Zeitung AWO 50-09 Druck:Zeitung AWO 50-09 ... - AWO - Thüringen
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2<br />
Interview<br />
Titelthema <strong>AWO</strong><br />
Titelthema 3<br />
Im Interview: Christoph Matschie<br />
Im Interview: Christoph Matschie<br />
Interview<br />
20<strong>09</strong> ist das Jahr zahlreicher Wahlen. Auf die Europaund<br />
Kommunalwahlen im Juni folgen die Landtags -<br />
wahlen und im September die Bundestagswahlen. <strong>AWO</strong><br />
informativ hat mit dem SPD-Landesvorsitzenden und<br />
Spitzenkandidaten Christoph Matschie gesprochen.<br />
<strong>AWO</strong> informativ: Altersarmut und Kinderarmut sind große<br />
Probleme, besonders in den neuen Bundesländern. Unser<br />
Sterntalerfonds für bedürftige Kinder oder unser Kinder -<br />
sozial kaufhaus wirken wie ein Tropfen auf den heißen Stein.<br />
Was wird die Regierungspartei SPD tun, um die Schere<br />
zwischen Arm und Reich zu schließen?<br />
Christoph Matschie: Vielen Menschen mussten in letzten<br />
Jahren mit niedrigem Verdienst und langer Arbeitslosigkeit<br />
leben. Deshalb müssen die Renten Ost und West angeglichen<br />
und die Zeiten langer Arbeitslosigkeit bei der Rente<br />
deutlich höher angerechnet werden. Für Geringverdiener<br />
wollen wir die Rente nach Mindesteinkommen ermöglichen.<br />
Das hat die SPD im Bundeswahlprogramm festgeschrieben.<br />
Außerdem brauchen wir einen gesetzlichen Mindest -<br />
lohn. Denn ein besserer Verdienst führt zur Steigerung der<br />
Rentenansprüche. Dass mehr als 60.000 Thüringer Kinder<br />
von Armut betroffen sind, ist eine bittere Tatsache. Der wichtigste<br />
Ansatz sind Einkommensteigerungen für die Eltern.<br />
Dazu braucht es Unterstützung für die Gewerkschaft ebenso<br />
wie einen gesetzlichen Mindestlohn. Weitere Vorschläge<br />
wie dem Essenfonds und der Kinderpauschale hat die<br />
CDU-Landesregierung immer wieder abgebügelt. Die CDU-<br />
Sozialministerin belässt es bei bloßen Ankündigungen. Wir<br />
werden nach der Landtagswahl sicherstellen, dass bedürftige<br />
Kinder eine warme Mahlzeit in den Kindergärten und<br />
Schulen bekommen.<br />
<strong>AWO</strong> informativ: <strong>Thüringen</strong> sieht sich zunehmend mit den<br />
demografischen Herausforderungen in der Pflege und in<br />
der Betreuung von Menschen mit Demenz konfrontiert.<br />
Was will die SPD in diesem Bereich tun?<br />
Christoph Matschie: Wir wollen, dass auch pflegebedürf -<br />
tige Menschen möglichst lange im gewohnten Umfeld bleiben<br />
können, deshalb werden ambulante Angebote eine<br />
wachsende Rolle spielen. Stationäre Pflege muss in hoher<br />
Qualität gesichert bleiben. Für Demenzkranke hat die SPD<br />
deutliche Verbesserungen durchgesetzt. Wir wollen ein flächendeckendes<br />
Netz an Pflegestützpunkten aufbauen.<br />
Pflegebedürftigen und deren Angehörigen soll eine wohn-<br />
ortnahe Anlaufstelle zur Verfügung stehen. Die Beratung<br />
muss kompetent sein und neutral bleiben. Dies wird durch<br />
unabhängige Pflegestützpunkte geboten. Aber auch die<br />
Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals müssen verbessert<br />
werden.<br />
Für die Pflegeleistung selbst muss ausreichend Zeit bleiben<br />
– im Sinne der zu pflegenden Menschen, aber auch der<br />
Pflegerinnen und Pfleger. Wenn wir unnötige Bürokratie ab -<br />
bauen und die Arbeitsbedingungen verbessern, profitieren<br />
nicht nur die Pflegebedürftigen, auch die Pflegeberufe werden<br />
attraktiver.<br />
<strong>AWO</strong> informativ: Welche Ziele verfolgt die SPD, um jungen<br />
Menschen in <strong>Thüringen</strong> eine Perspektive für Ausbildung<br />
und Beruf zu bieten, die den Freistaat attraktiv macht? Viele<br />
möchten ja <strong>Thüringen</strong> gar nicht verlassen?<br />
Christoph Matschie: Der Abwanderung aus <strong>Thüringen</strong><br />
wollen wir attraktive Ausbildungs- und Studienbedingungen,<br />
neue Arbeitsplätze und gute Löhne entgegensetzen. Wir<br />
wollen, dass junge Menschen eine Perspektive in <strong>Thüringen</strong><br />
haben. Sie sollen in ihrer Heimat gern und gut leben und<br />
eine Familie gründen können.<br />
Gute Bildung, solide Berufsausbildung und ein Studien ab -<br />
schluss sind der sicherste Weg zu einem anspruchsvollen<br />
Arbeitsplatz. Wir wollen die duale Ausbildung mit bundesweit<br />
anerkannten Abschlüssen als wesentlichen Bereich der<br />
Berufsausbildung ausbauen und in ihrer Qualität verbessern.<br />
Berufsorientierung und Berufswahlvorbereitung sollen<br />
konsequent an allen Thüringer Schulen angeboten werden.<br />
Die Zugänge zu beruflicher Bildung und Ausbildung für leis -<br />
tungsschwächere Jugendliche werden wir durch Förder -<br />
ange bote gezielt verbessern. Jeder Jugendliche soll einen<br />
Ausbildungsplatz erhalten.<br />
Wir sorgen dafür, dass für ein Studium keine Gebühren er -<br />
hoben werden, auch kein Verwaltungskostenbeitrag. Die<br />
jun gen Menschen sollen an attraktiven Hochschulen unabhängig<br />
vom Geldbeutel ihrer Eltern studieren können. Wir<br />
setzen uns für einen jährlichen Inflationsausgleich des<br />
BAföG ein. Die Studienplatzkapazität in <strong>Thüringen</strong> wollen<br />
wir trotz deutlich sinkender eigener Abiturientenzahlen er -<br />
hal ten und mit attraktiven Studienbedingungen Studierende<br />
aus anderen Ländern anwerben.<br />
<strong>AWO</strong> informativ: Ein abschließender Aspekt: Was wird die<br />
SPD tun, um rechtsextremistischen Tendenzen und Demo -<br />
kra tie-Entfernung, gerade bei Jugendlichen, entgegen<br />
zutreten? Was halten Sie zum Beispiel von der Senkung<br />
des Wahlalters, um junge Menschen an der gesellschaftspolitischen<br />
Meinungsbildung stärker teilhaben zu lassen?<br />
Christoph Matschie: Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und<br />
Antisemitismus dürfen unser Land nicht vergiften. Wir wollen<br />
eine Null-Toleranz-Strategie durchsetzen und haben<br />
dem Landtag ein Landesprogramm gegen Rechts extre mis -<br />
mus vorgelegt. Gemeinsam mit allen Akteuren des öffentlichen<br />
Lebens wollen wir verhindern, dass sich Extremisten<br />
beispielsweise in Sport- und Feuerwehrvereine, Verbände<br />
oder Betriebsräte einschleichen.<br />
Junge Menschen sollen sich in die Gesellschaft einbringen<br />
und mitbestimmen können, deshalb ist auch die Senkung<br />
des Wahlalters ab 16 bei Kommunalwahlen bereits in vielen<br />
Bundesländern umgesetzt. Das ist für uns auch in Thürin -<br />
gen denkbar.<br />
Wir setzen uns für ein stärkeres Mitspracherecht Jugend -<br />
licher ein und haben deshalb durchgesetzt, dass Jugend -<br />
liche ab 14 Jahre über einen Einwohnerantrag ihre Vor -<br />
stellungen in die Kommunalparlamente einbringen können.<br />
Das Gefühl, keinerlei Einfluss auf das politische Geschehen<br />
zu haben, ist zu weit verbreitet. Daher ist politische Bildung<br />
notwendiger denn je, wir werden sie stärker fördern.<br />
Um die Mitbestimmungsrechte für die Bürger insgesamt zu<br />
stärken, haben wir mit Erfolg das Gesetz des Volksbe geh -<br />
rens "Mehr Demokratie in Thüringer Kommunen" und damit<br />
bessere Bedingungen für Bürgerentscheide durchgesetzt.<br />
<strong>AWO</strong> informativ: Herr Matschie, vielen Dank für das Inter -<br />
view. Die <strong>AWO</strong> <strong>Thüringen</strong> wünscht Ihnen viel Kraft und<br />
Erfolg in den kommenden Monaten.<br />
Christoph<br />
Matschie