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Potsdam 2010 - Gartenstadt Drewitz

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Kulturhauptstadt Europas <strong>2010</strong><br />

<strong>Potsdam</strong> weckt Visionen<br />

<strong>Potsdam</strong><strong>2010</strong>


<strong>Potsdam</strong><strong>2010</strong><br />

Bewerbung zur<br />

Kulturhauptstadt Europas <strong>2010</strong><br />

<strong>Potsdam</strong> weckt Visionen<br />

Unter der Schirmherrschaft<br />

der Bürgerschaft <strong>Potsdam</strong>s


Bewerbung


<strong>Potsdam</strong> weckt Visionen<br />

Die Bewerbungsschrift <strong>Potsdam</strong>s als<br />

Kulturhauptstadt Europas <strong>2010</strong> besteht<br />

aus zwei Teilen.<br />

Der erste Teil präsentiert im ersten<br />

Kapitel, vor dem Hintergrund der bewegten<br />

Geschichte, die herausragenden Merkmale<br />

der Stadt <strong>Potsdam</strong> – Landschaft,<br />

Architektur und Film.<br />

Im zweiten Kapitel wird die alles<br />

verbindende Gemeinsamkeit ausgeführt:<br />

<strong>Potsdam</strong> – eine Insel für Visionen.<br />

Der Grund, warum <strong>Potsdam</strong> die ideale<br />

Kulturhauptstadt ist.<br />

Kultur, Wissenschaft und Stadtentwicklung<br />

– die wichtigsten Potenziale<br />

für die erfolgreiche und viel versprechende<br />

Umsetzung des Kulturhauptstadtjahres<br />

– sind schließlich im dritten Kapitel<br />

beschrieben.<br />

Der zweite Teil der Bewerbungsschrift<br />

bietet einen dokumentierenden Blick<br />

in die Stadt. Dabei werden Fragen statistischer<br />

Art beantwortet, konkrete<br />

Vorhaben und Ideen skizziert sowie Umsetzungskonzepte<br />

dargelegt.


Inhalt<br />

014 <strong>Potsdam</strong> gehört Europa<br />

Eine Einführung<br />

020 <strong>Potsdam</strong>: Die Bausteine von morgen<br />

Was <strong>Potsdam</strong> einzigartig macht und wie es dazu kam<br />

030 Baustein 1: Von der Landschaft zum Paradies auf Erden<br />

036 Baustein 2: Vom märkischen Sand zur europäischen Baukultur<br />

042 Baustein 3: 100 Jahre Film<br />

048 <strong>Potsdam</strong>: Eine Insel für Visionen<br />

Warum nur <strong>Potsdam</strong> Kulturhauptstadt werden kann<br />

054 <strong>Potsdam</strong>: Die Kulturlandschaft<br />

Längst auf dem Weg nach Europa<br />

058 Kunst und Kultur<br />

076 Wissenschaften<br />

088 Stadtentwicklung<br />

100 <strong>Potsdam</strong>: Vor allem wunderschön!<br />

Ein Ausblick<br />

105 Dokumentation<br />

110 Einführung 112 Beispiele und Denkanstösse 128 Die Kommune lebt, wo Kultur wächst 132 <strong>Potsdam</strong>er Kultur im Überblick<br />

140 Internationales Kultur-Netzwerk 146 Kulturtourismus 148 <strong>Potsdam</strong> und Brandenburg 152 Die Bewerbung <strong>Potsdam</strong>s<br />

158 Bewerbungskriterien / Verzeichnis 160 Impressum


<strong>Potsdam</strong> gehört Europa<br />

Eine Einführung<br />

<strong>Potsdam</strong> begriff sich schon immer<br />

als eine der Kulturstädte Europas. Das<br />

war zu Zeiten des Alten Fritz genauso wie<br />

im Europa der Gegenwart. <strong>Potsdam</strong> hat<br />

Europa viel zu verdanken, nicht zuletzt<br />

die Integration in das kulturelle Bündnis<br />

der Europäischen Union nach dem Fall<br />

der Mauer im Jahr 1989. Schon immer<br />

begegneten sich in <strong>Potsdam</strong> Geschichte<br />

und Gegenwart. Hier wurden darüber<br />

hinaus Pläne und Projekte für die Zukunft<br />

erdacht, Visionen entworfen, initiiert<br />

und realisiert.<br />

16<br />

Wer über <strong>Potsdam</strong> nachdenkt,<br />

der erinnert sich vielleicht an<br />

Lennésche Gartengestaltungen:<br />

Adlerkopf im Schlosspark<br />

Sanssouci


Ein wesentlicher Bestandteil der <strong>Potsdam</strong>er Visionen, wie sie von Friedrich<br />

dem Großen über Albert Einstein bis heute erdacht wurden, ist die Vorstellung<br />

davon, wie die Welt einmal aussehen soll. Aufbauend auf der europäischen<br />

Geschichte, die man überall in <strong>Potsdam</strong> erfahren kann, wird genau hier – im<br />

Zentrum des „alten Kontinents“ – die „Vision Europa“ für das 21. Jahrhundert<br />

entwickelt.<br />

Das Laboratorium <strong>Potsdam</strong> zeigt auf beeindruckende Weise, dass Kultur<br />

mehr ausmacht, als Konzerte, Vernissagen und Theater. <strong>Potsdam</strong> hat eine<br />

Kulturlandschaft zum Anfassen. Ihre Gebäude und Gärten, die Menschen und<br />

ihre Ideen gehören ebenso zum kulturellen Ensemble dieser Stadt. Das macht<br />

sie einzigartig. In ganz Europa.<br />

So sind die kulturellen Zusammenhänge in <strong>Potsdam</strong> auf vielfältige Weise<br />

erlebbar: In historischer, in räumlicher und in visionärer Dimension. Das Jahr<br />

<strong>2010</strong> stellt vor diesem Hintergrund einen guten Zeitpunkt dar, das vergangene<br />

20. Jahrhundert mit ein wenig Distanz zu betrachten und auszuwerten, um<br />

gleichzeitig den Blick nach vorne zu richten, in das 21. Jahrhundert. <strong>Potsdam</strong><br />

ist – gerade zu diesem Zeitpunkt – der ideale Ort für die Präsentation kultureller<br />

Traditionen im europäischen Maßstab und gleichzeitig für die Entwicklung<br />

von Visionen eines Europas von morgen.<br />

18<br />

<strong>Potsdam</strong> als Kulturhauptstadt Europas <strong>2010</strong> wäre eine geeignete Wahl:<br />

Wo sonst kann man sich auf Schritt und Tritt in vergleichbarer Weise inspirieren<br />

lassen? Von Ideen, die keine Theorien geblieben, sondern Realität geworden<br />

sind. Wo sonst kann man eine Stadt im Wandel beobachten, förmlich<br />

einem „work in progress“ beiwohnen, in dem die großen Herausforderungen<br />

einer einzigartigen Kulisse von Denkmalpflege und Stadtentwicklung gemeistert<br />

werden? <strong>Potsdam</strong> bietet der Kultur Raum im doppelten Sinne des Wortes:<br />

Einerseits als Stadt- und Landschaftsraum, andererseits als gedanklicher Raum<br />

der Inspiration, als geistige Bühne für neue Visionen. In <strong>Potsdam</strong> kann die<br />

Kultur Brücken schlagen. Hier klingt die Melodie der europäischen Verständigung<br />

hell und klar.<br />

<strong>Potsdam</strong> <strong>2010</strong> ist der richtige Ort für Künstler und Kulturschaffende.<br />

Hier können sie ihre Visionen entwerfen und einer europäischen Öffentlichkeit<br />

präsentieren. Die Wahl zur Kulturhauptstadt Europas gäbe <strong>Potsdam</strong> die Chance,<br />

kulturelle Eigenarten aus ganz Europa zusammenzubringen, mit dem Ziel,<br />

dem europäischen Kulturbegriff eine neue Bedeutung, eine Vision, zu geben.<br />

<strong>Potsdam</strong> lädt die Weltöffentlichkeit ein, ein ganzes Jahr lang eine bedeutende<br />

europäische Kulturlandschaft zu genießen. Mehr noch: Teil von ihr zu werden.


<strong>Potsdam</strong>: Kein Wunder<br />

Wer an <strong>Potsdam</strong> denkt, denkt an Schlösser und Gärten, Fürsten und<br />

Könige, Jauch und Joop, Metropolis und Sonnenallee, das <strong>Potsdam</strong>er Abkommen<br />

und die Glienicker Brücke.<br />

Wer über <strong>Potsdam</strong> nachdenkt, erinnert sich vielleicht an Preußische Tugenden<br />

und das Toleranzedikt, an Voltaire und den Antimacchiavelli, an Lennésche<br />

Gartengestaltungen und Schinkelsche Architektur, an das Holländische Viertel<br />

und die Russische Kolonie Alexandrowka, an Albert Einstein und den Telegrafenberg,<br />

an den Tag von <strong>Potsdam</strong> und die verlorene Historische Mitte, an den<br />

Filmmythos von Babelsberg, an die jüngste Wandlung vom Militärstandort zur<br />

Wissenschaftsstadt. Vielleicht erinnert er sich auch an die eine oder andere<br />

sportliche Höchstleistung.<br />

Wer in <strong>Potsdam</strong> denkt, denkt Gedanken, die noch niemand dachte. Wer an<br />

<strong>Potsdam</strong> im Jahr <strong>2010</strong> denkt, dem fällt ein, dass eigentlich nur diese Stadt<br />

Kulturhauptstadt Europas sein kann. Warum? Weil <strong>Potsdam</strong> Visionen weckt.<br />

Visionen sind die Grundlage aller Kunst und Kultur, sie haben Europa geschaffen<br />

und halten Europa zusammen.<br />

20<br />

<strong>Potsdam</strong> weckt Visionen - das ist Tradition und bestechende Eigenschaft<br />

dieser Stadt, die sich auf den Weg macht, die Zukunft zu entwickeln und<br />

umzusetzen. Denn <strong>Potsdam</strong> kennzeichnen nicht nur seine Gärten und Landschaftsgestaltung,<br />

die Schlösser- und Stadtarchitektur oder die Filmwelten<br />

von <strong>Potsdam</strong>-Babelsberg. <strong>Potsdam</strong> steht seit Jahrhunderten für den geistigen<br />

und wissenschaftlichen Diskurs, für ebenso macht- wie verhängnisvolle<br />

Umbrüche in Politik, Gesellschaft und Kultur. Und es sind die <strong>Potsdam</strong>erinnen<br />

und <strong>Potsdam</strong>er selbst, sie leben ihre Geschichte, ihr Erbe, ihre Traditionen,<br />

und gestalten ihre Zukunft.


<strong>Potsdam</strong>: Die Bausteine von morgen<br />

Wenn du einen Stadtplan vom Paradies<br />

brauchst – komm nach <strong>Potsdam</strong>.<br />

Verklärend? Ein wenig. Aber wahr. Denn<br />

es war kein geringerer als der Große<br />

Kurfürst, der in der zweiten Hälfte des<br />

17. Jahrhunderts beschloss, dass<br />

„… das gantze Eylandt ein Paradies<br />

werden“ sollte.<br />

Und so wurde aus dem kleinen Ort Poztupimi, inselgleich von<br />

Wasser umflossen, die europäisch geprägte Kulturstadt<br />

<strong>Potsdam</strong>. Der Bau dieses Paradieses war eine Herausforderung<br />

für Bürger und Monarch gleichermaßen. Doch Fachleute waren<br />

durch die Verluste des 30-jährigen Krieges rar geworden.<br />

Um seinen Traum zu verwirklichen beschloss der Große Kurfürst<br />

kurzum, Gastarbeiter anzuwerben. Eine Art <strong>Potsdam</strong>er „Green<br />

Card“ war die Lösung. Mit dem Edikt von <strong>Potsdam</strong> im Jahre<br />

1685, bekannt als Toleranzedikt, war die Grundlage für die<br />

Ansiedlung von Arbeitskräften aus Frankreich, der Schweiz und<br />

Holland geschaffen. Da er ein umsichtiger und kluger Staatsmann<br />

war, sicherte der Große Kurfürst darüber hinaus den<br />

Menschen verschiedenster Glaubensrichtungen und Nationalitäten<br />

Freiheit und Schutz zu und bot ihnen zudem steuerliche<br />

Vergünstigungen, Baugelder sowie Erbberechtigungen für<br />

neu erbaute Häuser.<br />

22<br />

Vom Dorf zur Residenz<br />

<strong>Potsdam</strong> wurde neben Berlin zweite Hauptresidenz der preussischen<br />

Herrscher. Es war ein Leichtes für die Stadt, die<br />

repräsentativen Anforderungen, die diese Rolle verlangte, zu<br />

erfüllen. Die Hohenzollern, die das Schicksal <strong>Potsdam</strong>s<br />

maßgeblich prägten, orientierten sich an europäischen Maßstäben.<br />

Sie betrauten führende Baumeister und Künstler<br />

mit wichtigen Aufträgen und sorgten dafür, dass <strong>Potsdam</strong> einen<br />

glänzenden Rahmen für die Politik Brandenburg-Preußens<br />

bilden konnte.<br />

Die politische Landkarte Europas gestaltete sich immer wieder<br />

neu, woran auch Preußen keinen geringen Anteil hatte. Dies<br />

ging freilich nicht ohne ein schlagkräftiges Heer. Wieder einmal<br />

war Hilfe von außerhalb nötig, um die Vorstellungen des Herrschers,<br />

diesmal Friedrich Wilhelms I., zu erfüllen. Es sollte nicht<br />

Eine Art <strong>Potsdam</strong>er „Green-Card“:<br />

Das Edikt von <strong>Potsdam</strong> aus<br />

dem Jahre 1685


24<br />

irgendeine Armee sein, es sollte eine preußische Mustertruppe<br />

werden. Aus ganz Europa wurden die „langen Kerls“ angeworben,<br />

die gleichermaßen für Bewunderung und Spott sorgten. Die<br />

Garnisonsstadt <strong>Potsdam</strong> war geboren. Von den <strong>Potsdam</strong>ern war<br />

wieder einmal Toleranz gefordert – zwei bis drei Grenadiere<br />

musste jeder Haushalt aufnehmen und versorgen. Die Belastung<br />

der Bürger war groß. Der König dankte es seinen Untertanen,<br />

indem er neue Stadtteile erschließen ließ und die Soldaten als<br />

Handwerker zum Häuserbau verpflichtete.<br />

Trifft Geist bald Macht<br />

Das Vorwärtsstreben, ein Überschreiten von Auffassungen<br />

und Bräuchen der Zeit charakterisiert Friedrich II., dessen wahr<br />

gewordener Traum des Schlosses Sanssouci bis heute ehrfürchtiges<br />

Staunen hervorruft. Sans souci, „ohne Sorge“, ungetrübt<br />

von lästigen Regierungsgeschäften wollte er hier seinen<br />

musischen Neigungen im geselligen Kreise berühmter Gelehrter<br />

und Aufklärer nachgehen. Der König baute zwar das Militärwesen<br />

seines Vaters weiter aus und führte folgenreiche Kriege,<br />

doch in <strong>Potsdam</strong> herrschten Glanz und schöngeistiges Leben.<br />

Zahllos sind die Namen berühmter Besucher – allen voran<br />

Voltaire, der bekannte Philosoph der französischen Aufklärung –<br />

Künstler, Musiker, Architekten und Gelehrte aus ganz Europa,<br />

die sich hier versammelten und der Stadt zu ihrem einzigartigen<br />

Gepräge verhalfen. Friedrich der Große nahm die Toleranzgedanken<br />

seiner Vorgänger auf und setzte sie fort, die Religions-<br />

freiheit und wirtschaftliche Anreize lockten viele ausländische<br />

Handwerker nach <strong>Potsdam</strong>.<br />

Prägend für das Stadtbild und insbesondere die Gesamtanlage<br />

<strong>Potsdam</strong>s wurde im 19. Jahrhundert die Berufung des Architekten<br />

Karl Friedrich Schinkel und des großen Landschaftsgärtners<br />

Peter Joseph Lenné. Sie konnten hier ihre Vorstellungen von<br />

Landschaft, Städtebau und Gärten im Auftrag der preußischen<br />

Könige umsetzen. Immer neue Schlösser und Landhäuser umkränzten<br />

die Stadt. Der Park von Sanssouci und der Neue<br />

Garten wurden in Tradition und Stil englischer Landschaftsgärten<br />

umgestaltet. Weite Blickachsen verbanden fortan die schönsten<br />

Ein „russisches Idyll“:<br />

Dachelement eines Blockhauses<br />

in der Kolonie Alexandrowka (oben)<br />

Wieder im neuen Glanz erstrahlt:<br />

Das Holländische Viertel (unten)<br />

Punkte der Stadt miteinander. Aus der Zusammenarbeit der<br />

beiden Künstler stammt auch die Struktur der Russischen<br />

Kolonie Alexandrowka, einer bis heute erhaltenen Attraktion<br />

<strong>Potsdam</strong>s. Ein „russisches Idyll“ mit Kirche und Popenhaus<br />

wurde geschaffen, benannt nach dem befreundeten Zaren<br />

Alexander.<br />

In den polnischen Teilungen im 18./19. Jahrhundert, noch heute<br />

polnisches Erinnerungsgut, wurden Teile des in der frühen<br />

Neuzeit machtpolitisch schwachen polnischen Staates zu Preussen<br />

geschlagen. Diese Grenzbewegung wurde im 20. Jahrhundert<br />

durch die Westverschiebung Polens umgekehrt.<br />

Auf dem Weg in die Moderne<br />

Die Freiheitsbewegung und die Revolution von 1848 gingen<br />

an Preußen und insbesondere <strong>Potsdam</strong> fast unmerklich vorbei,<br />

führten aber doch zu einem innenpolitischen Schritt von höchster<br />

Tragweite: Friedrich Wilhelm IV. unterzeichnete in Sanssouci<br />

die Verfassung, die Preußen in eine konstitutionelle Monarchie<br />

umwandelte.<br />

Untrennbar von den gesellschaftlichen Veränderungen ist die<br />

revolutionäre Wirkung der beginnenden Industrialisierung, der Entdeckungen<br />

und Neuerungen in Technik und Wissenschaft.<br />

<strong>Potsdam</strong> war Dank der königlichen Interessen auch hier besonders<br />

fortschrittlich: Bereits 1816 im Jahr fuhr das erste Dampfschiff<br />

Deutschlands zwischen Berlin und <strong>Potsdam</strong>, 1838 wurde<br />

der Eisenbahnverkehr zwischen Berlin und <strong>Potsdam</strong> aufgenommen,<br />

1832 errichtete die Berliner Telegrafenanstalt eine optische<br />

Telegrafenstation in <strong>Potsdam</strong>, an deren Stelle später das erste astro-<br />

physikalische Observatorium der Welt entstand. Ein geodätisches<br />

und ein meteorologisches Institut verstärkten diesen wissenschaftlichen<br />

Schwerpunkt, der schließlich mit dem Einsteinturm<br />

von 1920/21 zu einem Wissenschaftspark ausgebaut wurde.<br />

Die politischen Veränderungen gegen Ende des 19. Jahrhunderts,<br />

die Gründung des Deutschen Reiches und die Kaiserkrönung<br />

Wilhelm I. stärkten das politische, internationale Gewicht


Preußens enorm. <strong>Potsdam</strong> erlebte als Zweitresidenz des Kaisers<br />

in der Gründerzeit nochmals eine bedeutende Erweiterung<br />

durch bürgerliche Villen und Landhäuser. Ein wahrhafter Vorstadt-<br />

boom setzte ein. Doch mit dem Ende des Ersten Weltkrieges<br />

und der Abdankung des Kaisers ging ihre große Ära als Zentrum<br />

der höfischen Welt zu Ende. Für <strong>Potsdam</strong> war es an der Zeit,<br />

nach einer neuen Identität zu suchen.<br />

Schöner Schein und schlimme Folgen<br />

Mit den im Jahre 1912 in Neubabelsberg gegründeten Filmstudios<br />

entstand ein neues Lebensgefühl. Die Aufbruchstimmung<br />

der Zwanziger Jahre bekam ihren Ort, der Mythos<br />

Film ein Zuhause: <strong>Potsdam</strong>-Babelsberg. Eine weitsichtige<br />

Leistung war die Gründung der Preußischen Schlösserverwaltung,<br />

die die ehemals königlichen Kunstschätze nun unter<br />

modernen denkmalpflegerischen Gesichtspunkten der Öffentlichkeit<br />

zugänglich machte.<br />

26<br />

<strong>Potsdam</strong>s Geschichte und deutschnationaler Nimbus ließ die<br />

Stadt zur Bühne einer besonderen Inszenierung im nationalsozialistischen<br />

Deutschland werden: Unter der Bezeichnung „Tag von<br />

<strong>Potsdam</strong>“ am 21. März 1933 ging die Reichstagseröffnung<br />

durch den Reichspräsidenten Hindenburg in die Geschichte ein.<br />

Bei dem Festakt in der Garnisonkirche wurde symbolisch der Bund<br />

zwischen Preußentum und Nationalsozialismus geschlossen.<br />

Die allgemeine Wehrpflicht und Aufrüstung machten <strong>Potsdam</strong><br />

im Dritten Reich wieder verstärkt zur Militär- und Kasernenstadt.<br />

Gemeinhin bekannt sind jedoch auch die Verknüpfungen<br />

des <strong>Potsdam</strong>er Militärs mit der Widerstandsbewegung um den<br />

20. Juli 1944 gegen das Naziregime, die Namen von Widerstandskämpfern<br />

wie Henning v. Tresckow oder Graf von Schwerin,<br />

die in jedem Schulbuch stehen. Bei der Reichspogromnacht oder<br />

der Judendeportation aber unterschied sich die Stadt nicht<br />

von anderen.<br />

Markenzeichen seiner Stadt,<br />

einst erster Bürger, heute<br />

beliebtes Mitbringsel: Friedrich<br />

der Große, dutzendfach als<br />

Souvenir (links)<br />

Hier entschied sich 1945<br />

Europas Schicksal: Tagungsort<br />

der <strong>Potsdam</strong>er Konferenz im<br />

Schloss Cecilienhof (unten)


...das gantze Eylandt soll ein<br />

Paradies werden: „Verschoenerungsplan<br />

von <strong>Potsdam</strong> und Umgebung“<br />

von Peter Joseph Lenné, 1833<br />

28<br />

Im April 1945 wurden weite Teile der historischen Innenstadt in<br />

Schutt und Asche gelegt. Wenige Monate später war Schloss<br />

Cecilienhof Tagungsort der <strong>Potsdam</strong>er Konferenz. Die Vertreter<br />

der Siegermächte Churchill, Stalin und Truman entschieden über<br />

das Schicksal Deutschlands. Sie legten die Oder-Neiße-Linie<br />

als neue Ostgrenze fest und beschlossen die Umsiedlung von<br />

Millionen Menschen – Entscheidungen, die bis heute europaweit<br />

nachwirken.<br />

Der Sozialismus prägt<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte auch <strong>Potsdam</strong> einen großen<br />

Wechsel in der Bevölkerung. Viele Bewohner waren vor dem<br />

Krieg und den einrückenden sowjetischen Truppen geflüchtet.<br />

Der Versuch einer demokratischen Neuordnung scheiterte, 1952<br />

wurde <strong>Potsdam</strong> Bezirkshauptstadt der DDR. Die Akademie für<br />

Staat und Recht wurde eine der Kaderschmieden der DDR, die<br />

Hochschule in Golm zum Ausbildungszentrum der Stasi, bereits<br />

1948 war die Pädagogische Hochschule zur Ausbildung der<br />

Lehrer gegründet worden.<br />

Wer nach dem Mauerbau 1961 von <strong>Potsdam</strong> aus Ost-Berlin,<br />

die Hauptstadt der DDR, besuchen wollte, musste Berlins<br />

Westen weiträumig umfahren, häufig mit dem so genannten<br />

„Sputnik“, einem doppelstöckigen Zug. Der Hauptbahnhof wurde<br />

an die Peripherie der Stadt gelegt.<br />

Durch den Krieg waren große Teile des historischen Erbes in<br />

Mitleidenschaft gezogen worden. Wurde beim Wiederaufbau der<br />

zerstörten Innenstadt anfangs auf die Stadtstruktur geachtet,<br />

so wurde diese später bewusst überformt, um den „Geist von<br />

<strong>Potsdam</strong>“ auszurotten. Markanteste Beispiele sind die Spreng-<br />

ung der Ruine des Stadtschlosses und der Garnisonkirche, die<br />

beide restaurierbar gewesen wären, die Neubebauung der<br />

Breiten Straße und der Friedrich-Ebert-Straße. Proteste blieben<br />

beim politischen Regime ohne Gehör.<br />

Die militärische Tradition <strong>Potsdam</strong>s hingegen wurde fortgesetzt:<br />

Truppen der sowjetischen Besatzungsmacht und der Nationalen<br />

Volksarmee zogen in die noch erhaltenen Kasernen. In der<br />

Bezirkshauptstadt war Wohnraum knapp, so dass frühzeitig mit<br />

dem Bau neuer Wohngebiete begonnen wurde. Hierbei und bei<br />

der Gestaltung der Innenstadt suchte man, sozialistische<br />

Zeichen zu setzen.<br />

Angeknüpft wurde aber auch an <strong>Potsdam</strong>s Filmtradition. Die<br />

Filmhochschule Babelsberg wurde gegründet, auf dem alten<br />

Gelände entstanden Filmproduktionen der DDR und mancher<br />

Staaten des Warschauer Paktes. Trotz allgegenwärtiger<br />

Schwierigkeiten wurde im Kulturhaus Hans Marchwitza, dem<br />

Haus des Kulturbundes „Bernhard Kellermann“ – und auch dem<br />

Hans-Otto-Theater – ambitionierte und streitbare Programme<br />

erarbeitet.<br />

Die jüngste Vergangenheit und ein neuer Geist<br />

Gleich nach der Wende 1989 wurde in einem der ersten Grundsatzbeschlüsse<br />

der neuen und ersten frei gewählten Stadtver-<br />

ordnetenversammlung die „Wiederannäherung an das historische<br />

Stadtbild“ beschlossen. Der Ruf nach der Herstellung der „Historischen<br />

Mitte“ wurde damit zum Programm erklärt.<br />

Heute ist <strong>Potsdam</strong> Landeshauptstadt des Bundeslandes<br />

Brandenburg, die Schlösser- und Gartenlandschaft wurde 1990<br />

als Welterbe der UNESCO anerkannt. Die in den letzten Jahren<br />

liebevoll restaurierten Stadtteile inmitten traumhafter Natur<br />

bilden heute wieder – ganz im Sinne des Großen Kurfürsten –<br />

ein Paradies in Europa.<br />

Die Vision von einst ist Wirklichkeit geworden. Für die Bürgerinnen<br />

und Bürger der Stadt sind die Historie und die gegenwärtigen<br />

Potenziale <strong>Potsdam</strong>s Verpflichtung und Herausforderung zu<br />

gleich, neue Maßstäbe im europäischen Kontext zu setzen. Es<br />

gilt einen neuen Geist zu beleben. Als Vision für das 21. Jahrhundert.<br />

Die Vision von einem europäischen Arkadien der Künste<br />

und Wissenschaften.


<strong>Potsdam</strong> weckt Visionen<br />

Die Biografie der Stadt spiegelt in besonderem Maße das enge Zusammenspiel<br />

von Idee, Plan und Ausführung wider. Untrennbar verbunden mit<br />

der preußischen und deutschen Geschichte, kommt <strong>Potsdam</strong> eine bedeutende<br />

Rolle zu. An kaum einem Ort finden sich für die Gegenwart so nachhaltige<br />

Ereignisse zusammen.<br />

Aus der unberührten Landschaft, die in eine einmalige Kulturlandschaft<br />

verwandelt wurde, über die von verschiedensten Ländern und Nationen geformte<br />

Baukunst und Architektur, bis zur Umsetzung von Geschichten in den virtuellen<br />

Filmwelten leitet sich eine Gemeinsamkeit ab, die sich durch die Jahrhunderte<br />

durchzieht, Epochen und Ären überdauerte: Visionen.<br />

Mitten in Europa entstand in Laufe der Jahrhunderte ein Ort, an dem<br />

die Quintessenz der verschiedensten politischen, künstlerischen, militärischen<br />

und gesellschaftlichen Entwicklungen zusammenkam – <strong>Potsdam</strong>. Ein<br />

visionärer Ort, an dem die Welt von gestern antizipiert und die Welt von morgen<br />

gestaltet wird.<br />

Die Bausteine dafür befinden sich in der Kulturlandschaft <strong>Potsdam</strong>s mit<br />

ihrer Landschaftsgestaltung, ihrer Architektur und ihrem internationalen<br />

Medienstandort Babelsberg. Das sind die herausragenden Elemente, die in ganz<br />

Europa bekannte Bilder <strong>Potsdam</strong>s hervorrufen. Das sind die Bausteine für<br />

Konzepte von morgen.<br />

30<br />

Seit 1990 Bestandteil<br />

des UNESCO-Welterbes:<br />

Schloss Sanssouci


„Der Herzog von Dessau<br />

hat aus seinem Reich einen<br />

großen Garten gemacht.<br />

Das kann ich ihm nicht nach-<br />

machen, dazu ist mein Land<br />

zu groß. Aber aus der Umgebung<br />

von Berlin und <strong>Potsdam</strong><br />

könnte ich nach und nach<br />

einen Garten machen.“<br />

Friedrich Wilhelm IV., ~1830<br />

Baustein 1: Von der Landschaft<br />

zum „Paradies auf Erden“<br />

Die reizvolle Lage der Stadt <strong>Potsdam</strong>, umgeben<br />

von prachtvollen Wäldern und Seen, inmitten<br />

sanft geschwungener Hügel, veranlasste nicht<br />

nur den Großen Kurfürsten bereits im 17. Jahr-<br />

hundert, das Stadtgebiet zu erwerben, seine<br />

Einzigartigkeit ist auch für den Besucher heute<br />

noch erlebbar. Seinerzeit war es dem maßgeblichen<br />

Einfluss des Johann Moritz von<br />

Nassau-Siegen, Freund und Berater des Kur-<br />

fürsten, zu verdanken, dass die Erarbeitung<br />

eines umfassenden Programms, das die ganze<br />

Landschaft um <strong>Potsdam</strong> verschönern sollte,<br />

veranlasst wurde. Seine Forderung lautete<br />

schlicht und gleichsam visionär: „das gantze<br />

Eylandt soll ein Paradies werden…“.<br />

Aus Ideen werden Pläne – aus Plänen<br />

werden Räume<br />

Schon mit dem Bau des ersten Stadtschlosses<br />

und den damit verbundenen städtebaulichen<br />

Veränderungen ging die einzigartige Garten-<br />

gestaltung einher. Der Große Kurfürst scheute<br />

weder Kosten noch Mühen und ließ Gewächse,<br />

Sämereien und gewachsene Bäume aus Holland,<br />

England, Frankreich und Italien kommen. Neben<br />

der gezielten Platzierung von Zierpflanzungen<br />

wurden ausladende Obst- und Weinbauanlagen<br />

geschaffen und brachliegende landwirtschaftliche<br />

Flächen bebaut. Darüber hinaus wurde bereits<br />

nach wenigen Jahren um <strong>Potsdam</strong> herum ein<br />

32<br />

wahrer Ring von Lustschlössern angelegt.<br />

Die prächtigen Alleen formulierten bereits das<br />

später dominierende Gestaltungselement der<br />

Sichtachsen. Vom malerischen Schloss Caputh<br />

aus konnte man damals beispielsweise bis auf<br />

das <strong>Potsdam</strong>er Stadtschloss sehen.<br />

Mit Friedrich dem Großen kam im 18. Jahrhundert<br />

der strahlende Glanz der Aufklärung nach<br />

<strong>Potsdam</strong>. Sanssouci wurde erbaut, und mit<br />

diesem prachtvollen Sommerschloss auf dem<br />

Weinberg begann die Gestaltung einer der<br />

herausragenden Gartenanlagen der Welt, die<br />

rund 290 Hektar umfasst und in mehr als hundert<br />

Jahren durch königlichen Willen und natürlich<br />

durch die Arbeit ungezählter Gärtner entstand.<br />

Unverkennbar ist der französische Einfluss,<br />

der sich sowohl in den königlichen Parkanlagen<br />

mit überraschenden Sichtbeziehungen, mit seinen<br />

optischen Täuschungen und aufwendig gestalteten<br />

Bepflanzungen als auch in den prächtigen<br />

Gebäuden selbst widerspiegelt. Natur und Pflanzen<br />

wurden im wahrsten Sinne des Wortes<br />

„kultiviert“, indem sie etwa durch Beschneidungen,<br />

Pflanzung in Fluchten oder symmetrische<br />

Platzierungen eine wahre Inszenierung der durch<br />

den Menschen gestalteten Landschaft bildeten.<br />

Die so „gebaute“ Landschaft verdeutlichte in der<br />

Folge den Begriff der Landschafts-„Architektur“.<br />

Mit der Errichtung des prachtvollen<br />

Sommerschlosses auf dem<br />

Weinberg begann die Gestaltung<br />

einer beeindruckenden Gartenanlage:<br />

Schlosspark Sanssouci


Stadt – Land – Fluss<br />

Friedrich Wilhelm IV. setzte kurz nach der Thronbesteigung seine<br />

Vorstellung einer fantastisch-romantischen Parklandschaft,<br />

die <strong>Potsdam</strong> umgeben sollte, mit Hilfe des genialen Architekten<br />

Ludwig Persius und des nicht weniger begnadeten Gartenarchitekten<br />

Peter Joseph Lenné fort. Damit wurde der einmalige<br />

städtebaulich-landschaftsplanerische Trumpf der <strong>Potsdam</strong>er<br />

Kulturlandschaft begründet und schließlich die Forderung umgesetzt,<br />

dass doch „das gantze Eylandt ein Paradies“ sein möge.<br />

Ausgehend vom herausragenden Potenzial der Stadt und des<br />

Landschaftsraumes entstand 1833 mit dem „Verschoenerungs-<br />

34<br />

plan für <strong>Potsdam</strong> und Umgebung“ ein Gesamtkunstwerk aus<br />

Natur und Kultur, das bis heute weltweit seinesgleichen sucht.<br />

Die Planungen betrachteten zum ersten Mal übergeordnet die<br />

Schlösser und deren Gärten, die Naturräume, die Landwirtschaft,<br />

sowie die Siedlungen und verbanden diese unter ästhetischen und<br />

ökonomischen Gesichtspunkten miteinander. Sowohl im theoretischen<br />

Ansatz, als auch in der praktischen Umsetzung handelte es<br />

sich hierbei um eine herausragende Leistung des 19. Jahrhunderts.<br />

Sie gilt im Hinblick auf die Gestaltung des menschlichen Lebensraumes<br />

als eine der fortschrittlichsten, aufgeklärtesten und<br />

menschenfreundlichsten Sichtweisen der Kulturgeschichte. Dabei<br />

bildet der großzügige Park Sanssouci das Zentrum der Gestaltung,<br />

während die Havel als zentrale Seenlandschaft das Rückgrat<br />

der grandiosen Anlage von ca. 15 Kilometer Ausdehnung darstellt,<br />

in dieser Form ein einzigartiges Werk in Europa. Um <strong>Potsdam</strong><br />

herum entstand ein Kranz ausgedehnter Gartenanlagen, in<br />

welchem fast alle Bergkuppen, wie durch das Belvedere auf dem<br />

Pfingstberg oder die Gestaltung des Ruinenbergs deutlich wird,<br />

sowie die Ufer der Havelseen künstlerisch aufgewertet wurden.<br />

Die Steigerung der natürlichen Schönheit durch pittoreske Veränderungen<br />

der Topografie, Anpflanzungen, Bauwerke mit ihren Ausblicken<br />

vermittelte dem Betrachter stets den Eindruck, dass<br />

er sich in einer besonders schönen, natürlich entstandenen und<br />

visionär erweiterten Landschaft bewegte.<br />

Der Bezug der Kulturlandschaft auf den Menschen drückte sich<br />

nicht nur in kleinen intimen Räumen aus, sondern durchzog<br />

gleichsam als roter Faden alle gedanklichen Ansätze und praktischen<br />

Ausformulierungen. Die Auswirkungen der umfassenden<br />

landschaftsgestalterischen Aktivitäten auf die Baukultur und die<br />

städtebaulichen Planungen waren in der Wirkung so nachhaltig,<br />

dass <strong>Potsdam</strong> heute noch – trotz Kriegsfolgen und Eingriffe<br />

während des Wiederaufbaus – ein einzigartiges Gesamtkunst-<br />

werk darstellt.<br />

Um <strong>Potsdam</strong> herum entstand<br />

ein Kranz ausgedehnter Gartenanlagen:<br />

Blick von der Glienicker<br />

Brücke auf den Schlosspark<br />

Babelsberg


36<br />

Große öffentliche Grünanlagen<br />

durchziehen die Stadt:<br />

Künstlerische Gestaltung im<br />

ehemaligen BUGA-Gelände (links)<br />

Blick auf den Schlosspark<br />

Babelsberg (unten)<br />

Land schafft Stadt<br />

Der engere Stadtraum <strong>Potsdam</strong>s ist von großen öffentlichen<br />

Grünanlagen durchzogen. Der Kranz der historischen Gärten<br />

Sanssouci, Neuer Garten, Pfingstberg und Park Babelsberg, der<br />

moderne große Volkspark des Bornstedter Feldes, der in die<br />

Lennésche Feldflur im Norden der Stadt übergeht, umrahmen<br />

das engere Stadtgebiet. Und doch zieht sich die gestaltete<br />

Landschaft auch in das dicht besiedelte Stadtgebiet hinein und<br />

umfasst wesentliche innerstädtische Freiräume, wie etwa die<br />

liebliche Freundschaftsinsel, gestaltet von Karl Foerster, den<br />

urbanen Platz der Einheit, den funktionalen Bassinplatz, den<br />

schlichten Luisenplatz, den neuen Lustgarten, den Stadtkanal<br />

oder den historischen Platz am Neuen Markt.<br />

In <strong>Potsdam</strong> wurde zwar die vielerorts so oft strapazierte Suche<br />

nach dem „menschlichen Maßstab“ in eindrucksvoller Weise<br />

erreicht, doch stellen sich trotzdem für die Zukunft wichtige Fragen<br />

nach dem Erhalt, der Weiterentwicklung und der noch immer<br />

notwendigen „Reparaturen“ am Gesamtkunstwerk. Das ist eine<br />

Aufgabe von internationaler Dimension, die Visionen verlangt.<br />

Der Blick zurück zeigt, dass <strong>Potsdam</strong> auch im Jahr <strong>2010</strong><br />

keineswegs lediglich Kulisse sein wird. Das war die Stadt nie.<br />

Vielmehr wird sie sein, was sie immer war: Visionärer Gestaltungsraum<br />

für die Zukunft Europas.


„Ich habe die Pläne<br />

des Schönsten ausgewählt, was<br />

man in Europa erbaut hat, und<br />

habe es im Kleinen und mit meinen<br />

Mitteln ausführen lassen.“<br />

Friedrich II., 1758<br />

Baustein 2: Vom märkischen<br />

Sand zur europäischen Baukultur<br />

<strong>Potsdam</strong> ist beileibe nicht allein Sanssouci.<br />

Neben dem Schlosspark mit seinen Gebäuden<br />

und Anlagen sind viele weitere sehenswerte<br />

Quartiere unterschiedlichster Epochen zu<br />

entdecken. Eine Schlossbesichtigung ganz<br />

anderer Art zeigt die vielen Facetten dieser<br />

Stadt und die unterschiedlichen Schichten<br />

der Stadtentwicklung eindrucksvoll auf: Denn<br />

<strong>Potsdam</strong> ist ein begehbares Bilderbuch. Das<br />

Modell im Maßstab 1:1 hat die Ausdehnung<br />

von 187 Quadratkilometern und bietet herausragende<br />

europäische Bau- und Kulturgeschichte<br />

in unterschiedlichsten Dimensionen. Vom<br />

massiven Türschloss über die detaillierte<br />

Fassadengestaltung, vom historischen Dachgesims<br />

über die privaten Höfe und Gärten,<br />

von der strengen Bauflucht bis hin zur innovativen<br />

Gestaltung des öffentlichen Raumes.<br />

Da ist etwa das Raster der zweiten barocken<br />

Stadterweiterung und das Holländische Viertel,<br />

heute <strong>Potsdam</strong>s Innenstadt, oder das bürgerliche<br />

Viertel der Jägervorstadt unmittelbar nördlich<br />

angrenzend mit seiner teils instand gesetzten<br />

Villen-Vorortbebauung des zu Ende gehenden<br />

19. Jahrhunderts. Weiter gen Norden durchquert<br />

man das Bornstedter Feld, eine neue „<strong>Gartenstadt</strong>“<br />

und künftiges Zuhause für 15.000 Einwohner,<br />

um zum Krongut Bornstedt mit seinem italienischen<br />

Flair zu gelangen.<br />

Vom märkischen Sand zur<br />

europäischen Baukultur: Blick<br />

auf die historische Mühle<br />

im Park Sanssouci<br />

38


Schlossbesichtigungen<br />

<strong>Potsdam</strong> verfügt über eine große Anzahl architektonisch und<br />

stadtgeschichtlich bedeutender Bauwerke. Der Großteil stammt<br />

aus dem 18. und 19. Jahrhundert, doch auch zu Beginn des<br />

20. Jahrhunderts wurde noch eifrig am Erscheinungsbild<br />

<strong>Potsdam</strong>s weitergebaut. Wichtige Zeitzeugen sind etwa das im<br />

englischen Tudorstil errichtete Schloss Cecilienhof (1912–1917),<br />

Schauplatz der <strong>Potsdam</strong>er Konferenz nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg, oder die Glienicker Brücke (1907), Symbol für die<br />

unüberwindbare Grenze und Trennung während des Kalten Krieges.<br />

Neben vielen Einzelbauten, die ihre Vorbilder in den verschiedensten<br />

Ländern Europas haben, stellen großflächig insbesondere<br />

der französische Einfluss auf die Anlage der Schlösser und Gärten,<br />

die Russische Kolonie Alexandrowka sowie das Holländische<br />

Viertel gebaute Zeitzeugnisse und Zeichen von Toleranz und<br />

Offenheit dar – ausgerechnet in einer preußischen Residenzstadt<br />

und einem bedeutenden Militärstandort unterschiedlicher<br />

Armeen. Doch gerade dieser scheinbare Gegensatz, der dazu<br />

noch im Laufe der Zeit unterschiedlichsten politischen Einflüssen<br />

unterlag, macht den Reiz dieser Stadt aus. Wer heute durch<br />

<strong>Potsdam</strong> wandelt, fühlt sich immer wieder in fremde Welten<br />

versetzt: Stand diese Moschee nicht in der Türkei? Sah man<br />

diese Aneinanderreihung backsteinroter Giebel nicht zuletzt<br />

in Amsterdam? Auch wer sich, etwa durch die Kolonie Alexand-<br />

40<br />

rowka spazierend in einem russischen Bauerndorf wähnt oder<br />

während des Flanierens im Schlosspark Sanssouci meint, französische<br />

Stimmen zu hören, ist mitnichten im „falschen Film“, er<br />

ist in <strong>Potsdam</strong>!<br />

Zwischen Pracht und Verlust<br />

Auf dem Weg zur Glienicker Brücke lockt die prachtvolle Berliner<br />

Vorstadt mit prominenten Bewohnern, die Reisebusse aus ganz<br />

Europa anziehen. Da sind aber auch Babelsberg und Griebnitzsee<br />

mit ihrer exklusiven Lage am See und ihrem dörflichen<br />

Charakter sowie der Stern und <strong>Drewitz</strong> mit Plattenbausiedlungen<br />

der DDR-Zeit. Wohin immer das Auge blickt in dieser Stadt:<br />

<strong>Potsdam</strong> hat viele Quartiere und Ortsteile mit eigenem Charme,<br />

die sich alle im Umwandlungsprozess befinden. Es bewegt sich<br />

etwas in <strong>Potsdam</strong>, sei es durch Neubau, Abriss oder Sanierung,<br />

und dem Besucher eröffnen sich Beispiele europäischer Baukultur<br />

in ihren unterschiedlichen Schichten und Ausprägungen<br />

vor dem Hintergrund der wechselvollen Stadtgeschichte.<br />

Große Projekte sind seit 1990 realisiert worden, Stadterneuerung,<br />

Denkmalpflege, Stadterweiterung, Bundesgartenschau… Und<br />

immer noch steht die Stadt vor großen Herausforderungen. Denn<br />

die Erfahrung der Vergangenheit zeigt: Nicht alle Leitbilder haben<br />

einen dauerhaften Wert. Ihre Wertigkeit im Sinne ihrer Nachhaltigkeit<br />

wird in der Regel erst von nachfolgenden Generationen beurteilt.<br />

Mit dieser Herausforderung hat nicht nur <strong>Potsdam</strong> zu kämpfen, das<br />

ist ein vielen Städten bekanntes, europäisches Thema: Wie umgehen<br />

mit den Hinterlassenschaften einer zwischenzeitlichen Moderne?<br />

Gegenwärtige Zielsetzung<br />

Auch die Stadterweiterungs- und Konversionsprojekte der 90er<br />

Jahre, das Kirchsteigfeld und das Bornstedter Feld etwa, werden<br />

ihren Praxistest noch bestehen müssen. Neben dem Aufgabenbereich<br />

des „Stadtumbaus Ost“, in dessen Zentrum die Aufwertung<br />

der Plattenbausiedlungen steht, wird die städtebauliche<br />

Diskussion seit Jahren durch die Rekonstruktion von <strong>Potsdam</strong>s<br />

Historischer Mitte rund um das zerstörte Stadtschloss geprägt.<br />

Der Kampf um dieses Erbe ist noch lange nicht abgeschlossen,<br />

da gibt es von den europäischen Nachbarn viel zu lernen.<br />

Dem Bahnreisenden, der sich im neuen Hauptbahnhof der Stadt<br />

nach der Lage des Zentrums erkundigt hat, wird nach Überqueren<br />

der Langen Brücke klar, dass <strong>Potsdam</strong> seine aktuelle Bau-Philosophie<br />

noch nicht gefunden hat. Doch die landschaftlichen, architektonischen<br />

und städtebaulichen Zeugnisse in ihrer europäischen<br />

Dimension suchen indes ihresgleichen. Und vielleicht eröffnen<br />

die historischen Sichtachsen in der Stadt neue Perspektiven, das<br />

kulturelle Erbe von über 300 Jahren europäischer Kulturgeschichte<br />

gemeinsam weiterzuentwickeln und so ein neues Kapitel des<br />

Drehbuchs für <strong>Potsdam</strong> im 21. Jahrhundert zu schreiben.<br />

Wer heute durch <strong>Potsdam</strong><br />

wandelt, fühlt sich immer wieder<br />

in fremde Welten versetzt:<br />

Heilandskirche in Sacrow (links)<br />

und Friedenskirche im Schlosspark<br />

Sanssouci (oben)


42<br />

Blick hinter die Bauwerke<br />

Die Dialektik von Stadt und Land scheint in <strong>Potsdam</strong> auch heute<br />

noch weitgehend zu einer Einheit zu verschmelzen. Der in die<br />

Kulturlandschaft an der Havel integrierte urbane Raum spiegelt<br />

nicht nur die Auseinandersetzung mit dem Ort, dem genius loci,<br />

wider, sondern zeigt auch die internationalen Einflüsse auf die<br />

Entwicklung der <strong>Potsdam</strong>er Stadtlandschaft. Denn hier wirkten<br />

nicht nur die preußischen Baumeister des 18. und 19. Jahrhunderts<br />

– Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, Carl Gotthard<br />

Langhans, Karl Friedrich Schinkel, Friedrich August Stüler, Ludwig<br />

Persius, Ludwig Ferdinand Hesse und Johann Heinrich Strack –<br />

vielmehr drangen auch von überall her neue Ideen und Geistesströmungen<br />

in die Stadt, sei es aus Holland, aus Russland, aus<br />

Böhmen, aus Frankreich, aus Italien oder aus England. Das<br />

jüngste Gebäude von internationalem Rang und außerordentlichem<br />

Denkmalwert im <strong>Potsdam</strong>er Stadtgebiet stammt aus dem Jahre<br />

1921: Der von Erich Mendelsohn auf dem Telegrafenberg für die<br />

Erforschung der Relativitätstheorie errichtete Einsteinturm.<br />

Mit einem beeindruckenden Theaterneubau durch den Architekten<br />

Gottfried Böhm am Kulturstandort Schiffbauergasse<br />

knüpfen die Verantwortlichen an die Tradition an. Dieser werden<br />

weitere mutige und mitunter auch unkonventionelle Vorhaben<br />

folgen. Der Visionen gibt es genug.<br />

Beispiele europäischer Baukultur<br />

vor dem Hintergrund der wechselvollen<br />

Stadtgeschichte: Belle Étage einer Villa<br />

an der Puschkinallee, Torbogen des<br />

Pumpwerkes und der Einsteinturm auf<br />

dem Telegrafenberg


„Wie soll ich einen Film,<br />

der in der Bronx, in Las Vegas,<br />

New York und in Beverly Hills<br />

spielt, in Deutschland drehen?’<br />

dachte ich. Aber jetzt weiß ich es:<br />

Das Studio ist fantastisch.“<br />

(Kevin Spacey, 2003)<br />

Baustein 3: 100 Jahre Film<br />

Ob „Der Blaue Engel“, „Sonnenallee“, „Solo Sunny“,<br />

„Der Pianist“ oder „Metropolis“ – alle diese<br />

Filme haben eines gemeinsam: Sie stammen<br />

aus Babelsberg!<br />

An kaum einem anderen Ort in Europa werden<br />

seit fast 100 Jahren Visionen in Filme verwandelt.<br />

An kaum einem anderen Ort in Europa kann<br />

man durch europäische und deutsche Filmgeschichte<br />

wandeln und dabei auch einem Oscarpreisträger<br />

44<br />

bei der Arbeit begegnen. Nirgendwo sonst werden<br />

gleichzeitig die unterschiedlichsten filmischen<br />

Genres – von TV-Serien über Dokumentarfilme<br />

bis hin zu großen Hollywood-Produktionen –<br />

geschaffen. Das Erfolgsrezept des Medienstandortes<br />

<strong>Potsdam</strong>-Babelsberg war und ist sein kreatives<br />

Potenzial, welches sich aus drei Quellen speist:<br />

Dem historisch-kulturellen Kontext europäischer<br />

Dimension, dem Wechselverhältnis von professioneller<br />

Kunst und wirtschaftlichem Handeln<br />

sowie den unzähligen Möglichkeiten, die sich<br />

aus der Symbiose von Ausbildung, Wissenschaft<br />

und Infotainment ergeben.<br />

In unmittelbarer Nachbarschaft finden sich alle<br />

Facetten und Bedingungen, die für Film, Funk<br />

und Fernsehen relevant sind: Von den Spielfilm-,<br />

Soap- oder Dokuproduktionen der Filmstudios,<br />

über Forschung, Ausbildung, Nachwuchsförderung<br />

und internationalem Austausch an der<br />

Hochschule für Film und Fernsehen ,Konrad<br />

Wolf‘, dem staatlichen Sendeauftrag des<br />

Rundfunks Berlin-Brandenburg, dem Bestand des<br />

Deutschen Rundfunkarchiv bis hin zum Filmpark<br />

Babelsberg als Ressort für anspruchsvolle Unterhaltung<br />

rund um das Medium Film. Babelsberg<br />

bietet die perfekten Voraussetzungen an<br />

einem Ort.<br />

Eine Stadt als Bühnenbild:<br />

Kulissenbau für den Film Metropolis<br />

(links) und eine Daily-Soap (unten)


46<br />

Mit Filmproduktionen wie<br />

„Der Pianist“ wurde die Marke<br />

<strong>Potsdam</strong> wieder ein Qualitätsmerkmal:<br />

Blick in die Berliner<br />

Straße, Schauplatz u.a. von<br />

„Sonnenallee“ (oben)<br />

Die Filmstadt als Filmfabrik:<br />

Blick in die Produktionsstätte<br />

des Sandmännchens (unten)<br />

Als die Visionen laufen lernten<br />

Im Jahr 1912 wurde Babelsberg als Filmstadt geboren – in einer<br />

ehemaligen Futtermittelfabrik. Die Entwicklung von einer kleinen<br />

Produktionsstätte hin zu einem großen Unternehmen ging rasant<br />

voran – schon nach einem Jahr mussten neue Hallen gebaut<br />

werden, die Studios wurden ausgebaut und gehörten bald zu<br />

den modernsten Filmproduktionsstätten in ganz Europa.<br />

Filmtitel wie „Nosferatu“ oder „Die Nibelungen“ rufen sofort<br />

Bilder und Gesichter vor das geistige Auge. Untrennbar verbunden<br />

mit Babelsberg sind Stars wie Asta Nielsen, Emil Jannings,<br />

Zarah Leander und Marlene Dietrich. Geschaffen wurde ihr<br />

Mythos von Regisseuren wie Friedrich Wilhelm Murnau, Fritz<br />

Lang, Josef von Sternberg. Sie setzten Maßstäbe. Beständig<br />

auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen, nutzten sie das<br />

Medium nicht nur zur Unterhaltung der Zuschauer, sondern<br />

begriffen es als neue Kunstform, die die Grenzen von Film zu<br />

Film überschritt und die Zuschauer stets aufs Neue fesselte.<br />

Sie verwirklichten im märkischen Sand ihre Visionen des<br />

künstlerisch massentauglichen Films. Als erste zeigten sie,<br />

welche eigene gestalterische Dimension abseits des Theaters<br />

das Medium Film eröffnet. Sie schufen das neue emotionale<br />

Massenmedium.<br />

Die technischen Herausforderungen des Films nahmen die<br />

Mitarbeiter der UFA schon in den 20er Jahren an. In <strong>Potsdam</strong>-<br />

Babelsberg entstand das erste große Studio für die Produktion<br />

von Tonfilmen in Europa. Karrieren wurden abrupt beendet –<br />

neue Stars und Filmtypen prägten die Epoche. Mit dem „Tonkreuz“<br />

erhielt Babelsberg eines der ersten Tonstudios zur<br />

Bearbeitung von Filmen weltweit, und begründete damit eine<br />

bis heute andauernde Tradition. Gegenwärtig steht in <strong>Potsdam</strong>-<br />

Babelsberg das modernste Synchronstudio der Welt.<br />

Auch die Nationalsozialisten erkannten die Macht, die vom<br />

bewegten Bild ausging und nutzten die Filmkunst für ihre Zwecke.<br />

Zeitgleich begründete Leni Riefenstahl hier eine atemberaubende<br />

Bildsprache, die bis heute prägt und Anlass zu Diskussionen<br />

bietet. Trotz Zensur und propagandistischer Zielsetzung arbeitete<br />

die Filmfabrik weiter, selbst als die produktiven Visionäre ins<br />

Exil geflüchtet oder vertrieben waren. 35.000 Tonnen Schutt<br />

waren das Erbe des Zweiten Weltkrieges auf dem <strong>Potsdam</strong>er<br />

Filmgelände. Doch der Wunsch nach neuen Geschichten, die die<br />

eigene Tragödie verarbeiten halfen, war groß.<br />

Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg<br />

Nach 1945 war der Wiederaufbau und die Wiederinbetriebnahme<br />

der Filmstudios durch Brücken und Brüche mit Europa<br />

verbunden, denn mit der Gründung der DEFA erfuhren die<br />

Produktionen aus <strong>Potsdam</strong>-Babelsberg eine europäische Ausrichtung<br />

nach Osten. In den vier Jahrzehnten VEB-Produktion<br />

entstanden mehr als siebenhundert Spielfilme, darunter 160<br />

Kinder- und Märchenfilme, die in Ost- und Westeuropa gleichermaßen<br />

beliebt waren. Die Filmstadt wurde wieder Filmfabrik:<br />

Hunderte Filmfacharbeiter – vom Dekorateur über die Cutterin<br />

bis zur Maske – arbeiteten an Produktionen von Wolfgang<br />

Staudte, Konrad Wolf oder Frank Beyer. In Babelsberg schien<br />

etwas möglich, auch wenn ganze Produktionen von der Zensur<br />

archiviert wurden und große Charaktere das Land verließen.<br />

Allen Ambivalenzen zum Trotz blieb Babelsberg ein Ort, an dem<br />

sich Kreativität gegen Widerstände durchsetzte und entfalten<br />

konnte. <strong>Potsdam</strong>-Babelsberg erhielt 1954 mit der Filmhochschule<br />

eine Institution, die den Namen <strong>Potsdam</strong> bis heute in alle<br />

Welt trägt. Die Ausbildung in Babelsberg war und ist für viele<br />

der jungen Studierenden aus dem In- und Ausland eine positiv<br />

prägende Erfahrung. Nicht zuletzt deshalb genießt der Standort<br />

auch heute insbesondere bei osteuropäischen Filmemachern<br />

hohes Ansehen als professioneller Produktionsort.<br />

Totgesagte leben länger<br />

Unter diesem Motto begann nach der Wende eine Neuprofilierung<br />

der <strong>Potsdam</strong>er Filmstadt. Auf dem Markt der westeuropäischen<br />

Produktionsstandorte war Babelsberg trotz seines guten<br />

Rufes um Jahre zurück, hinfällige Strukturen mussten abgebaut,<br />

neue Perspektiven und Ziele mussten formuliert werden. Von<br />

manchen belächelt, warf der bis dahin einzige deutsche Oscar-


preisträger Volker Schlöndorff Anfang der 90er Jahre seinen<br />

Hut in den Ring – sein Instinkt sollte ihn nicht täuschen. Turbulent<br />

aber kontinuierlich entwickelte sich die Filmstadt wieder<br />

zu einer weltweit ernst zu nehmenden Größe der Filmproduktion.<br />

Der damalige Ostdeutsche Rundfunk siedelte sich in <strong>Potsdam</strong>-<br />

Babelsberg an und das Deutsche Rundfunkarchiv mit seinen<br />

außergewöhnlichen historischen Beständen erhielt hier sein<br />

neues Haus. Abseits des Kinoglamours wurde <strong>Potsdam</strong>-Babelsberg<br />

zuerst zur Fernseh-Fabrik. Täglich neue TV-Sternchen, die<br />

Bärbel, Vera, Jeanette oder Yvonne heißen, spielen sich am<br />

Nachmittag und frühen Abend in die Herzen von Millionen junger<br />

und alter Fernsehzuschauer. Mehrere hundert Arbeitsplätze<br />

wurden durch Seifenopern und Talkshows gesichert. Bei aller<br />

notwendigen Technik, Produktion und Finanzierung – wieder<br />

waren es die künstlerischen Visionäre, die hier ihre Vorstellungen<br />

verwirklichen konnten und den Namen der Filmstadt <strong>Potsdam</strong>-<br />

Babelsberg wieder in die Welt trugen.<br />

Good bye Lenin – auf der Sonnenallee in die Zukunft<br />

Eine Schlüsselstellung für die Entwicklung der Studios <strong>Potsdam</strong>-<br />

Babelsberg nahm die Produktion des Films „Der Pianist“ unter<br />

der Regie von Roman Polanski ein. Mit dieser internationalen<br />

Produktion wurde die „Marke <strong>Potsdam</strong>“ wieder als Qualitätsmerkmal<br />

definiert, die Dank der künstlerischen Dimension, der<br />

materiellen und personellen Produktionsbedingungen und<br />

schließlich des kommerziellen Erfolgs sogar Weltspitze begrün-<br />

48<br />

dete. Folgeproduktionen wie „In 80 Tagen um die Welt“, „the<br />

bourne supremacy“ oder „beyond the sea“ messen sich an<br />

diesen Standards, ebenso auch bedeutende deutsche Filme<br />

der letzten Jahre wie „Sonnenallee“ und „Good bye Lenin“. Internationale<br />

Filmstars wie Jackie Chan, Matt Damon, Jean-Marie<br />

Poiré, Kevin Spacey, Jude Law, Jean-Jacques Annaud, Joseph<br />

Fiennes, Rachel Weisz, Adrien Brody tragen den Ruf <strong>Potsdam</strong>s<br />

in die Welt. Sie alle schätzen die professionellen Kino-Dienstleister<br />

– vom Filmorchester bis zum Kopierwerk – die hier<br />

gebündelt aufgeboten werden.<br />

In Babelsberg werden Träume und Visionen sichtbar gemacht.<br />

Das Medium Film strahlt auf die gesamte Stadt und in die ganze<br />

Welt. Dieser einzigartige Kulturstandort, der 1992 Gastgeber für<br />

die Verleihung des Europäischen Filmpreises war, gehört nicht<br />

nur Babelsberg, nicht nur <strong>Potsdam</strong> – er gehört Ost wie West,<br />

Nord wie Süd. Ein wahrhaft europäisches Unternehmen. Gegründet<br />

als Vision für Visionen.<br />

Eine Vision von Visionen:<br />

Eingangstor des Filmparks<br />

Babelsberg


<strong>Potsdam</strong>: Eine Insel für Visionen<br />

Warum nur <strong>Potsdam</strong> Kulturhauptstadt werden kann<br />

„<strong>Potsdam</strong> war ein elendes Nest aus<br />

der Zeit meines Vaters. Wenn er wiederkäme,<br />

würde er sicher die Stadt nicht<br />

wiedererkennen, so sehr habe ich sie<br />

verschönt. Ich habe die Pläne des<br />

Schönsten ausgewählt, was in Europa<br />

gebaut hat, vornehmlich in Italien…<br />

ich liebe es, zu bauen und zu schmücken.“<br />

Friedrich II.<br />

50<br />

Was wäre <strong>Potsdam</strong> ohne Friedrich<br />

den Großen: Sein Bild von einer<br />

Sommerresidenz


Was wäre <strong>Potsdam</strong> ohne Friedrich den Großen? Ohne seine Lust, aus<br />

dem „elenden Nest“ an der Havel etwas zu machen. Und ohne seine Ideen<br />

von dem, was einmal werde, aufgeklärt und sans souci? Was wäre <strong>Potsdam</strong><br />

ohne seine sprichwörtliche Toleranz? Was wäre <strong>Potsdam</strong> ohne die Weitsicht<br />

seiner Babelsberger, die ein kleines Hollywood schufen, mitten im märkischen<br />

Sand?<br />

Was wäre <strong>Potsdam</strong> ohne den Forschungsdrang seiner Wissenschaftler,<br />

Einsteins Erben, die von dieser Stadt aus Fragen stellen und beantworten,<br />

die die Welt bewegen.<br />

Was wäre <strong>Potsdam</strong> schließlich ohne seine Bürger, die nach der Wende<br />

angepackt haben. Die nach vorn geschaut haben: Was für ein herrliches,<br />

verfallenes, schützenswertes Erbe. Ihnen verdankt es die Stadt, dass<br />

Schlösser und Gärten stehen, Stadttore und Villen in neuem Glanz erstrahlen,<br />

dass dem Pfingstberg sein Belvedere und dem Alten Markt sein Fortunaportal<br />

zurückgegeben wurden.<br />

Warum kamen Softwareentwickler wie Hasso Plattner ausgerechnet<br />

nach <strong>Potsdam</strong>? Warum gründeten sie ausgerechnet hier ihre Denkfabriken?<br />

Warum kommen die Designer von Volkswagen hierher? Warum entwickeln<br />

sie ausgerechnet in <strong>Potsdam</strong> das deutsche Fahrzeugdesign der Zukunft?<br />

52<br />

Es ist der Weitblick, der sie alle einte und eint. Die Vision. Die Vorstellung<br />

davon, wie die Welt einmal aussehen soll. Hier in <strong>Potsdam</strong> wird voraus<br />

gedacht. Das war zu Friedrichs Zeiten so, zu Einsteins, und es ist heute so.<br />

Es muss ein Mix aus Landschaft und Menschenschlag sein, aus Gegebenem<br />

und Erarbeitetem, eine Melange aus preußischem Lebensmut und italienischer<br />

Lebensart: <strong>Potsdam</strong> weckt Visionen. Aus Visionen schöpfen diese<br />

Stadt und ihre Bürger Kraft. Aus dem Wissen um visionäres Handeln in der<br />

Vergangenheit schöpfen sie Mut für die Zukunft. <strong>Potsdam</strong>s Blick in das<br />

Jahr <strong>2010</strong> ist ein Blick zurück nach vorn.<br />

Diese Visionen machen <strong>Potsdam</strong> zur idealen Kulturhauptstadt Europas.<br />

Denn nur da, wo Ideen entstehen, ist Kultur. Und nur inmitten von Kultur<br />

können neue Ideen entstehen und reifen.<br />

Europäische Kultur braucht Visionen, <strong>Potsdam</strong> weckt Visionen. Das<br />

macht die Stadt einzigartig. Und darum ist <strong>Potsdam</strong> die ideale Kulturhauptstadt<br />

Europas.


„Der Glanz der europäischen Kultur ist nicht zuletzt ein Widerschein<br />

seiner wissenschaftlichen Größe. [...] Gerade der Wissenschaftsstandort<br />

<strong>Potsdam</strong> ist wie eine Stradivari, deren Klang im Zusammenspiel mit anderen<br />

kostbaren Instrumenten noch eindrucksvoller zur Geltung kommt. Das von<br />

mir geleitete <strong>Potsdam</strong>-Institut für Klimafolgenforschung, untergebracht in<br />

einem der schönsten Wissenschaftsgebäude des Kontinents, hat bereits<br />

begonnen, für das europäische Konzert zu üben – insbesondere zusammen<br />

mit dem britischen Tyndall Centre for Climate Change Research, für das ich<br />

ebenfalls Leitungsverantwortung trage. So wird ein integriertes Wissenschaftsnetzwerk<br />

entstehen, das helfen soll, die natürlichen Lebensgrundlagen<br />

unserer Zivilisation zu bewahren. Kann es ein schöneres Ziel in der Tradition<br />

der Tafelrunde von Sanssouci geben?“<br />

John Schellnhuber, Direktor des <strong>Potsdam</strong>-Instituts für Klimafolgenforschung<br />

„Mein <strong>Potsdam</strong> ist gerettet! Dem Himmel sei Dank!“ Diesen Satz sage<br />

ich mir fast einmal pro Tag. Ich, Wolfgang Joop, geboren in dieser Stadt bei<br />

Bombenalarm als einziger Spross auf einem Hof nahe Schloss Sanssouci lebe<br />

und erlebe diesen Ort als Inbegriff von Heimat. Aber auch als Kunstwerk, das<br />

mein Wesen und meine Arbeit geprägt und inspiriert hat. <strong>Potsdam</strong> ist Harmonie<br />

und Widerspruch zugleich: Provinz und Residenz. Sein Geist bestimmt von<br />

Royalismus, Toleranz, Humanismus, Militarismus und Eklektizismus, Bohème<br />

und Beamtenmief. Fast zerstört von Großspurigkeit und Kleingeistern. Von<br />

Faschismus, S-E-Dismus, falschem Fortschrittsdenken und falsch verstandener<br />

Stadtsanierung. Doch sein wahrer Kern ist hart und glänzend wie ein Diamant.<br />

Unzerstörbar in seiner fragilen Schönheit und Poesie: „<strong>Potsdam</strong>, mon amour!“<br />

Wolfgang Joop, Modedesigner<br />

54<br />

„Viele Auguren behaupten, dass sich unter den aktuellen Trends im<br />

europäischen Medienmarkt mit Sicherheit zumindest ein Ergebnis voraussagen<br />

lässt: Film, Fernsehen, Computer und Telefon werden im Jahr <strong>2010</strong> – besonders<br />

wegen der rasant fortschreitenden Digitalisierung – noch mehr zusammengewachsen<br />

sein, als sie es in Ansätzen bereits sind. [...] Beides gehört<br />

zusammen, ergänzt sich und hält in seiner Wechselwirkung unsere Branche,<br />

die nach den Dellen der Vergangenheit gerade wieder Mut schöpft, lebendig:<br />

Die technische Innovation und dieser unvermeidbare, unausrechenbare<br />

„menschliche Faktor“. [...] So hege ich keinen Zweifel daran, dass <strong>Potsdam</strong>-<br />

Babelsberg mit seiner reichen Tradition des phantastischen Films und seiner<br />

immer wieder verblüffenden Erfindungskraft auch in den nächsten Jahren ein<br />

hervorragender Standort für europäische Phantasie und Vision sein wird.“<br />

Friedhelm Schatz, Geschäftsführer Filmpark Babelsberg<br />

„Genauso wenig wie ich mir <strong>Potsdam</strong> ohne Sanssouci vorstellen kann,<br />

genauso wenig kann ich mir die Schlösser und Gärten ohne <strong>Potsdam</strong> denken.<br />

In 250 Jahren haben die preußischen Könige mit Künstlern, Handwerkern und<br />

Gärtnern aus ganz Europa in den märkischen Seen und Hügeln ein Arkadien<br />

geschaffen, in dem sowohl die Stadt wie die Schlösser und Gärten als zufriedenes<br />

Paar leben. Man kennt sich lange, man ist aneinander und miteinander<br />

gewachsen, man kann viele Geschichten erzählen und hat gute und schwere<br />

Zeiten erlebt, man hat sich gestritten und versöhnt. Und – ganz entscheidend –<br />

man schaut nicht nur in die gemeinsam Vergangenheit, sondern ist neugierig,<br />

hat viele Pläne für die Zukunft und manchmal träumt man auch…“<br />

Hartmut Dorgerloh, Generaldirektor Stiftung Preußische Schlösser<br />

und Gärten Berlin-Brandenburg


<strong>Potsdam</strong>: Die Kulturlandschaft<br />

Längst auf dem Weg nach Europa<br />

<strong>Potsdam</strong> hat den Weg zur Kulturhauptstadt<br />

Europas längst beschritten: Nicht<br />

allein mit dem Bau eines neuen Theaters.<br />

Vielmehr entsteht derzeit ein ganzer<br />

Kulturstandort, der als besondere Symbiose<br />

von Kunst und Wirtschaft gilt. Bei<br />

genauerer Betrachtung der Kunst- und<br />

Wissenschaftsszene lassen sich beinahe<br />

unglaubliche Entdeckungen machen:<br />

Da gibt es Wissenschaftswunder in<br />

einmaliger Kulisse auf dem Telegrafenberg.<br />

Oder die Denkschmieden am Neuen<br />

Markt, die den intellektuellen Diskurs<br />

mitprägen. Künstlerische Projekte von<br />

internationalem Renommee sind hier<br />

anzutreffen: Ob die <strong>Potsdam</strong>er Tanztage<br />

56<br />

oder die Musikfestspiele <strong>Potsdam</strong>-Sanssouci,<br />

das Theater-Festival „Unidram“ oder<br />

das Filmfestival „Sehsüchte“.<br />

Neben den kulturellen Entwicklungen<br />

ist auch der urbane Raum stets im Wandel<br />

begriffen. Bedeutende historische<br />

Architektur setzt hohe Maßstäbe an die<br />

Entwicklung der modernen Stadt. Die<br />

Diskussion um die Historische Mitte ist<br />

aktueller denn je. Die Garnisonkirche, das<br />

während und nach dem Krieg zerstörte<br />

Wahrzeichen, wird wieder erbaut.<br />

Die Entwicklung von Wohngebieten und<br />

Lebensräumen setzt nachhaltige Akzente.<br />

Diese Lebendigkeit und Anteilnahme<br />

seiner Bürger ergänzt das etablierte<br />

<strong>Potsdam</strong>bild ebenso, wie die Kreativität<br />

in Kunst und Kultur.


„Der Zeitgenössische Tanz ist eine wunderbar starke und zugleich fragile<br />

Kunst. Stark in der Körperlichkeit und fragil in der Auseinandersetzung<br />

mit dem Gegenwärtigen. Die Stadt <strong>Potsdam</strong> ist stark in ihrer historischen<br />

Verankerung und fragil auf dem Weg in die Zukunft. Aus dieser Verbindung<br />

entstehen Bewegung und Spannung. Kreativität, Risiko und Klarheit zeichnen<br />

den Tanz aus – der Tanz passt gut nach <strong>Potsdam</strong>. Ich bin 1992 nach<br />

<strong>Potsdam</strong> gekommen, weil hier Bewegung möglich ist. Es gibt Menschen,<br />

die sich wie ich voller Lust auf den Tanz einlassen, die verbinden und etwas<br />

aufbauen, sich allem Nahen und Fernen öffnen und Kunstwerke schaffen.<br />

Diese positive, visionäre und zugleich zupackende und sehr reale Energie,<br />

hat viel auf den Weg gebracht hat. Ich bin immer noch auf dem Weg.“<br />

Sabine Chwalisz, Künstlerische Leiterin der fabrik <strong>Potsdam</strong><br />

„<strong>Potsdam</strong> - wo sonst könnte die Inspiration schöner sein: Für das<br />

Leben und die Musik. Hier schöpfe ich Ideen für die Interpretation der Musik<br />

– und trage sie von hier wieder nach Europa und die Welt.“<br />

Daniel Lipton, Dirigent<br />

„Viele Plätze in <strong>Potsdam</strong> erzählen von der Verwobenheit der Stadt<br />

mit der preußischen, deutschen und europäischen Geschichte. Diese Orte<br />

der Kultur, Gesellschaft, Kunst und Wissenschaft auch für die Gegenwart<br />

erleben und nutzen zu können, das gehört zur Einmaligkeit von <strong>Potsdam</strong>.“<br />

Gert Streidt, Direktor des Hauses der Brandenburgisch-<br />

Preußischen Geschichte<br />

58<br />

„Junge Leute an Kunst und Kultur heranführen ist ein Markenzeichen<br />

der <strong>Potsdam</strong>er Jugend– und Kulturpolitik. Dennoch muss der Raum für<br />

Experimente immer vorhanden sein – und das ist das oberste Ziel, was wir<br />

im Bereich Jugend- und Soziokultur auch in Zukunft verfolgen werden.“<br />

Monika Keilholz, Geschäftsführerin des Lindenpark e.V.<br />

„Ein neues Theater zu eröffnen, ist wohl eines der schönsten Erlebnisse,<br />

die einem Theaterschaffenden passieren können. Noch dazu an einem<br />

solchen Ort, am See, in einer der schönsten Städte überhaupt., nahe einer<br />

Weltstadt – hier wird eine Gruppe von Menschen ihre Vorstellung von Theater<br />

präsentieren: Theater als Ort, an dem Bürger alle Fragen ihres gesellschaftlichen<br />

Miteinanders diskutieren können, und wo wir die nicht lösbaren<br />

Fragen unseres Mensch-Seins – wozu leben wir… warum sterben wir…<br />

– zum Klingen bringen können.“<br />

Uwe-Eric Laufenberg, Intendant des Hans-Otto-Theaters<br />

„Weil diese Stadt eine europäische Kulturhauptstadt ist, engagieren<br />

sich die Menschen hier für die Gestaltung <strong>Potsdam</strong>s und fühlen sich als<br />

Botschafter eines wachsenden Kulturbürgertums, dem die Künste, Wissen-<br />

schaft, Sport und soziales Denken lebenswichtig sind.“<br />

Björn O. Wiede, Vorstandsvorsitzender des Fördervereins<br />

Kulturhauptstadt <strong>2010</strong>


Kunst und Kultur: Eine Stadt<br />

mitten im Leben<br />

Die Stadt verfügt über eine ungewöhnlich große Vielfalt an kulturellen<br />

und künstlerischen Organisationen und Einrichtungen, wissenschaftlichen und<br />

sozialen Initiativen. Ein prall gefüllter Veranstaltungskalender mit mannigfaltiger<br />

Auswahl an Konzerten, Theateraufführungen, Ausstellungen und Tanz belegt,<br />

dass <strong>Potsdam</strong> seinen Platz „an der Seite Berlins“ gefunden hat.<br />

Obwohl mit 140.000 Einwohnern eine der<br />

kleinsten Landeshauptstädte, kann <strong>Potsdam</strong><br />

auf eine weit gefächerte Kulturlandschaft<br />

blicken. Die Attraktivität der Stadt und<br />

Aktivität ihrer Bürgerinnen und Bürger führen<br />

dazu, dass alljährlich nicht nur Millionen<br />

von Touristen kommen, sondern dass viele<br />

Menschen auch für immer bleiben. Im<br />

Gegensatz zu anderen, insbesondere ostdeutschen<br />

Städten, kann sich <strong>Potsdam</strong> trotz<br />

nicht ausbleibendem Wegzugs gleichzeitig<br />

über regen Zuzug freuen, die Einwohnerzahl<br />

ist nicht nur stabil, sie steigt sogar. Über<br />

30.000 Neubürger konnte <strong>Potsdam</strong> in<br />

den vergangenen 10 Jahren begrüßen.<br />

Bei aller Euphorie über die Bewerbung<br />

als Kulturhauptstadt Europas gibt es<br />

natürlich auch noch Defizite, gerade in<br />

Zeiten knapper Kassen und rückgängiger<br />

Steuereinnahmen der Kommunen.<br />

Doch diese Situation begreift <strong>Potsdam</strong><br />

als Herausforderung. Die Stadt weiß<br />

um die Chancen, die die Bewerbung<br />

zur Kulturhauptstadt bietet. Sämtliche<br />

60<br />

Leistungsträger aus Kultur, Wissenschaft,<br />

Soziales, Bildung, Sport, Politik und<br />

Wirtschaft werden sich bei der Bewerbung<br />

und der Umsetzung der Kulturhauptstadt<br />

engagieren. Neue Ideen und Projekte aus<br />

all diesen Bereichen werden im Rahmen<br />

der Kulturhauptstadt ein Forum finden.<br />

Die daraus entstehende Bewegung wird<br />

die Kulturlandschaft nachhaltig fördern<br />

und prägen – zunächst auch unabhängig<br />

vom Zuschlag im Jahr 2006.<br />

Ort des Austausches und der<br />

Inspiration: Blick in das Foyer<br />

des Nikolaisaals


Bretter, die die Welt bedeuten<br />

Die „Blechbüchse“, wie der Volksmund<br />

das Theaterhaus liebevoll-ironisch<br />

nennt, ist seit über einem Jahrzehnt die<br />

provisorische Spielstätte des Hans-Otto-<br />

Theaters. Doch ein Ende der schaurigen<br />

Optik und Akustik ist abzusehen: Im Jahre<br />

2006 wird an der Schiffbauergasse<br />

für das Ensemble erstmals der Vorhang<br />

in einem beeindruckenden Neubau<br />

des Architekten Gottfried Böhm aufgehen.<br />

Damit wird die über 200jährige Theatergeschichte<br />

der Stadt, die von glanzvollen<br />

Namen geprägt ist und zu Zeiten der<br />

DDR kulturpolitische Maßstäbe setzte,<br />

würdig fortgeschrieben.<br />

Die jüngere Geschichte um das Theater<br />

liest sich bei oberflächlicher Betrachtung<br />

ein wenig wie ein Schildbürgermärchen:<br />

Im Jahr 1990 stand am Ende der einst<br />

berühmten Sichtachse der Breiten Strasse<br />

der Rohbau des Bühnenturms des neuen<br />

Stadttheaters. Noch zu Zeiten der DDR<br />

war anstelle des beengten Nachkriegsprovisoriums<br />

ein Theaterneubau<br />

beschlossen worden. Ausgerechnet auf<br />

dem Gelände des ehemaligen Stadtschlosses.<br />

Eine respektable Geste<br />

gegenüber den Schönen Künsten, aber<br />

eine Entscheidung gegen die historische<br />

Stadtstruktur. Nach der Wende änderte<br />

<strong>Potsdam</strong> seine Pläne radikal, der Rohbau<br />

wurde abgetragen, um der Chance Raum<br />

zu geben, an historischem Ort die<br />

Rekonstruktion des einmaligen Stadtensembles<br />

zu ermöglichen. Das<br />

geduldige Warten auf eine zeitgemäße,<br />

neue Spielstätte wird sich lohnen.<br />

Das Hans-Otto-Theater hat verschiedene<br />

Spielstätten. Neben der Reithalle und der<br />

Blechbüchse gibt es im Neuen Palais<br />

eines der ältesten heute im Originalzustand<br />

erhaltenen Schlosstheater in Europa.<br />

1768 durch Carl von Gontard erbaut, passt<br />

das Schlosstheater nicht in die Klischees<br />

62<br />

der höfischen Theaterbauten, die den<br />

Monarchen in die königliche Loge als<br />

Gegenüber zur Szene und ihrer Bühne<br />

positionierten, während die Logenbesucher<br />

zwei Blickrichtungen hatten:<br />

Zum Herrscher und zur Szene. Hier ist<br />

<strong>Potsdam</strong> ganz anders: Nicht in bequemen<br />

Fauteuils, sondern auf Terrassenstufen<br />

sitzt das Publikum allein der Kunst<br />

zugewandt. Auch die umlaufenden Ränge<br />

sind auf die Bühne ausgerichtet, der<br />

aufklärerische Gedanke war Bestandteil<br />

der Theaterarchitektur.<br />

Die Theaterfaszination der <strong>Potsdam</strong>er<br />

beschränkt sich nicht allein auf die<br />

Inszenierungen der professionellen Akteure,<br />

sondern wird durch eine erstaunliche<br />

Anzahl von Amateurtheatergruppen<br />

und Initiativen ergänzt. Erwähnt seien<br />

stellvertretend das Theater- und<br />

Theaterpädagogikzentrum T-Werk,<br />

das jährliche osteuropäisch-deutsche<br />

Festival für Off-Theater „Unidram“ und die<br />

Internationalen Kinderkultur-Tage „Welt<br />

Traum.“ Als Botschafter der Kulturhauptstadtbewerbung<br />

legt – wenn es die Mittel<br />

zulassen – das Theaterschiff im Jahr 2005<br />

am Alten Markt ab. Mit Kurs Richtung Polen.<br />

Die Theaterfaszination der<br />

<strong>Potsdam</strong>er hat viele Bühnen:<br />

Schlosstheater, Schlössernacht<br />

und Hans-Otto-Theater in der<br />

Reithalle (v.l.n.r.)


Klangwelten<br />

Musik war stets bedeutender Bestandteil<br />

des höfischen, aber auch des bürgerlichen<br />

Lebens. Mitglieder der königlichen Familie<br />

waren selbst „geniale Dilettanten“, wie<br />

Friedrich der Große, der Märsche kompo-<br />

nierte, Flötenkonzerte gab und regelmäßig<br />

Kammermusiken veranstaltete. Es entwickelte<br />

sich in den folgenden Jahrhunderten<br />

eine rege Musikkultur, die bis heute kaum<br />

etwas missen lässt. Das historische Erbe<br />

wurde bis in die Gegenwart treu gepflegt<br />

– eine Vielzahl der bedeutendsten Konzertereignisse<br />

finden alljährlich im Sommer in<br />

der Kulisse der Schlösser und Gärten statt.<br />

Musik im Grünen<br />

So locken das Zusammenspiel von<br />

Architektur, Gartenkunst und Musik seit 50<br />

Jahren alljährlich zahlreiche Besucher zu<br />

den Musikfestspielen <strong>Potsdam</strong>-Sanssouci.<br />

Sie gehören schon aufgrund der einmaligen<br />

Szenerie seit ihrer Gründung zu den Höhepunkten<br />

des städtischen Musiklebens.<br />

Ihr ursprünglich formuliertes Ziel, die Begegnung<br />

von deutschen Ensembles aus<br />

Ost und West zu ermöglichen und dadurch<br />

die Einheit der deutschen Kultur zu stärken,<br />

wird seit nunmehr 14 Jahren erneut ver-<br />

wirklicht, wobei die europäische Dimension<br />

dieses Vorhabens zunehmend an Bedeu-<br />

tung gewinnt. Alljährlich im Juni sind alle<br />

Musen in den Schlössern und Gärten von<br />

<strong>Potsdam</strong> Sanssouci einmalig vereint, dann<br />

scheint der Geist der Historie mit Händen<br />

greifbar. Zahlreiche Konzerte, Theater- und<br />

Opernaufführungen gruppieren sich um<br />

einen thematischen Schwerpunkt aus der<br />

Jahrhunderte geprägten brandenburgisch-<br />

preußischen Musik- und Kulturgeschichte.<br />

Nicht nur in den authentischen friderizianischen<br />

Schlössern des Parks Sanssouci,<br />

auch im Palmensaal der Orangerie im<br />

Neuen Garten, im englisch inspirierten<br />

Tanzsaal im Schloss Babelsberg oder im<br />

Schloss Cecilienhof musizieren Künstler<br />

aus aller Welt. Die einmalige Kulisse lockt<br />

jedes Jahr Tausende von Musikliebhabern<br />

aus ganz Europa nach <strong>Potsdam</strong>.<br />

Musik als Botschaft<br />

Für eine gelungene Verknüpfung von<br />

Genres, Stilen und Vorlieben sorgt der vor<br />

wenigen Jahren als städtisches Konzert-<br />

und Veranstaltungshaus eröffnete Nikolaisaal<br />

<strong>Potsdam</strong>. Eine Sehenswürdigkeit ist allein<br />

der futuristische Bau des französischen<br />

Architekten Rudy Ricciotti: Durch ein Entree<br />

mit barocker Architektur des 18. Jahrhunderts<br />

gelangt man in das Foyer, das die<br />

Spuren der 30er Jahre trägt. 1909 war der<br />

erste Nikolaisaal im Beisein der Kaiserin<br />

eröffnet worden, der im Laufe der Jahrzehnte<br />

zu einem lebendigen Zentrum der Stadt<br />

avancierte, an dem auch international renommierte<br />

Künstler wie Wilhelm Furtwängler<br />

oder Dietrich Fischer-Dieskau konzertierten.<br />

Das Orchester des Nikolaisaals, Partner der<br />

Musikfestspiele <strong>Potsdam</strong>-Sanssouci, aber<br />

auch musikalischer Botschafter der<br />

Stadt bei Gastspielen im In- und Ausland<br />

ist die Kammerakademie <strong>Potsdam</strong> – ein<br />

Kammerorchester, das den internationalen<br />

Vergleich nicht scheuen muss. Die Kammerakademie<br />

spielt regelmäßig mit Stars<br />

wie Katia und Marielle Labêque, Christian<br />

64<br />

Tetzlaff, Christine Schäfer, Bruno Canino<br />

oder Emmanuel Pahud. Auf höchstem<br />

künstlerischem Niveau repräsentiert die<br />

Kammerakademie lebendige Musikpflege<br />

von historischer Aufführungspraxis bis zu<br />

zeitgenössischer Musik. Sie wird in freier<br />

Trägerschaft von der Stadt <strong>Potsdam</strong> als das<br />

Orchester der Landeshauptstadt gefördert.<br />

Eine wichtige Rolle im Musikleben <strong>Potsdam</strong>s<br />

spielte immer auch die Musik in Kirchen.<br />

Mit dem Oratorienchor und der <strong>Potsdam</strong>er<br />

Kantorei waren schon zu DDR-Zeiten zwei<br />

große Chorverbände weit über Stadtgrenzen<br />

hinaus bekannt. Nunmehr frei von staatlicher<br />

Reglementierung erlebte auch dieser Teil<br />

des kulturellen Lebens nach der politischen<br />

Wende einen beeindruckenden Aufschwung:<br />

In <strong>Potsdam</strong>er Kirchen, die insgesamt etwa<br />

7500 Besuchern Platz bieten, wird heute<br />

ein breites Spektrum unterschiedlicher musikalischer<br />

Genres angeboten. Als Höhepunkte<br />

sind hervorzuheben: Die Bachtage <strong>Potsdam</strong><br />

und die <strong>Potsdam</strong>er Vocalwoche „VOCALISE“,<br />

aber auch der Internationale Orgelsommer,<br />

der seit 1991 jährlich stattfindet.<br />

Eine Sehenswürdigkeit ist allein<br />

der futuristisch anmutende Bau<br />

des französischen Architekten<br />

Rudy Ricciotti: Der Konzertraum<br />

des Nikolaisaals


Aufforderung zum Tanz<br />

Das Einzigartige an <strong>Potsdam</strong>s<br />

„fabrik“ sind die Offenheit und<br />

die Neugierde ihrer Künstler:<br />

Tänzer in der Inszenierung „Fallen“<br />

(aussen) und „Pandora“<br />

Nach der Wende entstand die „fabrik<br />

<strong>Potsdam</strong>“ – ein Ort, geschaffen eigens für<br />

den zeitgenössischen Tanz, für eine Kunstform,<br />

die zu DDR-Zeiten nur in Ansätzen<br />

und allenfalls im Verborgenen existierte.<br />

In den ersten acht Jahren wurden vier<br />

verschiedene Bühnen auf- und ausgebaut,<br />

ein Forum entstand, in dem erstmals das<br />

kreative Potenzial von Tänzern und Choreo-<br />

grafen aufeinander traf. Inzwischen ist es<br />

angewachsen zu einem internationalen<br />

künstlerischen Netzwerk, beheimatet in der<br />

Schiffbauergasse: Hier hat die tanzende<br />

Welt eine Heimstatt, und Künstler der<br />

„fabrik“ sind auf allen Kontinenten zu Gast.<br />

Allein im Jahr 2004 präsentieren sie ihre<br />

Produktionen an der Sydney Opera, in<br />

Adelaide, in Paris, in den Niederlanden und<br />

in Großbritannien. Das Einzigartige an<br />

<strong>Potsdam</strong>s „fabrik“ sind die Offenheit und die<br />

Neugierde ihrer Künstler, gepaart mit dem<br />

Mut, neue Wege zu gehen: Derzeit plant die<br />

„fabrik“ in Kooperation mit der Fachhoch-<br />

schule <strong>Potsdam</strong> das erste künstlerische<br />

Forschungszentrum mit dem Studiengang<br />

Tanz. Schon im kommenden Jahr wird ein<br />

Symposium den Studienplan erarbeiten<br />

– allein die Ankündigung dieses interdisziplinären<br />

Ansatzes machte in der Szene<br />

Furore. Kurzum: Die „fabrik <strong>Potsdam</strong>“ ist<br />

eine Institution. Die <strong>Potsdam</strong>er Tanztage,<br />

das einzige internationale Festival für Tanz<br />

im Land Brandenburg, sind inzwischen<br />

überregional bekannt. P.S.: Im Jahr <strong>2010</strong><br />

feiert die „fabrik“ ihr 20-jähriges Bestehen!<br />

66


Mehr als nur Bilder<br />

Ach, könnte <strong>Potsdam</strong> im Bereich der<br />

Bildenden Kunst nur ähnlich Spektakuläres<br />

bieten wie die benachbarte Hauptstadt –<br />

<strong>Potsdam</strong> kann!<br />

Um einen Eindruck der großartigen<br />

Bildergalerie im Schlosspark Sanssouci<br />

zu vermitteln, wäre ein ganzes Buch<br />

nötig. Der älteste erhaltene Museumsbau<br />

Deutschlands wurde 1755 für die<br />

Allgemeinheit eröffnet und überwältigt<br />

allein durch seine architektonische<br />

Schönheit im Stile des preußischen<br />

Rokoko. Gemälde großer Meister wie<br />

Caravaggio, Rubens oder van Dyck<br />

vereinen sich mit der Ausstattung des<br />

Raums zu einem Gesamtkunstwerk.<br />

Und der Raffaelsaal in der Orangerie<br />

beherbergt mit über 50 Gemäldekopien<br />

nach Raffael vielleicht eine der größten<br />

Sammlungen von „Fälschungen“<br />

Deutschlands.<br />

Was die zeitgenössische Kunst anbelangt,<br />

so gestaltet sich die Lage etwas<br />

schwieriger. Bei Künstlern, Galeristen<br />

und Kunstvermittlern ist das Potenzial<br />

zweifelsohne vorhanden. Allein es fehlt<br />

am Geld: Seit Jahren kann die Stadt<br />

keinen Etat für Kunstankauf einstellen.<br />

Hier ist Kreativität gefragt. Und daran hat<br />

es <strong>Potsdam</strong> nie gemangelt. Denn alle<br />

eint die Vision von einem Ausstellungsort,<br />

der museale Bedingungen erfüllt und mit<br />

dem der zeitgenössischen Kunst ein angemessener<br />

Platz neben den historischen<br />

Kunstschätzen verliehen werden kann.<br />

Bild ohne Rahmen<br />

<strong>Potsdam</strong>s Stadtgeschichte ist nicht immer<br />

nur königlich, auch wenn eine der größten<br />

Ausstellungen des 1909 gegründeten<br />

<strong>Potsdam</strong>er Stadtmuseums von 2003 bis<br />

2004 unter dem Titel „Königliche Visionen“<br />

stand. Gerade die Sammlungen des<br />

Bürgertums, der Alltags- und Kulturgeschichte<br />

sind erhaltenswerte Zeitzeugen<br />

im Puzzlespiel der Vergangenheit<br />

einer Stadt. Das <strong>Potsdam</strong>-Museum ist<br />

eine solche Institution. Hier wurden<br />

Exponate aus den verschiedensten<br />

Epochen und Sparten aus oder über<br />

<strong>Potsdam</strong> zusammengetragen.<br />

Über 90 Prozent der wertvollen Bestände<br />

jedoch schlummern in diversen Depots<br />

über das Stadtgebiet verteilt. Malerei<br />

und Grafik, Schriften und Drucksachen,<br />

Skulpturen, Möbel oder Tausende von<br />

Fotografien werden bewahrt, sortiert<br />

und gepflegt. Eine umfangreiche Techniksammlung<br />

sowie eine umfassende<br />

kulturgeschichtliche Sammlung aus dem<br />

18., 19. und 20. Jahrhundert runden<br />

die Bestände ab, sind jedoch mangels<br />

Möglich- und Räumlichkeiten nur in<br />

den seltensten Fällen der Öffentlichkeit<br />

zugänglich. Es ist erklärtes Ziel des<br />

<strong>Potsdam</strong>-Museums, bis zum Jahr <strong>2010</strong><br />

im Holländischen Viertel einen ansprechenden<br />

Raum für eine Dauerausstellung<br />

und für thematische Sonderausstellungen<br />

zur Geschichte der Stadt <strong>Potsdam</strong> zu<br />

schaffen. Die einhundertjährige Odyssee<br />

einer permanenten Standortsuche<br />

soll in der Kultur- und Landeshauptstadt<br />

68<br />

endlich ein Ende finden. <strong>Potsdam</strong>s<br />

Bild bekommt endlich einen passenden<br />

Rahmen, versprochen!<br />

Hort der Heimatliebe<br />

Bereits wenige Wochen nach seiner Eröff-<br />

nung gehört das im Jahr 2003 eröffnete<br />

Haus der Brandenburgisch-Preußischen<br />

Geschichte (HBPG) zu den wichtigsten Ausstellungsorten<br />

der Stadt und des Landes.<br />

Als lebendiges Forum für die aktive,<br />

kritische und offene Beschäftigung mit der<br />

Landesgeschichte in Brandenburg und<br />

Preußen ist es der Mittelpunkt des „Tourismusforums<br />

Neuer Markt“, das Wissenschaft<br />

und Forschung, Tourismus und<br />

Kultur vereint. Die ständige Ausstellung<br />

bietet eine erlebnisreiche Reise durch<br />

900 Jahre Landesgeschichte, führt zu<br />

geheimnisvollen Orten und faszinierenden<br />

Persönlichkeiten, sie erzählt spannende<br />

Geschichten und stellt kritische Fragen<br />

an die Vergangenheit und Gegenwart<br />

Brandenburgs. Das Haus der Brandenburgisch-Preußischen<br />

Geschichte besitzt<br />

keine eigene Sammlung. Dank der großzügigen<br />

Bereitschaft, die Ausstellung mit<br />

Realien, aber auch mit Rat und Hilfe zu<br />

unterstützen, stammen sämtliche Exponate<br />

aus großen und kleinen Berliner und<br />

Brandenburger Museen und Sammlungen;<br />

auch Häuser aus anderen Ländern<br />

und etliche Privatpersonen stellen ihre<br />

Schätze für längere Zeit zur Verfügung.<br />

Die Ausstellung wendet sich insbesondere<br />

auch an Schüler und Jugendliche, die<br />

über spezielle museumspädagogische<br />

Programme die Geschichte Brandenburg-<br />

Preußens kennen lernen können. Für die<br />

Vermittlung des regionalen Erbes schließt<br />

das HBPG eine Lücke in der Region und<br />

bildet zugleich eine Ergänzung zu den von<br />

der Stiftung Preußische Schlösser und<br />

Gärten präsentierten Bauten, Gärten und<br />

Kunstsammlungen der Hohenzollern.<br />

Blick hinter die Kulisse<br />

Das erste dem Film gewidmete Museum<br />

auf deutschem Boden eröffnete Ende<br />

April 1981 als Filmmuseum der DDR. Die<br />

Unterbringung im ehemaligen Marstall<br />

des gesprengten Stadtschlosses war auch<br />

als Existenzsicherung für dieses Gebäude<br />

gedacht, das zu den ältesten Bauten<br />

<strong>Potsdam</strong>s gehört. Das Museum zeigte<br />

Teile seiner technischen Sammlung und<br />

seit 1983 eine Ausstellung zur Geschichte<br />

der DEFA. Nach der Wende sah sich das<br />

personell umstrukturierte Filmmuseum<br />

<strong>Potsdam</strong> vor neue Aufgaben gestellt: Es<br />

richtete 1994 eine ständige Ausstellung<br />

zur Geschichte des Produktionsortes<br />

<strong>Potsdam</strong>-Babelsberg ein. Die Dokumentation<br />

dieses Standorts auch als nationale<br />

Kulturgeschichte steht immer noch im<br />

Mittelpunkt der Aktivitäten, doch weitete<br />

sich das Spektrum des Hauses mit<br />

Ausstellungen etwa zum Filmarchitekten<br />

Alexandre Trauner (1992), zu Federico<br />

Fellini (1995) oder Romy Schneider<br />

(1998) aus. Publikationen des Museums<br />

zur Filmstadt Babelsberg, zur DEFA,<br />

zum Dokumentarfilm der DDR und<br />

zu Frank Beyer sind mittlerweile<br />

zu Standardwerken gut recherchierter<br />

Filmgeschichtsschreibung geworden.<br />

2003 wurde das Filmmuseum <strong>Potsdam</strong><br />

mit dem Programmpreis der DEFA-<br />

Stiftung ausgezeichnet.<br />

Die Bildergalerie im Schlosspark<br />

Sanssouci (oben)<br />

Wer in Babelsberg drehte, ist<br />

hier verewigt: Das erste deutsche<br />

Filmmuseum im Marstall (unten)


Bürgerliches Engagement in <strong>Potsdam</strong><br />

Die <strong>Potsdam</strong>er beginnen sich zu trauen,<br />

den Stolz auf die Heimat durch Einsatz<br />

für ihre Stadt zu unterstreichen. Das<br />

bürgerschaftliche Engagement ist lebendiges<br />

Zeugnis der inneren Verbundenheit<br />

der Menschen mit ihrem Zuhause. Wer<br />

auf diese Weise glücklich ist, ist ein guter<br />

Gastgeber und wird seine Stadt auch fern<br />

der Heimat stolz präsentieren, für sie<br />

werben und deutlich machen, dass sie<br />

eine würdige Kulturhauptstadt ist. Die<br />

Mischung der Engagierten ist Ausdruck<br />

des Zusammenwachsens von Alteingesessenen<br />

und Neubürgern. Da bürgerschaftliches<br />

Engagement an einem<br />

Objekt Ausdruck der Gleichgesinntheit<br />

ist, ist durch den „frei–willigen“ Zusammenschluss<br />

zugunsten einer Idee schon<br />

beste Grundvoraussetzung für gemeinsames<br />

Handeln gegeben, nämlich ein<br />

gemeinsames Ziel. Ergebnisse der<br />

Leistungsfähigkeit bürgerlichen Engagements<br />

kann man sich in <strong>Potsdam</strong> an<br />

vielen Orten anschauen: Ob der Kirchturm<br />

in Eiche, die Kirche auf dem Neuendorfer<br />

Anger, die Freilegung des Stadtkanals,<br />

der Wiederbau des Fortunaportals,<br />

die Restaurierung des Pfingstbergs, die<br />

Finanzierung des Glockenstuhls der<br />

Pfingstkirche u.v.m. Wenn auch im Stadt-<br />

bild nicht vordergründig präsent und<br />

prägend, so beeinflusst das aktive<br />

Engagement der Kunst- und Kulturvereine<br />

den kulturellen Geist der Stadt doch<br />

maßgeblich. <strong>Potsdam</strong> hat eine hoch<br />

motivierte Bürgerschaft, die in verschiedensten<br />

Bereichen sehr agil ist. Der eine<br />

ist engagiert im ehrenamtlichen Tun,<br />

der andere ist zeitlich dazu nicht in der<br />

Lage, und leistet dafür gerne eine finanz-<br />

ielle Unterstützung, egal ob Verkehrsplanung,<br />

Denkmalschutz, Förderung von<br />

kulturellen Einrichtungen, ob im sozialen<br />

Sektor oder im Bereich des Sports<br />

mit den ungezählten Übungsleitern, die<br />

oft schon seit vielen Jahren unbeirrt<br />

ihren Dienst tun. Nicht zu vergessen sind<br />

die Gruppen von der Telefonseelsorge,<br />

Wohlfahrtsverbänden und viele andere<br />

mehr.<br />

Ohne dieses Engagement wäre <strong>Potsdam</strong><br />

arm und ausdruckslos. Denn Kultur<br />

zeigt sich nicht nur durch mitreißende<br />

Konzert- und Theaterführungen, oder<br />

die Präsentation bildender Künste.<br />

Die Kultur einer Stadt entsteht aus der<br />

Geisteshaltung ihrer Bewohner. Die<br />

Kultur einer Stadt spiegelt sich in den<br />

Reibeflächen intellektueller Diskussionen.<br />

Je aktiver eine Bürgerschaft ihr Leben<br />

selbst mitgestaltet, umso kreativer ist<br />

die kulturelle Szene einer Stadt und umso<br />

mehr werden die Ziele einer Stadt –<br />

wie die Kulturhauptstadtbewerbung –<br />

Unterstützung erfahren.<br />

70<br />

<strong>Potsdam</strong> hat eine hoch motivierte<br />

Bürgerschaft: Das Belvedere auf dem<br />

Pfingstberg wurde in den letzten<br />

Jahren durch privates Engagement<br />

restauriert


<strong>Potsdam</strong> – ganz jung!<br />

Der Lindenpark ist eines der größten<br />

soziokulturellen Jugendzentren des Landes<br />

Brandenburg. Seit Generationen begleitet<br />

diese Institution die Zeit zwischen Kind-<br />

heit und Erwachsensein. Rock- und Popkonzerte,<br />

internationale Festivals von Ska<br />

bis Skaten und die Bühne im Grünen<br />

bieten ein vielseitiges Programm für die<br />

bis 27-Jährigen. Projekte des Lindenparks<br />

sind die Sternwerkstatt für Kinder und<br />

das Waldschloss als Studentenclub.<br />

Der Treffpunkt Freizeit ist ein historisch<br />

gewachsener Kinder- und Jugendtreff, der<br />

mit seinen Angeboten von Theater über<br />

Bildungswerkstätten, <strong>Potsdam</strong> als eine<br />

kinderfreundliche Stadt repräsentiert.<br />

Der Treffpunkt bietet neben Kunst und<br />

Kultur einen wunderschönen Freizeitpark<br />

mit Blick auf den Heiligen See.<br />

Einer der angesagtesten Orte für das<br />

Szeneleben befindet sich auf dem<br />

Gelände des Kulturstandortes Schiffbauer-<br />

gasse. Das Waschhaus sorgt mit seinen<br />

Veranstaltungen für eine spannende<br />

Mischung aus Off-Szene und Kommerz.<br />

Von Klubkonzerten bis hin zu großen<br />

Open-Air-Festivals, Ausstellungen und<br />

72<br />

angesagten Partys – hier findet jeder<br />

seinen Platz. Das Jugend- und Ausbildungs-<br />

zentrum Spartacus steht in der historischen<br />

Mitte <strong>Potsdam</strong>s. 20 Auszubildende<br />

gestalten in einem Knobelsdorff-Haus<br />

ein vielfältiges Programm.<br />

Der Offene Kunstverein bietet jungen<br />

Menschen die Möglichkeit, Theater selbst<br />

zu gestalten. Der Ort Schiffbauergasse ist<br />

in dieser Szene eingeführt. Am Standort<br />

agieren die fabrik mit den Internationalen<br />

Tanztagen sowie T-Werk mit den Theatergruppen<br />

Havarie und Degater’87.<br />

Das kulturelle Angebot bietet<br />

für jede Altergruppe Abwechslung:<br />

Kindervorstellung im Hans-Otto-<br />

Theater (links), Open-Air-Konzert<br />

(unten)<br />

In über 30 Einrichtungen der Kinder- und<br />

Jugendarbeit treffen sich junge Menschen<br />

in <strong>Potsdam</strong>. Von der Alltagskultur bis<br />

zur künstlerischen Gestaltung wachsen,<br />

entstehen und verändern sich auch hier<br />

stetig Kultur- und Lebensentwürfe.<br />

Erwachsene begleiten, unterstützen und<br />

setzen nur die Rahmenbedingungen. Vom<br />

Mädchentreff Zimtzicken über den sport-<br />

betonten Jugendklub Off Line und<br />

verschiedene Jugendtheater sind der krea-<br />

tiven Gestaltung nur die Grenzen gegeben,<br />

die sich Jugendkultur selber setzen will.<br />

Apropos Sport: Der spielt überhaupt<br />

eine Hauptrolle in <strong>Potsdam</strong> – über 120<br />

Sportvereine sorgen sich um die Fitness<br />

ihrer Mitglieder – darunter auch zahlreiche<br />

Olympiasportler und Weltmeister.<br />

Daneben hat Brandenburg von allen<br />

Bundesländern die längste Grenze zu<br />

Polen. Vielleicht der Grund, weshalb<br />

der Sitz des Deutsch-Polnischen Jugendwerks<br />

neben Warschau <strong>Potsdam</strong> ist.<br />

Über eine Million Jugendliche konnten<br />

sich seit 1993 durch die Unterstützung<br />

des Deutsch-Polnischen Jugendwerks<br />

treffen. Die europaweit einmalige,<br />

binationale Einrichtung ist ein gemeinsames<br />

Unternehmen der polnischen<br />

und deutschen Regierung.


Exkurs<br />

<strong>Potsdam</strong>: Ein Magnet für Brandenburg<br />

„<strong>Potsdam</strong> hat das Potenzial und die Akteure, die Patina königlich-preußischer Epochen aufzuarbeiten, um auch<br />

heute über die Landesgrenzen Brandenburgs hinaus zu strahlen – im neuen Glanz als einflussreiches geistigkulturelles<br />

Zentrums des 21. Jahrhunderts. – Das ist die Vision. Das ist die Chance. Für Europa. Als Modell.“<br />

Prof. Dr. Johanna Wanka, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg<br />

<strong>Potsdam</strong> geht nicht nur als Hauptstadt des<br />

Bundeslandes Brandenburg in die Bewerbung<br />

zur europäischen Kulturhauptstadt<br />

<strong>2010</strong>. <strong>Potsdam</strong> steht synonym für die<br />

kulturelle Identität einer ganzen Region<br />

im Herzen Europas. Hier, am Schnittpunkt<br />

uralter Handelswege zwischen Ost und<br />

West, an diesem einzigartigen Ort<br />

europäischer Geschichte und Politik,<br />

fokussiert sich die Brandenburger Kulturlandschaft<br />

und Lebensart auf besondere<br />

Weise. <strong>Potsdam</strong> – als administratives<br />

Zentrum und herrschaftliche Residenz<br />

verschiedenster Epochen – spiegelt wie<br />

keine andere Stadt den kulturellen<br />

Reichtum Brandenburgs wider. Von der<br />

Uckermark bis ins Havelland, von der<br />

Prignitz bis in den Spreewald.<br />

Und reich an Künstlern und bedeutenden<br />

kulturellen Orten war und ist Brandenburg<br />

allemal. Hier wirkten namhafte Architekten<br />

wie Landschaftsgestalter, Musiker wie<br />

Literaten. So verbinden sich Berühmtheiten,<br />

wie Karl Friedrich Schinkel<br />

oder Hermann Fürst von Pückler-Muskau,<br />

wie Carl Philipp Emanuel Bach oder<br />

Theodor Fontane untrennbar mit dieser<br />

„Streusandbüchse“ im Märkischen. Ob<br />

Bettina und Achim von Arnim in ihrem<br />

geliebten Wiepersdorf oder Heinrich von<br />

Kleist in Frankfurt (Oder), ob Brecht in<br />

Buckow (Märkische Schweiz) oder<br />

Strittmatter in seinem Ruppiner Schulzen-<br />

hof, ob Tucholsky, Huchel, Eich oder<br />

Arendt – allein die Liste der hier<br />

ansässigen Dichter spricht für den Ruf<br />

und die künstlerische Kraft dieses nicht<br />

selten geschmähten Landstriches. Denn<br />

Brandenburg ist – bei aller Kargheit<br />

und Bescheidenheit – ein Paradies der<br />

Musen. Und <strong>Potsdam</strong> sein Zentrum.<br />

Denn hier, in dieser zauberhaft weiten<br />

Wald- und Seenlandschaft, ließ es sich<br />

schon immer trefflich parlieren und<br />

fabulieren – über Gott und die Welt,<br />

über Kunst und Kultur. In Jahrhunderten<br />

erwuchs so eine unverwechselbare<br />

Kulturlandschaft, die ihre Eigenheiten<br />

nicht zuletzt dem Austausch der Kulturen<br />

zwischen Mittel- und Osteuropa, den<br />

früh privilegierten Freiheiten zur Zeit der<br />

preußischen Aufklärung sowie dem Sog<br />

der Metropole Berlin zu danken hat.<br />

Heute erstrahlt <strong>Potsdam</strong> in dieser Kulturlandschaft<br />

wie ein Juwel unter vielen<br />

in der Krone kultureller Einmaligkeiten<br />

Brandenburgs. Etwas größer zwar und<br />

etwas heller als alle anderen, aber in der<br />

selben Farbe, weil aus der selben Erde.<br />

Genau wie die <strong>Potsdam</strong>er Schlösser-<br />

und Parklandschaft, tragen etwa<br />

Schloss Rheinsberg oder ein Choriner<br />

Musiksommer den kulturellen Charme<br />

Brandenburgs über die Landesgrenzen<br />

hinaus. Ebenso wie das Staatstheater<br />

Cottbus oder all die Konzert- und<br />

74<br />

Ganz gleich, aus welcher Richtung<br />

man nach <strong>Potsdam</strong> reist, stets<br />

durchquert der Besucher das schöne<br />

Brandenburger Land


Festival-Highlights zwischen<br />

Wittenberge und Neuhardenberg.<br />

Aber im Kulturland Brandenburg gibt es<br />

weit mehr zu entdecken: Allein rund<br />

350 Museen und zahlreiche Gedenkstätten,<br />

etwa 160 öffentliche Bibliotheken,<br />

Hunderte Orchester und Chöre, etwa<br />

23.000 Bodendenkmale und mehr als<br />

10.000 Baudenkmale, ganz zu schweigen<br />

von den fast 3.000 Schlössern und<br />

Herrenhäusern, den Kulturzentren, Kunsthäusern,<br />

den Stadttheatern und Galerien<br />

– sie alle künden von einer kulturellen<br />

Vitalität, die ihresgleichen sucht.<br />

Brandenburg hat die Jahre seit der<br />

Wiedervereinigung genutzt, vor allem<br />

das kulturelle Erbe denkmalpflegerisch<br />

zu sichern und für die Öffentlichkeit<br />

zugänglich zu machen. Aber so, wie<br />

<strong>Potsdam</strong> weit mehr ist als Sanssouci,<br />

wurde analog im Land Brandenburg<br />

auch in eine stabile und quicklebendige<br />

Alltagskultur und in Projekte der zeit-<br />

genössischen Kunst investiert. Heute<br />

finden sich hier spektakuläre Kulturevents<br />

ebenso selbstverständlich, wie sanierte<br />

Klöster, Schlossanlagen und Slawenburgen.<br />

Wo sonst kann man in einem<br />

früheren Tagebau eine so großräumig<br />

angelegte Ausstellung zur Industrie- und<br />

Sozialkultur bewundern, wie in der<br />

„ZEITmaschineLAUSITZ“ bei Großräschen.<br />

Gegenwartskunst ist ebenso zu bestau-<br />

nen in den unprätentiösen Ausstellungsorten<br />

des „Museums Junge Kunst“ in<br />

Frankfurt (Oder), im Rohkunstbau Schloss<br />

Groß Leuthen, in den Brandenburgischen<br />

Kunstsammlungen Cottbus, ja, selbst in<br />

den ehemaligen und derzeit noch<br />

maroden Kasernen der Sowjetarmee<br />

in Beelitz.<br />

Ob „Klassik im Grünen“ oder „Rock am<br />

See“ – „Kultur in der Natur“ ist in<br />

Brandenburg längst zur unverwechselbaren<br />

Marke geworden. Schließlich<br />

76<br />

warten hier immer noch jede Menge Überraschungen<br />

auf die Besucher, die mittler-<br />

weile in Scharen das Brandenburger<br />

Kultur-Reiseland für sich entdecken. Denn<br />

musiziert wird hierzulande neuerdings<br />

auch in ehemaligen Reitställen, Flugzeughangars<br />

und auf Pferderennbahnen. So<br />

paart sich in Brandenburg der eigentümliche<br />

Sinn für Tradition und Erbe mit einer<br />

ebenso eigenwilligen Kreativität, neue Kunstformen<br />

und Kunsträume zu erschließen,<br />

die europaweit von sich Reden machen.<br />

Und wo die Künste sprießen in freier Natur,<br />

haben auch die Geistes- und Naturwissenschaften<br />

ihr Zuhause. Hatten sich<br />

doch vor allem Preußens Regenten die<br />

Entwicklung einer bedeutsamen Wissenschafts-<br />

und Forschungslandschaft<br />

auf die Fahnen geschrieben. Sie knüpften<br />

dabei an bestehende Traditionen an, wie<br />

etwa in Frankfurt (Oder) mit der schon seit<br />

1506 bestehenden Alma mater Viadrina<br />

(heute Europa-Universität Viadrina).<br />

Wissenschaftler von Weltruf zieht es bis<br />

heute ins beschauliche Brandenburg,<br />

wohl wissend, hier Ruhe, Inspiration<br />

und eine intakte Infrastruktur für ihre<br />

Arbeit zu finden. Nicht von ungefähr fand<br />

1929 selbst Albert Einstein den Weg ins<br />

Märkische, um abseits vom Trubel in<br />

Berlin arbeiten und leben zu können.<br />

Mehr denn je zeugen heute die knapp<br />

40.000 Studenten an den Universitäten<br />

und Fachhochschulen des Landes, die<br />

komplette Vertretung aller bedeutenden<br />

deutschen Forschungsgemeinschaften in<br />

ihren 20 Brandenburger Instituten, sowie<br />

einzigartige Forschungszentren – vom<br />

Sorbischen Institut bis zur Berlin-Brandenburgischen<br />

Akademie der Wissenschaften<br />

– davon, dass Brandenburg weniger durch<br />

rauchende Schornsteine, als durch rauchende<br />

Köpfe sich seinen Ruf als Zukunftsstandort<br />

verdient. Kein Wunder: Wo es an Rohstoffen<br />

und Schwerindustrie mangelt, ist<br />

Wissen das Kapital des Märkers.<br />

<strong>Potsdam</strong> als geistiges Zentrum dieser<br />

prosperierenden Kultur- und Wissenschaftslandschaft<br />

wird <strong>2010</strong> deutliche<br />

Signale setzen, diesen Standort erlebbar<br />

zu machen. In weiträumigen Projekten,<br />

visionären Entwürfen für die Gesellschaft<br />

und einer modernen Alltagskultur.<br />

Kunst und Wissenschaft sind dabei die<br />

Ingredienzen, aus denen die Realträume<br />

erwachsen werden. Sie sollen wie ein<br />

Magnet wirken und kreative Köpfe aus<br />

Brandenburg, aus Deutschland, und<br />

ganz Europa auf den Plan rufen, die<br />

Bewerbung zur Kulturhaupstadt Europas<br />

in ein spektakuläres wie dauerhaftes<br />

Gesamtkunstwerk für die Zukunft zu<br />

gießen. Hier mit zu tun, ist nicht allein<br />

Herausforderung, sondern Privileg.<br />

Schließlich geht es nicht um irgendeine<br />

Stadt, die sich auf den Weg zur Kultur-<br />

und Zukunftswerkstatt Europas macht.<br />

Ausgerechnet <strong>Potsdam</strong> will es wagen.<br />

Dabei steht kein anderer Ort in Brandenburg<br />

so in der Pflicht der Historie, die<br />

– nach Nietzsche – ebenso von „Nutzen“<br />

wie von „Schaden“ sein kann.<br />

Doch <strong>Potsdam</strong> hat das Potenzial und die<br />

Akteure, um erneut über die Landesgrenzen<br />

Brandenburgs hinaus zu strahlen<br />

– im Glanz eines einflussreichen geistigkulturellen<br />

Zentrums des 21. Jahrhunderts.<br />

Das Land Brandenburg zählt zu<br />

den gewässerreichsten Gebieten<br />

Deutschlands


Wissenschaften:<br />

Was die Welt zusammenhält<br />

In <strong>Potsdam</strong> wurde schon immer an der<br />

Zukunft gearbeitet, in besonderem<br />

Maße im Bereich der Wissenschaft und<br />

Lehre. Aus allen Zweigen und aus allen<br />

Teilen der Welt treffen hier Wissensdurst<br />

und Forscherdrang zusammen.<br />

Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der<br />

Forschungsstandort begründet, der<br />

seinerzeit maßgeblich durch die Aktivi-<br />

täten auf den Gebieten Astrophysik,<br />

Geodäsie und Gravitationsforschung<br />

geprägt war.<br />

Nach der deutschen Wiedervereinigung<br />

erfolgte eine Neugestaltung der Forschungs-<br />

und Akademielandschaft. In deren Folge<br />

siedelten weitere bedeutende Einrich-<br />

tungen auf dem Gebiet der Naturwissenschaften,<br />

insbesondere nun auch aus den<br />

Geistes- und Sozialwissenschaften an.<br />

Einer der leistungsfähigsten Forschungsstandorte<br />

Deutschlands entstand, an dem<br />

die gesamte Bandbreite der Wissenschaft,<br />

von hochabstrakter Grundlagenforschung<br />

bis zu applikationsorientierter Zielforschung,<br />

vertreten ist. Interdisziplinäre und internationale<br />

Netzwerke bilden die Grundlage<br />

für den interkulturellen Austausch.<br />

<strong>Potsdam</strong> hat sich als Wissenschaftsstandort<br />

profiliert, den Ideen und Visionen<br />

folgten umsetzungsorientierte Ansätze<br />

und Lösungen. Auch für die Bürger und<br />

Studenten hat diese Ballung von Einrichtungen<br />

ihren ganz alltäglichen Wert, denn<br />

78<br />

als Stadt der Wissenschaften ist natürlich<br />

auch die Auswahl an Bibliotheken ent-<br />

sprechend beeindruckend. Neben der<br />

Stadt- und Landesbibliothek und den drei<br />

Hochschulbibliotheken stehen alleine 17<br />

Spezialbibliotheken, wie die Bibliothek<br />

des Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische<br />

Studien, zur Verfügung.<br />

Eine herausragende Stellung nimmt die<br />

landeskundliche Sammlung Brandenburgica<br />

in der Stadt- und Landesbibliothek ein.<br />

Sie ist das Gedächtnis der <strong>Potsdam</strong>er<br />

und Brandenburger Geschichte.<br />

Das Forschungsspektrum ist breit<br />

gefächert: Fontane-Handschrift und<br />

Sternentstehung im Orionnebel


Laboratorien der Zukunft<br />

80<br />

Eine gelungen Verbindung von<br />

Tradition und Zukunft: Forschung<br />

auf dem Telegrafenberg<br />

<strong>Potsdam</strong> ist überdurchschnittlich intelli-<br />

gent und gebildet. Neben drei Hochschuleinrichtungen<br />

mit 20.000 Studierenden<br />

widmen sich in der Landeshauptstadt<br />

über 4.000 Wissenschaftlerinnen und<br />

Wissenschaftler an rund 50 Instituten in<br />

Hörsälen, Laboratorien, Werkstätten und<br />

Studios der Forschung und Bildung.<br />

Mit der Gründung des ersten speziellen<br />

astrophysikalischen Observatoriums der<br />

Welt im Jahre 1874 schlug die Geburtsstunde<br />

des Forschungsstandortes<br />

Telegrafenberg. 1924 wurde im Einsteinturm<br />

auf dem Telegrafenberg das Sonnenobservatorium<br />

fertig gestellt, das den<br />

Nachweis eines von Albert Einstein voraus-<br />

gesagten Effektes der Allgemeinen<br />

Relativitätstheorie erbringen sollte.<br />

1892 siedelte das Königlich-Preußische<br />

Geodätische Institut von Berlin nach<br />

<strong>Potsdam</strong> über. Im gleichen Jahr wurde auf<br />

dem Telegrafenberg das Meteorologisch-<br />

Geomagnetische Observatorium gegründet.<br />

Durch beide Institute wurden zahlreiche<br />

Expeditionen in Arktis und Antarktis<br />

vorbereitet und unterstützt. Alexander von<br />

Humboldt weilte Mitte des 19. Jahr-<br />

hunderts geraume Zeit in der Stadt und<br />

verfasste hier Teile seines Hauptwerkes.<br />

Ein großer Sohn <strong>Potsdam</strong>s ist der<br />

Physiker Hermann von Helmholtz. Die<br />

Wissenschaften wurden von der kaiserlichen<br />

Familie protegiert. Doch ohne<br />

die inspirierende Aura <strong>Potsdam</strong>s wären<br />

sie wohl kaum so produktiv gewesen.<br />

Weitere frühe Höhepunkte in der über<br />

120-jährigen Forschungstradition<br />

<strong>Potsdam</strong>s sind die Absolutbestimmung<br />

der Erdschwere im Jahre 1909 sowie die<br />

Inbetriebnahme der ersten beiden Quarzuhren<br />

für den offiziellen Zeitdienst 1933.<br />

Mit den Zentralinstituten für Physik der<br />

Erde und für Astrophysik blieb <strong>Potsdam</strong><br />

auch in der DDR ein bedeutender<br />

Wissenschaftsstandort. Neu gegründet<br />

wurden unter anderem 1951 das Zentrale<br />

Institut für Landtechnik der DDR<br />

– das heutige Institut für Agrartechnik<br />

Bornim e.V. – und die Schiffbau-Versuchs-<br />

anstalt <strong>Potsdam</strong> im Jahre 1953.<br />

Ziel der Wissenschaftler am GeoForschungs-<br />

Zentrum ist es, über ein Verständnis des<br />

Systems Erde zur Entwicklung eines<br />

‚Erdmanagements‘ zu kommen, das auch<br />

nachfolgenden Generationen die Erde als<br />

Lebensraum bewahrt. Das <strong>Potsdam</strong>-Institut<br />

für Klimafolgenforschung untersucht den<br />

Klimawandel in seiner ganzen Komplexität,<br />

bis hin zu dessen möglichen ökologischen,<br />

wirtschaftlichen und sozialen Folgen. Es<br />

kann dabei von den Kollegen des Alfred-<br />

Wegener-Instituts profitieren, die ihre<br />

Kenntnisse aus dem Polarkreis einbringen.<br />

Am Max-Planck-Institut für Kolloid- und<br />

Grenzflächenforschung durchleuchten<br />

Physiker und Chemiker die „Welt der<br />

vernachlässigten Dimensionen“ zwischen<br />

Atomen und sichtbaren Körpern. Biomimetische<br />

Systeme stellen dabei eine<br />

besondere Herausforderung dar; hier<br />

werden sie von den Wissenschaftlern aus<br />

dem Max-Planck-Institut für Molekulare<br />

Pflanzenphysiologie unterstützt, die einen<br />

neuen, ganzheitlichen Ansatz zur Auf-<br />

klärung der komplexen pflanzlichen<br />

Prozesse verfolgen. Im dritten Max-Planck-<br />

Institut auf dem Forschungscampus<br />

Golm, dem Albert-Einstein-Institut, wird in<br />

einer weltweit einzigartigen Vereinigung<br />

verschiedener Forschungszweige im<br />

Geiste Albert Einsteins u.a. nach der „Welt-<br />

formel“ gesucht, die Mikro- und Makrokosmos<br />

vereinigt. Ganz der Frage nach<br />

dem Universum widmet sich das Astrophysikalische<br />

Institut <strong>Potsdam</strong>, das sowohl<br />

in der Sternwarte Babelsberg, als auch<br />

in den spektakulären Gebäuden auf dem<br />

einhundertjährigen Wissenschaftszentrum<br />

Telegrafenberg beheimatet ist: Im expres-<br />

sionistischen Einsteinturm des Architekten<br />

Erich Mendelsohn aus dem Jahre 1920,<br />

sowie im Großen Refraktor-Gebäude aus<br />

dem Jahre 1899.<br />

Typisch für den neuen Geist von <strong>Potsdam</strong><br />

ist der beständige Zuzug renommierter<br />

Wissenschaftseinrichtungen. So ist vor<br />

kurzem das Hasso-Plattner-Institut für Soft-<br />

waresystemtechnik in die Stadt gekommen.<br />

Weitere werden folgen.


Denkschmieden<br />

Ein in Deutschland einzigartiges<br />

Ensemble von hervorragenden Einricht-<br />

ungen im Bereich der Geistes- und<br />

Kulturwissenschaften bilden die wissenschaftlichen<br />

Institutionen Am Neuen<br />

Markt. An einem der schönsten Plätze<br />

der Stadt beherbergen die historischen<br />

Bauten acht national und international<br />

renommierte Institute, die sich in ihrer<br />

Forschung und bei der Vermittlung<br />

wissenschaftlicher Inhalte an ein breites<br />

Publikum wenden. Wie bereits am<br />

preußischen Hofe, wird auch hier der<br />

geistige Austausch gepflegt. Das Themenspektrum<br />

reicht von Europäischer Aufklärung<br />

über Kultur und Geschichte<br />

der Deutschen im östlichen Europa bis hin<br />

zu Fragen des jüdischen Lebens in<br />

Geschichte und Gegenwart.<br />

Den in ihrem Profil individuellen Institutionen<br />

bietet das inspirierende Forum die<br />

Grundlage für einen interdisziplinären<br />

Dialog, fördert Kooperationen und den<br />

Austausch mit der Öffentlichkeit. Es stellt<br />

darüber hinaus überregional einen<br />

intellektuellen Anziehungspunkt dar. Die<br />

gemeinsame Veranstaltungsreihe „<strong>Potsdam</strong><br />

in Europa“ im Jahr 2003 thematisierte die<br />

fundamentale Ambivalenz des preußisch-<br />

deutschen Beitrags zur gemeinsamen<br />

europäischen Vergangenheit. Inhaltliche<br />

und räumliche Ergänzung finden die<br />

Einrichtungen im Haus der Brandenburgisch-Preußischen<br />

Geschichte, das<br />

Kongresszentrum, Ausstellungsraum<br />

und Archiv zugleich ist.<br />

Schnittstelle zwischen Wissenschaft und<br />

Gesellschaft ist das Einstein Forum, das<br />

bedeutenden Wissenschaftlern aus aller<br />

Welt eine Plattform bietet. Mit seinen<br />

Diskussionen und Dialogen hat sich das<br />

Forum in den letzten Jahren zu einem<br />

festen Bestandteil des intellektuellen<br />

Diskurses in Berlin und Brandenburg<br />

entwickelt. In unmittelbarer Nähe<br />

beleuchten Geschichtswissenschaftler<br />

aus ganz Deutschland am Zentrum für<br />

Zeithistorische Forschung <strong>Potsdam</strong> e.V.<br />

zusammen mit internationalen Gästen<br />

die Fragen der jüngeren deutschen Zeitgeschichte.<br />

Eine besondere Bedeutung<br />

kommt der zweiten deutschen Diktatur<br />

im Kontext der europäischen Geschichte<br />

des 20. Jahrhunderts zu.<br />

Das Deutsche Kulturforum östliches<br />

Europa ist für die weitere Entwicklung des<br />

europäischen Einigungsprozesses von<br />

herausragender Bedeutung, da es sich<br />

für eine kritische und zukunftsorientierte<br />

Auseinandersetzung mit der Geschichte<br />

einsetzt. Es behandelt insbesondere jene<br />

Gebiete im östlichen Europa, in denen<br />

früher Deutsche gelebt haben bzw.<br />

heute noch leben und strebt im Dialog<br />

mit Partnern aus Mittel- und Osteuropa<br />

die Entdeckung der Geschichte dieser<br />

Regionen als verbindendes Erbe der<br />

Deutschen und ihrer östlichen Nachbarn<br />

an. Einem breiten Publikum wird dieser<br />

Ansatz durch Ausstellungen, Lesungen,<br />

Vorträge, Diskussionsveranstaltungen,<br />

Konzerte etc. anschaulich vermittelt.<br />

82<br />

Das Interesse an Wissenschaft<br />

und Forschung findet sich<br />

im ganzen Stadtbild wieder.


84<br />

Hort für Liebhaber und Forscher:<br />

Das Fontane-Archiv am Bassin-Platz<br />

Das Forschungszentrum Europäische<br />

Aufklärung verfolgt die Zusammenführung<br />

von Literaturwissenschaften, Geschichte,<br />

Kultur-, Philosophie-, Kunst- und Wissenschaftsgeschichte.<br />

Damit soll das<br />

Phänomen der Aufklärung interdisziplinär<br />

und in gesamteuropäischer Perspektive<br />

erforscht und der vergleichenden Betrachtung<br />

der europäischen Regionen, ihrer<br />

Begriffe und Medien besondere<br />

Aufmerksamkeit gewidmet werden.<br />

Der Akzent des Moses Mendelssohn<br />

Zentrum für europäisch-jüdische Studien<br />

liegt auf der Beziehungsgeschichte von<br />

Juden und nicht-jüdischer Umwelt sowie<br />

vergleichenden sozialgeschichtlichen<br />

Fragestellungen, soziokulturellen<br />

und ideengeschichtlichen Aspekten. Nicht<br />

zuletzt ist die Berlin-Brandenburgische<br />

Akademie der Wissenschaften, eine Fach-<br />

und Ländergrenzen überschreitende<br />

Gelehrtengesellschaft, die in der Tradition<br />

der Kurfürstlich Brandenburgischen<br />

Sozietät der Wissenschaften steht.<br />

Nicht außer Acht gelassen werden sollte<br />

auch das Fontane-Archiv am Bassinplatz,<br />

das den Nachlass des märkischen<br />

Dichters verwaltet.<br />

<strong>Potsdam</strong>s Ruf, eine Denkschmiede vor<br />

den Toren der Hauptstadt zu sein, ist weit<br />

über die Grenzen Deutschlands hinaus<br />

vernehmbar. Nicht zuletzt deshalb hat der<br />

größte Schweizer Zeitungsverlag Ringier<br />

im Herbst 2003 ausgerechnet in<br />

<strong>Potsdam</strong>, unmittelbar an der Glienicker<br />

Brücke, die CICERO-Redaktion gegründet.<br />

Seit März 2004 erscheint Deutschlands<br />

erstes „Magazin für politische Kultur“<br />

monatlich. Es belebt die alte Tradition der<br />

Autorenmagazine wieder: Am bekanntesten<br />

war wohl Kurt Tucholskys „Weltbühne“,<br />

ebenfalls einst ein <strong>Potsdam</strong>er Medien-<br />

produkt. Mit CICERO hat einmal mehr eine<br />

Vision ihre Heimstatt in <strong>Potsdam</strong> gefunden.


Campus <strong>Potsdam</strong><br />

Aus der 1948 gegründeten Landes- und<br />

später Pädagogischen Hochschule wurde<br />

1991 die Universität <strong>Potsdam</strong> neu<br />

gegründet. 1954 wurde die Deutsche<br />

Hochschule für Filmkunst am traditionsreichen<br />

Standort in <strong>Potsdam</strong>-Babelsberg<br />

ins Leben gerufen. Die älteste von fünf<br />

deutschen Filmhochschulen trägt seit<br />

1985 den Namen Hochschule für Film<br />

und Fernsehen ,Konrad Wolf‘. Als jüngste<br />

Institution nahm im Oktober 1991 die<br />

Fachhochschule <strong>Potsdam</strong>, eine Neugründung<br />

aus bestehenden Instituten, ihren<br />

Forschungs- und Lehrbetrieb auf.<br />

Allen Einrichtungen gemein ist die<br />

Forschungs- und Praxisnähe, die enge<br />

Vernetzung durch Interdisziplinarität<br />

sowie die Verbindung zu zahlreichen<br />

außeruniversitären Forschungseinrichtungen.<br />

Kennzeichnend sind zudem die<br />

unkonventionellen, übergreifenden und<br />

manchmal sogar exotischen Fächerkombinationen,<br />

wie Polymer Science,<br />

Patholinguistik oder Softwaresystem-<br />

technik.<br />

Die Hochschullandschaft <strong>Potsdam</strong>s<br />

konzentriert sich nicht an einem zentralen<br />

Campus, sondern prägt das gesamte Bild<br />

der Stadt. Ob am Standort Babelsberg, an<br />

dem die jungen Filmprofis ihr Handwerk<br />

lernen und sich mit Juristen, Wirtschafts-<br />

sowie Sozialwissenschaftlern austauschen<br />

können. Oder auch in unmittelbarer Nähe<br />

des Neuen Palais, in den Communs, wo<br />

die Studierenden der humanwissenschaftlichen<br />

Fakultäten in königlichem Ambiente<br />

geistige Anregung und Inspiration finden.<br />

Am Rande des Schlossparks Sanssouci,<br />

in zwei palastartigen Pavillons mit geschwungenen<br />

Freitreppen und prächtigen<br />

Kuppelaufsätzen aus dem 18. Jahrhundert,<br />

befindet sich der Hauptsitz der Universität.<br />

Die Fachhochschule <strong>Potsdam</strong> mit den<br />

Fachrichtungen Architektur, Design und<br />

Kulturarbeit geben ehemaligen Militäranlagen<br />

im Norden mit junger Frische<br />

und kreativem Geist neues Leben. Viele<br />

Kasernengebäude und Exerzierplätze<br />

86<br />

Wo die Filmemacher von<br />

morgen ihr Handwerk lernen:<br />

Die Hochschule für Film und<br />

Fernsehen ,Konrad Wolf‘<br />

der einstigen Garnisonsstadt wurden in<br />

den vergangenen Jahren zu attraktiven,<br />

modernen Adressen um- und ausgebaut.<br />

Die naturwissenschaftlichen Institute<br />

der Universität bilden zusammen mit dem<br />

Fraunhofer und dem Max-Planck-Institut<br />

den weiter wachsenden Forschungs-<br />

campus Golm.<br />

Natürlich kommt auch der Spaßfaktor<br />

im studentischen Leben nicht zu kurz.<br />

Die hier ansässigen Fachrichtungen<br />

eröffnen ein dankbares Spektrum an<br />

Geistige Anregung und Inspiration<br />

in königlichem Ambiente:<br />

Blick von den Communs auf das<br />

Neue Palais<br />

außeruniversitären Aktivitäten über<br />

die etablierten Gremien hinaus.<br />

So entwickelte sich das Festival<br />

Sehsüchte seit 1995 zu einem international<br />

angesehen Filmereignis. Die bereits<br />

Anfang der 70er Jahre begründeten<br />

Studentenfilmtage waren das größte<br />

studentische Filmfest des Ostblocks.<br />

Inzwischen sind sie ein Geheimtipp für<br />

Fans aus aller Welt.<br />

Das Unidram, das osteuropäisch-deutsche<br />

Festival für Off-Theater, hat sich seit seinem<br />

Bestehen zu einem renommierten Ort<br />

für junges Theater aus Deutschland und<br />

dem osteuropäischen Raum entwickelt.<br />

Mittlerweile ist es unverrückbarer<br />

Bestandteil der Theaterlandschaft der<br />

Landeshauptstadt und kultureller Höhepunkt<br />

in den neuen Bundesländern.<br />

Im Herzen der Stadt verwirklichen die<br />

Studierenden <strong>Potsdam</strong>s ein ehrgeiziges<br />

Projekt: 2005 beziehen sie ihr Kultur-<br />

zentrum in den mitten in der Altstadt<br />

gelegenen Elfleinhöfen. Sie stehen schon<br />

heute für idealistische und avantgardistische<br />

Konzepte, und bemühen sich<br />

darüber hinaus, wirtschaftlich selbständig<br />

zu agieren. Zukunftsweisend.<br />

Wer hat das Meer versalzen? Warum<br />

soll ich Gemüse essen, wenn Schokolade<br />

viel besser schmeckt? Solch spannende<br />

Fragen werden Kindern im Rahmen<br />

der Kinder-Universität beantwortet, die ab<br />

Oktober 2004 angeboten wird.


Exkurs <strong>Potsdam</strong> und Berlin –<br />

zwei ungleiche Schwestern?!<br />

Die Linie R1 zwischen <strong>Potsdam</strong> und Berlin<br />

gehört zu den am besten ausgelasteten<br />

Streckenverbindungen im Großraum<br />

Berlin-Brandenburg. In <strong>Potsdam</strong> wird<br />

gewohnt und in Berlin gearbeitet, und<br />

umgekehrt. Betrachtet man das Treiben<br />

am <strong>Potsdam</strong>er Hauptbahnhof oder an<br />

der Glienicker Brücke, dann stellt man<br />

fest, dass alltäglich ein unglaublicher<br />

Austausch zwischen beiden Städten<br />

stattfindet. Aber nicht nur zur Arbeit und<br />

zum Studium, sondern auch für Freizeit<br />

und Erholung, zu Kino, Theater und<br />

Konzerten finden die Einwohner den Weg<br />

in die jeweilige Nachbarstadt.<br />

Die Rollenverteilung im gemeinsamen<br />

Siedlungsraum Berlin-Brandenburg<br />

ist jedenfalls klar. Berlin spielt als<br />

Bundeshauptstadt im „big business“,<br />

während die kleine Schwester sich im<br />

Schatten der großen Bundeshauptstadt<br />

eingerichtet hat. Und diese Rolle<br />

genießt. Das vielfältige kulturelle und<br />

infrastrukturelle Angebot Berlins wird<br />

weniger als Konkurrenz, denn als<br />

„<strong>Potsdam</strong> steht für europäische Kulturgeschichte.<br />

Die Verbindung zwischen Vergangenheit, Gegenwart<br />

und Zukunft macht <strong>Potsdam</strong> zu einer aufregenden Stadt.<br />

Eine halbe Stunde von Berlin entfernt, kann man<br />

in <strong>Potsdam</strong> die Seele baumeln lassen. Ob durch seine<br />

einzigartige Architektur oder durch die wunder-<br />

schöne Seenlandschaft. Ich habe vier Jahre in den<br />

weltberühmten Babelsberger Studios gedreht und unterstütze<br />

aus ganzem Herzen die Bewerbung <strong>Potsdam</strong>s als<br />

Kulturhauptstadt <strong>2010</strong>“. Jeanette Biedermann<br />

Standortvorteil für sich selbst betrachtet.<br />

Umgekehrt wirkt die Qualität der <strong>Potsdam</strong>er<br />

Kultur wie ein Magnet auf viele<br />

Berliner. Darüber hinaus ziehen immer<br />

mehr Berliner Familien ins grüne <strong>Potsdam</strong>.<br />

Denn hier ist die großstädtische Hektik<br />

fern, ihr unerschöpfliches Angebot jedoch<br />

nah. Und nirgendwo regeneriert es sich<br />

besser, als inmitten von Schlössern<br />

und Gärten. Das rege Pendeln tut dem<br />

Austausch zwischen beiden Städten gut:<br />

Jeden Tag kommen neue Ideen und neue<br />

Gesichter in die Stadt – genau das ist es,<br />

was diese Stadt ausmacht.<br />

Und wenn man nach der Vereinigung<br />

von Brandenburg und Berlin zu einem<br />

gemeinsamen Bundesland beim<br />

Überqueren der Glienicker Brücke keine<br />

Landes-, sondern nur noch eine ganz<br />

normale Gemeindegrenze überquert,<br />

dann sitzen beide Städte auch föderalistisch<br />

und administrativ in einem Boot.<br />

Das trägt dann den Namen Berlin-<br />

Brandenburg – und wird von <strong>Potsdam</strong><br />

aus gesteuert.<br />

88<br />

Einst Ort des Agentenaustauschs,<br />

heute kommen jeden Tag<br />

neue Ideen in die Stadt: Über die<br />

Glienicker Brücke


Stadtentwicklung: Zwischen<br />

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft<br />

Die Landeshauptstadt hat noch großes<br />

städtebauliches Entwicklungspotenzial.<br />

Doch Fragen nach der Verkehrsführung,<br />

Parkplätzen oder Tiefbau spielen eine<br />

Nebenrolle: Die Herausforderungen sind<br />

weitaus größer.<br />

An reizvollen Plätzen und Märkten<br />

mangelt es nicht, doch das eigentliche<br />

historische Zentrum liegt brach. Dem<br />

Besucher bietet sich ein unschönes<br />

Entree, wenn er mit der Bahn in die Stadt<br />

kommt und nach der Überquerung der<br />

Langen Brücke auf den Alten Markt<br />

stößt. Neben einer überdimensionierten<br />

Verkehrskreuzung steht mahnend ein<br />

Hotelhochhaus. Das im Volksmund als<br />

Blechbüchse bezeichnete Theater lässt<br />

wenig Gutes erwarten, die Baustelle vor<br />

der Nikolaikirche und dem Alten Rathaus<br />

wirkt trotz des Neubaus des Fortuna-<br />

Portals verlassen. Ein weiterer Dorn im<br />

Auge ist das zwar architektonisch interessante,<br />

doch dort deplazierte Gebäude<br />

der Fachhochschule aus den 70er Jahren.<br />

Die Diskussion um die zukünftige Gestaltung<br />

<strong>Potsdam</strong>s löst hitzige Debatten<br />

aus. Sie stellt die Stadt und ihre Bürger<br />

vor große Aufgaben. Ihre Lösungen<br />

wird die Nachwelt kritisch betrachten.<br />

<strong>Potsdam</strong> weckt einmal mehr Visionen!<br />

Die Schiffbauergasse als Kulturstandort,<br />

an dem Off-Szene, Theaterneubau<br />

und neue Ökonomie eine inspirierende<br />

Symbiose eingehen, ist einer der größten<br />

wahr gewordenen Träume der letzten<br />

Jahre. An den spannungsvollen Ort zieht<br />

es gegenwärtig in erster Linie die Avantgarde<br />

und die Jugend, doch spätestens<br />

im Jahre 2006 wird die Schiffbauergasse<br />

zu <strong>Potsdam</strong>s Kulturmeile Nr. 1 zählen.<br />

Neben den Entwicklungskonzepten von<br />

öffentlichen Einrichtungen spielen die<br />

Wohnungsbaukonzepte eine entscheidende<br />

Rolle. Ob der <strong>Potsdam</strong>er Osten mit<br />

den Großraumsiedlungen Stern, <strong>Drewitz</strong>,<br />

Schlaatz. Waldstadt und Kirchsteigfeld,<br />

oder das neu erschlossene Gebiet um das<br />

Bornstedter Feld – <strong>Potsdam</strong> ist im Bau.<br />

90<br />

Gemeinsam mit den Bürgern stellen sich<br />

Kommune und Wohnungsbauunternehmen<br />

sowohl in den großen Stadtteilen, die in<br />

den vergangenen 30 Jahren entstanden<br />

sind, als auch in neu erschlossenen<br />

Siedlungen, den Herausforderungen. Der<br />

Stadt gelang es, im Laufe des letzten<br />

Jahrzehnts beispielhafte Lösungsansätze zu<br />

formulieren und diese auch umzusetzen.<br />

Im Gegensatz zu anderen Städten ist<br />

<strong>Potsdam</strong> in der glücklichen Lage, auf eine<br />

steigende Einwohnerzahl zu blicken. Durch<br />

die bewusste Gestaltung des Stadtbildes<br />

und das innere Zusammenwachsen der<br />

Stadtteile, durch Wohnquartiere, Einkaufsmöglichkeiten<br />

und Freizeitangebote,<br />

gewinnt <strong>Potsdam</strong> sein Profil als eine vitale<br />

Stadt, die viel mehr ist, als ein Ort mit<br />

unzähligen Sehenswürdigkeiten.<br />

Die Herausforderungen an den<br />

Städtebau sind enorm: Kulturbaustelle<br />

in der Schiffbauergasse


Im Herzen der Stadt<br />

Die Wiedergewinnung der Historischen<br />

Mitte <strong>Potsdam</strong>s ist eine vielfältige<br />

Aufgabe, die neben einem langen Atem<br />

vor allem Verständnis für die gewachsene<br />

Stadt, ihre menschlichen Proportionen<br />

und urbanen Strukturen braucht. Die<br />

in wenigen Jahren erreichten Erfolge<br />

– sowohl in der Stadterneuerung als auch<br />

in den Köpfen der Menschen – eröffnen<br />

<strong>Potsdam</strong> die reelle Chance, in dem sich<br />

schnell wandelnden Zeitgeschmack<br />

wieder mit dauerhaften Qualitäten zu<br />

bestehen. In einer Zeit, in der virtuelle<br />

Welten zunehmend an Bedeutung<br />

gewinnen, Distanzen und Grenzen spielend<br />

elektronisch überwunden werden können,<br />

suchen Menschen als Gegenpol wieder<br />

den physischen, in einer kulturellen<br />

Tradition stehenden Ort. Basierend auf<br />

einer Vorstellung, die vor fast dreieinhalb<br />

Jahrhunderten geboren wurde, bietet<br />

„das gantze Eyland“ heute dafür über-<br />

zeugende Angebote.<br />

Verborgene Schönheiten<br />

Das Areal um den Alten Markt zählte vor<br />

dem Zweiten Weltkrieg zu den bedeutenden,<br />

fast vollständig erhaltenen<br />

barocken Stadtkunstwerken in Deutschland.<br />

Die Abfolge von Plätzen und Straßenräumen<br />

mit einheitlich gestalteten<br />

Fassaden, teilweise Nachbildungen von<br />

italienischen Palästen, und der Stadtkanal<br />

nach holländischem Vorbild<br />

beeindruckte Besucher und Bewohner.<br />

Die Stadtsilhouette mit den Türmen der<br />

Heilig-Geist-Kirche, der Garnisonkirche,<br />

der Kuppel der Nikolaikirche, dem<br />

Alten Rathaus und dem Fortunaportal des<br />

Schlosses war berühmt.<br />

Der Luftangriff im April 1945 zerstörte<br />

den Stadtkern mit dem Stadtschloss,<br />

den Kirchen, der Haveluferbebauung und<br />

den Wohngebäuden der ersten barocken<br />

Stadterweiterung. Die frühen fünfziger<br />

Jahre des 20. Jahrhunderts waren in<br />

<strong>Potsdam</strong> noch weitgehend vom Gedanken<br />

des Wiederaufbaus geprägt. Auch für<br />

das Stadtschloss gab es Nutzungskonzepte.<br />

Die Überformung des histori-<br />

schen Stadtbildes wurde zum Symbol<br />

der neuen Gesellschaft, die aus Ruinen<br />

auferstehen sollte.<br />

Für die Stadt bedeutete das einerseits<br />

Abriss der noch wiederaufbaufähigen<br />

Ruinen des Stadtschlosses, Sprengung<br />

der Garnisonkirche, Zuschüttung des<br />

Stadtkanals und Abriss der Ruine<br />

der Heilig-Geist-Kirche, andererseits<br />

Schaffung einer städtebaulichen<br />

92<br />

In einer kulturellen Tradition<br />

stehender Ort im Herzen der Stadt:<br />

Historische Ansicht des Stadtschlosses<br />

mit dem Fortunaportal


Großstruktur mit Aufmarschmagistrale,<br />

wie sie für eine sozialistische Bezirksstadt<br />

als angemessen angesehen wurde.<br />

Kurz: Die Mitte der Stadt wurde systema-<br />

tisch ihrer wertvollen historischen<br />

Substanz und stadträumlichen Struktur<br />

beraubt.<br />

Umso höher sind die Leistungen anzuerkennen,<br />

die zur Erhaltung bedeutender<br />

Gebäude geführt haben. Schon 1947<br />

begann die evangelische Kirche mit der<br />

Sicherung der Nikolaikirche, die 1981<br />

wieder eingeweiht werden konnte. 1966<br />

wurde das Alte Rathaus unter Einbeziehung<br />

der beiden Nachbargebäude als Kulturhaus<br />

wieder aufgebaut. Weitere Beispiele<br />

sind die Wiederherstellung des Marstalls<br />

als Filmmuseum der DDR und die<br />

Erneuerung der Knobelsdorffschen<br />

Pendanthäuser am Beginn der Breiten<br />

Straße. Überwiegend wurde jedoch nach<br />

der Direktive des Politbüros von 1968<br />

verfahren, die für den Aufbau des<br />

„Stadtzentrumskerns“ von <strong>Potsdam</strong> ein<br />

„neues unverwechselbares sozialistisches<br />

Gepräge“ forderte.<br />

Zwischen gestern und morgen<br />

Nach dem Ende der DDR wurde die Stadt-<br />

verwaltung im Oktober 1990 beauftragt,<br />

„eine langfristige, die Jahrtausendwende<br />

überschreitende Konzeption für eine von<br />

Verantwortung getragene, behutsame<br />

Wiederannäherung an das charakteristisch,<br />

historisch gewachsene Stadtbild“ zu<br />

entwickeln. Ein 1991 durchgeführtes, viel<br />

beachtetes internationales Architektenseminar<br />

empfahl übereinstimmend, das<br />

„Gesamtkunstwerk <strong>Potsdam</strong>“ wiederherzustellen.<br />

Damit besteht für die heutige<br />

Generation die Herausforderung und die<br />

Chance, die Historische Mitte <strong>Potsdam</strong>s<br />

als Bezugspunkt des „Gesamtkunstwerks“<br />

wiederzugewinnen. Mit der Festsetzung als<br />

Sanierungsgebiet hat die Stadt <strong>Potsdam</strong><br />

seit 1999 ein geeignetes Instrumentarium,<br />

eine so weitreichende städtebauliche<br />

Maßnahme umzusetzen und zu finanzieren.<br />

Besonders ermutigend ist, dass vor allem<br />

auch private Initiativen diesem Prozess<br />

treibende Impulse gegeben haben. Aus den<br />

anfänglich widersprüchlichen Diskussionen<br />

sind konkrete Initiativen der Bürger<br />

geworden. Etwa zwanzig Vereine bemühen<br />

sich mit steigender Resonanz um die Wieder-<br />

herstellung der bauhistorischen Qualität<br />

der Stadt. Dabei geht es nicht nur um<br />

private Gelder, die zur Wiederherstellung<br />

der Schönheit der Stadt beitragen,<br />

sondern gerade auch um das wachsende<br />

Verständnis der Menschen für die<br />

Erneuerung des historischen Ortes.<br />

Nach einer breiten Debatte wurde vom<br />

Beirat „<strong>Potsdam</strong>er Mitte“ die weitgehende<br />

Rekonstruktion der Schlossfassade in<br />

ihrer historischen Gestalt empfohlen.<br />

Durch die Verbindung historischer Elemente<br />

und originaler Fragmente mit modernen<br />

Gebäudeteilen kann ein einzigartiger Ort<br />

entstehen – ein Ort, der Bewahrenswertes<br />

94<br />

in sich aufnimmt und gleichzeitig die<br />

angemessene Umgebung für Zukunftsent-<br />

scheidungen bietet.<br />

Am Neuen Markt, der weitgehend von<br />

Kriegszerstörungen verschont blieb, sind mit<br />

dem Kabinettshaus und dem ehemaligen<br />

Kutschpferdestall zwei besonders wertvolle<br />

und geschichtsträchtige Gebäude rekonstruiert<br />

worden. An einem der schönsten<br />

Plätze in der Mitte der Stadt haben sich<br />

Kultur, Geisteswissenschaften, Fremdenverkehr<br />

und Gastronomie fest etabliert.<br />

Diese Funktionen sollen bei der weiteren<br />

Umgestaltung des Stadtraumes zwischen<br />

Neuem Markt und Plantage zu einem<br />

lebendigen innerstädtischen Quartier ge-<br />

stärkt werden.<br />

Gefasst wurde die Historische Mitte<br />

gleichsam wie eine Insel auf der Insel durch<br />

den Stadtkanal – einst charakteristisches<br />

Element der barocken Stadtanlage<br />

<strong>Potsdam</strong>s, nach holländischem Vorbild aus<br />

einem Entwässerungsgraben entstanden.<br />

Unmittelbar nach der Wende forderte eine<br />

<strong>Potsdam</strong>er Bürgerinitiative, den Stadtkanal<br />

wieder auszugraben. Man wusste, dass die<br />

Einfassungen, die Treppen und die<br />

Brückenpfeiler noch vorhanden waren.<br />

Inzwischen konnte der Stadtkanal in zwei<br />

Teilstücken wieder sichtbar gemacht<br />

werden. Ein Gesamtkonzept für die Wieder-<br />

herstellung ist erarbeitet; die nächsten<br />

Abschnitte werden in Angriff genommen.<br />

Die historische Mitte bewegt<br />

seit Jahrzehnten die Bürger:<br />

Alter Markt mit Fortunaportal<br />

und Nikolaikirche


Schiffbauergasse – Ein Hauch von Metropole<br />

96<br />

Ein Ort der Widersprüche<br />

und Spannungen: Die Schiffbauergasse<br />

mit dem Neubau des<br />

Hans-Otto-Theaters<br />

Die Schiffbauergasse ist ein Ort der<br />

Widersprüche, der Spannungen erzeugt<br />

und Fortschritt ermöglicht. An dem Ort,<br />

der heute eine Vision des gegenwärtigen<br />

<strong>Potsdam</strong>s verkörpert, liegen die<br />

Ursprünge der Stadt. Es liegt auch heute<br />

noch etwas Originäres in diesem Areal –<br />

verfallene Speicher, ausgetretene Wege,<br />

matschige Fahrspuren, vom Verfall<br />

bedrohte Mauern. Baukräne stehen<br />

für Aufbau, Leuchtschilder weisen den<br />

Weg zum Hightechstandort und der<br />

Zukunft des Autodesigns, während hinter<br />

den von Graffiti beschmierten Wänden<br />

und maroden Gebäuden künstlerische<br />

Ideen und Gedanken reifen.<br />

Die freien Kulturträger, die das Areal für<br />

sich entdeckten und beleben, sind der<br />

ursprüngliche Motor der Entwicklung in<br />

der Schiffbauergasse. Im Sommer 1991<br />

waren erste Vertreter der <strong>Potsdam</strong>er<br />

Kunst- und Kulturszene in das Gelände<br />

vorgestoßen. Bis zu diesem Zeitpunkt war<br />

das Areal jahrhundertelang industriellmilitärisch<br />

genutzt und spielte im öffentlichen<br />

Bewusstsein keine Rolle. Einzelne<br />

Gebäude wurden besetzt und nach<br />

anfänglichem Zweifeln unterstützte die<br />

Stadt die Initiativen. Heute finden in der<br />

Schiffbauergasse einige der wichtigsten<br />

Kulturveranstaltungen statt. Ob die<br />

fabrik <strong>Potsdam</strong> mit den <strong>Potsdam</strong>er<br />

Tanztagen, die Vorstellungen der Jugend-<br />

sparte des Hans-Otto-Theaters oder<br />

Konzertevents des Waschhauses –<br />

mit der Schiffbauergasse werden bereits<br />

heute gelungene, innovative und qualitativ<br />

ansprechende Produktionen verbunden.<br />

Zudem stellt sie den wichtigsten Investi-<br />

tionsstandort dar. Das Besondere:<br />

Die Kulturszene ebnete den Weg, erkannte<br />

die großartigen Möglichkeiten, die<br />

sich direkt im Brachland am Ufer des<br />

Tiefen Sees boten. Die Stadt folgte<br />

diesen Gedanken und sorgte für weitere<br />

Chancen. Die Wirtschaft trat in die<br />

bereits festgetretenen Pfade und gesellte<br />

sich in die unmittelbare Nachbarschaft<br />

der ehemaligen Besetzer. Vielleicht<br />

werden sich in einigen Jahren bislang<br />

unvorstellbare Konstellationen ergeben,<br />

wenn der Theaterbau des Landes und der<br />

Stadt eingeweiht wurde, wenn neben dem<br />

VW-Design-Center und dem Softwarekonzern<br />

Oracle weitere Investoren und<br />

Unternehmen angelockt werden<br />

konnten. Die <strong>Potsdam</strong>er setzen große<br />

Hoffnungen in den neuen Standort, der<br />

einen Hauch von Metropole vermittelt.


Platte Wohnkultur im Wandel<br />

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hießen<br />

die Siedlungen auf der anderen Seite<br />

der Havel „Daheim“ oder „Am Brunnen“,<br />

später waren Namen wie Schlaatz, Waldstadt<br />

oder <strong>Drewitz</strong> modern. Seit den<br />

sechziger Jahren entstanden großflächige<br />

komplexe Siedlungen, die über eine<br />

eigene Infrastruktur verfügen sollten.<br />

Heute leben in diesen Siedlungen rund<br />

40 Prozent der <strong>Potsdam</strong>er.<br />

<strong>Drewitz</strong> ist das letzte große Siedlungsgebiet,<br />

das vor der Wende erschlossen<br />

wurde, das benachbarte Kirchsteigfeld<br />

das erste Wohngebiet der Nachwendezeit.<br />

Zusammen mit der Großsiedlung Am<br />

Stern, den Resten der ursprünglich dörflichen<br />

Bebauung und einem großen<br />

Gewerbegebiet bilden sie einen vielschich-<br />

tigen Raum. Wo vor 30 Jahren gerade<br />

einmal 1.000 Menschen lebten, wohnen<br />

heute 30.000. Vor allem Familien<br />

lassen sich hier nieder, etwa die Hälfte<br />

der <strong>Potsdam</strong>er Kinder und Jugendlichen<br />

leben hier.<br />

<strong>Potsdam</strong> hat sich vorgenommen, diese<br />

Stadtteile zu Ende zu bauen. Was<br />

Fragment geblieben, soll vervollständigt,<br />

was vergessen wurde, soll nachgereicht<br />

98<br />

werden. Es soll ein zukunftsfähiger<br />

Stadtteil entstehen, ein urbaner Ort nahe<br />

der Natur.<br />

Friede den Kasernen<br />

Unmittelbar nördlich anschließend an die<br />

historische <strong>Potsdam</strong>er Innenstadt liegt<br />

der neu gestaltete Stadtraum Bornstedter<br />

Feld. Das seit dem 18. Jahrhundert<br />

militärisch genutzte Gebiet ist eingebettet<br />

in die Kulturlandschaft. Über zwei<br />

Jahrhunderte konnte die Stadt durch die<br />

militärische Nutzung diese städtebauliche<br />

Barriere nicht überwinden – ob Garni-<br />

sonen der preußischen Monarchie,<br />

Wehrmacht, Nationale Volksarmee oder<br />

sowjetische Truppen: Die Stadt konnte<br />

sich bis 1991 nicht nach Norden ausbreiten.<br />

Der Abzug der Truppen markierte<br />

den Startpunkt für die zivile Zukunft dieses<br />

Gebietes und bedeutete eine tiefgreifende<br />

Wende in der <strong>Potsdam</strong>er Stadtentwicklung.<br />

Besonderes Augenmerk wurde auf die<br />

historische Planungspraxis gelegt und die<br />

umgebende Landschaft in Zusammenhang<br />

mit den Planungen gesehen. Die Bemühungen<br />

wurden im Jahre 2002 mit dem<br />

Deutschen Städtebaupreis ausgezeichnet.<br />

Seit der Bundesgartenschau im Jahre 2001<br />

bildet der Volkspark das Zentrum des neu-<br />

erschlossenen Gebiets und lockt Familien,<br />

Sportler und Ausflügler gleichermaßen<br />

in das großzügig gestaltet Areal. Im südlichen<br />

Bereich ist mit dem Einzug der Fachhochschule<br />

ein moderner Campus entstanden,<br />

der die Mauern der ehemaligen Kasernen<br />

mit frischen Ideen belebt.<br />

In den sechziger Jahren<br />

entstanden, nach der Wende<br />

modernisiert: Großsiedlungsfassaden<br />

im Zentrum


Exkurs Wiederaufbau der Garnisonkirche<br />

Mit dem „Ruf aus <strong>Potsdam</strong>“ wurde im Januar 2004 eine neue<br />

Initiative zum Wiederaufbau der <strong>Potsdam</strong>er Garnisonkirche<br />

gestartet. An diesem politisch umstrittenen, städtebaulich und<br />

architektonisch hoch bedeutenden Bauwerk kulminiert preußische<br />

und deutsche Geschichte in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit.<br />

Der geplante Wiederaufbau soll deshalb kein vorrangig<br />

restauratives Projekt werden, sondern er soll die Auseinandersetzung<br />

mit den Traditionen und gesellschaftlichen Brüchen<br />

in der Geschichte <strong>Potsdam</strong>s und des preußischen Staates<br />

ermöglichen. Das kirchliche Nutzungskonzept sieht für die wieder<br />

zu errichtende Garnisonkirche eine Nutzung als offene Stadt-<br />

und Symbolkirche, sowie die Einrichtung eines internationalen<br />

Versöhnungszentrums vor.<br />

Als Bauwerk bestimmte die Garnisonkirche das Stadtbild<br />

<strong>Potsdam</strong>s entscheidend mit. Ihr Äußeres war Teil des berühmten<br />

„Dreikirchenblicks“. In der Kunstgeschichte gilt sie als Hauptwerk<br />

des preußischen Barock, der aus einer Symbiose von niederländischer<br />

Schlichtheit und französischem Einfluss hervorging.<br />

Im Gegensatz zu seinen Vor- und Nachfahren hat ihr Erbauer,<br />

König Friedrich Wilhelm I., nicht großartige Schlösser, sondern<br />

eine bedeutende Anzahl von Kirchen zur Ehre Gottes erbauen<br />

lassen. Als Simultankirche für Calvinisten und Lutheraner,<br />

als Gotteshaus für eine Militär- und Zivilgemeinde, für Hofbedienstete<br />

und Bürger war sie ein Symbol der religiösen und<br />

staatsbürgerlichen Toleranz, die durch das <strong>Potsdam</strong>er Edikt von<br />

1685 begründet worden war. 1817 war sie sogar Ausgangspunkt<br />

für den Zusammenschluss der beiden evangelischen<br />

Konfessionen zur Evangelischen Kirche der Union, wie sie noch<br />

heute besteht.<br />

Als Ruhestätte des Soldatenkönigs und Friedrichs des Großen<br />

entwickelte sich die Garnisonkirche zu einem viel besuchten Ort.<br />

Im Zuge der Stein-Hardenbergschen Reformen wurde 1809<br />

dort der erste frei gewählte Magistrat von <strong>Potsdam</strong> in sein Amt<br />

eingeführt. Nach der Rückkehr der Regimenter der <strong>Potsdam</strong>er<br />

Garnison aus den Befreiungskriegen gestaltete man die<br />

Garnisonkirche zu einer Erinnerungsstätte. Kein Geringerer,<br />

100<br />

als der bekannte Baumeister Karl Friedrich Schinkel lieferte<br />

den Entwurf für die Anbringung der erbeuteten Fahnen an den<br />

Pfeilern des Kirchenschiffes.<br />

Gegen den Widerstand führender Kirchenvertreter und der<br />

damaligen Kirchenleitung fand in der Kirche am „Tag von<br />

<strong>Potsdam</strong>“, dem 21. März 1933, der Staatsakt zur Eröffnung des<br />

Reichstages statt. Goebbels hatte die Symbolkraft dieser<br />

Ruhestätte Friedrichs des Großen und des Soldatenkönigs<br />

erkannt und den Gegnern des nationalsozialistischen Regimes<br />

suggeriert, an die preußischen Traditionen anknüpfen zu wollen.<br />

Diesem Missbrauch steht gleichermaßen als schwacher Trost<br />

gegenüber, dass viele Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944<br />

Gemeindeglieder der <strong>Potsdam</strong>er Garnisonkirche waren.<br />

Es ist überliefert, dass der letzte Organist und Glöckner die<br />

Lieblingschoräle inhaftierter Regimegegner erschallen ließ,<br />

um ihnen damit Mut zu machen.<br />

Nach dem englischen Luftangriff auf <strong>Potsdam</strong> am späten Abend<br />

des 14. April 1945 brannte die Kirche aus. 1950 wurde im<br />

Erdgeschoss des Turmes die „Heilig-Kreuz-Kapelle“ eingeweiht.<br />

Gemeindeglieder beräumten nach und nach den Schutt und<br />

gingen 1966 an den Wiederaufbau. Als bereits zwei Stahlbetondecken<br />

zur Sicherung des Turmes eingezogen waren, verhängten<br />

die SED-Behörden einen Baustopp. Zwei Jahre darauf,<br />

übrigens zeitgleich mit der Leipziger Universitätskirche, folgte<br />

auf Ulbrichts unmittelbare Anordnung die Sprengung. Dieser Akt<br />

der Zerstörung konnte jedoch die Erinnerung an dieses Hauptwerk<br />

des Preußischen Barock nicht auslöschen.<br />

Ein Originaldetail der Garnisonkirche


<strong>Potsdam</strong>: Vor allem wunderschön!<br />

Die Resonanz der Bewerbung von <strong>Potsdam</strong> als Kulturhauptstadt Europas<br />

im Jahre <strong>2010</strong> rief allerorts selbstverständliche Zustimmung hervor. Mit dieser<br />

Kulisse und dieser Vergangenheit sei die Stadt geradezu prädestiniert. Welche<br />

andere Stadt hat denn soviel Europäisches zu bieten? Noch dazu so ansehnlich,<br />

umfangreich und wunderbar erhalten? Beim näheren Hinsehen stellt sich in<br />

der Tat heraus, dass die Stadt ein Schmelztiegel europäischer Ideen und Projekte<br />

ist; dass diese vom Militär über Jahrhunderte bestimmte und über 40 Jahre<br />

in den Schatten der Mauer gedrängte Stadt mit größter Selbstverständlichkeit<br />

wieder ihren angestammten Platz in der Mitte Europas eingenommen hat;<br />

dass an die großen Traditionen, von denen lediglich die drei eindrucksvollsten<br />

– Landschaftsgestaltung, Baukultur, Filmwelt – näher beleuchtet wurden,<br />

angeknüpft wird, mit dem Blick in die Zukunft gerichtet.<br />

<strong>Potsdam</strong> hat eine Menge zu bieten. Dem Besucher wird schon beim ersten<br />

Kontakt klar: <strong>Potsdam</strong> ist vor allem wunderschön. Wohin das Auge blickt –<br />

bezaubernde Straßen, entzückende Villen, reizende Gärten und innerhalb weniger<br />

Meter durchquert man mehrere Länder, Jahrzehnte und Epochen. Das alles<br />

in einer der schönsten Regionen Deutschlands – mit ihren klaren Seen,<br />

märkischen Wälder, gepflegten Parks. <strong>Potsdam</strong> verdankt seine Schönheit und<br />

Pracht zwar maßgeblich den Königen und – sicherlich – den preußischen<br />

Architekten und Landschaftsgestaltern. Doch was wären die Herrscher ohne ihr<br />

Volk? Was das <strong>Potsdam</strong> von heute ohne die Bürgerinnen und Bürger, die<br />

Ideen transportieren, kritisch Entscheidungen hinterfragen und engagiert ihre<br />

Stadt gestalten?<br />

102<br />

Blick von der Freundschaftsinsel<br />

auf die Nikolaikirche und das Alte<br />

Rathaus am Alten Markt


Die <strong>Potsdam</strong>er sind eng verbunden mit den Erben ihrer Vorväter. Aus<br />

diesem Erbe schöpfen sie die Kraft für neue Träume. Inspiriert von Ideen und<br />

Phantasien aus den verschiedensten Ländern Europas: Den Baumeistern aus<br />

Holland, den Philosophen aus Frankreich, den Sängern aus Russland, den<br />

Vorbildern aus Italien, den Ratgebern aus England und den vielen neuen<br />

Einwohnern, die sich im Laufe der Zeit in der Havelstadt niedergelassen haben.<br />

In <strong>Potsdam</strong> wird ständig an der neuen Vision Europa gebaut. Diese Stadt ist<br />

in Bewegung. Ob am Stadtrand, wo sowohl qualitativ herausragende Stadterweiterung<br />

betrieben wird oder im Stadtzentrum, wo die Diskussionen um die<br />

Historische Mitte <strong>Potsdam</strong>s die Gemüter bewegt. Ob in den Hörsälen der<br />

Universität oder den Laboratorien der Grenzflächenforschung, ob am städtischen<br />

Theater oder in den vielen Museen. Eine Bewegung, die den ständigen<br />

Austausch bedingt, damit sie Fortschritte erzielen kann. Eine Bewegung,<br />

die inspiriert.<br />

Die Wahl <strong>Potsdam</strong>s zur Kulturhauptstadt<br />

Europas gäbe ein europäisches<br />

Signal zu einem historischen Zeitpunkt<br />

der neuen europäischen Geschichte: Eine<br />

Stadt der Visionen als Vision für das<br />

kulturelle Selbstverständnis einer sich<br />

erweiternden und damit kulturell verdichtenden<br />

europäischen Union.<br />

104<br />

Was <strong>Potsdam</strong> war, ist diese Stadt<br />

und wird sie künftig sein: Ein kultureller<br />

Ort gleichsam im Windschatten der<br />

Metropole Berlin, der ein charakteristisches<br />

Selbstbewusstsein lebte und lebt<br />

– im Europa des Alten Fritz ebenso wie<br />

im Europa der 25 Staaten. Aus Liebe zur<br />

Region, aus historisch geprägter Toleranz,<br />

Optimismus und Bereitschaft zur Mobilität.<br />

<strong>Potsdam</strong>s Geschichte ist seine<br />

Aufgabe für die Zukunft: Vor dem Hintergrund<br />

der vielfältigen Potenziale –<br />

historisch erwachsen, gegenwärtig<br />

erhalten und gepflegt – Initiator zu sein<br />

für europäische Visionen.

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