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Verlangt der demografische Wandel eine neue Zuordnung der ...

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Kluth, <strong>Verlangt</strong> <strong>der</strong> <strong>demografische</strong> <strong>Wandel</strong> <strong>eine</strong> <strong>neue</strong> zuordnung <strong>der</strong> Gesundheitsleistungen? MedR (2010) 28: 372−378 375<br />

die dazu ergangene Durchführungsverordnung enthalten<br />

Aussagen zu Ausbildung und Prüfung 3 5 . Vielmehr werden<br />

nur die Vollendung des 25. Lebensjahres sowie <strong>eine</strong> abgeschlossene<br />

Volksschulausbildung verlangt. für die weiter<br />

erfor<strong>der</strong>liche Kenntnisüberprüfung können die Län<strong>der</strong><br />

zwar im Rahmen des Erlaubnisverfahrens Kriterien aufstellen.<br />

Diese können sich ihrerseits, mangels materieller<br />

Gesetzgebungsbefugnis, nur aus an<strong>der</strong>en allgem<strong>eine</strong>n<br />

normen ableiten 3 6 . Hinzu kommt, dass in eigentümlichem<br />

Anachronismus dem Heilpraktiker die Ausübung <strong>der</strong> Heilkunde<br />

gestattet ist, die ansonsten den Ärzten vorbehalten<br />

wird, und dass das Heilpraktikergesetz zur Definition <strong>der</strong><br />

Heilkunde herangezogen wird, obwohl es selbst k<strong>eine</strong><br />

qualifizierten materiellen Anfor<strong>der</strong>ungen stellt. Es spricht<br />

deshalb alles dafür, dieses Gesetz aufzuheben und etwaige<br />

Lücken durch geeignetere Regelungen zu ersetzen 37 .<br />

3. <strong>Zuordnung</strong> <strong>der</strong> verschiedenen Berufsbil<strong>der</strong> und Tätigkeitsfel<strong>der</strong><br />

Stellt man die frage nach <strong>der</strong> zuordnung <strong>der</strong> verschiedenen<br />

Berufsbil<strong>der</strong> und <strong>der</strong> damit verbundenen tätigkeitsfel<strong>der</strong>,<br />

so führt dies angesichts <strong>der</strong> unterschiedlichen Regelungszuständigkeiten<br />

und Regelungszeitpunkte zu <strong>eine</strong>m<br />

diffusen Bild. im Vor<strong>der</strong>grund steht jeweils das eigene<br />

Berufsfeld, während die zusammenarbeit mit an<strong>der</strong>en Berufen<br />

nur dort genauer thematisiert wird, wo es sich um<br />

genuine Hilfsberufe handelt, <strong>der</strong>en funktion gerade darin<br />

besteht, <strong>eine</strong>n an<strong>der</strong>en Beruf, in <strong>der</strong> Regel den Arzt, zu<br />

unterstützen.<br />

Auch die Systematisierungen des SGB V 3 8 sowie des<br />

SGB Xii führen nicht weiter, da sie in erster Linie die Einbeziehung<br />

des jeweiligen Berufs in das System <strong>der</strong> Leistungserbringung<br />

und Kostenerstattung regeln und dabei<br />

nicht auf <strong>eine</strong> Koordination abzielen.<br />

Bemüht man sich gleichwohl um <strong>eine</strong> zuordnung, so bietet<br />

sich auch hier <strong>eine</strong> Orientierung an <strong>der</strong> zentralen Rolle<br />

des Arztes an, die formalrechtlich in den sog. Arztvorbehalten<br />

zum Ausdruck kommt. Dabei muss jedoch zwischen<br />

auf einzelne tätigkeiten bezogenen expliziten Arztvorbehalten,<br />

wie sie sich z. B. im Bereich des transplantationswesens<br />

(z. B. §§ 3 ff. tPG), des transfusionswesens (z. B.<br />

§§ 4, 5 tfG), <strong>der</strong> fortpflanzungsmedizin (§ 9 ESchG) und<br />

beim Schwangerschaftsabbruch (§ 218 a StGB) finden, und<br />

dem allgem<strong>eine</strong>n impliziten Arztvorbehalt, <strong>der</strong> aus § 1<br />

Abs. 1 HeilPrG abzuleiten ist 3 9 , unterschieden werden.<br />

Der implizite Arztvorbehalt erweist sich indes bei genauerem<br />

Hinsehen als wenig tragfähig, wenn <strong>der</strong> Bundeso<strong>der</strong><br />

Landesgesetzgeber ein Berufsbild konkret ausgestaltet<br />

hat. in diesen fällen tritt die unspezifische und indirekte<br />

Verbotsregelung des § 1 Abs 1 HeilPrG zurück. Konkret:<br />

Soweit auf gesetzlicher Grundlage <strong>eine</strong>m Gesundheitsberuf<br />

auf <strong>der</strong> Basis <strong>eine</strong>r entsprechenden Qualifikation bestimmte<br />

tätigkeiten erlaubt sind, spielt es grundsätzlich<br />

k<strong>eine</strong> Rolle, ob diese auch als Heilkunde i. S. des § 1 Abs. 1<br />

und 2 HeilPrG zu qualifizieren sind. Das folgt daraus, dass<br />

es sich bei diesen speziellen Berufsgesetzen um spezialgesetzliche<br />

Regelungen im Verhältnis zum HeilPrG handelt<br />

und <strong>der</strong> indirekte Arztvorbehalt gegenüber solchen Regelungen<br />

we<strong>der</strong> nach s<strong>eine</strong>r intention noch nach s<strong>eine</strong>m Regelungsgegenstand<br />

<strong>eine</strong> Sperrwirkung entfaltet. zweck des<br />

Gesetzes ist es nämlich nicht, die Regelung von weiteren<br />

speziellen Berufsbil<strong>der</strong>n im Bereich des Gesundheitswesens<br />

zu untersagen o<strong>der</strong> die Heilkunde den Ärzten und Heilpraktikern<br />

vorzubehalten. Vielmehr soll nur <strong>eine</strong> tätigkeit<br />

ohne Erlaubnis verhin<strong>der</strong>t werden.<br />

Entsprechend hat auch das BVerfG im falle <strong>der</strong> Augenoptik<br />

entschieden, dass Augeninnendruckmessungen auch<br />

von Augenoptikern durchgeführt werden können, da diese<br />

dafür ausreichend qualifiziert sind 4 0 . Daraus kann als allgem<strong>eine</strong><br />

Regel abgeleitet werden, dass die Reichweite <strong>der</strong> Betätigung<br />

<strong>eine</strong>s Gesundheitsberufs <strong>der</strong> sachlichen Reichweite<br />

<strong>der</strong> Ausbildung entspricht, die im betreffenden Berufsbild<br />

gesetzlich verankert ist. Dabei spielt es grundsätzlich k<strong>eine</strong><br />

Rolle, ob es sich bei dieser tätigkeit um Heilkunde i. S. des<br />

§ 1 HeilPrG handelt. zumindest ist die Berufsqualifikation<br />

nach den spezialgesetzlichen Berufsrechten als spezialgesetzliche<br />

Erlaubnis i. S. des HeilPrG anzusehen 41 .<br />

An<strong>der</strong>s gelagert sind fälle, in denen <strong>der</strong> Berufsbildungsmarkt<br />

Berufsqualifikationen anbietet, die als Ausübung <strong>der</strong><br />

Heilkunde zu qualifizieren sind, aber nicht auf <strong>eine</strong>r gesetzlichen<br />

Regelung, insbeson<strong>der</strong>e <strong>eine</strong>r Ausbildungsordnung,<br />

beruhen 4 2 . in diesen Konstellationen greift die Sperrwirkung<br />

des HeilPrG, so dass es <strong>eine</strong>r entsprechenden Erlaubnis<br />

bedarf. Darüber hinaus stellt sich aber auch die frage,<br />

ob es <strong>eine</strong>n Anspruch auf gesetzliche Anerkennung <strong>der</strong><br />

<strong>neue</strong>n Berufsbil<strong>der</strong> gibt, damit <strong>eine</strong> entsprechende Rechtssicherheit<br />

begründet wird. Es liegt damit ein fall <strong>der</strong> Begründung<br />

<strong>neue</strong>r o<strong>der</strong> erweiterter Berufsbil<strong>der</strong> 43 durch die<br />

Hochschulen und sonstigen Anbieter von Bildungsdienstleistungen<br />

vor, dem <strong>der</strong> Gesetzgeber bei <strong>der</strong> Regelung von<br />

Marktzutrittsschranken Rechnung tragen muss.<br />

III. Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Nachfragestrukturen<br />

bei Gesundheitsdienstleistungen aufgrund<br />

des <strong>demografische</strong>n <strong>Wandel</strong>s<br />

1. Strukturmerkmale des <strong>demografische</strong>n <strong>Wandel</strong>s<br />

im 21. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

Wenn es nunmehr darum geht, die Auswirkungen des <strong>demografische</strong>n<br />

<strong>Wandel</strong>s auf die nachfrage von Gesundheitsdienstleistungen<br />

zu ermitteln, so bedarf es zunächst <strong>eine</strong>r<br />

Präzisierung <strong>der</strong> damit angesprochenen Entwicklungen,<br />

denn mit <strong>demografische</strong>m <strong>Wandel</strong> werden zunächst ledig­<br />

35) Eine inhaltliche Ausgestaltung erfolgt nur durch privates Verbandsrecht.<br />

S. z. B. die Berufsordnung für Heilpraktiker (BOH)<br />

des fachverbandes Deutscher Heilpraktiker e. V. zu weiteren Berufsorganisationen<br />

<strong>der</strong> Heilpraktiker vgl. Rieger/Hespeler/Küntzel,<br />

in: Rieger/Dahm/Steinhilper (Hrsg.), HK­AKM, nr. 2460,<br />

Rdnr. 34 (Stand: 2009). zum text s. Dünisch/Bachmann, Das<br />

Recht des Heilpraktikerberufs und <strong>der</strong> nichtärztlichen Heilkundeausübung,<br />

Anhang 20.2.<br />

36) Schnitzler (fn. 15), S. 47. S. auch BVerfGE 78, 155 ff., zur Stellung<br />

<strong>der</strong> Heilpraktiker im System <strong>der</strong> Gesetzlichen Krankenversicherung.<br />

37) Erfor<strong>der</strong>lich wäre in diesem fall jedoch die Regelung <strong>eine</strong>s adäquaten<br />

Erlaubnisvorbehalts für die Ausübung <strong>der</strong> Heilkunde an<br />

an<strong>der</strong>er Stelle, denn insoweit erfüllt das Gesetz zweifelsohne <strong>eine</strong><br />

sinnvolle Systemfunktion, indem es die ansonsten geltende Gewerbefreiheit<br />

nach § 1 GewO beschränkt, die ursprünglich auch<br />

die heilberufliche tätigkeit umfasste.<br />

38) Hier ist vor allem an die Regelungen in den §§ 27 ff. SGB V zu<br />

denken. Dort werden nacheinan<strong>der</strong> die Leistungen <strong>der</strong> verschiedenen<br />

Leistungserbringer ausgestaltet.<br />

39) Die norm bestimmt, dass die Heilkunde nur von Ärzten und<br />

Personen ausgeübt werden darf, die nach dem HeilPrG dazu <strong>eine</strong><br />

Erlaubnis besitzen. Daraus kann indirekt abgeleitet werden, dass<br />

die Ausübung <strong>der</strong> Heilkunde grundsätzlich den Ärzten vorbehalten<br />

ist. Der tätigkeitsbereich <strong>der</strong> Heilpraktiker wird s<strong>eine</strong>rseits<br />

durch die expliziten Arztvorbehalte beschränkt.<br />

40) BVerfG, nJW 2000, 2736 ff. S. dazu auch Kluth (fn. 10),<br />

S. 52 ff.<br />

41) Hinzu kommt, dass die spezialgesetzlichen Vorgaben sehr viel<br />

genauer und anspruchsvoller sind als <strong>der</strong> vom HeilPrG verlangte<br />

„kriterienlose“ nachweis.<br />

42) Eine Parallele stellt die Entwicklung <strong>neue</strong>r juristischer Berufsbil<strong>der</strong><br />

wie des fH­Wirtschaftsjuristen dar, dem <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />

den zugang zur Rechtsberatung nicht verwehren konnte und<br />

unter an<strong>der</strong>em deshalb das Rechtsdienstleistungsgesetz geän<strong>der</strong>t<br />

hat.<br />

43) Das Recht <strong>der</strong> Berufstätigen (= Grundrechtsträger) zur Herausbildung<br />

<strong>neue</strong>r Berufsbil<strong>der</strong> war lange zeit in Vergessenheit geraten.<br />

Über den umweg <strong>der</strong> <strong>neue</strong>n Angebote <strong>der</strong> Hochschulen<br />

gewinnt es <strong>der</strong>zeit wie<strong>der</strong> an Bedeutung.

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