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14 Persönlichkeiten<br />

«An <strong>den</strong> Tod gewöhnt man sich,<br />

an die Schicksale dahinter nicht»<br />

Nicole <strong>Sie</strong>grist<br />

Wenn ein Mensch stirbt, ruft<br />

man die Bestatter zu Hilfe. Kurt<br />

Reese und seine 21-jährige Tochter<br />

Sarah stehen bei einem Sterbefall<br />

24 Stun<strong>den</strong> am Tag für die<br />

Familienangehörigen bereit.<br />

Kurt Reese im Untergeschoss seines Hauses, das gleichzeitig<br />

die Geschäftsstelle seines Bestattungsunternehmens ist.<br />

Seit mehr als 15 Jahren führt Kurt Reese die Bestattungsdienst<br />

Münchenbuchsee-Zollikofen GmbH. In zwölf Gemein<strong>den</strong><br />

macht der Familienvater aus Münchenbuchsee Erstversorgungen<br />

im Sterbefall, führt Trauergespräche und organisiert Beerdigungen.<br />

Vor einem Jahr hat sich seine Tochter Sarah, die<br />

gelernte Dentalassistentin ist und zurzeit berufsbegleitend die<br />

Handelsschule absolviert, entschie<strong>den</strong> auch in <strong>den</strong> Familienbetrieb<br />

einzusteigen. Mit Vater und Tochter, mit dem nicht alltäglichen<br />

Beruf, im Gespräch:<br />

Kurt Reese, wie kommt man zum Bestattungsberuf?<br />

K.R. Eine Berufslehre für Bestatter gab es zu meinen Anfangszeiten<br />

nicht. So haben sich früher meistens Schreiner ein<br />

zweites Standbein aufgebaut und sich das Bestatten angeeignet.<br />

Heute kann man nach mindestens drei Jahren Praxiserfahrung<br />

einen Lehrgang mit eidg. Fachausweis machen.<br />

War dies auch Ihr Einstieg?<br />

K.R. Nein, ich war jahrelang in der Sanitätspolizei tätig und<br />

danach war ich Bestattungsbeamter im Inselspital.<br />

Sarah Reese, es ist schon speziell wenn man hört, dass eine<br />

21-jährige, junge Frau im Bestattungsdienst arbeitet. Machen<br />

<strong>Sie</strong> genau dieselben Arbeiten wie Ihr Vater oder gibt es da eine<br />

strikte Aufteilung?<br />

S.R. Es ist so, dass ich mich auf die organisatorischen Aufgaben<br />

spezialisiert habe und Trauergespräche führe.<br />

K.R. Dies ist der grosse Brocken<br />

der Arbeit, <strong>den</strong> wir<br />

uns teilen. Zusätzlich<br />

werde ich<br />

zur Bergung der<br />

Verstorbenen gerufen<br />

und zu deren<br />

Abtransport.<br />

Kurt Reese wie reagierten<br />

<strong>Sie</strong>, als Ihre Tochter mit<br />

dem Entscheid, mit gerade 20<br />

Jahren auch <strong>den</strong> Beruf mit dem<br />

Tod als Tagesgeschäft ausüben zu<br />

wollen, zu Ihnen kam?<br />

K.R. Da ich meine Tochter gut kenne,<br />

wusste ich, dass sie sich diesen Schritt zuerst<br />

reichlich überlegt hatte. Deshalb wollte ich ihr die<br />

Chance geben und liess sie mich eine Weile begleiten,<br />

damit sie <strong>den</strong> Beruf und die Anforderungen besser<br />

kennenlernen konnte. Ihre Arbeitsweise hat mich überzeugt<br />

und inzwischen ist sie eine grosse Hilfe.<br />

Sarah Reese, wur<strong>den</strong> <strong>Sie</strong> nie Ihres jungen Alters wegen mit Vorurteilen<br />

konfrontiert?<br />

S.R. Selbstverständlich haben mich vor allem ältere Frauen arg<br />

gemustert, als ich, 20-jähriges, junges Ding, in ihrem Haus war<br />

und sie über die Wünsche für die Abdankung ihres verstorbenen<br />

Mannes befragte. Aber genau diese Menschen sind es,<br />

die sich nach der Beerdigung mel<strong>den</strong> und mir ein Lob für die<br />

gute Arbeit aussprechen. Das sind die schönsten Momente in<br />

meinem Beruf.


Wie kann man sich die Arbeitsbedingungen vorstellen?<br />

K.R. Als Bestatter ist man an 365 Tagen im Jahr während 24<br />

Stun<strong>den</strong> auf Pikett. Wenn das Telefon um 3.30 Uhr in der Früh<br />

wegen eines Sterbefalles klingelt, fahre ich dorthin und mache die<br />

Erstversorgung wie zum Beispiel <strong>den</strong> Kiefer fixieren, wenn die<br />

Hinterbliebenen wünschen, <strong>den</strong> Verstorbenen bei sich zu behalten.<br />

Oder an einem schönen Nachmittag stecke ich im Lederkombi,<br />

steige auf das Motorrad und kehre nach zwei Kilometern<br />

wieder um, wenn ich gerufen werde. So ist das Bestattungsleben,<br />

der Tod hält sich nicht an Öffnungszeiten.<br />

«Der Tod hält sich nicht<br />

an Öffnungszeiten»<br />

Kurt Reese<br />

S.R. Also ich schätze die unbürokratischen Arbeitszeiten.<br />

Mein Vater und ich teilen uns die Arbeit so, dass<br />

er an sieben Tagen arbeitet und ich an <strong>den</strong> folgen<strong>den</strong>. Aber<br />

Hut ab, dass er dies alles während 15 Jahren ganz alleine<br />

gemacht hat, das war ja ein wahnsinniger Kraftakt und dies pausenlos.<br />

K.R. Ganz alleine war ich ja nicht. Meine Frau Ruth hat jahrelang<br />

die Büroarbeiten übernommen und mir so <strong>den</strong> Rücken freigehalten.<br />

Überall wo Not am Manne war, hat sie all die Jahre tatkräftig<br />

mitgeholfen.<br />

Gewöhnt man sich daran, Leichen abzuholen, sie herzurichten<br />

und ins Krematorium etc. zu bringen?<br />

K.R. Wer täglich mit dem Tod konfrontiert wird, lernt mit der<br />

Zeit damit umzugehen. Es ist weniger das Hantieren mit<br />

einem Verstorbenen, als vielmehr das Trauergespräch<br />

mit <strong>den</strong> Hinterbliebenen, das wirklich herausfordert.<br />

Bei unnatürlichen Todesfällen gibt<br />

es schon unschöne Momente,<br />

wenn Leichenteile geborgen<br />

wer<strong>den</strong> müssen<br />

oder ähnliches,<br />

aber die Geschichten<br />

hinter<br />

<strong>den</strong> teils tragischen<br />

Fällen sind<br />

es, die zehren. Wie<br />

ist es bei dir Sarah,<br />

schläfst du gut in der<br />

Nacht?<br />

«Ich bin sozusagen<br />

mit dem<br />

Tod aufgewachsen»<br />

Sarah Reese<br />

S.R. Für mich ist all dies ja nicht neu. Seit 15 Jahren bin ich mir<br />

das Bild von Särgen und Urnen im elterlichen Haus gewohnt. Ich<br />

bin sozusagen mit dem Tod aufgewachsen.<br />

My Zytig, 6. Juni 2012 15<br />

Ist Ihr Beruf nicht oft das Gesprächsthema im Freundeskreis?<br />

S.R. Doch leider. Dabei möchte ich die Arbeit und die Freizeit<br />

strikte trennen. So versuche ich in einer Runde mit jungen Leuten<br />

auf meinen Beruf angesprochen meist auszuweichen.<br />

Warum dies?<br />

S.R. Weil sonst immer die ganze Aufmerksamkeit bei mir ist, das<br />

ist mir unangenehm. Andere Leute haben auch spannende Berufe,<br />

bei mir könnte man aber immer meinen, meine Arbeit sei etwas<br />

ganz Ausgefallenes. Ich möchte im Privaten nicht auch noch «Mügerle».<br />

(Vermerk Redaktion: In Anlehnung an das Totemügerli)<br />

Welche Voraussetzung muss ein Bestatter mitbringen?<br />

K.R. Vor allem eine disziplinierte und genaue Arbeitsweise und<br />

Einfühlsamkeit. Fehler dürfen in diesem Metier nicht passieren.<br />

Eine falsche Inschrift auf einem Grabstein, ein falscher Name auf<br />

einer Todesanzeige oder ähnliches wären verheerend. Wenn man<br />

zu einer Trauerfamilie geht, haben zudem die eigenen Probleme<br />

keinen Platz. Da gilt die uneingeschränkte Aufmerksamkeit <strong>den</strong><br />

Hinterbliebenen. Und man muss gewillt sein, zu jeder Zeit zu arbeiten.<br />

Zudem gehört Diskretion zu einer Tugend, die ein Bestatter<br />

mit sich bringen sollte.<br />

Können <strong>Sie</strong> uns trotzdem eine Anekdote aus Ihrer langjährigen<br />

Berufserfahrung erzählen?<br />

K.R. Einer meiner ersten Fälle war ein kauziger über 90-jähriger<br />

Mann. Er rief mich damals an und informierte mich über seinen<br />

genauen Todeszeitpunkt, da er mit Exit aus dem Leben trat und<br />

welchen präzisen zeitlichen Ablauf er sich für seine Abdankung<br />

wünschte. Auch in seinem letzten Moment auf der Welt wollte der<br />

Zeit seines Lebens patriarchisch lebende Mann die Zügel nicht aus<br />

<strong>den</strong> Hän<strong>den</strong> geben.

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