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GESCHICHTE DES GRÜNSTADTER WEINWETTSTREITES<br />
Weinfest 1935 „geboren“ - Anno dazumal große Weinabsatzprobleme -<br />
Winzerexistenzen gefährdet - Suche nach „neuen Bahnen“ der Weinwerbung -<br />
Vom großen Festzelt zum attraktiven Weindorf<br />
Von Gerhard Laubersheimer<br />
Überfüllt war der Ratskeller in Grünstadt, als Anfang Februar 1935 eine<br />
Weinbauversammlung der gesamten Unterhaardt unter dem damaligen<br />
Kreisbauernführer Bossert stattfand.<br />
Landwirtschaftsassessor Heller von der Weinbauschule Neustadt sprach über das<br />
Jahr 1934 von der bisher größten Weinernte, an die man sich erinnern könne. Leider<br />
sei immer noch nicht genügend Fassraum vorhanden. „In den pfälzischen<br />
Genossenschaften wurden allein 6.200 Fuder Rot- und 8.150 Fuder Weißwein<br />
eingelagert.“<br />
Heller erinnerte, dass die Festpreise gesenkt werden mussten. Zur Frage, wie der<br />
Absatz belebt werden könne, meinte der Sachverständige, dass unbedingt die<br />
Einschränkung des Rebanbaues nötig sei. Auch müsse mehr Wert auf die Pflege des<br />
Weines gelegt, er müsse noch besser bekannt gemacht werden.<br />
Der Weinhandel habe sich größtenteils hinter den Reichsnährstand gestellt und auch<br />
Disziplin gewahrt. „Die wenigen Firmen, die sich Quertreibereien zuschulde kommen<br />
ließen, sind erkannt und werden dafür zur Rechenschaft gezogen.“<br />
Allerdings: „An diesen Vorkommnissen sind meistens auch die Winzer Schuld<br />
gewesen, die auf´s Gröblichste gegen die Disziplin verstoßen und damit den<br />
Wahlanspruch ‚Gemeinnutzen vor Eigennutz’ zuwider gehandelt haben.“<br />
Hierauf ergriff Kreisbauernführer Bossert das Wort. Er kritisierte, dass zahlreiche<br />
Winzer bezüglich der Richtpreise sich Unterbietungen hätten zu Schulden kommen<br />
lassen und auch zu wenig Fassraum verfügbar gewesen wäre.<br />
Wegen der Unterbringung der Rekordenten 1934 sei dreierlei zu beachten gewesen:<br />
erstens die Raumfrage, zweitens die Finanzierung und drittens die Angliederung des<br />
Weinhandels an den Reichsnährstand.<br />
Anbaubeschränkungen wurden für Riesling, Portugieser und Müller-Thurgau verfügt.<br />
Es sollten daher überwiegend Qualitätsweine erzeugt werden, die die Konkurrenz mit<br />
ausländischen Weinen aufnehmen konnten.<br />
Allein im pfälzischen Weinanbaugebiet wurden 1934 rund 140.000 Hektoliter Wein<br />
erzeugt (1933: 54.000). Und der „35-er“ sollte seinem Vorgänger in Quantität und<br />
Qualität keineswegs nachstehen.<br />
So lagen damals die Keller voll Wein, die Nachfrage war schleppend oder „gleich<br />
Null“; von einem florierenden Markt keine Rede.<br />
So mancher Winzer der Unterhaardt sah seine Existenz stark gefährdet.
Es galt damals, dem angeschlagenen Winzerstand zu helfen; neue<br />
Weinabsatzmöglichkeiten, neue Bahnen der Weinwerbung mussten gesucht werden.<br />
Die Bemühungen, weitere neue Freunde des Weines zu gewinnen und die Weine<br />
schnellstens und in größeren Mengen unter das Volk zu bringen, die Fässer zu<br />
leeren und Platz für den heranreifenden „Neuen“ zu schaffen, waren groß.<br />
Um diese Zeit wurde der Ruf laut, neben Bockenheim auch in Grünstadt ein “Fest<br />
des Weines“ zu schaffen. Dieses sollte auf die bis dahin so stiefmütterlich<br />
behandelten und wenig bekannten Weine der Unterhaardt aufmerksam machen.<br />
Was lag näher, als im gleichen Jahr, parallel zur Eröffnung der Deutschen<br />
Weinstraße 1935, ein solches Weinfest zu veranstalten.<br />
So wurde am 5. Oktober 1935 im Grünstadter Gasthaus „Drei König“ in der<br />
Hauptstraße (heute Uhren-Brodbeck) von einer Arbeitsgemeinschaft, zu ihr gehörten<br />
der Grünstadter Weinmarkt, Verkehrsverein und Stadtverwaltung, der “Weinwettstreit<br />
der Unterhaardt“ aus der Taufe gehoben. Ein Weinfest, eine<br />
Weinwerbeveranstaltung, die nicht nur in Grünstadt und Umgebung, sondern auch in<br />
der gesamten Pfalz etwas ganz Neuartiges darstellte, war entstanden.<br />
Friedrich Barbig, der Weingutsbesitzer starb am 16. Februar 1968, schrieb in der<br />
Festschrift zum Grünstadter Weinwettstreit 1960:<br />
Trotzdem blieb ein gewisser Pessimismus der ewigen Neinsager bestehen; sie<br />
nahmen eine abwartende Haltung ein. Es fand sich kein Vorsitzender des<br />
Weinschiedsgerichts. Grünstadt war als Weinstadt noch zu wenig geläufig.<br />
Und das Fest kam und rollte wie ein Film am 2., 3. und 4. November ab. Die<br />
„Gestiefelten Römer“ waren auf Plakaten erstmals weit hinausgeeilt ins pfälzische<br />
Land und über seine Grenzen.<br />
„Das ist etwas ganz neues und muss miterlebt werden“, sagten sich viele. Ihnen<br />
zeigte sich die alte Grafenstadt im Festschmuck und höfischen Glanz. Der Himmel<br />
war wohlwollend und sandte eine warme Herbstsonne am ersten November-Sonntag<br />
1935 auf die Feststadt, auch auf die offenen, noch mit Pferden bespannten Wagen<br />
mit den Pfälzer Weinköniginnen von 1934 (Trudel Knauber in Billigheimer Tracht)<br />
und von 1935 (Hilde Köhler in Gimmeldinger Tracht) im Festzug.<br />
Ein kleiner Winzerfestzug schloss sich an. Im weiten Weinzelt auf dem Luitpoldplatz<br />
brachte die Stadtkapelle mit ihren schmetternden Weisen bald Leben in die Bude.<br />
Zur Eröffnung griff der Pfälzer Dichter Ludwig Hartmann aus Ludwigshafen in seine<br />
Harfe; er sang ein hohes Lied auf die damals zwar in der Fachwelt, aber noch nicht in<br />
der Bevölkerung allzu bekannten Unterhaardter Weine.<br />
Die entzückenden Weinköniginnen beschirmten mit Charme und Geist zugleich ihre<br />
Jahrgänge, die um den Sieg stritten. Zehn Weine von den besten der Unterhaardt<br />
rangen um die Palme und machten die Gäste von nah und fern bekannt mit<br />
Neuleininger Schlossberg, Kleinkarlbacher Senn, Asselheimer Höllenberg,<br />
Kirchheimer Letten, Grünstadter Röth, Mühlheimer Berg, Bissersheimer Orlenberg,<br />
Bockenheimer Hassmannsberg, Dirmsteiner Mandelpfad und Sausenheimer Hütt. Es<br />
waren „Jahrhundertweine“, sie erregten Aufsehen weithin. Die erste Überraschung
schlug in Begeisterung um, getragen von Heimatstolz. Die Weine erfreuten sich<br />
eines seltenen Zuspruchs, dazu trugen auch die Preise bei von 0,50 bis eine<br />
Reichsmark pro Schoppen. Flaschenweine gab es nicht. Der Spitzenwein war am<br />
ersten Abend leer getrunken; das festlich gestimmte Haus nahm diese Mitteilung mit<br />
brausenden Beifall auf.<br />
Der Montag brachte dem Festzelt einen Massenbesuch von auswärts. Auch die<br />
letzten Grünstadter Zweifler besannen sich nun eines anderen und ließen sich<br />
mitreißen. Die Auswärtigen und Einheimischen machten aus ihrem Erstaunen über<br />
die Weine keinen Hehl. Vergleiche mit dem Dürkheimer Wurstmarkt wurden immer<br />
wieder angestellt, Gegenstand ständiger Huldigungen durch das weinfrohe Volk die<br />
charmanten Pfälzer Weinköniginnen.<br />
Ihrer wichtigsten Aufgabe erledigten sie sich am letzten Festtag (Dienstag) im großen<br />
Weinzelt in entzückender Weise. Der Höhepunkt des Festes war gekommen.<br />
In einem scharf formulierten Plädoyer begehrte die Weinkönigin von 1934 den Sieg<br />
für ihren als dem besser geratenen Jahrgang.<br />
Die Zungenprobe im großen Weinzelt habe alle von der edlen Süße des alle Herzen<br />
entzückenden 1934er überzeugt, dessen hohe Mostgewichte noch heute in aller<br />
Munde seien. Selbst die zuletzt gelesenen Sachen von 1935 würden hinter seinem<br />
berühmten Vorgänger zurückbleiben. Das sei die überwiegende Auffassung ihrer<br />
lieben Untertanen. Die große Begeisterung im Weinzelt sei nur die Wirkung des<br />
bezaubernden 1934er.<br />
Ihre Partnerin für den 1935er hatte dem gegenüber einen schweren Stand, hatte<br />
doch dieser Jahrgang infolge ungünstigen Herbstwetters die ursprünglichen<br />
Hoffnungen nicht ganz erfüllt. Die Schirmherrin für den 1935er verstand es aber,<br />
durch eine List ihren Jahrgang vor der drohenden Niederlage zu retten. Sie begehre<br />
den Sieg für den zukunftsreichen 1935er. Seine Süße und Säure zugleich bürgten<br />
dafür. Aber die bisher beigebrachten Beweisstoffe im Wein reichten zu einer<br />
vollständigen Beurteilung des Streitfalles nicht aus. Ihre lieben Untertanen an der<br />
Unterhaardt hätten die Ernte des viel versprechenden 1935er überhaupt noch nicht<br />
vollständig geborgen. Auf einer Fahrt durch die Rebengefilde der Unterhaardt habe<br />
sie sich selbst in den prächtig behangenen Weinbergen davon überzeugt, dass der<br />
Weinherbst daselbst noch nicht zu Ende sei. Die Süße allein mache noch nicht einen<br />
guten Jahrgang aus. Er brauche auch die rassige Säure und die himmlischen<br />
Duftstoffe. Alle diese Weineigenschaften zusammen ließen den 1935er zu einem<br />
Wein von Stahl und Feuer werden. Noch unsere Nachkommen würden ihn loben und<br />
preisen als eine göttliche Himmelsgabe.<br />
Mit diesen Argumenten begehrte sie vor dem gespannt lauschenden Weinvolk<br />
Vertragung des Schiedsspruches bis zum nächsten Jahr. Das weise<br />
Weinschiedsgericht konnte sich diesem Antrag und seiner Begründung nicht<br />
entziehen und erkannte dementsprechend. Das anwesende weinfrohe Volk brach<br />
darüber in grenzenlosen Jubel aus, freuten sich doch alle schon auf die<br />
Wiederholung im nächsten Jahr.<br />
So endete im späten Morgengrauen der erste Unterhaardter Weinwettstreit vor 77<br />
Jahren.
Weit mehr Besucher wurden schon ein Jahr später, 1936, registriert; 1937 fiel das<br />
Weinfest der Maul- und Klauenseuche zum Opfer, wurde wenige Tage vor Beginn<br />
des Festes behördlich abgesetzt. Diese Absage rief Bestürzung unter der<br />
Bevölkerung hervor.<br />
Beim Weinwettstreit 1938, letztes Fest vor dem Zweiten Weltkrieg, wurde mit 25.000<br />
Besuchern ein Rekordergebnis registriert.<br />
1949 wurde der Weinwettstreit vom 29. Oktober bis 1. November fortgesetzt und<br />
1950 erstmals „auf den ersten Sonntag und dem darauf folgenden Montag im<br />
Oktober“ vom Landratsamt Frankenthal festgelegt.<br />
1950 war übrigens auch das Geburtsjahr der Weingräfin, die alljährlich bis zum<br />
heutigen Tag nach dem Vorbild von Gräfin Eva von Neuleiningen gewählt wird. Unter<br />
den 63 Repräsentantinnen des <strong>Leiningerland</strong>es wurden Eva Wendel aus<br />
Bissersheim (1997/1998) und Patricia Frank aus Bockenheim (2007/2008) später<br />
Pfälzische Weinköniginnen. Silvia Benzinger aus Kirchheim, die 1998/1999 als 49.<br />
Weingräfin regierte, repräsentierte als 66. Weinkönigin 2004/2005 die Pfalz und<br />
wurde am 7. Oktober 2005 zur 57. Deutschen Weinkönigin gewählt. Derzeit heißt die<br />
63. Weingräfin des <strong>Leiningerland</strong>es Annemarie Siebert und ist die sechste<br />
Weinhoheit in der langjährigen Ahnenreihe aus dem Grünstadter Stadtteil<br />
Sausenheim.<br />
Diese Form des Weinfestes, in einem riesigen Zelt mehrere Tage zu feiern, verlor<br />
jedoch spätestens im Laufe der 80er-Jahre an Attraktivität. Eine gewisse Anonymität<br />
der ausgeschenkten Weine war nicht zu verleugnen, zumal die Winzer und<br />
Weinerzeuger oft auch nicht selbst im Festzelt vertreten waren. Zudem gingen die<br />
Besucherzahlen drastisch zurück.<br />
Eine Neukonzeption musste her. So wurde das letzte große Festzelt 1990 auf dem<br />
Luitpoldplatz aufgebaut und ab 1991 durch ein kleines, attraktives Weindorf ersetzt.<br />
Um gleichzeitig die eigentliche Grünstadter Kerwe, den Jakobimarkt, wieder ins<br />
Gedächtnis zu rufen, verlegten die Verantwortlichen das Weinfest auf das vierte Juli-<br />
Wochenende.<br />
Anfangs blieb Kritik nicht aus. Ein Weinfest mitten in den Sommerferien zu feiern,<br />
das konnte doch nicht sein. Doch die Kritiker wurden eines Besseren belehrt; die<br />
neue Form des Weinfestes außergewöhnlich gut angenommen, nicht nur von den<br />
Einheimischen, sondern auch von Fremden, die im <strong>Leiningerland</strong> Urlaub machten.<br />
Nun stehen auch wieder die Winzer hinter der Theke, leisten durch persönliche<br />
Beratung der Weinfestbesucher einen bedeutenden Beitrag zur Weinwerbung. Das<br />
gefällt dem Weinfestbesucher. Seitdem bewirten alljährlich in der Regel zehn<br />
Weinbaubetriebe aus Grünstadt, Asselheim, Sausenheim sowie der<br />
Herkunftsgemeinde der jeweiligen Weingräfin das attraktive Weindorf und ermitteln<br />
untereinander den Riesling- und Dornfelder-Preis. Dadurch wird der Bezeichnung<br />
„Weinwettstreit“ auch ein wenig Rechnung getragen.