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Feminismus und kulturelle Dominanz - no-racism.net

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gen hat? Integrationsdiskurse <strong>und</strong> Integrationsregime<br />

Integration <strong>und</strong> Gouvernementalität<br />

Nehmen wir das Foucault’sche Konzept der Gouvernementalität als Analysefolie, wird das Integrationsgeschäft<br />

deutlicher. Gouvernementalität bezeich<strong>net</strong> eine Regierungskunst, deren Machttechniken weit über den Herrschaftsbereich<br />

des Staates hinausreichen. Sie wird gebildet aus Institutionen <strong>und</strong> Verfahren, die es ermöglichen,<br />

eine Macht auszuüben, welche die Bevölkerung zur Zielscheibe hat. Die Bevölkerung, ihre Arbeitskraft, ihre Lebensformen,<br />

ihr Konsum, ihre Vorlieben <strong>und</strong> ihr Wachstum werden hier zum Gegenstand von Intervention <strong>und</strong> regulierender<br />

Kontrollen (vergleiche Foucault 2000). Damit zielt sie auf alle Teile der Gesellschaft von der Wirtschaft<br />

bis zur Wissenschaft, von der Familie bis zur Religion. Es lässt sich damit zeigen, wie die Regierung ihre<br />

Macht entfaltet, ohne dabei nur auf die Androhung von Strafe zu rekurrieren, <strong>und</strong> wie die Bevölkerung sich formen<br />

lässt, ohne dass sie bemerkt, in welcher Art <strong>und</strong> Weise sie gelenkt wird. Die Macht der Regierung wird mithin<br />

nicht auf staatliche Gewalt reduziert. Im Gegenteil, gerade die Prozesse der Normalisierung <strong>und</strong> die darin ein -<br />

gebetteten Disziplinierungstechniken werden berücksichtigt.<br />

Unter einer solchen Perspektive können Integrationsregime beschrieben werden als ein Bündel (sozial-)politischer<br />

Maßnahmen, welche für die hiervon Regierten ein beständiges Mehr an Ausschluss <strong>und</strong> Kontrolle bedeuten. Integrationspolitik<br />

kann dann als „Normalisierungs- <strong>und</strong> Disziplinierungsregime“ beschrieben werden, das all jenes,<br />

welches sich nicht in eine Vorstellung des „Normalen“ <strong>und</strong> mithin „Richtigen“ fügen lässt, ausschließt <strong>und</strong>/oder<br />

marginalisiert. So wird verständlich, warum der zunehmenden Exkludierung von Eingewanderten eine Akkumulation<br />

von Integrationsforderungen gegenüber steht, die über sich verschärfende staatliche Kontrollregime erzwungen<br />

werden. Wer beispielsweise keine Garantie erhält, auf Dauer in einem Land leben zu dürfen, kann sich schwer<br />

eine Zukunft in diesem vorstellen. Eine Integration von Menschen, die etwa nur über eine Duldung verfügen, ist<br />

damit unmöglich. Die sozialen Folgen hiervon sind gravierender, als es auf den ersten Blick scheinen mag: Menschen,<br />

die nur auf Zeit in einem Land leben dürfen, unterziehen sich verständlicherweise nur mit Mühen den geforderten<br />

Integrationsmaßnahmen. Warum sich assimilieren, wenn der Aufenthalt morgen schon gewaltsam beendet<br />

werden kann – ist eine Duldung doch offiziell nur eine „Aufschiebung der Abschiebung“. Die sogenannte<br />

„Härtefallregelung“ hat hier nur wenig zur Verbesserung der sozialen Lage beigetragen. Doch auch das im Zusammenhang<br />

mit der Arbeitsmigration bis Mitte der 1980er-Jahre <strong>no</strong>ch gültige Rotationsverfahren <strong>und</strong> die nach wie<br />

vor bei der Vergabe von Aufenthaltstiteln sehr restriktiv vorgehenden Ausländerbehörden haben hier Unrühmliches<br />

geleistet.<br />

Für die meisten Migrant(inn)en bietet die eigene Community auch deswegen einen Raum der „Sicherheit“. Die<br />

Diffamierung schwer erarbeiteter sozialer Netze als „Parallelgesellschaften“ erscheint hier als ein gewaltsamer<br />

Diskurs, der dazu führt, dass auch gut funktionierende Selbstorganisationen – die viel dazu beigetragen haben,<br />

eingewanderte Menschen zu unterstützen <strong>und</strong> ihnen die <strong>no</strong>twendigen Informationen zukommen zu lassen, die ihnen<br />

die weithin interkulturell verschlossenen staatlichen Institutionen vorenthalten haben – diskreditiert werden.<br />

Gleichzeitig ist innerhalb der Communitys die (Re-)Konstruktion sogenannter „Traditionen“ zum bestimmenden<br />

Faktor geraten. Die Soziologin Ursula Apitzsch spricht in diesem Zusammenhang von „Traditionsbildung“ <strong>und</strong><br />

macht darauf aufmerksam, dass „Tradition offenbar sehr viel mehr mit ‚invention’ zu tun hat als mit ‚Altem’ <strong>und</strong><br />

‚Hergebrachtem’“ (Apitzsch 1999, S. 11). Communitys konstituieren sich in der Migration neu <strong>und</strong> geben sich dafür<br />

Regeln, die vor allem die Aufgabe übernehmen, die Abgrenzung von der Mehrheit nun selbst zu steuern, das<br />

heißt, Handlungsmacht zu entwickeln. In den dabei entstehenden Räumen ist Platz für eine Vielfalt politischer Positionierungen,<br />

die nur eines gemeinsam haben: Sie sind eben neu <strong>und</strong> nicht althergebracht. Unter dieser Prämisse<br />

können auch die unter-schiedlichen geschlechtsspezifischen Alltagspraxen untersucht werden (vergleiche Castro<br />

Varela <strong>und</strong> Dhawan 2006).<br />

Die Integrationsforderungen der Regierung übersehen diese Konstituierungsprozesse <strong>und</strong> naturalisieren <strong>und</strong> homogenisieren<br />

stattdessen nicht nur die heterogenen Migrationskollektive, sondern beschreiben auch Integration lediglich<br />

als einen linear fortschreitenden Prozess, der keine Brüche, keine Widersprüche zu benennen zulässt. Darüber<br />

hinaus unterlaufen die staatlichen Maßnahmen selbst immer wieder die postulierten Integrationsziele. So ist<br />

es vollkommen unverständlich, warum das Zuwanderungsgesetz kurz vor dem Zweiten Integrationsgipfel im Juli<br />

2007 verschärft wurde. Das Gesetz legt nun das Mindestalter für den Nachzug von Ehepartner(inne)n auf 18 Jahre<br />

fest <strong>und</strong> verlangt zumindest einfache Deutschkenntnisse des nachkommenden Partners oder der Partnerin. Ausge<strong>no</strong>mmen<br />

sind bemerkenswerterweise Eingewanderte aus Staaten wie den USA, Japan <strong>und</strong> Australien, von denen<br />

es heißt, dass sie „wenig Integrationsbedarf“ hätten. Wer die Werte des Gr<strong>und</strong>gesetzes missachtet, kann künftig<br />

ausgewiesen werden. Außerdem wurden einige Visaregelungen aus angeblichen Sicherheitsgründen verschärft.<br />

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