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Verlangt der demografische Wandel eine neue Zuordnung der ...

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376 MedR (2010) 28: 372−378<br />

lich Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> zusammensetzung <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

bezeichnet, ohne dass damit konkrete Aussagen über<br />

inhalt und tendenzen dieser Verän<strong>der</strong>ung verbunden sind.<br />

Die Entwicklung in Deutschland 4 4 bis zum Jahr 2050 ist<br />

vor allem durch drei faktoren bestimmt: (1) das Schrumpfen<br />

<strong>der</strong> Gesamtbevölkerung von ca. 80 auf ca. 60 Millionen<br />

Einwohner 4 5 , (2) die zunahme des Anteils <strong>der</strong> über 75­jährigen<br />

von 6 auf 12 Millionen als folge <strong>der</strong> steigenden Lebenserwartung<br />

sowie (3) die Verän<strong>der</strong>ung des Verhältnisses<br />

zwischen Erwerbstätigen und transferempfängern von ca.<br />

2:1 auf 1:1 4 6 . Dieser Prozess vollzieht sich in den einzelnen<br />

Landesteilen nicht gleichmäßig und gleichzeitig. Vielmehr<br />

sind die Verän<strong>der</strong>ungen in den <strong>neue</strong>n Bundeslän<strong>der</strong>n bereits<br />

heute sichtbar, während vor allem im Südwesten erst<br />

mit <strong>eine</strong>r Verzögerung von bis zu zehn Jahren vergleichbare<br />

Verän<strong>der</strong>ungen spürbar werden. Das hängt mit <strong>der</strong> landesinternen<br />

Bevölkerungswan<strong>der</strong>ung vor allem junger frauen<br />

vom Osten in den Süd(west)en zusammen 47 .<br />

2. Auswirkungen in den einzelnen Bereichen<br />

<strong>der</strong> Gesundheitsversorgung<br />

Durch den damit grob skizzierten <strong>demografische</strong>n <strong>Wandel</strong><br />

verän<strong>der</strong>t sich die räumliche Struktur <strong>der</strong> nachfrage<br />

nach Gesundheitsdienstleistungen, vor allem durch den<br />

Bevölkerungsrückgang und die stärkere Überalterung auf<br />

dem Land. Bei weniger Gesamtnachfrage nimmt <strong>der</strong> Anteil<br />

an Pflegedienstleistungen und an<strong>der</strong>en Leistungen, die<br />

spezifisch durch ältere Menschen in Anspruch genommen<br />

werden, zu. Wegen <strong>der</strong> geringeren Mobilität än<strong>der</strong>t sich<br />

zunehmend auch <strong>der</strong> Ort <strong>der</strong> nachfrage nach den Gesundheitsdienstleistungen.<br />

Diese werden in stärkerem Maße zuhause<br />

nachgefragt und nicht in <strong>eine</strong>r ärztlichen Praxis.<br />

Die Auswirkungen machen sich bei den verschiedenen<br />

Berufsgruppen unterschiedlich bemerkbar. Während die<br />

Berufe <strong>der</strong> Geburtshilfe weniger in Anspruch genommen<br />

werden, weitet sich die nachfrage bei den Pflegeberufen<br />

und im Bereich <strong>der</strong> chronischen Krankheiten sowie typischen<br />

Alterskrankheiten weiter aus. Dabei ist umstritten,<br />

ob die Erhöhung <strong>der</strong> Lebenserwartung das Auftreten von<br />

altersbedingten Erkrankungen insgesamt erhöht o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Eintritt dieser Krankheiten lediglich zeitlich verschoben<br />

wird, so dass die Gesamtnachfrage in diesem Bereich sich<br />

nur unmerklich verän<strong>der</strong>t 4 8 .<br />

Begleitet wird dieser Prozess von <strong>eine</strong>m Rückgang <strong>der</strong><br />

zahl <strong>der</strong> aktiven Ärzte. Obwohl die zahl <strong>der</strong> Absolventen<br />

k<strong>eine</strong>n großen Verän<strong>der</strong>ungen unterliegt, geht die zahl <strong>der</strong><br />

Berufsanfänger seit einiger zeit zurück, da ein größerer<br />

Prozentsatz <strong>der</strong> Medizinabsolventen <strong>eine</strong> Berufstätigkeit in<br />

an<strong>der</strong>en Bereichen, wie <strong>der</strong> forschung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gesundheitsverwaltung,<br />

vorzieht 4 9 .<br />

3. Blick auf die Kostenfolgen<br />

Der Hinweis auf Kostensteigerungen ist ein cantus firmus<br />

je<strong>der</strong> Debatte über die Gesundheitspolitik in Deutschland<br />

und wird pauschal auf den technisch­wissenschaftlichen<br />

fortschritt und die Alterung <strong>der</strong> Gesellschaft zurückgeführt.<br />

Es bedarf jedoch <strong>eine</strong>r stärker differenzierenden<br />

Betrachtungsweise. So muss <strong>der</strong> Hinweis, dass durch den<br />

technisch­wissenschaftlichen fortschritt die Behandlungsmöglichkeiten<br />

erweitert und damit zusätzliche Kosten<br />

verursacht werden, jedenfalls durch die Erkenntnis korrigiert<br />

werden, dass zahlreiche <strong>neue</strong> Erkenntnisse auch zu<br />

kostensenkenden Effekten führen, weil entwe<strong>der</strong> die <strong>neue</strong>n<br />

Methoden preiswerter sind o<strong>der</strong> <strong>eine</strong> langfristige Behandlung<br />

durch <strong>eine</strong>n einmaligen Behandlungserfolg ersetzen.<br />

Gerade dieses Beispiel macht aber auch deutlich, dass die<br />

Kostensteigerung bei <strong>der</strong> Krankenbehandlung zu Kostensenkungen<br />

bei <strong>der</strong> Pflege führen kann, also in <strong>eine</strong>m separat<br />

finanzierten und bilanzierten Bereich. umgekehrt kann<br />

Kluth, <strong>Verlangt</strong> <strong>der</strong> <strong>demografische</strong> <strong>Wandel</strong> <strong>eine</strong> <strong>neue</strong> zuordnung <strong>der</strong> Gesundheitsleistungen?<br />

<strong>eine</strong> vermeintliche Kostensenkung durch den „Verzicht“<br />

auf bestimmte Behandlungen für alte Menschen im Rahmen<br />

<strong>eine</strong>r Priorisierung 5 0 zu höheren Pflegekosten führen.<br />

Auch in diesem fall darf nicht all<strong>eine</strong> auf die Kostensenkung<br />

bei <strong>der</strong> GKV geschaut werden.<br />

unter den Effekt Kostenfolgen ist aber auch zu subsumieren,<br />

dass auf Grund des <strong>demografische</strong>n <strong>Wandel</strong>s die<br />

Lastenverteilung für die Gesundheitskosten verschoben<br />

wird. Werden Gesundheitsdienstleistungen in <strong>eine</strong>m höheren<br />

umfang von Versicherten in Anspruch genommen,<br />

die nicht (mehr) erwerbstätig sind und deshalb nur <strong>eine</strong>n<br />

halbierten Beitrag zahlen, so bedeutet das zugleich, dass<br />

die Kostenbelastung <strong>der</strong> erwerbstätigen Versicherten steigt.<br />

Wird zugleich das ziel verfolgt, diese zusätzlichen Belastungen<br />

nicht als Lohnnebenkosten den Arbeitgebern aufzubürden,<br />

so verschärft das die zusätzlichen Belastungen<br />

<strong>der</strong> erwerbstätigen Versicherten weiter. Eine Steuerfinanzierung<br />

verschleiert diesen Effekt nur zum teil, da die abhängig<br />

Beschäftigten naturgemäß auch den größten teil<br />

dieser finanzierungsart bereitstellen. Lediglich die Verteilung<br />

fällt auf diesem Weg etwas „sozial gerechter“ aus.<br />

Schließlich muss aus dem Blickwinkel <strong>der</strong> Kostenfolgen<br />

auch die frage gestellt werden, welche Bedeutung die Gesellschaft<br />

<strong>der</strong> zunahme von Pflegebedürftigkeit aus dem<br />

Blickwinkel <strong>der</strong> finanzierung beimisst. Soll die im internationalen<br />

Vergleich große Kluft zwischen <strong>der</strong> Vergütung<br />

von ärztlicher tätigkeit und pflegen<strong>der</strong> tätigkeit beibehalten<br />

und durch die Maßnahmen <strong>der</strong> Kostenbegrenzung bei<br />

den steigenden Pflegedienstleistungen abgesichert werden,<br />

o<strong>der</strong> soll umgekehrt die zunahme des umfangs <strong>der</strong> in Anspruch<br />

genommenen Pflegeleistungen zum Anlass genommen<br />

werden, die Qualifikation <strong>der</strong> Pflegeberufe zu erhöhen<br />

und dabei auch die Vergütung zu verbessern?<br />

4. Schwierigkeiten <strong>der</strong> Anpassung<br />

Anpassungen bei den Gesundheitsberufen sind k<strong>eine</strong> r<strong>eine</strong>n<br />

Rechtsfragen, son<strong>der</strong>n müssen auch die beson<strong>der</strong>en ökonomischen<br />

und berufspolitischen implikationen dieses Bereichs<br />

berücksichtigen. Auch wenn es sich dabei lediglich<br />

um Rahmenbedingungen handelt, sollten sie im Rahmen<br />

<strong>eine</strong>r juristischen Analyse gleichwohl zur Kenntnis genommen<br />

werden. Der Sachverständigenrat hat in s<strong>eine</strong>m<br />

Gutachten „Kooperation und Verantwortung“ dazu ausgeführt:<br />

„Die Diskussion um den neuzuschnitt von Aufgaben<br />

im Gesundheitswesen mag bei den Berufsgruppen<br />

Konkurrenzgefühle, Ängste und Vorbehalte erzeugen,<br />

nicht zuletzt deshalb, weil die heutige Berufsstruktur, die<br />

zuordnung von tätigkeitsbereichen sowie die zuständigkeiten<br />

bei <strong>der</strong> Verordnung von Leistungen historisch entstanden<br />

sind und damit <strong>eine</strong> lange tradition besitzen. Eine<br />

Verän<strong>der</strong>ung des Professionenmixes setzt auch voraus, dass<br />

dieser gewachsene institutionelle Rahmen auf s<strong>eine</strong> heutige<br />

Sinnhaftigkeit überprüft wird 51 .<br />

44) Die folgenden Angaben basieren auf den Angaben in Berlin-Institut<br />

für Bevölkerung und Entwicklung, Die <strong>demografische</strong> Lage <strong>der</strong><br />

nation. Wie zukunftsfähig sind Deutschlands Regionen, 3. Aufl.<br />

2007.<br />

45) zum Aspekt des Schrumpfens und s<strong>eine</strong>n implikationen grundlegend<br />

Kaufmann, Schrumpfende Gesellschaft, 3. Aufl. 2008.<br />

46) Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung (fn. 44), S. 32 f.<br />

47) Dazu näher Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung (fn. 44),<br />

S. 10 ff., S. 36 ff.<br />

48) Dazu näher Kostorz/Schnapp, Gesundheits­ und Sozialpolitik<br />

9–10/2006, 26 ff.<br />

49) Dazu Bergmann, MedR 2009, 1. S. dazu auch das „Krankenhausbarometer“,http://www.kgnw.de/download/krankenhausbarometer/.<br />

50) Kritisch zu den kostensenkenden Effekten <strong>eine</strong>r Priorisierung<br />

Huster, Jz 2008, 859 ff.<br />

51) SVR­Gesundheit (fn. 22), nr. 65.

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