Reinigung Korkholz.pdf - (DLR) Mosel
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OENOLOGIE<br />
Text und<br />
Abbildungen:<br />
Horst Rudy (Foto)<br />
und Gerd Scholten,<br />
<strong>DLR</strong> <strong>Mosel</strong>, sowie<br />
Markus Jakobi<br />
Werden fertige Naturkorken unter<br />
Hochdruck extrahiert, verformt sich<br />
ein Großteil der Korken und ist dann<br />
nicht mehr als Flaschenverschluss<br />
verwendbar. Durch die Behandlung<br />
ganzer Korkstreifen lässt sich diese<br />
Problematik umgehen<br />
40<br />
Korkschmäcker bedeuten für den Winzer nicht nur einen<br />
finanziellen Schaden, sondern es droht gleichzeitig der Verlust<br />
von Kunden. Kann ein neuartiges technisches Verfahren<br />
Abhilfe schaffen?<br />
<strong>Reinigung</strong> von <strong>Korkholz</strong><br />
mit überkritischem CO 2<br />
Seit der Entdeckung des 2,4,6-TCA als Hauptverursacher<br />
des Korkgeschmacks hat es viele Ansätze gegeben,<br />
den Kork durch verschiedene Behandlungsmaßnahmen<br />
davon zu befreien, bzw. dessen Entstehung<br />
zu verhindern. Dazu wurden diverse technische Verfahren<br />
entwickelt. Hauptsächlich kamen dabei<br />
Waschverfahren mit verschiedenen Lösungsmitteln<br />
wie n-Hexan, enzymhaltigen ethanolischen Lösungen<br />
(Suberase-Verfahren) zum Einsatz, aber auch<br />
Druckverfahren wie z.B. die Behandlung mit Wasserdampf.<br />
All diese Verfahren weisen gravierende<br />
Nachteile auf. So können Waschverfahren einen Teil<br />
des vorhandenen TCA und der TCA-Vorstufen entfernen,<br />
nach dem Waschen kann allerdings eine<br />
erneute Kontamination mit Mikroorganismen erfolgen.<br />
Weil nach dem Waschen/Kochen der Korkplatten<br />
ein Großteil der anhaftenden Mikroorganismen<br />
entfernt wird, bildet der feuchte, warme Kork eine<br />
ideale Grundlage für eine Neubesiedelung mit<br />
Mikroorganismen, die wiederum erneut TCA produzieren<br />
können.<br />
Druckverfahren können nur bei Korkplatten, Korkscheiben<br />
oder Korkgranulat angewendet werden,<br />
weil die Behandlung von fertigen Korken u.a. zu<br />
starken Deformationen und Veränderungen der Oberfläche<br />
führt, so dass die Korken nicht mehr richtig<br />
abdichten bzw. überhaupt nicht mehr in den Flaschenhals<br />
passen.<br />
Eine Mischung aus Wasch- und Druckverfahren<br />
stellt die Behandlung von Korken durch überkritisches<br />
CO 2 dar. Dieses Verfahren wird seit den 1980er<br />
Jahren in großem Maßstab in der Lebensmittelindustrie<br />
angewendet, u.a. zur Entcoffeinierung von Kaffee<br />
oder Gewinnung von Hopfenaroma zur Bierherstellung.<br />
Die Extraktion mit überkritischem CO 2<br />
wird zur Zeit in Frankreich zur Herstellung von<br />
Agglomeratkorken (Oeneo Bouchage, Diam) angewandt.<br />
Uns interessierte die Frage, ob damit auch<br />
Naturkorken gereinigt werden können.<br />
Das physikalische Prinzip<br />
Wenn Gase stark komprimiert und erwärmt werden,<br />
gehen sie in einen anderen Aggregatzustand<br />
über. Konkret bedeutet dies, dass z.B. CO 2 in einem<br />
Autoklaven bei Drücken über 73,75 bar und Temperaturen<br />
über 31,0 °C nicht mehr als Flüssigkeit,<br />
aber auch nicht als Gas vorliegt, sondern in einen<br />
neuen Zustand, dem sogenannten überkritischen<br />
Zustand, übergeht. Aus diesem Grund sind Gase, die<br />
unter überkritischen Bedingungen vorliegen, weder<br />
als Gase noch als Flüssigkeiten anzusehen, weshalb<br />
man sie als Fluide bezeichnet. Im englischen Sprach-<br />
Der Deutsche Weinbau · 18.8.2006 · Nr. 16-17
Prinzip CO 2-Extraktion<br />
gebrauch werden diese Stoffe super critical fluids<br />
(SCF`s) genannt. Die Dichte des gasförmigen CO 2 ist<br />
durch den hohen Druck so angestiegen, dass sich<br />
das Gas wie eine Flüssigkeit verhält.<br />
Dabei vereinigt dieses überkritische CO 2 die niedrige<br />
Viskosität von Gasen mit der hohen Lösekraft<br />
von Flüssigkeiten. Die Extraktion kann neben den<br />
gewählten Druck- und Temperaturbedingungen auch<br />
durch sogenannte Modifier gesteuert werden. Das<br />
sind Stoffe, die zusätzlich zum CO 2 mit in den Autoklaven<br />
gegeben werden. Im einfachsten Fall kann<br />
dies z.B. Wasser sein.<br />
Weil Wasser im Gegensatz zu CO 2 ein sehr polares<br />
Molekül ist, kann durch Wasserzugabe die Extraktion<br />
von stärker polaren Verbindungen verbessert<br />
werden. Im Falle des <strong>Korkholz</strong>es wären dies die Vorstufen<br />
der chlorierten Anisole, u.a. Chlorphenole<br />
und andere phenolische Verbindungen.<br />
Der Ablauf einer Extraktion ist relativ einfach: Das<br />
zu reinigende <strong>Korkholz</strong> wird in einen Autoklav<br />
gefüllt, dann wird das aus einer Gasflasche entnommene<br />
CO 2 durch einen Kompressor stark komprimiert,<br />
um dann mit Drücken von – unter unseren<br />
Versuchsbedingungen – 100 bis 300 bar in den Autoklaven<br />
zu gelangen. Das überkritische CO 2 kommt<br />
in Kontakt mit den Korkstreifen, dringt in die Oberfläche<br />
ein und löst organische Moleküle. Nach der<br />
Waschverfahren<br />
können einen Teil<br />
des vorhandenen<br />
TCA und der TCA-<br />
Vorstufen<br />
entfernen. Doch<br />
Vorsicht: der<br />
durch die<br />
Waschung<br />
feuchte, warme<br />
Kork bietet<br />
Mikroorganismen<br />
eine ideale<br />
Grundlage<br />
Der Deutsche Weinbau · 18.8.2006 · Nr. 16-17 41
OENOLOGIE<br />
Noch Fragen?<br />
Fragen zum Beitrag beantwortet<br />
unser Autor per E-Mail:<br />
horst.rudy@dlr.rlp.de<br />
42<br />
Freie SO 2 (mg/L)<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
gewählten Extraktionsdauer wird das CO 2 durch ein<br />
Drosselventil wieder abgelassen und die Korkstreifen<br />
können aus dem Autoklav entnommen werden.<br />
In großen Anlagen wird das CO 2 nach der Entspannung<br />
durch das Drosselventil durch Kompressoren<br />
wieder komprimiert und kann zur nächsten Extraktion<br />
weiterverwendet werden. Die aus dem Extraktionsgut<br />
entfernten Stoffe trennen sich, wenn sie selber<br />
nicht gasförmig sind, nach der Druckverminde-<br />
Abb. 1: Entwicklung der freien SO 2 der mit<br />
überkritischem CO 2 extrahierten Korken<br />
Wein Nr. 1 halbtrocken<br />
52<br />
32<br />
Wein Nr. 2 trocken<br />
38<br />
25<br />
Abfüllung nach 19 Monaten Abfüllung nach 19 Monaten<br />
rung wieder vollständig von dem CO 2. Die Vorteile<br />
dieser Art der Extraktion sind :<br />
CO 2 ist ein ungiftiges, nicht brennbares, preiswertes<br />
Lösungsmittel<br />
hohe <strong>Reinigung</strong>skraft einer Flüssigkeit bei der Viskosität<br />
eines Gases<br />
nach der Extraktion bleiben keine Reste des<br />
Lösungsmittels im Kork zurück<br />
CO 2 wirkt unter überkritischen Bedingungen antibakteriell<br />
und antifungizid, so dass eine Neubesiedlung<br />
des <strong>Korkholz</strong>es durch Mikroorganisen erschwert<br />
wird<br />
die Qualität der Extraktion kann durch Druck,<br />
Temperatur, Verweildauer im Autoklaven und die<br />
Zugabe polarer Modifier gesteuert werden.<br />
Versuchsplan Teil 1: Extraktion von<br />
Naturkorken<br />
Es wurden 5 Chargen zu je 100 fertigen Korken<br />
chargenweise mit Ethanol 10 Vol.% extrahiert, dann<br />
wurden sie mittels überkritischem CO 2 extrahiert.<br />
Diese behandelten Korken wurden wieder durch<br />
Extraktion mit EtOH 10 Vol.% auf ihren Gehalt an<br />
TCA untersucht. Die verwendeten Korken stammten<br />
aus einer laut Hersteller “besonders schlechten<br />
Charge “, die deshalb auch für den Verkauf gesperrt<br />
wurde. Ein großer Teil der Korken (ca. 80%) war<br />
aufgrund des hohen Drucks stark deformiert und<br />
nicht mehr als Flaschenverschluss zu gebrauchen.<br />
DIe Ergebnisse der TCA- Analysen:<br />
Charge 1: vorher 56, nachher 40 ng/L (-18% )<br />
Charge 2: vorher 64, nachher 10 ng/L (-84 % )<br />
Charge 3: vorher 35, nachher 16 ng/L (-54% )<br />
Charge 4: vorher 17, nachher 16 ng/L (-6% )<br />
Charge 5: vorher 20, nachher 7 ng/L (-65% ).<br />
Teil 2: Extraktion von Korkstreifen<br />
Weil die mit überkritischem CO 2 extrahierten Korken<br />
zum größten Teil wegen der starken Deformation<br />
nicht mehr verwendbar waren, wurde nach<br />
Alternativen zur <strong>Reinigung</strong> fertiger Korken gesucht.<br />
Weil das TCA bei korrekter Verkorkung hauptsächlich<br />
vom unteren Korkspiegel in den Wein gelangt,<br />
kamen wir auf die Idee, fertig geschnittene Korkstreifen<br />
mit überkritischem CO 2 zu extrahieren.<br />
Durch die Extraktion von Korkstreifen können die<br />
entscheidenden Kontaktflächen, die Korkspiegel,<br />
gereinigt werden, ohne dass Probleme mit der Deformation<br />
der Korken auftreten, weil diese erst im<br />
Anschluss ausgestanzt werden. Die Korkstreifen wurden<br />
bei unterschiedlichen Bedingungen behandelt:<br />
Variante A: 30 min, T = 40 °C, p = 100 bar<br />
Variante B: 30 min, T = 40 °C, p = 250 bar<br />
Variante C: 30 min, T = 40 °C, p = 350 bar.<br />
TCA-Gehalte des <strong>Korkholz</strong>es<br />
Nach dem Stanzen der Korken wurden aus den<br />
Resten der behandelten und unbehandelten Proben<br />
je ca. 30 g (entspricht ca. 10 Naturkorken) <strong>Korkholz</strong><br />
repräsentativ aus mehreren Stücken (außen, innen,<br />
Rinde, verschimmelt, nicht verschimmelt) zusammengeschnitten.<br />
Diese 30 g wurden dann wie Korken<br />
extrahiert (700 ml EtOH 10 Vol.%, 2 h Ultraschall,<br />
dann Twister-Extraktion und GC-MS Nachweis).<br />
Um die Gehalte besser vergleichen zu können,<br />
wurden ähnliche Einwaagen gewählt und die Konzentration<br />
in ng/L “Waschflüssigkeit” angegeben.<br />
Behandelte Varianten:<br />
Holz A: 31 g; 1,8 ng/L 2,4,6-TCA<br />
Holz B: 33 g; 1,8 ng/L 2,4,6-TCA<br />
Holz C: 30 g; 2,9 ng/L 2,4,6-TCA.<br />
Nicht behandelte Kontrollproben:<br />
Holz 1: 31 g; 2,6 ng/L 2,4,6-TCA<br />
Holz 2: 35 g; 0,8 ng/L 2,4,6-TCA<br />
Holz 3: 32 g; 5,7 ng/L 2,4,6-TCA<br />
Holz 4: 31 g; 1,7 ng/L 2,4,6-TCA.<br />
Lagerversuch<br />
Die aus behandeltem <strong>Korkholz</strong> sowie der unbehandelten<br />
Kontrollprobe gefertigten Korken wurden<br />
einer Oberflächenbehandlung unterzogen (verwendet<br />
wurde ein Kombipräparat aus Paraffin und Silikon).<br />
Mit diesen Korken wurden 200 Flaschen Wein<br />
abgefüllt. Weil Weißweine, insbesondere Riesling,<br />
am empfindlichsten auf eine Beeinflussung durch<br />
Der Deutsche Weinbau · 18.8.2006 · Nr. 16-17
Korkgeschmack reagieren, wurden zur Füllung ein<br />
trockener und ein halbtrockener <strong>Mosel</strong>riesling eingesetzt.<br />
Nach 21 Monaten Lagerdauer wurden die<br />
Weine analytisch und sensorisch untersucht.<br />
Ergebnis der analytischen Untersuchung<br />
100 der 200 abgefüllten Weine wurden durch<br />
Gaschromatographie-Massenspektrometrie (GC-MS)<br />
auf Korkgeschmack (2,4,6-TCA) untersucht. In keinem<br />
der untersuchten Weine, auch nicht in den Weinen,<br />
die mit den unbehandelten Kontrollkorken verschlossen<br />
waren, konnte TCA nachgewiesen werden.<br />
Ausläuferverhalten<br />
Von den zweihundert Flaschen, die während 21<br />
Monaten gelagert wurden, wies lediglich eine einzelne<br />
Flasche einen sehr schwachen Ausläufer auf.<br />
Die ausgelaufene Weinmenge betrug ca. 5 ml. Bei<br />
dem Korken der Ausläuferflasche handelte es sich<br />
um einen Korken aus der nicht mit überkritischem<br />
CO 2 extrahierten Kontrollgruppe.<br />
Ergebnis sensorische Untersuchung,<br />
Entwicklung der freien SO 2<br />
Der Wein präsentierte sich in einer für die Region<br />
und den Jahrgang typischen Art. Vereinzelt wurden<br />
von den Prüfern leichte Bitternoten im Abgang<br />
bemängelt. Die Ursache hierfür lag wohl auch zum<br />
Teil an den hohen Alkoholgehalten des Jahrgangs.<br />
Korkgeschmack konnte von den Prüfern in keiner<br />
Probe festgestellt werden. Einige Weine wiesen eine<br />
schwach ausgeprägte Petrolnote auf. Neben der<br />
hohen Reife des Leseguts ist ein anderer Grund dafür<br />
auch in den relativ niedrigen Gehalten der freien<br />
SO 2 bei der Abfüllung zu sehen (52 bzw. 38 mg/L,<br />
siehe Abbildung 1). Die Entwicklung der freien SO 2<br />
nach den 21 Monaten Lagerdauer liegt in Anbetracht<br />
dieser niedrigen Ausgangswerte durchaus im üblichen<br />
Rahmen.<br />
Diskussion der Ergebnisse und Ausblick<br />
Bei der ersten Testreihe wurden ganze, fertige<br />
Naturkorken extrahiert. Durch den hohen Druck bei<br />
der Extraktion wurde ein Großteil der Korken verformt<br />
und war nicht mehr als Flaschenverschluss<br />
verwendbar. Dieser Sachverhalt war uns auch von<br />
anderen <strong>Reinigung</strong>sverfahren bekannt, z.B. der<br />
Behandlung mit Wasserdampf unter Druck. Die TCA-<br />
Gehalte in den Korken waren tatsächlich verringert<br />
worden, allerdings in einem Bereich von 6% bis 84%,<br />
wobei keine Abhängigkeit von den Extraktionsbedingungen<br />
erkennbar war.<br />
Diese ersten Versuche bieten erfolgversprechende<br />
Ergebnisse, die aber in Anbetracht der Komplexität<br />
des Themas und der nicht vorhersagbaren TCA-<br />
Konzentration im <strong>Korkholz</strong> durch weitere Testreihen<br />
im technischen Maßstab abgesichert werden<br />
müssen. Die vergleichbaren Ergebnisse zwischen der<br />
mit CO 2 extrahierten Partie und der nicht behandelten<br />
Kontrollgruppe zeigen, dass die Behandlung<br />
ganzer Korkstreifen mit überkritischem CO 2 möglich<br />
ist, ohne die positiven physikalischen Eigenschaften<br />
des <strong>Korkholz</strong>es zu zerstören. Offenbar enthielt<br />
das von uns eingesetzte <strong>Korkholz</strong>, obwohl es stellenweise<br />
stark verschimmelt war und optisch wegen<br />
der vielen Poren kein gutes Bild ergab, relativ wenig<br />
TCA, so dass die Ergebnisse zwischen der behandelten<br />
Partie und der unbehandelten Kontrollgruppe<br />
keine Unterschiede aufwies. w<br />
Fazit:<br />
OENOLOGIE<br />
Ob die <strong>Reinigung</strong> der Korken mit<br />
überkritischem CO2 tatsächlich zur<br />
Reduktion des Korkgeschmacks<br />
führt, konnte mit diesen ersten<br />
Versuchen nicht geklärt werden,<br />
dazu sind Versuchsreihen von<br />
größeren Dimensionen nötig. Aus<br />
diesem Grund sollen weitere<br />
Testreihen in Zusammenarbeit mit<br />
der Industrie durchgeführt<br />
werden. Die Extraktion fertiger<br />
Korken führte zu 80% Ausschuss,<br />
weil die Korken ihre Form<br />
verloren und die Flasche nicht<br />
mehr abdichteten. Durch die<br />
Hochdruck-Extraktion ganzer<br />
Korkstreifen kann die Problematik<br />
der Verformung fertiger Korken<br />
umgangen werden.