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Feminismus und kulturelle Dominanz - no-racism.net

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2| Was ist Rassismus?<br />

Fragen an Mark Terkessidis, Kölner Migrationsforscher, Psychologe <strong>und</strong> Autor<br />

Herr Terkessidis, wie definieren Sie Rassismus?<br />

Rassismus bedeutet immer eine hergestellte Trennung zwischen „uns“ <strong>und</strong> „ihnen“. Das Wort hergestellt ist dabei<br />

wichtig. In Deutschland etwa wird häufig davon ausgegangen, dass es zwei unterschiedliche Gruppen auf einem<br />

Territorium gibt – „Deutsche“ <strong>und</strong> „Ausländer“ – <strong>und</strong> dass Rassismus dann so etwas ist wie die „Feindlichkeit“<br />

der einen Gruppe gegen die andere. Tatsächlich aber gibt es eine Bevölkerung <strong>und</strong> in dieser Bevölkerung wird<br />

ständig aufs neue eine Spaltung produziert zwischen „Deutschen“ <strong>und</strong> „Ausländern“. „Ausländer“ bilden keine<br />

reale Gruppe <strong>und</strong> angesichts der zahlreichen Unterschiede kann man nicht einmal bei „Türken“ oder „Muslimen“<br />

von einer Einheit sprechen. Diese Personen sind auch keine „Fremden“ mehr, denn Migration nach Deutschland<br />

gibt es schon seit über 100 Jahren.<br />

Tatsächlich sind Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt, ausgrenzende gesetzliche Regelungen, <strong>kulturelle</strong> Selbstverständlichkeiten,<br />

der öffentliche Diskurs <strong>und</strong> alltägliche Diskriminierung ein Gemisch, dass Menschen überhaupt<br />

erst zu „Fremden“ macht. Das bedeutet nicht, dass es keine Unterschiede zwischen Menschen gibt. Es gibt<br />

viele. Rassismus aber ist die Markierung von ganz bestimmten Unterschieden, um eine Spaltung herbeizuführen.<br />

Beispielsweise ist es eigentlich völlig absurd, dass Schattierungen der Haut irgendein Unterscheidungsmerkmal<br />

zwischen Menschen sind. Den<strong>no</strong>ch sind sie seit Jahrh<strong>und</strong>erten von immenser Bedeutung.<br />

Wie schätzen sie die momentane Verwendung des Begriffes ein?<br />

In Deutschland wird der Begriff Rassismus extrem verkürzt verwendet – zumeist in bezug auf Rechtsextremismus<br />

<strong>und</strong> Gewalt. Für alles andere gibt es Sonderausdrücke wie „Ausländerfeindlichkeit“ oder „Fremdenfeindlichkeit“.<br />

Tatsächlich geht es aber oft gar nicht um tätliche Angriffe von Monsterskins – damit haben die meisten Menschen<br />

mit Migrationshintergr<strong>und</strong> keine Erfahrungen. Dafür aber mit vielen alltäglichen Diskriminierungen bei den Behörden<br />

oder mit vielen, kleinen Erlebnissen im Alltag, die ihnen klar machen, dass sie nicht dazugehören. Die Annahme,<br />

dass in Deutschland geborene Personen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> eigentlich „woanders“ hingehören<br />

kann sich ja sowohl in dem Ruf „Ausländer raus“ zeigen als auch in der wie eine Aufforderung formulierten<br />

fre<strong>und</strong>lichen Frage, wann man denn gedenkt, wieder „zurück“ in „sein Land“ zu gehen.<br />

Ist Rassismus eine Ideologie, eine Praxis, etwas ganz anderes?<br />

Rassismus ist eine Art Komplex aus Praxis <strong>und</strong> Wissen. Am Anfang stehen die Benachteiligungen von bestimmten<br />

Gruppen in den Institutionen. Als die Arbeitsmigranten in den 1960er Jahren nach Deutschland kamen, da wurden<br />

sie nur für bestimmte Tätigkeiten eingestellt – unqualifizierte, schwere Industriearbeit. Damals war ganz unverhohlen<br />

von „Kanaken-Jobs“ die Rede. Wenn man Menschen jahrzehntelang nur in bestimmten Jobs sieht, dann<br />

bildet sich ein Wissen – ein Wissen, dass die untergeord<strong>net</strong>e Rolle von bestimmten Gruppen erklärt <strong>und</strong> rechtfertigt.<br />

Dieses „rassistische Wissen“ ist weit verbreitet – nicht etwa bloß eine Verirrung von einzelnen. So hat man in<br />

den 1970er Jahren gedacht, dass „Ausländer“ schlecht reichen, langsam <strong>und</strong> faul sind <strong>und</strong> ständig feiern wollen.<br />

Heute hat sich dieses Wissen auf andere Eigenschaften verschoben. Es geht mehr um Gewaltbereitschaft, Kriminalität<br />

<strong>und</strong> Fanatismus. Wichtig ist, dass dieses rassistische Wissen sich durchaus an realen Beobachtungen aufhängt<br />

<strong>und</strong> einleuchtende Erklärungen liefert. Die Benachteiligung in den Institutionen wird dabei nicht gesehen.<br />

Wie der Philosoph Moses Mendelssohn es einmal sehr anschaulich aus der jüdischen Perspektive formuliert hat:<br />

Man bindet uns die Hände <strong>und</strong> danach wirft man uns vor, dass wir sie nicht benutzen.<br />

Und was kann gegen Rassismus wirklich getan werden?<br />

Im Gr<strong>und</strong>e ist Rassismus ein Ungleichheitsverhältnis in der Gesellschaft – so ähnlich wie das Ungleichheitsverhältnis<br />

zwischen Männern <strong>und</strong> Frauen. Genauso alt <strong>und</strong> hartnäckig ist es auch. Es wäre also vermessen, wenn man<br />

glaubt – <strong>und</strong> das wird in Deutschland häufig getan – dass einige gutgemeinte Kampagnen die Sache schon aus der<br />

Welt schaffen würden. Ein großes Problem ist, dass hierzulande oft anlassbezogen gehandelt wird. Wenn es eine<br />

Häufung von rassistischen Anschlägen gibt, dann fließt Geld in hektisch zusammengezimmerte Projekte. Die mögen<br />

besser oder schlechter sein. Doch ein solches Handeln greift die strukturelle Seite nicht auf. Manchmal ist es<br />

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