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und Leseprobe (PDF) - Vandenhoeck & Ruprecht

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24<br />

Hendrik Ehrhardt / Thomas Kroll, Energie in der modernen Gesellschaft<br />

Dirk van Laak<br />

rückständig-agrarische Gebiet des Tennessee River umfassend zu modernisieren.<br />

Auch dieses Beispiel sollte fortan zu einer internationalen Referenz für<br />

ein konzentriertes Aufbauwerk dienen, bei dem Elektrifizierung – <strong>und</strong> damit<br />

„Modernisierung“ –, Risikomanagement <strong>und</strong> Raumplanung eine scheinbar<br />

erfolgreiche Mischung eingegangen waren.<br />

Die realsozialistischen wie kapitalistischen Elektrifizierungs-Programme<br />

strahlten fortan auf die spätkoloniale Entwicklungsplanung, die Politik der<br />

dekolonisierten Länder <strong>und</strong> die Entwicklungshilfe für die entstehende Dritte<br />

Welt aus. Das Muster war oft überaus einfach: Es musste elektrische Energie in<br />

möglichst üppiger Verfügbarkeit bereitgestellt werden, alles Weitere, so die<br />

allgemeine Erwartung, würde sich schon fügen. Die Ära etwa des symbolischen<br />

Staudammbaus ist daher noch immer nicht vorüber. Sie zieht sich von<br />

den Verwicklungen um den Assuan-Staudamm über den Volta-Stausee in<br />

Ghana <strong>und</strong> vom Itaipffl-Staudamm in Brasilien zum Drei-Schluchten-Damm in<br />

China. 20<br />

Kultureller Klimawandel?<br />

Bis heute sind Widerstände gegen hypertrophe Staudamm- <strong>und</strong> andere<br />

Großprojekte beliebte David-gegen-Goliath-Motive geblieben, die aber noch<br />

für etwas anderes stehen: Angesichts der allein in Indien fast 700 im Bau<br />

befindlichen Großdämme verwies im Jahr 2001 die Schriftstellerin <strong>und</strong> Umweltaktivistin<br />

Ar<strong>und</strong>hati Roy auf die bereits bestehenden 3600 Staumauern<br />

<strong>und</strong> meinte: „Große Dämme sind heute die Bühne, auf der die wichtigsten<br />

Debatten über Ökologie <strong>und</strong> soziale Gerechtigkeit stattfinden, auf der politische<br />

<strong>und</strong> bürokratische Intrigen, internationale Finanzgeschäfte <strong>und</strong> korrupte<br />

Machenschaften unvorstellbaren Ausmaßes eingefädelt werden.“ 21 Der Staudamm<br />

Sardar Sarovar, der die Umsiedlung von vierzehn Millionen Indern<br />

vorsieht, dürfte ein letzter ideologischer Ausdruck des ersten indischen Premierministers<br />

Jawaharlal Nehru sein, der Staudämme einmal zu Tempeln des<br />

modernen Indien stilisiert hatte. Ähnliche Äußerungen finden sich in<br />

Schwellenländern bis heute zuhauf.<br />

Dabei versinnbildlichen solche Staudämme das Herausfallen aus den jahreszeitlichen<br />

Wechseln, stehen sie für Eingriffe in Flora <strong>und</strong> Fauna, in historisch<br />

gewachsene Besiedlung <strong>und</strong> für Landschaftsverbrauch. Wie alle Kraftwerke<br />

setzen sie massive „ökologische Fußabdrücke“. Zudem versinnbildlichen<br />

sie das gr<strong>und</strong>legende Problem, dass der Ort des Gebrauchs in aller Regel<br />

20 Vgl. Dirk van Laak, Der Staudamm, in: Alexa Geisthövel/Habbo Knoch (Hg.), Orte der Moderne.<br />

Erfahrungswelten des 19. <strong>und</strong> 20. Jahrh<strong>und</strong>erts, Frankfurt/M. u. a. 2005, S. 193–203.<br />

21 Nach Martin Kämpchen, Rumpelstilzchen baut sich ein großes Haus. So nicht: Ar<strong>und</strong>hati Roys<br />

Philippika gegen den Bau eines Staudamms <strong>und</strong> die Folgen der Globalisierung in Indien, in:<br />

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. Januar 2001, S. 50.<br />

© 2012, <strong>Vandenhoeck</strong> & <strong>Ruprecht</strong> GmbH & Co. KG, Göttingen<br />

ISBN Print: 9783525300305 — ISBN E-Book: 9783647300306

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