 Gesamt<br />

LT 9 – 1 – 1<br />

LT 10 – 14 – 14<br />

LT 12 – – 1 1<br />

Gesamt – 15 1 16<br />

Tab. 3: Anzahl der <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer pro Leistungstyp (LT) und Hilfebedarfsgruppe<br />

(HBG)<br />

Gemäß Landesrahmenvertrag zu den Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen<br />

bezeichnet<br />

• der Leistungstyp 9 „Wohnangebote für Erwachsene mit geistiger Behinderung“<br />

• der Leistungstyp 10 „Wohnangebote für Erwachsene mit geistiger Behinderung<br />

und hohem sozialen Integrationsbedarf“ und<br />

• der Leistungstyp 12 „Wohnangebote für Erwachsene mit komplexen Mehrfachbe-<br />

hinderungen“.<br />

2.3 Modellkonzeption<br />

Die konzeptionelle Ausgestaltung des Modellversuchs stellte das Ergebnis einer Konsensfin-<br />

dung der beteiligten Kooperationspartner dar, wobei folgende Aspekte einer besonderen<br />

Berücksichtigung bedurften:<br />

• Vonseiten des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) als Leistungsträger war<br />

die Kostenneutralität eine Bedingung zur Beteiligung an der Modellerprobung: Die<br />

Kosten der Leistungen <strong>im</strong> Rahmen des Persönlichen <strong>Budget</strong>s sollten die bisherigen<br />

Kosten der stationären Leistungserbringung nicht überschreiten.<br />

• Für die vBA Bethel bestand die Notwendigkeit einer gewissen Planungs- und Finan-<br />

zierungssicherheit, um den „Wohnhe<strong>im</strong>betrieb“ aufrechterhalten und eine gewisse<br />

„Versorgungsqualität“ gewährleisten zu können.<br />

• Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollte ein sicherer und überschaubarer<br />

Rahmen geschaffen werden, innerhalb dessen sie die neue Form der Leistungsorgani-<br />

sation erproben und Stück für Stück notwendige Kompetenzen entwickeln können.


2 Der Modellversuch PerLe 20<br />

Unwägbarkeiten der Erprobung sollten zu einem möglichst geringen Anteil zu ihren<br />

Lasten gehen.<br />

Nach knapp zwei Jahren (August 2003 – Juni 2005/ Phase 1) der praktischen Erprobung des<br />

<strong>Budget</strong>modells <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong> wurden die gewonnenen Erkenntnisse von den beteiligten<br />

Kooperationspartnern ausgewertet und führten zu einer Weiterentwicklung der konzeptio-<br />

nellen Rahmenbedingungen, so dass das <strong>Projekt</strong> ab Oktober 2005 <strong>im</strong> Rahmen einer zweiten<br />

Phase weitergeführt wurde (vgl. Schäfers, Wacker, Wansing 2009). Im Folgenden werden die<br />

Modellkonzeptionen der Phasen 1 und 2 kurz skizziert.<br />

2.3.1 Modellphase 1<br />

Zu Beginn der Modellkonzeption standen die Fragen <strong>im</strong> Mittelpunkt, welche Leistungen, die<br />

<strong>im</strong> stationären Kontext erbracht werden, können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über<br />

ein <strong>Persönliches</strong> <strong>Budget</strong> organisieren und finanzieren, und wie kann <strong>im</strong> nächsten Schritt für<br />

diese Leistungen ein <strong>Persönliches</strong> <strong>Budget</strong> der Summe X entwickelt werden.<br />

Ein zentraler Aspekt der Erprobung in diesem Rahmen unterscheidet sich deutlich von<br />

den anderen Modellversuchen zum Persönlichen <strong>Budget</strong> (vgl. Metzler et al. 2007). Die neue<br />

Form der Leistungserbringung setzt in diesem Fall nicht an der Beziehung zwischen dem<br />

Leistungsträger und dem Leistungsberechtigten an, sondern durch das Persönliche <strong>Budget</strong><br />

<strong>im</strong> <strong>Projekt</strong> PerLe wird eine bereits zwischen dem Wohnhe<strong>im</strong>träger und den Bewohnerinnen<br />

und Bewohnern bestehende Dienstleistung neu gestaltet. Der LWL als beteiligter Leistungs-<br />

träger führt demzufolge mit den <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmern nicht das in der<br />

<strong>Budget</strong>verordnung vorgesehene individuelle Bedarfsfeststellungsverfahren durch, sondern<br />

setzt die mit dem Wohnhe<strong>im</strong>träger getroffenen Vereinbarungen nach § 75 ff. SGB XII als<br />

rechtlichen und finanziellen Leistungsrahmen voraus. Vor diesem Hintergrund stellt die<br />

Maßnahmepauschale (Kosten für die <strong>im</strong> Einzelfall erforderlichen Hilfen; Betreuung, Bera-<br />

tung, Förderung und Pflege sowie indirekte Aufgaben, die damit in Verbindung stehen wie<br />

Koordination, Verwaltung und Leitung) die Grundlage zur Bemessung des Persönlichen<br />

<strong>Budget</strong>s dar.


2 Der Modellversuch PerLe 21<br />

<strong>Budget</strong>leistungen<br />

Um unter <strong>Budget</strong>bedingungen den 24-stündigen Betrieb des Wohnhe<strong>im</strong>s aufrechtzuerhalten<br />

sowie eine verlässliche Versorgung gewährleisten zu können, fiel die Entscheidung, gewisse<br />

Basisleistungen (z. B. Leistungen der Pflege und Gesundheitsförderung) weiterhin als Sach-<br />

leistung <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong> zu erbringen und alle darüber hinaus erforderlichen Leistungen als<br />

Geldleistung über das Persönliche <strong>Budget</strong> organisierbar und finanzierbar zu machen. Die<br />

Aufteilung in Basisleistungen und <strong>Persönliches</strong> <strong>Budget</strong> führte zu einer Differenzierung der<br />

Komplexleistung „Wohnen“ in einzelne Leistungsmodule (vgl. Tab. 4). Des Weiteren können<br />

wie schon vor dem Modellversuch möglich, Gelder für Verpflegung und Kleidung ausge-<br />

zahlt werden (vgl. Wacker, Wansing, Schäfers 2005, S. 121).<br />

Die Aufteilung in Leistungsmodule kann nicht als starre Trennung einzelner Bereiche<br />

verstanden werden, sondern diente als erste Orientierung für die Kalkulation des Persönli-<br />

chen <strong>Budget</strong>s. In der praktischen Umsetzung ließen sich diese theoretisch gezogenen Gren-<br />

zen nicht aufrechterhalten, so dass letztendlich alle „Leistungen zur Teilhabe am Leben in<br />

der Gemeinschaft“ gemäß § 53 Abs. 3 SGB XII über das Persönliche <strong>Budget</strong> organisiert und<br />

finanziert werden können.<br />

Sachleistung <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong><br />

(Basisleistungen)<br />

Überlassung und Nutzung von Wohnraum<br />

Tab. 4: Sachleistungen und Geldleistungen<br />

Geldleistung<br />

(<strong>Persönliches</strong> <strong>Budget</strong>)<br />

Aufrechterhaltung und Förderung<br />

sozialer Kontakte<br />

Individuelle Basisversorgung Teilnahme an Bildungsangeboten<br />

Gesundheitsförderung Teilnahme an kulturellen Angeboten<br />

Unterstützung bei der Haushaltsführung Mobilität<br />

Förderung lebenspraktischer und<br />

sozialer Kompetenzen<br />

Freizeit/ Erholung<br />

Tagesstrukturierung <strong>im</strong> Wohnbereich Psychosoziale Unterstützung<br />

Geld für Sachkosten<br />

Verpflegungsgeld<br />

Kleidungsgeld


2 Der Modellversuch PerLe 22<br />

<strong>Budget</strong>bemessung<br />

Die <strong>Budget</strong>kalkulation erfolgte ausgehend von 100 % der Maßnahmepauschale folgender-<br />

maßen: Laut Berechnungen des Wohnhe<strong>im</strong>trägers verbleiben 35 % der Maßnahmepauschale<br />

grundsätzlich <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong>, um die personenübergreifenden Kosten zu decken. De-<br />

mentsprechend fließen noch 65 % der Maßnahmepauschale in die personenbezogenen Leis-<br />

tungen. Für die Finanzierung der Basisleistungen, die weiterhin <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong> als Sachleis-<br />

tung erbracht werden, verbleiben differenziert nach Hilfebedarfsgruppen (HBG) davon für<br />

die HBG 1 50 % und die HBG 2 und 3 65 % in der Einrichtung. Die prozentuale Unterschei-<br />

dung bei den einzelnen HBG ergibt sich durch die Annahme des Wohnhe<strong>im</strong>trägers, dass die<br />

Personen der HBG 2 und 3 einen höheren Bedarf <strong>im</strong> Bereich der definierten Basisleistungen<br />

aufweisen. Die verbleibenden 50 % (HBG 1) und 35 % (HBG 2 und 3) der personenbezoge-<br />

nen Leistungen werden als <strong>Persönliches</strong> <strong>Budget</strong> zur Verfügung gestellt (vgl. Abb. 3) (für aus-<br />

führliche Informationen zur <strong>Budget</strong>kalkulation vgl. Wacker, Wansing, Schäfers 2005; Schä-<br />

fers, Wacker, Wansing 2009).<br />

Das Persönliche <strong>Budget</strong> können die <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer sowohl in-<br />

nerhalb als auch außerhalb des Wohnhe<strong>im</strong>s für die Unterstützung durch selbst gewählte<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Wohnhe<strong>im</strong>s einsetzen, aber auch für die Unterstüt-<br />

zung durch externe professionelle Dienstleister und die Organisation privater Hilfen.


2 Der Modellversuch PerLe 23<br />

Abb. 3: Anteile der Maßnahmepauschale für ein <strong>Persönliches</strong> <strong>Budget</strong><br />

Nach diesem Bemessungsmodell ergeben sich je nach Leistungstyp und Hilfebedarfsgruppe<br />

für die erste Phase die in Tab. 5 dargestellten <strong>Budget</strong>höhen.<br />

Leistungstyp/<br />

Hilfebedarfsgruppe<br />

LT 9/ HBG 1 462 €<br />

LT 9/ HBG 2 367 €<br />

LT 9/ HBG 3 456 €<br />

LT 10 und 12/ HBG 1 734 €<br />

LT 10 und 12/ HBG 2 622 €<br />

LT 10 und 12/ HBG 3 839 €<br />

35 % 65 %<br />

Personenübergreifende<br />

Sachleistungen<br />

Maßnahmepauschale<br />

100 %<br />

50 % HBG 1<br />

65 % HBG 2/3<br />

Personenbezogene Sachleistungen<br />

<strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong><br />

(„Basisleistungen“)<br />

<strong>Budget</strong>höhen<br />

Personenbezogene<br />

Leistungen<br />

Tab. 5: <strong>Budget</strong>höhen nach Leistungstyp und Hilfebedarfsgruppe in Phase 1<br />

50 % HBG 1<br />

35 % HBG 2/3<br />

<strong>Persönliches</strong> <strong>Budget</strong><br />

Selbstbest<strong>im</strong>mte<br />

Organisation der<br />

Leistungen <strong>im</strong><br />

Wohnhe<strong>im</strong><br />

(wer, wann)<br />

Geldleistung/<br />

Organisation der<br />

Hilfen außerhalb<br />

des Wohnhe<strong>im</strong>s<br />

(wer, wann, wo)<br />

Bei der Flexibilisierung einzelner Leistungen in <strong>Budget</strong>form mussten zwei vertragliche Di-<br />

mensionen berücksichtigt werden. Zum einen die Leistungs-, Prüfungs- und Vergütungsver-


2 Der Modellversuch PerLe 24<br />

einbarungen zwischen den vBA Bethel und dem LWL und zum anderen der He<strong>im</strong>vertrag<br />

zwischen der Einrichtung und der Bewohnerin/dem Bewohner. Für beide Verträge wurden<br />

projektbezogene schriftliche Zusatzvereinbarungen getroffen, um den externen Einkauf von<br />

Leistungen zu ermöglichen und gleichzeitig eine vertragliche Sicherheit zu erhalten (vgl.<br />

Schäfers, Wacker, Wansing 2009, S. 51f.).<br />

Bildung, Beratung und Unterstützung<br />

Für die entstehenden Beratungs- und Unterstützungsbedarfe der teilnehmenden Bewohne-<br />

rinnen und Bewohner vor Beginn der <strong>Budget</strong>nutzung und be<strong>im</strong> tatsächlichen Einsatz der<br />

Gelder war das Angebot einer <strong>Budget</strong>assistenz notwendig. Für den Modellzeitraum hat sich<br />

das Café 3b in Bielefeld, eine unabhängige Beratungsstelle von Menschen mit Behinderung<br />

für Menschen mit Behinderung, ihre Angehörigen sowie Kontaktpersonen angeboten, die<br />

<strong>Budget</strong>assistenz kostenlos zu übernehmen. Die <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer<br />

hatten die Möglichkeit, die Beratungsstelle während der Sprechstundenzeiten aufzusuchen,<br />

dort anzurufen oder nach Absprache auch Besuch durch das Beratungspersonal in der<br />

Wohneinrichtung zu erhalten (vgl. Wacker, Wansing, Schäfers 2005, S. 129).<br />

Nach ersten praktischen Erfahrungen hat sich das Café 3b als Beratungsangebot für die<br />

Bewohnerinnen und Bewohner jedoch nicht etablieren können und erwies sich als zu weit<br />

von ihrem Alltagsleben entfernt. Die <strong>Budget</strong>assistenz wird schwerpunktmäßig von den Mi-<br />

tarbeiterinnen und Mitarbeitern des Wohnhe<strong>im</strong>s am Stadtring übernommen. Vor diesem<br />

Hintergrund und dem teils umfänglichen Informations- und Lernbedarf der Bewohnerinnen<br />

und Bewohner zum Persönlichen <strong>Budget</strong> wurde von „Bildung und Beratung Bethel“ ein ei-<br />

genes Fortbildungscurriculum für die <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer <strong>im</strong> Wohn-<br />

he<strong>im</strong> am Stadtring entwickelt. Die Fortbildung fand in zwei Durchläufen (Oktober – Dezem-<br />

ber 2004 mit 8 Personen und Februar – April 2005 mit 10 Personen) statt. Zum Abschluss<br />

erhielten alle Fortbildungsteilnehmerinnen und -teilnehmer ein Arbeitsbuch in leichter Spra-<br />

che, das eine weitere Auseinandersetzung mit der Thematik unterstützen soll (vgl. Roos-<br />

Pfeiffer 2007).


2 Der Modellversuch PerLe 25<br />

2.3.2 Modellphase 2<br />

Vor dem Start des Modellprojekts lagen keinerlei Erfahrungen mit der Erprobung eines Per-<br />

sönlichen <strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> stationären Setting vor, so dass <strong>im</strong> Vorfeld der praktischen Umsetzung<br />

nicht alle wesentlichen Aspekte festgelegt und mögliche Schwierigkeiten vorausgesehen<br />

werden konnten. Dies führte in der ersten Phase des Modellprojekts zu einer gewissen Of-<br />

fenheit, um notwendige Erkenntnisse sammeln und entsprechende konzeptionelle Verände-<br />

rungen einführen zu können. Auf der Grundlage dieser gewonnenen Erfahrungen startete<br />

die zweite Phase der Erprobung <strong>im</strong> Oktober 2005 unter verschärften konzeptionellen Rah-<br />

menbedingungen. In diesem Zusammenhang ging es vor allem darum, für alle Beteiligten<br />

klarere und verbindlichere Voraussetzungen zu schaffen und institutionelle Aspekte bspw.<br />

bezogen auf die Ressourcenplanung stärker zu berücksichtigen, um die Praktikabilität des<br />

Modells <strong>im</strong> Einrichtungsalltag überprüfen zu können.<br />

Die wichtigsten Eckpunkte der Neukonzeption sind in dem Zusammenhang:<br />

• Koppelung der <strong>Budget</strong>planung an die individuelle Hilfeplanung: In Phase 1 des Modellpro-<br />

jekts war die Verwendung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s relativ offen, und der Mittelein-<br />

satz erfolgte für die <strong>Budget</strong>nehmer weitgehend frei und damit unabhängig von den<br />

Ergebnissen der individuellen Hilfeplanung. Im Rahmen der Neukonzeption wurde<br />

der <strong>Budget</strong>einsatz an die Hilfeplanung gekoppelt und sollte somit passgenauer zur<br />

Deckung des individuellen Hilfebedarfs beitragen. Unterstützt wurde dies durch<br />

verbindliche schriftliche Vereinbarungen mit den <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>-<br />

nehmern zum <strong>Budget</strong>einsatz. Die Verwaltung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s erfolgte<br />

durch die Wohnhe<strong>im</strong>leitung über so genannte „virtuelle Bewohnerkonten“. Auf ei-<br />

genen Wunsch hin übernahm keiner der <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer die<br />

Verwaltung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s selbst. Alle haben sich gegen die Auszahlung<br />

des Persönlichen <strong>Budget</strong>s in Bargeld entschieden, vielfach begründet durch grund-<br />

sätzliche Schwierigkeiten <strong>im</strong> Umgang mit Geld. Um den <strong>Budget</strong>nehmerinnen und<br />

<strong>Budget</strong>nehmern dennoch die Möglichkeit zu geben, an der <strong>Budget</strong>verwaltung zu<br />

partizipieren und den <strong>Budget</strong>einsatz transparent zu gestalten, wurden monatliche<br />

individuelle Kontoblätter für jede <strong>Budget</strong>nehmerin/ jeden <strong>Budget</strong>nehmer eingeführt,<br />

die einen Überblick über geplante und bereits durchgeführte Aktivitäten sowie über<br />

evtl. noch vorhandene Geldmittel geben. Des Weiteren erhielt jede <strong>Budget</strong>nehmerin/


2 Der Modellversuch PerLe 26<br />

jeder <strong>Budget</strong>nehmer einen persönlichen Ordner mit allen budgetbezogenen Unterla-<br />

gen (vgl. Schäfers, Wacker, Wansing 2009, S. 58ff.).<br />

• Anpassung der <strong>Budget</strong>höhen – Reduzierung der monatlichen <strong>Budget</strong>s: Die in der ersten<br />

Phase der Erprobung zugrunde gelegte Berechnungsgrundlage für die Persönlichen<br />

<strong>Budget</strong>s war eine „gegriffene Größe“, sie war zwar plausibel, aber rein rechnerisch<br />

ermittelt. Die tatsächliche Inanspruchnahme der Persönlichen <strong>Budget</strong>s lag weit unter<br />

dem zu Beginn definierten <strong>Budget</strong>rahmen. Im Jahr 2004 wurden <strong>im</strong> Durchschnitt nur<br />

etwa 23 % des Persönlichen <strong>Budget</strong>s ausgegeben (vgl. Rasche 2007, S. 68). Im Rahmen<br />

der Neukonzeption orientierten sich die <strong>Budget</strong>höhen an der tatsächlichen Höhe des<br />

in Anspruch genommenen <strong>Budget</strong>s. Dabei wurde der Gesamtbudgetrahmen für das<br />

nächste Jahr des Modellversuchs auf das Dreifache der durchschnittlichen bisherigen<br />

Jahresnutzung festgelegt. Dieses Gesamtbudget führte zu neuen <strong>Budget</strong>höhen, die<br />

etwa ein Viertel der bisherigen <strong>Budget</strong>s betragen (vgl. Tab. 6).<br />

Leistungstyp/<br />

Hilfebedarfsgruppe<br />

<strong>Budget</strong>höhen<br />

Phase I<br />

LT 9/ HBG 1 462 € 116 €<br />

LT 9/ HBG 2 367 € 91 €<br />

LT 9/ HBG 3 456 € 113 €<br />

LT 10 und 12/ HBG 1 734 € 181 €<br />

LT 10 und 12/ HBG 2 622 € 155 €<br />

LT 10 und 12/ HBG 3 839 € 209 €<br />

<strong>Budget</strong>höhen<br />

Phase II<br />

Tab. 6: <strong>Budget</strong>höhen nach Leistungstyp/ Hilfebedarfsgruppe in Phase 1 und 2<br />

• Änderungen in der Personalorganisation – Personalreduzierung: Durch die Nutzung des<br />

Persönlichen <strong>Budget</strong>s reduziert sich der Umfang der bisher in der Wohneinrichtung<br />

erbrachten Sachleistungen. In der ersten Phase der Modellerprobung blieb diese Re-<br />

duktion jedoch ohne Konsequenzen für die Anzahl der Personalstellen <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong><br />

am Stadtring. Dies hatte zur Folge, dass das Persönliche <strong>Budget</strong> von einigen <strong>Budget</strong>-<br />

nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmern und ihren Angehörigen als zusätzliches Angebot


2 Der Modellversuch PerLe 27<br />

zur bestehenden stationären Versorgungsstruktur betrachtet wurde. Um die beste-<br />

hende Unterstützung <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong> deutlich zu kürzen, wurde eine Personalstelle<br />

aus der Präsenzzeit herausgerechnet und in flexible Dienstzeiten umgewandelt. Für<br />

die <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer sollte damit deutlich werden, dass die<br />

Unterstützungsgestaltung über das Persönliche <strong>Budget</strong> in Teilen die bisherige<br />

Wohnhe<strong>im</strong>versorgung ersetzt (vgl. Schäfers 2006, S. 77 f.).<br />

Die für die Phase 2 entwickelte konzeptionelle <strong>Budget</strong>gestaltung bildet auch die Grundlage<br />

für die praktische Nutzung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s als Regelleistung seit Oktober 2006<br />

und stellt damit ebenfalls den Forschungsrahmen für das <strong>Projekt</strong> „<strong>Persönliches</strong> <strong>Budget</strong> <strong>im</strong><br />

Leistungsmix“ und damit für den dritten Teil des Forschungsprogramms PerLe dar.


3 Evaluation: Konzeption und methodisches Vorgehen 28<br />

3 Evaluation: Konzeption und methodisches Vorgehen<br />

3.1 Fragestellung und Untersuchungsansatz<br />

Die Fragestellungen der vorliegenden Follow-up Studie folgen dem zentralen Erkenntnis-<br />

interesse des gesamten Modellprogramms PerLe bzw. den Fragestellungen der vorausge-<br />

gangenen Erhebungsphasen (vgl. Tab. 8):<br />

• Was leistet das <strong>Budget</strong>modell von PerLe? Wo zeigen sich Grenzen oder Nebenwir-<br />

kungen? Welche Faktoren sind förderlich/ hinderlich bei der Umsetzung Persönlicher<br />

<strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> stationären Setting?<br />

• Unter welchen Rahmenbedingungen und mit welcher Unterstützung kann es dem<br />

Personenkreis der Menschen mit geistiger Behinderung gelingen, mit Hilfe eines Per-<br />

sönlichen <strong>Budget</strong>s Leistungen selbstbest<strong>im</strong>mt zu organisieren?<br />

• Wie entwickeln sich Lebensführung, -lagen und -stile unter <strong>Budget</strong>bedingungen <strong>im</strong><br />

stationären Wohnbereich? Welche Teilhabechancen eröffnen oder verschließen sich<br />

hierbei?<br />

• Welche Erfordernisse entfaltet das Persönliche <strong>Budget</strong> <strong>im</strong> stationären Kontext <strong>im</strong><br />

Hinblick auf planerische und organisatorische Aspekte (Personal- und Finanzpla-<br />

nung usw.)?<br />

• Beeinflusst das Persönliche <strong>Budget</strong> die Grenzaufweichung zwischen ambulanten und<br />

stationären Angeboten?<br />

• Welche (neuen) Ressourcennutzungen werden deutlich?<br />

Diese übergeordneten Fragestellungen werden mit Methoden der qualitativen Evaluations-<br />

forschung (vgl. Bortz, Döring 2002; Flick 2006) bearbeitet. Dabei bildet die „summative Eva-<br />

luation“ den zentralen Untersuchungsansatz, um die Wirkungen der neuen Leistungsform<br />

des Persönlichen <strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> stationären Kontext zu bewerten. Die Wirkungen der <strong>Budget</strong>-<br />

nutzung werden dabei bezogen auf<br />

• die Wohnhe<strong>im</strong>strukturen,<br />

• die Lebensführung und Alltagsbewältigung der <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>-<br />

nehmer,


3 Evaluation: Konzeption und methodisches Vorgehen 29<br />

• die Haltung und den Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie<br />

• auf die Nutzung externer Ressourcen<br />

geprüft, beobachtet und analysiert.<br />

Die abschließende systematische und zusammenfassende Analyse und Bewertung der<br />

Gestaltung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong> und seiner Effekte stützen sich <strong>im</strong> We-<br />

sentlichen auf qualitative, leitfadengestützte Interviews sowohl mit den <strong>Budget</strong>nehmerinnen<br />

und <strong>Budget</strong>nehmern als auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Wohnhe<strong>im</strong>s. Diese<br />

qualitativen Daten werden durch unterschiedliche, <strong>im</strong> Verlauf der <strong>Budget</strong>nutzung produ-<br />

zierte Dokumente und Materialien, insbesondere Ausgabenübersichten, ergänzt.<br />

Die so gewonnenen Erkenntnisse werden zu den Ergebnissen der zuvor erfolgten Daten-<br />

erhebungen in PerLe 1 und PerLe 2 (vgl. Tab. 8) in Beziehung gesetzt und ermöglichen auf<br />

diese Weise eine längsschnittliche Betrachtung über einen Zeitraum von insgesamt gut fünf<br />

Jahren. Damit liegen Erkenntnisse vor, die Veränderungen und Entwicklungen sowohl für<br />

die Gruppe der <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer als auch für die der Mitarbeiterin-<br />

nen und Mitarbeiter über den gesamten Zeitraum seit der Einführung des Persönlichen Bud-<br />

gets <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong> dokumentieren.<br />

3.2 Datenerhebung und -auswertung<br />

Um ein möglichst detailliertes und vollständiges Bild über die subjektiven Wahrnehmungen<br />

und Deutungen der <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer sowie der Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter <strong>im</strong> Hinblick auf das Persönliche <strong>Budget</strong> zu erhalten, kam auch für die vor-<br />

liegende Folgestudie nur ein qualitatives Forschungsdesign in Frage. Qualitative Forschung<br />

verfolgt das Ziel, Lebenswelten „von innen heraus“ aus der Perspektive der agierenden<br />

Menschen zu beschreiben, und damit zu einem besseren Verständnis sozialer Wirklichkeiten<br />

beizutragen und auf Abläufe, Deutungsmuster und Strukturmerkmale aufmerksam zu ma-<br />

chen (vgl. Flick, von Kardorff, Steinke 2007, S. 14).<br />

Die Entscheidung, Wirkungen und Bewertungen des Persönlichen <strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> Wesentli-<br />

chen auf der Grundlage von leitfadengestützten Interviews mit den <strong>Budget</strong>nehmerinnen<br />

und <strong>Budget</strong>nehmern sowie dem Wohnhe<strong>im</strong>personal zu analysieren, bietet die Möglichkeit,<br />

durch den Leitfaden und die darin enthaltenen Themen ein Gerüst für die Datenerhebung


3 Evaluation: Konzeption und methodisches Vorgehen 30<br />

und -analyse zu erhalten, welches die Ergebnisse unterschiedlicher Interviews vergleichbar<br />

macht. Auf der anderen Seite lassen leitfadenbasierte Interviews genügend Spielraum, um in<br />

der Interviewsituation spontan neue Fragen und Themen einzubeziehen (vgl. Bortz, Döring<br />

2002, S. 315).<br />

Tab. 7 gibt einen Überblick über den thematischen Orientierungsrahmen der Leitfaden-<br />

interviews mit den <strong>Budget</strong>nehmer/innen und Mitarbeiter/innen.<br />

Eine Übersicht der dieser Studie zu Grunde liegenden Datenerhebung sowie ihre Ei-<br />

nordnung in die Gesamterhebung des Forschungsprogramms PerLe ist in Tab. 8 abgebildet.


3 Evaluation: Konzeption und methodisches Vorgehen 31<br />

Interviewpartner <br />

Bewohner/innen <br />

Bezugsmitarbeiter/innen<br />

Themenkomplexe Inhalte<br />

Verwendung des <strong>Budget</strong>s<br />

und Umgang mit dem<br />

<strong>Budget</strong><br />

- konkrete Umsetzung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s<br />

<strong>im</strong> alltäglichen Leben<br />

- Beteiligung an der Organisation und Verwaltung<br />

des <strong>Budget</strong>s<br />

- Umfang und Bereiche des <strong>Budget</strong>einsatzes<br />

Möglichkeiten und Nachfrage von Unterstützung<br />

<strong>im</strong> gesamten Prozess der <strong>Budget</strong>nutzung<br />

<strong>Budget</strong>assistenz/<br />

Beratung<br />

Persönliche Einschätzung Persönliche Eindrücke zum Persönlichen <strong>Budget</strong><br />

und dessen Bedeutung für das eigene Leben<br />

Personenbezogene Inhalte - Bedeutung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s für die<br />

zu den einzelnen Bezugs- jeweiligen Bezugsbewohner/innen<br />

bewohnerinnen und - - Rolle des Persönlichen <strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> Leben der<br />

bewohnern und ihre Si- <strong>Budget</strong>nehmer/innen<br />

tuation mit dem Persön- - konkrete praktische Umsetzung<br />

lichen <strong>Budget</strong><br />

Praktische Umsetzung - strukturelle Verankerung des Persönlichen<br />

des Persönlichen <strong>Budget</strong>s <strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong>: Abläufe, Einsatzberei-<br />

<strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong><br />

che<br />

- Bedingungen und Folgen der praktischen<br />

Umsetzung, u. a. Entwicklungsprozesse seitens<br />

der <strong>Budget</strong>nehmer/innen<br />

Reaktion und Einfluss- Rolle der Angehörigen und gesetzlichen Betreuer<br />

nahme der Angehörigen/ bei der Nutzung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s<br />

gesetzlichen Betreuer<br />

Veränderungen auf der Strukturelle Auswirkungen des Persönlichen<br />

Ebene der Strukturen <strong>Budget</strong>s auf die Wohnhe<strong>im</strong>angebote<br />

und Angebote <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong><br />

Auswirkungen auf das Auswirkungen des Persönlichen <strong>Budget</strong>s auf den<br />

professionelle Selbstver- Arbeitsalltag, die Arbeitsweise, das professionelständnisle<br />

Selbstverständnis sowie auf die Beziehung zu<br />

den Bewohner/innen<br />

Ausblick - Gesamtbeurteilung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s<br />

hinsichtlich der Zielgruppe der Menschen mit<br />

geistiger Behinderung und der Verankerung<br />

<strong>im</strong> stationären Setting<br />

- Zentrale Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche<br />

Umsetzung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s<br />

<strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong><br />

Tab. 7: Thematischer Orientierungsrahmen für die Interviews mit den <strong>Budget</strong>nehmer/innen und ihren<br />

Bezugsmitarbeiter/innen


3 Evaluation: Konzeption und methodisches Vorgehen 32<br />

Phase Datenerhebung<br />

Phase I<br />

Sommer 2003,<br />

vor Beginn der<br />

Modellerprobung<br />

(„Ist-Stand“)<br />

Phase II<br />

Sommer 2005,<br />

ca. 2 Jahre nach<br />

Modellstart<br />

(Modellphase 1)<br />

Phase III<br />

Sommer 2006,<br />

ca. 3 Jahre nach<br />

Modellstart<br />

(Modellphase 2)<br />

Phase IV<br />

Winter 2008/09<br />

ca. 5 Jahre nach<br />

Modellstart<br />

(<strong>Persönliches</strong><br />

<strong>Budget</strong> als Regelleistung)<br />

Assessment<br />

2003<br />

Interview<br />

2003<br />

Interview<br />

2005<br />

Interview<br />

2006<br />

Interview<br />

2009<br />

Interviewpartner Abk. Inhalte<br />

Bewohner/innen BN Ass03 Assessment: Unterstützungsbedarfe<br />

und<br />

Mitarbeiter/innen MA Ass<br />

Kompetenzen der Bewohner/innen<br />

03<br />

Bewohner/innen BN Int 03<br />

Mitarbeiter/innen MA Int 03<br />

<strong>Budget</strong>nehmer/innen <br />

<strong>Budget</strong>nehmer/innen<br />

BN Int 05<br />

BN Int 06<br />

Mitarbeiter/innen MA Int 06<br />

<strong>Budget</strong>nehmer/innen<br />

Mitarbeiter/innen<br />

BN Int 09<br />

MA Int 09<br />

Tab. 8: Übersicht über die Phasen der Datenerhebung der <strong>Projekt</strong>e PerLe 1 – 3<br />

Alltagsgestaltung, Teilhabeaktivitäten,Lebenszufriedenheit,<br />

Motive/<br />

Erwartungen bezüglich<br />

des Persönlichen <strong>Budget</strong>s<br />

Teilhabeaktivitäten der<br />

Bewohner/innen, Erwartungen<br />

bezüglich des<br />

Persönlichen <strong>Budget</strong>s<br />

Kompetenzen, Erfahrungen<br />

und Bewertungen<br />

<strong>im</strong> Umgang mit dem<br />

Persönlichen <strong>Budget</strong><br />

Kompetenzen, Erfahrungen<br />

und Bewertungen<br />

<strong>im</strong> Umgang mit dem<br />

Persönlichen <strong>Budget</strong><br />

Bedeutung und Wirkungen<br />

des Persönlichen<br />

<strong>Budget</strong>s (bezogen auf<br />

Bewohner/innen und auf<br />

die eigene Arbeitssituation)<br />

Kompetenzen, Erfahrungen<br />

und Bewertungen<br />

<strong>im</strong> Umgang mit dem<br />

Persönlichen <strong>Budget</strong><br />

Bedeutung und Wirkungen<br />

des Persönlichen<br />

<strong>Budget</strong>s (bezogen auf<br />

Bewohner/innen und auf<br />

die eigene Arbeitssituation)


3 Evaluation: Konzeption und methodisches Vorgehen 33<br />

In Tab. 9 sind die Anzahl der in PerLe 3 geführten Interviews sowie die Dauer dieser Befra-<br />

gungen aufgeführt. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass nicht alle Interviewpartnerinnen und<br />

-partner identisch mit den Personen der vorangegangenen Erhebungsphasen sind. Bei den<br />

<strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmern ist dies zum einen bedingt durch Ein- und Auszü-<br />

ge seit der letzten Befragung und zum anderen durch die fehlende Bereitschaft einzelner<br />

Teilnehmer/innen, erneut Interviews zu führen. Bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />

hat es einige Personalwechsel gegeben, so dass hier frühere Gesprächspartnerinnen und -<br />

partner weggefallen und neue hinzugekommen sind.<br />

Datenerhebung<br />

Interview<br />

2009<br />

Interviewpartner Abk. Anzahl<br />

(weibl., männl.)<br />

<strong>Budget</strong>nehmer/innen BN Int 09<br />

Mitarbeiter/innen MA Int 09<br />

7<br />

(3 w, 4 m)<br />

8<br />

(7 w, 1 m)<br />

Interviewdauer<br />

<strong>im</strong> Durchschnitt<br />

(Min-Max)<br />

20 Min.<br />

(15-35 Min.)<br />

60 Min.<br />

(30-90 Min.)<br />

Tab. 9: Übersicht über die geführten Interviews der vorliegenden Folgestudie (Phase IV)<br />

Die Interviews mit den <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmern wurden je nach Wahl <strong>im</strong><br />

eigenen Z<strong>im</strong>mer oder <strong>im</strong> Mehrzweckraum des Wohnhe<strong>im</strong>s von einem Mitglied des Dort-<br />

munder Forschungsteams geführt. Bei einer <strong>Budget</strong>nehmerin war auf eigenen Wunsch die<br />

Bezugsmitarbeiterin be<strong>im</strong> Interview anwesend.<br />

Die Gespräche mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fanden ausschließlich <strong>im</strong><br />

Mehrzweckraum des Wohnhe<strong>im</strong>s statt und wurden von derselben Forscherin durchgeführt.<br />

Alle teilnehmenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben Bezugsbewohnerinnen und -<br />

bewohner, die das Persönliche <strong>Budget</strong> nutzen.<br />

Die Interviews wurden auf Tonband aufgenommen, transkribiert und inhaltsanalytisch<br />

ausgewertet (vgl. Mayring 2003). Die qualitative Inhaltsanalyse erfolgte auf der Grundlage<br />

des Textanalyseprogramms MAXQDA von Kuckartz (2001). Die transkribierten Interviews<br />

wurden in MAXQDA eingespeist und mithilfe eines hierarchisch aufgebauten Codewörter-<br />

systems (Kategoriensystems) codiert. Das zugrunde gelegte Kategoriensystem wurde dabei


3 Evaluation: Konzeption und methodisches Vorgehen 34<br />

sowohl deduktiv (vom Leitfaden abgeleitet) als auch induktiv (aus dem Textmaterial heraus)<br />

entwickelt. Die Kategorienbildung, Kodierung sowie Ergebnisinterpretation wurden jeweils<br />

durch zwei Personen vorgenommen und validiert.<br />

Zur besseren Lesbarkeit werden die Interviewpassagen <strong>im</strong> folgenden Kapitel nach einem<br />

einheitlichen Prinzip wiedergegeben. Die Angaben der Quelle des Datenmaterials und des<br />

Zeitpunkts der Datenerhebung sind dabei folgendermaßen systematisiert:<br />

• BN 10 Int 09 : Dieses Kürzel kennzeichnet das Interview 2009 (Int 09 ) mit dem <strong>Budget</strong>-<br />

nehmer mit der Identifikationsnummer 10 (BN 10).<br />

• MA 09 Int 09 : Dieses Kürzel kennzeichnet das Interview 2009 (Int 09 ) mit dem Mitarbei-<br />

ter mit der Identifikationsnummer 09 (MA 09).


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 35<br />

4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen<br />

Die vorliegende Untersuchung bezieht sich auf die praktische Umsetzung des Persönlichen<br />

<strong>Budget</strong>s in einer stationären Wohneinrichtung für Menschen mit geistigen und komplexen<br />

Behinderungen. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen die individuellen Erfahrungen und<br />

Bewertungen der <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer <strong>im</strong> Umgang mit dem Persönli-<br />

chen <strong>Budget</strong> sowie die Bewertungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hinsichtlich der<br />

Bedeutung und der Wirkungen des Persönlichen <strong>Budget</strong>s sowohl bezogen auf die <strong>Budget</strong>-<br />

nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer als auch auf die eigene Arbeitssituation. Dabei werden die<br />

zentralen Auswertungsergebnisse nach folgenden Inhaltsbereichen präsentiert und interpre-<br />

tiert:<br />

• <strong>Budget</strong>bezogene Kenntnisse und Kompetenzen (vgl. Kap. 4.1)<br />

• <strong>Budget</strong>beratung und -assistenz (vgl. Kap. 4.2)<br />

• <strong>Budget</strong>verwendung (vgl. Kap. 4.3)<br />

• Wirkungen <strong>im</strong> Leben der <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer (vgl. Kap. 4.4)<br />

• Wirkungen auf die Arbeitssituation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (vgl. Kap.<br />

4.5)<br />

• Ansatzpunkte der Weiterentwicklung aus Sicht der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

(vgl. Kap. 4.6)<br />

Die Befragungsergebnisse werden dabei mit den Resultaten der quantitativen und qualitati-<br />

ven Analyse zum Mitteleinsatz (<strong>Budget</strong>verwendung) verbunden.<br />

Die Betrachtung der Ergebnisse erfolgt zunächst <strong>im</strong> Querschnitt, um dann <strong>im</strong> Rahmen<br />

einer längsschnittlichen Auswertung in Bezug gesetzt zu werden zu den Erkenntnissen der<br />

vorangegangenen Erhebungen in den <strong>Projekt</strong>en PerLe 1 und 2.


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 36<br />

4.1 <strong>Budget</strong>bezogene Kenntnisse und Kompetenzen<br />

Verständnis der Grundidee des Persönlichen <strong>Budget</strong>s<br />

Das Grundwissen zum Persönlichen <strong>Budget</strong> gestaltet sich bei den einzelnen <strong>Budget</strong>-<br />

nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmern auch nach fünf Jahren <strong>Budget</strong>nutzung sehr heterogen.<br />

Das Spektrum erstreckt sich vom nicht vorhandenen Verständnis über eine vage Vorstellung<br />

bis hin zur reflektierten Betrachtung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s.<br />

I: Aber er weiß, dass er das Persönliche <strong>Budget</strong> hat? Also dass das über das Persönliche <strong>Budget</strong><br />

läuft? Und was das auch ist? Oder<br />

MA: Also die Erfahrung hat bei ihm gezeigt, dass ähm ähm, wenn er es erklären soll, es nicht erklären<br />

kann. (MA 15 Int 09 , 46-47)<br />

Einige <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer bringen das Persönliche <strong>Budget</strong> mit Geld in<br />

Verbindung, können die Grundgedanken aber nicht näher erläutern. Zudem werden Ab-<br />

grenzungsschwierigkeiten zu anderen Geldern (Taschengeld, Verpflegungsgeld, Werkstatt-<br />

lohn usw.) deutlich.<br />

I: Vielleicht können Sie mir einfach noch mal erzählen, was denn das Persönliche <strong>Budget</strong> für Sie<br />

ist.<br />

BN: Zum Einkaufen.<br />

I: Zum Einkaufen.<br />

BN: Ja.<br />

I: Ist das. Und was kann man damit einkaufen?<br />

BN: Lebensmittel. (BN 21 Int 09 , 8-13)<br />

Andere <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer beschreiben es als Geldbetrag, mit dem<br />

individuell Unterstützung eingekauft werden kann.<br />

I: Können Sie mir einfach mal erzählen, was denn das Persönliche <strong>Budget</strong> denn für Sie ist und<br />

was Sie so damit machen?<br />

BN: Also ich ich gib das, meine Mutter kriegt das dann und dann mach ich was mit [externe Anbieterin,<br />

Anmerk. d. A.] was zusammen. Meine Mutter bezahlt das dann für [externe Anbieterin,<br />

Anmerk. d. A.].<br />

I: Ja.<br />

BN: Das ist <strong>im</strong>mer in Einzelbeträgen. Die macht was mit mir, (…) schw<strong>im</strong>men oder eben Bowling<br />

oder hier in den Snoezle-Raum oder so was und ne? Und das macht sie dann alles damit, mit<br />

dem Geld, ne? (BN 25 Int 09 , 8-11)


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 37<br />

BN: Ja, ich hab für das Persönliche <strong>Budget</strong> schon viel gelesen.<br />

I: Mhm. .. Ähm, .. hab/ wer hat Sie denn über das Persönliche <strong>Budget</strong> informiert?<br />

BN: Das war Frau [Wohnhe<strong>im</strong>leitung, Anmerk. d. A.]. Die hat mir so einen Zettel gegeben zum<br />

Durchlesen .. War sehr interessant die Möglichkeiten, die man da hat.<br />

I: Ja.<br />

BN: Auch wenn man später ne Wohnung und ich bin jetzt hier <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong>, auch wenn man später<br />

ne Wohnung hat, kann man das noch gut nutzen.<br />

I: Ja.<br />

BN: Da war zum Beispiel jemand, ja, der hat sich ne Putzfrau eingekauft, mit dem Persönlichen<br />

<strong>Budget</strong>, für ne halbe Stunde pro Woche. (BN 29 Int 09 , 61-67)<br />

Der heterogene Wissensstand über die Grundgedanken des Persönlichen <strong>Budget</strong>s lässt un-<br />

terschiedliche Voraussetzungen bezüglich der Nutzung und des gezielten Einsatzes des Per-<br />

sönlichen <strong>Budget</strong>s vermuten und macht zudem den teils hohen Unterstützungsbedarf bei<br />

der <strong>Budget</strong>nutzung für die Zielgruppe der Menschen mit geistiger Behinderung deutlich.<br />

Verwaltungs- und Organisationskompetenz<br />

Die <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer sind nur bedingt an der Verwaltung ihres Per-<br />

sönlichen <strong>Budget</strong>s beteiligt. Keine der teilnehmenden Personen verwaltet ihr <strong>Budget</strong> selbst-<br />

ständig, und die <strong>Budget</strong>nutzung gestaltet sich für die <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>neh-<br />

mer auf eigenen Wunsch hin bargeldlos. Die <strong>Budget</strong>s werden auf internen <strong>Budget</strong>nehmer-<br />

konten von der Wohnhe<strong>im</strong>leitung verwaltet, und intern sowie extern erbrachte Unterstüt-<br />

zungsleistungen werden an dieser Stelle abgerechnet. Monatliche Abrechnungsbögen für<br />

jede einzelne <strong>Budget</strong>nehmerin/ jeden einzelnen <strong>Budget</strong>nehmer ermöglichen jedoch die Teil-<br />

nahme dieser an der Verwaltung. Der Abrechnungsbogen bildet die geplanten und erbrach-<br />

ten Unterstützungsleistungen ab und muss von den <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>neh-<br />

mern monatlich gegengezeichnet werden. In der Regel erfolgt eine gemeinsame Besprechung<br />

der Bögen mit der Bezugsmitarbeiterin/ dem Bezugsmitarbeiter. Entsprechend der indivi-<br />

duellen kognitiven Kompetenzen sind die <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer somit<br />

stärker oder schwächer in die <strong>Budget</strong>verwaltung involviert bzw. auch an dieser interessiert.<br />

I: Ja. .. Bist du denn irgendwie informiert, wie viel Geld du noch zur Verfügung hast? Von deinem<br />

<strong>Budget</strong> und wie viel du <strong>im</strong> Monat ausgegeben hast?<br />

BN: Da muss ich mich mich regelmäßig informieren. (Diesen Monat) ich hab noch ein bisschen Per-<br />

Le.<br />

I: Ja. Und bei wem informierst du dich?


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 38<br />

BN: Bei meiner Bezugsperson.<br />

I: Ok. Das heißt, mit der besprichst du das dann <strong>im</strong>mer, was du schon ausgegeben hast und wie<br />

viel Geld du noch zur Verfügung hast, ne?<br />

BN: Ja. Wenn ich was mach/ was machen möchte, muss ich erst das aus/ das aus/ ausrechnen und<br />

so.<br />

I: Ja. Und das ist für dich aber auch in Ordnung, dass du das alles mit der besprichst?<br />

BN: Ja. .. (BN 11 Int 09 , 78-85)<br />

Die <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer empfinden es als entlastend, das Persönliche<br />

<strong>Budget</strong> nicht auf dem eigenen Konto zu haben. Viele geben an, Schwierigkeiten <strong>im</strong> Umgang<br />

mit Geld zu haben und sich die selbständige Verwaltung des <strong>Budget</strong>s nicht vorstellen zu<br />

können.<br />

I: Ja. Ähm, wer hat, haben Sie das Persönliche <strong>Budget</strong> auf Ihrem Konto? Oder wer hat das?<br />

BN: Ich glaube, das läuft über das Haus. Das ist, mit meinem privaten Konto hat das nichts zu tun.<br />

[…]<br />

I: Ja. .. Und ähm, dass das Persönliche <strong>Budget</strong> jetzt nicht auf Ihrem privaten Konto ist, finden sie<br />

das in Ordnung oder können Sie sich das auch vorstellen das selber zu haben?<br />

BN: Nein, das ist so schon besser.<br />

I: Ja.<br />

BN: Weil, .. ja .. das ist, so kommt es auf jeden Fall zu dem Zweck, wofür es benutzt werden soll.<br />

I: Ja. Meinen Sie, es wäre etwas schwierig?<br />

BN: Ja, ja, wäre vielleicht schwierig das einzuteilen. (BN 29 Int 09 , 126-139)<br />

I: Ist es denn für Sie auch in Ordnung, dass Sie mit der Verwaltung des <strong>Budget</strong>s eigentlich nicht<br />

so viel zu tun haben?<br />

BN: Ja. Ja. .. Ja, das könnte ich mir auch nicht vorstellen, dass ich das mal machen könnte.<br />

I: Ja.<br />

BN: Das ist, nämlich ziemlich viel. (BN 10 Int 09 , 150-153)<br />

Ein <strong>Budget</strong>nehmer macht deutlich, dass er an der Verwaltung seines <strong>Budget</strong>s nicht interes-<br />

siert ist.<br />

BN: Und die [externe Anbieterin, Anmerk. d. A.] wird dann bezahlt.<br />

I: Und dann aber von Ihrem Persönlichen <strong>Budget</strong> quasi abgebucht?<br />

BN: Weiß ich nicht.<br />

I: Nee.<br />

BN: Das ist mir auch egal wie. (BN 23 Int 09 , 60-64)<br />

Eine andere <strong>Budget</strong>nehmerin berichtet, wie es ihr auch ohne Lesekenntnisse möglich ist, ei-


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 39<br />

nen Überblick über den Stand ihres monatlichen <strong>Budget</strong>s zu bekommen.<br />

I: Ah ja, das heißt also, Sie wissen schon Bescheid darüber, ob Sie noch Geld zur Verfügung haben<br />

oder nicht.<br />

BN: Ja. Wenn er [Abrechnungsbogen, Anmerk. d. A.] grün ist, ist er voll und wenn er gelb ist, dann<br />

ist er leer.<br />

I: Ah ja. Das hört sich ja schon mal gut an. Das heißt Sie haben da schon ein bisschen die Kontrolle?<br />

BN: Ja. .. Aber die haben das farbig gemacht.<br />

I: Ja.<br />

BN: Weil ich eigentlich nicht lesen kann. Und dann haben die das farbig gemacht. (BN 10 Int 09 , 170-<br />

175)<br />

Keiner der <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer kann konkrete Angaben zur Höhe ihres/<br />

seines monatlichen Persönlichen <strong>Budget</strong>s machen. In dem Zusammenhang werden jedoch<br />

die Bezugsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter genannt, die Auskunft geben können oder auch<br />

die Abrechnungsbögen, auf denen die monatliche <strong>Budget</strong>summe vermerkt ist.<br />

I: Nee. Ähm, wissen Sie denn, wie viel <strong>Persönliches</strong> <strong>Budget</strong> Sie denn <strong>im</strong> Monat bekommen, wie<br />

hoch das ist?<br />

BN: Nein, wissen die Mitarbeiter. (BN 21 Int 09 , 24-26)<br />

I: Ja. Weißt du denn, wie viel Geld du <strong>im</strong> Monat bekommst? Vom Persönlichen <strong>Budget</strong>?<br />

BN: Hm … Ich ich ich ich weiß es nicht so richtig.<br />

I: Ja.<br />

BN: Das steht alles in meiner PerLe-Mappe. (BN 11 Int 09 , 74-77)<br />

I: Ähm, wissen Sie denn, wie hoch Ihr monatliches <strong>Budget</strong> ist? Wie viel Geld Sie da bekommen?<br />

BN: Nein. Das weiß ich, weiß ich nicht. (BN 29 Int 09 , 124-125)<br />

Bei einer <strong>Budget</strong>nehmerin werden in diesem Zusammenhang erneut Abgrenzungsschwierigkeiten<br />

zu anderen Geldern deutlich.<br />

I: Wissen Sie denn, wie viel PerLe-<strong>Budget</strong> Sie jeden Monat bekommen? Wie viel Geld das ist?<br />

BN: Ja, also [Name der BN, Anmerk. d. A.] kriegt <strong>im</strong>mer von ihrem <strong>Budget</strong>-Geld fünf Euro.<br />

I: Ja.<br />

BN: Immer einen Schein. (BN 28 Int 09 , 130-133)


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 40<br />

Auch die Mitarbeiter beschreiben die Beteiligung und das Interesse der einzelnen <strong>Budget</strong>-<br />

nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer an der Verwaltung ihres eigenen Persönlichen <strong>Budget</strong>s als<br />

sehr heterogen.<br />

Einige <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer zeigen gar kein Interesse an der <strong>Budget</strong>-<br />

verwaltung, und es entsteht der Eindruck, dass bei ihnen die eigentlichen Aktivitäten <strong>im</strong><br />

Vordergrund stehen, die mittels des Persönlichen <strong>Budget</strong>s unternommen werden.<br />

I: Mhm. Aber da spielt dann auch weniger das Persönliche <strong>Budget</strong> eine Rolle, sondern da geht es<br />

auch eher um das Endprodukt?<br />

MA: Ja.<br />

I: Ja.<br />

MA: Auch Herr [Name des BN, Anmerk. d. A.] hat keinerlei Vorstellung von Geld. […] Und für den<br />

zählt auch nur das, was dabei rumkommt. Und nicht wie das, wie viel das kostet oder was auch<br />

<strong>im</strong>mer. (MA 11 Int 09 , 186-191)<br />

I: Und ähm aber er weiß, also das ist ihm auch klar, dass das Sachen sind, die übers Persönliche<br />

<strong>Budget</strong> laufen, dass er das halt hat? Oder ähm geht's eher um diese Aktivitäten?<br />

MA: Ich glaube, es geht eher um die Aktivitäten.<br />

I: Mhm.<br />

MA: Ich glaub, so ein Stückchen ist es so, dass er schon weiß, das ist ja auch eben Geld, aber es ist<br />

noch sehr, also er muss ja nicht direkt bezahlen, es geht ja von einem <strong>im</strong>aginären Konto für ihn<br />

ab.<br />

I: Ja.<br />

MA: Das ist noch mal so ein Unterschied. Letztendlich geht's ihm um die Inhalte. (MA 10 Int 09 , 14-<br />

19)<br />

Bei anderen <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmern wiederum haben die monatlichen<br />

Abrechnungsbögen eine große Bedeutung, dabei scheint aber nicht der Kontrollaspekt bzgl.<br />

der Abrechnungen <strong>im</strong> Mittelpunkt zu stehen, sonder eher das grundsätzliche Einbezogen-<br />

sein in die Unterstützungsorganisation.<br />

I: Ähm und mit Herrn [Name des BN, Anmerk. d. A.] gehen Sie dann wahrscheinlich auch diese<br />

Abrechnungsbögen monatlich durch?<br />

MA: Ja. Ja. Wobei bei ihm, das ist wieder mal mein Eindruck, ähm … ihm ist nicht das Durchgehen<br />

wichtig, sonder ihm ist wichtig, dass das Ding nach oben kommt und bei ihm <strong>im</strong> Ordner landet.<br />

I: Mhm.<br />

MA: Also er fragt da auch regelmäßig nach, also spätestens Mitte des Folgemonats äh fordert er diese<br />

Abrechnung auch ein.<br />

I: Ja.


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 41<br />

MA: Ähm, er unterschreibt die dann auch <strong>im</strong>mer bereitwillig ähm .. aber wenn ich dann die einzelnen<br />

Punkte, die draufstehen, mit ihm durchgehen will, ja ja und dann winkt er auch ganz<br />

schnell ab. (MA 15 Int 09 , 189-195)<br />

Eine <strong>Budget</strong>nehmerin zeigt großes Interesse, an der Verwaltung ihres eigenen <strong>Budget</strong>s betei-<br />

ligt zu sein.<br />

I: Ja. Gut, Ähm ist Frau [Name der BN, Anmerk. d. A.] denn auch an der Verwaltung ihres <strong>Budget</strong>s<br />

beteiligt?<br />

MA: Ja. Also wir ähm also ich muss da ein bisschen mehr den Überblick haben als Frau [Name der<br />

BN, Anmerk. d. A.] weil Frau [Name der BN, Anmerk. d. A.] das aufgrund ihrer Behinderung<br />

so nicht schafft.[…] Aber wir haben regelmäßig PerLe-Beratungsgespräche, wo wir noch mal<br />

das Geld durchgehen, wie viel sie ausgegeben hat, wie viel ihr noch mal zur Verfügung steht<br />

ähm und sie, ja, man muss ihr halt doch noch verständlich machen, dass es manchmal nicht für<br />

große Aktivitäten reicht, sondern dass sie dann erstmal noch ein bisschen sparen muss. Aber eigentlich<br />

überblickt sie das auch ganz gut. (MA 13 Int 09 , 88-91)<br />

Bezogen auf die Organisationskompetenz zeigt sich bei den <strong>Budget</strong>nehmerinnen und Bud-<br />

getnehmern ebenfalls ein heterogenes Bild. Bis auf einige wenige Ausnahmen benötigen alle<br />

<strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer Hilfe bei der Organisation einer Unterstützungs-<br />

leistung mit dem Persönlichen <strong>Budget</strong>. Diese gestaltet sich von der stellvertretenden Organi-<br />

sation der Unterstützung durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder Angehörige bis hin<br />

zur Begleitung durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Bedarf, wobei der Kontakt zwi-<br />

schen externem Anbieter und <strong>Budget</strong>nehmerin oder <strong>Budget</strong>nehmer zunächst von diesen<br />

selbst ausgeht.<br />

I: Ja. Genau. … Ähm kennt Herr [Name des BN, Anmerk. d. A.] denn die nötigen Schritte um<br />

eine Unterstützung mit dem Persönlichen <strong>Budget</strong> zu organisieren?<br />

MA: Nein. Also wir haben das noch nie getestet. Aber ich glaube nicht.<br />

I: Ja.<br />

MA: Einfach dadurch, dass es für ihn so klar ist. Das es für ihn halt klar ist und ich und die Kollegin<br />

miteinander kommunizieren ist für ihn das, glaube ich, nicht so klar. (MA 13 Int 09 , 256-259)<br />

I: Ah ja. Und ähm rufen Sie dann die [externe Anbieterin, Anmerk. d. A.] an und verabreden sich<br />

mit der? Oder wie funktioniert das?<br />

BN: Ja. Wir rufen [externe Anbieterin, Anmerk. d. A.] hier <strong>im</strong>mer an und verabreden uns <strong>im</strong>mer<br />

sehr.<br />

I: Aber machen Sie das alleine oder hilft Ihnen da jemand bei?<br />

BN: Nein, da hilft <strong>im</strong>mer jemand, die Betreuer hilft dabei hier anzurufen. (BN 28 Int 09 , 91-94)


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 42<br />

MA: Also sie ruft, sie entscheidet sich für etwas, sie ruft die Frau selber an, ähm, sie vereinbaren einen<br />

Termin. Ich bin meistens <strong>im</strong> Hintergrund wenn sie anrufen um das halt auch mitzubekommen.<br />

(MA 13 Int 09 , 137)<br />

I: Ja, genau. Wer hilft Ihnen denn dabei, das ähm Persönliche <strong>Budget</strong> einzuteilen?<br />

BN: Hm, also die Termine mache ich eigentlich alleine. Ich habe, wie gesagt, alle zwei Wochen, damit<br />

es länger hält, das Persönliche <strong>Budget</strong>. (BN 29 Int 09 , 140-141)<br />

Keiner der <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer kann konkrete Angaben zu den Kosten<br />

einer mit dem Persönlichen <strong>Budget</strong> eingekauften Unterstützung machen. Einige <strong>Budget</strong>-<br />

nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer weisen auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder die<br />

Wohnhe<strong>im</strong>leitung hin, die bei diesen Fragen weiterhelfen können.<br />

I: Und wissen Sie ähm, was die die Stunde bekommt?<br />

BN: Nein, darüber weiß ich nichts. (BN 29 Int 09 , 40-41)<br />

I: Ah ja. Und wissen Sie, was die kostet?<br />

BN: Ähm … das weiß ich nicht. Müssen Sie mal [Name der Wohnhe<strong>im</strong>leitung, Anmerk. d. A.] fragen.<br />

(BN 10 Int09, 46-47)<br />

Ein <strong>Budget</strong>nehmer kann keine konkrete Summe hinsichtlich der Unterstützungskosten nen-<br />

nen, weiß jedoch, dass es günstiger ist, eine Privatperson einzukaufen als die Mitarbeiterin-<br />

nen und Mitarbeiter des Wohnhe<strong>im</strong>s.<br />

I: Genau. Der ähm, [externe Anbieter, Anmerk. d. A.] , ähm, weißt du wie viel Geld der pro Stunde<br />

bekommt?<br />

BN: Nicht so richtig. Bei dem, .. nicht so richtig.<br />

I: Ja. Aber weißt du, ob der billiger ist, als wenn du jetzt hier nen Mitarbeiter aus dem Wohnhe<strong>im</strong><br />

engagierst?<br />

BN: [externer Anbieter, Anmerk. d. A.], der ist der billigste. (BN 11 Int 09 , 60-63)<br />

Eine andere <strong>Budget</strong>nehmerin wiederum weiß, dass die Höhe der Kosten abhängig ist vom<br />

Stundenumfang der geleisteten Unterstützung.<br />

I: Ok. Wissen Sie denn, wie viel Geld die [externe Anbieterin, Anmerk. d. A.] kriegt, wenn die was<br />

mit Ihnen untern<strong>im</strong>mt?<br />

BN: Das kommt drauf an, wie viele Stunden die mit mir macht.<br />

I: Genau. Und wissen Sie, was die pro Stunde bekommt?<br />

BN: Weiß ich nicht. (BN 25 Int 09 , 70-73)


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 43<br />

Entscheidungskompetenz hinsichtlich des <strong>Budget</strong>einsatzes<br />

Im Gegensatz zur vielfach von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern übernommenen Ver-<br />

waltung und Organisation des Persönlichen <strong>Budget</strong>s, liegt die Entscheidungskompetenz<br />

hinsichtlich des <strong>Budget</strong>einsatzes in der Regel bei den <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>neh-<br />

mer. Sie nehmen diese entweder alleine oder mit Unterstützung wahr.<br />

I: Entscheiden Sie eigentlich selber, was Sie mit dem Persönlichen <strong>Budget</strong> machen?<br />

BN: Ja. (BN 23 Int 09 , 189-190)<br />

I: Ja. Das heißt aber, wenn du dir was überlegst, was du mit deinem Persönlichen <strong>Budget</strong> machen<br />

möchtest, dann kümmerst du dich auch selber darum?<br />

BN: Ja, aber aber nur mit Absprache… Sonst kommt man durcheinander und so.<br />

I: Mit wem sprichst du dich da ab?<br />

BN: Mit meiner Bezugsperson. Die mag ich.<br />

I: Ah ja. Das heißt also, mit der sprichst du alles ab, was du über dein <strong>Persönliches</strong> <strong>Budget</strong>, was<br />

du mit deinem Persönlichen <strong>Budget</strong> untern<strong>im</strong>mst?<br />

BN: Ja. (BN 11 Int 09 , 54-59)<br />

Bei einigen <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmern wird in diesem Zusammenhang aber<br />

auch deutlich, dass schwerpunktmäßig Entscheidungen für den Einsatz des <strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> Frei-<br />

zeitbereich getroffen werden und eine Verbindung der <strong>Budget</strong>nutzung mit dem individuel-<br />

len Hilfebedarf nur bedingt reflektiert betrachtet wird. Die Notwendigkeit einer engmaschi-<br />

gen <strong>Budget</strong>begleitung wird in diesem Kontext noch einmal verstärkt deutlich.<br />

I: Ja. Und überlegt er sich denn auch selber was er gerne machen möchte? Oder wie, wie entstehen<br />

da die Aktivitäten?<br />

MA: Mhm. Es ist in der Hilfeplanung gesprochen worden, dass es in verschiedene Bereiche halt geht,<br />

also Freizeit .., kochen war glaube ich, auch ´ne Geschichte. Herr [Name d. BN, Anmerk. d. A.]<br />

würde gerne nur in Freizeit investieren.<br />

I: Mhm. (lacht)<br />

MA: Also für ihn ist klar, wenn es irgendwie geht nur diese Freizeitaktivitäten. Und da sehe ich meinen<br />

Teil, auch noch mal <strong>im</strong>mer wieder zu gucken, was vereinbart worden ist. (MA 10 Int 09 , 58-<br />

61)<br />

Die längsschnittliche Betrachtung der budgetbezogenen Kenntnisse und Kompetenzen der<br />

<strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer über den fünfjährigen Forschungszeitraum macht<br />

deutlich, dass sich der Wissensstand bzgl. der Grundgedanken des Persönlichen <strong>Budget</strong>s


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 44<br />

sehr heterogen darstellt, insgesamt aber nach wie vor nur gering ausgeprägt ist. Das Persön-<br />

liche <strong>Budget</strong> an sich hat <strong>im</strong> Laufe der Zeit nicht an Bedeutung zugenommen. Das Verständ-<br />

nis hinsichtlich der praktischen Umsetzung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong> ist bei<br />

einzelnen <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmern <strong>im</strong> Laufe der <strong>Budget</strong>nutzung gewach-<br />

sen. Dies lässt sich bei den Personen feststellen, die stärker in den Verwaltungs- und Organi-<br />

sationsprozess ihres Persönlichen <strong>Budget</strong>s involviert und auch an diesem interessiert sind.<br />

Dieser Aspekt macht deutlich, wie wichtig es für die Zielgruppe der Menschen mit geistiger<br />

Behinderung ist, über die Möglichkeit zu verfügen, die erforderlichen Einsichten in die Bud-<br />

getidee und die praktischen Kompetenzen der Unterstützungsorganisation über einen lan-<br />

gen Zeitraum in der konkreten Umsetzung und innerhalb eines sicheren Kontextes schritt-<br />

weise entwickeln zu können. Für viele <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer stellt sich<br />

das Persönliche <strong>Budget</strong> allerdings nach wie vor als abstrakte Größe dar, die nur schwer in<br />

den Lebensalltag integriert werden kann. Einen möglichen Grund kann in diesem Zusam-<br />

menhang die Tatsache darstellen, dass keiner der <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer<br />

das Persönliche <strong>Budget</strong> auf seinem eigenen Konto hat. Durch die Verwaltung des Persönli-<br />

chen <strong>Budget</strong>s auf virtuellen <strong>Budget</strong>konten innerhalb des Wohnhe<strong>im</strong>s besteht für die <strong>Budget</strong>-<br />

nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer nicht die Möglichkeit, das ja real vorhandene <strong>Budget</strong> in<br />

den „eigenen Händen zu halten“ und damit auch einen direkten Bezug zwischen dem Per-<br />

sönlichen <strong>Budget</strong>, der veränderten Unterstützungsgestaltung und der eigenen Lebenssitua-<br />

tion herstellen zu können. Dies deutet auf notwendige Veränderungen in der praktischen<br />

Umsetzung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s hin, soll dieses eine greifbarere Position <strong>im</strong> Leben der<br />

einzelnen <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer einnehmen (vgl. Kap. 4.5).<br />

4.2 <strong>Budget</strong>beratung und -assistenz<br />

Für die notwendige Begleitung und Unterstützung <strong>im</strong> Kontext der <strong>Budget</strong>verwaltung, -<br />

planung und -inanspruchnahme werden von den <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmern<br />

in erster Linie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Wohnhe<strong>im</strong>s sowie die Wohnhe<strong>im</strong>lei-<br />

tung als zentrale Ansprechpartner angegeben.


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 45<br />

I: Ähm, wenn Sie irgendwie Fragen zum Persönlichen <strong>Budget</strong> haben, wen können Sie da ansprechen?<br />

BN: Alle.<br />

I: Alle. Das heißt?<br />

BN: Dass das Personal hilft. (BN 10 Int 09 , 220-223)<br />

Ein <strong>Budget</strong>nehmer weist auch darauf hin, dass die jährlich stattfindenden Hilfeplangesprä-<br />

che ein Ort sind, an dem über die <strong>Budget</strong>planung und -inanspruchnahme verhandelt wird<br />

und neue Absprachen getroffen werden.<br />

I: Ja. Aber wer könnte dir denn helfen dieses, diesen Wunsch auch noch mal wirklich zu verwirklichen?<br />

BN: Ich muss mal mit, wenn neue Zahlen kommen, würd ich ein ein Hilfeplangespräch gehen.<br />

I: Ja.<br />

BN: Und dann möchte ich, und wenn es dieses Hilfeplangespräch gibt, … möchte ich das noch mal<br />

erörtern.<br />

I: Ja. Das heißt, bei dem Hilfeplangespräch, da sprecht ihr auch darüber, was du mit deinem Persönlichen<br />

<strong>Budget</strong> ähm machst, machen möchtest?<br />

BN: Ja. Um diesen Traum, um diesen Wunsch (letztendlich) zu ermöglichen, muss demnächst, wenn<br />

neue ein Bezugsmitarbeiter (…) Wenn neue Zahlen kommen, kommt ein Hilfeplangespräch,<br />

Hilfeplangespräch geben. (BN 11 Int 09 , 124-129)<br />

Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen sich in erster Linie selbst in der Rolle der<br />

Hauptkontakt- bzw. Vertrauenspersonen in Fragen rund um das Persönliche <strong>Budget</strong>. Die<br />

Möglichkeit, eine unabhängige <strong>Budget</strong>beratung und -assistenz durch das Café 3b (vgl. Kap.<br />

2.3.1) in Anspruch zu nehmen, wird von den <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmern nach<br />

wie vor nicht nachgefragt. Rollenkonflikte, die zuweilen durch die Übernahme der <strong>Budget</strong>-<br />

beratung und -assistenz für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entstehen, sind diesen be-<br />

wusst, dominieren den Arbeitsalltag aber nicht mehr in dem Umfang, wie es noch vor drei<br />

Jahren der Fall war (vgl. Kap. 4.5).<br />

I: […] Und mit der <strong>Budget</strong>assistenz, hatten Sie ja damals auch gesagt, dass es eigentlich nicht so<br />

ganz glücklich ist, dass es hier die Bezugsmitarbeiter machen. Ähm aber da hat sich auch nichts<br />

verändert, oder?<br />

MA: Da hat sich nichts verändert.<br />

I: Nee.<br />

MA: Es gibt weiterhin die Möglichkeit, es weiterhin übers Café 3b zu machen, aber das nehmen hier<br />

unsere Bewohner nicht an.<br />

I: Ja. Ja. Gut es schei/ es läuft ja auch gut, wie man jetzt so den Eindruck hat. Also es gibt wahr-


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 46<br />

scheinlich auch nicht so die Notwendigkeit.<br />

MA: Nein, zurzeit gibt es nicht die äh Notwendigkeit. Und die Kollegen hier äh haben sich, glaube<br />

ich, auch sehr gut in die Rolle rein gefunden.<br />

I: Ja.<br />

MA: Die ja auch ganz schön Spagat auch äh verlangt. (MA 09 Int 09 , 578-586 )<br />

Die anderen <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer innerhalb des Wohnhe<strong>im</strong>s werden von<br />

den einzelnen Personen nicht als Ansprechpartner <strong>im</strong> Kontext der <strong>Budget</strong>nutzung angese-<br />

hen.<br />

I: Ja. Genau. Ähm, könnten Sie denn irgendwie auch die anderen Bewohner fragen, wenn Sie ähm<br />

Fragen haben zum Persönlichen <strong>Budget</strong>?<br />

BN: Nein.<br />

I: Die können Ihnen da nicht helfen?<br />

BN: Nein. (BN 10 Int 09 , 244-247)<br />

Generell findet nur ein geringer Austausch über das Persönliche <strong>Budget</strong> unter den <strong>Budget</strong>-<br />

nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmern statt. Lediglich ein <strong>Budget</strong>nehmer berichtet von Gesprä-<br />

chen mit anderen <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmern in denen das Persönliche <strong>Budget</strong><br />

ein Thema ist.<br />

I: Ähm, unterhalten Sie sich mit den anderen Bewohnern über<br />

BN: Ja, doch. Mitbewohner, mit denen unterhalte ich mich auch.<br />

I: Auch mal übers Persönliche <strong>Budget</strong>?<br />

BN: Nein, das nicht. (BN 29 Int 09 , 260-263)<br />

I: Genau. … Ähm, unterhältst du dich manchmal hier mit den anderen Bewohnern über das Persönliche<br />

<strong>Budget</strong>?<br />

BN: Ja, ja, ja doch, aber (…) mit den anderen hat, kommt drauf an, ob die Zeit haben.<br />

I: Ja. Und worüber redet ihr dann? Worüber tauscht ihr euch aus?<br />

BN: Ja… wie es uns so gefällt, […] (BN 11 Int 09 , 134-137)<br />

Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erleben den Austausch über das Persönliche<br />

<strong>Budget</strong> unter den <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmern nur selten. Gespräche über das<br />

Persönliche <strong>Budget</strong> als solches finden in der Regel gar nicht statt und wenn dieses Thema ist,<br />

dann geht es eher um die Aktivitäten, die mit dem Persönlichen <strong>Budget</strong> organisiert werden.<br />

Dieser Aspekt hängt unter Umständen wiederum mit der nur min<strong>im</strong>alen Beteiligung der


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 47<br />

<strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer an der Verwaltung und Organisation ihres Persön-<br />

lichen <strong>Budget</strong>s zusammen. Darüber hinaus erleben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei<br />

einigen <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmern auch Konkurrenz <strong>im</strong> Austausch mit ande-<br />

ren Personen, was die einzelnen Unterstützungsleistungen mit dem Persönlichen <strong>Budget</strong><br />

betrifft.<br />

MA: Nee. Also die erzählen zwar ähm, wenn die jetzt weg waren oder weg gehen mit der externen<br />

Begleitung ähm, klar, das erzählen sie sich schon untereinander, ich war da und da oder, aber<br />

das die jetzt direkt sagen ähm, also direkt jetzt, dass sie das mit dem Persönlichen <strong>Budget</strong> in,<br />

was heißt in Zusammenhang bringen, aber ich glaube, dass ist für die, die wissen zwar, dass es<br />

darüber läuft, es hat aber für die nicht so einen großen Stellenwert, also, was, kann ich jetzt<br />

nicht so direkt so sagen, aber sie wissen zwar, das es darüber läuft, aber es ist halt nicht so, dass<br />

sie das so zur Sprache bringen. (MA 16 Int 09 , 159)<br />

MA: Also, das ist aber nicht mehr geworden. Zu best<strong>im</strong>mten Phasen habe ich sogar eher das Gefühl,<br />

dass da auch so was ähm, so, ätsch, jetzt kommt aber für mich der und der und macht das und<br />

das mit mir.<br />

I: Ok. Also, so ein bisschen Konkurrenz.<br />

MA: Auch so vorführen. (MA 09 Int 09 , 463-465)<br />

Die engmaschige Begleitung und Unterstützung <strong>im</strong> Kontext der <strong>Budget</strong>verwaltung,<br />

-planung und -inanspruchnahme liegt dementsprechend weitgehend <strong>im</strong> direkten Einflussbe-<br />

reich des stationären Wohnangebotes. Lediglich bei drei <strong>Budget</strong>nehmerinnen bzw. <strong>Budget</strong>-<br />

nehmern erhalten deren Mütter, die gleichzeitig die gesetzliche Betreuung innehaben, unter-<br />

schiedlich hohe Teilbeträge der jeweiligen <strong>Budget</strong>s ausbezahlt und organisieren damit unab-<br />

hängig vom Wohnhe<strong>im</strong>personal externe Unterstützungsleistungen durch private und pro-<br />

fessionelle externe Anbieter. Dem Wohnhe<strong>im</strong> gegenüber müssen über diese Teilbeträge kei-<br />

ne Verwendungsnachweise erbracht werden. Diese Praxis stößt bei einigen Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern auf Skepsis, da in einigen Fällen Unsicherheit darüber besteht, inwieweit<br />

das Geld tatsächlich <strong>im</strong> Interesse der jeweiligen <strong>Budget</strong>nehmerin/ des jeweiligen <strong>Budget</strong>-<br />

nehmers eingesetzt wird. Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwiefern durch die Auszah-<br />

lung eines Teilbetrags des <strong>Budget</strong>s an die Eltern nicht eine neue Form der Fremdbest<strong>im</strong>-<br />

mung begründet wird, die der Grundidee und den eigentlichen Wirkungen des Persönlichen<br />

<strong>Budget</strong>s entgegensteht. Diese bestehen darin, durch die <strong>Budget</strong>nutzung das Selbstbest<strong>im</strong>-<br />

mungspotential der Bewohnerinnen und Bewohner auch innerhalb des stationären Settings


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 48<br />

zu stärken und nicht die Entscheidungskompetenz bzgl. des <strong>Budget</strong>einsatzes an weitere drit-<br />

te Personen abzugeben.<br />

MA: Also, dass da auch ähm wenigstens die Kontrolle, die wir dazu ausüben können, von weitem,<br />

dass sie auch stattfindet. Also wirklich zu gucken. Aber da die Angehörigen keinen Nachweis<br />

darüber abgeben müssen, was sie mit dem Geld zu tun haben, sind wir natürlich auch darauf<br />

angewiesen, auf das Vertrauen, dass sie auch das tun, was sie damit tun. […] Ich glaube, dass<br />

da manch ein Geld anders verwertet wird. Aber da habe ich keinen Beweis zu. […] Ich würde da<br />

auch keinem Angehörigen sagen, du oder du, aber ähm ich fände es durchaus besser, wenn die<br />

das nachweisen würden. Das finde ich schon. Wir müssen hier auch über alles Nachweis führen.<br />

Und ähm ich fände, weil es echtes Geld ist, dass da auch Nachweis drüber geführt werden müsste.<br />

[…] Und die Eltern genauso am Ende des Monats nen Abrechnungsbogen vorzulegen hätten,<br />

wie alles andere, alle anderen auch. (MA 11 Int 09 , 279-293)<br />

I: […] Ähm sind Angehörige involviert ähm ins Persönliche <strong>Budget</strong>? Nehmen die Einfluss?<br />

MA: Sehr unterschiedlich. Es gibt Angehörige, die unhe<strong>im</strong>lich involviert sind, die auch ganz klar<br />

benennen für ihre Menschen hier <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong> lebend ähm, wer diese Begleitung macht.<br />

I: Ja.<br />

MA: Also da ist oftmals sehr viel Fürsorge dann und wenig Selbstbest<strong>im</strong>mung.<br />

I: Ja.<br />

MA: Es gibt auch andere irgendwie, wo Angehörige gar nicht mit involviert sind.<br />

I: Ja.<br />

MA: Wo wirklich die teilnehmende Person zusammen mit dem <strong>Budget</strong>mitarbeiter oder dem Bezugsmitarbeiter<br />

guckt, wer das <strong>Budget</strong> auch, wo sie was für bekommen dann.<br />

I: Ja.<br />

MA: Aber es gibt schon auch Angehörige, die da auch sehr stark mit drin sind. Die das auch sehr<br />

reglementieren. […] Auch nicht Sinn der Sache, ne? (MA 10 Int 09 , 600-613)<br />

Eine Betrachtung des Bereichs <strong>Budget</strong>beratung und -assistenz <strong>im</strong> Längsschnitt macht die<br />

zentrale Rolle der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter <strong>im</strong> gesamten Prozess der Umsetzung<br />

des Persönlichen <strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong> deutlich. Im Laufe der fünfjährigen <strong>Budget</strong>nutzung<br />

haben sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu festen Bezugsgrößen <strong>im</strong> Rahmen der<br />

<strong>Budget</strong>beratung und -assistenz entwickelt. Der Aspekt, dass das Café 3b als Beratungsange-<br />

bot nach wie vor nicht in Anspruch genommen wird, macht den hohen Stellenwert von ver-<br />

trauten Personen für die Aufgaben der <strong>Budget</strong>beratung und -assistenz deutlich. Gerade für<br />

Menschen mit geistiger Behinderung, die unter Umständen schon seit vielen Jahren in sta-<br />

tionären Betreuungszusammenhängen leben, ist ein sicherer Bezugsrahmen mit einem<br />

dauerhaften und flexibel verfügbaren Beratungs- und Unterstützungsangebot wichtig, um<br />

die Leistungssteuerung durch ein <strong>Persönliches</strong> <strong>Budget</strong> <strong>im</strong> von ihnen gewünschten Umfang


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 49<br />

und Tempo einschlagen und entsprechende Kompetenzen der Verantwortung und Selbstbe-<br />

st<strong>im</strong>mung entwickeln zu können. Die in der theoretischen Konzeption des Persönlichen<br />

<strong>Budget</strong>s geforderte <strong>Budget</strong>beratung und -assistenz unabhängig von Leistungsträger und<br />

-anbieter greift in diesem Kontext nicht bzw. wird von den <strong>Budget</strong>nehmerinnen und Bud-<br />

getnehmern nicht nachgefragt. Stattdessen orientieren sie sich an ihren Bezugsmitarbeiterin-<br />

nen und -mitarbeitern, zu denen sich <strong>im</strong> Laufe der Zeit ein Vertrauensverhältnis entwickelt<br />

hat. In Anbetracht der Tatsache, dass viele <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer Schwie-<br />

rigkeiten haben, <strong>im</strong> Umgang mit Geld eigene Wünsche und Ideen zu äußern sowie konkrete<br />

Entscheidungen hinsichtlich des <strong>Budget</strong>einsatzes zu treffen, ist diese Entwicklung zunächst<br />

eine logische Konsequenz. Gleichwohl ist es notwendig, Überlegungen anzustellen, inwie-<br />

fern es gelingen kann, unabhängige Beratungs- und Assistenzangebote zu installieren, deren<br />

Personal sich <strong>im</strong> Gegensatz zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Wohnhe<strong>im</strong>s nicht<br />

dauerhaft <strong>im</strong> Rollenkonflikt befindet, gleichzeitig Anbieter und Berater zu sein (vgl. Kap. 4.<br />

5).<br />

4.3 <strong>Budget</strong>verwendung<br />

4.3.1 Entwicklung der <strong>Budget</strong>ausgaben insgesamt und individuell<br />

3.500 €<br />

3.000 €<br />

2.500 €<br />

2.000 €<br />

1.500 €<br />

1.000 €<br />

500 €<br />

0 €<br />

Okt 06<br />

Nov 06<br />

Dez 06<br />

Jan 07<br />

Feb 07<br />

Mrz 07<br />

Apr 07<br />

Mai 07<br />

Jun 07<br />

Jul 07<br />

Aug 07<br />

Sep 07<br />

Okt 07<br />

Extern Intern<br />

Nov 07<br />

Dez 07<br />

Jan 08<br />

Feb 08<br />

Mrz 08<br />

Apr 08<br />

Mai 08<br />

Jun 08<br />

Jul 08<br />

Aug 08<br />

Sep 08


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 50<br />

Abb. 4: Entwicklung der monatlichen <strong>Budget</strong>ausgaben <strong>im</strong> zweijährigen Erhebungszeitraum (Oktober<br />

2006 bis September 2008; Gesamt aller <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer)<br />

Die in Anspruch genommene monatliche Gesamtbudgetsumme (d.h. die insgesamt von allen<br />

<strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmern eingesetzten Gelder) schwankte <strong>im</strong> zweijährigen<br />

Erhebungszeitraum von Oktober 2006 – September 2008 erheblich. Das Min<strong>im</strong>um lag bei<br />

rund 1360 € pro Monat <strong>im</strong> Juli 2008 und das Max<strong>im</strong>um bei 3240 € pro Monat <strong>im</strong> November<br />

2007 (vgl. Abb. 4).<br />

Betrachtet man den Verlauf der letzten drei Erhebungsjahre (Oktober 2005 bis September<br />

2008) in halbjährlichen Intervallen, so treten die Schwankungen der Gesamtausgaben nicht<br />

mehr so deutlich hervor (vgl. Abb. 5). Eine eindeutige Zu- oder Abnahme der Gesamtausga-<br />

ben lässt sich nicht erkennen. Dies steht <strong>im</strong> Gegensatz zur Anfangsphase der Modellerpro-<br />

bung (August 2003 – April 2005), in der tendenziell eine Steigerung der <strong>Budget</strong>inanspruch-<br />

nahme zu beobachten war (vgl. Schäfers, Wacker, Wansing 2009, S. 80f.).<br />

16.000 €<br />

14.000 €<br />

12.000 €<br />

10.000 €<br />

8.000 €<br />

6.000 €<br />

4.000 €<br />

2.000 €<br />

0 €<br />

Okt 05-Mrz 06 Apr 06-Sep 06 Okt 06-Mrz 07 Apr 07-Sep 07 Okt 07-Mrz 08 Apr 08-Sep 08<br />

Intern Extern Gesamt<br />

Abb. 5: Entwicklung der halbjährlichen <strong>Budget</strong>ausgaben <strong>im</strong> dreijährigen Erhebungszeitraum (Oktober<br />

2005 bis September 2008; Intern/Extern/Gesamt aller <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer)<br />

Ebenso wie die absoluten Gesamtausgaben erweist sich auch das Verhältnis zwischen den<br />

Ausgaben für interne Leistungen (durch das Wohnhe<strong>im</strong>personal) und den Ausgaben für


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 51<br />

externe Leistungen (anderer Dienstleister) <strong>im</strong> zweijährigen Erhebungszeitraum (von Oktober<br />

2006 – September 2008) als dynamisch (vgl. Abb. 4).<br />

Der halbjährliche Vergleich bezogen auf den dreijährigen Zeitraum von Oktober 2005 bis<br />

September 2008 zeigt, dass sich das Verhältnis zwischen internen <strong>Budget</strong>leistungen und ex-<br />

ternen Investitionen zwischen 67 %/33 % und 56 %/44 % bewegt, wobei externe Ausgaben in<br />

absoluten Zahlen (vgl. Abb. 5) und anteilsmäßig (vgl. Abb. 6) tendenziell ansteigen.<br />

100%<br />

90%<br />

80%<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

33% 33% 36%<br />

67% 67% 64%<br />

41% 44%<br />

59% 56%<br />

Abb. 6: Verhältnis der <strong>Budget</strong>ausgaben intern/extern <strong>im</strong> Zeitraum Oktober 2005 bis September 2008<br />

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Wahrnehmung der Mitarbeiterinnen und Mi-<br />

tarbeiter bzgl. des Verhältnisses zwischen internem und externem <strong>Budget</strong>einsatz. Die Ergeb-<br />

nisse aus den Interviews mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verdeutlichen, dass die-<br />

se den externen <strong>Budget</strong>einsatz als weitaus höher empfinden und die Entwicklungen dahin-<br />

gehend erleben, dass kaum noch <strong>Budget</strong>leistungen intern erbracht werden. Sie sehen sich in<br />

diesem Zusammenhang auch verstärkt in der Verantwortung, gezielt nach externen Anbie-<br />

tern und damit alternativen Unterstützungsangeboten zu suchen, um den <strong>Budget</strong>nehmerin-<br />

nen und <strong>Budget</strong>nehmern trotz personeller Engpässe <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong> die Möglichkeit zu eröff-<br />

nen, eine breite Palette an Unterstützungsangeboten nutzen zu können.<br />

38%<br />

62%<br />

Okt 05-Mrz 06 Apr 06-Sep 06 Okt 06-Mrz 07 Apr 07-Sep 07 Okt 07-Mrz 08 Apr 08-Sep 08<br />

Intern Extern


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 52<br />

MA: Und dabei äh, fällt eigentlich <strong>im</strong>mer mehr auf, dass auch äh die Kollegen hier <strong>im</strong> Haus <strong>im</strong>mer<br />

mehr auch überlegen, ob es sinnvoll ist äh, mit ihren Bezugspersonen ins Gespräch zu kommen,<br />

und dass extern begleitet wird. […] Weil einfach <strong>im</strong> Rahmen der Gesamtentwicklung der letzten<br />

Jahre es <strong>im</strong>mer enger und schwieriger wird äh, wirklich feste Termine zu haben, an denen man<br />

sich wirklich rausziehen kann. […] Das ist einfach so, dass wirklich auch <strong>im</strong>mer viel mehr externe<br />

Anbieter inzwischen beteiligt sind. (MA 09 Int 09 , 11-15)<br />

MA: Ja. Genau, es wird forciert, weil es ja auch äh noch mal ne Suche ist, zu schauen, gibt's noch<br />

andere Anbieter, bieten die zu anderen Zeiten an und ähm passt das vielleicht auch eher überein<br />

und es ist einfach, dass ich auch viele Sachen, auch wenn ich angefragt werden würde, teilweise<br />

gar nicht leisten kann. […] Auch wenn ich angefragt werden würde, müsste ich sagen, ich kann<br />

das nicht begleiten jetzt, weil ich die Kapazitäten dafür nicht habe. (MA 10 Int 09 , 447-451)<br />

MA: Aber ähm das, was ähm was wir sonst hier so auch, also wir bieten ja nicht großartig viel an.<br />

[…] Also das wenigste machen wir ja, das meiste geht ja nach draußen. (MA 11 Int 09 , 127-129)<br />

Eine Mitarbeiterin macht allerdings deutlich, dass sich die <strong>Budget</strong>nutzung für viele der Bud-<br />

getnehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer aus einem Mix von intern und extern organisierten Un-<br />

terstützungsangeboten zusammensetzt. Dies bezieht sich allerdings auf die grundsätzliche<br />

Inanspruchnahme interner und externer Unterstützung und ist keine Aussage zur prozen-<br />

tuellen Inanspruchnahme.<br />

MA: Ja, wenn ich überlege, also was wir leisten jetzt, als interne oder was extern gemacht wird, hält<br />

es sich eigentlich die Waage. […] Also viele, viele Menschen, die hier wohnen, die das Persönliche<br />

<strong>Budget</strong> haben, haben eine PerLe-Begleitung die extern ist und halt uns als Kollegen noch<br />

mal eingekauft, die wir halt intern sind. (MA 13 Int 09 , 297-299)<br />

Betrachtet man die <strong>Budget</strong>nutzung personenbezogen, so lässt für den aktuellen Erhebungs-<br />

zeitraum (Oktober 06 – September 08) feststellen, dass die durchschnittliche <strong>Budget</strong>nutzung<br />

bei 86 % liegt bei einer min<strong>im</strong>alen Inanspruchnahme von 64 % und einer max<strong>im</strong>alen Nut-<br />

zung von 103 % (vgl. Abb. 7).


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 53<br />

120%<br />

100%<br />

80%<br />

60%<br />

40%<br />

20%<br />

0%<br />

28 13 25 16 11 17 21 27 Ø 23 10 3 12 5 2 26<br />

Abb. 7: <strong>Budget</strong>inanspruchnahme nach Personen (in % des kumulierten <strong>Budget</strong>s; Identifikationsnummer<br />

auf der x-Achse; Zeitraum Oktober 2006 bis September 2008)<br />

Vergleicht man auch hier die personenbezogenen Inanspruchnahme-Quoten über einen län-<br />

geren Zeitraum (Oktober 2005 bis September 2008) <strong>im</strong> Jahresabstand, so lässt sich <strong>im</strong> Durch-<br />

schnitt eine leichte Steigerung feststellen von 78% über 81% zu 90% (vgl. die rechte Säulen-<br />

gruppe in Abb. 8); die Entwicklung fällt aber bei den einzelnen <strong>Budget</strong>nehmerinnen und<br />

<strong>Budget</strong>nehmern höchst unterschiedlich aus: So finden sich sowohl ansteigende (z.B. ID 28),<br />

absteigende (z.B. ID 21) als auch Kurvenverläufe (z.B. ID 10 und ID 23) sowie relativ kons-<br />

tant bleibende Werte (z.B. ID 13) (vgl. Abb. 8).


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 54<br />

Abb. 8: <strong>Budget</strong>inanspruchnahme nach Personen (in % des kumulierten <strong>Budget</strong>s; Identifikationsnummer<br />

auf der x-Achse; Zeitraum Oktober 2005 bis September 2008)<br />

Die individuelle Entwicklung der <strong>Budget</strong>ausgaben lässt sich nicht eindeutig erklären, viel-<br />

mehr lassen die Interviewergebnisse insgesamt vermuten, dass diese abhängig ist von einem<br />

komplexen Zusammenwirken verschiedener Faktoren: Dabei interagieren personenbezogene<br />

Faktoren der <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer zusammen mit Umweltfaktoren. So<br />

lässt sich als möglicher persönlicher Faktor sicherlich bei einigen <strong>Budget</strong>nehmerinnen und<br />

<strong>Budget</strong>nehmern ein tieferes Verständnis für das Persönliche <strong>Budget</strong> anführen, welches sich<br />

in den letzten fünf Jahren entwickelt hat. Die quantitative <strong>Budget</strong>inanspruchnahme hängt<br />

jedoch nicht alleine von den budgetbezogenen Kenntnissen und Kompetenzen der <strong>Budget</strong>-<br />

nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer ab. So gibt es bspw. <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>neh-<br />

mer, die vermutlich kein tiefer gehendes Verständnis vom Persönlichen <strong>Budget</strong> und den<br />

entsprechenden Umsetzungsschritten besitzen, ihr <strong>Budget</strong> dennoch in hohem Maße einset-<br />

zen. An dieser Stelle können unterschiedliche Umweltfaktoren genannt werden. So ist z.B. in<br />

einigen Fällen das soziale Umfeld (die Familie) bezogen auf den <strong>Budget</strong>einsatz sehr aktiv


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 55<br />

und unterstützt die jeweilige Person bei der <strong>Budget</strong>nutzung. Darüber hinaus kann bei eini-<br />

gen Personen sicherlich auch die <strong>im</strong> Laufe der Jahre gestiegene Handlungssicherheit des<br />

Wohnhe<strong>im</strong>personals <strong>im</strong> Zusammenhang mit dem Persönlichen <strong>Budget</strong> als möglicher Grund<br />

für eine gestiegene <strong>Budget</strong>nutzung gesehen werden.<br />

Personenbezogen betrachtet nutzen die <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer die sich<br />

ihnen eröffneten Spielräume durch die <strong>Budget</strong>inanspruchnahme hinsichtlich des internen<br />

und externen Einsatzes individuell sehr unterschiedlich. Zusammenfassend lassen sich die<br />

einzelnen Personen in drei Typen von Nutzern einteilen: So gibt es vier Personen, die ihre<br />

<strong>Budget</strong>s (fast) ausschließlich für die Unterstützung durch das Wohnhe<strong>im</strong>personal einsetzen.<br />

Fünf <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer wählen zu einem Großteil interne Leistungen<br />

mit einem kleineren Anteil externer Unterstützung und sechs weitere Personen fragen über-<br />

wiegend externe Leistungen mit einem kleineren Anteil interner Unterstützung nach (vgl.<br />

Abb. 9).<br />

120%<br />

100%<br />

80%<br />

60%<br />

40%<br />

20%<br />

0%<br />

28 13 25 16 11 17 21 27 Ø 23 10 3 12 5 2 26<br />

Abb. 9: <strong>Budget</strong>ausgaben personenbezogen (in % des kumulierten <strong>Budget</strong>s; intern/extern; Identifikationsnummer<br />

auf der x-Achse; Zeitraum Oktober 2006 bis September 2008)


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 56<br />

Auch diesbezüglich sind personenbezogen unterschiedliche Entwicklungen feststellbar, von<br />

denen zwei exemplarisch illustriert werden sollen: So ist der <strong>Budget</strong>nehmer mit der Identifi-<br />

kationsnummer 17 ein Beispiel für ein konstantes Verhältnis von intern zu extern über den<br />

dreijährigen Erprobungszeitraum (vgl. Abb. 10). Eine mögliche Erklärung für diese Konstanz<br />

<strong>im</strong> internen und externen Mitteleinsatz stellt die Tatsache dar, dass bei diesem <strong>Budget</strong>neh-<br />

mer die Mutter einen festen Teilbetrag des monatlichen Persönlichen <strong>Budget</strong>s ausbezahlt<br />

bekommt und damit die externe <strong>Budget</strong>nutzung gemeinsam mit ihrem Sohn organisiert.<br />

Somit ergibt sich für jeden Monat bereits <strong>im</strong> Voraus ein konstantes Verhältnis bzgl. der<br />

internen und externen <strong>Budget</strong>inanspruchnahme.<br />

Abb. 10: Verhältnis der <strong>Budget</strong>ausgaben intern/extern des <strong>Budget</strong>nehmers mit der Identifikationsnummer<br />

17 (Zeitraum Oktober 2005 bis September 2008)<br />

Im Gegensatz dazu ist bei der <strong>Budget</strong>nehmerin mit der Identifikationsnummer 27 eine deut-<br />

liche Entwicklung hin zu mehr externen Investitionen (von einem Anteil von 0 % auf 50 %)<br />

feststellbar (vgl. Abb. 11). Hier liegen mögliche Erklärungsansätze darin , dass die <strong>Budget</strong>-<br />

nehmerin zu Beginn ihres Einzugs in das Wohnhe<strong>im</strong> am Stadtring <strong>im</strong> Jahr 2005 einen erheb-<br />

lichen Unterstützungsbedarf <strong>im</strong> Bereich ihres Sozialverhaltens aufwies, der zunächst aus-


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 57<br />

schließlich durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Wohnhe<strong>im</strong>s abgedeckt wurde.<br />

Im Laufe der Zeit konnte hier mit Erfolg auch eine externe Nutzung des Persönlichen Bud-<br />

gets angebahnt und ausgeweitet werden.<br />

Abb. 11: Verhältnis der <strong>Budget</strong>ausgaben intern/extern der <strong>Budget</strong>nehmerin mit der Identifikationsnummer<br />

27 (Zeitraum Oktober 2005 bis September 2008)<br />

4.3.2 Nachgefragte Dienstleistungen: Art und Erbringungsform<br />

Die Nutzung der Persönlichen <strong>Budget</strong>s unterscheidet sich bei den einzelnen <strong>Budget</strong>nehme-<br />

rinnen und <strong>Budget</strong>nehmern nicht nur <strong>im</strong> Umfang, sondern auch in der Art des <strong>Budget</strong>ein-<br />

satzes, welche sich durch inhaltlich verschiedene Leistungen kennzeichnet. Dies lässt sich<br />

gut anhand der <strong>Budget</strong>aktivitäten von zwei Personen in jeweils einem Beispielmonat ver-<br />

deutlichen (vgl. Tab. 10und Tab. 11).


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 58<br />

Aktivität/ Leistung Dauer/ h intern/ extern Kosten<br />

Hilfsmittelversorgung (für Auswärtsspiel) 0,25 intern 6,25 €<br />

Begleitung Fußballübertragung 2,5 Herr F. (privat) 25,00 €<br />

Hilfsmittelversorgung (für Auswärtsspiel) 0,25 intern 6,25 €<br />

Begleitung Stadionbesuch/ Fußballspiel 4 Herr F. (privat) 40,00 €<br />

Hilfsmittelversorgung + Begleitung zum Essen 0,5 intern 12,50 €<br />

Begleitung „Rollitreff“ 1 Herr F. (privat) 10,00 €<br />

<strong>Budget</strong>beratung 0,5 intern 12,50 €<br />

Hilfsmittelversorgung (für Auswärtsspiel) 0,25 intern 6,25 €<br />

Begleitung Fußballübertragung 3 Herr S. (privat) 30,00 €<br />

Begleitung Fußballübertragung 4 Herr F. (privat) 40,00 €<br />

Begleitung Fußballübertragung 2,5 Herr F. (privat) 25,00 €<br />

Einzelgespräch 0,5 intern 12,50 €<br />

Hilfsmittelversorgung (für Auswärtsspiel) 0,25 intern 6,25 €<br />

Hilfsmittelversorgung (für Auswärtsspiel) 0,25 intern 6,25 €<br />

Begleitung zum Schw<strong>im</strong>men 0,75 intern 18,75 €<br />

Begleitung zum Schw<strong>im</strong>men 0,75 intern 18,75 €<br />

Gesamt 21,25 276,25 €<br />

Tab. 10: Aktivitäten und Ausgaben des <strong>Budget</strong>nehmers Herrn A. (BN 11)


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 59<br />

Aktivität/ Leistung Dauer/ h intern/ extern Kosten<br />

Vorbereitung Geburtstagsfeier 0,75 intern 18,75 €<br />

Begleitung bei Z<strong>im</strong>merpflege 0,25 intern 6,25 €<br />

Transport zum Schw<strong>im</strong>men 0,25 intern 6,25 €<br />

Unterstützung bei Kalenderführung 0,25 intern 6,25 €<br />

Unterstützung be<strong>im</strong> Erstellen einer Einkaufsliste 0,25 intern 6,25 €<br />

Begleitung der Geburtstagsfeier 3 intern 75,00 €<br />

Begleitung bei Z<strong>im</strong>merpflege 0,25 intern 6,25 €<br />

Transport zum Schw<strong>im</strong>men 0,25 intern 6,25 €<br />

Begleitung bei Z<strong>im</strong>merpflege 0,25 intern 6,25 €<br />

Transport zum Schw<strong>im</strong>men 0,25 intern 6,25 €<br />

Begleitung bei Z<strong>im</strong>merpflege 0,25 intern 6,25 €<br />

Gesamt 6 150,00 €<br />

Tab. 11: Aktivitäten und Ausgaben des <strong>Budget</strong>nehmers Herrn D. (BN 05)<br />

Herr A. setzt sein <strong>Budget</strong> sowohl für intern als auch extern geleistete Unterstützung ein, wo-<br />

bei die internen Leistungen in den meisten Fällen vorbereitende Leistungen für extern un-<br />

terstützte Aktivitäten, wie bspw. den Besuch eines Fußballspiels, darstellen. Herr A. kauft in<br />

der Regel Privatpersonen für die externe Unterstützung ein. Ein zentraler Grund ist in die-<br />

sem Zusammenhang der wirtschaftliche Ressourceneinsatz. Privatpersonen nehmen in der<br />

Regel etwa 10 € Stundenlohn für die Begleitung, während die Stundensätze bei professionel-<br />

len externen Anbietern deutlich höher liegen (zwischen 17 € und 30 €). Daraus ergibt sich für<br />

Herrn A. ein vom Stundenumfang quantitativ höherer <strong>Budget</strong>einsatz. Die <strong>Budget</strong>nutzung<br />

von Herrn A. ist sehr vielseitig, durch die externe <strong>Budget</strong>nutzung ist ein höheres Maß an<br />

Planung notwendig als es bspw. bei Herrn D. der Fall ist. Herr D. setzt sein <strong>Budget</strong> aus-<br />

schließlich für interne <strong>Budget</strong>leistungen ein. Die <strong>Budget</strong>nutzung gestaltet sich dabei sehr<br />

gleichförmig. Im Beispielmonat wie auch in den anderen Monaten wird das <strong>Budget</strong> mit we-<br />

nigen Ausnahmen für fest stehende und regelmäßig (wöchentlich) wiederkehrende Termine,<br />

wie bspw. die Z<strong>im</strong>merpflege oder den Schw<strong>im</strong>mtransport genutzt.


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 60<br />

Insgesamt werden die meisten budgetfinanzierten Leistungen in Form einer Eins-zu-eins-<br />

Unterstützung erbracht. Für einige Leistungen bilden die <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>-<br />

nehmer aber auch Gruppen und teilen sich die Kosten. Dies sind in der Regel interne Ange-<br />

bote, wie gemeinsames Kochen sowie Transport oder Begleitung zum Schw<strong>im</strong>men, der<br />

Stundensatz für von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geleistete Unterstützung liegt hier<br />

bei 25 €.<br />

MA: Hm, ich glaube, dass es mehr eins-zu-eins ist. Aber ich weiß, eine Gruppenaktivität, wo halt<br />

gekocht wird, ansonsten sind es, die meisten Sachen doch in Eins-zu-eins-Betreuung. (MA 10<br />

Int 09 , 253)<br />

Im Ganzen werden mit dem Persönlichen <strong>Budget</strong> vor allem Leistungen zur Unterstützung bei<br />

Freizeitaktivitäten wie Besuche von Sport- und Kulturveranstaltungen oder Schw<strong>im</strong>mbadbe-<br />

suche organisiert. Dabei wird nicht nur die eigentliche Begleitung während der Aktivitäten<br />

mit dem <strong>Budget</strong> finanziert, sondern auch die Unterstützung bei der Planung und Vorberei-<br />

tung, der Transfer, ggf. Eintrittskarten für die Begleitperson sowie die Assistenz be<strong>im</strong> Zu-<br />

Bett-Gehen nach einer Veranstaltung.<br />

BN: Zum Weihnachtsmarkt war ich dann mit ihr und und noch so Tagesausflüge. (…) und mir hat<br />

das etwas gebracht. . (BN 10 Int 09 , 37)<br />

Zudem werden Unterstützungsleistungen zur Bewältigung von „Alltagsaufgaben“ über das Per-<br />

sönliche <strong>Budget</strong> nachgefragt, z.B. Einkaufen, Kochen, Aufräumen usw.<br />

BN: Ja, <strong>im</strong> Moment nur dieses Kochen.<br />

I: Ja. Und wie oft ist das?<br />

BN: Einmal <strong>im</strong>, also alle zwei Wochen. (BN 29 Int 09 , 42-44)<br />

BN: […] ich nutze es, einkaufen geh ich mit dem, hab ich so ne Frau von, hab ich so ne Frau, die<br />

kommt alle 14 Tage, kauf ich mit ein. (BN10 Int 09 , 27)<br />

Ebenfalls werden Beratungs- und Planungstätigkeiten <strong>im</strong> Kontext der <strong>Budget</strong>nutzung mit dem<br />

Persönlichen <strong>Budget</strong> bezahlt.<br />

I: Ok. Wie oft machen Sie diese <strong>Budget</strong>assistenzbesprechung?<br />

MA: Einmal <strong>im</strong> Monat.<br />

I: Ja. Und wie lange?


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 61<br />

MA: Einmal <strong>im</strong> Monat äh 15 Minuten sind angesetzt.<br />

I: Ok.<br />

MA: So, die werden dann halt auch über PerLe abgerechnet. (MA 13 Int 09 , 92-97)<br />

Darüber hinaus setzen die <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer ihr <strong>Budget</strong> für sehr indi-<br />

viduelle Aufgaben und Aktivitäten ein. So lassen sich einige <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>-<br />

nehmer bei der Planung und Durchführung ihrer Geburtstagsfeiern unterstützen (vgl. auch<br />

Tab. 11 mit <strong>Budget</strong>nutzung von Herrn D.). Ein anderer <strong>Budget</strong>nehmer hat das <strong>Budget</strong> ge-<br />

nutzt, um mit Unterstützung sein Z<strong>im</strong>mer zu renovieren.<br />

4.4 Wirkungen <strong>im</strong> Leben der <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer<br />

Entsprechend der unterschiedlichen budgetbezogenen Kenntnisse und Kompetenzen (vgl.<br />

Kap. 4.1) sowie der unterschiedlichen <strong>Budget</strong>verwendung (vgl. Kap. 4.3) stellen sich die<br />

Wirkungen des Persönlichen <strong>Budget</strong>s auf die Lebenssituation der <strong>Budget</strong>nehmerinnen und<br />

<strong>Budget</strong>nehmer, die subjektive Bewertung bzw. Bedeutung für die Lebensführung und All-<br />

tagsbewältigung sehr verschieden dar.<br />

Insgesamt äußern sich die <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer überwiegend positiv<br />

über die Inanspruchnahme des Persönlichen <strong>Budget</strong>s. Dabei zeigen sich jedoch erhebliche<br />

Unterschiede in der Differenziertheit der Bewertung, diese reicht von „finde ich gut“ bis hin<br />

zu einer reflektierten Auseinandersetzung mit dem Persönlichen <strong>Budget</strong> und dessen Wir-<br />

kungen auf die individuelle Lebensführung.<br />

I: Würden Sie denn sagen, dass das Persönliche <strong>Budget</strong> ´ne gute Sache für Sie ist?<br />

BN: Die ist gut, ja.<br />

[…]<br />

I: Und ähm warum? Können Sie das so ein bisschen erklären, warum das gut für Sie ist und warum<br />

Ihnen das auch gut gefällt?<br />

BN: Nee. Nee. Gar nicht. (BN 23 Int 09 , 231-236)<br />

Die Personen, die eher eine „diffuse Zufriedenheit“ mit dem Persönlichen <strong>Budget</strong> schildern,<br />

sind in der Regel <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer, die nur in sehr geringem Maße an<br />

der Verwaltung und Organisation ihres <strong>Budget</strong>s beteiligt und interessiert sind. Für sie ist es<br />

schwierig, subjektiv bedeutsame Veränderungen durch die <strong>Budget</strong>nutzung <strong>im</strong> eigenen Le-<br />

ben zu erkennen und zu formulieren.


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 62<br />

<strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer, die <strong>im</strong> Vergleich dazu aktiv an der Planung und<br />

Organisation ihres <strong>Budget</strong>s beteiligt sind, äußern sich ausführlicher und nennen konkrete<br />

Gründe für die positive Bewertung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s.<br />

Sie berichten in dem Zusammenhang vor allem von einem Zuwachs an sozialen und<br />

zeitlichen Entscheidungsspielräumen, also selbst best<strong>im</strong>men zu können, welche Unterstüt-<br />

zung wann und durch wen erbracht werden soll.<br />

BN: Ja. Ja. Also in so/ so/ so/ sofern … so/ so/ so/ … sofern gefällt es mir mir sehr gut. Vor allem ist<br />

das Persönliche <strong>Budget</strong>, dass dass dass man mit Absprache .. sel/ selber, dass man dass man selber<br />

entscheiden kann, wo wo, entscheiden kann, entscheiden kann, was man machen will. (BN<br />

11 Int 09 , 9)<br />

BN: Weil es macht Spaß … und und und wir können mit dem wenig, mit dem Geld machen, was wir<br />

wollen. (BN 10 Int 09 , 9)<br />

Auch von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern werden die erweiterten Wahlmöglichkei-<br />

ten als eine der zentralen Wirkungen des Persönlichen <strong>Budget</strong>s angesehen. Vor allem die<br />

Möglichkeit, externe professionelle Dienstleister sowie Privatpersonen für verschiedene Un-<br />

terstützungsleistungen einkaufen zu können, wird in diesem Kontext als vorherrschend an-<br />

gesehen.<br />

MA: Ja, auf jeden Fall, also für die Menschen, die es nutzen auf jeden Fall, finde ich, ja, ´ne Erweiterung<br />

der Lebenskapazität einfach, ne? Die sind nicht mehr nur auf, sag ich mal, uns Mitarbeiter<br />

angewiesen. Die ähm, können halt einfach sagen, ich möchte jetzt gerne dann da und da hin,<br />

dann ruft er den externen Begleiter an, bespricht das mit dem, so dass die halt nicht mehr, die<br />

sind dann halt nicht mehr so abhängig. (MA 16 Int 09 , 143)<br />

Der Einkauf externer Unterstützung bietet aus der Perspektive des Personals für die <strong>Budget</strong>-<br />

nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer darüber hinaus die Möglichkeit, Aktivitäten zu unterneh-<br />

men, die frei von Alltagskonflikten sind, die vielfach zwischen <strong>Budget</strong>nehmerinnen/ Bud-<br />

getnehmern und Mitarbeiterinnen/ Mitarbeitern bestehen.


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 63<br />

MA: Also, ich finde das gut, dass die nach draußen gehen, dass es da andere Kontakte gibt, dass es<br />

Kontakte gibt, die frei sind von jeglichem Alltagsscheiß, den man miteinander hat. […] Ähm wo<br />

es nur darum geht miteinander nen guten Abend zu haben aber man, also ich nicht noch mit<br />

Frau [Name einer BN, Anmerk. d. A.] in der neuen Schmiede irgendwelche Dinge verhackstücken<br />

muss, die ich schon seit zwei Tagen verhackstücke. (MA 11 Int 09 , 377-379)<br />

Für einige <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer stellt das Persönliche <strong>Budget</strong> auch eine<br />

ergänzende Option dar, um den Auszug in eine selbständigere Wohnform vorzubereiten<br />

und <strong>im</strong> Rahmen der <strong>Budget</strong>nutzung gezielt Unterstützung bei dafür notwendigen Fähigkei-<br />

ten und Fertigkeiten, wie bspw. Haushaltsführung, einzukaufen.<br />

I: Ja. War das denn bei ihm so, dass ähm, dass da schon auch das Interesse von ihm kam? Im Laufe<br />

der Zeit da einzusteigen ins Persönliche <strong>Budget</strong>? Oder ist das, einfach weil es von den Mitarbeitern<br />

forciert wird?<br />

MA: Nee, das war schon auch sein Bestreben. Weil er hat schon auch, das ist noch einer von den<br />

Menschen, äh der auch, denke ich, langfristig gesehen auch in die eigene Wohnung ziehen kann,<br />

und der da wirklich auch von Anfang an auch vorhatte, dafür das einzusetzen, um einfach noch<br />

bei Sachen sicherer zu werden.<br />

I: Mhm.<br />

MA: Also der ist am Kochen. (MA 09 Int 09 , 128-133)<br />

Die Inanspruchnahme des Persönlichen <strong>Budget</strong>s geht für einige <strong>Budget</strong>nehmerinnen und<br />

<strong>Budget</strong>nehmer mit einer größeren Verlässlichkeit in der Unterstützungsgestaltung einher.<br />

Dies beziehen sie vor allem auf den externen <strong>Budget</strong>einsatz.<br />

BN: Ja, weil ich .. weil erstmal die Person ist ja für einen selbst, es ist nicht so, als ob man mit einem<br />

Mitarbeiter was macht, der dann wieder weggerufen wird, nach 10, was weiß ich, nach ner<br />

Stunde oder was. Sondern die sind für einen selbst da und die bleibt auch da. […] Die ganze<br />

Zeit und ja, weil sie eben nur für einen selbst ist und .. es ist ja was ganz anderes, als wie gesagt,<br />

als wenn man was mit nem Mitarbeiter gemacht hätte und nach 2 Stunden oder was wird<br />

der wieder weggerufen. Oder nach ner Stunde.<br />

I: St<strong>im</strong>mt. Das heißt also, dass das quasi viel verlässlicher ist, ne?<br />

BN: Ja, ja. Die hat halt Zeit, die hat, ist nur für mich. (BN 29 Int 09 , 273-279)<br />

Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen durch die <strong>Budget</strong>nutzung eine größere<br />

Verbindlichkeit in der Planung von Unterstützung. Sie verankern diese zum einen ebenfalls<br />

in der externen Unterstützungsgestaltung, sehen sich aber auch selbst stärker in der Verant-


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 64<br />

wortung, verabredete und geplante Unterstützung <strong>im</strong> Rahmen des Persönlichen <strong>Budget</strong>s,<br />

unabhängig von Dienstplanengpässen, zu leisten.<br />

MA: […] na ja die Leute, die haben halt dann, können die auch einfach mehr ihre Freizeit nutzen,<br />

weil sie ja eben nicht auf uns angewiesen sind, so. […] Und die halt nicht mehr den den (…)<br />

den sie abdecken .. beziehungsweise wir die Basis jetzt eben abdecken müssen und die dann sozusagen<br />

drum warten, wenn der Bezugsmensch dann mal Zeit hat um mal, was weiß ich, einkaufen<br />

zu gehen oder so. (MA 16 Int 09 , 275-277)<br />

MA: Was sonst <strong>im</strong>mer eher ein bisschen äh phlegmatisch war, dass man <strong>im</strong>mer gesagt hat wir schauen,<br />

ob wir es hinkriegen, das ist schon was, diese Verlässlichkeit an der Stelle. (MA 10 Int 09 ,<br />

481)<br />

Einzelne <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer erleben positive Wirkungen des Persönli-<br />

chen <strong>Budget</strong>s auf ihre persönliche Entwicklung. Sie berichten in dem Zusammenhang von<br />

einem Zuwachs an Selbstsicherheit und Selbständigkeit. Dies bezieht sich bspw. auf die<br />

Kommunikation mit fremden Personen und die Artikulation von eigenen Wünschen und<br />

Bedürfnissen.<br />

BN: Ähm, … Für mich hat das was gebracht. Ich war, ich hab wenig geredet.<br />

I: Bevor Sie das Persönliche <strong>Budget</strong> hatten? Ja?<br />

BN: Ja. Und da … Und das Persönliche <strong>Budget</strong> hat mir das gebracht.<br />

I: Das heißt, dass Sie jetzt mehr mit Leuten reden?<br />

BN: Ja. Ich kann mich jetzt auch besser äußern, was Freizeit, was Freizeit betrifft und (BN 10 Int 09 ,<br />

13-17)<br />

Auch das Wohnhe<strong>im</strong>personal sieht bei einigen <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmern<br />

positive Entwicklungen in den Bereichen Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit. Der Aspekt<br />

der Eigenverantwortung spielt in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle. Durch die<br />

<strong>Budget</strong>nutzung sind die <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer stärker gefordert, Eigen-<br />

verantwortung zu übernehmen, sich mit den eigenen Wünschen und Bedürfnissen ausei-<br />

nanderzusetzen und insgesamt mehr Engagement <strong>im</strong> Kontext der Unterstützungsgestaltung<br />

zu zeigen.<br />

MA: […] also es trägt dazu bei, finde ich einfach, dass die Bewohner, ja, ein Stück weit selbständiger<br />

werden, da sie ja auch Verantwortung tragen müssen, indem sie halt mit den externen Beglei-


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 65<br />

tungen halt diese Treffen auch organisieren, so dass sie auch selber Verantwortung tragen, das<br />

zu organisieren, mit dem zu sprechen, die Informationen dann richtig halt an mich geben, (…)<br />

und so vielleicht. Also, dass die dann einfach, ja, selbständiger werden, ein bisschen mehr<br />

Selbstvertrauen auch vielleicht fassen. […] Dass sie sehen, ich kann das hier managen und krieg<br />

das alles alleine hin und ähm, ja. (MA 16 Int 09 , 149-151)<br />

MA: Ähm ja, es ist, die Chancen für den einzelnen Menschen, die jetzt hier wohnen, die das Persönliche<br />

<strong>Budget</strong> haben, ja, ich finde <strong>im</strong>mer noch, es ist halt, es macht die Leute sehr selbständig. Also<br />

sie können wirklich frei entscheiden was sie mit dem Geld anstellen möchten. Halt entweder mit<br />

meiner Hilfestellung das auch festlegen, was sie gerne damit erreichen möchten, aber sie können<br />

damit was erreichen und das finde ich halt sehr schön. Also, es macht die Leute selbständiger, es<br />

ein großes Lernfeld auch der Selbstbest<strong>im</strong>mung, auch dieses ich treffe eine Entscheidung, was<br />

ich damit machen möchte und stelle vielleicht fest, dass es die falsche Entscheidung war und<br />

würde es deswegen auch nicht noch mal machen. […] Also, es ist halt ein großes Lernfeld für<br />

Selbständigkeit, Selbstbest<strong>im</strong>mung auch und einfach auch dieses in die Gesellschaft sich eingliedern<br />

können. Also, jetzt nicht nur, nicht nur darauf warten, dass ich als Mitarbeiter was mit<br />

ihnen unternehme, sondern auch einfach die Initiative zu haben, jetzt die PerLe-Begleitung zu<br />

rufen und zu sagen so, ich hab Lust auf Kino, wann hast du Zeit? (MA 13 Int 09 , 365-367)<br />

MA: Aber ähm die Entwicklung, die ich sehen konnte, ist einfach, es ist, ja, es ermöglicht dem Menschen<br />

halt viel. Also, sie sind viel zufriedener, glaube ich, wenn es wirklich auch klappt und<br />

wenn es auch wirklich so klappt, wie sie es geplant haben. Ähm das stärkt, glaube ich, ungemein<br />

das Selbstwertgefühl, das merke ich bei Frau [Name der BN, Anmerk. d. A.] halt auch, dass es<br />

halt ungehe<strong>im</strong>, dass es sie stolz macht, dass sie selber etwas geschafft hat, dass sie selber etwas<br />

planen konnte. Ähm ja und sie sind einfach freier in dem Sinne. (MA 13 Int 09 , 157)<br />

Der Aspekt einer stärker eingeforderten Eigenverantwortung durch die <strong>Budget</strong>nutzung wird<br />

auch von einzelnen <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmern wahrgenommen. Dies wird<br />

vor allem <strong>im</strong> Zusammenhang mit dem durch das Persönliche <strong>Budget</strong> transparent geworde-<br />

nen Unterstützungsanspruch und dessen Grenzen deutlich. Das <strong>im</strong> Umfang begrenzte Stun-<br />

denkontingent an Unterstützung erfordert eine stärkere Planung best<strong>im</strong>mter Hilfeleistungen<br />

<strong>im</strong> Voraus.<br />

BN: Und die Zeiten sind verändert und die müssen genau (…) Die gehen jetzt nach nach Stunden.<br />

[…] Das ist .. das ist manchmal negativ.<br />

I: Ja, und warum ist das negativ?<br />

BN: Weil, man manchmal gar nicht so schätzen kann, wie man es braucht. (BN 10 Int 09 , 273-279)<br />

Das Persönliche <strong>Budget</strong> führt generell zur Veränderung der Beziehung zwischen <strong>Budget</strong>neh-<br />

merinnen und <strong>Budget</strong>nehmern und dem Wohnhe<strong>im</strong>personal. Die <strong>Budget</strong>nehmerinnen und


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 66<br />

<strong>Budget</strong>nehmer nehmen dabei sowohl positive als auch negative Komponenten in der verän-<br />

derten Beziehungsgestaltung wahr. Positiv wird angemerkt, dass die Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter jetzt häufig mehr Zeit für individuell geleistete Unterstützung haben und auch<br />

auf die Wünsche und Bedürfnisse der <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer stärker ein-<br />

gehen. Gleichzeitig bemerken sie aber auch eine veränderte Arbeitshaltung der Mitarbeite-<br />

rinnen und Mitarbeiter. Aufgrund des zeitlich l<strong>im</strong>itierten Unterstützungsanspruchs grenzen<br />

sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von den Forderungen der <strong>Budget</strong>nehmerinnen<br />

und <strong>Budget</strong>nehmer stärker ab und weisen eingeforderte Unterstützung an einigen Stellen<br />

zurück.<br />

BN: Die haben sich zum Positiven verändert.<br />

I: Und ähm, kannst du da irgendwie mal ein Beispiel sagen? Also was hat sich denn positiv verändert?<br />

Was gefällt dir jetzt besser?<br />

BN: Dass je/ dass jetzt einige mehr für uns Zeit haben. (BN 11 Int 09 , 165-167)<br />

BN: Positiv: die gehen jetzt näher auf ein/ auf einen zu.<br />

I: Ja.<br />

BN: Und wenn mal, aber wenn wenn wenn sie sie ihre Zeit überschritten haben, dann wird das<br />

schwer.<br />

I: Ja. Ok. Das heißt also, auf Ihre Wünsche wird jetzt mehr eingegangen?<br />

BN: Ja. […] Ja, aber, aber, aber .. wenn das übern Zeitraum geht, was sie nicht bezahlen müssen,<br />

dann, dann kippen die um.<br />

I: Ja.<br />

BN: Also nicht umkippen sondern sagen dann „Nee, stopp". (BN 10 Int 09 , 309-321)<br />

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erleben durch die Inanspruchnahme des Persönlichen<br />

<strong>Budget</strong>s für einige <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer vermehrt Chancen der gesell-<br />

schaftlichen Teilhabe. Diese variieren jedoch je nach Art und Umfang der <strong>Budget</strong>nutzung.<br />

MA: Ähm, dass sich die, also die Chance [auf gesellschaftliche Teilhabe, Anmerk. d. A.] darauf vergrößert<br />

sich auf jeden Fall. Ähm, also das sieht man ja bei Herrn [Name eines BN, Anmerk. d.<br />

A.] oder sieht man das ganz klar. Ähm, also dieses Ausmaß, das er da bei seinen Fußballgeschichten<br />

macht, das wäre sonst sicherlich nicht möglich. Ähm und ähm also, da so jetzt in dieser<br />

Fangemeinschaft Arminia und auch in der Nationalmannschaft da so aufzugehen, wie er das<br />

tut, das wäre sonst sicherlich nicht möglich gewesen, denke ich. […] Ich weiß nicht, ob es die<br />

Teilhabe groß fördert ähm, wenn ein Herr [Name eines BN, Anmerk. d. A.] äh … weiß ich<br />

nicht, einmal in der Woche mit der Mitarbeiterin einmal hier gegenüber durch den Park spazieren<br />

geht. (MA 15 Int 09 , 418-426)


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 67<br />

MA: Auf jeden Fall. Also, es ist ähm, finde ich schon, weil es einfach den Menschen noch mal ermöglicht<br />

all das zu tun, was ein Mensch ohne Behinderung auch machen kann. […] Auf Konzerte<br />

gehen, ins Kino gehen und somit auch die Präsenz von Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft<br />

vergrößert. (MA 13 Int 09 , 371-373)<br />

Insgesamt zeigt sich bei den <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmern eine hohe Akzeptanz<br />

des Persönlichen <strong>Budget</strong>s als neue Form der Leistungserbringung <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong>. Nicht nur<br />

die bisherigen Erfahrungen mit der fünfjährigen <strong>Budget</strong>nutzung erfahren eine in hohem<br />

Maße positive Bewertung, auch perspektivisch kann sich keiner der befragten <strong>Budget</strong>nehme-<br />

rinnen und <strong>Budget</strong>nehmer eine Rückkehr zum ausschließlichen Modell der reinen Sachleis-<br />

tungserbringung vorstellen.<br />

I: Genau. Haben Sie denn in den letzt/ in der letzten Zeit mal darüber nachgedacht, das mit dem<br />

Persönlichen <strong>Budget</strong> zu beenden?<br />

BN: Nee! Ich nicht. Wenn ich das machen würde, wäre ich ja dumm.<br />

I: Warum wären Sie dann dumm?<br />

BN: Weil, nee, das will ich gar nicht … Dann würde ich ja wieder umdrehen.<br />

I: Ja.<br />

BN: Das, verstehen Sie mich nicht falsch, das ähm, wenn Sie sich einmal dran dran dran gewöhnt<br />

haben, dann wollen die meisten auch (…) (BN 10 Int 09 , 334-341)<br />

4.5 Wirkungen auf die Arbeitssituation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

Die praktische Umsetzung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> stationären Setting verändert nicht<br />

nur die Lebenssituation der <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer, sondern hat ebenfalls<br />

grundlegende Auswirkungen auf den Arbeitsalltag der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

des Wohnhe<strong>im</strong>s. Insgesamt steht das Personal der <strong>Budget</strong>nutzung sehr aufgeschlossen ge-<br />

genüber und stellt in dem Kontext die Interessen der Bewohnerinnen und Bewohner und die<br />

Wirkungen des Persönlichen <strong>Budget</strong>s auf deren Lebenssituation in den Mittelpunkt der Be-<br />

trachtung. Darüber hinaus leistet das Persönliche <strong>Budget</strong> einen Beitrag zur Umsetzung ak-<br />

tueller Leitideen wie Selbstbest<strong>im</strong>mung und Individualisierung von Unterstützung und<br />

st<strong>im</strong>mt damit in den fachlichen Zielen mit der bisherigen konzeptionellen Ausrichtung der<br />

Arbeit <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong> überein: […] ich finde, das ist einfach das, was dran ist, ne? (MA 10 Int 09 ,<br />

326); […] weil es ja nicht um mich geht, sondern eigentlich um die Menschen und ihr, das großmög-<br />

lichste Maß an Selbstbest<strong>im</strong>mung. (MA 13 Int 09 , 642)


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 68<br />

Die längsschnittliche Betrachtung der inzwischen fünfjährigen <strong>Budget</strong>nutzung zeigt, dass<br />

sich das Persönliche <strong>Budget</strong> <strong>im</strong> Laufe der Zeit fest in die Alltagsstrukturen des Wohnhe<strong>im</strong>s<br />

integriert hat. Interessant ist in dem Zusammenhang, dass neue Mitarbeiterinnen und Mi-<br />

tarbeiter, die den Einführungsprozess des Persönlichen <strong>Budget</strong>s nicht aktiv erlebt haben, ein<br />

eher geringes Problembewusstsein hinsichtlich der praktischen Umsetzung des Persönlichen<br />

<strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong> zeigen, während die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die von An-<br />

fang an dabei waren, die praktische Umsetzung wesentlich kritischer beurteilen.<br />

MA: Ähm … ganz allgemein, also, habe ich so das Gefühl, dass es insgesamt äh erstmal funktioniert.<br />

(MA 15 Int 09 , 328)<br />

MA: Ja, ich meine, es ist, es fielen mir halt wieder die neuen Kollegen ein. Also, wo ich denke, die<br />

können es an einigen Stellen gar nicht so ernst nehmen, weil sie es so hinnehmen und weniger<br />

reflektieren, weil … sie sich vielleicht einfach weniger Gedanken machen. Weil sie sich ja viel<br />

weniger mit dem Thema beschäftigt, auseinandersetzt und da viel weniger Zeit mit verbracht<br />

haben. Und es halt so jetzt mitläuft. (MA 12 Int 09 , 716-733)<br />

MA: Und diese ganzen Sachen, was wird denn nun bezahlt und was nicht, also es gibt einfach klare<br />

Verträge und klare Aufgaben und der macht das und der macht das und ähm auch die Wege,<br />

wie das abgehandelt wird ist völlig klar. […] und diese Wege, ja, die haben wir vorgearbeitet<br />

und mühsam überlegt und jetzt gehört es zum Alltag dazu. (MA 11 Int 09 , 425-429)<br />

Die kombinierte Inanspruchnahme von Sachleistungen und Leistungen über das Persönliche<br />

<strong>Budget</strong> sowie die Möglichkeit, auch externe Anbieter in Anspruch nehmen zu können, er-<br />

höht für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Dokumentationsaufwand und erfordert<br />

stärkere Absprachen mit den <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmern. Vor der Inanspruch-<br />

nahme des Persönlichen <strong>Budget</strong>s war die Unterstützungsgestaltung ausschließlich dienst-<br />

plangesteuert und entzog sich <strong>im</strong> Wesentlichen dem Einfluss der Bewohnerinnen und Be-<br />

wohner. Die mit der <strong>Budget</strong>nutzung entstandenen Wahlmöglichkeiten erfordern zwischen<br />

dem Wohnhe<strong>im</strong>personal und den <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmern eine stärkere<br />

Kommunikation über den gesamten Prozess der Leistungserbringung.<br />

MA: Ähm was wir natürlich haben, man muss es <strong>im</strong>mer schön eintragen. Hat man was erbracht,<br />

muss man was eintragen. Wenn man das vergessen hat und steht dann irgendwann vor diesem


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 69<br />

PerLe-Bogen <strong>im</strong> Computer und überlegt, was war denn da noch mal und so. Man muss da wirklich<br />

sehr konsequent in diesem Eintragen auch sein. Man muss halt auch für sich <strong>im</strong>mer klar<br />

haben, was wird über PerLe abgerechnet und was nicht. […] Ansonsten, was halt auch <strong>im</strong>mer<br />

individuell ist, ist einfach dieses man muss halt einfach mit den Leuten, also mit meinen Bezugspersonen<br />

absprechen, wie sie es handhaben. Ob sie wirklich Kontakt mit dem externen Begleiter<br />

aufnehmen oder ob man das selber tun muss. Und dann aber auch wieder klar haben,<br />

dass es dann auch über PerLe abgerechnet wird. (MA 13 Int 09 ,423-433)<br />

MA: Ja, man ist auch noch mal ganz anders <strong>im</strong> Gespräch. Auch wirklich so dieses Überlegen äh, mit<br />

wem oder von wem willst du dabei Hilfe haben, von wem willst du begleitet werden. […] Das<br />

ging sonst nach dem Dienstplan. Das ist anders heute. (MA 09 Int 09 ,553-557)<br />

Die durch das Persönliche <strong>Budget</strong> gewonnenen sachlichen (Was? Wie?), sozialen (Wer?) und<br />

zeitlichen (Wann? Wie oft?) Dispositionsspielräume bei der Auswahl der Unterstützung füh-<br />

ren seit Beginn der <strong>Budget</strong>nutzung zu Schwierigkeiten in der Vereinbarkeit von <strong>Budget</strong>leis-<br />

tungen mit dem Rahmendienstplan. Diese liegen darin begründet, dass neben den indivi-<br />

duellen, über das Persönliche <strong>Budget</strong> vereinbarten Unterstützungsleistungen auch der 24-<br />

Stundenbetrieb des Wohnhe<strong>im</strong>s weiterhin aufrechterhalten werden muss. Individuelle Bud-<br />

getleistungen einzelner <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmern kollidieren somit mit den<br />

Bedürfnissen der jeweils 23 anderen Bewohnerinnen und Bewohner. Im Laufe der fünfjähri-<br />

gen <strong>Budget</strong>nutzung wurden <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong> verschiedene Dienstplanmodelle erprobt, um<br />

dieses Problem zu entschärfen. Trotz eines mittlerweile flexibleren Modells, bestehend aus<br />

Verfügungs- und Basiszeiten, sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der Umsetzung<br />

nicht endgültig zufrieden. Im Rahmen der Verfügungszeiten können die Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter gezielte Einzelunterstützungen mit ihren Bezugsbewohnerinnen und<br />

-bewohnern einplanen und anbieten, dies können entweder <strong>Budget</strong>leistungen oder Sachleis-<br />

tungen sein. In den Basiszeiten decken die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den regulären<br />

Gruppendienst ab.<br />

I: Und ähm ja, als wir vor zweieinhalb Jahren gesprochen haben, haben Sie ja gesagt, Sie sind gerade<br />

daran irgendwie den Dienstplan auch umzugestalten und es da auch irgendwie zu verändern.<br />

Wie hat sich das entwickelt? Sind Sie zufrieden wie es jetzt läuft? Oder?<br />

MA: Nein. […] Da sind wir noch <strong>im</strong>mer wieder neu am Entwickeln und weiter am Ausarbeiten.<br />

(MA 09 Int 09 , 156-177)<br />

MA: […] Es hat sich ein Stückchen entzerrt, in dem wir jetzt diese Verfügungszeiten mit rein ge-


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 70<br />

nommen haben, <strong>im</strong> Moment auf jeden Fall mit nem hohen Prozentteil, der nicht <strong>im</strong>mer, leider,<br />

gelegt werden kann, wie es auch, ähm deswegen kann man sich verlässlicher verabreden. Also<br />

fürs Persönliche <strong>Budget</strong> ist das auch ´ne Bereicherung, weil man ganz klar sagen kann, zu den<br />

und den Zeiten können wir diese Dinge gemeinsam tun, ne? Das war be<strong>im</strong> anderen Dienstplan<br />

oftmals schwierig. […] Das geht in Zeiten mit den Verfügungszeiten aber ähm man kann jetzt<br />

nicht sagen generell ist es besser geworden. (MA 10 Int 09 , 265-287)<br />

Eine erfolgreiche und praktikable Einbettung von Einzelunterstützungen <strong>im</strong> Rahmen des<br />

Persönlichen <strong>Budget</strong>s in den Dienstplan erfordert von den Mitarbeiterinnen und Mitarbei-<br />

tern ein hohes Maß an Flexibilität bzgl. der eigenen Arbeitszeiten. Einige Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter planen Unterstützungsleistungen außerhalb ihres eigentlichen Rahmen-<br />

dienstes und kommen ausschließlich für diese Aktivitäten ins Wohnhe<strong>im</strong>. In einem begrenz-<br />

ten Umfang sehen sie durchaus auch Vorteile in dieser neuen Form der Arbeitszeitgestal-<br />

tung.<br />

MA: Mit Frau [Name d. BN, Anmerk. d. A.] oder so, wenn es einfach während der Dienstzeit nicht<br />

zu vereinbaren ist nach draußen, also in die Stadt zu fahren oder wo anders hinzufahren, um<br />

was einzukaufen, dann mache ich das durchaus auch in meiner freien Zeit. […] Also, man muss<br />

es halt nur ein bisschen planen, ne? Also, wenn das gerade mein freier Tag ist und ich da vielleicht<br />

selber was vorhabe, dann würde ich eher sagen nein, aber wenn man mich jetzt anspricht<br />

und sagt, ach du, Mensch, ich würde ich gerne ins Kino gehen, und ich kann das dann noch mit<br />

der Person zusammen planen, ist es kein Problem. […] es hat was ganz schönes. […] Also man<br />

geht aus dieser „kann-ich-nicht-Rolle“ raus. […] Es ist halt einfach, es gibt einem ein bisschen<br />

mehr die Möglichkeit, den Leuten auch Sachen zu erfüllen und nicht ständig zu sagen nein,<br />

geht nicht, nein, geht nicht, kann ich nicht, kann ich nicht. (MA 13 Int 09 , 347-363)<br />

Die durch das Persönliche <strong>Budget</strong> vor allem für die <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer<br />

gewonnene Flexibilität in der Unterstützungsgestaltung kann sich aus der Perspektive der<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in „Extremsituationen“ auch in das Gegenteil verkehren<br />

und die Handlungsflexibilität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einschränken. Durch die<br />

vertraglich geregelte <strong>Budget</strong>nutzung, vor allem was die Einsatzbereiche und die Unterstüt-<br />

zungsperson betrifft, sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an diese Vereinbarungen<br />

gebunden und können diese dementsprechend nicht einfach ignorieren. In Krisensituatio-<br />

nen, bspw. mit einer sehr starken psychosozialen Belastung, kann <strong>im</strong> Einzelfall aber aus<br />

Sicht des Personals eine andere Unterstützungsleistung notwendig werden, als <strong>im</strong> <strong>Budget</strong>-<br />

vertrag vereinbart. In solchen Fällen können die Sichtweisen des Personals mit denen der


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 71<br />

<strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer kollidieren, vor allem wenn diesen die Einsicht in<br />

die Notwendigkeit einer veränderten Unterstützungsgestaltung fehlt. Darüber hinaus kann<br />

es auch vorkommen, dass <strong>Budget</strong>nehmerinnen oder <strong>Budget</strong>nehmer einer veränderten Leis-<br />

tungsgestaltung zust<strong>im</strong>men, ohne sich aber den tatsächlichen Folgen bewusst zu sein. Die<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen sich in so einer Situation mit der Frage konfrontiert,<br />

welche Gültigkeit haben abgeschlossene <strong>Budget</strong>verträge und wann setzt die Verantwortung<br />

ein davon abweichende Unterstützungsarrangements ggf. auch gegen den Willen der Bud-<br />

getnehmerin/ des <strong>Budget</strong>nehmers zu gestalten. Eine stationäre Vollversorgung mit einem<br />

pauschalen Unterstützungsangebot bietet aus Mitarbeiterperspektive in solchen Fällen bzgl.<br />

kurzfristiger Änderungen in der Unterstützungsgestaltung ein größeres Maß an Flexibilität.<br />

MA: Also, ähm … wir haben .. in, man könnte sagen in der zweiten Hälfte des Jahres ähm … auf<br />

jeden Fall alles gedehnt, gestreckt und gebogen, wie es nur ging. Was anders .. oder leichter gewesen<br />

wäre, sage ich mal, in einer Vollversorgung, weil man ähm .. weil man dann einfach die<br />

Ressourcen genutzt hätte und geguckt hätte, wo muss man jetzt was machen, und wo organisiert<br />

man was halt um, und was lässt man weg. […] Jetzt gab es Verträge, ähm … die ja auch<br />

erstmal nicht so einfach zu kippen waren, es gab Verabredungen. […] Und wenn wir ähm verabreden<br />

dieses und jenes, dann können wir ja auch nicht sagen ähm, Frau [Name d. BN, Anmerk.<br />

d. A.] geht es jetzt so schlecht, wir machen das nicht mehr und das nicht mehr und das<br />

nicht mehr, und jetzt ähm kümmern wir uns dafür aber um das und das und das ist doch gut.<br />

[…] [Name d. BN, Anmerk. d. A.] hätte natürlich ja gesagt, weil sie aber <strong>im</strong>mer ja sagt. (MA<br />

12 Int 09 , 35-47)<br />

Das Persönliche <strong>Budget</strong> stellt sich als große Herausforderung für das professionelle Selbst-<br />

verständnis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dar. Arbeiten unter <strong>Budget</strong>bedingungen<br />

steht dem traditionellen Tätigkeitsbild in einer stationären Wohneinrichtung in vielen Punk-<br />

ten entgegen. Zum einen muss die „richtige Haltung“ gegenüber den <strong>Budget</strong>nehmerinnen<br />

und <strong>Budget</strong>nehmern neu gelernt werden. Damit einher geht eine veränderte Beziehungsge-<br />

staltung zwischen dem Wohnhe<strong>im</strong>personal und den <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmern.<br />

Das Persönliche <strong>Budget</strong> erfordert eine stärkere Kooperation zwischen den <strong>Budget</strong>nehmerin-<br />

nen und <strong>Budget</strong>nehmern und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern <strong>im</strong> Bereich der Unters-<br />

tützungsgestaltung. Diese ist an einen interaktiven Prozess gekoppelt, in den sowohl das<br />

Personal als auch die <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer ihre jeweiligen Sichtweisen<br />

und Definitionen des Erforderlichen einbringen können, wobei ein deutlicher Schwerpunkt<br />

auf der Perspektive der einzelnen <strong>Budget</strong>nehmerin/ des einzelnen <strong>Budget</strong>nehmers liegt. Aus


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 72<br />

der Perspektive der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat sich somit die Kommunikation <strong>im</strong><br />

Laufe der Jahre <strong>im</strong>mer stärker in Richtung Kooperation entwickelt, wenngleich der stationä-<br />

re Kontext ihrer Meinung nach einer tatsächlichen Kommunikation auf Augenhöhe auf<br />

Dauer entgegensteht.<br />

MA: Also, ähm es hat schon verändert. Ich hab eben gesagt, die Leute sind selbstbewusster geworden,<br />

ja? Wenn man das Selbstbewusstsein will, dann muss man auch als Mitarbeiter damit oder das<br />

aushalten können, dass die auch einem selber gegenüber selbstbewusster sind. Ähm .. weil man<br />

kann ja nicht sagen, also, das Selbstbewusstsein bezieh bitte nur darauf, aber ansonsten verschone<br />

mich. Ähm … das schon. Ich denke es ist, ähm auf Augenhöhe wäre vielleicht ein bisschen<br />

übertrieben. Ähm das gibt, glaube ich, so ´ne stationäre Einrichtung nicht her, wirklich<br />

jetzt auf Augenhöhe. Aber es hat sich, glaube ich, schon angenähert. (MA 11 Int 09 , 501-513)<br />

Durch die praktische Umsetzung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong> haben sich die<br />

Aufgabenbereiche der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter <strong>im</strong> Laufe der Jahre <strong>im</strong>mer mehr verän-<br />

dert.<br />

Zunächst einmal liegt die Art der Unterstützungsgestaltung nicht mehr ausschließlich in den<br />

Händen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern nun in erster Linie bei den <strong>Budget</strong>-<br />

nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmern. Dem Wohnhe<strong>im</strong>personal kommt in diesem Zusammen-<br />

hang verstärkt eine beratende Funktion zu. Damit ergibt sich hinsichtlich der Ausführung be-<br />

st<strong>im</strong>mter Leistungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch das Persönliche <strong>Budget</strong> eine<br />

viel höhere Verpflichtung, als dies <strong>im</strong> Rahmen der Sachleistung der Fall war.<br />

MA: Gut, es ist erstmal, ist es natürlich erstmal ´ne ganz neue Aufgabe erwachsen, dieses Beraten,<br />

das gab es vorher natürlich nicht. Also, vorher hat man Vorschläge gemacht und die sind dann<br />

angenommen worden oder auch nicht oder man hat, natürlich hat man auch Wünsche vorher<br />

aufgenommen, aber äh, ja es lag halt sehr in der, ich sag mal, in der eigenen Macht oder Entscheidungsfreiheit,<br />

ob man es dann tut oder nicht. Ähm … also ich empfinde das eigentlich als<br />

ganz angenehm. […] dass einfach klar ist, da gibt es nen Vertrag, da gibt's ne klare Vereinbarung<br />

und das hat statt zu finden. (MA 15 Int 09 , 386-392)<br />

Einen wesentlichen Anteil am veränderten Aufgabenbereich haben die externen professio-<br />

nellen Dienstleister und Privatpersonen, die ebenfalls mit dem Persönlichen <strong>Budget</strong> einge-<br />

kauft werden können. Die externen Anbieter sorgen auf der einen Seite für eine gewisse Entlastung<br />

der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auf der anderen Seite bringen sie diese aber auch in Rollen-<br />

konflikte. Als entlastend empfinden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Möglichkeit,


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 73<br />

durch extern eingekaufte Unterstützung auch Aufgaben abzugeben. Damit können Wünsche<br />

und Bedürfnisse der einzelnen <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer passgenauer erfüllt<br />

werden, dies muss aber nicht zwangsläufig vom Wohnhe<strong>im</strong>personal geleistet werden.<br />

MA: Und äh das finde ich auch sehr entlastend. Also dass ich nicht das auch noch tun muss. Ja?<br />

Neben der Arbeit, die sowieso schon bis hier steht ähm, dass ich dann auch noch dafür gerade<br />

stehen muss, mit ihr in die Disco zu gehen. Das finde ich sehr entlastend und ähm weil ich<br />

weiß, dass der Kontakt gut ist ähm, ein Anruf und ähm kein Problem und, also ich finde das<br />

sehr positiv. (MA 11 Int 09 , 383-387)<br />

Aufgrund der Tatsache, dass ein Großteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Rolle des<br />

<strong>Budget</strong>assistenten für einzelne <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer innehat, sind sie<br />

zugleich Anbieter und Beratungsperson. Dieser Aspekt bringt sie u.a. in den Konflikt, wert-<br />

neutral externe Anbieter und damit Konkurrenten empfehlen zu müssen bei gleichzeitiger<br />

Überzeugung hinsichtlich der eigenen Arbeitsweise: „Ähm schwierig ist ähm, das habe ich ja<br />

auch von Anfang an mitgekriegt, dieser äh dieser Spagat halt, beraten und gleichzeitig selber Anbieter<br />

zu sein […]“ (MA 15 Int 09 , 396).<br />

Die Doppelfunktion der externen Anbieter, also gleichzeitig entlastend für die Mitarbeiterin-<br />

nen und Mitarbeiter zu wirken, aber auch Konkurrenten darzustellen, wird vom Wohn-<br />

he<strong>im</strong>personal als sehr widersprüchlich erlebt.<br />

MA: Weil manchmal ähm ja, mir kommt das jetzt sehr widersprüchlich vor, was ich jetzt aussage,<br />

ähm, manchmal denke ich auch andererseits wieder, ja, wir haben früher mehr gemacht ähm und<br />

jetzt ist es eben über das Persönliche <strong>Budget</strong> an Externe gegeben, aus verschiedenen Gründen,<br />

weil es die Leute so gewollt haben oder halt weil wir sie auch dazu gedrängt haben oder es ihnen<br />

angeraten haben, äh, also, es gibt, also, manchmal denke ich auch, schade, dass wir die nicht<br />

mehr machen können. Gleichzeitig ähm, sind wir ja so oft schon ziemlich an unserer Belastungsgrenze<br />

ähm … dass man dann denkt, ja, wie gut, dass ich jetzt nicht auch noch zusehen<br />

muss, dass die Leute auch noch vor die Tür kommen. (MA 15 Int 09 , 401-403)<br />

Diese veränderten Rahmenbedingungen führen dazu, dass Arbeitsansätze, die bislang hand-<br />

lungsleitend <strong>im</strong> Bereich der Behindertenhilfe waren, <strong>im</strong> Kontext des Persönlichen <strong>Budget</strong>s<br />

nach und nach ihre Gültigkeit zu verlieren scheinen. Eine ganzheitliche, alle Lebens- bzw.<br />

Unterstützungsbereiche umfassende Förderung der Bewohnerinnen und Bewohner auf der<br />

Basis einer fachlich erlernten und als adäquat eingeschätzten Art und Weise muss <strong>im</strong> Zu-


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 74<br />

sammenhang von Individualisierung weichen zugunsten einer partiellen, bedarfs- und be-<br />

dürfnisgerechten Unterstützung, basierend auf Wünschen und Bedürfnissen der einzelnen<br />

Bewohnerin/ des einzelnen Bewohners.<br />

MA: […] Und sonst merke ich ganz arg, dass ich einfach auch <strong>im</strong>mer viel mehr gucke, was wird<br />

wirklich auch mit den Leuten gemacht äh und brauchen die uns unbedingt dazu. […] Das ist<br />

schon noch mal äh eigentlich so ein mehr offen machen auch für äh Einflüsse von außen und<br />

auch nicht <strong>im</strong>mer denken, wir sind nur diejenigen, die auch mit den Leuten losmarschieren<br />

können. […] Das es wirklich vielleicht sogar auch äh besser ist, wenn man das eine hier macht<br />

und das andere da, äh, so <strong>im</strong>mer dieses <strong>im</strong>mer aus einer Hand und äh so Ganzheitlich äh, weiß<br />

ich nicht, stelle ich in Frage, ob das so sein muss, dass da zeigt sich jetzt hier auch noch mal in<br />

der Arbeit äh mit unserer Hauswirtschaftskraft, die Sachen macht, die sonst auch die Kollegen<br />

<strong>im</strong>mer gemacht haben. Aber wo man einfach auch gucken muss äh, muss das ein dreijährig ausgebildeter<br />

Mensch machen. Da geht es ganz viel auch um Geld dabei. (MA 09 Int 09 , 505-511)<br />

Der dargestellte Abschied von der Ganzheitlichkeit macht auch das Denken hin zum Leis-<br />

tungsmix deutlich. Die ausschließlich stationäre Versorgung geht über in eine Mischung un-<br />

terschiedlicher Unterstützungsleistungen, die sich zusammensetzen aus stationären, ambu-<br />

lanten und informellen Hilfen, <strong>im</strong>mer orientiert am Unterstützungsbedarf der einzelnen Per-<br />

son. Leistungsgestaltung ist damit nicht mehr ausschließlich institutions- und angebotsorien-<br />

tiert, sondern n<strong>im</strong>mt ihren Ausgangspunkt zunehmend stärker von der individuellen Pers-<br />

pektive der Nutzerinnen und Nutzer.<br />

MA: Ich habe vorher auch schon ambulant gearbeitet, bevor ich überhaupt in Bethel angefangen habe.<br />

[…] Ja, dieses, beides auch zu sehen. Also, ich hab früher auch <strong>im</strong>mer gedacht, ach, nur ambulant,<br />

das ist das schlechthin und so was. Und auch das ist es nicht. Sondern wirklich zu gucken,<br />

wer braucht was und auch für welchen Bereich. […] Man kann ja hier stationär wohnen und<br />

trotzdem ganz viele Sachen halt dazu kaufen oder mit Leuten machen, die nicht hier sind. (MA<br />

09 Int 09 , 563-569)


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 75<br />

4.6 Ansatzpunkte der Weiterentwicklung aus Sicht der Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter<br />

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen in einigen Bereichen einen Veränderungsbedarf<br />

in der praktischen Umsetzung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong>. Als zentral sehen sie<br />

dabei folgende Punkte an:<br />

• Stärkerer Einbezug neuer Bewohnerinnen und Bewohner in die <strong>Budget</strong>nutzung<br />

• Ausweitung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s auf andere stationäre Einrichtungen<br />

• Stärkere Anpassung an das Persönliche <strong>Budget</strong> <strong>im</strong> ambulanten Leistungsbereich<br />

Stärkerer Einbezug neuer Bewohnerinnen und Bewohner in die <strong>Budget</strong>nutzung<br />

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen eine stärkere Berücksichtigung des Persönlichen<br />

<strong>Budget</strong>s be<strong>im</strong> Einzug neuer Bewohnerinnen und Bewohner als notwendig an. Vielfach ver-<br />

geht eine lange Zeit, bis das Persönliche <strong>Budget</strong> und die damit zusammenhängenden Nut-<br />

zungsoptionen bei diesem Personenkreis thematisiert und dann auch in die Praxis umgesetzt<br />

werden. Als möglichen Grund sieht das Personal in dem Zusammenhang die Etablierung<br />

des Persönlichen <strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong>, die aber gleichzeitig auch dazu geführt hat, dass<br />

das Persönliche <strong>Budget</strong> ein Stück weit in den Hintergrund getreten ist. Darüber hinaus ist es<br />

abhängig von den jeweiligen Bezugsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern, wie ein möglicher<br />

Einstieg in die <strong>Budget</strong>nutzung vorbereitet und umgesetzt wird.<br />

MA: Ist <strong>im</strong>mer äh, finde ich, sehr äh abhängig auch äh vom Bezugsmitarbeiter, wie schnell der wirklich<br />

so ganz klar sagt, wir fangen erstmal ganz klein an und gucken dann Stück für Stück weiter.<br />

Es gibt andere Kollegen, die haben für sich selber den Anspruch, sie möchten erst so alles<br />

drum herum, was ist das, was haben wir gemacht, was gibt's für Möglichkeiten, klären und das<br />

dauert dann halt <strong>im</strong>mer ganz lange bis die einsteigen […]. (MA 09 Int 09 , 79-83)<br />

MA: Ja, so, dass ich denke, ich weiß nicht woran es liegt, dass ich schon mal gedacht hab, man müsste<br />

doch auch mal gucken, ob man auch noch mal, neue Menschen zum Beispiel, die hier einziehen,<br />

dass man da auch noch mal vor Augen hat irgendwie halt ganz klar auch denen das jetzt anzubieten.<br />

(MA 10 Int 09 , 221)


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 76<br />

Ausweitung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s auf andere stationäre Einrichtungen<br />

Vonseiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird eine Ausweitung des Persönlichen<br />

<strong>Budget</strong>s auch auf andere stationäre Einrichtungen für sinnvoll erachtet. Sie betrachten sich<br />

selbst und die praktische Umsetzung <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong> in einer Art Vorreiterrolle und wün-<br />

schen sich ein stärkeres Interesse anderer Einrichtungen am vorhandenen Modell, welches<br />

dann auch tatsächlich zur Realisierung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s in anderen stationären Set-<br />

tings führt und damit einem größeren Personenkreis die Nutzung eines Persönlichen Bud-<br />

gets ermöglicht. Als mögliche Gründe für die sehr zögerlich bis gar nicht vorhandene Aus-<br />

weitung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s auf andere Wohnhe<strong>im</strong>e sehen sie Sorgen und Ängste des<br />

Personals.<br />

MA: Ich habe <strong>im</strong>mer gedacht, gut, wir sind jetzt der Vorläufer, wir gucken, es wurde ähm viel auch<br />

transportiert, in der Schmiede, diese ganzen Geschichten aber das ist, irgendwie versackt es.<br />

Vielleicht auch noch mal andere Einrichtungen müssen vielleicht auch wirklich noch mal gucken,<br />

Mensch, wie habt ihr denn das gemacht, dass Interesse da ist. Dass man einfach sagt, wir<br />

würden gerne, es gibt Menschen, die möchten das jetzt beantragen irgendwie, Erfahrungen oder<br />

so. Aber es ist wenig, was an uns auch so an Fragen gestellt wird irgendwie, weil da könnte<br />

man ja auch noch mal gucken. [...] Ich glaube, es geht viel auch um Sorge einfach. […] Vor dem<br />

Hintergrund, und wenn es keiner beantragt, dann habe ich auch noch Glück gehabt. (MA 10<br />

Int 09 , 808-820)<br />

Stärkere Anpassung an das Persönliche <strong>Budget</strong> <strong>im</strong> ambulanten Leistungsbereich<br />

Einige der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter merken in den Interviews an, dass eine stärkere<br />

Anpassung des stationären <strong>Budget</strong>s an das Persönliche <strong>Budget</strong> <strong>im</strong> ambulanten Bereich erfol-<br />

gen müsste.<br />

Im Sinne eines Echtversuchs sollten bspw. <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer, die<br />

ein gewisses Geldverständnis besitzen, das Persönliche <strong>Budget</strong> dann auch tatsächlich auf ein<br />

reales Konto eingezahlt bekommen und damit das Persönliche <strong>Budget</strong> „in der Hand haben“.<br />

Diese veränderte Praxis könnte dazu führen, dass das Persönliche <strong>Budget</strong> für viele <strong>Budget</strong>-<br />

nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer nicht mehr so eine abstrakte Größe in ihrem Alltag dar-<br />

stellt, sondern <strong>im</strong> wahrsten Sinne des Wortes „greifbar“ wird. Darüber hinaus würde die mit<br />

der <strong>Budget</strong>nutzung einhergehende stärkere Übernahme von Verantwortung und Pflichten<br />

gefördert.


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 77<br />

MA: […] ja, was ich an einigen Stellen, das ist das, was ich für heute auch noch mal so dachte, ähm<br />

dieses für Menschen, die mit Geld umgehen können, dann aber wirklich auch das Geld in die<br />

Hand zu bekommen. Das fehlt mir an der einen oder anderen Stelle. […] Dass vielleicht auch<br />

eine Frau [Name d. BN, Anmerk. d. A.] in ihrer Kasse Geld hat für ihr <strong>Persönliches</strong> <strong>Budget</strong> und<br />

die Menschen, mit denen sie es dann tut auch bezahlen kann. […] Das ist <strong>im</strong>mer noch so was,<br />

wo ich denke, das würde eigentlich auch noch mit darein gehören. (MA 10 Int 09 , 643-649)<br />

Eine andere Mitarbeiterin fragt, inwiefern es sinnvoll ist, das Persönliche <strong>Budget</strong> <strong>im</strong> Wohn-<br />

he<strong>im</strong> in der aktuellen Umsetzung zu beenden und die <strong>Budget</strong>nutzung über einen regulären<br />

Antrag be<strong>im</strong> Leistungsträger laufen zu lassen und damit auch mehr Klarheit in das Modell<br />

zu bringen. Wie in Kap. 2 dargestellt, setzt das Persönliche <strong>Budget</strong> <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong> nicht an<br />

der Beziehung zwischen Leistungsträger (hier: LWL) und Leistungsberechtigten (hier: Emp-<br />

fänger stationärer Wohnhilfen) an, sondern eine bereits zwischen dem Wohnhe<strong>im</strong>träger und<br />

den Bewohnern bestehende Dienstleistung wird durch das Persönliche <strong>Budget</strong> neu gestaltet.<br />

Damit stellt die <strong>Budget</strong>nutzung <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong> „lediglich“ eine trägerseitige Flexibilisierung<br />

der Leistungserbringung dar und bedeutet keine Auflösung des sozialstaatlichen Leistungs-<br />

dreiecks. Das derzeit praktizierte Modell wird als sehr komplex und „verworren“ beschrie-<br />

ben.<br />

MA: Aber es hat ja diese besondere Form. […] woanders geht der Einzelne, der am Persönlichen<br />

<strong>Budget</strong> teilnehmen möchte und sagt ich möchte und der kriegt dann das Persönliche <strong>Budget</strong> auf<br />

ein Konto überwiesen […] Aber das ist ja hier alles viel verworrener. […] muss so was vielleicht<br />

aufgelöst werden? Müssen solche verworrenen Verhältnisse auch mal geklärt werden? […] In<br />

dem Sinne zu sagen, so… das <strong>Projekt</strong> beenden wir jetzt, aber natürlich hat jeder Mensch das<br />

Recht, das Persönliche <strong>Budget</strong> wie alle anderen auch wahrzunehmen. Dazu muss man einen<br />

Antrag stellen. So wie alle anderen auch. (MA 12 Int 09 , 772-785)<br />

Darüber hinaus stellt sich <strong>im</strong> Rahmen der aktuellen Umsetzung die Frage, wie die Qualität<br />

extern erbrachter Leistungen gesteuert werden kann. In den schriftlichen Vereinbarungen<br />

zur <strong>Budget</strong>verwendung innerhalb des Modells gibt es keine expliziten Angaben zur Quali-<br />

tätssicherung wie sie in der Zielvereinbarung nach § 4 Abs. 1 <strong>Budget</strong>verordnung vorgesehen<br />

sind. Damit zusammen hängt die Frage nach der Verankerung externer Dienstleistungen in<br />

den vom LWL geforderten Sozialberichten. Inwiefern muss das Wohnhe<strong>im</strong> dem Leistungs-<br />

träger gegenüber externe Dienstleistungen aufführen, die zur Deckung des festgestellten<br />

Hilfebedarfs eingekauft wurden? Diese Fragen stellen sich den Mitarbeiterinnen und Mitar-<br />

beitern vor allem auch vor dem Hintergrund ihre Rolle als <strong>Budget</strong>assistenz.


4 Neues Wohnen <strong>im</strong> Leistungsmix: Erfahrungen und Bewertungen 78<br />

MA: […] ich habe … habe dann auch Anfragen gestartet, wie denn in den Sozialbericht ähm … das<br />

integriert wird. In dem Sinne, wenn es von Außenanbietern. Es gibt einen Hilfebedarf, der Hilfebedarf<br />

wird benannt, … aber die erbrachten Leistungen werden ja nicht von uns erbracht.<br />

Kommt es dann in den Sozialbericht? Weil der LWL will ja von uns wissen, was wir getan haben<br />

für unser Geld. Aber will der denn auch wissen, oder wer ist dafür zuständig zu prüfen,<br />

was mit dem Geld, was da ausgerechnet wurde, passiert ist. Und wer macht da die Prüf/ …<br />

gibt's da Prüfsiegel? Wer macht die? […] Wer prüft das? […] Die Qualitätsfrage. Und was ist,<br />

wenn es da … Pannen gibt?[…] Wer steht denn dann dafür ein? Ist es der LWL, weil der nicht<br />

geprüft hat? Ist es, sind es wir, weil wir erstmal die Einrichtung sind? Ist es der <strong>Budget</strong>berater,<br />

weil der nicht gut genug .. beraten hat? Ist es das Pech des <strong>Budget</strong>nehmers? (MA 12 Int 09 , 738-<br />

755 )<br />

Fazit<br />

Insgesamt stehen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschlossen hinter der praktischen<br />

Umsetzung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong> und betrachten es mittlerweile als fes-<br />

ten Bestandteil ihrer Arbeit. Trotz vieler schwieriger Phasen <strong>im</strong> Laufe der fünfjährigen Bud-<br />

getnutzung <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong> können sie sich ein Arbeiten ohne das Persönliche <strong>Budget</strong> nicht<br />

mehr vorstellen und würden die Rückkehr zum herkömmlichen Sachleistungsmodell als<br />

Rückschritt bewerten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen das Persönliche <strong>Budget</strong><br />

als Zugewinn für den stationären Wohnhe<strong>im</strong>alltag, der sich sowohl in positiver Weise auf<br />

die <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer als auch auf den eigenen Arbeitsalltag auswirkt.<br />

MA: Wie in guten und in schlechten Zeiten. (lacht) […] Äh ja, also, nicht wieder zurück, haben wir<br />

ja kollektiv allesamt beschlossen. […] Nicht wieder zurück. Ähm kann ich mir auch nicht vorstellen.<br />

.. Aber vor fünf Jahren hätte ich es niemanden geglaubt, dass ich es mal sagen würde.<br />

(lacht) (MA 11 Int 09 , 717-721 )<br />

MA: Das war anstrengend. Hat sich aber gelohnt. […] Und soll auch so weitergehen. (MA 09 Int 09 ,<br />

647-649 )<br />

MA: Also, es ist für die … also, ich finde für die Mitarbeiter, für die Menschen, die es nutzen finde<br />

ich es sehr gut. Das ist ähm einerseits ´ne Arbeitserleichterung für die Mitarbeiter, andererseits<br />

ähm haben die Menschen, die es nutzen ja einfach mehr Lebensqualität dadurch gewonnen, finde<br />

ich, und sie sind nicht mehr abhängig.. von der, sag ich mal, von den, von den Mitarbeitern,<br />

ne, der Einrichtung einfach. (MA 16 Int 09 , 289 )


5 Rahmenbedingungen für das Persönliche <strong>Budget</strong> <strong>im</strong> stationären Wohnbereich 79<br />

5 Rahmenbedingungen für das Persönliche <strong>Budget</strong> <strong>im</strong> stationären Wohnbereich<br />

Den dargestellten Ergebnissen lassen sich zusammenfassend folgende notwendige Rahmen-<br />

bedingungen hinsichtlich einer erfolgreichen Umsetzung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> sta-<br />

tionären Wohnbereich entnehmen:<br />

1. Bezogen auf eine aktive Nutzung durch die <strong>Budget</strong>nehmerinnen und Bud-<br />

getnehmer<br />

• Umfassende Information der Bewohnerinnen und Bewohner <strong>im</strong> Vorfeld als Grund-<br />

lage zur Entscheidung für oder gegen die <strong>Budget</strong>nutzung,<br />

• Freiwilligkeit der Inanspruchnahme des Persönlichen <strong>Budget</strong>s,<br />

• Vermittlung eines weiterhin vorhandenen Sicherheitsrahmens innerhalb des Wohn-<br />

he<strong>im</strong>s – das Persönliche <strong>Budget</strong> stellt das herkömmliche Leben nicht vollständig in<br />

Frage: „[…], dass sich die Menschen, die es nutzen, darauf einlassen können, […]“ (MA 16<br />

Int 09 , 243),<br />

• begleitende Informationsmöglichkeiten während der gesamten <strong>Budget</strong>nutzung bei-<br />

spielsweise in Form von Fortbildungen,<br />

• enges Angebot der <strong>Budget</strong>assistenz und -beratung: „<strong>Budget</strong>assistenz, wie schon seit<br />

fünf Jahren, finde ich das ganz zentrale und wichtige […].“ (MA 09 Int 09 , 571),<br />

• ausreichendes Angebot externer Anbieter: „Ähm … ja, ich glaube, ich glaube viel hängt<br />

vom gesamten Umfeld <strong>im</strong>mer ab äh, was ist an Anbietern überhaupt da, das war ja auch zu<br />

Anfang hier schwierig […].“(MA 15 Int 09 , 435) sowie<br />

• vorhandene Infrastruktur zur Inanspruchnahme von Freizeitaktivitäten außerhalb<br />

des Wohnhe<strong>im</strong>s.


5 Rahmenbedingungen für das Persönliche <strong>Budget</strong> <strong>im</strong> stationären Wohnbereich 80<br />

2. Bezogen auf eine gelingende Integration des Persönlichen <strong>Budget</strong>s in den<br />

stationären Arbeitsalltag:<br />

• Umfassende Information der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter <strong>im</strong> Vorfeld über<br />

Grundgedanken des Persönlichen <strong>Budget</strong>s und Möglichkeiten zur praktischen Um-<br />

setzung,<br />

• Einbezug der Mitarbeiterschaft vor und während der Einführung des Persönlichen<br />

<strong>Budget</strong>s von Seiten der Führungsebene: „[…] es ist toll, dass ihr das als Leitung toll fin-<br />

det, aber ähm ohne Mitarbeiter kein <strong>Persönliches</strong> <strong>Budget</strong> und kein Nutzen für Bewohner. […]<br />

Weil nur das, was ich transportiere nutzt der Bewohner auch.“ (MA 11 Int 09 , 587-589 ),<br />

• Rahmenbedingungen des Persönlichen <strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> Vorfeld festlegen (z. B. Dienst-<br />

plangestaltung unter <strong>Budget</strong>bedingungen): „[…] Also, ich finde es halt wichtig, wenn so<br />

etwas irgendwo eingeführt wird, dass halt möglichst <strong>im</strong>mer von Anfang an möglichst viel<br />

Klarheit besteht.“ (MA 15 Int 09 , 446 ),<br />

• Begleitung in Form von Supervisions- und Beratungsangeboten für die Mitarbeite-<br />

rinnen und Mitarbeiter: „Und dann muss man so nem Team auch ´ne Chance geben, das<br />

miteinander zu bearbeiten und dann muss vielleicht auch Supervision her.“ (MA 11 Int 09 ,<br />

620),<br />

• eventuell vorhandene Ängste und Sorgen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

ernst nehmen: „[…] will man es mit Leben füllen, muss man den auch, den Ängsten auch<br />

Rechnung tragen.“ (MA 11 Int 09 , 615),<br />

• Berücksichtigung bereits gewonnener Erkenntnisse aus anderen stationären Ein-<br />

richtungen hinsichtlich der praktischen Umsetzung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s: „[…]<br />

Natürlich auch zu gucken, wo sind, welche Erfahrungen sind gemacht worden, das finde ich,<br />

ist auch ganz wichtig.[…] Dass man viele Dinge nämlich gar nicht noch mal überlegen muss,<br />

sondern da gibt es Erfahrungen und auf die kann man ganz gut, glaube ich, zurückgreifen<br />

auch.“ (MA 10 Int 09 , 750-752),<br />

• gute Zusammenarbeit innerhalb des Mitarbeiterteams: „Also, das muss man wirklich<br />

sagen, das hat ganz viel auch hier mit dem Team zu tun.“ (MA 09 Int 09 , 195); „[…], dass hier<br />

insgesamt sehr engagierte Kollegen sind.“ (MA 15 Int 09 , 455),


5 Rahmenbedingungen für das Persönliche <strong>Budget</strong> <strong>im</strong> stationären Wohnbereich 81<br />

• Offenheit und Reflexionsvermögen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – Bereit-<br />

schaft, die eigene Arbeitsweise zu hinterfragen und ggf. neu auszurichten: „Also ich<br />

glaube, wenn so Mitarbeiter eher Sorge um Ihren eigenen Arbeitsplatz haben, ihr Selbstver-<br />

ständnis und mit vielen Sachen, klar, natürlich auch sagen, da grabe ich mir ja doch auch äh<br />

ein Stückchen hier mein eigenes Loch, äh dann hat das wenig Sinn ähm erfolgreich, in einer<br />

stationären Einrichtung auf jeden Fall, zu wirken. […] Äh, es ist schwer zu sagen, aber das<br />

Mitarbeiterteam muss auch von seinem Selbstverständnis dahinter stehen.“ (MA 10 Int 09 ,<br />

760-762) sowie<br />

• ausreichende Zeitfenster zur umfassenden <strong>Budget</strong>beratung und -assistenz: „[…]<br />

Dass es klar benannte Personen auch ähm <strong>Budget</strong>beratung oder Assistenz, dass man eben halt<br />

zusammen mit dem Menschen gucken kann, wie viel Geld brauchst du dafür, was gibt's für<br />

Anbieter. Also, am Anfang ist ´ne hohe Stundenzahl einfach von Seiten der Einrichtung zu<br />

leisten.“ (MA 10 Int 09 , 746).


6 Schlussfolgerungen und Empfehlungen 82<br />

6 Schlussfolgerungen und Empfehlungen<br />

Was leistet das <strong>Budget</strong>modell von PerLe, wo entfaltet es seine Stärken? Wo zeigen sich<br />

Grenzen oder (unerwünschte) Nebenwirkungen? Wo zeigt sich Entwicklungsbedarf? Und<br />

inwiefern ist das Modell geeignet, die Verbreitung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s (<strong>im</strong> stationären<br />

Kontext) voranzutreiben? Diesen zentralen Fragestellungen der Follow-Up Studie PerLe 3 <strong>im</strong><br />

Kontext des Programms zur Struktur-Verstärkung von Persönlichen <strong>Budget</strong>s soll <strong>im</strong> Folgen-<br />

den nachgegangen und entsprechende Empfehlungen abgeleitet werden.<br />

Als das PerLe <strong>Projekt</strong> <strong>im</strong> Jahr 2003 an den Start ging, stellte es ein hochinnovatives Vor-<br />

haben <strong>im</strong> stationären Setting dar, dessen praktische Umsetzung bis zum jetzigen Zeitpunkt<br />

eine entsprechende Würdigung verdient. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund der<br />

deutschlandweiten Entwicklungen zur Implementierung Persönlicher <strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> stationä-<br />

ren Wohnbereich in den letzten 5 Jahren, die nach wie vor als rud<strong>im</strong>entär zu bezeichnen<br />

sind. Entsprechend erfährt das <strong>Projekt</strong> PerLe eine hohe Reputation <strong>im</strong> Rehabilitationssystem.<br />

Das PerLe-Modell bietet einen sicheren Einstieg in eine selbstbest<strong>im</strong>mte Unterstützung<br />

nach eigenem Tempo<br />

Seine spezifischen Stärken entfaltet das Modell durch seine Ausrichtung auf die Perso-<br />

nengruppe der Menschen mit geistiger Behinderung bzw. mit hohem Unterstützungsbe-<br />

darf und ihren Bildungsvoraussetzungen, Unterstützungserfordernissen, Bedürfnissen und<br />

Ressourcen. Für diese Personengruppe wurden Spielräume einer individuellen Lebensfüh-<br />

rung bislang stark durch institutionelle Erfordernisse stationärer Betreuung abgesteckt, die<br />

wie kaum ein anderer Leistungsbereich der Rehabilitation durch die Tradition pauschaler<br />

Sachleistungen geprägt ist. Die für das PerLe-Modell charakteristische Leistungskombination<br />

von Sachleistungen, die weiterhin <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong> erbracht werden, mit individuell und ei-<br />

genverantwortlich organisierten Hilfen (außerhalb des Wohnhe<strong>im</strong>s) erweist sich als attrakti-<br />

ves, niedrigschwelliges Angebot zum Einstieg in die <strong>Budget</strong>nutzung für den adressierten<br />

Personenkreis. Dies verdeutlichen die Ergebnisse der fünfjährigen Umsetzung einschlägig.<br />

Den Menschen mit geistiger Behinderung wird eine schrittweise Nutzung und Erkundung<br />

der Wirkungen von Geldleistungen auf einem sicheren Versorgungssockel gewährleistet.


6 Schlussfolgerungen und Empfehlungen 83<br />

Vor diesem Hintergrund können sie die Leistungssteuerung <strong>im</strong> Rahmen eines Persönlichen<br />

<strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> individuell möglichen bzw. gewünschten Umfang und Tempo einschlagen und<br />

entsprechende Kompetenzen der Verantwortung und Selbstbest<strong>im</strong>mung entwickeln. Der<br />

Aspekt des „eigenen Tempos“ spielt eine zentrale Rolle bei der Inanspruchnahme eines Per-<br />

sönlichen <strong>Budget</strong>s für die angesprochene Zielgruppe. Wie in der vorliegenden Untersu-<br />

chung aufgezeigt, definiert das Persönliche <strong>Budget</strong> für die <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>-<br />

nehmer einen eigenen Unterstützungsbedarf bezogen auf die eigentliche Nutzung. Nutzer-<br />

orientierung und -partizipation <strong>im</strong> stationären Leistungsgeschehen ist somit nicht auto-<br />

matisch durch die Inanspruchnahme eines Persönlichen <strong>Budget</strong>s realisiert, sondern ist<br />

gekoppelt an eine enge Begleitung und Unterstützung <strong>im</strong> Prozess der <strong>Budget</strong>nutzung,<br />

<strong>im</strong>mer orientiert am „Tempo“ und damit verbunden an den Bedarfen, Bedürfnissen und<br />

Ressourcen der einzelnen <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer.<br />

Das PerLe-Modell unterstützt einen neuen Leistungsmix bzw. eine neue Durchlässigkeit<br />

traditioneller Angebotsformen<br />

Die Option einer Geldleistung bzw. einer individualisierten Unterstützung <strong>im</strong> Kontext<br />

stationärer Strukturen fokussiert die Zielsetzung, Menschen mit Behinderung trotz (hohem)<br />

Unterstützungsbedarf eine individuelle, selbstbest<strong>im</strong>mte Lebensgestaltung zu ermöglichen.<br />

Individuelle Unterstützungserfordernisse lassen sich jedoch vielfach nicht in die vorhande-<br />

nen leistungsrechtlichen Kategorien bzw. Angebotsformen „ambulant“ und „stationär“ ei-<br />

nordnen, sondern sie erzwingen vor dem Hintergrund je unterschiedlicher persönlicher und<br />

sozialer Ressourcen einer Person höchst unterschiedliche Arrangements jenseits vordefi-<br />

nierter Leistungsformen. Damit wird die Entwicklung hin zu einem neuen Leistungsmix<br />

aus ambulanten, stationären und informellen Unterstützungsleistungen angestoßen. Vor<br />

diesem Hintergrund führt die Umsetzung eines Persönlichen <strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> stationären Kon-<br />

text nicht zur Stabilisierung stationärer Strukturen, sondern zieht vielmehr ein Aufweichen<br />

traditioneller stationärer/ambulanter Strukturen bzw. Prozesse der Deinstitutionalisierung<br />

nach sich. Aus der Perspektive der Nutzerinnen und Nutzer passend gewählte Unterstüt-<br />

zungsleistungen erzwingen dauerhaft eine neue Durchlässigkeit der bislang starren Grenzen<br />

zwischen stationären und ambulanten Angebotsformen bzw. forcieren eine neue Anbieter-<br />

landschaft, die nicht mehr eindeutig über die Begriffe „ambulant“ und „stationär“ definiert


6 Schlussfolgerungen und Empfehlungen 84<br />

werden kann. Menschen mit Behinderung, die in einer „stationären“ Einrichtung leben,<br />

werden ggf. ergänzend „ambulante“ Dienstleistungen anderer Anbieter sowie informelle<br />

Hilfen nutzen, während umgekehrt „ambulant“ betreute Personen unter Umständen einzel-<br />

ne Leistungsmodule „stationärer“ Anbieter einkaufen.<br />

Spielräume müssen <strong>im</strong> PerLe-Modell erweitert werden, um die Möglichkeiten eines neu-<br />

en Leistungsmix in vollem Umfang ausschöpfen zu können<br />

Der spezifische Modellzuschnitt des Persönlichen <strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong> am Stadtring,<br />

der dem Trägerbemühen geschuldet ist, sowohl den laufenden (traditionellen) Sachleis-<br />

tungsprinzip aufrecht zu erhalten als auch eine Flexibilisierung der Hilfen über das Persönli-<br />

che <strong>Budget</strong> zu ermöglichen, setzt der umfassenden Nutzung der Potentiale des Persönlichen<br />

<strong>Budget</strong>s gewisse Grenzen. Dies betrifft unter anderem die begrenzte monetäre Ausstattung<br />

der <strong>Budget</strong>s insgesamt und <strong>im</strong> Einzelfall sowie den abgesteckten Leistungsbereich, der über<br />

das Persönliche <strong>Budget</strong> flexibilisiert wird.<br />

Um die Weiterentwicklung eines umfänglichen Leistungsmix noch stärker voranzutrei-<br />

ben, müssen den <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmern erweiterte Spielräume der Bud-<br />

getnutzung eröffnet werden. Nach einer wichtigen Phase des sicheren und hinsichtlich des<br />

<strong>Budget</strong>umfangs überschaubaren Einstiegs in die <strong>Budget</strong>nutzung <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong> am Stadtring<br />

stellt sich <strong>im</strong> Verlauf der fünfjährigen Umsetzung bei einem Großteil der <strong>Budget</strong>nehmerin-<br />

nen und <strong>Budget</strong>nehmer eine gewisse Souveränität <strong>im</strong> Umgang mit dem Persönlichen <strong>Budget</strong><br />

ein, die den Einrichtungsträger zu einer Eröffnung erweiterter Spielräume herausfordert.<br />

Eine notwendige konzeptionelle Weiterentwicklung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> stationä-<br />

ren Kontext muss sich stärker an den rechtlichen und konzeptionellen Voraussetzungen ei-<br />

nes „echten“ Persönlichen <strong>Budget</strong>s nach § 17 SGB IX und <strong>Budget</strong>verordnung orientieren.<br />

Die stärkere Ausschöpfung der <strong>Budget</strong>potentiale <strong>im</strong> stationären Kontext setzt eine Betei-<br />

ligung der Leistungsträger voraus<br />

Ein zentraler Punkt für die konzeptionelle Weiterentwicklung ist die Position des Leis-<br />

tungsträgers. Im Rahmen des PerLe-Modells setzt die Umsteuerung erforderlicher Unters-<br />

tützung nicht an der Beziehung zwischen dem Leistungsträger und der/ dem Leistungsbe-<br />

rechtigten an, sondern stellt eine trägerseitige Flexibilisierung der Leistungserbringung dar.


6 Schlussfolgerungen und Empfehlungen 85<br />

Wenn man zur weiteren Verbreiterung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> stationären Kontext<br />

eine stark einrichtungsbezogene Ausgestaltung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s wie <strong>im</strong> PerLe-<br />

Modell überwinden und die Position der <strong>Budget</strong>nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmer weiter<br />

stärken will, stellt eine Beteiligung der Leistungsträger eine unverzichtbare Stellschraube<br />

dar.<br />

Dies gilt zum einen für die Ausgestaltung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> Einzelfall:<br />

Die <strong>Budget</strong>s sollten auf der Basis individueller Unterstützungsbedarfe (nicht wie <strong>im</strong> PerLe-<br />

Modell auf der Basis von Hilfebedarfsgruppen) bemessen werden und Zielvereinbarungen<br />

nach <strong>Budget</strong>verordnung getroffen werden. Letztere sind insbesondere bedeutsam, um den<br />

Wohnhe<strong>im</strong>träger aus der Verantwortung für die gesamte Lebensführung zu entlassen und<br />

die Qualitätssicherung für externe Dienstleister zu steuern.<br />

Über die Gestaltung des Einzelfalls hinaus, sollte zur Verbreitung des Persönlichen<br />

<strong>Budget</strong>s <strong>im</strong> stationären Kontext über eine (gesetzliche) Weiterentwicklung der Vergütungs-<br />

strukturen wohnbezogener Hilfen nachgedacht werden. Die derzeit für (stationäre) Leis-<br />

tungserbringer verbindlichen Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen nach §§ 75 ff. SGB<br />

XII, die eine Kalkulation der Maßnahmenpauschale nach „Gruppen für Leistungsberechtigte<br />

mit vergleichbarem Hilfebedarf“ (§ 76, Abs. 2 SGB XII) vorsehen, stehen der Zielsetzung<br />

bzw. den Umsetzungschancen der Wohnhe<strong>im</strong>träger, über das Persönliche <strong>Budget</strong> individua-<br />

lisierte, personenbezogene Unterstützungsformen zu erbringen, konträr entgegen. Um einen<br />

neuen Leistungsmix von stationären, ambulanten und informellen Hilfen bzw. eine bessere<br />

Durchlässigkeit zwischen stationären und ambulanten Unterstützungsformen (auch) <strong>im</strong><br />

Kontext des Persönlichen <strong>Budget</strong>s zu ermöglichen, könnte sich eine Angleichung der Vergü-<br />

tungsstrukturen für stationäre wie ambulante Leistungen (z.B. auf der Basis von Fachleis-<br />

tungsstunden) als sinnvoll erweisen. Entsprechende Überlegungen finden ihre Berücksichti-<br />

gung in der aktuellen Rahmenzielvereinbarung „Wohnen II zur Weiterentwicklung der Ein-<br />

gliederungshilfe <strong>im</strong> Bereich der Hilfen zum Wohnen für erwachsene Menschen mit Behinde-<br />

rungen“ zwischen der Landesarbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohl-<br />

fahrtspflege des Landes Nordrhein-Westfalen und den Landschaftsverbänden Rheinland<br />

und Westfalen-Lippe (vgl. Rahmenzielvereinbarung 2008, S. 6).


6 Schlussfolgerungen und Empfehlungen 86<br />

Fazit<br />

Mit dem Modell PerLe ist <strong>im</strong> Bereich stationärer wohnbezogener Hilfen ein wichtiger<br />

Weg in Richtung Individualisierung und Flexibilisierung von Unterstützung und neuer Leis-<br />

tungsmix mit dem Persönlichen <strong>Budget</strong> eingeschlagen. Die diesbezüglichen Wirkungen <strong>im</strong><br />

<strong>Projekt</strong> PerLe werden nach einem Erfahrungszeitraum von fünf Jahren sowohl von <strong>Budget</strong>-<br />

nehmerinnen und <strong>Budget</strong>nehmern als auch von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durch-<br />

weg positiv bewertet. Aktuell gibt es <strong>im</strong> Stiftungsbereich Behindertenhilfe der vBA Bethel<br />

Überlegungen, das Persönliche <strong>Budget</strong> nach dem PerLe-Modell in einer für Ende 2009 neu<br />

geplanten stationären Wohneinrichtung von Beginn an konzeptionell zu verankern.<br />

Sich auf den durchweg positiven Erfahrungen mit dem Persönlichen <strong>Budget</strong> innerhalb<br />

dieses <strong>Projekt</strong>s auszuruhen, würde jedoch ein falsches Zeichen setzen. Damit die Erfahrun-<br />

gen und Erkenntnisse aus dem PerLe-<strong>Projekt</strong> die erforderliche Schubkraft für eine verbreite-<br />

te Umsetzung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s entwickeln können, sind konzeptionelle und struk-<br />

turelle Weiterentwicklungen, wie oben beschrieben, unverzichtbar. Hierbei sind Leistungs-<br />

und Einrichtungsträger gleichermaßen gefordert.<br />

Unter der Zielrichtung der Flexibilisierung und Individualisierung wohnbezogener Hil-<br />

fen und eines neuen Leistungsmix sollten sich weiterführende Praxis- und Forschungsbe-<br />

mühungen weniger auf die Ausgestaltung des Persönlichen <strong>Budget</strong>s innerhalb (traditioneller)<br />

stationärer Wohneinrichtungen konzentrieren („wie gelingt das Persönliche <strong>Budget</strong> <strong>im</strong> Wohn-<br />

he<strong>im</strong>?“), sondern vielmehr auf die Weiterentwicklung durchlässiger wohnbezogener Hilfen<br />

(der Eingliederungshilfe) und eine diesbezügliche Überwindung ambulanter und stationärer<br />

Angebotskategorien.


Literaturverzeichnis 87<br />

Literaturverzeichnis<br />

BAGüS – Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Sozialhilfeträger (2006): Entwicklung<br />

der Fallzahlen in der Eingliederungshilfe. (online)<br />

http://www.beb-ev.de/files/pdf/2007/sonstige/2007-01-29FallzahlpapierBAGueS.pdf<br />

[abgerufen am: 14.02.2009]<br />

BAUMGARTNER, Edgar; WACKER, Elisabeth; CASTELLI, Francesco; KLEMENZ, Regina;<br />

SCHÄFERS, Markus; WANSING, Gudrun (2007): Assistenzmodelle <strong>im</strong> internationalen<br />

Vergleich. Leistungen und Maßnahmen zur Unterstützung selbstbest<strong>im</strong>mten und eigenverantwortlichen<br />

Lebens in ausgewählten Ländern. Evaluation „Pilotversuch Assistenzbudget“<br />

Teilstudie 6b. (online)<br />

www.bsv.admin.ch/themen/iv/00023/00372/index.html?lang=de<br />

[abgerufen am: 08.01.2008]<br />

BORTZ, Jürgen; DÖRING, Nicola (2002): Forschungsmethoden und Evaluation: für Human-<br />

und Sozialwissenschaftler. Berlin, Heidelberg, New York, 3. Auflage.<br />

<strong>Budget</strong>V – BUDGETVERORDNUNG. Verordnung zur Durchführung des § 17 Abs. 2 bis 4<br />

des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (2004) (online)<br />

www.sgb-ix-umsetzen.de/index.php/nav/tpc/nid/1/aid/386?pvs=1<br />

[abgerufen am: 07.02.2008]<br />

EBERSON, Carsten (2007): <strong>Persönliches</strong> <strong>Budget</strong>: Pilotprojekt läuft. In: Lupe 60 - 2007, S. 14.<br />

EBERSON, Carsten (2009): <strong>Abschlussbericht</strong> zum <strong>Projekt</strong> „Einsatz vom begrenzten persönlichen<br />

<strong>Budget</strong> für personenzentrierte Leistungen“ in der Wohnstätte Maria Droste in Coesfeld,<br />

unveröffentlichtes Manuskript.<br />

HAMPEL, Gunter/ GOLTERMANN, Bernd (2007): Presse-Information. Modellversuch <strong>Persönliches</strong><br />

<strong>Budget</strong> in stationären Wohneinrichtungen der Harz-Weser-Werkstätten. (online)<br />

www.lebenshilfe.de/wDeutsch/aus_fachlicher_sicht/downloads/modellversuchbudget.p<br />

df [abgerufen am: 14.02.2008]<br />

HAMPEL, Gunter (2007): Bericht zum <strong>Projekt</strong> „<strong>Persönliches</strong> <strong>Budget</strong>“ durchgeführt <strong>im</strong><br />

Wohnstättenverbund der Harz-Weser-Werkstätten GmbH, unveröffentlichtes Manuskript.<br />

FLICK, Uwe (Hg.) (2006): Qualitative Evaluationsforschung. Konzepte, Methoden, Umsetzungen.<br />

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FLICK, Uwe; KARDORFF, Ernst von; STEINKE, Ines (2007): Was ist qualitative Forschung?<br />

Einleitung und Überblick. In: Flick, U.; Kardorff, E. v.; Steinke, I. (Hg.): Qualitative Forschung.<br />

Ein Handbuch. Reinbek bei Hamburg, 5. Auflage, S. 13-29.<br />

HANSEN, Eckhard (2006): Soziale Leistungen zwischen Sparzwang und Nutzerorientierung.<br />

In: AHA e.V./ Windisch, M. (Hg.): <strong>Persönliches</strong> <strong>Budget</strong>. Neue Form sozialer Leistung in<br />

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KASTL, Jörg-Michael; METZLER, Heidrun (2005): <strong>Abschlussbericht</strong> der wissenschaftlichen<br />

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in Baden-Württemberg“ (Oktober 2001 – Mai 2005). Tübingen.


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KUCKARTZ, Udo (2001): Einführung in das Textanalysesystem MAXQDA. MAX Qualitative<br />

Datenanalyse. Berlin.<br />

MAYRING, Philipp (2003): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinhe<strong>im</strong>,<br />

Basel, 8. Auflage.<br />

METZLER, Heidrun; MEYER, Thomas; RAUSCHER, Christine; SCHÄFERS, Markus;<br />

WANSING, Gudrun (2007): Trägerübergreifendes <strong>Persönliches</strong> <strong>Budget</strong>. Wissenschaftliche<br />

Begleitforschung zur Umsetzung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) –<br />

Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen. Förderkennzeichen: VKZ 040501. Begleitung<br />

und Auswertung der Erprobung trägerübergreifender Persönlicher <strong>Budget</strong>s.<br />

(online) www.projekt-persoenliches-budget.de/cms/ [abgerufen am: 14.01.2008]<br />

NIEDERSÄCHSISCHES MINISTERIUM FÜR SOZIALES, FRAUEN, FAMILIE UND<br />

GESUNDHEIT (2006): <strong>Persönliches</strong> <strong>Budget</strong> stärkt Menschen mit Behinderung. Ministerin<br />

empfiehlt flächendeckende Einführung. (online)<br />

http://www.ms.niedersachsen.de/master/C24497293_N1898929_L20_D0_I674.html [abgerufen<br />

am: 18.02.2008]<br />

NUSSBICKER, Rainer (2007): Ein langer Weg. In: Nussbicker, R. (Hg.) (2007): „Ich bin jetzt<br />

Chef!“ Die Idee des Persönlichen <strong>Budget</strong>s in einer stationären Einrichtung für Menschen<br />

mit Behinderung. Ein Praxisbericht. Bielefeld, S. 14-20.<br />

RAHMENVERTRAG gem. § 79 Abs. 1 SGB XII NRW (2002). (online)<br />

www.lwl.org/spur-download/rahmenvertrag/rahmenvertrag.pdf<br />

[abgerufen am: 04.01.2008]<br />

RAHMENZIELVEREINBARUNG Wohnen II zwischen der Landesarbeitsgemeinschaft der<br />

Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege des Landes Nordrhein-Westfalen und den<br />

Landschaftsverbänden Rheinland und Westfalen-Lippe zur Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe<br />

<strong>im</strong> Bereich der Hilfen zum Wohnen für erwachsene Menschen mit Behinderungen<br />

(2008). (online)<br />

www.dom.lvr.de/lvis/lvr_recherchewww_12wp.nsf/WEBAlleDaten/3AA1C210326E05C0<br />

C12574FF003D1CE3?OpenDocument&grem=Sozialausschuss&date=18.11.2008&form=W<br />

EBAnsichtAlleDaten [abgerufen am: 09.04.2009]<br />

RASCHE, Carsten (2007): Betriebswirtschaftliche Bewertung des Modellversuchs PerLe <strong>im</strong><br />

Wohnhe<strong>im</strong> am Stadtring in Bielefeld. In: Nussbicker, R. (Hg.) (2007): „Ich bin jetzt Chef!“<br />

Die Idee des Persönlichen <strong>Budget</strong>s in einer stationären Einrichtung für Menschen mit<br />

Behinderung. Ein Praxisbericht. Bielefeld, S. 67-69.<br />

ROOS-PFEIFFER, Wolfgang (2007): Von der Überwindung gelernter Hilflosigkeit. Entwicklung<br />

und Erprobung eines Fortbildungskonzeptes <strong>Persönliches</strong> <strong>Budget</strong> für Menschen mit<br />

Behinderung. In: Nussbicker, R. (Hg.): „Ich bin jetzt Chef!“ Die Idee des Persönlichen<br />

<strong>Budget</strong>s in einer stationären Einrichtung für Menschen mit Behinderung. Ein Praxisbericht.<br />

Bielefeld, S. 21-26.<br />

SCHÄFERS, Markus (2006): Modellversuch „PerLe“. <strong>Persönliches</strong> <strong>Budget</strong> für Menschen mit<br />

Behinderung in Wohneinrichtungen. In: AHA e.V./ Windisch, M. (Hg.): <strong>Persönliches</strong><br />

<strong>Budget</strong>. Neue Form sozialer Leistung in der Behindertenhilfe und Pflege. Nutzerorientierung<br />

oder Sparzwang? Neu-Ulm, S. 60-79.<br />

SCHÄFERS, Markus; WACKER, Elisabeth; WANSING, Gudrun (2009): <strong>Persönliches</strong> <strong>Budget</strong><br />

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SCHNURR, Stefan (2005): Partizipation. In: Otto, H.-U./ Thiersch, H. (Hg.): Handbuch Sozialarbeit,<br />

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München, 2. Auflage, 2002.<br />

SGB IX – Sozialgesetzbuch – Neuntes Buch. Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen.<br />

München, 5. Auflage, 2006.<br />

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www.gesetze-<strong>im</strong>-internet.de/sgb_12/_13.html [abgerufen am: 27.2.2007]<br />

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STIFTUNGSBEREICH BEHINDERTENHILFE BETHEL (o. J.²): Daten und Fakten. (online)<br />

http://www.behindertenhilfe-bethel.de/htm/profil/daten.php [abgerufen am: 20.02.2009]<br />

WACKER, Elisabeth/ WANSING, Gudrun/ SCHÄFERS, Markus (2005): Personenbezogene<br />

Unterstützung und Lebensqualität. Teilhabe mit einem Persönlichen <strong>Budget</strong>. Wiesbaden.<br />

WANSING, Gudrun; HÖLSCHER, Petra; WACKER, Elisabeth (2003): Maß nehmen und Maß<br />

halten – in einer Gesellschaft für alle (3). Personenbezogene Leistungen (PerLe) für alle –<br />

<strong>Budget</strong>fähigkeit und Klientenklassifikation in der Diskussion. In: Geistige Behinderung<br />

42 (3), 210-221.<br />

WESTECKER, Mathias (2004): <strong>Abschlussbericht</strong>. Modellprojekt Geldbudget und Zeitbudget<br />

in Wohngruppen von LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG. (online)<br />

www.lmbhh.de/dateien/datei20040826120509.pdf [abgerufen am: 14.02.2008]<br />

ZPE – ZENTRUM FÜR PLANUNG UND EVALUATION SOZIALER DIENSTE der Universität<br />

Siegen (2008): Selbständiges Wohnen behinderter Menschen – Individuelle Hilfen<br />

aus einer Hand. <strong>Abschlussbericht</strong> der wissenschaftlichen Begleitforschung. Forschungsgruppe<br />

IH-NRW <strong>im</strong> Auftrag des Sozialministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen.<br />

Siegen.

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