II,2_DE_Ansichten des Weimarer Parks und andere Werke
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Ein viertes mit Deckfarbe kombiniertes Aquarell von Kraus in der Sammlung der Villa Vigoni<br />
zeigt eine Ansicht <strong>des</strong> berühmten <strong>und</strong> überaus häufig dargestellten sogenannten Sibyllentempels in<br />
Tivoli (D 76, 56 x 47,5), welche den thüringischen Veduten eine klassische italienische hinzufügt 17 .<br />
Laut einer bandschriftlichen Widmung seines Urhebers an Friederike Mylius-Schnauss handelt es<br />
sich um ein Geschenk <strong>des</strong> Künstlers, datiert in das Jahr 1803: An Madame Mylius zu<br />
fre<strong>und</strong>schaftlichem Angedenken von ihrem Onkel <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong> G. M. Kraus. Kraus selbst ist niemals<br />
in Tivoli gewesen. Im Graphikbestand der Villa Vigoni befindet sich ein Exemplar der von ihm<br />
benutzten <strong>und</strong> maßgleich kopierten Vorlage in Form einer von Heinrich Joseph Schütz nach einer<br />
Vorlage von Isaac de Moucheron (1667 - 1744), einem holländischen Vertreter der Ideallandschaft,<br />
geschaffenen Aquatinta.<br />
Warum Kraus gerade dieses Motiv als Geschenk für seine ehemalige Schülerin wählte, ist<br />
abgesehen von <strong>des</strong>sen allgemeinem Italienbezug nicht ganz .deutlich. Von einer Romreise <strong>des</strong><br />
Ehepaars Mylius in jener Zeit wissen wir bislang nichts; sollte das Geschenk hier als Ermunterung<br />
wirken? Es ist in diesem Zusammenhang von Interesse, daß sich in der Villa Vigoni eine um oder<br />
kurz vor 1800 entstandene Gouache erhalten hat, die eine Ansicht aus dem Park der römischen Villa<br />
Borghese wiedergibt, <strong>und</strong> zwar den auf einer Insel in einem künstlichen See 1786 errichteten<br />
Äskulap-Tempel.<br />
Während mit der Ansicht <strong>des</strong> Sibyllentempels ein Werk vorliegt, in dem Kraus noch in hohem Alter<br />
selbst als Kopist gearbeitet hat - offensichtlich um <strong>des</strong> Motives willen -, hat er seinerseits als Leiter<br />
der <strong>Weimarer</strong> Zeichenschule von dieser Lehrmethode eifrig Gebrauch gemacht, wobei er seine<br />
eigenen Landschaftsansichten den Schülern zur Vorlage gab. In der Sammlung der Villa Vigoni<br />
befindet sich eine aquarellierte Ansicht aus Thüringen (D 84, 32 x 46 cm), welche Kopie einer<br />
Kraus’schen Arbeit ist. Es handelt sich um eine Ansicht der Wartburg vom sogenannten gehauenen<br />
Steine aus, signiert von Friederike Schnauss, In den Kunstsammlungen zu Weimar haben sich<br />
sowohl die aquarellierte Originalvorlage von Kraus als auch eine weitere Schülerkopie von <strong>andere</strong>r<br />
Hand erhalten 18 , die die genaue sowohl topographische als auch entstehungsgeschichtliche<br />
Bestimmung <strong>des</strong> Blattes der Villa Vigoni ermöglichen, welches den eigenhändigen Bildern von<br />
Kraus als getreues Zeugnis einer seiner Arbeiten hinzuzufügen ist. Möglicherweise ist die Kopie<br />
von Friederike Schnauss 1788 entstanden, als Kraus seine Schüler “Eisenacher Material” kopieren<br />
ließ 19 .<br />
Wie sind die eigenhändigen Arbeiten von Kraus in die Villa Vigoni gelangt <strong>und</strong> welche Bedeutung<br />
hatten sie für deren Bewohner? Zum einen Teil sicher als Geschenke <strong>des</strong> Künstilers, wie es für die<br />
Ansicht <strong>des</strong> Sybillentempels sicher bezeugt <strong>und</strong> für die gleichzeitige Parkvedute mit dem Kirchturm<br />
von Oberweimar wahrscheinlich ist, oder als Aufträge <strong>des</strong> Ehepaares Mylius. Die <strong>Ansichten</strong> <strong>des</strong><br />
<strong>Weimarer</strong> <strong>Parks</strong> hatten speziell für Friederike Mylius Erinnerungswert an den Ort ihrer Herkunft<br />
wie auch an ihre Schülerschaft bei Kraus, der sie künstlerisch geprägt hat. Sicherlich haben diese<br />
Veduten auch Vorbildcharakter für die dilettierende Malerin gehabt. Anderes, wie vor allem die<br />
zahlreichen Trachtenskizzen der Italienreise, könnte aus dem Nachlaß <strong>des</strong> Künstlers stammen.<br />
Nachdem Kraus 1806 unverheiratet verstorben war, bemühte sich Johann Jakob Mylius als ältester<br />
lebender Neffe, mit Hilfe von Bertuch die Erbansprüche der Familie Mylius in Weimar<br />
ungeschmälert durch Abgaben durchzusetzen, was aber offenbar nur unter Schwierigkeiten möglich<br />
war 20 . Vielleicht ist ein Teil <strong>des</strong> in der Villa Vigoni heute noch vorhandenen Kraus-Bestan<strong>des</strong><br />
17<br />
Villa Vigoni, wie Anm. 10, 94, Abb. 67.<br />
18<br />
Kunstsammlungen zu Weimar, KK 859 (original von Kraus, signiert u. datiert 1793, mit dem Titel „an gehauenen<br />
Stein bey Eisenach“; KK 10697 (Schülerkopie).<br />
19<br />
E. Freiherr Schenk zu Schweinsberg, Georg Melchior Kraus, 1930, 23.<br />
20<br />
Briefe von Johann Jakob Mylius an Friedrich Justin Bertuch, den Mylius als Vermittler behmühte, Im Goethe – <strong>und</strong><br />
Schiller-Archiv, GSA 06/1339. Am 21. November 1806 informiert Mylius Bertuch über die Erbansprüche der<br />
Schwestersöhne <strong>des</strong> Kraus aus den Familien Mylius <strong>und</strong> Stritter; <strong>andere</strong> Nachkommen gebe es nicht mehr; er äußert den<br />
Wunsch, der Hof möge die Verlassenschaft von Abgaben freistellen. Aus letzterem erklärt sich auch die Einschaltung<br />
<strong>des</strong> einflussreichen Bertuch. Am 20. Januar 1807 äßert der Minister Voigt gegenüber Goethe Zweifel an der