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Prof. Otto Steidle Architekt im Gespräch mit Dr. Michael Schramm ...

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BR-ONLINE | Das Online-Angebot des Bayerischen Rundfunks<br />

http://www.br-online.de/alpha/forum/vor0309/20030929.shtml<br />

Sendung vom 29.09.2003, 20.15 Uhr<br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Otto</strong> <strong>Steidle</strong><br />

<strong>Architekt</strong><br />

<strong>im</strong> <strong>Gespräch</strong> <strong>mit</strong> <strong>Dr</strong>. <strong>Michael</strong> <strong>Schramm</strong><br />

<strong>Schramm</strong>: Willkommen be<strong>im</strong> Alpha-Forum. Zu Gast ist heute der <strong>Architekt</strong> <strong>Prof</strong>essor<br />

<strong>Otto</strong> <strong>Steidle</strong>. Herr <strong>Prof</strong>essor <strong>Steidle</strong>, vielen Münchnern sind Sie zumindest<br />

durch Ihre "Produkte", also durch das eine oder andere Ihrer Bauwerke<br />

bekannt. Ich will hier nur einige nennen: die Theresienhöhe, das Wohnhaus<br />

Genter Straße oder der Komplex der Wacker-Chemie in der<br />

Prinzregentenstraße. Aber auch in anderen Städten waren oder sind Sie als<br />

<strong>Architekt</strong> tätig, bis hin nach Peking reicht Ihr Wirken. Darüber hinaus sind<br />

Sie in einer Fülle von Funktionen tätig; Sie sind Mitglied in vielen<br />

Kommissionen und Akademien wie z. B. der Akademie der bildenden<br />

Künste und der Akademie der schönen Künste in München. Herr <strong>Prof</strong>essor<br />

<strong>Steidle</strong>, wie sah Ihr Weg zur <strong>Architekt</strong>ur aus?<br />

<strong>Steidle</strong>: Ich kam eigentlich fast eher vom Bauen zur <strong>Architekt</strong>ur. Das lag nicht nur<br />

daran, dass meine Eltern Bauern waren und dann auch gebaut haben. Ich<br />

bin so ein wenig hineingewachsen über die Entwicklung der Stadt München<br />

an ihrem Stadtrand. Dort wurden <strong>im</strong>mer mehr Wohnhäuser gebaut: So<br />

haben eben auch meine Eltern gebaut. Ich habe dann feststellen können,<br />

dass neben dem Bauer-Sein, das mir bis heute geblieben ist, das Bauen<br />

eigentlich viel Spaß macht und mich interessiert und dass mir auch das<br />

Planen dabei gefällt. So habe ich eben schon als 16-, 17-Jähriger bei dem<br />

einen oder anderen Haus, das <strong>Architekt</strong>en für meine Eltern entworfen<br />

haben, bereits <strong>im</strong>mer mal wieder eigene Zeichnungen gemacht. Und<br />

manchmal ist dann auch etwas eingeflossen davon. Ich habe dabei relativ<br />

schnell kapiert, dass diese <strong>Architekt</strong>en auch nur <strong>mit</strong> Wasser kochen.<br />

Deshalb habe ich schon sehr früh angefangen - <strong>mit</strong> 21, 22 Jahren habe ich<br />

während des Studiums angefangen, die ersten Häuser selbst<br />

aufzuzeichnen. Ich war damals an der Staatsbauschule, heute heißt das<br />

Ingenieurschule. Dort war die <strong>Architekt</strong>ur zwar auch schon wichtig, stand<br />

aber noch nicht so <strong>im</strong> Zentrum. Ich bin daher eigentlich als gelernter<br />

Baumeister in die <strong>Architekt</strong>ur hineingeraten. Letztlich bin ich dann bei<br />

meinem Lehrer Sepp Ruf gelandet, der ja in München eigentlich die<br />

wichtige <strong>Architekt</strong>enfigur war. Dort war ich dann wirklich drin in der<br />

<strong>Architekt</strong>ur. Und in den Jahren 1967 und 1968 gab es dann auch wichtige<br />

Schritte <strong>im</strong> ganzen politischen Umfeld, die unser Studium und unsere ganze<br />

Arbeit sehr beeinflusst haben. Es gab damals viele Studienfreunde, die ihr<br />

Studium plötzlich ebenfalls anders verstanden haben. Das war für uns also<br />

ein gemeinsamer Weg in diese 68er-Zeit hinein und dann auch wieder –<br />

etwas bewusstseinsgeschärft – aus ihr heraus. Das war eigentlich schon<br />

meine ganze Ausbildungszeit. 1971 hatte ich dann relativ schnell<br />

Wettbewerbserfolge wie z. B. bei der "Elementa" in Nürnberg und bei<br />

einigen Bauvorhaben sozialer und kirchlicher Zentren. Das alles ist letztlich<br />

schon auch irgendwie aus diesem Geist heraus entstanden bei mir: Mein<br />

Beginn einer Eigenständigkeit hatte also, wenn Sie so wollen, ihren<br />

Ursprung in dieser einerseits elementaren, fast handwerklichen Tradition


und andererseits in dieser Bewusstseinsschärfung, die <strong>mit</strong> den Jahren 1968<br />

und danach zu tun hat. Ich habe zwar nie versucht, dem allem treu zu<br />

bleiben: Aber das macht nun einmal den wesentlichen Teil von mir aus. Bei<br />

jeder Aufgabe heute ist mir daher einerseits die Rückbindung ans Material,<br />

ans Baumeisterliche genauso wichtig wie die Frage, ob es nicht ein<br />

gesellschaftlicher Nonsens ist, den man da gerade macht.<br />

<strong>Schramm</strong>: "Gesellschaftliche <strong>Architekt</strong>ur": Das klingt in Ihrem ersten größeren Bau<br />

sehr deutlich an. Das war der Bau in der Genter Straße. Das ist ja eine<br />

<strong>Architekt</strong>ur, die sehr flexibel ist: Dort hängen die Gebäude in einer<br />

Stahlbetonstruktur. Vielleicht können Sie das kurz ein wenig näher<br />

beschreiben. Was war das Neue an diesem Projekt Genter Straße?<br />

<strong>Steidle</strong>: Es gab insgesamt <strong>im</strong> ganzen architektonischen Umfeld und Vorfeld zu<br />

dieser Zeit bereits sehr viele Exper<strong>im</strong>ente, die alle raumstädtisch,<br />

dreid<strong>im</strong>ensional waren und die <strong>mit</strong> Begriffen wie "Metastadt" hantierten.<br />

Wenn ich hierzu ein paar dieser Exponenten nennen darf: Das waren z. B.<br />

Jona Friedmann aus Frankreich oder die Archigram-Gruppe aus England.<br />

Das war also einerseits die Geschichte <strong>im</strong> Bereich der <strong>Architekt</strong>ur. In der<br />

Bauproduktion hat man damals natürlich auch beobachtet, dass Häuser auf<br />

der produktiven Seite z. T. vorsintflutlich produziert werden. Im sozialen, <strong>im</strong><br />

gesellschaftlichen Bereich hat man einfach gespürt, dass sich vieles ändert,<br />

dass die Kleinfamilie nicht für alle Zeit die maßgebende Struktur für die<br />

städtische Gesellschaft abgeben wird. Alle diese Komponenten zusammen<br />

haben letztlich zu einer Adaption – nicht zu einer Erfindung – eines<br />

Stahlbetonskelettbaus geführt, wie es ihn z. B. auch schon hier in der Nähe<br />

in Ismaning gegeben hat. Ich weiß bis heute noch genau die Stelle, wo ich<br />

das damals gesehen hatte. Aber wir haben auch bis nach Italien Beispiele<br />

studiert, wie man ein solches Gestell bauen kann, wie man es auch ganz<br />

einfach bauen kann, dass es sich dann, wenn Sie so wollen, vom Leben<br />

füllen und verändern lässt. Dahinter steht zwar auch <strong>mit</strong> einem<br />

Seitenaspekt die Frage, wie man das macht, aber in erster Linie war damals<br />

doch die Frage wichtig, warum man es jetzt vielleicht anders macht. Das<br />

war sozusagen die Grundüberlegung bei dieser Angelegenheit. Heute<br />

würde man das die Philosophie nennen, die dahinter stand.<br />

<strong>Schramm</strong>: Um dieses Projekt noch einmal etwas näher zu beschreiben: Das ist ein<br />

Stahlskelett, in das sozusagen verschiedene Elemente recht flexibel<br />

hineingesetzt werden können. Dies scheint ja nach der Fertigstellung auch<br />

noch weitergegangen zu sein: Es haben dann viele Bewohner aus<br />

Wintergärten Balkone gemacht oder aus Balkonen Wintergärten, es wurden<br />

Atelierräume, die etwas höher waren, wieder aufgeteilt in niedrigere<br />

Wohnbereiche oder es wurden Wohnbereiche in Atelierräume verwandelt<br />

usw. Das wurde also ganz nach Bedarf gehandhabt. Das war die Idee: Die<br />

Sache sollte flexibel sein.<br />

<strong>Steidle</strong>: Das st<strong>im</strong>mt schon. Das ist eine Art von Stahlbeton-Fertigteilstellage, die<br />

eine Fassade hat, eine Art von Fachwerksfassade, wenn ich das mal so<br />

nennen darf, und die dann auch das Komplizierte dabei war. Die mussten<br />

wir dann auch gleich ein wenig revidieren. Jedenfalls ist das bis heute eine<br />

Art von Fachwerksfassade, die man näher zur Straße hin versetzen kann,<br />

die man weiter weg von der Straße weg setzen kann, was aber kaum<br />

jemand macht. Ganz wichtig war uns jedenfalls bei all dem die<br />

Erschließung: Wie kommt man hin zu einem Haus? Ein Haus braucht eben<br />

mindestens zwei oder besser noch drei "Adressen" bzw. Zugänge. Das ist<br />

eigentlich das Entscheidende, weil man dadurch best<strong>im</strong>mte Teile des<br />

Hauses beruflich nutzen kann, weil dann Kinder, wenn sie erwachsen<br />

werden, best<strong>im</strong>mte Teile selbständig nutzen können, weil dann Großmütter<br />

einziehen können in eine eigene Wohnung usw. Auch sich trennende oder<br />

anders sich entwickelnde Familienzusammenhänge können diese<br />

Flexibilität nutzen: Vielleicht können Familien auf diese Weise trotzdem


überleben, weil sie sich dadurch nicht ständig auf den Füßen stehen oder<br />

sich beobachtet fühlen.<br />

<strong>Schramm</strong>: Das klingt ja eigentlich alles hoch aktuell. Wir alle wissen ja von diesen<br />

großen demographischen Veränderungen bei uns <strong>im</strong> Land: Wir werden als<br />

Gesamtgesellschaft auf Dauer weniger werden und wir werden vor allem<br />

älter werden. Da wäre doch dieses Konzept, das Sie soeben beschrieben<br />

haben, auch heute noch, also 30 Jahre später, äußerst zeitgemäß. Sie sind<br />

dann aber diesen Weg doch nicht weitergegangen.<br />

<strong>Steidle</strong>: Nun ja, inhaltlich bin ich diesen Weg schon weitergegangen, aber in<br />

baulicher Hinsicht hat es dann für mich einige Beobachtungen gegeben, die<br />

mir nicht jeden weiteren Schritt in diese Richtung nahe gelegt haben. Ich<br />

habe z. B., um das Bauliche doch noch einmal aufzugreifen, auf der so<br />

genannten "Documenta urbana" in den achtziger Jahren dieses Thema<br />

noch einmal behandelt. Ich habe das dann aber <strong>mit</strong> einer viel einfacheren<br />

Fassade gemacht: nämlich <strong>mit</strong> so einer Holzleisten-Bretter-Fassade <strong>mit</strong><br />

hineingeschnittenen Fenstern, wie man z. B. in Niederbayern die Häuser<br />

baut bzw. baute; aber auch in Brasilien oder bei einfachen<br />

nordamerikanischen Bauern wird so gebaut. Insofern habe ich also dieses<br />

Thema nicht einfach liegen lassen. Ich habe es natürlich zunehmend<br />

modifiziert. Aber es kam dann noch ein weiterer, entscheidender Schritt<br />

hinzu: Ich ging in den frühen achtziger Jahren nach Berlin und da standen<br />

dann für mich die Stadt und die städtische <strong>Architekt</strong>ur doch stärker <strong>im</strong><br />

Zentrum. Ich konnte dort ein großes Haus bauen: Das war das<br />

internationale Begegnungszentrum, ein großes wissenschaftliches<br />

Wohnhaus, das alle Elemente der sozialen Komponenten, der<br />

Erschließung, der Vielschichtigkeit, auf eine städtische Situation übertragen<br />

hat. Meine Beobachtung war dann doch zunehmend, dass eigentlich die<br />

Stadt <strong>im</strong> Wesentlichen der Austragungsort der <strong>Architekt</strong>ur ist. Da<strong>mit</strong> war für<br />

mich auch – ohne nun dabei rückwärts gewandt best<strong>im</strong>mte Bilder zu<br />

verfolgen – die städtische <strong>Architekt</strong>ur eine große Herausforderung. Das<br />

habe ich besonders in Berlin gemerkt, weil man dort in der Stadt zu dieser<br />

Zeit sehr vorstädtisch gebaut hat. Der Typus des großberliner Hauses hat<br />

zu dieser Zeit eigentlich nicht mehr existiert. Als ich von dort<br />

zurückgekommen bin – so ist es ja eigentlich <strong>im</strong>mer –, fiel mir das zu Hause<br />

in München natürlich auch auf. Von da an war für mich der Kontext der<br />

Stadt und die Weiterentwicklung des Kontextes der Stadt einfach ein sehr<br />

wichtiges Thema. Hinzu kam dann auch noch, dass ich die Fabrik<br />

zunehmend den weniger schönen Produktionsort für Bauteile bzw.<br />

Bauelemente fand: Ich halte nämlich nach wie vor die Baustelle nach dem<br />

Bauernhof für die zweitschönste Produktionsstätte. Deshalb fand ich dann<br />

auch nichts Böses mehr daran, die industrielle Herstellung von größeren<br />

Bauteilen bleiben zu lassen. Es ist aber auch so, dass sich diese ganze<br />

Elementarisierung durch die Computersteuerung radikal verändert hat. Vor<br />

30 Jahren haben wir noch von standardisierten Fenstern und Elementen<br />

geträumt: Heute spielt es hingegen überhaupt keine Rolle mehr, ob eine<br />

computergesteuerte Fräßmaschine auf drei Fensterformate oder nur auf<br />

eines eingestellt wird. Sie macht das sowieso. Die Technik hat sich also auf<br />

diesem Gebiet sehr verändert. Was bei mir, wie ich glaube, am meisten<br />

gleich geblieben ist, ist diese Ambition, dass das Haus eigentlich<br />

gewissermaßen doch ein Begegnungsort ist, an dem man entweder die<br />

Menschen in ihrer Isolation stärker bestätigen kann oder an dem man ihnen<br />

doch stärker den Impuls gibt, mehr Zusammenhänge zu erfahren, zu<br />

erleben. Wobei es aber so ist, dass dieser Begegnungsort wiederum<br />

modifiziert ist, wenn er sich in der Stadt abspielt: Dann ist eigentlich <strong>im</strong>mer<br />

die Stadt das Ereignis. Wie steht ein Haus zur Stadt? Wie verlängert sich<br />

quasi der offene Geist einer Stadt in das Haus hinein?<br />

<strong>Schramm</strong>: Ihre Stadt ist aber doch in der Hauptsache München gewesen: Dort sind<br />

Sie geboren und dort haben Sie studiert. Sie haben hier auch den


Schwerpunkt Ihrer Tätigkeit und Ihr Büro. Wie gefällt Ihnen denn als<br />

<strong>Architekt</strong> Ihre Stadt? Wie sehen Sie München architektonisch?<br />

<strong>Steidle</strong>: Nun ja, München hat natürlich schon eine zwar nicht einmalige, aber doch<br />

eine sehr stark definierte urbane Tradition, die man an jeder Stelle in der<br />

Stadt auch erleben kann. Natürlich war sie über lange Zeit hinweg – das ist<br />

übrigens heute nicht mehr so und war in München auch nicht sehr viel mehr<br />

der Fall als in Hamburg oder selbst in Berlin – nur auf die eigene, etwas<br />

lobbyistische <strong>Architekt</strong>ur bezogen. Die Münchner Stadt finde ich also nach<br />

wie vor wunderbar. Ich finde auch ihre spürbare agrarische Einbindung<br />

interessant. Das geht ja bis hin zur Landwirtschaftsausstellung jedes zweite<br />

oder vierte Jahr auf der Theresienhöhe. Sie hat dadurch jedenfalls eine<br />

ganz spezifische Prägung: Sie ist dadurch auch <strong>im</strong>mer ganz stark verwandt<br />

den Städten, die um München herum sind. Sie ist also gar nicht so anders<br />

als diese Städte. Aber bis vor einigen Jahren hat sie doch bis auf wenige<br />

Einzelfiguren – zu denen auch mein Lehrer gehörte, zu denen auch sehr<br />

stark der frühe Branca gehörte – wenig wirklich herausfordernde neue<br />

architektonische Kultur entwickelt. Sie hat sich eher nur in Einzelobjekten<br />

verändert und aufgrund der "Importe" der Olympiade wegen. Ich glaube<br />

aber, dass München heute wieder ein guter Austragungsort für neue<br />

<strong>Architekt</strong>ur ist: Das ist ein Ort, an dem zwar schon noch mehr passieren<br />

könnte, aber an dem doch einiges passiert. Sie müssen z. B. nur mal an die<br />

"Fünf Höfe" denken oder an best<strong>im</strong>mte andere, neue Aspekte hier in<br />

München.<br />

<strong>Schramm</strong>: Es wäre jetzt natürlich die Versuchung groß, <strong>mit</strong> Ihnen die einzelnen<br />

Objekte hier in München durchzudeklinieren. Das machen wir jetzt nicht,<br />

aber zu einem Objekt würde ich Sie doch gerne ein wenig befragen wollen,<br />

nämlich zum Olympiastadion. Denn dazu haben Sie sich selbst einmal<br />

dezidiert geäußert, als damals vor zwei, drei Jahren die Diskussion darüber<br />

in vollem Gange war. Die Frage lautete damals: Soll man das<br />

Olympiastadion erhalten? Wenn ja, wie? Als Fußballarena? Wie sehen Sie<br />

denn jetzt in der Rückschau diese Diskussion und wie schätzen Sie nun<br />

das ein, was dabei herausgekommen ist? Wie sehen Sie die Zukunft des<br />

Olympiastadions und wie sehen Sie das neue Fußballstadion, diese Allianz-<br />

Arena <strong>im</strong> Münchner Norden?<br />

<strong>Steidle</strong>: Ich glaube zum einen, dass die Gesellschaft bzw. die Ökonomie in unserer<br />

Gesellschaft eine Entwicklung n<strong>im</strong>mt, bei der man nicht mehr so luxuriös <strong>mit</strong><br />

Bauten umgehen wird. Ich war ja zufällig erst vor zwei, drei Wochen wieder<br />

mal bei einem Fußballspiel von 1860 München <strong>im</strong> Olympiastadion. Das ist<br />

wirklich eine wunderbare Arena. Natürlich ist das anders als ein reiner<br />

Hexenkessel, das ist schon klar. Aber dennoch ist das ein wunderbarer<br />

Austragungsort. Ich habe das damals ja auch so geäußert: Dieses Stadion<br />

besteht eigentlich aus zwei Elementen, nämlich aus einem informellen<br />

Dach und aus einer eingegrabenen Arena, also einem landschaftlichen<br />

Aspekt. Beide sind keine unantastbaren, formalisierten Elemente: beide<br />

kann man modellieren, ergänzen, Zelte kann man überall aufstellen, denn<br />

das ist ja ein Zelt. Ich habe nie verstehen können – <strong>mit</strong> Behnisch hatte ich<br />

darüber weniger Kontakt, dafür aber mehr <strong>mit</strong> Fritz Auer –, warum sie dort<br />

ihr Zelt nicht weitergebaut haben. Das Dach alleine kann also nicht das<br />

Problem sein. Irgendwie kommt mir diese ganze Diskussion heute so vor,<br />

als hätte man ein eigentlich völlig brauchbares Ding, meint aber, man<br />

bräuchte nun aus lauter Neuerungsgeist etwas ganz Neues. Wenn man<br />

das wirklich will und es sich leisten kann, dann hat man sicherlich das Beste<br />

gemacht, was man machen konnte, denn die Arena von Herzog und<br />

deMeuron wird sicherlich spannend. Auf lange Sicht meine ich aber<br />

trotzdem, dass es das wahrscheinlich nicht gebraucht hätte. Dies hat aber<br />

nichts <strong>mit</strong> der momentan nicht so starken Konjunktur be<strong>im</strong> FC Bayern zu<br />

tun, sondern <strong>mit</strong> der Einschätzung, dass das bestehende Stadion eine tolle<br />

Chance gewesen wäre. Wir hätten es in München nun wirklich nicht nötig,


uns jedem Trend auszusetzen. Ich glaube, das wäre wirklich ein Vorteil<br />

gewesen, den man hier in München gehabt hätte: Man hätte die Zeit ein<br />

wenig vorbeiziehen lassen können. Denn es ist wahrscheinlich doch<br />

faszinierender auf die Dauer, wenn man in einer großen Arena wie dem<br />

Olympiastadion spielt. Über das Olympiastadion und seine Nutzung habe<br />

ich mir damals in der Tat Gedanken gemacht. Jetzt ist das ja entschieden.<br />

Ich gebe ihm in Zukunft jedenfalls keine so großen Chancen. Aber vielleicht<br />

ist da ja jemand erfinderisch. Ich glaube jedoch schon, dass das<br />

möglicherweise eine traurige und gespenstische Situation werden wird.<br />

<strong>Schramm</strong>: Das steht zu befürchten. München hat ja noch mehr Großprojekte als<br />

dieses Fußballstadion, Gott sei Dank. Eines dieser Großprojekte geht dabei<br />

ganz maßgeblich auf Sie <strong>mit</strong> zurück: Dort, wo die Messe früher war,<br />

oberhalb der Theresienwiese, gibt es nun dieses neue Bauvorhaben auf der<br />

Theresienhöhe. Man kann durchaus sagen, dass dieses ehemalige<br />

Messegelände <strong>mit</strong> einem ganzen Stadtviertel bebaut wird. Sie haben dazu<br />

den Masterplan entworfen. Was war denn Ihre Idee dabei, wenn man ein<br />

neues Viertel in eine alte Stadt integrieren will?<br />

<strong>Steidle</strong>: In Ihrer Frage stecken bereits zwei entscheidende Aussagen: Das ist<br />

einerseits ein neues Viertel und es geht um die Integration in eine alte Stadt.<br />

Es war bei mir eher nicht der Versuch, dieses Viertel ins angrenzende<br />

Westend zu integrieren. Das war zwar eine Forderung, denn das Westend<br />

und Sendling sind ja die beiden benachbarten Viertel dort oben. Nein, ich<br />

wollte wirklich ein neues Viertel machen, ein neues Viertel, das aber nicht<br />

probiert – das schließt nun an die Stadiondiskussion an – <strong>mit</strong> Vehemenz<br />

neu sein zu wollen. Ich wollte die Stadt nicht neu erfinden! Mit der<br />

Vorstellung, die Stadt <strong>im</strong>mer wieder neu erfinden zu wollen, sind nämlich<br />

meiner Meinung nach in der Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg große, große<br />

Probleme geschaffen worden, nicht nur in München, sondern ganz<br />

besonders in Berlin. Man wollte die Stadt wirklich ständig neu erfinden,<br />

anstatt sie weiterzuschreiben, fortzuschreiben, sie wiederzuentdecken, sie<br />

neu zu entwickeln. Auf der Theresienhöhe bin ich also be<strong>im</strong> Städtebau<br />

zunächst einmal einer These gefolgt, die ich aus einem anderen Bereich<br />

übernommen habe. Ich sagte mir nämlich: Be<strong>im</strong> Städtebau darf man alles<br />

haben, nur keine Idee! Diese Ausschreibungen und Vorhaben werden bei<br />

uns jedoch bis heute <strong>im</strong>mer noch "städtebauliche Ideenwettbewerbe"<br />

genannt. Da<strong>mit</strong> meine ich, dass Städtebau nichts ist, was man nun ständig<br />

subjektiv neu erfinden könnte. Stattdessen braucht man ganz einfach<br />

<strong>im</strong>mer eine stabile Ausstattung der Stadt. Das ist genauso wie zu Hause:<br />

Dort braucht man auch zuerst einmal eine stabile Infrastruktur. Das reicht<br />

von guten, funktionierenden Straßen – die, wenn sie gut sind, <strong>mit</strong> und ohne<br />

Autos auch öffentliche Räume darstellen – bis zu einer Verfügungsfläche,<br />

auf der unterschiedliche <strong>Architekt</strong>en ihre verschiedenen Ideen zum Haus<br />

realisieren, denn diese Ideen muss man nämlich nicht vorgeben. Diese<br />

Verfügungsflächen gehen also nicht von den einzelnen Häusern aus und<br />

folgen auch nicht jedem einzelnen Haus. Das war eines meiner<br />

Grundprinzipien: Sie sollen viel Freiheit ermöglichen. Davor muss man sich<br />

aber eben auf ein verbindliches Maß, auf verbindliche Größenordnungen,<br />

auf verbindliche öffentliche Räume eingelassen haben. Da<strong>mit</strong> hängt auch<br />

gleich mein aller erster Kummer auf der Theresienhöhe zusammen. Ich<br />

sage das jetzt nicht, um hier meine Kritik anzubringen, sondern um zu<br />

zeigen, wie das Leben dann eben so spielt. Es gab nämlich gleich den<br />

ersten großen Wettbewerb für dieses Gelände, der sich auf das vordere<br />

Eckteil bezog. Ich wollte dabei Vielfalt und eben auch viele einzelne<br />

<strong>Architekt</strong>en haben. Aber man hat einen <strong>Architekt</strong>en von einer großen Bank-<br />

Immobiliengesellschaft beauftragt, gleich ein riesiges gläsernes Herz, wie<br />

man es dann genannt hat, zu entwerfen. Dafür wurden leider sogar die<br />

vorgesehenen öffentlichen Räume aufgegeben. Das halte ich aber für eine<br />

Sünde in der Stadt. Ich will das mal ein wenig politisch ausdrücken: Der


Kommerz darf alles, aber er darf sich sozusagen nicht der Öffentlichkeit<br />

bedienen. Er darf auch ansonsten nicht alles, das ist schon klar. Aber er<br />

darf sich jedenfalls nicht der Öffentlichkeit bedienen. Es gibt einfach<br />

öffentliche Zusammenhänge, die für den Kommerz tabu sein müssten: ob<br />

das nun die Überbauung einer Straße ist oder das Auslöschen geplanter<br />

öffentlicher Räume. Genau das ist jedoch dort passiert und das stellt<br />

meinen Kummer dar. Ob mir die einzelnen Häuser dort gefallen oder nicht,<br />

ist letztlich völlig egal. Das ist genauso wie be<strong>im</strong> Neubau an der<br />

Kunstakademie, der dort entstehen soll: Mir ist es eigentlich egal, welcher<br />

<strong>Architekt</strong> das nun machen wird, ob das nun Coop H<strong>im</strong>melblau oder sonst<br />

jemand ist. Entscheidend ist für mich, dass man dort an einer Stelle baut, an<br />

der man eigentlich nicht bauen kann, weil das ein Park ist, weil die<br />

Akademie ein Solitär in einem Garten ist. So ähnlich ist es auch auf der<br />

Theresienhöhe: Es gibt da best<strong>im</strong>mte Prinzipien, die weiterentwickelte,<br />

modifizierte Prinzipien des öffentlichen städtischen Raumes darstellen und<br />

die eingehalten werden müssten. Ich habe diese Prinzipien natürlich zum<br />

großen Teil in Italien studiert, ebenso wie die Art der dortigen großen<br />

Häuser. Für mich ist das alles <strong>im</strong> Moment besonders spannend, weil ich in<br />

Turin das selbe quasi wieder hintrage, denn dort wird am olympischen Dorf<br />

nach meinem Masterplan gebaut. Dieser Masterplan hat die gleiche<br />

Richtung wie der auf der Theresienhöhe. Aber eigentlich ist es ja so, dass<br />

der Städtebau bei uns sehr stark aus diesen Städten und Vorstädten in<br />

Italien kommt, aus Vorstädten, die in der Lage waren, selbst zu Städten zu<br />

werden.<br />

<strong>Schramm</strong>: Ein Gebäude auf der Theresienhöhe ist komplett von Ihnen entworfen<br />

worden. Dazu haben wir auch einen kleinen Filmbeitrag vorbereitet. Das ist<br />

das Büro der KPMG, der "Deutschen Treuhand- und<br />

Wirtschaftsprüfungsgesellschaft". Was war denn die Grundidee dieses<br />

Bürogebäudes?<br />

<strong>Steidle</strong>: Dieses Bürogebäude steht ja an der Ganghoferstraße und an der<br />

Ganghoferstraße habe ich ja auch noch die weitere Häuserflucht gebaut.<br />

Dieses Gebäude steht sozusagen am Platz und ist daher ein platzbildendes<br />

Gebäude. Wir haben hier also kein Opernhaus, sondern in diesem Fall ein<br />

Bürogebäude vor uns. Aus diesem Grund haben wir dieses Bürogebäude,<br />

das für einen spezifischen Nutzer gebaut wird, auch besonders<br />

herausgestellt. Die Grundidee besteht hier also sozusagen darin, einen<br />

städtischen Block in eine besondere Situation zu verwandeln.<br />

Demgegenüber ist es so, dass die anderen Bürogebäude von mir in der<br />

weiteren Straßenflucht eher die Alltäglichkeit der Straße fortsetzen sollen.<br />

Eines meiner Prinzipien ist nämlich auch, dass nicht <strong>im</strong>mer nur Sonntag<br />

sein kann in der Stadt. Man kann und muss Akzente setzen, aber wenn<br />

man ausschließlich und permanent eine Fülle von Akzenten setzt, dann<br />

ergibt das eben auch <strong>im</strong>mer noch keine Stadt.<br />

<strong>Schramm</strong>: Kritik rief dort ja auch noch ein anderes Gebäude hervor. Das ist dieses<br />

dortige Hochhaus, das auf Ihre Planung zurückgeht. Wenn man sich die<br />

Zeitungsartikel dazu ansieht, dann stellt man fest, dass sich daran die<br />

Geister doch <strong>im</strong>mer wieder entzünden. Es wird gefragt, warum man da<br />

<strong>mit</strong>ten hinein ein Hochhaus bauen musste, noch dazu <strong>mit</strong> riesigen<br />

Balkonen.<br />

<strong>Steidle</strong>: Es ist ein Wohnhochhaus, also ein Wohnort <strong>mit</strong>ten in der Stadt. Unser<br />

ursprünglicher Wettbewerbsbeitrag sah an dieser Stelle <strong>im</strong>mer schon ein<br />

hohes Haus vor, denn dahinter stehen sehr große Messehallen: Im<br />

Ensemble dieser Messehallen hatte es früher ebenfalls einen Turm<br />

gegeben. Es hat dort also <strong>im</strong>mer schon diese flach gelagerten Hallen<br />

einerseits und den hohen Turm in die Vertikale andererseits gegeben. Das<br />

ist der eine Aspekt. Der andere Aspekt ist, dass ich dort oben auf diesem<br />

Gelände schon viele Leute erlebt habe, die dieses Hochhaus gesucht, aber


nicht gefunden haben. Von der Seite der großen Hallen verträgt die<br />

Örtlichkeit dieses Hochhaus also auf jeden Fall. Von der Seite der Gebäude<br />

her ist es – und hier wäre ich jetzt durchaus auch selbstkritisch, wenn das<br />

so wäre – ebenfalls kein maßstabsprengendes Gebäude, weder ins<br />

Westend hinein, wohin es keinen Schatten wirft, noch in die eigene<br />

Umgebung hinein. Städte wie Mailand oder Turin zeigen wunderbar, wie<br />

man auch mal <strong>mit</strong> einer durch eine Vertikale ausgelösten Entspannung in<br />

einem Stadtensemble bauen kann, <strong>mit</strong> einer Vertikalen, die nicht nur<br />

fortschrittsgläubig-zerstörerisch ist, sondern die auch wirklich urban ist. Ich<br />

halte also auch den urbanen Kontext in diesem Fall für richtig gelöst. Ich<br />

freue mich natürlich, dass das ein Wohnhaus ist: Da dem so ist, wohnt man<br />

natürlich auch draußen auf dem Balkon. Auch dann, wenn es dort oben<br />

vielleicht ab und zu ziehen kann.<br />

<strong>Schramm</strong>: Ja, das fürchte ich auch.<br />

<strong>Steidle</strong>: Gut, da kann man sich dann eben auch einen Vorhang bauen oder sonst<br />

etwas in dieser Richtung. Jedenfalls ist es schön, wenn man auch weit oben<br />

einmal einen Ort hat, an dem an die frische Luft treten kann – ob man nun<br />

Raucher ist oder nicht.<br />

<strong>Schramm</strong>: In München gibt es momentan drei Großprojekte in der Art der<br />

Theresienhöhe: Das ist natürlich die Theresienhöhe selbst, dann gibt es in<br />

Schwabing Nord ein ähnliches Areal. In Riem, wo früher der Flughafen war<br />

und wo heute die neue Messe steht, gibt es ebenfalls noch einen Teil, der<br />

für städtebauliche Zwecke zur Verfügung steht. Hat München nun so ein<br />

bisschen das Problem, dass da<strong>mit</strong> neue Trabantenstädte bzw. eigene<br />

Welten entstehen, die möglicherweise zu sehr in sich geschlossen sind und<br />

<strong>mit</strong> den umliegenden Vierteln in Konkurrenz treten?<br />

<strong>Steidle</strong>: Ich glaube, die Theresienhöhe wird schon auf die angrenzenden Viertel<br />

ausstrahlen. Das merkt man schon jetzt, denn auf der Ganghoferstraße<br />

gegenüber florieren Bäckereien und kleine Restaurants. In der<br />

Theresienhöhe gibt es diese Dinge leider ein bisschen weniger oft, obwohl<br />

wir das eigentlich so vorgesehen hatten. Letztlich ist das aber eben <strong>im</strong>mer<br />

auch eine ökonomische Frage. Das heißt, dieses Viertel kann sich letztlich<br />

ganz gut einfärben in die Stadt hinein. Dafür ist die Parkstadt Schwabing<br />

schon relativ groß und liegt wohl auch ein bisschen peripher. Sie hat aber<br />

wohl <strong>im</strong>mer noch gute Anknüpfungspunkte an die Umgebung. Was Riem<br />

betrifft, kann ich das nicht so gut einschätzen, weil ich mich da<strong>mit</strong> nie so<br />

intensiv befasst habe: Ich hatte einfach auch nichts zu tun da<strong>mit</strong>. Bei den<br />

meisten Beispielen in München ist sehr stark die Siedlung ein Vorbild für<br />

das Entstehen des Stadtbildes, der Stadtstruktur und auch für die<br />

Erschließungsstruktur des öffentlichen Raumes. Bei diesen drei Projekten<br />

gibt es in diesem Zusammenhang nun ganz unterschiedliche Intentionen.<br />

Ich glaube natürlich an meine Strategie am meisten, das ist klar: Sie hat<br />

vermutlich auch am deutlichsten die urbane Tradition. Das ist aber gar kein<br />

persönliches Verdienst von mir. Bei den anderen beiden Bauvorhaben kann<br />

ich das nicht so gut einschätzen. Denn alleine bereits das Ausfüllen der<br />

unterschiedlichen Parzellen z. B. in der Parkstadt Schwabing, wo ich ja<br />

selbst ein Haus, einen Wohnbau, gebaut habe, wird bereits wieder eine<br />

sehr große Vielfalt ergeben. Das wird sicherlich eine andere Mentalität als<br />

auf der Theresienhöhe ergeben. Aber es besteht schon die Chance, dass<br />

jedes dieser Viertel zumindest <strong>mit</strong> einem Teil der Ränder der angrenzenden<br />

Viertel zusammenwächst. Das ist in Riem natürlich schwieriger als in<br />

Schwabing, das ist klar. Aber auch in Schwabing ist das aufgrund der<br />

schieren Größe nicht ganz leicht. Auch der Jahn-Bau, dieses Hochhaus<br />

vorne quasi am Eingang, wird das etwas in den Schatten stellen. Das heißt,<br />

hier würde auch ich einen Turm kritisieren. Nur, dieser Turm ist wohl um die<br />

160 Meter hoch, während unserer gerade mal 45 Meter hoch ist. Ich will das<br />

hier aber gar nicht so absolut sehen: Für sich genommen ist dieser Turm


schon in Ordnung, die Frage ist halt <strong>im</strong>mer, was so ein Turm für die Stadt<br />

bewirkt. Was bewirkt er nicht nur als Einzelobjekt, sondern für das Ganze?<br />

Auf Ihre Frage bezogen meine ich also: Er hilft sicherlich nicht sehr gut<br />

dabei <strong>mit</strong>, dieses neue Stadtviertel in die Stadt hinein zu verankern. Er wird<br />

halt einfach dieses Stadtviertel von weither sichtbar machen. Aber dazu<br />

hätte man wohl keine 160 Meter gebraucht.<br />

<strong>Schramm</strong>: Bleiben wir noch kurz bei Hochhäusern: Wenn man an der Münchner<br />

Freiheit steht, fällt einem ebenfalls ein best<strong>im</strong>mtes Gebäude auf, das erst<br />

seit kurzer Zeit dort steht. Dieses Gebäude ist erstens richtig gelb, schreiend<br />

gelb, wie man auch sagen kann, es hat eine ungewöhnliche Form und es<br />

überragt an Traufhöhe die Umgebung. Dieses Gebäude ist ebenfalls von<br />

Ihnen: Das ist eine Art Miniaturhochhaus <strong>mit</strong> diesen typischen hohen,<br />

schlanken Fenstern, die so ein bisschen auch Ihr Markenzeichen darstellen.<br />

Dieses Gebäude wirkt fast schon ein bisschen provozierend: Es wirkt<br />

anders als die gesamte andere Bebauung, die dort zu sehen ist. Was war<br />

dort Ihre Vorstellung?<br />

<strong>Steidle</strong>: Wir haben jetzt leider kein Bild davon <strong>mit</strong> dabei, aber ich versuche es mal<br />

kurz zu erklären. Dieses Haus n<strong>im</strong>mt in einem Teil sogar exakt die Höhe<br />

des Nachbarhauses auf, um sich erst einmal frei zu machen. Und dann<br />

bestätigt und bekräftigt dieses Türmchen – das kann man fast schon wie<br />

David gegen Goliath sehen – eigentlich die bürgerliche Bebauung<br />

gegenüber dem Hertie-Haus. Es stand an dieser Stelle ja mal ein viel<br />

höheres Haus, und um hier gleich noch mal an die vorige Hochhaus-<br />

Diskussion anzuschließen: Das hat die Leopoldstraße nie zerstört. Der<br />

jetzige Hertie-Klotz ist viel schwieriger geworden für die Leopoldstraße.<br />

Mein kleines Türmchen relativiert jedenfalls diese beiden Maßstäbe. Das ist<br />

auch durchaus noch eine Reverenz, so sehe ich das zumindest, an die<br />

bürgerliche Bebauung in dieser Gegend: auch dann, wenn sich dieses<br />

Gebäude von mir turmartig ein wenig freier macht und <strong>mit</strong> diesem Gelb so<br />

ein bisschen abrutscht von diesem ganz München okkupierenden<br />

Schönbrunner-Gelb.<br />

<strong>Schramm</strong>: Ich würde gerne noch ein letztes Objekt von Ihnen einer näheren<br />

Betrachtung unterziehen, und zwar ein Wohnprojekt in Nymphenburg, das<br />

integriertes Wohnen zum Inhalt hat. Auch dazu haben wir ein paar Bilder<br />

vorbereitet. Man kann auf diesen Bildern vielleicht ganz gut die Grundidee<br />

erkennen, die Sie damals verfolgt haben. Es geht bei diesen Häusern<br />

jedenfalls darum, dass dort Menschen verschiedener Bedürftigkeit<br />

zusammenleben. Wie haben Sie denn auf diese Anforderung<br />

architektonisch geantwortet?<br />

<strong>Steidle</strong>: Ich habe auch hier versucht, <strong>im</strong> Sinne des Kontextes zu antworten: Nicht<br />

das Haus best<strong>im</strong>mt die Stadt, sondern die Stadt best<strong>im</strong>mt das Haus. Die<br />

Umgebung dort sind nun einmal kultivierte, z. T. sehr schöne, manchmal<br />

neue und manchmal auch neureiche Villen. Das heißt, das war dann bei mir<br />

der Versuch, sich <strong>mit</strong> diesem einzelnen Haus als sozialem Wohnbau auch<br />

in dieses Stadtviertel zu integrieren. Das war der erste Integrationsaspekt.<br />

Der zweite war, dass man dort versuchen musste, verschiedene soziale<br />

Schichten und auch verschiedene Lebensbedürfnisse in einem Gefüge<br />

zusammenzubringen. Der dritte Punkt war, dass es dort davor einen sehr<br />

schönen Park gegeben hat. Das war also sozusagen ein sehr<br />

vielschichtiger Integrationsversuch. Letztlich ist dieser Integrationsversuch<br />

darauf hinausgelaufen, dass der einzelne Bewohner trotz seiner<br />

Behinderung in einem einfachen, für sich selbst leicht identifizierbaren Haus<br />

wohnt. Das ist <strong>im</strong>mer noch das beste Integrationsmodell, das es gibt. Das<br />

ist sicherlich kein Allheil<strong>mit</strong>tel für alle Situationen in diesem Zusammenhang,<br />

aber speziell für diese Situation war das sicherlich richtig.<br />

<strong>Schramm</strong>: Sie bauen ja nicht nur in München, sondern Ihr Arm reicht inzwischen sogar<br />

bis Peking, wenn ich das mal so salopp sagen darf. Wie kommt eigentlich


ein <strong>Architekt</strong> aus München, der nun nicht zu den ganz großen Büros dieser<br />

Welt gehört, an Aufträge aus Peking?<br />

<strong>Steidle</strong>: Das sind <strong>im</strong>mer viele, viele Verzweigungen, die sich dann bis dorthin<br />

ergeben. Es gibt aber auch oft Hochschulen, die sich <strong>mit</strong> Arbeiten von mir<br />

beschäftigen: ob das nun früher in Dänemark der Fall war oder nun z. B.<br />

auch in Peking. Diese Hochschulen haben irgendwann best<strong>im</strong>mte Arbeiten<br />

von mir entdeckt und verfolgt. Be<strong>im</strong> Universitätsbau in Moskau stand z. B.<br />

so ein wenig mein Universitätsbau in Ulm Modell. So kommt es, dass man<br />

eben auch eines Tages mal angefragt wird, dort in der Ferne etwas zu<br />

bauen. Das ist die eine Möglichkeit. Die andere Möglichkeit ist eine<br />

persönliche. Ich hatte zehn Jahre lang einen Mitarbeiter aus China, der <strong>im</strong><br />

Laufe dieser Zeit zu einem Freund geworden ist. Er ging wieder zurück<br />

nach China, und irgendwann wollten sie dort eben auch seinen Lehrer<br />

kennen lernen. So kommt es, dass ich nun in Peking unter dem Namen<br />

"<strong>Otto</strong>" recht bekannt geworden bin. Ich heiße dort tatsächlich nicht <strong>Otto</strong><br />

<strong>Steidle</strong>, sondern einfach nur <strong>Otto</strong>. In der Zeitung dort heißt es tatsächlich<br />

<strong>im</strong>mer nur "der <strong>Architekt</strong> <strong>Otto</strong>". Wir haben z. B. gestern <strong>im</strong> Rahmen eines<br />

Wettbewerbs und daher in Konkurrenz zu anderen <strong>Architekt</strong>en einen<br />

Entwurf für eine Art Bibliotheksgebäude abgegeben. Unser dortiger<br />

Wohnungsbau, und das ist wohl das Entscheidende, hat ziemlich viel<br />

Aufsehen erregt und wird auch ziemlich viel besucht. Das ist auch für viele<br />

Anlass, uns zu fragen, ob wir für sie etwas bauen wollen. Aber dort sind die<br />

Bedingungen z. B. schon etwas anders als bei uns. Diese Gebäude macht<br />

dann eben mein Freund Qiu, weil man dort auch ganz schnell nur gefragt<br />

wird, und dann steht zwar der eigene Name auf der Bautafel, aber das<br />

Haus hat gar nichts mehr <strong>mit</strong> einem selbst zu tun. Man muss dort also<br />

schon genau nach sehr soliden Partnern suchen, <strong>mit</strong> denen man arbeiten<br />

kann. Aber in einigen Fällen haben wir diese Partner tatsächlich gefunden.<br />

<strong>Schramm</strong>: Haben Sie eigentlich auch einmal die Objekte gezählt, die Sie gebaut<br />

haben?<br />

<strong>Steidle</strong>: Nein. Da ich nicht in erster Linie nur große Sachen gebaut habe, habe ich<br />

wahrscheinlich schon recht viele Häuser gebaut. Ich kann die genau Zahl<br />

aber nicht einschätzen.<br />

<strong>Schramm</strong>: Gibt es darunter auch ein Lieblingsobjekt?<br />

<strong>Steidle</strong>: Nein, eigentlich nicht. Es gibt wahrscheinlich einige, die ich vergessen habe<br />

– zu Recht. Zur Frage der Lieblingsobjekte hätte der Frank Lloyd Wright<br />

gesagt: "Das Lieblingsobjekt ist <strong>im</strong>mer das nächste Objekt!"<br />

<strong>Schramm</strong>: Gab es auch Objekte, die Sie heute völlig anders bauen würden?<br />

<strong>Steidle</strong>: Na ja, die gibt es sicherlich, denn sonst hätte ich ja nichts dazugelernt. Es<br />

gibt aber vermutlich auch welche, die statt stärker schwächer geworden<br />

wären. Es gibt z. B., weil ich ja jetzt momentan sehr viel in Hamburg zu tun<br />

habe, dieses große Verlagsgebäude dort von mir, das mir in seiner<br />

blechernen Eigenständigkeit etwas zu blechern geworden ist. Das würde<br />

ich heute sicherlich anders bauen: <strong>mit</strong> einem schöneren Material, obwohl<br />

ich trotzdem keinen Marmor hernehmen würde.<br />

<strong>Schramm</strong>: Werfen wir doch mal einen etwas allgemeineren Blick auf die <strong>Architekt</strong>ur:<br />

Wie wird denn später in der <strong>Architekt</strong>urgeschichte Ihrer Meinung nach die<br />

heutige <strong>Architekt</strong>ur eingeschätzt werden? Welche Rolle wird man ihr später<br />

geben?<br />

<strong>Steidle</strong>: Nun ja, die heutige <strong>Architekt</strong>ur hat - wie eigentlich während des gesamten<br />

20. Jahrhunderts - sehr viele verschiedene Facetten. Sie müssen nur mal<br />

bedenken, dass wir heute von der Bauhaus-Periode sprechen, damals aber<br />

gleichzeitig das Bauen eigentlich viel mehr von anderen, traditionellen<br />

Schulen und Gegenschulen best<strong>im</strong>mt war. Auch heute gibt es natürlich<br />

sehr viele nicht nur stilistisch, sondern auch inhaltlich verschiedene


Strömungen. Der architektonische Event, dieser Bilbao-Effekt, ist natürlich<br />

eine Sache, an die man heutzutage be<strong>im</strong> Stichwort <strong>Architekt</strong>ur denkt. Ob<br />

das aber <strong>im</strong> Sinne der Lebensbedingungen wirklich der eigentliche und<br />

wichtige Beitrag unserer Zeit ist, ob diese faszinierende und<br />

bühnenbildhafte Inszenierung des World Trade Centers wirklich die richtige<br />

Antwort darstellt auf all die Fragen, die uns heute auch politisch sehr<br />

beschäftigen, das ist etwas anderes. Insofern wird also die Frage sein, von<br />

welchem Blick aus man sich die heutige Zeit ansehen wird: Von welchem<br />

Blick aus wird man auch unsere heutige gesamte gesellschaftliche Situation<br />

betrachten? Da wird man dann genauso wie wir, wenn wir heute<br />

zurückblicken, natürlich ganz genau unterscheiden zwischen den einzelnen,<br />

tollen Inszenierungen und den Ideen. So etwas kennen wir z. B. in<br />

manieristischer Art auch aus der Vergangenzeit. Diese einzelnen Gebäude<br />

bzw. Ideen waren dann aber gar nicht so wichtig. Wichtig bleibt nämlich<br />

doch irgendwie etwas, das in der jeweiligen Zeit möglicherweise Stabilität<br />

hergestellt oder Konsens ermöglicht hat – oder auch nicht. Wenn einzelne,<br />

herausragende Bauten bestehen und kennzeichnend bleiben, dann ist es<br />

meistens so, dass sie eher als Idee denn als Form prägend geworden sind.<br />

Eines meiner Lieblingsbeispiele, das ich von einem befreundeten<br />

<strong>Architekt</strong>en aus Holland habe, ist hierbei die Peterskirche in Rom: Bei<br />

Bramante hat sie noch diese tolle Idee des zentralen Raumes. Danach wird<br />

diese Bauform dann aber eigentlich <strong>im</strong>mer schwächer und schwächer, bis<br />

sie irgendwann von Bernini wieder diesen Gegengestus der Arkaden<br />

eingeschrieben bekommen hat. Die eigentliche Großartigkeit der<br />

Peterskirche bestand also in dieser Idee eines zentralen Raums, eines<br />

zentralen Raums <strong>mit</strong> all den Bedeutungen, die dieser zentrale Raum hat.<br />

Das war eigentlich das, was diese Kirche zu einem welthistorischen<br />

<strong>Architekt</strong>urereignis hat werden lassen. Der Rest, der dann passiert ist, war<br />

schwächer und schwächer. Wenn ich mal in Rom bin, dann langweilt mich<br />

eigentlich dieser Rest und ich finde ihn auch wirklich nicht so bedeutend.<br />

Das Zeitdokument besteht also mehr darin, dass so etwas zustande<br />

kommen konnte, dass man überhaupt einmal einen solchen riesigen<br />

Zentralbau gemacht hat und was da an geistiger und künstlerischer<br />

Entwicklung dahinter steckte. Danach wird man in ferner Zukunft auch<br />

unsere jetzige <strong>Architekt</strong>ur befragen. Dafür haben natürlich einzelne Gesten<br />

aus unserer Zeit sicherlich ihre Bedeutung. Aber wahrscheinlich wird diese<br />

Bedeutung doch eine Kurzlebigere sein, wie ich vermute.<br />

<strong>Schramm</strong>: Wenn man durch die neuen Bundesländer fährt, dann sieht man Tausende,<br />

Zehntausende leerstehender Wohnungen. Das ist leider auch so ein<br />

bisschen ein Blick in die Zukunft. Wir werden, wie wir schon gesagt haben,<br />

in nicht allzu ferner Zukunft weniger Menschen sein. Was bedeutet das für<br />

die <strong>Architekt</strong>ur? Wie wird die <strong>Architekt</strong>ur von Morgen aussehen?<br />

<strong>Steidle</strong>: Wenn man genügend Geld haben wird, wird man das alles wegreißen.<br />

Vielleicht wird man auch manches regenerieren, wenn man das nötige Geld<br />

dafür hat. Ich meine da<strong>mit</strong>, dass man dann anstelle dieser Häuser Bäume<br />

pflanzen wird usw. Bei vielen Entscheidungen wird man sich hingegen<br />

fragen, ob es denn wirklich ein Neubau sein muss oder ob man sich nicht<br />

doch <strong>mit</strong> dem vorhandenen Altbau arrangieren kann. Zumindest die<br />

aktuelle Erfahrung zeigt aber, dass man aufgrund der herrschenden, sehr<br />

hoch gesetzten Standards – sei das nun bei Bürohäusern oder bei<br />

Wohnhäusern – <strong>mit</strong> einem Abriss "billiger" wegkommt. – Man lässt hierbei<br />

allerdings die ganzen Entsorgungsfragen ökologischer Art einfach weg. –<br />

Wenn man also in der <strong>Architekt</strong>ur und be<strong>im</strong> Bauen den heutigen Standards<br />

weiterhin folgen wird, wenn man also auch in Zukunft der Meinung sein<br />

wird, dass meinetwegen ein Bürobau mindestens den Standards von heute<br />

zu folgen hat, dann wird man all diese Gebäude abreißen müssen, weil sich<br />

ein Umbau aus ökonomischer Sicht nicht rechnen wird. Ich glaube jedoch<br />

an etwas anderes: Ich glaube, dass man sich in Zukunft <strong>mit</strong> dem


Bestehenden stärker wird arrangieren können. Vor kurzem haben ja all<br />

diese neuen und innovativen Branchen gezeigt, dass man sich auch in<br />

bestehende alte Fabriketagen und -hallen einnisten kann. Wenn es so ist,<br />

wird man dann auch vieles nicht mehr neu bauen müssen. Das Gleiche<br />

wird auch, zumindest zum Teil, für den Wohnungsbau gelten. Aber gerade<br />

der Wohnungsbau in den neuen Bundesländern hat etwas <strong>mit</strong> dem zu tun,<br />

was wir bereits am Anfang der Sendung besprochen haben: Das hat etwas<br />

zu tun <strong>mit</strong> Ihren vorherigen Fragen hinsichtlich unserer Überlegungen in den<br />

siebziger Jahren. Damals ging es uns ja, wie gesagt, darum, Wohnungen<br />

nicht so zu bauen, dass sie dann, wenn diese eine Funktion der eng<br />

umschriebenen Familiennutzung nicht mehr passt, völlig nutzlos werden.<br />

Wenn nämlich jede Tragstruktur, jede Betonwand nur und ausschließlich<br />

auf diese Funktion hin ausgerichtet worden war, dann konnte man so ein<br />

Haus eigentlich nur abreißen, wenn man es anders nutzen wollte. Dieses<br />

Problem führt also zurück zum Ausgangspunkt. Ich glaube also, man wird<br />

diejenigen Gebäude, die man irgendwie noch brauchen kann – das werden<br />

dann häufig Gebäude sein, die nur Stützen haben, die mehr Disponibilität<br />

erlauben –, bestehen lassen. Die anderen Gebäude wird man dann eben<br />

wegreißen müssen. Man sollte dann aber an deren Stelle möglichst nicht<br />

erneut Häuser bauen, die man nur so "eind<strong>im</strong>ensional" nutzen kann. Denn<br />

jede Zeit meint ja, sie hätte nun genau die Funktion erfunden, die einem<br />

Haus dienen kann. Genau darum ist eben auch die Aussage "form follows<br />

function" in dieser Hinsicht ein Irrtum: Eigentlich ist bei den Häusern genau<br />

das Umgekehrte der Fall.<br />

<strong>Schramm</strong>: Der deutsche Beitrag zur siebten <strong>Architekt</strong>urbiennale kam von Ihnen. Ihr<br />

Beitrag hieß "Nomad's Tower", also "Nomadenturm". Geht das auch in<br />

diese Richtung, dass wir nomadenhafter leben werden?<br />

<strong>Steidle</strong>: Sie meinen den Beitrag auf der Biennale in Venedig vor zwei Jahren?<br />

<strong>Schramm</strong>: Ja.<br />

<strong>Steidle</strong>: Es ging damals darum, wie <strong>Architekt</strong>en Antworten finden oder Botschaften<br />

ver<strong>mit</strong>teln könnten auf diesen meines Erachtens etwas eigenartigen Titel<br />

des Wettbewerbs "Mit weniger Ästhetik und mehr Ethik". Mir war dieser Titel<br />

ein bisschen zu übertrieben. Gemeint war da<strong>mit</strong>, die <strong>Architekt</strong>en sollten in<br />

ihren gebauten und aufgezeigten Beispielen doch auch einmal etwas über<br />

die Zukunft aussagen. Ich habe damals ein Un<strong>im</strong>og-Fahrzeug verwendet,<br />

um daraus einen hydraulisch-beweglichen Turm zu machen. Ich habe das<br />

erstens deshalb gemacht, um einmal aus einem Caravan ein<br />

architektonisches Objekt zu machen. Ich wollte zweitens unsere<br />

Beweglichkeit aufzeigen. Und ich wollte beschreiben, dass ich die Zukunft<br />

nicht so sehr in den abgesicherten sozialen Netzen sehe, sondern in einer<br />

Art von persönlicher Kreativität und dass dies nicht unbedingt ein Missstand<br />

sein muss, sondern eine fast schon spaßig, freudig zu besetzende neue<br />

Form des Lebens darstellt. Unsere Lebensweise, wenn wir mal in diese und<br />

mal in jene Stadt gehen, um dort zu arbeiten, hat ja auch schon manchmal<br />

etwas Nomadenhaftes.<br />

<strong>Schramm</strong>: Ich bedanke mich herzlich für Ihr Hiersein. Vielen Dank. Zu Gast be<strong>im</strong><br />

Alpha-Forum war heute der <strong>Architekt</strong> <strong>Prof</strong>essor <strong>Otto</strong> <strong>Steidle</strong>.<br />

© Bayerischer Rundfunk

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