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Verlangt der demografische Wandel eine neue Zuordnung der ...

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372 MedR (2010) 28: 372−378<br />

on entdeckt. tatsächlich ist auf <strong>der</strong> Grundlage des Art. 13<br />

EGV (vgl. jetzt Artt. 10 und 19 AEuV) die Rahmenrichtlinie<br />

2000/78/EG erlassen worden; beide Rechtstexte sprechen<br />

die Altersdiskriminierung bekanntlich an. Auch sieht<br />

Art. 21 Abs. 1 GRCh ein ausdrückliches Verbot <strong>der</strong> Altersdiskriminierung<br />

vor, das für ältere Menschen durch ein<br />

beson<strong>der</strong>es Anerkennungs­ und Achtungsgebot in Art. 25<br />

GRCh verstärkt wird. Gewiss: Art. 13 EGV war lediglich<br />

<strong>eine</strong> Ermächtigungsnorm 17 und die Rahmenrichtlinie bezieht<br />

sich ebenso wenig auf die nationalen Systeme <strong>der</strong> sozialen<br />

Sicherheit wie die Grundrechtecharta. trotzdem lassen<br />

sich dem Recht <strong>der</strong> Eu erhebliche Anhaltspunkte dafür<br />

entnehmen, dass Differenzierungen, die an das Alter anknüpfen,<br />

gleichheitsrechtlich beson<strong>der</strong>s problematisch sind.<br />

Es ist daher auch im Grundsatz nicht überraschend, dass<br />

<strong>der</strong> EuGH unter Berücksichtigung dieser Anhaltspunkte<br />

inzwischen aus dem allgem<strong>eine</strong>n Gleichheitssatz ein Verbot<br />

<strong>der</strong> Altersdiskriminierung abgeleitet hat 18 .<br />

Bemerkenswert und überraschend ist es allerdings, dass<br />

die Mitgliedstaaten auf europäischer Ebene ein Verbot <strong>der</strong><br />

Altersdiskriminierung akzeptiert haben, das sie in ihren nationalen<br />

Verfassungen in dieser Stringenz bisher nicht kennen.<br />

Dass sie es nicht kennen, ist gut nachvollziehbar: Denn<br />

das Alter ist im Grundsatz eben ein beson<strong>der</strong>s egalitäres,<br />

dem Gedanken <strong>der</strong> Gerechtigkeit gerade verpflichtetes unterscheidungsmerkmal.<br />

Das heißt nicht, dass Anknüpfungen<br />

an das Alter und die Benachteiligung von Menschen<br />

mit <strong>eine</strong>m bestimmten Lebensalter – etwa auf dem Arbeitsmarkt<br />

– nicht problematisch sein können; dementsprechend<br />

finden wir in vielen Mitgliedstaaten auch bereichsspezifische<br />

Regelungen zur Bekämpfung <strong>der</strong> Altersdiskriminierung.<br />

Es spricht aber wenig dafür, das Alter generell als ein<br />

verpöntes Differenzierungsmerkmal zu betrachten.<br />

2. Die gleichheitsrechtlichen Folgen im Verfassungsrecht<br />

in <strong>der</strong> verfassungsrechtlichen Diskussion in Deutschland ist<br />

– häufig im Anschluss an die europarechtliche Entwicklung<br />

– ebenfalls zu beobachten, dass altersbezogene Differenzierungen<br />

zunehmend kritisch beurteilt werden und<br />

dem BVerfG insoweit <strong>eine</strong> deutlich strengere Kontrolle<br />

im Rahmen des allgem<strong>eine</strong>n Gleichheitssatzes nahegelegt<br />

wird 19 . Dieser tendenz ist entgegenzutreten: Das Alter ist<br />

I. Die Fragestellung<br />

Die rechtswissenschaftliche Wahrnehmung des Gesundheitswesens<br />

hat in den letzten Jahren <strong>eine</strong>n erheblichen<br />

<strong>Wandel</strong> vollzogen. Die drei teildisziplinen des Arztrechts,<br />

Prof. Dr. iur Winfried Kluth,<br />

Lehrstuhl für Öffentliches Recht,<br />

Martin­Luther­universität Halle­Wittenberg,<br />

universitätsplatz 3–5, 06108 Halle, Deutschland<br />

grundsätzlich kein – im Sinne <strong>der</strong> „<strong>neue</strong>n formel“ – problematisches<br />

personenbezogenes Merkmal 2 0 , son<strong>der</strong>n – bei<br />

richtiger Anwendung – ein beson<strong>der</strong>s egalitäres Differenzierungskriterium.<br />

Das BVerfG war daher gut beraten,<br />

wenn es Altersgrenzen bisher gleichheitsrechtlich nicht<br />

o<strong>der</strong> nur sehr zurückhaltend problematisiert hat 21 .<br />

Wenn Leistungsbeschränkungen im Gesundheitswesen<br />

verfassungsrechtlich möglich sein müssen 2 2 , stellt sich die<br />

frage, nach welchen Kriterien sie erfolgen sollen. Dies ist im<br />

Grundsatz <strong>eine</strong> politische Entscheidung, die von den Präferenzen<br />

<strong>der</strong> Bürger ebenso abhängt wie von zahlreichen<br />

Klugheits­ und zweckmäßigkeitserwägungen. Vorgegeben<br />

ist insoweit lediglich, dass die Begrenzung <strong>der</strong> Mittel für das<br />

Gesundheitswesen allgemein sein muss, also nicht zu Lasten<br />

<strong>eine</strong>r bestimmten Gruppe gehen darf. Diese Voraussetzung<br />

wird durch das Kriterium des Alters so gut wie durch kaum<br />

<strong>eine</strong>n an<strong>der</strong>en Maßstab erfüllt, da es gar kein allgem<strong>eine</strong>res<br />

Kriterium gibt. Höchstens das Losverfahren bietet <strong>eine</strong> ähnliche<br />

universalität <strong>der</strong> Anwendbarkeit; ihm gegenüber besitzt<br />

das Kriterium des Alters aber – wenn <strong>der</strong> Eindruck über<br />

die üblichen Präferenzordnungen nicht täuscht – erhebliche<br />

Vorteile: Die normale Lebensspanne zu erreichen wird gemeinhin<br />

für wichtiger erachtet als die Chance zu erhöhen,<br />

diese Spanne zu überschreiten 2 3 . Von <strong>eine</strong>r „Altersdiskriminierung“,<br />

die in menschenunwürdiger Weise den gleichen<br />

Achtungsanspruch <strong>eine</strong>s jeden verletzt, kann – unter den<br />

genannten Bedingungen – im falle <strong>eine</strong>r politisch beschlossenen<br />

Altersrationierung jedenfalls k<strong>eine</strong> Rede sein.<br />

DOI: 10.1007/s00350-010-2676-3<br />

<strong>Verlangt</strong> <strong>der</strong> <strong>demografische</strong> <strong>Wandel</strong> <strong>eine</strong> <strong>neue</strong> <strong>Zuordnung</strong><br />

<strong>der</strong> ärztlichen und sonstigen Gesundheitsdienstleistungen?<br />

– Eine Problemskizze*<br />

Winfried Kluth<br />

Kluth, <strong>Verlangt</strong> <strong>der</strong> <strong>demografische</strong> <strong>Wandel</strong> <strong>eine</strong> <strong>neue</strong> zuordnung <strong>der</strong> Gesundheitsleistungen?<br />

17) Vgl. nur Odendahl, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Handbuch <strong>der</strong><br />

Europäischen Grundrechte, 2006, § 43, Rdnr. 44 m. w. n.<br />

18) EuGH, Rs. C­144/04 (Mangold), Slg 2005, i­9981. Vgl. dazu<br />

Huster, EuR 2010, 234 ff.<br />

19) Vgl. insbeson<strong>der</strong>e König, in: fS f. zuleeg, 2005, S. 341, 356 ff.;<br />

dies., zESAR 2005, 218, 222 f.; ferner Nußberger, Jz 2002, 524 ff.;<br />

Simitis, nJW 2004, 1453 f.<br />

20) zu <strong>der</strong> entsprechenden dogmatischen Konstruktion des Gleichheitssatzes<br />

vgl. Huster, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar<br />

zum GG, Art. 3, Rdnrn. 78 ff. (Stand: 2005).<br />

21) Vgl. zuletzt etwa BVerfGK 10, 227 ff. m. w. n.<br />

22) Vgl. dazu Huster, Jz 2006, 466 ff., in Kritik an BVerfGE 115,<br />

25 ff.<br />

23) Vgl. dazu oben, sub iii. 2.<br />

des Medizinrechts und des Gesundheitsrechts 1 , die sowohl<br />

thematisch als auch wissenschaftlich­institutionell getrennt<br />

bearbeitet wurden, sch<strong>eine</strong>n zu konvergieren. Hin­<br />

*) Überarbeitete fassung <strong>eine</strong>s Vortrags im Rahmen <strong>eine</strong>s Workshops<br />

<strong>der</strong> DGMR zum thema „Demografischer <strong>Wandel</strong> und Gesundheitsversorgung“<br />

am 27. und 28. 9. 2009 in Halle (Saale).<br />

1) S. dazu exemplarisch die jeweiligen Standardwerke: Laufs/Katzenmeier/Lipp,<br />

Arztrecht, 6. Aufl. 2009; Quaas/Zuck, Medizinrecht,<br />

2. Aufl. 2008; Schiwy, Gesundheitsrecht, 2008.


Kluth, <strong>Verlangt</strong> <strong>der</strong> <strong>demografische</strong> <strong>Wandel</strong> <strong>eine</strong> <strong>neue</strong> zuordnung <strong>der</strong> Gesundheitsleistungen? MedR (2010) 28: 372−378 373<br />

zu kommt <strong>eine</strong> Betrachtung aus <strong>eine</strong>r Metaebene, wenn<br />

es etwa darum geht, das Gesundheits­ und Sozialrecht als<br />

teilbereich des öffentlichen Wirtschaftsrechts zu qualifizieren<br />

2 . Daran wird deutlich, dass den strukturellen Rahmenbedingungen,<br />

insbeson<strong>der</strong>e den durch Wettbewerb<br />

erzeugten Wirtschaftlichkeitsanreizen, sowie den nichtärztlichen<br />

Leistungen im Gesundheitswesen, die lange zeit<br />

ein rechtswissenschaftliches Schattendasein führten, <strong>eine</strong><br />

wachsende Bedeutung zukommt.<br />

Als wichtigste Auslöser des (erfor<strong>der</strong>lichen) strukturellen<br />

<strong>Wandel</strong>s im Gesundheitswesen werden in <strong>der</strong> Regel die<br />

durch den technischen fortschritt bedingte Kostenexplosion<br />

und <strong>der</strong> demographische <strong>Wandel</strong> (höherer Anteil alter<br />

Menschen mit vermehrter inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen<br />

3 ) angeführt. Der Bundesgesetzgeber<br />

hat darauf bereits in den vergangenen Jahren mit <strong>eine</strong>r<br />

Vielzahl von thematisch eng begrenzten Maßnahmen 4 reagiert,<br />

die neben Kürzungen im Leistungskatalog <strong>der</strong> Gesetzlichen<br />

Krankenversicherung auch auf die Stärkung des<br />

Wettbewerbs im System abzielen 5 . in diesem zusammenhang<br />

haben sich auch die Stellung und das Selbstverständnis<br />

<strong>der</strong> Gesundheitsberufe in mehrfacher Hinsicht verän<strong>der</strong>t.<br />

Sie unterliegen stärker als bislang expliziten Wirtschaftlichkeitsanfor<strong>der</strong>ungen<br />

6 , die in <strong>der</strong> Einrichtung des instituts<br />

für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen<br />

(iQWiG) 7 auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> §§ 139a ff. SGB V ihren<br />

sichtbaren und wirksamen Ausdruck gefunden haben. Darüber<br />

hinaus sind sie auch im Hinblick auf Qualität und<br />

Eigenverantwortlichkeit <strong>der</strong> Leistungserbringung höheren<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen unterworfen. Die dominierende Rolle des<br />

ärztlichen Berufsstandes soll – nicht zuletzt zur Senkung<br />

<strong>der</strong> Kosten – durch <strong>eine</strong> vermehrte Delegation und Substitution<br />

einzelner tätigkeiten durch an<strong>der</strong>e qualifizierte<br />

Gesundheitsberufe abgeschwächt werden 8 .<br />

Exemplarisch zum Ausdruck kommt diese Entwicklung<br />

in <strong>eine</strong>m Gesetzesantrag des Landes nordrhein­Westfalen<br />

zur Einführung <strong>eine</strong>r Modellklausel in die Berufsgesetze<br />

<strong>der</strong> Hebammen, Logopäden, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten<br />

und Rettungsassistenten vom 18. 4. 2008 9 . ziel des<br />

Vorschlags war es unter an<strong>der</strong>em, den zugang zu diesen Berufen<br />

über ein fachhochschulstudium zu ermöglichen und<br />

auf diese Weise den Ausbildungsstandard anzuheben und<br />

an das europäische Ausland anzupassen. Dort sind nämlich<br />

schon seit vielen Jahren ein höherer Ausbildungsstand und<br />

<strong>eine</strong> höhere Eigenständigkeit an<strong>der</strong>er Gesundheitsberufe<br />

zu verzeichnen 10 . zudem soll durch die verbesserte Eigenständigkeit<br />

<strong>der</strong> Gesundheitsberufe etwaigen Versorgungslücken<br />

und ­engpässen im Bereich <strong>der</strong> ärztlichen Versorgung<br />

vorgebeugt werden 11 .<br />

Vor diesem Hintergrund wird nachstehend <strong>der</strong> Versuch<br />

unternommen, nach <strong>eine</strong>m knappen Überblick zum Status<br />

quo <strong>der</strong> Gesundheitsberufe die Auswirkungen des <strong>demografische</strong>n<br />

<strong>Wandel</strong>s bei <strong>der</strong> nachfrage von Gesundheitsdienstleistungen<br />

sowie den Rahmen für <strong>eine</strong> Anpassung<br />

des Berufsrechts von Gesundheitsberufen zu ermitteln. Dabei<br />

soll <strong>der</strong> zuordnung <strong>der</strong> verschiedenen Gesundheitsberufe<br />

zum Ärztestand beson<strong>der</strong>e Aufmerksamkeit geschenkt<br />

werden.<br />

II. Die aktuelle Struktur<br />

<strong>der</strong> Gesundheitsdienstleistungen<br />

1. Die Verteilung <strong>der</strong> Gesetzgebungskompetenzen<br />

Das deutsche Gesundheitswesen ist traditionell durch <strong>eine</strong><br />

zersplitterung <strong>der</strong> Gesetzgebungskompetenzen für die Gesundheitsberufe<br />

geprägt 1 2 . Bei den Heilberufen, zu denen<br />

das BVerfG auch die Altenpflege rechnet 13 , ist <strong>der</strong> Bund<br />

gem. Art. 74 Abs. 1 nr. 19 GG „nur“ für die Regelung <strong>der</strong><br />

Ausbildung und <strong>der</strong> eng damit verbundenen zulassungsanfor<strong>der</strong>ungen<br />

zuständig, während die Berufsausübung<br />

einschließlich <strong>der</strong> fortbildung etwa zum facharzt 14 durch<br />

die Län<strong>der</strong>, vor allem in den Heilberufsgesetzen, geregelt<br />

wird. Das gleiche gilt für die Heilgewerbe, die überwiegend<br />

landesgesetzlich geregelt sind 15 . Hinzu kommen die<br />

fünf klassischen Gesundheitshandwerke, die in <strong>der</strong> Handwerksordnung<br />

verankert sind und die auf <strong>der</strong> Gesetzgebungskompetenz<br />

für das Recht <strong>der</strong> Wirtschaft nach Art. 74<br />

Abs. 1 nr. 11 GG beruhen. unterfüttert wird das gesamte<br />

Spektrum mit unterschiedlicher intensität durch harmonisierende<br />

Regelungen in <strong>der</strong> Berufsanerkennungsrichtlinie<br />

<strong>der</strong> Europäischen union 16 , die für die Ärzte, zahnärzte,<br />

Apotheker, Hebammen und Krankenschwestern in<br />

den Artt. 24 ff. spezielle Vorgaben aus früheren sektoralen<br />

Richtlinien enthalten 17 . Diese beziehen sich auf die jeweilige<br />

Berufsqualifikation und <strong>der</strong>en gegenseitige Anerkennung<br />

in den Mitgliedsstaaten.<br />

neben diesen genuin berufsrechtlichen Regelungen<br />

kennt das deutsche Recht mit den berufsbezogenen Regelungen<br />

des SGB V indes noch <strong>eine</strong> zweite bundesgesetzliche<br />

Regelungsebene, die aus <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> zulassung<br />

zur Leistungserbringung im Rahmen <strong>der</strong> GKV prägend auf<br />

die Gesundheitsberufe einwirkt und dabei <strong>der</strong>en Berufsausübung<br />

steuert 18 . Wegen des Vorrangs des Bundesrechts<br />

2) Dazu grundlegend Rixen, Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht,<br />

2005.<br />

3) Dazu zugespitzt Schirrmacher, Das Methusalem­Komplott, 2. Aufl.<br />

2006, S. 124 ff.; ausgewogener Birg, Die demographische zeitenwende,<br />

4. Aufl. 2005, S. 184 ff.; allgem<strong>eine</strong>r zu den Entwicklungen<br />

Kaufmann, Schrumpfende Gesellschaft, 2005, S. 95 ff.; speziell<br />

zu medizinischen Aspekten Schumpelick/Vogel (Hrsg.), Alter als<br />

Last und Chance, 2005; zu dem damit verbundenen Szenario <strong>der</strong><br />

Rationierung Zitter, Rationierung in <strong>der</strong> Altersmedizin?, 2001.<br />

4) Knappe Übersicht zu den einzelnen Reformschritten bei Quaas/<br />

Zuck (fn. 1), § 4, Rdnrn. 50 ff.<br />

5) zu <strong>eine</strong>m Aspekt des verschärften Wettbewerbs: Kluth, Verfassungs­<br />

und europarechtliche fragen <strong>eine</strong>r gesetzlichen Beschränkung<br />

<strong>der</strong> Abgabe von Hilfsmitteln durch Ärzte, 2004.<br />

6) näher Kluth, MedR 2005, 65 ff. zu den damit verbundenen folgen<br />

für das ärztliche Berufsbild: Gesellensetter, Die Annäherung<br />

des freien Arztberufes an das Gewerbe, 2007.<br />

7) S. www.iqwig.de sowie Sawicki, MedR 2005, 389 ff.; Genzel,<br />

ArztR 2006, 228 ff.; Quaas/Zuck (fn. 1), § 9, Rdnrn. 24 f.<br />

8) Dazu auch Bergmann, MedR 2009, 1 ff.<br />

9) BR­Dr. 256/08. Der Vorschlag fand indes k<strong>eine</strong> Mehrheit. Weniger<br />

weit reichende Erweiterungen von beruflichen zuständigkeiten<br />

im Bereich <strong>der</strong> Delegation und Substitution ärztlichen<br />

Handelns wurden kurz danach durch das Pflege­Weiterentwicklungsgesetz<br />

vorgenommen, G. v. 1. 7. 2008, BGBl. i S. 874.<br />

S. dazu auch Bergmann, MedR 2009, 1, 3.<br />

10) So sind in den romanischen Län<strong>der</strong>n die Pflegeberufe und <strong>der</strong><br />

Hebammenberuf seit langer zeit durch <strong>eine</strong> Hochschulausbildung<br />

für <strong>eine</strong> weiter gehende Selbständigkeit bestimmt. zu den<br />

unterschiedlichen Qualifikationen im Bereich <strong>der</strong> Augenoptik<br />

s. Kluth, Rechtliche Rahmenbedingungen <strong>eine</strong>r neupositionierung<br />

des Augenoptikerberufs in Deutschland, 2008, S. 21 ff.;<br />

<strong>der</strong>s., GewArch 2009, 110 ff.<br />

11) zu Versorgungslücken bei den Ärzten allgemein fAz nr. 235 v.<br />

20. 20. 2007, S. 13. Speziell zu Versorgungslücken bei Augenärzten<br />

Ärzte­zeitung v. 17. 3. 2008. zur Entwicklung <strong>der</strong> zahl <strong>der</strong><br />

Ärzte insgesamt Bergmann, MedR 2009, 1, unter Hinweis auf das<br />

Krankenhausbarometer.<br />

12) Übersicht bei Quaas/Zuck (fn. 1), § 2, Rdnrn. 27 ff.<br />

13) BVerfGE 106, 62 ff.<br />

14) zu <strong>der</strong> in diesem Bereich bestehenden Ausgestaltungsbefugnis<br />

<strong>der</strong> Berufskammern s. grundlegend BVerfGE 33, 125 ff.<br />

15) zu Einzelheiten Schnitzler, Das Recht <strong>der</strong> Heilberufe, 2004,<br />

S. 53 ff.<br />

16) Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des<br />

Rates v. 7. 9. 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen,<br />

ABlEu nr. L 255/22. S. dazu auch Kluth/Rieger, EuzW<br />

2005, 486 ff.<br />

17) zu Einzelheiten Kluth, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EuV/EGV,<br />

Kommentar, 3. Aufl. 2007, Art. 52, Rdnrn. 49 ff.<br />

18) Übersicht bei Quaas/Zuck (fn. 1), § 12 sowie §§ 17 ff.


374 MedR (2010) 28: 372−378<br />

gem. Art. 31 GG kommt diesen Regelungen jedenfalls im<br />

Bereich <strong>der</strong> GKV auch ein Vorrang gegenüber dem landesgesetzlichen<br />

Berufsrecht zu, wobei dies in <strong>der</strong> Praxis 19<br />

offenbar noch nicht zu Konflikten geführt hat, es sich<br />

demnach um zumindest wi<strong>der</strong>spruchsfreie Regelungen<br />

h a n d e l t 2 0 .<br />

Diese Verteilung <strong>der</strong> Gesetzgebungskompetenzen für die<br />

Gesundheitsberufe 21 – wenn man diese Bezeichnung als<br />

Oberbegriff nimmt 2 2 – zwischen Bund und Län<strong>der</strong>n zieht<br />

naturgemäß Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> Harmonisierung und<br />

zuordnung <strong>der</strong> verschiedenen Berufsbil<strong>der</strong> nach sich. in<br />

den fällen <strong>der</strong> Landeszuständigkeit kommen Abweichungen<br />

bei den jeweiligen Berufsbil<strong>der</strong>n hinzu. Vor allem aber<br />

fehlt es sowohl an <strong>eine</strong>r Gesamtkoordination <strong>der</strong> einzelnen<br />

Berufe an den Schnittstellen zueinan<strong>der</strong> als auch bei ihrer<br />

zuordnung zu den Bereichen <strong>der</strong> stationären und ambulanten<br />

Krankenversorgung sowie <strong>der</strong> Pflege und Rehabilitation.<br />

Eine solche Gesamtkoordination ist aber hilfreich,<br />

wenn nicht sogar erfor<strong>der</strong>lich, will man die Effektivität<br />

und Effizienz des Gesundheitswesens erhöhen und vermeiden,<br />

dass Kosteneinsparungen in <strong>eine</strong>m Bereich (z. B. <strong>der</strong><br />

stationären Versorgung) zu Kostensteigerungen in <strong>eine</strong>m<br />

an<strong>der</strong>en Bereich (etwa in den Bereichen Pflege o<strong>der</strong> Rehabilitation)<br />

führen 2 3 .<br />

2. Systematisierung <strong>der</strong> Berufsbil<strong>der</strong> im Gesundheitswesen<br />

aus fachlicher Perspektive<br />

Jedem Versuch <strong>eine</strong>r Systematisierung muss <strong>eine</strong> Bestandsaufnahme<br />

vorausgehen, die zum <strong>eine</strong>n die vorhandenen<br />

Berufsbil<strong>der</strong> ermittelt und sie zum an<strong>der</strong>en funktional verortet<br />

und einan<strong>der</strong> zuordnet.<br />

Die Bestandsaufnahme beginnt gewöhnlich mit den in<br />

sowohl formaler als auch funktionaler Hinsicht beson<strong>der</strong>s<br />

bedeutsamen akademischen Heilberufen, denen nicht nur<br />

die fachlich anspruchsvollsten tätigkeiten, son<strong>der</strong>n auch<br />

<strong>eine</strong> Gatekeeper­funktion zugewiesen wird, d. h. sie dirigieren<br />

weitgehend den zugang und die Art <strong>der</strong> Versorgung.<br />

Dies sind die Berufe des Arztes, des zahnarztes, des<br />

Psychologischen Psychotherapeuten sowie – mit deutlich<br />

abgeschwächter funktionaler Relevanz – des Apothekers.<br />

für diese Berufe ist ein universitätsstudium vorgeschrieben,<br />

das europaweit in s<strong>eine</strong>n Mindestanfor<strong>der</strong>ungen harmonisiert<br />

ist 2 4 .<br />

Dem Arzt zugeordnet sind die als Ausbildungsberufe<br />

ausgestalteten sog. Heilhilfsberufe 2 6 wie die Arzthelferberufe<br />

und die Geburtshilfeberufe, aber auch die medizinisch­technischen<br />

Berufe (MtA), die vor allem in <strong>der</strong><br />

Labormedizin tätig sind 2 7 .<br />

teilweise ebenfalls dem Arzt zugeordnet, in vielen fällen<br />

aber auch selbständig tätig sind die verschiedenen Pflegeberufe,<br />

die Krankenpflegeberufe, die Altenpflegeberufe und<br />

die Kin<strong>der</strong>pflegeberufe 2 8 . in diesem Bereich gibt es <strong>der</strong>zeit<br />

ein breites Spektrum unterschiedlicher Berufsausbildungen,<br />

die im falle <strong>der</strong> Pfegewissenschaften 2 9 bis zum universitätsstudium<br />

reicht. Es überwiegen aber nach wie vor<br />

die Ausbildungsberufe.<br />

Ähnlich verhält es sich bei den meisten Rehabilitationsberufen.<br />

Dazu gehören Physiotherapeut, Masseur, medizinischer<br />

Bademeister, Ergotherapeut, Motopäde, Logopäde,<br />

Medizinischer Sprachheilpädagoge, Sprachtherapeut, Orthoptist,<br />

Diplom­Musiktherapeut, Diplom­Kunsttherapeut,<br />

Podologe, Diätassistent, wobei jedoch einige <strong>der</strong> Berufe auf<br />

<strong>eine</strong>m fachhochschulstudium basieren 3 0 .<br />

Eine Son<strong>der</strong>stellung bei den Gesundheitsberufen nehmen<br />

die in <strong>der</strong> Handwerksordnung 31 verankerten Gesundheitshandwerke<br />

ein, zu denen die Augenoptiker, die Hörgeräteakustiker,<br />

die zahntechniker, die Orthopädietechniker<br />

und die Orthopädieschuhmacher gehören. Bei diesen Berufen<br />

sind zwei strukturelle Verän<strong>der</strong>ungen zu verzeichnen:<br />

Erstens nimmt <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> im klassischen Sinne<br />

Kluth, <strong>Verlangt</strong> <strong>der</strong> <strong>demografische</strong> <strong>Wandel</strong> <strong>eine</strong> <strong>neue</strong> zuordnung <strong>der</strong> Gesundheitsleistungen?<br />

2 5<br />

handwerklichen tätigkeitsanteile ab (das gilt vor allem für<br />

Augenoptik und Hörgeräteakustik), <strong>der</strong> Anteil dienstleisten<strong>der</strong><br />

tätigkeiten dafür zu. zweitens verfügt bereits heute<br />

ein erheblicher teil <strong>der</strong> Berufsanfänger über <strong>eine</strong>n fachhochschulabschluss<br />

3 2 mit <strong>der</strong> folge, dass die Prägung durch<br />

die handwerkstypische duale Ausbildung zurückgeht und<br />

über <strong>eine</strong> neuausrichtung <strong>der</strong> Berufsbil<strong>der</strong> nachgedacht<br />

werden sollte 3 3 .<br />

Schwierig gestaltet sich die zuordnung <strong>der</strong> Heilpraktiker.<br />

Es handelt sich bei diesem 1939 mit dem ziel <strong>der</strong><br />

Abschaffung dieses Berufsstandes 3 4 eingeführten Beruf um<br />

<strong>eine</strong>n Beruf ohne Berufsbild. We<strong>der</strong> das Gesetz selbst noch<br />

19) zu beobachten ist aber in <strong>der</strong> Praxis, dass die Ärzte die Vorgaben<br />

des SGB V wegen <strong>der</strong> engen Verknüpfung zur Abrechnungspraxis<br />

oft besser „kennen“ als die Berufsordnungen.<br />

20) Davon zu unterscheiden ist <strong>der</strong> „Konflikt“ zwischen Leistungsbeschränkungen<br />

nach dem SGB V und dem berufsrechtlichen<br />

Gebot <strong>eine</strong>r Behandlung nach den geltenden fachlichen Standards;<br />

s. dazu u. a. Kern, MedR 2004, 300 ff.<br />

21) in Gesundheitsdienstberufen, also unmittelbar in <strong>der</strong> Versorgung<br />

des Patienten, arbeiteten im Jahr 2005 2,58 Millionen Beschäftigte<br />

bzw. 2 Millionen Vollzeitäquivalente. Der frauenanteil in<br />

den Gesundheitsdienstberufen war sogar noch höher als unter<br />

den Beschäftigten im Gesundheitswesen insgesamt. Er lag 2005<br />

bei 80 % und ist damit gegenüber 1997 relativ konstant (79,2 %).<br />

Der Anteil <strong>der</strong> teilzeitkräfte lag im Jahr 2005 bei den Ärzten<br />

(14,3 %) und zahnärzten (9,2 %) deutlich niedriger als bei den<br />

nicht­akademischen Heilberufen. in Gesundheitsdienstberufen<br />

waren zum überwiegenden teil frauen teilzeitbeschäftigt<br />

(92,9 %). Die größte Berufsgruppe unter den Gesundheitsdienstberufen<br />

war mit 699.000 Beschäftigten im Jahr 2005 diejenige<br />

<strong>der</strong> Gesundheits­ und Krankenpflege (inklusive Gesundheits­<br />

und Kin<strong>der</strong>krankenpflege), die 27 % des Gesundheitsdienstpersonals<br />

ausmachte. Von 1997 bis 2005 zeigte sich in dieser Berufsgruppe<br />

nur ein leichter Anstieg von 2,9 %. Bei umrechnung in<br />

Vollzeitkräfte ergab sich dagegen sogar ein leichter Beschäftigtenrückgang<br />

von 1,5 %. Der frauenanteil in dieser Berufsgruppe<br />

lag 2005 bei 85,3 % und blieb damit gegenüber 1997 (84,7 %) fast<br />

unverän<strong>der</strong>t. Der Anteil <strong>der</strong> teilzeitkräfte lag 2005 bei gut <strong>eine</strong>m<br />

Drittel aller Beschäftigten.<br />

22) zu fragen <strong>der</strong> Begriffssystematik s. auch eingehend Sachverständigenrat<br />

zur Begutachtung <strong>der</strong> Entwicklung im Gesundheitswesen,<br />

Kooperation und Verantwortung, 2007, S. 71 ff. (abrufbar unter<br />

www.svr­gesundheit.de).<br />

23) Ein Beispiel dafür sind die höheren Pflegekosten, die durch den<br />

„Verzicht“ auf bestimmte Operationen bei älteren Menschen<br />

verursacht werden können.<br />

24) S. Artt. 24 ff. RL 2005/36/EG (dazu oben, fn. 16).<br />

25) Darunter werden hier Berufe verstanden, die nach dem deutschen<br />

dualen System durch ein nebeneinan<strong>der</strong> von praktischer<br />

Ausbildung und theorievermittlung gekennzeichnet sind.<br />

26) Dazu näher Schnitzler (fn. 15), S. 51 ff.<br />

27) Schnitzler (fn. 15), S. 60 ff.<br />

28) Schnitzler (fn. 15), S. 53 ff.<br />

29) zur Entwicklung s. näher Wagner, RDG 2008, 10 ff.; Schnei<strong>der</strong>,<br />

nJW 2001, 3226 ff.; <strong>der</strong>s., MedR 2004, 90 ff.<br />

30) zu Einzelheiten Schnitzler (fn. 15), S. 63 ff. Die Ausbildung <strong>der</strong><br />

Podologen ist bundeseinheitlich geregelt durch das Podologengesetz<br />

v. 4. 12. 2001, BGBl. i S. 3320. Das gleiche gilt u. a. für<br />

die Orthoptisten (G. v. 28. 11. 1989, BGBl. i S. 2061) und die Logopäden<br />

(G. v. 7. 5. 1980, BGBl. i S. 529). Die meisten an<strong>der</strong>en<br />

Berufe beruhen auf landesgesetzlichen Regelungen o<strong>der</strong> Rechtsverordnungen.<br />

für einige Berufe gibt es nicht in allen Bundeslän<strong>der</strong>n<br />

gesetzliche Vorgaben und Berufsbil<strong>der</strong>.<br />

31) Anlage i nrn. 33–37 zur HwO. S. zu den Berufen und ihrer Stellung<br />

im Gesundheitswesen näher Quaas/Zuck (fn. 1), §§ 39 ff.;<br />

Kluth, Verfassungs­ und europarechtliche fragen <strong>eine</strong>r gesetzlichen<br />

Beschränkung <strong>der</strong> Abgabe von Hilfsmitteln durch Ärzte,<br />

2004, S. 36 ff.<br />

32) Der Berufszugang ist nach § 7 Abs. 2 HwO auf diesem Weg ohne<br />

weiteres möglich.<br />

33) zu Entwicklungsoptionen in diesem Bereich s. Kluth (fn. 10),<br />

S. 63 ff. und 81 ff. Entsprechende Entwicklungen sind auch bei<br />

den an<strong>der</strong>en Gesundheitshandwerken sinnvoll denkbar.<br />

34) Schnitzler (fn. 15), S. 46. S. auch Quaas/Zuck (fn. 1), §§ 33 f.


Kluth, <strong>Verlangt</strong> <strong>der</strong> <strong>demografische</strong> <strong>Wandel</strong> <strong>eine</strong> <strong>neue</strong> zuordnung <strong>der</strong> Gesundheitsleistungen? MedR (2010) 28: 372−378 375<br />

die dazu ergangene Durchführungsverordnung enthalten<br />

Aussagen zu Ausbildung und Prüfung 3 5 . Vielmehr werden<br />

nur die Vollendung des 25. Lebensjahres sowie <strong>eine</strong> abgeschlossene<br />

Volksschulausbildung verlangt. für die weiter<br />

erfor<strong>der</strong>liche Kenntnisüberprüfung können die Län<strong>der</strong><br />

zwar im Rahmen des Erlaubnisverfahrens Kriterien aufstellen.<br />

Diese können sich ihrerseits, mangels materieller<br />

Gesetzgebungsbefugnis, nur aus an<strong>der</strong>en allgem<strong>eine</strong>n<br />

normen ableiten 3 6 . Hinzu kommt, dass in eigentümlichem<br />

Anachronismus dem Heilpraktiker die Ausübung <strong>der</strong> Heilkunde<br />

gestattet ist, die ansonsten den Ärzten vorbehalten<br />

wird, und dass das Heilpraktikergesetz zur Definition <strong>der</strong><br />

Heilkunde herangezogen wird, obwohl es selbst k<strong>eine</strong><br />

qualifizierten materiellen Anfor<strong>der</strong>ungen stellt. Es spricht<br />

deshalb alles dafür, dieses Gesetz aufzuheben und etwaige<br />

Lücken durch geeignetere Regelungen zu ersetzen 37 .<br />

3. <strong>Zuordnung</strong> <strong>der</strong> verschiedenen Berufsbil<strong>der</strong> und Tätigkeitsfel<strong>der</strong><br />

Stellt man die frage nach <strong>der</strong> zuordnung <strong>der</strong> verschiedenen<br />

Berufsbil<strong>der</strong> und <strong>der</strong> damit verbundenen tätigkeitsfel<strong>der</strong>,<br />

so führt dies angesichts <strong>der</strong> unterschiedlichen Regelungszuständigkeiten<br />

und Regelungszeitpunkte zu <strong>eine</strong>m<br />

diffusen Bild. im Vor<strong>der</strong>grund steht jeweils das eigene<br />

Berufsfeld, während die zusammenarbeit mit an<strong>der</strong>en Berufen<br />

nur dort genauer thematisiert wird, wo es sich um<br />

genuine Hilfsberufe handelt, <strong>der</strong>en funktion gerade darin<br />

besteht, <strong>eine</strong>n an<strong>der</strong>en Beruf, in <strong>der</strong> Regel den Arzt, zu<br />

unterstützen.<br />

Auch die Systematisierungen des SGB V 3 8 sowie des<br />

SGB Xii führen nicht weiter, da sie in erster Linie die Einbeziehung<br />

des jeweiligen Berufs in das System <strong>der</strong> Leistungserbringung<br />

und Kostenerstattung regeln und dabei<br />

nicht auf <strong>eine</strong> Koordination abzielen.<br />

Bemüht man sich gleichwohl um <strong>eine</strong> zuordnung, so bietet<br />

sich auch hier <strong>eine</strong> Orientierung an <strong>der</strong> zentralen Rolle<br />

des Arztes an, die formalrechtlich in den sog. Arztvorbehalten<br />

zum Ausdruck kommt. Dabei muss jedoch zwischen<br />

auf einzelne tätigkeiten bezogenen expliziten Arztvorbehalten,<br />

wie sie sich z. B. im Bereich des transplantationswesens<br />

(z. B. §§ 3 ff. tPG), des transfusionswesens (z. B.<br />

§§ 4, 5 tfG), <strong>der</strong> fortpflanzungsmedizin (§ 9 ESchG) und<br />

beim Schwangerschaftsabbruch (§ 218 a StGB) finden, und<br />

dem allgem<strong>eine</strong>n impliziten Arztvorbehalt, <strong>der</strong> aus § 1<br />

Abs. 1 HeilPrG abzuleiten ist 3 9 , unterschieden werden.<br />

Der implizite Arztvorbehalt erweist sich indes bei genauerem<br />

Hinsehen als wenig tragfähig, wenn <strong>der</strong> Bundeso<strong>der</strong><br />

Landesgesetzgeber ein Berufsbild konkret ausgestaltet<br />

hat. in diesen fällen tritt die unspezifische und indirekte<br />

Verbotsregelung des § 1 Abs 1 HeilPrG zurück. Konkret:<br />

Soweit auf gesetzlicher Grundlage <strong>eine</strong>m Gesundheitsberuf<br />

auf <strong>der</strong> Basis <strong>eine</strong>r entsprechenden Qualifikation bestimmte<br />

tätigkeiten erlaubt sind, spielt es grundsätzlich<br />

k<strong>eine</strong> Rolle, ob diese auch als Heilkunde i. S. des § 1 Abs. 1<br />

und 2 HeilPrG zu qualifizieren sind. Das folgt daraus, dass<br />

es sich bei diesen speziellen Berufsgesetzen um spezialgesetzliche<br />

Regelungen im Verhältnis zum HeilPrG handelt<br />

und <strong>der</strong> indirekte Arztvorbehalt gegenüber solchen Regelungen<br />

we<strong>der</strong> nach s<strong>eine</strong>r intention noch nach s<strong>eine</strong>m Regelungsgegenstand<br />

<strong>eine</strong> Sperrwirkung entfaltet. zweck des<br />

Gesetzes ist es nämlich nicht, die Regelung von weiteren<br />

speziellen Berufsbil<strong>der</strong>n im Bereich des Gesundheitswesens<br />

zu untersagen o<strong>der</strong> die Heilkunde den Ärzten und Heilpraktikern<br />

vorzubehalten. Vielmehr soll nur <strong>eine</strong> tätigkeit<br />

ohne Erlaubnis verhin<strong>der</strong>t werden.<br />

Entsprechend hat auch das BVerfG im falle <strong>der</strong> Augenoptik<br />

entschieden, dass Augeninnendruckmessungen auch<br />

von Augenoptikern durchgeführt werden können, da diese<br />

dafür ausreichend qualifiziert sind 4 0 . Daraus kann als allgem<strong>eine</strong><br />

Regel abgeleitet werden, dass die Reichweite <strong>der</strong> Betätigung<br />

<strong>eine</strong>s Gesundheitsberufs <strong>der</strong> sachlichen Reichweite<br />

<strong>der</strong> Ausbildung entspricht, die im betreffenden Berufsbild<br />

gesetzlich verankert ist. Dabei spielt es grundsätzlich k<strong>eine</strong><br />

Rolle, ob es sich bei dieser tätigkeit um Heilkunde i. S. des<br />

§ 1 HeilPrG handelt. zumindest ist die Berufsqualifikation<br />

nach den spezialgesetzlichen Berufsrechten als spezialgesetzliche<br />

Erlaubnis i. S. des HeilPrG anzusehen 41 .<br />

An<strong>der</strong>s gelagert sind fälle, in denen <strong>der</strong> Berufsbildungsmarkt<br />

Berufsqualifikationen anbietet, die als Ausübung <strong>der</strong><br />

Heilkunde zu qualifizieren sind, aber nicht auf <strong>eine</strong>r gesetzlichen<br />

Regelung, insbeson<strong>der</strong>e <strong>eine</strong>r Ausbildungsordnung,<br />

beruhen 4 2 . in diesen Konstellationen greift die Sperrwirkung<br />

des HeilPrG, so dass es <strong>eine</strong>r entsprechenden Erlaubnis<br />

bedarf. Darüber hinaus stellt sich aber auch die frage,<br />

ob es <strong>eine</strong>n Anspruch auf gesetzliche Anerkennung <strong>der</strong><br />

<strong>neue</strong>n Berufsbil<strong>der</strong> gibt, damit <strong>eine</strong> entsprechende Rechtssicherheit<br />

begründet wird. Es liegt damit ein fall <strong>der</strong> Begründung<br />

<strong>neue</strong>r o<strong>der</strong> erweiterter Berufsbil<strong>der</strong> 43 durch die<br />

Hochschulen und sonstigen Anbieter von Bildungsdienstleistungen<br />

vor, dem <strong>der</strong> Gesetzgeber bei <strong>der</strong> Regelung von<br />

Marktzutrittsschranken Rechnung tragen muss.<br />

III. Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Nachfragestrukturen<br />

bei Gesundheitsdienstleistungen aufgrund<br />

des <strong>demografische</strong>n <strong>Wandel</strong>s<br />

1. Strukturmerkmale des <strong>demografische</strong>n <strong>Wandel</strong>s<br />

im 21. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

Wenn es nunmehr darum geht, die Auswirkungen des <strong>demografische</strong>n<br />

<strong>Wandel</strong>s auf die nachfrage von Gesundheitsdienstleistungen<br />

zu ermitteln, so bedarf es zunächst <strong>eine</strong>r<br />

Präzisierung <strong>der</strong> damit angesprochenen Entwicklungen,<br />

denn mit <strong>demografische</strong>m <strong>Wandel</strong> werden zunächst ledig­<br />

35) Eine inhaltliche Ausgestaltung erfolgt nur durch privates Verbandsrecht.<br />

S. z. B. die Berufsordnung für Heilpraktiker (BOH)<br />

des fachverbandes Deutscher Heilpraktiker e. V. zu weiteren Berufsorganisationen<br />

<strong>der</strong> Heilpraktiker vgl. Rieger/Hespeler/Küntzel,<br />

in: Rieger/Dahm/Steinhilper (Hrsg.), HK­AKM, nr. 2460,<br />

Rdnr. 34 (Stand: 2009). zum text s. Dünisch/Bachmann, Das<br />

Recht des Heilpraktikerberufs und <strong>der</strong> nichtärztlichen Heilkundeausübung,<br />

Anhang 20.2.<br />

36) Schnitzler (fn. 15), S. 47. S. auch BVerfGE 78, 155 ff., zur Stellung<br />

<strong>der</strong> Heilpraktiker im System <strong>der</strong> Gesetzlichen Krankenversicherung.<br />

37) Erfor<strong>der</strong>lich wäre in diesem fall jedoch die Regelung <strong>eine</strong>s adäquaten<br />

Erlaubnisvorbehalts für die Ausübung <strong>der</strong> Heilkunde an<br />

an<strong>der</strong>er Stelle, denn insoweit erfüllt das Gesetz zweifelsohne <strong>eine</strong><br />

sinnvolle Systemfunktion, indem es die ansonsten geltende Gewerbefreiheit<br />

nach § 1 GewO beschränkt, die ursprünglich auch<br />

die heilberufliche tätigkeit umfasste.<br />

38) Hier ist vor allem an die Regelungen in den §§ 27 ff. SGB V zu<br />

denken. Dort werden nacheinan<strong>der</strong> die Leistungen <strong>der</strong> verschiedenen<br />

Leistungserbringer ausgestaltet.<br />

39) Die norm bestimmt, dass die Heilkunde nur von Ärzten und<br />

Personen ausgeübt werden darf, die nach dem HeilPrG dazu <strong>eine</strong><br />

Erlaubnis besitzen. Daraus kann indirekt abgeleitet werden, dass<br />

die Ausübung <strong>der</strong> Heilkunde grundsätzlich den Ärzten vorbehalten<br />

ist. Der tätigkeitsbereich <strong>der</strong> Heilpraktiker wird s<strong>eine</strong>rseits<br />

durch die expliziten Arztvorbehalte beschränkt.<br />

40) BVerfG, nJW 2000, 2736 ff. S. dazu auch Kluth (fn. 10),<br />

S. 52 ff.<br />

41) Hinzu kommt, dass die spezialgesetzlichen Vorgaben sehr viel<br />

genauer und anspruchsvoller sind als <strong>der</strong> vom HeilPrG verlangte<br />

„kriterienlose“ nachweis.<br />

42) Eine Parallele stellt die Entwicklung <strong>neue</strong>r juristischer Berufsbil<strong>der</strong><br />

wie des fH­Wirtschaftsjuristen dar, dem <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />

den zugang zur Rechtsberatung nicht verwehren konnte und<br />

unter an<strong>der</strong>em deshalb das Rechtsdienstleistungsgesetz geän<strong>der</strong>t<br />

hat.<br />

43) Das Recht <strong>der</strong> Berufstätigen (= Grundrechtsträger) zur Herausbildung<br />

<strong>neue</strong>r Berufsbil<strong>der</strong> war lange zeit in Vergessenheit geraten.<br />

Über den umweg <strong>der</strong> <strong>neue</strong>n Angebote <strong>der</strong> Hochschulen<br />

gewinnt es <strong>der</strong>zeit wie<strong>der</strong> an Bedeutung.


376 MedR (2010) 28: 372−378<br />

lich Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> zusammensetzung <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

bezeichnet, ohne dass damit konkrete Aussagen über<br />

inhalt und tendenzen dieser Verän<strong>der</strong>ung verbunden sind.<br />

Die Entwicklung in Deutschland 4 4 bis zum Jahr 2050 ist<br />

vor allem durch drei faktoren bestimmt: (1) das Schrumpfen<br />

<strong>der</strong> Gesamtbevölkerung von ca. 80 auf ca. 60 Millionen<br />

Einwohner 4 5 , (2) die zunahme des Anteils <strong>der</strong> über 75­jährigen<br />

von 6 auf 12 Millionen als folge <strong>der</strong> steigenden Lebenserwartung<br />

sowie (3) die Verän<strong>der</strong>ung des Verhältnisses<br />

zwischen Erwerbstätigen und transferempfängern von ca.<br />

2:1 auf 1:1 4 6 . Dieser Prozess vollzieht sich in den einzelnen<br />

Landesteilen nicht gleichmäßig und gleichzeitig. Vielmehr<br />

sind die Verän<strong>der</strong>ungen in den <strong>neue</strong>n Bundeslän<strong>der</strong>n bereits<br />

heute sichtbar, während vor allem im Südwesten erst<br />

mit <strong>eine</strong>r Verzögerung von bis zu zehn Jahren vergleichbare<br />

Verän<strong>der</strong>ungen spürbar werden. Das hängt mit <strong>der</strong> landesinternen<br />

Bevölkerungswan<strong>der</strong>ung vor allem junger frauen<br />

vom Osten in den Süd(west)en zusammen 47 .<br />

2. Auswirkungen in den einzelnen Bereichen<br />

<strong>der</strong> Gesundheitsversorgung<br />

Durch den damit grob skizzierten <strong>demografische</strong>n <strong>Wandel</strong><br />

verän<strong>der</strong>t sich die räumliche Struktur <strong>der</strong> nachfrage<br />

nach Gesundheitsdienstleistungen, vor allem durch den<br />

Bevölkerungsrückgang und die stärkere Überalterung auf<br />

dem Land. Bei weniger Gesamtnachfrage nimmt <strong>der</strong> Anteil<br />

an Pflegedienstleistungen und an<strong>der</strong>en Leistungen, die<br />

spezifisch durch ältere Menschen in Anspruch genommen<br />

werden, zu. Wegen <strong>der</strong> geringeren Mobilität än<strong>der</strong>t sich<br />

zunehmend auch <strong>der</strong> Ort <strong>der</strong> nachfrage nach den Gesundheitsdienstleistungen.<br />

Diese werden in stärkerem Maße zuhause<br />

nachgefragt und nicht in <strong>eine</strong>r ärztlichen Praxis.<br />

Die Auswirkungen machen sich bei den verschiedenen<br />

Berufsgruppen unterschiedlich bemerkbar. Während die<br />

Berufe <strong>der</strong> Geburtshilfe weniger in Anspruch genommen<br />

werden, weitet sich die nachfrage bei den Pflegeberufen<br />

und im Bereich <strong>der</strong> chronischen Krankheiten sowie typischen<br />

Alterskrankheiten weiter aus. Dabei ist umstritten,<br />

ob die Erhöhung <strong>der</strong> Lebenserwartung das Auftreten von<br />

altersbedingten Erkrankungen insgesamt erhöht o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Eintritt dieser Krankheiten lediglich zeitlich verschoben<br />

wird, so dass die Gesamtnachfrage in diesem Bereich sich<br />

nur unmerklich verän<strong>der</strong>t 4 8 .<br />

Begleitet wird dieser Prozess von <strong>eine</strong>m Rückgang <strong>der</strong><br />

zahl <strong>der</strong> aktiven Ärzte. Obwohl die zahl <strong>der</strong> Absolventen<br />

k<strong>eine</strong>n großen Verän<strong>der</strong>ungen unterliegt, geht die zahl <strong>der</strong><br />

Berufsanfänger seit einiger zeit zurück, da ein größerer<br />

Prozentsatz <strong>der</strong> Medizinabsolventen <strong>eine</strong> Berufstätigkeit in<br />

an<strong>der</strong>en Bereichen, wie <strong>der</strong> forschung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gesundheitsverwaltung,<br />

vorzieht 4 9 .<br />

3. Blick auf die Kostenfolgen<br />

Der Hinweis auf Kostensteigerungen ist ein cantus firmus<br />

je<strong>der</strong> Debatte über die Gesundheitspolitik in Deutschland<br />

und wird pauschal auf den technisch­wissenschaftlichen<br />

fortschritt und die Alterung <strong>der</strong> Gesellschaft zurückgeführt.<br />

Es bedarf jedoch <strong>eine</strong>r stärker differenzierenden<br />

Betrachtungsweise. So muss <strong>der</strong> Hinweis, dass durch den<br />

technisch­wissenschaftlichen fortschritt die Behandlungsmöglichkeiten<br />

erweitert und damit zusätzliche Kosten<br />

verursacht werden, jedenfalls durch die Erkenntnis korrigiert<br />

werden, dass zahlreiche <strong>neue</strong> Erkenntnisse auch zu<br />

kostensenkenden Effekten führen, weil entwe<strong>der</strong> die <strong>neue</strong>n<br />

Methoden preiswerter sind o<strong>der</strong> <strong>eine</strong> langfristige Behandlung<br />

durch <strong>eine</strong>n einmaligen Behandlungserfolg ersetzen.<br />

Gerade dieses Beispiel macht aber auch deutlich, dass die<br />

Kostensteigerung bei <strong>der</strong> Krankenbehandlung zu Kostensenkungen<br />

bei <strong>der</strong> Pflege führen kann, also in <strong>eine</strong>m separat<br />

finanzierten und bilanzierten Bereich. umgekehrt kann<br />

Kluth, <strong>Verlangt</strong> <strong>der</strong> <strong>demografische</strong> <strong>Wandel</strong> <strong>eine</strong> <strong>neue</strong> zuordnung <strong>der</strong> Gesundheitsleistungen?<br />

<strong>eine</strong> vermeintliche Kostensenkung durch den „Verzicht“<br />

auf bestimmte Behandlungen für alte Menschen im Rahmen<br />

<strong>eine</strong>r Priorisierung 5 0 zu höheren Pflegekosten führen.<br />

Auch in diesem fall darf nicht all<strong>eine</strong> auf die Kostensenkung<br />

bei <strong>der</strong> GKV geschaut werden.<br />

unter den Effekt Kostenfolgen ist aber auch zu subsumieren,<br />

dass auf Grund des <strong>demografische</strong>n <strong>Wandel</strong>s die<br />

Lastenverteilung für die Gesundheitskosten verschoben<br />

wird. Werden Gesundheitsdienstleistungen in <strong>eine</strong>m höheren<br />

umfang von Versicherten in Anspruch genommen,<br />

die nicht (mehr) erwerbstätig sind und deshalb nur <strong>eine</strong>n<br />

halbierten Beitrag zahlen, so bedeutet das zugleich, dass<br />

die Kostenbelastung <strong>der</strong> erwerbstätigen Versicherten steigt.<br />

Wird zugleich das ziel verfolgt, diese zusätzlichen Belastungen<br />

nicht als Lohnnebenkosten den Arbeitgebern aufzubürden,<br />

so verschärft das die zusätzlichen Belastungen<br />

<strong>der</strong> erwerbstätigen Versicherten weiter. Eine Steuerfinanzierung<br />

verschleiert diesen Effekt nur zum teil, da die abhängig<br />

Beschäftigten naturgemäß auch den größten teil<br />

dieser finanzierungsart bereitstellen. Lediglich die Verteilung<br />

fällt auf diesem Weg etwas „sozial gerechter“ aus.<br />

Schließlich muss aus dem Blickwinkel <strong>der</strong> Kostenfolgen<br />

auch die frage gestellt werden, welche Bedeutung die Gesellschaft<br />

<strong>der</strong> zunahme von Pflegebedürftigkeit aus dem<br />

Blickwinkel <strong>der</strong> finanzierung beimisst. Soll die im internationalen<br />

Vergleich große Kluft zwischen <strong>der</strong> Vergütung<br />

von ärztlicher tätigkeit und pflegen<strong>der</strong> tätigkeit beibehalten<br />

und durch die Maßnahmen <strong>der</strong> Kostenbegrenzung bei<br />

den steigenden Pflegedienstleistungen abgesichert werden,<br />

o<strong>der</strong> soll umgekehrt die zunahme des umfangs <strong>der</strong> in Anspruch<br />

genommenen Pflegeleistungen zum Anlass genommen<br />

werden, die Qualifikation <strong>der</strong> Pflegeberufe zu erhöhen<br />

und dabei auch die Vergütung zu verbessern?<br />

4. Schwierigkeiten <strong>der</strong> Anpassung<br />

Anpassungen bei den Gesundheitsberufen sind k<strong>eine</strong> r<strong>eine</strong>n<br />

Rechtsfragen, son<strong>der</strong>n müssen auch die beson<strong>der</strong>en ökonomischen<br />

und berufspolitischen implikationen dieses Bereichs<br />

berücksichtigen. Auch wenn es sich dabei lediglich<br />

um Rahmenbedingungen handelt, sollten sie im Rahmen<br />

<strong>eine</strong>r juristischen Analyse gleichwohl zur Kenntnis genommen<br />

werden. Der Sachverständigenrat hat in s<strong>eine</strong>m<br />

Gutachten „Kooperation und Verantwortung“ dazu ausgeführt:<br />

„Die Diskussion um den neuzuschnitt von Aufgaben<br />

im Gesundheitswesen mag bei den Berufsgruppen<br />

Konkurrenzgefühle, Ängste und Vorbehalte erzeugen,<br />

nicht zuletzt deshalb, weil die heutige Berufsstruktur, die<br />

zuordnung von tätigkeitsbereichen sowie die zuständigkeiten<br />

bei <strong>der</strong> Verordnung von Leistungen historisch entstanden<br />

sind und damit <strong>eine</strong> lange tradition besitzen. Eine<br />

Verän<strong>der</strong>ung des Professionenmixes setzt auch voraus, dass<br />

dieser gewachsene institutionelle Rahmen auf s<strong>eine</strong> heutige<br />

Sinnhaftigkeit überprüft wird 51 .<br />

44) Die folgenden Angaben basieren auf den Angaben in Berlin-Institut<br />

für Bevölkerung und Entwicklung, Die <strong>demografische</strong> Lage <strong>der</strong><br />

nation. Wie zukunftsfähig sind Deutschlands Regionen, 3. Aufl.<br />

2007.<br />

45) zum Aspekt des Schrumpfens und s<strong>eine</strong>n implikationen grundlegend<br />

Kaufmann, Schrumpfende Gesellschaft, 3. Aufl. 2008.<br />

46) Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung (fn. 44), S. 32 f.<br />

47) Dazu näher Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung (fn. 44),<br />

S. 10 ff., S. 36 ff.<br />

48) Dazu näher Kostorz/Schnapp, Gesundheits­ und Sozialpolitik<br />

9–10/2006, 26 ff.<br />

49) Dazu Bergmann, MedR 2009, 1. S. dazu auch das „Krankenhausbarometer“,http://www.kgnw.de/download/krankenhausbarometer/.<br />

50) Kritisch zu den kostensenkenden Effekten <strong>eine</strong>r Priorisierung<br />

Huster, Jz 2008, 859 ff.<br />

51) SVR­Gesundheit (fn. 22), nr. 65.


Kluth, <strong>Verlangt</strong> <strong>der</strong> <strong>demografische</strong> <strong>Wandel</strong> <strong>eine</strong> <strong>neue</strong> zuordnung <strong>der</strong> Gesundheitsleistungen? MedR (2010) 28: 372−378 377<br />

Die mit den Begrifflichkeiten für Gesundheitsberufe implizierte<br />

hierarchische Position <strong>der</strong> Ärzte im Gesundheitssystem<br />

steht <strong>eine</strong>m mo<strong>der</strong>nen, auf Kooperation gegründeten<br />

Verständnis von zusammenarbeit <strong>der</strong> Gesundheitsberufe<br />

im Wege, in dem gleichwohl eindeutige Verantwortlichkeiten<br />

bestehen 52 . Allerdings ist zu beobachten, dass nicht<br />

zuletzt durch die Gutachten des Sachverständigenrates die<br />

Einsicht in die notwendigkeit von Anpassungen langsam<br />

steigt, so dass auch bei denjenigen Berufsgruppen, die bislang<br />

<strong>eine</strong> Beeinträchtigung eigener finanzieller o<strong>der</strong> ideeller<br />

interessen befürchteten, <strong>eine</strong> sachliche Diskussion über<br />

Anpassungsmöglichkeiten begonnen hat. im folgenden<br />

wird <strong>der</strong> dabei zu beachtende verfassungsrechtliche Rahmen<br />

in den Blick genommen.<br />

IV. Der verfassungsrechtliche Rahmen<br />

des Anpassungsprozesses<br />

1. Der grundrechtliche Rahmen<br />

zentraler verfassungsrechtlicher Orientierungspunkt für<br />

die Verän<strong>der</strong>ung von Berufsbil<strong>der</strong>n ist das in Art. 12 Abs. 1<br />

GG verankerte Grundrecht <strong>der</strong> Berufsfreiheit 5 3 . Es dient<br />

aus <strong>eine</strong>r marktorientierten Betrachtungsweise, wie sie<br />

insbeson<strong>der</strong>e den EG­Grundfreiheiten und dem Binnenmarkt<br />

zugrunde liegt 5 4 , als Maßstab für die Verän<strong>der</strong>ung<br />

des „Marktzugangs“ (Berufswahl) und des „Marktverhaltens“<br />

(Berufsausübung). neben <strong>der</strong> freiheit <strong>der</strong> Anbieter<br />

von Gesundheitsdienstleistungen kommt aus verfassungsrechtlicher<br />

Perspektive allerdings auch <strong>der</strong> Schutzpflicht aus<br />

Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG <strong>eine</strong> beson<strong>der</strong>e Bedeutung zu, insbeson<strong>der</strong>e<br />

bei <strong>der</strong> Rechtfertigung von subjektiven zugangsbeschränkungen<br />

(Anfor<strong>der</strong>ungen an die Berufsqualifikation)<br />

sowie <strong>der</strong> Ausgestaltung <strong>der</strong> Berufsausübung (ärztliches<br />

Berufsrecht als Kehrseite von Patientenrechten) 55 .<br />

Verän<strong>der</strong>ungen bei den Berufszugangsanfor<strong>der</strong>ungen bedürfen<br />

<strong>eine</strong>r ausreichenden sachlichen Rechtfertigung. Sollen<br />

z. B. für bislang als Ausbildungsberufe konzipierte Gesundheitsberufe<br />

fachhochschulabschlüsse vorgeschrieben<br />

werden 5 6 , so muss <strong>der</strong> nachweis erbracht werden, dass die<br />

bisherigen Ausbildungsformen k<strong>eine</strong> adäquate Qualifikation<br />

vermitteln, o<strong>der</strong> <strong>eine</strong> Öffnung für <strong>eine</strong>n Berufszugang<br />

auch auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>eine</strong>r strukturierten Ausbildung<br />

vorgesehen wird. Dies entspricht auch <strong>der</strong> Regelungssystematik<br />

<strong>der</strong> Berufsanerkennungsrichtlinie. Denkbar ist aber<br />

auch <strong>eine</strong> „zweiteilung“ von Berufsbil<strong>der</strong>n, indem nur den<br />

besser qualifizierten Berufsträgern ein erweitertes tätigkeitsspektrum<br />

mit ggf. besseren Vergütungsmöglichkeiten<br />

eröffnet wird. Eine solche differenzierende Regelung wäre<br />

auch für <strong>eine</strong> Übergangsregelung naheliegend.<br />

<strong>neue</strong> Berufsbil<strong>der</strong> werden in <strong>der</strong> Regel 5 7 durch den<br />

Gesetzgeber entwickelt. nur er kann sie auch verbindlich<br />

umsetzen, d. h. die damit verbundenen Qualifikationsanfor<strong>der</strong>ungen<br />

als zwingende Voraussetzung <strong>eine</strong>r Berufswahl<br />

vorschreiben 5 8 . Die Entwicklung <strong>der</strong> letzten Jahre<br />

hat aber gezeigt, dass die initiative zur Entwicklung <strong>neue</strong>r<br />

Berufsbil<strong>der</strong> zunehmend von den Berufen selbst und den<br />

Bildungseinrichtungen, vor allem Hochschulen 59 , ausgeht.<br />

Diese können durch <strong>neue</strong> Studiengänge zugleich <strong>neue</strong><br />

Berufsbil<strong>der</strong> entwickeln, die sich zunächst innerhalb des<br />

geltenden Rechts am Markt bewähren müssen. Wie das<br />

Beispiel <strong>der</strong> rechtsberatenden Berufe gezeigt hat, kann ein<br />

bestimmter Ausbildungsstandard <strong>eine</strong>r nicht ganz unerheblichen<br />

Berufsgruppe zugleich den Gesetzgeber zur Marktöffnung<br />

zwingen 6 0 . Pauschale Anwalts­ o<strong>der</strong> Arztvorbehalte<br />

sind gegenüber Berufsträgern, die jedenfalls für <strong>eine</strong>n<br />

teil <strong>der</strong> vom Vorbehalt erfassten tätigkeiten ausreichend<br />

qualifiziert sind, im zweifel unverhältnismäßig.<br />

für die Gesundheitsdienstleistungen bedeutet dies, dass<br />

<strong>eine</strong> höhere Qualifikation einzelner Berufe sich auch bei<br />

<strong>der</strong> Aufgabenabgrenzung zum ärztlichen Berufsbild aus­<br />

wirken wird. indem das BVerfG 61 den impliziten Arztvorbehalt<br />

des HeilPrG eng auslegt und <strong>eine</strong> auf gesetzlicher<br />

Regelung basierende Qualifikation ausreichen lässt,<br />

um ihn zu durchbrechen, wird letztlich diesem umstand<br />

Rechnung getragen. Eine lediglich tatsächlich vorliegende<br />

Qualifikation reicht dabei jedoch nicht aus. Sie kann<br />

allenfalls den Gesetzgeber zu <strong>eine</strong>r nachregulierung<br />

verpflichten.<br />

2. Neuordnung <strong>der</strong> Gesetzgebungskompetenzen?<br />

Vor dem Hintergrund <strong>der</strong> erheblichen zerklüftung des<br />

Berufsrechts <strong>der</strong> Gesundheitsberufe muss auch die frage<br />

nach <strong>der</strong> angemessenen zuweisung <strong>der</strong> Gesetzgebungskompetenzen<br />

jenseits aller fö<strong>der</strong>alistischen Arithmetik<br />

gestellt werden. nicht nur das nebeneinan<strong>der</strong> von Bundes­<br />

und Landesrecht, son<strong>der</strong>n die zweiteilung vieler<br />

Berufsrechte zwischen bundes­ und landesgesetzlichen<br />

Regelungsbestandteilen (bei den Heilberufen) sowie das<br />

Überwölben <strong>der</strong> berufsrechtlichen Regelungen durch die<br />

berufsbezogenen sozialrechtlichen Vorgaben erschweren<br />

<strong>eine</strong> Gesamtkoordination ganz erheblich. Je mehr es deshalb<br />

bei <strong>der</strong> Weiterentwicklung des Gesundheitswesens<br />

darauf ankommt, Koordination und Kooperation <strong>der</strong> Gesundheitsberufe<br />

zu verbessern, wird man auch über die<br />

Kompetenzfrage vorurteilsfrei nachdenken müssen. Dabei<br />

wird nicht verkannt, dass auch <strong>der</strong> kooperative fö<strong>der</strong>alismus<br />

deutscher Prägung leistungsfähig ist. Dieses Modell<br />

leidet aber unter den zahlreichen Veto­Akteuren, die vor<br />

allem im Bereich des Gesundheitswesens zahlreich anzutreffen<br />

sind.<br />

V. Weitere Rahmenbedingungen <strong>eine</strong>r Neuordnung<br />

1. Höherpositionierung von bislang<br />

nicht-akademischen Gesundheitsberufen<br />

Bei einigen Ausbildungsgesundheitsberufen haben sich inzwischen<br />

fachhochschulstudiengänge etabliert 6 2 . Die Regelung<br />

<strong>der</strong> verschiedenen Studiengänge ist Län<strong>der</strong>sache,<br />

denn es handelt sich hier um berufliche Weiterbildungen.<br />

So finden sich fachhochschulstudiengänge (z. B. für Pflegefachkräfte,<br />

Physiotherapeuten o<strong>der</strong> Ergotherapeuten), die<br />

zum Erwerb <strong>eine</strong>s Diploms, Bachelors o<strong>der</strong> Masters führen,<br />

sowie einige pflegespezifische universitäre Studiengänge 6 3 .<br />

52) SVR­Gesundheit (fn. 22), nr. 73.<br />

53) Aktuelle Bestandsaufnahme bei Bulla, freiheit <strong>der</strong> Berufswahl,<br />

2009.<br />

54) zur Relevanz des Grundrechts <strong>der</strong> Berufsfreiheit für das Binnenmarktziel<br />

Ruffert, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte<br />

und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 16, Rdnr. 2.<br />

55) S. dazu Kluth, Die verfassungsrechtliche und europarechtliche<br />

Verankerung von Patientenrechten, in: Schumpelick/Vogel (Hrsg.),<br />

Arzt und Patient. Eine Beziehung im <strong>Wandel</strong>, 2006, S. 125 ff.<br />

56) Etwa für den Optometristen als höher qualifizierten Augenoptiker,<br />

s. Kluth, GewArch 2009, 110 ff.<br />

57) Private Berufsverbände leisten dabei <strong>eine</strong> wichtige Vorarbeit, auf<br />

die <strong>der</strong> Gesetzgeber nicht selten zurückgreift.<br />

58) S. zum Beruf des Altenpflegers BVerfGE 106, 62 ff.<br />

59) Den Hochschulen steht das Recht zur Entwicklung <strong>neue</strong>r Studiengänge<br />

zu, das die Entwicklung <strong>neue</strong>r Berufsbil<strong>der</strong> einschließt.<br />

S. dazu auch Schnellenbach, Studium und Prüfung, in: Hartmer/<br />

Detmer (Hrsg.), Hochschulrecht, 2004, S. 378 ff.; Thieme, Deutsches<br />

Hochschulrecht, 3. Auf. 2004, S. 251 ff.<br />

60) S. dazu näher BVerfG, nJW 2002, 3531.<br />

61) BVerfG (K), nJW 2000, 2736.<br />

62) Man sollte dies nicht pauschal als Akademisierung bezeichnen,<br />

da unter <strong>eine</strong>r akademischen Ausbildung in <strong>der</strong> Regel die universitäre<br />

Ausbildung mit <strong>eine</strong>r wissenschaftlichen Ausrichtung<br />

verstanden wird.<br />

63) SVR­Gesundheit (fn. 22), nr. 82.


378 MedR (2010) 28: 372−378<br />

zu beachten ist weiter, dass die in vielen Bereichen zu beobachtende<br />

zunehmende Spezialisierung <strong>der</strong> einzelnen Berufsgruppen<br />

zu <strong>eine</strong>r immer stärkeren fragmentierung <strong>der</strong><br />

Versorgungslandschaft führt. zwischen je<strong>der</strong> spezialisierten<br />

Berufsgruppe und den an<strong>der</strong>en Berufsgruppen entstehen<br />

Schnittstellen, die das Risiko von Koordinations­, Kommunikations­<br />

und Kontrollfehlern sowie auch Konflikte<br />

o<strong>der</strong> unklarheiten über zuständigkeiten bzw. Verantwortlichkeiten<br />

bergen. in <strong>eine</strong>r segmentierten Versorgungslandschaft<br />

sind generalistisch ausgerichtete Berufsgruppen notwendig,<br />

die den Überblick über das Versorgungsgeschehen<br />

behalten und Lotsenfunktionen bzw. Gatekeeper­Rollen<br />

übernehmen (z. B. Hausärzte, Case Manager). Deshalb<br />

sollte bei <strong>der</strong> Entwicklung <strong>neue</strong>r Berufsbil<strong>der</strong> auch die integrations­<br />

und Kooperationsfähigkeit stärker in den Blick<br />

genommen werden 6 4 .<br />

2. Gesetzliche Regelung des Heilkundebegriffs?<br />

Der Sachverständigenrat hat sich in s<strong>eine</strong>m Gutachten<br />

„Kooperation und Verantwortung“ für <strong>eine</strong> deutlichere<br />

gesetzliche Regelung des Arztvorbehalts bzw. des Heilkundebegriffs<br />

ausgesprochen. Dabei wurde zutreffend davon<br />

ausgegangen, dass die Definition <strong>der</strong> Heilkunde in § 1<br />

Abs. 2 HPG nicht geeignet ist, das ärztliche tätigkeitsfeld<br />

einzugrenzen, da sie zu weit gefasst ist. nach dieser<br />

Definition müsste <strong>der</strong> Arzt o<strong>der</strong> Heilpraktiker sämtliche<br />

Versorgungsleistungen selbst erbringen. Auf die Position<br />

und die tätigkeiten <strong>der</strong> nicht­ärztlichen Heilberufe<br />

gehe das Gesetz gar nicht ein. Somit lasse sich das ärztliche<br />

tätigkeitsfeld nicht eindeutig von dem <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Gesundheitsberufe abgrenzen. Auch fehle die nennung<br />

von tätigkeiten, die schwerpunktmäßig im zusammenhang<br />

mit <strong>der</strong> Verhütung von Krankheiten und <strong>der</strong>en Verschlimmerung<br />

stehen, die ebenfalls zum tätigkeitsspektrum<br />

<strong>der</strong> Heilkunde gehören. Dies entspricht auch den<br />

obigen feststellungen.<br />

Gleichwohl erscheint es nicht sinnvoll, die Abgrenzung<br />

durch <strong>eine</strong> <strong>neue</strong> Definition bzw. <strong>eine</strong>n neu gefassten allgem<strong>eine</strong>n<br />

Arztvorbehalt zu ermöglichen. Damit ist zu<br />

leicht die Gefahr verbunden, dass überschießende Verbotswirkungen<br />

entstehen, die verfassungsrechtlich bedenklich<br />

sind. Ausreichend wäre es, wenn an passen<strong>der</strong> Stelle Eingriffe<br />

in die körperliche integrität <strong>eine</strong>m berufsrechtlichen<br />

Vorbehalt unterstellt würden. Dabei ist zu beachten, dass<br />

im Recht <strong>der</strong> Gesundheitsberufe nicht nur <strong>der</strong> Arztvorbehalt<br />

anzutreffen ist. tätigkeitsvorbehalte existieren vielmehr<br />

auch für einige nicht­ärztliche Heilberufe, etwa für<br />

Hebammen und MtAs.<br />

3. Neubestimmung <strong>der</strong> zentralen Steuerungsfunktion <strong>der</strong> Ärzte<br />

Der Sozialwissenschaftler Marian Döhler hat in <strong>eine</strong>r vergleichenden<br />

Studie <strong>eine</strong> „beson<strong>der</strong>e Arztfixierung des<br />

deutschen Systems“ festgestellt 6 5 . Sie kommt darin zum<br />

Ausdruck, dass die Kooperation <strong>der</strong> Ärzte mit den an<strong>der</strong>en<br />

Gesundheitsberufen schwach ausgebildet und hierarchisch<br />

strukturiert ist. nach s<strong>eine</strong>r Meinung erhält diese<br />

Struktur dadurch <strong>eine</strong> Stabilisierung, dass die nichtärztlichen<br />

Gesundheitsberufe k<strong>eine</strong> arztähnliche institutionalisierung<br />

von Selbstverwaltungsrechten etablieren konnten,<br />

wie sie insbeson<strong>der</strong>e durch die Verkammerung zum<br />

Ausdruck kommt. Die autonome Weiterentwicklung von<br />

Ausbildungs­ und tätigkeitsinhalten sei dadurch ebenso<br />

verhin<strong>der</strong>t worden wie <strong>eine</strong> direkte integration in das<br />

Leistungsgeschehen <strong>der</strong> Sozialversicherung. in Großbritannien<br />

und den uSA gebe es hingegen k<strong>eine</strong> Rege­<br />

Kluth, <strong>Verlangt</strong> <strong>der</strong> <strong>demografische</strong> <strong>Wandel</strong> <strong>eine</strong> <strong>neue</strong> zuordnung <strong>der</strong> Gesundheitsleistungen?<br />

lungs­ o<strong>der</strong> institutionalisierungsform, die allein <strong>der</strong> medizinischen<br />

Profession vorbehalten ist. Grundsätzlich seien<br />

alle Muster <strong>der</strong> Marktregulierung auch auf die nichtärztlichen<br />

Gesundheitsberufe anwendbar. So sei es <strong>der</strong> Ärzteschaft<br />

nicht nur von dieser Seite her versagt, aufgrund<br />

<strong>eine</strong>r „höherwertigen“ Regulierung auf Privilegien und<br />

Son<strong>der</strong>rechte zu pochen, son<strong>der</strong>n die nichtärztlichen Gesundheitsberufe<br />

verfügten auch über <strong>eine</strong> institutionelle<br />

Basis, um selbständig zu <strong>eine</strong>r Domänenerweiterung zu<br />

gelangen. Dies habe sich im Verhalten <strong>der</strong> medizinischen<br />

Profession nie<strong>der</strong>geschlagen, die <strong>eine</strong> größere Akzeptanz<br />

gegenüber den Professionalisierungsbestrebungen <strong>der</strong> Assistenzberufe<br />

erkennen lasse. in Deutschland fehle es dagegen<br />

an den Grundlagen für <strong>eine</strong> institutionelle „Logik <strong>der</strong><br />

Generalisierung“, wie sie mit <strong>der</strong> arztähnlichen Regulierung<br />

<strong>der</strong> Assistenzberufe in Großbritannien und den uSA<br />

zu beobachten ist. Man könnte hier ein „small historical<br />

nonevent“, nämlich das Ausbleiben <strong>der</strong> Verkammerung<br />

<strong>der</strong> Assistenzberufe, als Ausgangspunkt für <strong>eine</strong>n Entwicklungspfad<br />

in <strong>der</strong> Marktregulierung begreifen, <strong>der</strong> die<br />

weitgehende fixierung auf den Kassen­ bzw. Vertragsarzt<br />

und dessen institutionell überlegene Positionierung innerhalb<br />

<strong>der</strong> GKV bedeutete 6 6 .<br />

Legt man diesen Befund, über den man in den Einzelheiten<br />

sicher trefflich streiten kann, zugrunde, so erweist<br />

sich auch die neubestimmung <strong>der</strong> auch von Döhler nicht<br />

bestrittenen zentralen Rolle <strong>der</strong> Ärzte im Versorgungssystem<br />

als vordringliche Aufgabe. Es wird dabei darum<br />

gehen, den Ärzten stärker als bisher auch <strong>eine</strong> Steuerfunktion<br />

zuzuweisen, bei <strong>der</strong> sie das ziel verfolgen, alle Gesundheitsberufe<br />

in <strong>eine</strong>r optimalen Art und Weise zum<br />

Einsatz zu bringen. Diese komplexe thematik kann hier<br />

nur als solche angedeutet werden. in den Gutachten des<br />

Sachverständigenrates Gesundheit liegen dazu wertvolle<br />

Ansätze vor, die an an<strong>der</strong>er Stelle weiter verfolgt werden<br />

können.<br />

VI. Zusammenfassung und Ausblick<br />

Der <strong>demografische</strong> <strong>Wandel</strong> verursacht zahlreiche Verän<strong>der</strong>ungen<br />

im Bereich <strong>der</strong> nachfrage von Gesundheitsdienstleistungen,<br />

auf die sinnvollerweise auch durch <strong>eine</strong> Weiterentwicklung<br />

des Berufsrechts <strong>der</strong> Gesundheitsberufe<br />

reagiert werden sollte. Dabei stehen die „Höherpositionierung“<br />

bislang ausbildungsgeprägter Berufe sowie als folge<br />

davon die neubestimmung des tätigkeitsbereichs dieser<br />

Berufe im Verhältnis zum Ärztestand im Vor<strong>der</strong>grund. in<br />

einigen Bereichen sind entsprechende Entwicklungen bereits<br />

in vollem Gange, in an<strong>der</strong>en stehen sie noch aus. Der<br />

Gesetzgeber sollte hier nach dem Sammeln von Erfahrungen<br />

vor allem tätig werden, indem er bestehende Rechtsunsicherheiten<br />

beseitigt und zugleich die Steuerungsfunktion<br />

<strong>der</strong> Ärzte deutlicher herausarbeitet. Bei <strong>der</strong> Suche nach<br />

verbesserten Rahmenbedingungen für die Kooperation<br />

von Gesundheitsberufen sollte schließlich auch die teilweise<br />

neuzuordnung <strong>der</strong> Gesetzgebungskompetenzen kein<br />

tabu darstellen.<br />

64) nach Angaben des SVR­Gesunhdeit (fn. 22), nr. 101, kommt<br />

ein Gutachten im Auftrag <strong>der</strong> britischen Regierung zu dem<br />

Ergebnis, dass in Anbetracht gegenwärtiger und zukünftig zu<br />

erwarten<strong>der</strong> personeller Engpässe in <strong>der</strong> Gesundheitsversorgung<br />

20 % <strong>der</strong> ärztlichen Arbeit an examinierte Pflegekräfte und<br />

12,5 % <strong>der</strong> tätigkeiten von examinierten Pflegekräften an Hilfskräfte<br />

übergehen sollten (Wanless 2002).<br />

65) Döhler, Die Regulierung von Professionsgrenzen, 1997, S. 221 f.<br />

66) Döhler (fn. 65), S. 222.

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