ökosoziale marktwirtschaft als zukunftsstrategie - Ökosoziales Forum
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ÖKOSOZIALE MARKTWIRTSCHAFT<br />
ALS ZUKUNFTSSTRATEGIE<br />
1/2009<br />
Österreichische Post AG/Sponsoring.Post | Verlagspostamt 1010 Wien | ZNR 06Z037012 S
Die Produktion dieser Broschüre wurde unterstützt durch<br />
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zu über 214 Reisedestinationen.<br />
Der Urlaub – die allerschönste Zeit im Jahr. Umso wichtiger ist es, diese nicht mit Warten<br />
und Anstellen zu verbringen. Nutzen Sie dazu die Services des Flughafen Wien. Nehmen<br />
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mal 16 Minuten am Flughafen Wien. Alle Infos finden Sie unter www.viennaairport.com.
Interessengemeinschaft ländlicher Raum<br />
8 EINLEITUNG<br />
10 ÖKOSOZIALE MARKTWIRTSCHAFT ALS ZUKUNFTSSTRATEGIE<br />
Mag. Sigrid Egartner<br />
16 BALANCE ZWISCHEN WIRTSCHAFT, SOZIALEM UND ÖKOLOGIE<br />
Vizekanzler a. D. DI. Dr. h. c. Josef Riegler<br />
20 ÖKOSOZIALES FORUM – EIN KURSKORREKTIV<br />
LPräs. Heinz Hufnagl<br />
24 DAS LEITBILD DER NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG<br />
Univ.-Prof. DI Dr. Gerlind Weber<br />
30 ES WIRD EINMAL GEWESEN SEIN.<br />
ÜBER DEN UMGANG MIT DER ZUKUNFT.<br />
Univ.-Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann<br />
36 WARUM ES NICHT EGAL IST, WO MAN ALT WIRD.<br />
ÜBER DEN ZUSAMMENHANG ZWISCHEN STADTSTRUKTUR UND<br />
LEBENSQUALITÄT ÄLTERER MENSCHEN<br />
Mag. Dr. Tatjana Fischer<br />
ÖKOSOZIALE MARKTWIRTSCHAFT ALS ZUKUNFTSSTRATEGIE
Interessengemeinschaft ländlicher Raum<br />
Eigentümer, Herausgeber und Verleger:<br />
Club Niederösterreich<br />
Redaktion:<br />
Ernst Scheiber, Rosi Hingsamer, Gerlind<br />
Weber, Sigrid Egartner<br />
Satz: Rosi Hingsamer<br />
alle Bartensteingasse 4/16, 1010 Wien<br />
Telefon: 01/533 84 01<br />
Telefax: 01/533 84 01-20<br />
E-Mail: info@clubnoe.at<br />
www.clubnoe.at<br />
Titelfoto: IRUB, Backaldrin<br />
Hersteller:<br />
Druckerei Ing. Christian Janetschek<br />
Brunfeldstraße 2<br />
3860 Heidenreichstein<br />
Preis:<br />
Einzelnummer 4,21 Euro<br />
inklusive 10 % Umsatzsteuer<br />
Doppelnummer 7,– Euro<br />
inklusive 10 % Umsatzsteuer<br />
Jahresabonnement 15,98 Euro<br />
inklusive 10 % Umsatzsteuer<br />
Die Schriftenreihe erscheint<br />
mindestens sechsmal jährlich.<br />
Bankverbindung:<br />
Raiffeisenlandesbank<br />
Niederösterreich-Wien<br />
Friedrich Wilhelm Raiffeisen-Platz 1<br />
1020 Wien<br />
Kontonummer 64097<br />
Bankleitzahl 32000<br />
Anzeigen und Verwaltung:<br />
Beate Schrank<br />
Club Niederösterreich<br />
Bartensteingasse 4/16, 1010 Wien<br />
Telefon: 01/533 84 01<br />
Das Abonnement gilt für ein weiteres<br />
Kalenderjahr <strong>als</strong> erneuert, falls den Club<br />
bis jeweils 30. November keine schriftliche<br />
Kündigung erreicht.<br />
ÖKOSOZIALES FORUM WIEN<br />
Präsidentin:<br />
o. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Gerlind Weber, Uni -<br />
versität für Bodenkultur Wien<br />
Vizepräsidenten:<br />
LPräs. Heinz Hufnagl, Wiener Landtag; Dr. Georg<br />
Kraft-Kinz, Raiffeisenlandesbank Nieder österreich-<br />
Wien<br />
Vorstandsmitglieder:<br />
OSR. Ing. Dr. Karin Büchl-Krammerstätter, MA 22<br />
Umweltschutz; Dr. Rein hold Christian, Umwelt<br />
Manage ment Austria; Dipl.-Ing. Heinz Felsner,<br />
respact – austrian business council for sustainable<br />
development; Dr. Bernhard Kromp, BioFor schung<br />
Austria; ÖkR Dir. Grete Nehammer, Blumenbüro<br />
Österreich; Dipl.-Ing. Andreas Römer, MA 22 Um -<br />
weltschutz; Präs. Ing. Franz Windisch, Wiener Bau -<br />
ern bund; Prof. Dkfm. Ernst Scheiber, Österreichi -<br />
scher Bio masse ver band; Mag. Dr. Andrea Schnattin -<br />
ger, Wiener Umwelt anwaltschaft; Dipl.-Ing. Dr.<br />
Alfred Strigl, plenum – gesellschaft für ganzheit lich<br />
nachhaltige entwicklung gmbh<br />
Rechnungsprüfer:<br />
OAR Karl Hödl, MA 6 Rechnungsamt; KR Wal ter<br />
Losos, Raiffeisenlandesbank Niederöster reich-<br />
Wien<br />
Geschäftsführerin:<br />
Mag. Sigrid Egartner,<br />
Franz Josefs-Kai 13, 1010 Wien<br />
Wir danken an dieser Stelle den aktuellen und ehemaligen<br />
Mitgliedern des Vorstandes ganz herzlich<br />
für die Mitarbeit und das große Engagement. Das<br />
Ökosoziale <strong>Forum</strong> Wien lebt und gedeiht insbe -<br />
sondere durch ihren ehrenamtlichen Ein satz.<br />
Interessengemeinschaft ländlicher Raum<br />
OFFENLEGUNG GEMÄSS § 25<br />
DES MEDIENGESETZES<br />
Medieninhaber:<br />
Club Niederösterreich,<br />
Bartensteingasse 4/16, 1010 Wien<br />
Präsident:<br />
Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll<br />
Vizepräsidenten:<br />
Landesrat a. d. DI Josef Plank, Nieder ös ter rei chi scher<br />
Bau ern bund, St. Pölten; Präsidentin Komm.-Rat Abg. z.<br />
BR Sonja Zwazl, Wirt schafts kammer Nieder ös ter -<br />
reich, St. Pölten; Präsident Abg. z. NR Ing. Her mann<br />
Schul tes, Niederösterreichische Landes-Land wirt -<br />
schafts kam mer, St. Pölten; Ge ne ral an walt ÖR Dr. Chris -<br />
tian Kon rad, Raiff eisen-Holding NÖ-Wien reg.<br />
Gen mbH, Wien; Ge ne ral direk tor Dr. Hubert Schultes,<br />
Nieder öster reichische Ver sicherung AG, St. Pölten.<br />
Vorstandsmitglieder:<br />
Vorstandssprecher Mag. Alfred Berger, NÖM AG,<br />
Baden; Vorstandsdirektor Dr. Andreas Brandstetter,<br />
UNIQA Ver sicherungen AG, Wien; Gene ral direktor<br />
Mag. Klaus Buchleitner, Raiffeisen Ware Austria<br />
AG, Wien; Direktor Ing. Josef Daxacher, heimatwerbung<br />
GesmbH, Wien; Rektor Univ.-Prof. Dipl.-FW<br />
Dr. Dr. h. c. Hubert Dürrstein, Uni ver sität für Bo den -<br />
kultur Wien, Wien; Archi tekt Prof. DI Franz Feh rin -<br />
ger, Wien; Vorstandsdirektor Ernest Gabmann, Flug -<br />
hafen Wien AG, Wien; Aufsichtsratspräsident Dr.<br />
Rudolf Gruber, EVN AG, Maria Enzersdorf; Ge ne -<br />
ral direktor Mag. Erwin Hamese der, Raiffeisen-<br />
Holding Nieder österreich-Wien reg. GenmbH.,<br />
Wien; Bau meis ter Ing. Walter Handler, Ing. W. P.<br />
Handler Bauges. m. b. H., Bad Schönau; General -<br />
direktor Dr. Peter Harold, HYPO Investmentbank<br />
AG, St. Pölten; General direktor Mag. Harald<br />
Himmer, Alcatel-Lucent Austria AG, Wien; Ge ne ral -<br />
direktor Dkfm. Herbert Höck, Landes-Hypo the -<br />
kenbank Nieder öster reich, St. Pölten; Abg. z. NR<br />
Anna Höllerer, Engabrunn; Vorstand Dr. Herbert<br />
Koch, KIKA Möbel-Handelsgesellschaft m. b. H.,<br />
St. Pölten; Vorstandsdirektor Mag. Bernhard Lack -<br />
ner, Niederösterreichische Versicherung AG, St.<br />
Pölten; Direktor Mag. Herbert Lehner, Wirt schafts -<br />
bund Niederös terreich, St. Pölten; Ge ne ral di rek tor<br />
DI Johann Marihart, AGRANA Beteili gungs AG,<br />
Wien; Vor sit zen der 2. Präsident des Nationalrats<br />
Fritz Neu ge bauer, Fraktion Christlicher Ge werk -<br />
schaf ter, Wien; 1. Präsident des NÖ Landtages Di -<br />
rek tor Ing. Johann Penz, Nie der öster rei chi scher<br />
Bauern bund, St. Pöl ten; Kam merdirektor DI Franz<br />
Raab, Nieder öster reichische Lan des-Land wirt schafts -<br />
kammer, St. Pölten; Vor standsdirektor Dr. Josef<br />
Schmid, Österreichische Hagel ver siche rungs anstalt<br />
auf Ge gen seitigkeit, Wien; Ök.-Rat Rudolf Schwarz -<br />
böck, Hagen brunn; Vor standsdirekor Komm.-Rat<br />
Mag. Dr. Christian Sedl nitz ky, UNIQA Ver siche -<br />
rungen AG, Wien; Landesobmann Bundes minister<br />
Dr. Mi chael Spin delegger, Nie der öster rei chischer<br />
Arbeiter- und An ge stellten bund, St. Pölten; KR<br />
Hilde Umdasch, Um dasch AG, Amstet ten; Univ.-<br />
Prof. Dr. Dr. h. c. Manfried Welan, Universität für<br />
Bodenkultur Wien, Wien; Direktor Dr. Franz Wieder -<br />
sich, Wirt schafts kammer Niederöster reich, St. Pöl -<br />
ten; Architekt DI Werner Zita, Lang enzersdorf.<br />
Rechnungsprüfer:<br />
Hans Oppel, Dkfm. Friedrich Vock<br />
Geschäftsführer:<br />
Prof. Dkfm. Ernst Scheiber,<br />
Bartensteingasse 4/16, 1010 Wien<br />
Grundlegende Richtung gemäß § 25,<br />
Absatz 4, des Mediengesetzes<br />
Die Schriftenreihe des Club Niederös ter reich versteht<br />
sich so wie der Club <strong>als</strong> Plattform, um ge mein -<br />
same Interessen aller Berufs gruppen im ländlichen<br />
Raum und zwischen Stadt und Land durch Diskus -<br />
sion, Infor mation und Aktion zu verdeutlichen. Ziel<br />
der Schriftenreihe des Club Nie der ös ter reich ist die<br />
Diskussion aller Fra gen, die den ländlichen Raum<br />
betreffen, und zwar in einer umfassenden Zusam -<br />
men schau mit Wissen schaft, Wirt schaft und Politik;<br />
die Kontakte zwischen der städtischen und ländlichen<br />
Bevölkerung zu pflegen und zu vertiefen; durch<br />
Öffentlichkeitsarbeit die Men schen, die täglich die<br />
Leistungen der Bauern und der Bewohner des ländlichen<br />
Raumes beanspruchen, für Probleme und Fra -<br />
gen des ländlichen Rau mes zu interessieren und <strong>als</strong><br />
Verbündete zu gewinnen, ein positives Klima für<br />
Eigeninitiative und Selbsthilfe bei den Bewohnern<br />
des ländlichen Rau mes zu schaffen und an konkreten<br />
Beispielen die Mög lichkeiten zur Verbesserung der<br />
Lebens quali tät im ländlichen Raum aufzuzeigen. Um<br />
diesen Zielen zu entspre chen, führt der Club Nieder -<br />
öster reich wirtschaftspolitische, regionalpolitische<br />
sowie kultur- und sozialpolitische Aktivitäten durch.
4<br />
BISHERIGE AUSGABEN DER SCHRIFTENREIHE<br />
Nr. 1/1981 Die Land- und Forstwirt -<br />
schaft im Span nungs feld der<br />
örtlichen Raumplanung<br />
Nr. 2/1981 Medienzukunft<br />
Nr. 3/4/1981 Produktionsalternativen für<br />
die Land- und Forst wirt schaft<br />
in Niederösterreich<br />
Nr. 1/1982 Wachstums- und Struktur pro -<br />
bleme der Industrie – Kon se -<br />
quenzen für die nieder -<br />
österreichische Wirt schaft<br />
Nr. 2/1982 Biosprit<br />
Nr. 3/1982 Die japanische Heraus -<br />
forderung<br />
Nr. 4/5/1982 Arbeitsplatzsicherung durch<br />
den niederösterreichischen<br />
Lan deshaushalt<br />
Nr. 6/1982 Strategien gegen die wirt -<br />
schaft liche Zweiteilung Ös -<br />
ter reichs<br />
Nr. 1/1983 Die Einkommenssituation der<br />
österreichischen Wein bauern<br />
Nr. 2/3/1983 Wirtschaft und Umwelt –<br />
Versuch einer Versöhnung<br />
Nr. 4/1983 Beschäftigungseffekte durch<br />
Dorferneuerung<br />
Nr. 5/1983 Arbeitsplätze durch Kleinund<br />
Mittelbetriebe<br />
Nr. 6/1983 Public Relations <strong>als</strong> Unter -<br />
nehmensaufgabe<br />
Nr. 1/2/1984 Innovation <strong>als</strong> Motor des<br />
Struk turwandels<br />
Nr. 3/1984 Österreich im Spannungs feld<br />
der Weltpolitik<br />
Nr. 4/5/1984 Bauen im ländlichen Raum<br />
Nr. 6/1984 Natürliche Psychohygiene des<br />
Wohnens<br />
Nr. 7/1984 Public Relations – der Weg<br />
aus der Isolation<br />
Nr. 1/1985 Sanfter Tourismus und Re gio -<br />
nal politik<br />
Nr. 2/1985 Zukunft der Arbeit – Welche<br />
Arbeit hat Zukunft?<br />
Nr. 3/4/1985 Bauen und Lebensqualität<br />
Nr. 5/1985 Dorferneuerung und Le bens -<br />
qualität<br />
Nr. 6/1985 Neue Medien in Österreich –<br />
Rotlicht für privates Fern -<br />
sehen?<br />
Nr. 7/1985 Weg von Rollenklischees –<br />
Männer und Frauen in den<br />
achtziger Jahren<br />
Nr. 1/1986 Neue Industrie – Chance oder<br />
Gefahr?<br />
Nr. 2/1986 Kommunikation und Emo tion<br />
– Public Relations jenseits<br />
von Daten und Fakten<br />
Nr. 3/1986 Die Zukunft der Industrie<br />
Nr. 4/5/1986 Was blieb von Prinz Eugen?<br />
Nr. 6/1986 Krisengebiete und Medien<br />
Nr. 7/1986 Jugend und Dorferneuerung<br />
Nr. 1/1987 Kultur im Dorf<br />
Nr. 2/1987 Dorf – Landschaft – Umwelt<br />
Nr. 3/1987 Wasser für morgen<br />
Nr. 4/1987 Public Relations –<br />
Strate gien für den Krisenfall<br />
Nr. 5/1987 Wirtschaft und Umwelt<br />
Nr. 6/1987 Biomasse<br />
Nr. 1/1988 Wege zur Umweltsicherung<br />
in Europa<br />
Nr. 2/1988 Wirtschaftspolitik in den<br />
neun ziger Jahren<br />
Nr. 3/1988 Innovationsorientierte agrarische<br />
Regionalpolitik<br />
Nr. 4/1988 Die ethische Dimension zeit -<br />
gemäßer Öffentlichkeitsarbeit<br />
Nr. 5/1988 Dorferneuerung und<br />
Archi tektur<br />
Nr. 6/1988 Unternehmenskultur <strong>als</strong> neue<br />
Kommunikations stra tegie<br />
Nr. 1/1989 Ost-West-Drift in Österreich<br />
Nr. 2/1989 Umbruch in der Landwirt -<br />
schaft – Chance für die Kul -<br />
turlandschaft?<br />
Nr. 3/1989 Österreich und Europa<br />
Nr. 4/5/1989 Dorferneuerung<br />
gestern – heute – morgen<br />
Nr. 6/1989 EG-Integration und Bauern<br />
Nr. 7/1989 Flaggschiff Österreich<br />
Nr. 1/1990 Ökosoziale Marktwirtschaft<br />
Nr. 2/1990 Die europäische Integration –<br />
Perspektiven für Österreich<br />
Nr. 3/4/1990 Handeln im lebendigen<br />
Kreis lauf der Natur<br />
Nr. 5/1990 Landwirtschaft und Umwelt<br />
Nr. 6/1990 Österreichs Wirtschaft<br />
zwischen Ost und West<br />
Nr. 7/8/1990 Das betreute Dorf<br />
Nr. 1/1991 Bohunice & Dukovany –<br />
Gefahren und Alternativen<br />
Nr. 2/1991 Niederösterreich <strong>als</strong> EG-<br />
Region – Wirtschafts för -<br />
derung in Niederösterreich<br />
und EG-Bestimmungen<br />
Nr. 3/4/1991 Dorferneuerungswegweiser<br />
Waldviertel<br />
Nr. 5/1991 Saubere Luft – ein knappes<br />
Gut<br />
Nr. 6/1991 Dorferneuerung inter national<br />
Nr. 7/1991 Ökosoziale Energiepolitik<br />
Nr. 1/1992 Dorferneuerungswegweiser<br />
Mostviertel<br />
Nr. 2/1992 Spannungsfeld Balkan<br />
Nr. 3/1992 Niederösterreichisch – österreichisch<br />
– europäisch<br />
Nr. 4/1992 Die Erneuerung der veruntreuten<br />
Landschaft<br />
Nr. 5/1992 Blau-gelbe Kultur-Akzente<br />
Nr. 6/7/1992 Dorferneuerungswegweiser<br />
Industrieviertel<br />
Nr. 1/1993 Stadterneuerung<br />
Nr. 2/1993 Kultur und Identität<br />
Nr. 3/1993 Abwasserreinigung im<br />
ländlichen Raum – geklärte<br />
Ver hält nisse?<br />
Nr. 4/1993 Abwasserklärung, aber wie?<br />
Nr. 5/6/1993 Dorferneuerungswegweiser<br />
Weinviertel<br />
Nr. 7/8/1993 AufhOHRchen – Volks musik<br />
in Niederösterreich<br />
Nr. 1/2/1994 Die Türme von Znaim –<br />
Skiz zen aus dem Wein viert ler<br />
Grenzland<br />
Nr. 3/1994 Solar-Visionen<br />
Nr. 4/5/1994 Vom Morgen im Heute: Dorf -<br />
erneuerung Kautzen<br />
Nr. 6/7/1994 Zukunft der Stadt – Stadt der<br />
Zukunft<br />
Nr. 8/1994 Kultur – Heimat – Werte<br />
Nr. 9/1994 Unser Greissler. Unser Wirts -<br />
haus.<br />
Nr. 1/2/1995 Wieder AufhOHRchen –<br />
Volks musik zwischen<br />
Tradi tion und Moderne<br />
Nr. 3/1995 Regionalpolitik der Zukunft:<br />
Das Waldviertel-Manage ment<br />
Nr. 4/1995 Wege zur Umweltsicherung<br />
in Europa<br />
Nr. 5/1995 Stadterneuerung für eine<br />
men schengerechte Urbanität<br />
Nr. 6/1995 Dörfer in Niederösterreich –<br />
vielgestaltig und wandelbar<br />
Nr. 7/1995 Bio-Energie<br />
Nr. 1/1996 aufhOHRchen –<br />
Grenz gän ge mit Volksmusik<br />
Nr. 2/1996 Stadt und Dorf – Theorie und<br />
Praxis einer Erneuerung<br />
Nr. 3/4/1996 Datenhighway –<br />
und Nie der österreich?<br />
Nr. 5/1996 Zankapfel Erdapfel –<br />
Gen tech nik im Pflanzenbau<br />
Nr. 6/1996 Biologischer Landbau in Ös -<br />
terreich<br />
Nr. 7/1996 Landentwicklung in<br />
Nieder ös terreich<br />
Nr. 1/1997 Multifunktionale Agrar po li tik<br />
Nr. 2/1997 Zukunft der Arbeit – welche<br />
Arbeit hat Zukunft?<br />
Nr. 3/1997 Mostviertel-Strategien<br />
Nr. 4/1997 szene bunte wähne – Theater -<br />
kultur für Kinder und Jugend -<br />
liche<br />
Nr. 5/1997 Dorf- und Stadterneuerung –<br />
Signale in blau-gelb<br />
Nr. 6/1997 aufhOHRchen und wieder<br />
aufhOHRchen<br />
Nr. 1/2/1998 Biomasse – Energiequelle mit<br />
Zukunft<br />
Nr. 3/1998 Innovative Wirtschaft in<br />
Niederösterreich<br />
Nr. 4/5/1998 Modern Bauen – zeitgemäß<br />
Wohnen<br />
Nr. 6/1998 Österreichs Landwirtschaft<br />
<strong>als</strong> Modell für Europa<br />
Nr. 7/1998 Vom Umbruch zum<br />
Auf bruch – Die Erweiterung<br />
der Europäischen Union<br />
Nr. 8/1998 Innovative Wirtschaft in<br />
Niederösterreich II<br />
Nr. 1/1999 Fitness-Programm für das<br />
Weinviertel<br />
Nr. 2/1999 Fitness-Programm für das<br />
Waldviertel<br />
5
6<br />
Nr. 3/1999 Erneuerbare Energie I<br />
Nr. 4/1999 Erneuerbare Energie II<br />
Nr. 5/1999 Kooperationen zwischen Nie -<br />
derösterreich und Tsche chien<br />
Nr. 6/1999 Landentwicklung durch Dorfund<br />
Stadterneuerung<br />
Nr. 1/2000 Kooperationen zwischen<br />
Niederösterreich und der<br />
Slowakei<br />
Nr. 2/3/2000 Grünes Licht für Bioenergie<br />
Nr. 4/2000 Tradition – Funktion –Vision:<br />
Bauen und Wohnen in ländlichen<br />
Kleinstädten<br />
Nr. 5/2000 Verdorft die Welt,<br />
sie braucht es!<br />
Nr. 6/2000 Integrierte Ländliche<br />
Entwicklung<br />
Nr. 7/2000 Energienachfrage und<br />
Bioenergie<br />
Nr. 1/2001 Biomassenutzung in<br />
Niederösterreich<br />
Nr. 2/2001 Dorfentwicklung <strong>als</strong> euro -<br />
päische Herausforderung<br />
Nr. 3/2001 EU-Erweiterung –<br />
Voraus setzungen und<br />
Perspektiven<br />
Nr. 4/2001 Wirtschaftsstandort<br />
Niederösterreich<br />
Nr. 5/2001 Sicherheit der<br />
Energieversorgung<br />
Nr. 6/2001 Österreichs Zukunft nachhaltig<br />
gestalten<br />
Nr. 1/2002 Arbeitsplatz Niederösterreich<br />
Nr. 2/2002 Regionen im Wandel<br />
Nr. 3/2002 Zukunftschance Bioenergie<br />
Nr. 4/2002 Niederösterreich –<br />
wasserreich?<br />
Nr. 5/2002 Wärme aus Energiegetreide<br />
Nr. 6/2002 Globalisierung: wie weiter?<br />
Nr. 1/2003 Landwirtschaft auf neuen<br />
WeGEN?<br />
Nr. 2/2003 Aufbruch zu einer neuen<br />
Weltordnung<br />
Nr. 3/2003 Die Europäische Union erweitert<br />
ihre Chancen<br />
Nr. 4/5/2003 Erneuerbare Energien – Best<br />
Practice<br />
Nr. 6/2003 Frau sein im ländlichen Raum<br />
Nr. 7/2003 Wirtschaften in der Region<br />
Nr. 1/2/2004 DorfZukunft<br />
Nr. 3/4/2004 Keep on running, keep on helping<br />
– 21 Jahre<br />
Benefizfußballmannschaft<br />
Nr. 5/2004 Globalisierung bedingt<br />
Regionalisierung<br />
Nr. 6/7/2004 Top-News aus der Biomasse -<br />
szene<br />
Nr. 8/9/2004 Energieversorgung am<br />
Wende punkt<br />
Nr. 10/2004 Innovation – Triebfeder der<br />
Wirtschaft<br />
Nr. 1/2/2005 Beschäftigungseffekte durch<br />
Biomassenutzung<br />
Nr. 3/2005 Landwirtschaft und<br />
Naturschutz<br />
Nr. 4/2005 Globalisierung – eine wirtschaftliche,<br />
soziale und ökologische<br />
Herausforderung<br />
Nr. 5/6/2005 Ländlicher Raum 2005.<br />
Gewandelte Realitäten – neue<br />
Herausforderungen<br />
Nr. 7/2005 WTO und Landwirtschaft<br />
Nr. 8/9/2005 Missgünstige Nachbarn<br />
Nr. 1/2006 Heizen mit Energiekorn<br />
Nr. 2/3/2006 Nachdenkbuch von Österreichern<br />
für Jörg Mauthe<br />
Nr. 4/5/2006 Leader-Ship<br />
Nr. 6/2006 Chancen der Direktvermarktung<br />
Nr. 7/2006 Biomasse – Energie der Zukunft<br />
Nr. 8/2006 Energieversorgung am Wendepunkt<br />
– die vermeintlichen Al ter -<br />
nativen Kohle und Kernenergie<br />
Nr. 1/2007 Klimawandel &<br />
Wintertourismus<br />
Nr. 2/3/2007 Multitalent Biogas<br />
Nr. 4/5/2007 Multitalent Biogas II<br />
Nr. 6/7/2007 Globalisierung – für und nicht<br />
gegen die Menschen<br />
Nr. 8/2007 Nahrung und Energie aus der<br />
Land- und Forstwirtschaft<br />
Nr. 9/10/2007 Zukunft der weltweiten<br />
Erdölversorgung<br />
Nr. 1/2008 Netzwerken <strong>als</strong> Erfolgsformel<br />
Nr. 2/2008 Mikroalgen – ein Energieträger<br />
der Zukunft?<br />
Nr. 3/2008 Energiepolitik 2020<br />
Nr. 4/2008 Energiewende.<br />
Nr. 5/2008 Der ländliche Raum im<br />
Zeitalter der Globalisierung<br />
Nr. 6/2008 Nachhaltigkeit <strong>als</strong> Chance für<br />
den Tourismus<br />
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8 Einleitung<br />
„DAS LEBEN VERLANGT VON UNS ALLEN EINEN BEITRAG,<br />
UND JEDER MUSS HERAUSFINDEN, WORIN SEIN PERSÖNLICHER BEITRAG<br />
BESTEHT.“ VIKTOR E. FRANKL<br />
Liebe Leserin, lieber Leser!<br />
Im Oktober 2009 beging das Ökosoziale<br />
<strong>Forum</strong> Wien (ÖSFO Wien) in feierlichem<br />
Rahmen und unter großem Publikums -<br />
inter esse sein 10jähriges Bestehen – ein An -<br />
lass, um zurückzublicken: Seit der Grün -<br />
dung des Ökosozialen <strong>Forum</strong> Wien ha ben<br />
sich manche der ökologischen, so zialen<br />
und ökonomischen Rahmenbe din gungen<br />
verändert. Einige Herausfor de rungen, wie<br />
beispielsweise der Klimawan del oder der<br />
demographische Wandel, die bereits da -<br />
m<strong>als</strong> diskutiert wurden, werden heute in<br />
einem noch viel stärkeren Ausmaß wahrgenommen.<br />
Andere – wie die Finanz krise<br />
und die Krise der Weltwirtschaft – sind neu<br />
hinzugekommen. Insgesamt scheint uns die<br />
<strong>ökosoziale</strong> Idee, deren An lie gen es ist, eine<br />
Balance zwischen ökologischer Ver ant -<br />
wortung, sozialer Ausgegli chen heit und<br />
wirtschaftlicher Leistungs fähigkeit her -<br />
zustellen, heute aktueller denn je zu sein.<br />
Dieser Broschüre können Sie zunächst eini -<br />
ge Hintergrundinformationen zum Öko -<br />
sozialen <strong>Forum</strong> Wien entnehmen. An -<br />
schlie ßend bietet sich Ihnen die Mög lich -<br />
keit, die Referate der 10-Jahres-Feier nachzulesen:<br />
Einerseits die Gruß- aber auch<br />
mahnenden Worte von Vizekanzler a. D.<br />
Josef Riegler und Landtagspräsident Heinz<br />
Hufnagl. An dererseits die beiden wissenschaftlichen<br />
Beiträge von Univ.-Prof. Dr.<br />
Gerlind Weber, der Präsidentin des Ve r ei -<br />
nes, und Univ.-Prof. Dr. Konrad Paul Liess -<br />
mann, dem Keynote-Speaker. Erstere be -<br />
schäftigt sich mit dem Leitbild der nachhaltigen<br />
Entwicklung, Zweiterer analysiert<br />
den Umgang mit der Zukunft aus einem<br />
philosophischen Blickwinkel. Den Ab -<br />
schluss dieser Publikation bildet ein Bei -<br />
trag von Dr. Tatjana Fischer, in dem sie das<br />
jüngste Forschungsprojekt des ÖSFO<br />
Wien „Stadt der kurzen Wege aus <strong>ökosoziale</strong>r<br />
Sicht – Nahversorgung und Nah -<br />
erholung in Wien vor dem Hintergrund der<br />
Alterung“ in der hier gebotenen Kürze vorstellt.<br />
Wir wünschen Ihnen viele interessante,<br />
aber auch nachdenkliche Momente beim<br />
Lesen!<br />
Sigrid Egartner<br />
Geschäftsführerin<br />
ÖSFO Wien<br />
Ernst Scheiber<br />
Geschäftsführer<br />
Club Niederösterreich<br />
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10 Sigrid Egartner<br />
Sigrid Egartner<br />
ÖKOSOZIALE MARKTWIRTSCHAFT ALS ZUKUNFTS -<br />
STRATEGIE<br />
„DIE MARKTWIRTSCHAFT KANN IN DER ZUKUNFT NUR DANN<br />
ERFOLGREICH SEIN, WENN SIE SOZIAL UND ÖKOLOGISCH TRAG-<br />
FÄHIG IST, ALSO AUF MENSCH UND UMWELT RÜCKSICHT<br />
NIMMT. DIE ÖKOSOZIALE MARKTWIRTSCHAFT IST FÜR MICH DIE<br />
RICHTIGE STRATEGIE, EINE GRENZZIE HUNG ZUM GLOBALEN<br />
TREND DES NEOLIBERALISMUS VORZUNEHMEN.“<br />
(BGM. DR. MICHAEL HÄUPL)<br />
„DIE ÖKOSOZIALE MARKTWIRTSCHAFT IST EINE DER WE NI GEN<br />
ÜBERZEUGENDEN UND ZIELFÜHRENDEN ZUKUNFTS STRATEGIEN<br />
FÜR DAS 21. JAHRHUNDERT. DURCH SYNTHE SE STATT KONFRON -<br />
TATION KANN EIN „MEHRWERT“ GE SCHAF FEN WERDEN. SIE IST<br />
DAHER EIN BESTENS GEEIGNETES KON SENSMODELL FÜR DIE<br />
BEWÄLTIGUNG DER GROS SEN HERAUSFORDERUNGEN, MIT DENEN<br />
WIR AUF LOKALER, RE GIONALER, NATIONALER UND GLOBALER<br />
EBENE KONFRONTIERT SIND.“<br />
(VIZEKANZLER A. D. DI DR. H. C. JOSEF RIEGLER)<br />
Im Jahr 1997 wurde das Ökosoziale <strong>Forum</strong><br />
Wien von Bürgermeister Dr. Michael Häupl<br />
und Vizekanzler a. D. DI Dr. h. c. Josef Rieg -<br />
ler <strong>als</strong> Kom munikations platt form für die He -<br />
r aus for derungen und Per spektiven ei ner<br />
nach haltigen Stadtent wick lung Wiens ge -<br />
grün det. Die Aufgabe un seres Vereines ist es,<br />
eine <strong>ökosoziale</strong> Po litik für die Stadt Wien zu<br />
unterstützen und vorzudenken – eine Po li tik,<br />
welche die Ver bin dung der wirt schaft lichen<br />
und technologischen Ent wick lungs poten ziale<br />
des urbanen Raumes mit der Er haltung ihrer<br />
Umwelt- und Le bens qualität ermöglicht.<br />
WELCHE ZIELE VERFOLGEN WIR?<br />
Das grundsätzliche Ziel der Ökosozialen<br />
Markt wirtschaft liegt in der Synthese zwi-<br />
schen Ökologie, Sozialem und Wirtschaft.<br />
Ökologische Verantwortung, soziale Ge -<br />
rech tigkeit und eine leistungsfähige Wirt -<br />
schaft dürfen nicht sektoral behandelt oder<br />
gegeneinander ausgespielt, sondern müssen<br />
im Sinne des Nachhaltigkeitsprinzips zu -<br />
sam mengeführt werden. Durch das Verbin -<br />
den dieser drei Aspekte werden „neue“ zu -<br />
kunftsfähige Lösungen möglich.<br />
AN WELCHEN WERTEN ORIENTIE-<br />
REN WIR UNS?<br />
Die originäre Definition von „nachhaltiger<br />
Entwicklung“ findet sich im Brundtlandt-<br />
Bericht „Our Common Future“ der Kom -<br />
mission der Vereinten Nationen für Umwelt<br />
und Entwicklung aus dem Jahr 1987: „Nach -<br />
Ökosoziale Marktwirtschaft <strong>als</strong> Zukunftsstrategie 11<br />
haltige Entwicklung ist eine Entwicklung,<br />
die den Bedürfnissen der heutigen Gene -<br />
ration entspricht, ohne die Möglichkeiten<br />
der künftigen Generationen, ihre eigenen<br />
Be dürfnisse und ihren Lebensstil zu wählen,<br />
zu gefährden. Die Forderung, diese Ent -<br />
wick lung dauerhaft zu gestalten, gilt für alle<br />
Länder und Menschen.“<br />
Gemäß der Brundtland-Definition ist das<br />
Kon zept der nachhaltigen Entwicklung ein<br />
ethisches Konzept. Eine nachhaltige Ent -<br />
wicklung kann dann gelingen, wenn sie bei<br />
den Werten und Einstellungen der Men -<br />
schen ansetzt und deren Zukunfts fähigkeit<br />
reflektiert. Entscheidend ist da bei, sich klar<br />
zu machen, dass Werte nicht allein von<br />
Wis sen schafterInnen festgelegt werden<br />
können. Sie werden im Wesent lichen durch<br />
die Gesell schaft bestimmt. Den noch ist die<br />
Wis sen schaft gefordert, ih ren Beitrag in<br />
Form sys tematischer Re flexionen <strong>als</strong> Basis<br />
für die Wei ter ent wick lung der gesellschaftlichen<br />
Wert vor stel lungen zu liefern.<br />
Im Ökosozialen <strong>Forum</strong> Wien begaben wir<br />
uns auf die Suche nach präzisierenden Leit -<br />
werten, an denen wir unsere Aktivi tä ten<br />
ausrichten können. Dazu wurde ein Dis kus -<br />
sionsprozess gestartet, an dem Per sonen<br />
aus Wissenschaft, Politik und Ver waltung<br />
be teiligt waren. Die Arbeits ergeb nisse dieser<br />
Kooperation wurden von Bri gitte Ömer<br />
zu sammengefasst und systematisiert. Sie<br />
wurden von uns in Form einer Broschüre<br />
veröffentlicht „Zukunfts fähiges Wien –<br />
Rich tungssicherheit durch Wert orientie -<br />
rung“ und dienen uns seitdem <strong>als</strong> wertvolle<br />
Hilfe stel lung bei der Aus richtung und Aus -<br />
wahl unserer unterschiedlichen Arbeits -<br />
schwer punkte. (Vgl. Ömer 2003).<br />
Den von Brigitte Ömer formulierten Sustai -<br />
na bility-Werten liegt der Denkansatz des<br />
öko logischen Transformationsmodells zu -<br />
grun de. Dabei werden zunächst ökologi-<br />
sche Funktionsprinzipien systemtheoretisch<br />
interpretiert, sodann in sozioökonomische<br />
Ziele und diese wiederum in gesellschaftliche<br />
Werte transformiert. Als Grund -<br />
werte der nachhaltigen Entwicklung haben<br />
sich dabei<br />
• Vielfalt<br />
• Natürlichkeit/Sicherheit<br />
• Neue Einfachheit/Dematerialisierung<br />
• Nähe/Dezentralität/Subsidiarität<br />
• Mitbestimmung/Kreativität<br />
• Wandlungsfähigkeit/Entwicklung<br />
• Wir-Gefühl/Solidarität<br />
herauskristallisiert. (Vgl. Ömer 2000).<br />
Mit dem Wert „Vielfalt“ ist eine über längere<br />
Zeiträume entstandene und im System -<br />
zusammenhang erprobte und bewährte Viel -<br />
falt in der Stadt gemeint, die ihre Le bens -<br />
fähigkeit unter Beweis gestellt hat. An ge -<br />
strebt wird aber nicht eine maximale Viel falt<br />
um jeden Preis, sondern eine systemoptimale,<br />
funktionale Vielfalt.<br />
Der zweite Sustainability-Wert „Natürlich -<br />
keit/Sicher heit“ ist eine größtmögliche Na -<br />
tür lichkeit (Naturnähe) im System Stadt, die<br />
in direktem Zusammenhang mit dem Wert<br />
Sicherheit steht: Je naturbelassener ein Sys -<br />
tem ist, das heißt je geringer die menschliche<br />
Eingriffstiefe ist, desto weniger externe Stüt -<br />
zung und Pflege benötigt es.<br />
Der dritte Sustainability-Wert „Neue Ein -<br />
fach heit/Dematerialisierung“ soll die Ver -<br />
rin gerung des Ressourcendurchflusses<br />
durch das Stadtsystem bringen. Dazu be -<br />
darf es zwei er einander ergänzender Stra -<br />
tegien: Zum einen Suffizienz oder Ge -<br />
nügsamkeit, die den tatsächlichen Be darf<br />
nach einem materiellen Produkt oder einer<br />
Dienstleis tung hinterfragt, und zum anderen<br />
Effizienz, die durch einen sparsamen<br />
Material- und Energieeinsatz und/ oder die
12 Sigrid Egartner<br />
Erhöhung des Nutzens bzw. der Nut -<br />
zungsdauer eines Pro dukts erzielt werden<br />
kann.<br />
Das Wertebündel „Nähe/Dezentralität/<br />
Sub sidiarität“ dient dem Aufbau und der<br />
Erhal tung räumlicher und informatorischer<br />
Bezie hungsnetze und umfasst Begriffe wie<br />
Klein heit, Basisdemokratie, Entflechtung,<br />
Teil auto nomie, Selbstbestimmung und<br />
Selbst ent faltung. Dieses Wertebündel ist<br />
wichtig, um die Kommunikation, Koordi -<br />
nation und Kooperation zwischen den<br />
Elementen des Stadtsystems sowie zwischen<br />
Stadt und Umland zu erhalten und zu<br />
fördern.<br />
Der fünfte Sustainability-Wert, der aus<br />
„Mit bestimmung und Kreativität“ zusammengesetzt<br />
ist, verwirklicht sich sowohl in<br />
der Entfaltung der Individualität unter den<br />
gegebenen politischen, ökonomischen,<br />
rechtlichen, moralischen und ideologischen<br />
Bedin gungen <strong>als</strong> auch im Erringen um neue<br />
Be dingungen.<br />
„Wandlungsfähigkeit/Entwicklung“ be rück -<br />
sichtigt die Langfristperspektive in der Sys -<br />
temveränderung. Der Begriff „Ent-Wick -<br />
lung“ bedeutet, dass aus einem An fangs -<br />
zustand, einem Keim, etwas voll Aus ge -<br />
bildetes entsteht. Entwicklung meint eine<br />
geordnete Veränderung des Systems in<br />
Richtung höherer Komplexität, zunehmender<br />
Verhaltensmöglichkeiten bzw. größerer<br />
Stabilität.<br />
Der siebte Sustainability-Wert „Wir-Gefühl/<br />
Solidarität“ zielt auf eine humane Stadtge -<br />
mein schaft mit sozialer Gerechtigkeit und<br />
ökologisch verträglichem Verhalten. Seine<br />
Herausforderung besteht in der Verwirk li -<br />
chung des Glücksanspruchs des Einzelnen<br />
ohne Verletzung der Menschenrechte und<br />
ohne Zerstörung der natürlichen Lebens -<br />
grund lagen.<br />
WIE WERDEN WIR AKTIV?<br />
Beim Versuch, eine <strong>ökosoziale</strong> Stadtpolitik<br />
vorzudenken, das heißt ökologische, soziale<br />
und wirtschaftliche Interessen bei unterschiedlichen<br />
Themenstellungen miteinander<br />
abzuwägen, ist man zunächst naturgemäß<br />
mit den vielen widersprüchlichen und zum<br />
Teil einander entgegengesetzten Interessen<br />
der beteiligten Gruppierungen konfrontiert.<br />
Maßnahmen, die aus ökologischer Sicht<br />
sinn voll und notwenig erscheinen, wie beispielsweise<br />
die Umwidmung von Flächen in<br />
der Stadt in Natur oder Landschaftsschutz -<br />
gebiete, stellen aus (land-)wirtschaftlicher<br />
Sicht eher eine Bedrohung dar. Wirt schaft -<br />
lich plausible Entscheidungen erscheinen<br />
oft aus sozialer Sicht bedenklich etc. Un -<br />
zählige Beispiele scheinen die Unverein -<br />
barkeit und Widersprüchlichkeit von ökologischen,<br />
so zia len und wirtschaftlichen Inter -<br />
essen zu be stätigen. Daraus erwächst die<br />
Gefahr, dass jede der Interessens grup pen in<br />
ihrem eigenen „Bereich“ gefangen bleibt<br />
und wenig bis gar kein Verständnis für die<br />
Standpunkte „der Anderen“ aufbringen. Aus<br />
diesem Grund gehen notwendige Entwick -<br />
lungen und Veränderung oft nur sehr langsam<br />
vor sich.<br />
Anstatt den Fokus auf das Trennende zu<br />
rich ten, kann aber auch versucht werden,<br />
unterschiedliche Stakeholder „an einen<br />
Tisch zu bringen“ und jene Bereiche zu<br />
identifizieren, in denen gemeinsame Inter -<br />
essen bestehen. Genau das sehen wir vom<br />
Ökosoziale <strong>Forum</strong> Wien seit der Gründung<br />
unseres Vereines <strong>als</strong> eine unserer Haupt -<br />
aufgaben an: Unterschiedlichen Akteu rIn -<br />
nen ei ne gemeinsame Kommunikations -<br />
platt form zu bieten, auf der ein gedanklicher<br />
Aus tausch über die Grenzen von Parteien,<br />
In teressengruppen, gesellschaftlichen Ar -<br />
beits be reichen etc. hinaus möglich ist. Dies<br />
schafft Raum, um andere Standpunkte ken-<br />
Ökosoziale Marktwirtschaft <strong>als</strong> Zukunftsstrategie 13<br />
Abbildung: Geschäftsführerin Mag. Sigrid Egartner, Vizepräsident Heinz Hufnagl, Präsidentin<br />
Dr. Gerlind Weber und Vizepräsident Dr. Georg Kraft-Kinz (v. l. n. r)<br />
nen zu lernen, die eigene Perspektive zu er -<br />
weitern und letztlich etwas Gemeinsames zu<br />
finden und daran in der Zukunft weiter zu<br />
arbeiten.<br />
Im Bestreben, solche „Gemeinsamkeiten zu<br />
identifizieren“, wurden von uns beispielsweise<br />
Arbeitskreise zu den Themen Energie -<br />
effizienz, Stadt-Landwirtschaft und Verkehr<br />
eingerichtet, in denen im Laufe mehrerer<br />
Jahre unterschiedliche für Wien relevante<br />
Fragestellungen von VertreterInnen aus Po -<br />
litik, Verwaltung und Wirtschaft diskutiert<br />
wurden. Die Ergebnisse waren vielfältiger<br />
Art: Es wurde gemeinsam mit der Wiener<br />
Umweltanwaltschaft eine Studie über „Bio -<br />
gene Abfälle aus der Lebensmittelindustrie<br />
und dem Gewerbe in Wien“ in Auftrag gege-<br />
ben; ebenfalls in Kooperation mit der Wie -<br />
ner Umweltanwaltschaft haben wir Folder<br />
für BezirkspolitikerInnen und Mit arbeiterIn -<br />
nen der Wiener Bezirksämter er stellt, in de -<br />
nen diese über Möglichkeiten energieeffi -<br />
zien ten Verhaltens in den Amts ge bäuden in -<br />
formiert werden etc.<br />
Wir organisieren aber auch Öffentlichkeitsveranstaltungen,<br />
in denen konkrete aktuelle<br />
gesellschaftspolitische Themen diskutiert<br />
und vertieft werden und damit die <strong>ökosoziale</strong><br />
Idee einem breiteren Publikum näher ge -<br />
bracht werden soll. Beispielsweise wurde<br />
der demographische Wandel und seine Aus -<br />
wirkungen auf die Stadt Wien in Form einer<br />
mehrteiligen Veranstaltungsreihe be han delt.<br />
Eine Kombination von Öffentlichkeitsveran-<br />
Foto: Edgar Bültemeyer
14 Sigrid Egartner<br />
staltungen und dem Schaffen ei ner Kommu -<br />
nikationsplattform stellte eine andere Ver -<br />
anstaltungsreihe dar, die wir ge mein sam mit<br />
dem Kooperationspartner FORUM Land<br />
Wien initiiert haben. Mit diesem Konzept<br />
wurde ein geeigneter Rahmen geboten, um<br />
die „Chancen und Herausforderungen der<br />
Wie ner Stadt-Landwirtschaft“ von ExpertIn -<br />
nen gemeinsam mit Betroffenen anhand von<br />
mehreren Themenstellungen – Tourismus,<br />
Produktinnovationen, Naturschutz – zu diskutieren.<br />
Auch hier ging es vor allem darum,<br />
den TeilnehmerInnen Zukunftsperspektiven<br />
und neue Möglichkeiten der Zusammen ar -<br />
beit aufzuzeigen.<br />
Neben Arbeitskreisen und Aktivitäten, die<br />
sich nach außen richten, versuchen wir vom<br />
Ökosozialen <strong>Forum</strong> Wien im kleinen Rah -<br />
men auch wissenschaftliche Grund lagen -<br />
arbeit zu leisten. Dabei liegt unserer Prä -<br />
sidentin Univ.-Prof. DI Dr. Gerlind Weber<br />
insbesondere die Förderung des wissenschaftlichen<br />
Nachwuchses am Herzen. Um<br />
ein konkretes Beispiel für das wissenschaftliche<br />
Engagement des <strong>Forum</strong>s anzuführen,<br />
sei an dieser Stelle das Forschungsprojekt<br />
„Stadt der kurzen Wege aus <strong>ökosoziale</strong>r<br />
Sicht – Nahversorgung und Naherholung in<br />
Wien vor dem Hintergrund der Alterung“<br />
an geführt, in welchem junge Wissenschaf -<br />
terInnen einige Aspekte der Problematik des<br />
demographischen Wandels für Wien untersucht<br />
haben. (Vgl. Voigt et al. 2008). Inhalt<br />
und Ergebnisse dieser Studie finden Sie im<br />
Beitrag von Tatjana Fischer auf Seite 36.<br />
Wir vom Ökosozialen <strong>Forum</strong> Wien bedanken<br />
uns an dieser Stelle bei unseren För -<br />
derern ganz herzlich – in erster Linie bei der<br />
Stadt Wien – für die langjährige Unter stüt -<br />
zung, die alle diese Aktivitäten erst möglich<br />
gemacht haben. Wir versichern, dass wir<br />
auch in Zukunft unser Möglichstes tun werden,<br />
um die <strong>ökosoziale</strong> Idee in Wien weiterhin<br />
erfahrbar und erlebbar zu machen.<br />
Sollte bei Ihnen, liebe LeserInnen, Interesse<br />
an unserer Arbeit geweckt worden sein, freuen<br />
wir uns über Ihren Besuch auf unserer<br />
Homepage www.oesfo.at/wien.<br />
LITERATUR<br />
Ömer, Brigitte (2000): Ökologische Leit -<br />
plan ken einer nachhaltigen Entwicklung.<br />
Erstellt vom Österreichischen Institut für<br />
Nachhaltige Entwicklung im Auftrag des<br />
Bundesministeriums für Bildung, Wissen -<br />
schaft und Kultur. Wien 2000.<br />
Ömer, Brigitte (2003): Zukunftsfähiges<br />
Wien – Richtungssicherheit durch Wert ori -<br />
entierung. Arbeitsergebnisse einer Ko ope ra -<br />
tion aus Wissenschaft, Politik und Verwal -<br />
tung unter der Leitung des Ökosozialen Fo -<br />
rum Wien. Wien 2003.<br />
Voigt, Andreas et al. (2008): Stadt der kurzen<br />
Wege aus <strong>ökosoziale</strong>r Sicht – Nahver -<br />
sorgung und Naherholung in Wien vor dem<br />
Hintergrund der Alterung. Forschungs be -<br />
richt. <strong>Ökosoziales</strong> <strong>Forum</strong> Wien. Wien 2008.<br />
Mag. Sigrid Egartner, <strong>Ökosoziales</strong> <strong>Forum</strong><br />
Wien, Wien.<br />
manches möglich machen ...<br />
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SPIELE MIT<br />
Verantwortung
16 Josef Riegler<br />
Josef Riegler<br />
BALANCE ZWISCHEN WIRTSCHAFT, SOZIALEM<br />
UND ÖKOLOGIE<br />
EINBEGLEITENDE WORTE ANLÄSSLICH DES ZEHNJÄHRIGEN JUBILÄUMS DES<br />
ÖKOSOZIALEN FORUMS WIEN<br />
Unter den verschiedenen Ökosozialen Fo -<br />
ren auf regionaler, nationaler und europäischer<br />
Ebene nimmt das Ökosoziale <strong>Forum</strong><br />
Wien einen ganz besonderen Platz ein. Das<br />
hängt mit Entstehung, Aufgabenstellung<br />
und Arbeitsweise zusammen.<br />
In Gesprächen mit Bürgermeister Michael<br />
Häupl entstand die Idee, ein <strong>Ökosoziales</strong><br />
<strong>Forum</strong> Wien <strong>als</strong> überparteiliche Arbeits -<br />
plattform für langfristige Überlegungen und<br />
zur Lö sung neuer Herausforderungen einzurichten.<br />
Im Herbst 1998 war es so weit – das<br />
Ökosoziale <strong>Forum</strong> Wien wurde gegründet.<br />
Trends sollten analysiert und Gestaltungs -<br />
möglich keiten für die Politik herausgearbeitet<br />
werden. So wurden bisher beispielsweise<br />
Überlegungen zu Bevölkerungsent wick lung<br />
und Altersstruktur, zum Spannungsfeld Stadt<br />
und Landwirtschaft oder zu Fragen der Mo -<br />
bi lität und Energieeffizienz in einer Groß -<br />
stadt mit hochrangigen Fachleuten er arbei tet<br />
und <strong>als</strong> Entscheidungshilfen für die politische<br />
Gestaltung zur Verfügung ge stellt.<br />
Die bisherigen Präsidenten Rektor Univ.-<br />
Prof. Dr. Alfred Ebenbauer und Univ.-Prof.<br />
Dr. Gerlind Weber sowie die Geschäfts füh rer<br />
Mag. Wilhelm Autischer und Mag. Sig rid<br />
Egart ner haben es verstanden, eine sach orien -<br />
tierte Arbeit unter Einbeziehung von Fach -<br />
kom petenz und Ideen aus verschiedenen ge -<br />
sellschaftspolitischen Berei chen zu ge stalten.<br />
DIE WELT VERLANGT NACH NEUEN<br />
ANTWORTEN<br />
Der blindwütige Marktfundamentalismus<br />
der vergangenen 20 Jahre hat die Mensch -<br />
heit in eine gefährliche Sackgasse geführt.<br />
Zügellose Gier ohne klare Spielregeln für<br />
die Märkte – die von der Politik vorgegeben,<br />
durchgesetzt und kontrolliert werden<br />
müssten – führen zu Fehlentwicklungen,<br />
wie wir sie derzeit auf den Finanzmärkten<br />
erleben. Menschliches Handeln bedarf aber<br />
auch einer ethischen Grundlage, die zumindest<br />
die Goldene Regel „Was du nicht<br />
willst, dass man dir tu, das füg’ auch keinem<br />
andern zu“ <strong>als</strong> kleinsten gemeinsamen<br />
Nenner enthalten muss, wie z. B. im Pro -<br />
jekt Weltethos angeregt wird.<br />
ÖKOSOZIALE MARKTWIRTSCHAFT<br />
AKTUELLER DENN JE<br />
Nachdem die Protagonisten des sogenannten<br />
freien Marktes gemäß der unheilvollen<br />
Doktrin ihres „Propheten“ Milton Fried -<br />
man („Die soziale Verantwortung von Ma -<br />
na gern ist Gewinnmaximierung für die<br />
Aktionäre“) mit ihrer profit- und kapitalgetriebenen<br />
Ökonomie katastrophale Pleiten<br />
unter Zerstörung von Unternehmen, Ar -<br />
beits plätzen, Pensionsvorsorgen etc. verursacht<br />
haben, sind nun die Steuer zahle rIn -<br />
nen zur Rettung aufgerufen. Sogenannte<br />
Balance zwischen Wirtschaft, Sozialem und Ökologie 17<br />
Rettungspakete mit unvorstellbaren Haf -<br />
tungs summen aus Steuergeldern werden<br />
von einem Tag auf den anderen aus dem<br />
Hut gezaubert.<br />
Das ist <strong>als</strong> „Feuerwehrmaßnahme“ wohl un -<br />
vermeidlich. Es wäre aber unverant wort -<br />
lich, wenn das nicht mit der gleichzeitigen<br />
Durchsetzung von zukunftstauglichen Spiel -<br />
regeln für eine globalisierte Öko nomie<br />
gekoppelt würde. Dabei geht es nicht nur<br />
um eine neue Aufsichtsbehörde bzw. um<br />
mehr Transparenz für die Finanz märkte.<br />
Wir benötigen einen umfassenden Ord -<br />
nungs rahmen für die Wirt schaft, auch auf<br />
globaler Ebene, um den neuen Formen von<br />
Ausbeutung, der schreienden Ungerechtig -<br />
keit und der Naturzerstörung Einhalt zu ge -<br />
bieten. Eine neue Welle der Verstaatli chung<br />
von Un ternehmen wäre die f<strong>als</strong>che Ant wort.<br />
Außerdem benötigen wir die Entschlos -<br />
senheit der Staatengemeinschaft, die wichtigsten<br />
multilateralen Institutionen wie<br />
UNO, Welthandelsorganisation, Internatio -<br />
naler Währungsfonds, Weltbank etc. wieder<br />
handlungsfähiger zu machen und sie mit<br />
neuen Spielregeln der Balance zwischen<br />
Wirtschaft, Ökologie und Sozialem bei Res -<br />
pektierung der kulturellen Vielfalt und<br />
Eigen ständigkeit auszustatten. Der „Neue<br />
Kapitalismus“ (Nicolas Sarkozy) wäre ein<br />
f<strong>als</strong>cher Ansatz und griffe viel zu kurz.<br />
ÖKOSOZIALER ORDNUNGSRAHMEN<br />
FÜR DIE WELT<br />
Worum es geht, haben wir im Ökosozialen<br />
<strong>Forum</strong> schon vor Jahren formuliert und<br />
des halb das Ökosoziale <strong>Forum</strong> Europa ge -<br />
gründet:<br />
Globale Ordnung – was ist zu tun?<br />
a) Die WTO zu einem Instrument für fairen<br />
Wettbewerb ausbauen,<br />
b) eine neue Ordnung für internationale<br />
und globale Finanzmärkte schaffen,<br />
Foto: Edgar Bültemeyer
18 Josef Riegler<br />
c) weltweit für faire Besteuerung sorgen<br />
und<br />
d) internationale Abkommen über Wirt -<br />
schaft, Handel, Finanzen, Soziales und<br />
Umwelt gleichwertig behandeln.<br />
In Weiterentwicklung dieser Überlegungen<br />
ist im Jahr 2003 das Konzept „Global<br />
Marshall Plan für eine weltweite Ökosoziale<br />
Marktwirtschaft“ entstanden. Dessen Ziel<br />
ist die Entwicklung einer weltweiten „Win-<br />
Win-Strategie“ für „Süd“ und „Nord“ zur<br />
Überwindung des „toten Punktes“ in verschiedenen<br />
Verhandlungen auf globaler<br />
Ebene (z. B. die Doha-Runde der WTO).<br />
Das Konzept beruht auf zwei Säulen:<br />
• Faire Gestaltung der Entwicklungs part -<br />
ner schaft (Global Marshall Plan)<br />
• Faire Spielregeln für die globalisierte Wirt -<br />
schaft (eine weltweite Ökosoziale Markt -<br />
wirtschaft).<br />
VERANTWORTUNG EUROPAS<br />
In diesen Tagen ist vor allem die EU herausgefordert,<br />
ihrer Verantwortung für die<br />
weltweite Entwicklung gerecht zu werden.<br />
Das in der Praxis erprobte Europäische Wirt -<br />
schafts- und Gesellschaftsmodell, die Ba -<br />
lance zwischen Wirtschaft, Sozialem und<br />
Ökologie bei Respektierung der Viel falt<br />
von Nationalitäten, Kulturen und Reli gio -<br />
nen unter Beachtung von Frei wil lig keit<br />
und demokratischen Entschei dungs pro zes -<br />
sen, ist der derzeit überzeugendste Lö -<br />
sungs ansatz für die aktuellen globalen Her -<br />
aus forderungen.<br />
Unabhängig von parteipolitischen Positio -<br />
nen könnte das Grundmuster der Balance<br />
und der Nachhaltigkeit <strong>als</strong> Orientierung für<br />
politisches Handeln geeignet sein. In Ab -<br />
wandlung des Dichterwortes könnte man<br />
sa gen: „Wien ist eine kleine Welt, in der<br />
die große ihre Probe hält!“<br />
Vizekanzler a. D. DI Dr. h. c. Josef Riegler,<br />
Ehrenpräsident des Ökosozialen <strong>Forum</strong>s<br />
Öster reich, Wien.<br />
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Je globaler die Welt wird, umso wichtiger<br />
wird uns die Region. Weil sich Raiffeisen<br />
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Verantwortung gemeinsame wirtschaftliche<br />
und soziale Projekte in der Region unterstützt<br />
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20 Heinz Hufnagl<br />
Heinz Hufnagl<br />
ÖKOSOZIALES FORUM – EIN KURSKORREKTIV<br />
EINBEGLEITENDE WORTE BEIM ZEHN-JAHRESJUBILÄUM DES ÖKOSOZIALEN<br />
FORUMS WIEN<br />
10 Jahre <strong>Ökosoziales</strong> <strong>Forum</strong> Wien wäre<br />
zwei felsfrei ein Anlass für ungeteilte Freu -<br />
de, gewissermaßen auch Genugtuung. In<br />
har ten Zeiten wie diesen ist es jedoch an -<br />
gezeigt, auch Nachdenklichkeit zu entwi -<br />
ckeln: Wie sozial ist die Marktwirt schaft?<br />
Präziser gefragt: Wie weit kann der Markt<br />
per se sozial sein oder mündet er, zumindest<br />
in der derzeitigen Ausformung, in<br />
Euro pa und in der Welt nicht zwangsläufig<br />
in massive Konzentrationen, brutale Ver -<br />
drän gungs prozesse, Wohlstands ver zer run -<br />
gen und in elementarer Ungleich heit? Als<br />
hätte es dafür noch wirklich schla gender<br />
Beweise bedurft – die weltweit aktuelle<br />
Finanzkrise mit Zusammen brüchen von<br />
Hypotheken- und Investment banken sowie<br />
mit dramatischen Wert ver lusten an sämtlichen<br />
nennenswerten Bör sen dieser Welt<br />
scheint uns eine Antwort auf diese Frage<br />
zu geben.<br />
Sogenannte Leerverkäufe – spekulative<br />
Ge schäfte mit geldgleichen Werten, die<br />
man noch nicht einmal besitzt, aber bereits<br />
nach kurzer Zeit mit Gewinnabsichten wieder<br />
veräußert, oder Wetten auf sinkende<br />
Bör senkurse, die von Fondsmanagern mit<br />
Leich tigkeit ausgelöst werden können – ge -<br />
hören zu den übelsten Auswüchsen dieser<br />
Form von Finanz- und Marktwirtschaft.<br />
Dass es kei ne reglementierenden Spiel re -<br />
geln gab und die Summen der gehandelten<br />
Geld men gen immer gigantischer und das<br />
Tempo ra santer wurden, hat die Sache zu -<br />
sätzlich verschärft.<br />
Und siehe da, der von den Propheten des<br />
Neoliberalismus geschmähte und reduzierte<br />
Staat wird plötzlich zum letzten Rettungs -<br />
anker und darf die Zeche für die vorher be -<br />
schriebenen Fehlentwicklungen durch Haf -<br />
tungen, Bürgschaften und Direktzuschüsse<br />
auf Kosten der Allgemeinheit ausgleichen,<br />
um noch dramatischere Schäden für nahezu<br />
alle Volkswirtschaften abzuwenden.<br />
Undifferenzierte Liberalisierungs forderun -<br />
gen führen dazu, dass Gewinne privatisiert<br />
und Verluste von der Allgemeinheit getragen<br />
werden. Dem muss etwas entgegen gehalten<br />
werden. Mit dem Ökosozialen Fo rum und<br />
der Ökosozialen Marktwirtschaft wurde ei -<br />
nes der wenigen Instrumente des Gegen hal -<br />
tens geschaffen. Wichtig ist ein opti males<br />
Zusammenwirken dieser Triangel Wirt -<br />
schaft, Soziales und Ökologie. Soziale Fair -<br />
ness muss die Richtschnur für wirtschaftliches<br />
Handeln sein. Die Politik – eine bald wie -<br />
der erstarkte und bestimmende Politik – soll<br />
der Wirtschaft entsprechende Rahmen be din -<br />
gungen bieten, aber auch Grenzen, die von<br />
Moral und Ethik bestimmt werden, setzen.<br />
Die Gemeindepolitik der Stadt Wien ist be -<br />
müht, dem Gedanken der Ökosozialen<br />
Markt wirtschaft und somit auch den An -<br />
sprüchen des Ökosozialen <strong>Forum</strong>s zumindest<br />
asymp totisch gerecht zu werden. Das<br />
zeigt sich unter anderem in den strategischen<br />
Papieren der Stadt, wie dem Stra -<br />
tegieplan oder dem Stadtentwicklungs plan,<br />
aber auch in den Sektor<strong>als</strong>trategien und<br />
<strong>Ökosoziales</strong> <strong>Forum</strong> – ein Kurskorrektiv 21<br />
-programmen wie dem Masterplan Ver kehr,<br />
der Agenda 21 oder dem multifunktionalen<br />
Klimaschutz programm.<br />
Als ehemaliger Umweltausschuss-Vor sit -<br />
zen der habe ich maßgeblich zum Entstehen<br />
dieses Klimaschutzprogramms in Wien<br />
bei getragen: 1998 wurde zwischen stadt -<br />
eige nen SpezialistInnen, aber auch zwischen<br />
VertreterInnen der Wirtschaft und den<br />
In teressensvertretungen diskutiert und der<br />
um fassende Dialog in Form eines Zehn-<br />
Jahres-Programmes festgehalten. Das Er -<br />
geb nis steht nun seit 1999 auf der Agenda<br />
der Stadtpolitik. Wir nähern uns <strong>als</strong>o mittlerweile<br />
dem Ende eines durchaus zufriedenstellenden,<br />
erfolgbegleiteten ers ten Kli -<br />
ma schutzprogramms, das von einer weisungs<br />
freien Klimaschutzkoordinations stel -<br />
le überwacht, evaluiert und von der Politik<br />
kritisch reflektiert wird. Es gibt emsige Be -<br />
strebungen, ein Fortsetzungs programm zu<br />
definieren, das sich nicht nur dort prolongierend<br />
auswirken soll, wo das KLIP 1 be -<br />
reits erfolgreich wirksam war. Aber auch<br />
Ehrlichkeit und Selbstkritik sind angesagt,<br />
denn der weltweite Klimaschutz war bisher<br />
unzureichend und das Welt klima hat sich<br />
in diesen zehn Jahren nicht unseren Erwar -<br />
tun gen gemäß entwickelt. Dennoch, im<br />
Sinne von global denken und lokal handeln<br />
werden wir ein zweites Kli ma schutz pro -<br />
gramm (KLIP 2) entwickeln, das ambitioniert<br />
ge nug ist, feststellen zu können, wo<br />
die Stadt selbst Anpas sun gen vornehmen<br />
muss – nicht nur, um die noch nicht er -<br />
reichten Ziele doch noch zu verwirklichen,<br />
sondern vielmehr, um Teile der Stadt poli -<br />
tik neu zu definieren. So ist z. B. in Zeiten<br />
lang andauernder Tro cken heiten bei der<br />
Trink wasser versorgung der Stadt Wien<br />
verstärkt auf Quan tität und neue Quel l -<br />
erfassung zu achten. Im Zu sam men hang<br />
mit den orkanartigen Stür men in der jüngeren<br />
Vergangenheit stellt sich die Fra ge, in -<br />
wieweit die Bau ordnung des Lan des Wien<br />
in diesem Zu sam men hang adap tiert werden<br />
muss.<br />
Foto: Edgar Bültemeyer
22 Heinz Hufnagl<br />
Umweltqualität und soziale Lebensqualität<br />
sind Grundwerte und sind somit auch ins<br />
Zentrum aller wirtschaftlichen Überlegungen<br />
zu stellen. Anhand ausgewählter Bei -<br />
spie le soll aufgezeigt werden, wo das Selbst -<br />
verständnis Wiens <strong>als</strong> Stadt mit Visio nen<br />
und Augenmaß – wie das im Strate gie plan<br />
formuliert wurde – zum Ausdruck kommt.<br />
Auf europäischer Ebene gilt es, im Aus -<br />
schuss der Regionen folgende zwei wirtschaft<br />
liche Anliegen zu vertreten:<br />
1. Obwohl ein zusammenwachsendes Eu ro -<br />
pa, das Friedenssicherung gewährt und das<br />
die Umweltpolitik <strong>als</strong> transnationale An -<br />
ge legenheit definiert, wo auch Sicher heits -<br />
fragen auf europäischer Ebene gelöst werden<br />
können, unverzichtbar ist, muss die<br />
bisherige Art und Weise der europäischen<br />
In te gration, das „Verschmelzen“ Euro pas,<br />
dennoch kritisch hinterfragt werden. Denn<br />
es ist eine krasse Asymmetrie entstanden.<br />
Im heutigen Euro pa gibt es einerseits Po -<br />
litiken, die nach wie vor einer ungehemmten<br />
Markteffizienz das Wort re den, auf der<br />
anderen Seite politische Entschei dungen,<br />
die darauf abzielen, den nationalen, regionalen<br />
und städti schen Ebenen ge nau jene<br />
Kompe ten zen zu geben, die es ihnen er -<br />
mög lichen, Problemsstellungen im Sinne<br />
der Bür ger und der sozialen Si cher heits -<br />
sys teme zu lösen. Die Debatte um ein euro -<br />
päisches Sicherheits- und So zial mo dell<br />
muss daher auch eine De batte um die Euro -<br />
päisierung der Sozialpolitik sein, weil nach -<br />
bessernde und reparierende Kor rek tu ren<br />
sich stets <strong>als</strong> unzureichend und im Nach -<br />
hinein <strong>als</strong> sehr teuer herausgestellt ha ben.<br />
2. Ein zentrales Element der sozialen Inte -<br />
gra tion stellen die Dienstleistungen im In -<br />
teresse des Allgemeinwohls dar. Die Städ -<br />
te sollten bemüht sein, bürgernahe Dienst -<br />
leistun gen in Eigenverantwortung und un -<br />
ter der demokratischen Kontrolle von ge -<br />
wählten Körperschaften wahrzuneh men.<br />
Da seins vorsorge ist ein Be griff, der von<br />
der Christlich-Sozialen Union in Bayern<br />
ge prägt wurde. Als wich tiges Beispiel da -<br />
für, dass Wien sich zu Recht von der noch<br />
vor wenigen Jah ren vielerorts hoch gelobten<br />
Privati sie rung abgekehrt hat, soll hier<br />
die Wasser versorgung der Stadt angesprochen<br />
wer den. Dass Wien eine hervorragende<br />
Ver sorgung mit Hoch gebirgs quell -<br />
wasser be sitzt, steht außer Streit. Aber<br />
auch bei der Wiener Trink wasser ver sor -<br />
gung gab es Ten denzen in Richtung Libe -<br />
ralisierung. Die Nut zung der Ver sor gungs -<br />
infra struk tur von frem den Wasser ver sor -<br />
gern oder gar eine Pri va tisierung bis zum<br />
Vollver kauf waren keinesfalls von vornherein<br />
vom Tisch. Der Wiener Ge mein -<br />
derat hat in diesem Zu sam men hang jedoch<br />
einen ostentativen Kontra punkt gesetzt. Er<br />
hat die Wasser versorgung der Stadt unter<br />
Ver fassungs schutz gestellt. Das bedeutet,<br />
sämtliche Ein richtungen der Wiener Was -<br />
ser ver sor gung, der MA 31 Was ser werke,<br />
von den Quellschutz gebie ten im steirischniederösterreichischen<br />
Kalk alpen gebiet –<br />
mit ei ner Fläche so groß wie die Bun des -<br />
haupt stadt selbst – über die ge sam ten<br />
Quell fassungen, Rohr leitungen und Re -<br />
servoire bis zum Ver trieb in der Stadt, sind<br />
in kommunaler Hand und könnten nur mit<br />
einer Zwei drittel-Mehr heit des Gemein de -<br />
rates aus die ser segensreichen Konstel -<br />
lation herausgelöst werden.<br />
Um zivilwirtschaftlichem und zivilgesellschaftlichem<br />
Engagement in Wien zusätz-<br />
<strong>Ökosoziales</strong> <strong>Forum</strong> – ein Kurskorrektiv 23<br />
lich Raum zu geben, wurden auf der lokalen<br />
Ebene Agenda-Prozesse initiiert, damit an<br />
der Vision einer freien, sozialen, friedlichen<br />
und demokratischen Gesellschaft sinnvoll<br />
weitergearbeitet werden kann.<br />
Sämtliche nationale wie internationale Mes -<br />
sungen, unter anderem der jährlich erstellte<br />
internationale Survey von William M.<br />
Mercer, der über 240 Kommunen in allen<br />
Kriterien der Lebensqualität vergleicht, zeigen,<br />
dass Wien im weltweiten Vergleich<br />
nicht schlecht liegt. Seit vielen Jahren<br />
kämpft Wien mit Städten wie Zürich oder<br />
Vancouver stets um den ersten oder zwei ten<br />
Platz. Zürich hat den Vorteil, ein Viertel der<br />
Größe und damit ein Viertel der Probleme<br />
Wiens zu haben. Und Vancouver hat den für<br />
Wien nicht erreichbaren Vorteil, eine<br />
Hafenstadt zu sein, hinter der sich – nur<br />
wenige tausend Meter entfernt – bereits Skitaugliche<br />
Berge befinden. Aber dennoch,<br />
alle anderen Kommunen – viele von ihnen<br />
liegen in Europa – werden und wurden bei<br />
diesem jährlichen Erhebungsprozess des<br />
„Quality of Life“ von der Bundeshauptstadt<br />
stets in den Schatten gestellt.<br />
Im Wettstreit der Meinungen, wie stark und<br />
wie kontrolliert der Markt sein soll, gibt es<br />
nur wenige Elemente der Korrektur, des Ge -<br />
gensteuerns und des Konterkarierens. Ei nes<br />
davon ist das über den politischen Parteien<br />
stehende Ökosoziale <strong>Forum</strong> Österreich und<br />
seine Wiener Tochter, das Ökosoziale Fo -<br />
rum Wien. Auf einer stabilen und dauerhaften<br />
Zusammenarbeit von Wissen schaft,<br />
Kultur, Politik und interessierten, öko -<br />
logisch orientierten Menschen ist es möglich,<br />
gute Arbeit zu leisten. In diesem Sinne:<br />
Ad multos annos, liebes <strong>Ökosoziales</strong> <strong>Forum</strong><br />
Wien. An der Patenschaft, das heißt an der<br />
Unter stüt zung und der damit notwendigen<br />
Basis subvention der Stadt Wien wird sich<br />
nichts ändern. Anlässlich von 10 Jahren<br />
Öko soziales <strong>Forum</strong> wünsche ich alles Gute!<br />
Landtagspräsident Heinz Hufnagl, Wien.
24 Gerlind Weber<br />
Gerlind Weber<br />
DAS LEITBILD DER NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG<br />
DIE ENTSCHEIDENDE ORIENTIERUNGSHILFE FÜR DEN WEG AUS DER KRISE<br />
„Wir sehen es <strong>als</strong> unsere besondere Aufgabe<br />
an, nicht nur auf Bedrohungen und Pro -<br />
bleme hinzuweisen, sondern nach innovativen<br />
Lösungen zu suchen, die zum Ziel einer<br />
nachhaltigen Stadtentwicklung beitragen<br />
können.“ Dieser Satz findet sich im Faltblatt<br />
„Wien ist anders – nachhaltig“, das in der<br />
gebotenen Kürze den Arbeits auftrag und die<br />
Arbeitsweise des Ökosozialen <strong>Forum</strong> Wien<br />
(ÖSFO Wien) beschreibt. Ganz in diesem<br />
Sinne wollen die nachfolgenden Ausfüh -<br />
rungen darauf hinweisen, wie sehr die<br />
Gründungsidee des Ökosozialen <strong>Forum</strong><br />
Wien, nämlich, dass durch das Zusam men -<br />
führen von wirtschaftlichen, gesellschaftsbezogenen<br />
und ökologischen Argumenten<br />
ein neuer Blickwinkel entsteht, der grund -<br />
sätzlich „andere“ Bewertungen <strong>als</strong> die gängigen<br />
zulässt, die ihrerseits dann den Weg<br />
für profund Neues im Sinne einer zukunftsfähigen<br />
Stadtpolitik bereiten können. Welch<br />
weitreichende Dimension dieser <strong>ökosoziale</strong><br />
Ansatz eigentlich einnimmt, das soll hier<br />
an hand der aktuellen Ereignisse rund um<br />
die Wirtschaftskrise erläutert werden.<br />
DIE KRISE DES NEOLIBERALISMUS<br />
Der Blick zurück in die Geschichte zeigt,<br />
dass Ende der 1990er-Jahre, zeitgleich mit<br />
der Veröffentlichung des Konzepts der<br />
nach haltigen Entwicklung im sogenannten<br />
„Brundtland-Bericht“ (der den offiziellen<br />
Titel „Our Common Future“ trägt), der<br />
Niedergang des Kommunismus einherging,<br />
was den Siegeszug der neoliberalen Wirt -<br />
schaftsordnung lostrat. Damit ist gemeint,<br />
dass in den letzten zwei Dezennien immer<br />
mehr einer Wirtschaftsauffassung zum<br />
Durch bruch verholfen wurde, deren Cha -<br />
rakteristika „die hohe Mobilität des Ka -<br />
pit<strong>als</strong>, die Verselbständigung der Finanz -<br />
märkte von den Gütermärkten, die Kon -<br />
zentration von Entscheidungsfunktionen in<br />
weltweit agierenden Unternehmen sowie<br />
die globale Vereinheitlichung von Produk -<br />
tions weisen und Produkten“ (Fürst, 1999)<br />
sind. Auf Druck international agierender<br />
Finanz anleger und Megakonzerne liberalisierten<br />
suprastaatliche und staatliche po -<br />
litische Institutionen immer mehr das<br />
Markt geschehen und gleichzeitig zog sich<br />
die öffentliche Hand selbst Schritt für<br />
Schritt aus ihren angestammten Aufgaben -<br />
feldern der Gewährleistung der Daseins vor -<br />
sorge zurück. Damit setzte sich sukzessive<br />
eine „Weltsicht“ durch, die einseitig das<br />
Wirt schaftsgeschehen fokussierte und ge -<br />
sellschaftsbezogene, kulturelle und vor<br />
allem ökologische Aspekte notorisch unterbelichtete,<br />
die ihr Augenmerk auf wirtschaft<br />
liches Wachstum legte und dabei ge -<br />
flissentlich den Abbau von Sozial- und<br />
Umweltstandards in Kauf nahm, die enorme<br />
Buchwerte anhäufte, hinter der die reale<br />
Wirt schaftsleistung in unseren Breiten weit<br />
hinterherhinkte. Kurz, es setzte sich eine<br />
„Welt ordnung“ durch, die „im Kern nicht<br />
zukunftsfähig und schon gar nicht nachhaltig<br />
(ist)“, urteilte Scheiber schon 2001.<br />
Tatsächlich erwies sich diese Wirtschafts -<br />
kon zeption <strong>als</strong> höchst anfällig gegenüber<br />
scheinbar geringfügigen Systemstörungen.<br />
Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung 25<br />
So wurde – wenn man den Medien Glau -<br />
ben schenken darf – die derzeit (erste Jah -<br />
res hälfte 2009) in ihrem vollen Ausmaß<br />
über haupt noch nicht abschätzbare globale<br />
Wirtschaftskrise – durch die Tatsache losgetreten,<br />
dass nur acht Prozent der Hypo -<br />
the kar schuldner in den USA die auf ihre<br />
Häu ser aufgenommenen Kredite nicht zu -<br />
rückzahlen konnten. Dies gleicht dem be -<br />
rühmten Flügelschlag des Schmetterlings,<br />
der aufgrund des Dominoeffektes enorme<br />
Wetterkatastrophen in einer ganz anderen<br />
Weltregion auszulösen imstande ist.<br />
Seit der zweiten Jahreshälfte 2008 sind auch<br />
in unseren Breiten entscheidende Wirt -<br />
schafts daten (wie Zahl der Beschäftig ten,<br />
volkswirtschaftliche Gesamtleistung, Ex -<br />
port quo te, Bewertung börsenotierter Un ter -<br />
nehmen, etc.) rückläufig, das heißt, zum ers -<br />
ten Mal nach dem Zweiten Welt krieg ist man<br />
hier mit einem ausgeprägten Schrump fen der<br />
österreichischen Volks wirt schaft kon fron -<br />
tiert. Das Gefangensein im Leitbild der neoliberalen<br />
Globalisie rung der Wirt schaft führt<br />
dazu, dass dies ausschließlich <strong>als</strong> unfassbare<br />
Katastrophe interpretiert, kol por tiert und von<br />
der breiten Öffentlichkeit rezipiert wird,<br />
gegen die seitens der Politik mit inhaltlich<br />
konservativen, das heißt mit systemerhaltenden<br />
Konjunktur pa keten „angerudert“ wird.<br />
DIE BRÜCKENFUNKTION DER<br />
NACH HALTIGKEIT<br />
Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung<br />
erlaubt es, einerseits durch seinen holistischen<br />
Ansatz und andererseits durch einen<br />
positiven Zugang zum Phänomen des<br />
Schrump fens, die gegenwärtige Wirt -<br />
schafts krise auch <strong>als</strong> Anlass für eine schon<br />
längst fällige grundsätzliche Umsteuerung<br />
zu begreifen.<br />
Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung<br />
bündelt programmatisch die Suchprozesse<br />
Foto: Edgar Bültemeyer
26 Gerlind Weber<br />
nach jenen Wegen in der gesellschaftlichen<br />
und ökonomischen Entwicklung, die innerhalb<br />
des von der Natur vorgegebenen „öko -<br />
logischen Korridors“ verlaufen. Es setzt al -<br />
so auf eine „den Erhalt bzw. die Wieder -<br />
herstellung intakter Naturfunktio nen ausgerichtete<br />
Optimierung des Zusammenwir -<br />
kens von Natur, Gesell schaft und Wirt -<br />
schaft“ (Kanatschnig, Weber et al., 1998).<br />
Es weist darauf hin, dass bei meist kurzfris -<br />
tig zu setzenden wirtschaftlichen Ent -<br />
scheidungen stets auch die in der Regel erst<br />
auf längere Sicht wirksamen Auswir kungen<br />
auf die Gesellschaft und die Um welt miteinzukalkulieren<br />
sind.<br />
Bei dieser holistischen Annäherung wird<br />
beispielsweise sichtbar, dass eine auf<br />
Wachstum fixierte Wirtschaftspolitik exis -<br />
tenzielle Folgewirkungen dieses permanenten<br />
Zwanges zum Mehr an Güter wohl -<br />
stand geflissentlich ausblendet, wie z. B.:<br />
• die zunehmende Aufzehrung der natürlichen<br />
Kapit<strong>als</strong>tocks (wie stabiles Klima,<br />
hohe Biodiversität, qualitativ hochwertige<br />
Böden, nicht erneuerbare Rohstoffe etc.);<br />
• den wachsenden Stoffdurchsatz, der die<br />
Umwelt weiter belastet;<br />
• das steigende Risiko durch umweltbeding -<br />
te Gefahren Schaden zu erleiden (z. B.<br />
Hoch wässer, Hitzeepisoden, Stürme);<br />
• die weitere Abwertung bereits intensiv<br />
genutzter Lebensräume aus ästhetischer<br />
und ökologischer Sicht;<br />
• die Polarisierung von Arm und Reich;<br />
• die Einschränkung der Freiheitsgrade<br />
nach folgender Generationen und damit<br />
den Verlust gesellschaftlicher Entwick -<br />
lungs spielräume.<br />
Der ganzheitliche Ansatz der nachhaltigen<br />
Entwicklung nimmt aufgrund der damit ein -<br />
hergehenden Fehlentwicklungen zum einen<br />
dem eindimensional definierten Ziel „Wirt -<br />
schaftswachstum“ die Strahlkraft. Vor diesem<br />
Hintergrund kann das Schrump fen der<br />
Wirtschaft <strong>als</strong> Entlastung der natürlichen<br />
Sys teme (durch den verringerten Stoffum -<br />
satz) wahrgenommen werden, <strong>als</strong> Fairness<br />
gegenüber nachfolgenden Gene ra tionen<br />
(durch das Offenhalten von Ent scheidungs -<br />
spielräumen) sowie <strong>als</strong> Not wen dig keit, mit<br />
weniger Ressourcen- und Finanzmittel ein -<br />
satz zukunftsfähigere Lö sun gen (durch das<br />
Gebot zum Sparen und zur Effizienz -<br />
steigerung) hervorzubringen. Kurz, durch<br />
eine holistische Sicht im Sinne der Nach -<br />
haltigkeit gewinnen rückläufige Wirt schafts -<br />
daten auch einen positiven Be deu tungs -<br />
gehalt, eine wichtige Vorausset zung dafür,<br />
auch in Krisenzeiten nicht in Pers pektiv -<br />
losigkeit und Resignation zu verfallen. Zum<br />
anderen führt der holistische Blick winkel zur<br />
Einsicht, dass es prinzipiell in einer begrenzten<br />
Welt kein unbegrenztes Wachs tum geben<br />
kann. So kennt die Natur keine „nach oben“<br />
offenen Entwicklungs prozesse. In der „Natur<br />
ist deshalb „Wachs tum“ ein kontrollierter<br />
und zeitlich begrenzter Trans formationspro -<br />
zess“ (Oswalt et al., 2004), der von ei ner Rei -<br />
fephase abgelöst wird, in der das Wachstum<br />
allmählich zum Stillstand kommt, um in eine<br />
Rückzugs phase zu gleiten, in der der Meta -<br />
bolismus gedrosselt wird, <strong>als</strong>o das natürliche<br />
System kontrolliert „schrumpft“, um schließlich<br />
in eine Regene rationsphase zu münden.<br />
Ein vermeintlicher „Stillstand“, aus dem aber<br />
Kraft geschöpft wird, um erneut in eine<br />
Wachstumsphase tre ten zu können.<br />
Anhand der Analogie zur Natur wird <strong>als</strong>o<br />
erkennbar, dass es weder ein grenzenloses<br />
Wachstum geben kann, noch dass es sich<br />
um ein unkontrolliertes Wachstum handeln<br />
darf. Denn die Natur unterscheidet zwischen<br />
einerseits dem un ter Kontrolle<br />
gehaltenen Wachstum und andererseits<br />
einer aus der Kontrolle geratenen Wuche -<br />
rung, die nach relativ kurzer Pha se para-<br />
Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung 27<br />
sitärer Expansion kollabiert und in der<br />
Folge das System durch ein ungezügeltes<br />
Schrumpfen zum Zusammenbruch führt,<br />
wonach natürliche Systeme relativ lan ge<br />
brauchen, um sich nach dem Kollaps neu<br />
„aufzustellen“, das heißt die Fehl steue run -<br />
gen und -verteilungen zu „reparieren“ und<br />
Kraft für einen Neustart zu sammeln.<br />
In dem hier diskutierten Zusammenhang ist<br />
nun von zentraler Bedeutung, dass Schrump -<br />
fung eben <strong>als</strong> unverzichtbares Funktionsele -<br />
ment für natürliche Systeme zu begreifen ist<br />
und nicht <strong>als</strong> Systemversagen eines prinzipiell<br />
auf unendliches Wachstum ausgerichteten<br />
Systems, wie es die ökonomisch dominierte<br />
Sichtweise tut. Der Analogieschluss<br />
mit der Natur erlaubt es so, rückläufige so -<br />
zio ökonomische Entwicklungen nicht <strong>als</strong><br />
Fehlsteuerung zu deuten, der man sich mit<br />
allen Kräften im Sinne des Beharrens auf<br />
Wachstumsvisionen entgegenstemmen muss,<br />
sondern <strong>als</strong> Zeichen für grundsätzliche<br />
„intelligentere“, weil zukunftsverträglichere<br />
Neuorientierungen.<br />
Hier hakt das Leitbild der nachhaltigen<br />
Ent wicklung ein, indem es beispielsweise<br />
<strong>als</strong> einen seiner sieben Grundwerte den der<br />
„Dematerialisierung“ formuliert (vgl. die<br />
Ausführungen von Egartner in diesem<br />
Band unter Berufung auf Ömer, 2003).<br />
Dieser resultiert aus der Einsicht, dass der<br />
in unseren Breiten übliche hohe Verbrauch<br />
von Rohstoffen, Energie und Boden auf<br />
Dauer nicht aufrecht zu erhalten ist (vgl.<br />
Klimawandel, Artenschwund, Erschöp -<br />
fung der Rohstoffquellen, Erreichen von<br />
Sättigungsgrenzen) und dementsprechend<br />
eine drastische Reduktion der Stoffströme<br />
angestrebt werden muss. Diese Zielsetzung<br />
soll durch zwei einander ergänzende Stra -<br />
tegien gleichzeitig verfolgt werden, nämlich<br />
durch die Suffizienz- und Effi zienz -<br />
strategie (Kanatschnig, Weber et al., 1998).<br />
Suffizienzstrategie: Sie sucht Antworten<br />
auf die Frage: „Wie viel ist genug?“. Dies<br />
schließt die Feststellung mit ein, dass in<br />
vielen Fällen ein „Weniger“ an Mate riellem<br />
ein „Mehr“ an Umwelt- und Le bens qualität<br />
bedeutet. Sie richtet sich gegen die Gier und<br />
Maßlosigkeit einiger weniger zu Lasten vieler<br />
(von hochdotierten Managern von Ban -<br />
ken und börsenotierten Unternehmen angefangen<br />
bis hin zur Tatsache, dass der „ökologische<br />
Fuß abdruck“ der Industrielän der im<br />
Vergleich zu sogenannten Schwellen- und<br />
Entwick lungsländern durch die rücksichtslose<br />
Wohl standsvermehrung ersterer ohnehin<br />
schon viel zu groß ist, aber auch, dass wir<br />
durch unseren verschwenderischen Le bens -<br />
stil die Lebensgrundlagen nachfolgender<br />
Generationen aufzehren).<br />
Effizienzstrategie: Sie sucht Antworten auf<br />
die Frage, wie die zur Realisierung eines<br />
nach haltigen Lebensstils erforderlichen Gü ter<br />
unter größtmöglicher Sparsamkeit hinsichtlich<br />
Ressourcenverbrauchs herzustellen, zu<br />
nutzen, zu erneuern und zu entsorgen sind.<br />
Das heißt, der Anspruch der Demate ria lisie -<br />
rung im Leitbild der nachhaltigen Ent wick -<br />
lung gewinnt Schrump fungs prozes sen auch<br />
deshalb etwas Positives ab, weil sie prin zi -<br />
piell geeignet sind, Anstoß für kreative, profund<br />
neue Lösungen sein zu können, die dazu<br />
angetan sind, Individuen und Ge sellschaft<br />
vom quantitativen zum qua litati ven Wachs -<br />
tum zu führen. Diese in telligen te ren Lösun -<br />
gen können dabei so wohl technolo gischer<br />
(z. B. beim Auto: neue Antriebs technologien,<br />
volle Recyclier fähigkeit etc.) <strong>als</strong> auch organisatorischer<br />
Natur sein (Be grün dung von Fahr -<br />
gemein schaften, weniger Wege durch be trieb -<br />
liches Mobilitäts manage ment etc.).<br />
Um den gewünschten Effekt herbeiführen<br />
zu können, ist es wichtig, beide Strategien<br />
parallel zu verfolgen. Ist dies nicht der Fall,<br />
werden zum einen die durch Effi zienz stei -
28 Gerlind Weber<br />
gerungen erzielten Einsparungs effekte mangels<br />
Suffizienz und Mehrkon sum wieder<br />
aufgezehrt oder sogar überkom pensiert.<br />
(Dies war die vergangenen Jahr zehnte oft<br />
der Fall. Beispielsweise wurden spritsparende<br />
KFZ-Motoren entwickelt und der da -<br />
durch erzielte Einspar effekt aber durch die<br />
zusätzlichen Fahr zeuge, die immer mehr<br />
gefahren wurden, sowie durch den Trend zu<br />
extrem leistungs starken und großen Kraft -<br />
fahrzeugen (z. B. CUVs) mit hohem Sprit -<br />
verbrauch wieder zunichte gemacht.) Um -<br />
gekehrt stößt die pointierte Verfolgung von<br />
Suffizienzstrategien schon auf unterschwelligem<br />
Niveau auf Akzeptanzprobleme (wie<br />
etwa die Einführung autofreier Tage, einer<br />
Citymaut etc.). So ist bei Verzicht mehr auf<br />
Aufklärung, Einsicht und Freiwilligkeit zu<br />
setzen <strong>als</strong> auf Zwangsmaßnahmen.<br />
SCHLUSSFOLGERUNGEN<br />
„Man kann die Funktion des Leitbilds der<br />
Nachhaltigkeit gut an der des ältesten Leit -<br />
bilds, nämlich dem Sternenhimmel, verdeutlichen.<br />
Es gibt Orientierung und Rich tung,<br />
kann aber nicht unmittelbar selbst angestrebt<br />
werden“ veranschaulicht Vogt (2004) das<br />
We sen dieses Konzepts. Aus dieser Me ta -<br />
pher können mehrere „Bot schaf ten“ abgeleitet<br />
werden:<br />
• Das Streben nach Nachhaltigkeit ist <strong>als</strong><br />
ge sellschaftlicher Lernprozess zu begreifen,<br />
zu dem letztlich jeder/jede (z. B. <strong>als</strong><br />
KonsumentIn, <strong>als</strong> HäuselbauerIn) seine/<br />
ihre Beiträge leisten kann bzw. muss.<br />
• Nachhaltige Entwicklung kann nicht<br />
durch einige wenige „Kraftakte von<br />
oben“ angeordnet werden, sondern es be -<br />
darf unzähliger kleiner Schritte und des<br />
„geduldigen Steuerns und Lenkens über<br />
die Zeiten hinweg“ (Lendi, 2000).<br />
• Das Leitbild der nachhaltigen Entwick -<br />
lung ist ein sehr anspruchsvolles Kon -<br />
zept, das natürlich <strong>als</strong> solches Gefahr<br />
läuft, <strong>als</strong> Utopie zu enden. So gilt es, stets<br />
Kompromisse des Gangbaren zu schlie -<br />
ßen, den AkteurInnen Brücken zwischen<br />
Ideal und Wirklichkeit zu bauen, Augen -<br />
maß zu bewahren, ohne die Prinzipien ei -<br />
ner nachhaltigen Entwicklung, nämlich<br />
das permanente Abgleichen von ökologischer<br />
Stabilität, sozialer Ausgewogenheit<br />
und wirtschaftlichem Auskommen aus<br />
den Augen zu verlieren.<br />
• Durch die „Dreifaltigkeit der Nach hal tig -<br />
keit“ ist dieses Leitbild sehr komplex und<br />
deshalb nicht leicht in der Öffentlichkeit<br />
zu verankern. Deshalb empfiehlt es sich,<br />
die Diskussion des Leitbildes an den gro -<br />
ßen Zeitfragen „aufzuhängen“, wie dem<br />
Klimawandel, der Ressourcen ver knap -<br />
pung, dem demographischen Wan del, der<br />
Energiewende und natürlich auch an der<br />
gegenwärtigen Wirtschaftskrise.<br />
• Das Leitbild der nachhaltigen Entwick -<br />
lung ist <strong>als</strong> Konzept bereits sehr gut aufbereitet.<br />
Es eignet sich daher hervorragend,<br />
die Ratlosigkeit und die Panik zu<br />
überwinden, die der Zusammenbruch des<br />
neoliberalen Wirtschaftskonzepts weltweit<br />
ausgelöst hat.<br />
• Das Leitbild der nachhaltigen Entwick -<br />
lung setzt auf das Schneeballprinzip, auf<br />
seine Überzeugungskraft, die nach und<br />
nach ein Umdenken mehrheitsfähig werden<br />
lässt. So haben auch kleine Institu tio -<br />
nen wie das Ökosoziale <strong>Forum</strong> Wien ihre<br />
Bedeutung in der Umsetzung einer aus der<br />
Verantwortung geborenen gro ßen Idee!<br />
LITERATUR<br />
Fürst, D. (1999): Globalisierung und Inte -<br />
gration versus nachhaltige Entwick lung –<br />
Implikationen widersprüchlicher Anforde -<br />
run gen an die Raumplanung. In: Perspek -<br />
Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung 29<br />
tiven der Raum- und Umweltplanung. (Fest -<br />
schrift für Karl-Hermann Hübler). Berlin.<br />
Kanatschnig, D./Weber, G./Fischbacher,<br />
C./Kofler, T./Kainz, D./Ömer, B./Schmutz,<br />
P. und Trauner, R. (1998): Nachhaltige<br />
Raum entwicklung in Österreich. (Studie im<br />
Auftrag des Bundesministeriums für Um -<br />
welt, Jugend und Familie). Wien.<br />
Lendi, M. (2000): Ethische Verantwortung<br />
in der Raumplanung. In: DISP 141/2000.<br />
Ömer, B. (2003): Zukunfsfähiges Wien –<br />
Rich tungssicherheit durch Wertorientie -<br />
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rum Wien). Wien.<br />
Oswalt, P./Overmayer, K. und Prigge, W.<br />
(2003): Schrumpfung <strong>als</strong> Experiment. In:<br />
Garten + Landschaft. Band 3/2003.<br />
���������������<br />
���������������������<br />
�������������������������������<br />
Scheiber, E. (2001): Fair Trade statt Free<br />
Trade. In: Ökoenergie 45/2001.<br />
Vogt, M. (2004): Das Prinzip der Nach hal -<br />
tigkeit in ethischer Perspektive. In: Lendi,<br />
M./Hübler K.-H. (Hrsg.): Ethik in der<br />
Raum planung, Zugänge und Refle xionen.<br />
Hannover.<br />
Weber, G./Schmid, J./Höferl, K.M./Stög leh -<br />
ner, G./Krammer, M./Peer, V. (2008):<br />
Schrump fung die Achillesferse der (Raum-)<br />
Planung. Studie im Auftrag des Club of<br />
Vienna.<br />
Univ.-Prof. DI Dr. Gerlind Weber, Ökosozia<br />
les <strong>Forum</strong> Wien, Institut für Raumpla -<br />
nung und Ländliche Neuordnung, Universi -<br />
tät für Bodenkultur Wien, Wien.
30 Konrad Paul Liessmann<br />
Konrad Paul Liessmann<br />
ES WIRD EINMAL GEWESEN SEIN.<br />
ÜBER DEN UMGANG MIT DER ZUKUNFT.<br />
FESTVORTRAG ANLÄSSLICH DES ZEHNJÄHRIGEN JUBILÄUMS DES<br />
ÖKOSOZIALEN FORUMS WIEN<br />
Im Zentrum des Beitrages steht die Frage,<br />
inwiefern „Zukunft“ und „zukünftige Ent -<br />
wicklungen“ für unser aktuelles Handeln<br />
mo tivierend sein können oder müssen,<br />
wobei der Hauptakzent auf die Frage gelegt<br />
werden soll, ob wir Zukunft „erwarten“<br />
müssen oder Zukunft „gestalten“ können –<br />
unter Berücksichtigung der ökonomischen,<br />
ökologischen und sozialen Aspekte dieser<br />
Alternativen, vor allem unter dem Ge -<br />
sichts punkt der Nachhaltigkeit.<br />
Zukunft <strong>als</strong>o, besser noch: Zukunft teilen<br />
war das Motto der Festveranstaltung anlässlich<br />
des zehnjährigen Jubiläums des Öko -<br />
sozialen <strong>Forum</strong>s Wien. Die Intention ist klar:<br />
Es geht darum, der <strong>ökosoziale</strong>n Idee weiter<br />
den Weg zu bereiten. Zu dieser Idee gehört<br />
die Vorstellung, nachhaltige Konzepte unseres<br />
Wirtschaftens und Zusammenlebens zu<br />
entwickeln, die auch den kommenden Ge -<br />
nera tionen ein chancenreiches Leben ermöglichen<br />
sollen. Allerdings: „Zukunft teilen“<br />
klingt in diesem Zusammenhang wohl<br />
schön, ist aber nicht ohne Tücke. Teilen können<br />
wir nur etwas, das wir schon besitzen.<br />
Das Eigentümliche an der Zukunft besteht<br />
nun darin, dass sie uns noch bevorsteht, keinen<br />
Besitzer kennt und <strong>als</strong>o im strengen<br />
Sinn des Wortes auch nicht teilbar ist.<br />
Auch wenn wir über die Zukunft nicht verfügen,<br />
haben wir Zukunft in dem Sinne, in<br />
dem wir die Gegenwart überschreiten und<br />
Erwartungen, Hoffnungen und Ängste formulieren<br />
können. Aber warum gibt es für<br />
uns überhaupt die Zukunft? Die erste Ant -<br />
wort, die wir geben müssen, ist paradox: Wir<br />
haben Zukunft, weil wir keine Zukunft<br />
haben. Oder anders formuliert: Alles, was<br />
wir von der Zukunft mit Sicherheit wissen,<br />
ist, dass wir sterben werden. Oder noch<br />
anders formuliert: Weil wir um unseren Tod<br />
wissen, wird uns die Zukunft zum Problem.<br />
Wie füllen wir die Spanne zwischen dem<br />
Jetzt und dem Tod, von dem wir nicht wissen,<br />
wann er uns ereilen wird? Wir haben<br />
<strong>als</strong>o Zukunft, weil wir wissen, dass unsere<br />
Zeit ablaufen wird. Gleichzeitig will niemand<br />
dieses faktum brutum bis in die letzte<br />
Konsequenz zur Kenntnis nehmen. Wir denken<br />
deshalb immer über den Tod hinaus. Ob<br />
wir Unsterblichkeitsphantasien entwickeln,<br />
an unserem Nachruhm arbeiten, in lebensverlängernde<br />
medizinische Technologien<br />
investieren oder uns Sorgen über das Klima<br />
in 50 Jahren machen – all dies dient dazu,<br />
dem Tod nicht ins Auge blicken zu müssen.<br />
Damit gewinnt Zukunft eine zusätzliche<br />
Dimension: Es ist die Überschreitung der<br />
Zeit, die uns zu leben vergönnt ist. Zukunft<br />
ist die Antizipation eines Zustandes, in dem<br />
wir nicht mehr sein werden. Nur weil die<br />
Menschen den Tod nicht akzeptieren können<br />
und nach ihrem Tod weiterleben möchten,<br />
entwerfen sie Zukünfte, die tatsächlich in<br />
der Zukunft liegen. Sie erhoffen sich für<br />
zukünftige Generationen das Beste oder be -<br />
Es wird einmal gewesen sein. Über den Umgang mit der Zukunft. 31<br />
fürchten für diese das Schlimmste, sie arbeiten<br />
jetzt an Entwicklungen, deren Resultate<br />
sie nie erleben können.<br />
Allein durch den Hinweis, dass Menschen<br />
eben für ihre Kinder und Kindeskinder das<br />
Beste wollen, ist dieser Glaube an die Zu -<br />
kunft nicht zu erklären. Es geht schon auch<br />
um den Trost, der darin liegt, jetzt für das<br />
Zukünftige zu leben, weil in diesem Zukünf -<br />
tigen die Endlichkeit und Be schränkt heit des<br />
eigenen Daseins aufgehoben erscheint. Das<br />
Wissen darum, dass es Zukunft geben wird,<br />
gibt einem Leben, dessen Zukunft begrenzt<br />
ist, wenigstens zum Schein eine Zukunft.<br />
Dass es in hohem Maße um diesen Schein<br />
geht, erklärt auch, dass gerade die moderne<br />
In dustrie gesell schaft keine Probleme damit<br />
hatte und hat, im proklamatorischen Setzen<br />
auf die Zu kunft die realen Grundlagen für<br />
zukünftiges Leben auf der Erde nachhaltig<br />
zu zerstören. Das erklärt auch das Para -<br />
doxon, dass höchst riskante, destruktive und<br />
irreversible Te chno logien <strong>als</strong> Zukunfts träger<br />
gelten, wäh rend etwa ökologische Stra -<br />
tegien, die tat sächlich Zukunft sichern helfen<br />
könnten, <strong>als</strong> konservativ, bewahrend und<br />
zukunftsfeindlich denunziert werden. Nur<br />
ein Beispiel: Die Zukunft liegt für viele nach<br />
wie vor im weltweiten Siegeszug des Auto -<br />
mobils, auch wenn dieser den zukünftigen<br />
Generationen womöglich die Luft zum At -<br />
men nehmen wird. Umgekehrt leben die<br />
Warnungen der Ökologen oft von dramatisch<br />
zugespitzten negativen Zukunfts vor -<br />
stellungen, die <strong>als</strong> säkularisierte Apoka lyp -<br />
sen den Menschen aufrütteln sollen.<br />
Die Zukunft fungiert so <strong>als</strong> eine positive<br />
oder negative Zielvorstellung, die handlungs<br />
motivierend ist, gerade weil dieses<br />
Ziel für die handelnden Personen nicht er -<br />
reichbar ist. Die Voraussetzung für jede Zu -<br />
kunfts eupho rie, aber auch für jede veritable<br />
Zukunfts angst liegt in der prinzipiellen Un -<br />
mög lichkeit von Zukunft. Entscheidend ist<br />
Foto: Edgar Bültemeyer
32 Konrad Paul Liessmann<br />
nie, was sich in Zukunft ereignen wird oder<br />
was die Zukunft bringen wird, sondern al -<br />
lein, was sich <strong>als</strong> handlungsrelevante Zu -<br />
kunfts vorstellung in der Gegenwart festgesetzt<br />
hat. Dass die Zu künfte, werden sie zur<br />
Ge gen wart, in der Regel ganz anders aussehen<br />
<strong>als</strong> gedacht, hat dann auch noch niemanden<br />
wirklich gestört.<br />
BESCHLEUNIGUNG FRISST DIE ZU -<br />
KUNFT AUF<br />
Wohl ist gegenwärtig viel von Zukunft die<br />
Rede und „Zukunftsfähigkeit“ ist ein be -<br />
lieb tes Schlagwort geworden, tatsächlich<br />
aber denken wir Zukunft äußerst kurzfristig.<br />
Wird es ernst, geht es um das Heute, nicht<br />
um das Morgen, schon gar nicht um das<br />
Übermorgen. Der Markt, dem wir bis vor<br />
kur zem bedingungslos vertrauten, kennt<br />
zwar Futures, <strong>als</strong>o das Spiel mit möglichen<br />
Preisentwicklungen in der Zukunft, er rechnet<br />
aber nicht in Jahren und Jahrzehnten,<br />
sondern in Sekunden und Minuten. Die<br />
Beschleunigung, die seit der industriellen<br />
Revolution die Menschheit erfasst hat, frisst<br />
die Zukunft, aber auch die Gegenwart förmlich<br />
auf. Wenn alles immer schneller kommen<br />
muss, ist auch alles immer schneller<br />
vorbei. Wir wissen, dass das meiste, das wir<br />
herstellen und produzieren, für den raschen<br />
Verbrauch gedacht ist und deshalb keine<br />
Zukunft hat. Das alles beherrschende<br />
Grund prinzip unserer Epoche ist das Ab -<br />
laufdatum. Nichts darf von Dauer sein.<br />
Nach haltigkeit, <strong>als</strong>o ein Umgang mit Res -<br />
sourcen und Produkten, der Langfris tigkeit<br />
<strong>als</strong> strategische Grundüberlegung zur Vor -<br />
aus setzung hat, ist zwar ein oft beschworenes,<br />
aber deshalb selten praktiziertes Prinzip<br />
unseres politischen oder ökonomischen<br />
Handelns geworden. Tatsächlich aber haben<br />
unsere an kurzfristigen Gewinnen orientierten<br />
Handlungen durchaus nachhaltige Wir -<br />
kungen. Pointiert könnte man sagen, dass<br />
der Begriff in seiner negativen Aus richtung<br />
ei gent lich viel plausibler ist. Man wird<br />
schwer ein nachhaltigeres Produkt auf dieser<br />
Erde finden können <strong>als</strong> den Atom meiler<br />
Tscher nobyl – und übrigens auch der ganz<br />
alltägliche radioaktive Müll. Sie werden<br />
Jahr tau sende vor sich hin strahlen, eine permanente<br />
Gefahr für alle Organismen, die<br />
sich in deren Nähe aufhalten. Was dies be -<br />
deuten kann, hat Alexander Kluge in einer<br />
kleinen Erzählung drastisch veranschaulicht.<br />
Es ist die Ge schichte eines Graphikers<br />
aus Lemberg, der sich die Aufgabe stellt, ein<br />
Zei chensystem zu erfinden, dass auch noch<br />
in einigen Jahr tausenden gelesen und verstanden<br />
werden kann und mit dessen Hilfe<br />
die folgenden Generation vor den strahlenden<br />
Atomruinen gewarnt und darüber informiert<br />
werden können, wie sie sich davor<br />
schützen können. Erst die ungewollte Nach -<br />
haltigkeit unserer Destruktionen und Ge -<br />
fähr dungen zwingt uns dazu, über ge wollte<br />
nachhaltige Stra te gien zu deren Be kämp -<br />
fung und Eindäm mung nachzudenken.<br />
Der philosophisch interessante Gedanke im<br />
Konzept der Nachhaltigkeit liegt dabei in der<br />
These, dass das gegenwärtige Handeln nicht<br />
nur im Horizont unmittelbarer Erfolgs erwar -<br />
tung, sondern auch im Hinblick auf die Le -<br />
bensmöglichkeiten künftiger Genera tio nen<br />
erfolgen soll. Lange bevor sich der Be griff<br />
der Nachhaltigkeit und der <strong>ökosoziale</strong> Ge -<br />
danke im politischen Diskurs durchsetzten,<br />
hatte der Philosoph Hans Jonas in seinem<br />
Spätwerk „Das Prinzip Verantwortung“ die<br />
entscheidende Maxime für ein zukunftsorientiertes<br />
Handeln formuliert. In diesem Zu -<br />
sammenhang verweist Jonas darauf, dass die<br />
traditionellen Mor<strong>als</strong>ysteme von den Hand -<br />
lungsmöglichkeiten und dem Erwar tungs -<br />
horizont des einzelnen Subjekts ausgegangen<br />
waren und deshalb nicht mehr genügen,<br />
um das Problem nachhaltiger Eingriffe in die<br />
Natur, die die Lebensmöglichkeiten künftiger<br />
Generationen beschneiden oder gar sa -<br />
botieren könnten, zu lösen. Die traditionelle<br />
Es wird einmal gewesen sein. Über den Umgang mit der Zukunft. 33<br />
Ethik, namentlich die Immanuel Kants, hatte<br />
den Menschen aufgefordert, in Übereinstimmung<br />
mit seiner Vernunft, in der sich gleichsam<br />
die Idee der Menschheit re präsentiert,<br />
zu handeln, und damit das Un moralische <strong>als</strong><br />
logischen Selbstwider spruch definiert. Es<br />
liegt aber, so Jonas, „kein Selbst widerspruch<br />
in der Vorstellung, dass die Menschheit einmal<br />
aufhöre zu existieren, und somit auch<br />
kein Selbst widerspruch in der Vorstellung,<br />
dass das Glück gegenwärtiger und nächstfolgender<br />
Generationen mit dem Unglück oder<br />
gar die Nichtexistenz späterer Generationen<br />
erkauft wird.“ Dass die Reihe der Gene -<br />
rationen überhaupt weitergehen soll, dass<br />
<strong>als</strong>o die Menschheit auch weiterhin existieren<br />
soll, stellt sich angesichts der Destruk -<br />
tions potenziale unserer Tech nologien und<br />
Wirtschaftsformen <strong>als</strong> die eigentlich entschei<br />
dende ethische Frage dar, und sie ist<br />
nicht allein mit Rückgriff auf eine In -<br />
dividualmoral zu beantworten.<br />
„ZUKUNFT“ ALS LETZTER SINN HORI -<br />
ZONT VERANTWORTLICHEN HAN -<br />
DELNS<br />
Hans Jonas sah sich durch die Krise der traditionellen<br />
Ethik vor die Aufgabe gestellt,<br />
einen neuen Imperativ zu formulieren, der<br />
den Fortbestand der Gattung Mensch mitberücksichtigt.<br />
Die Formulierungen, die<br />
Jonas diesem Imperativ gegeben hat, haben<br />
in den ökologischen und technikkritischen<br />
Debatten der 1980er-Jahre eine entscheidende<br />
Rolle gespielt und ihre Aktualität kaum<br />
eingebüßt: Jonas formulierte diesen Im -<br />
perativ unter anderem folgendermaßen:<br />
„Handle so, dass die Wirkungen deiner<br />
Handlung verträglich sind mit der Per ma -<br />
nenz echten menschlichen Lebens auf<br />
Erden“ oder, negativ formuliert: „Handle so,<br />
dass die Wirkungen deiner Handlung nicht<br />
zerstörerisch sind für die künftige Mög -<br />
lichkeiten solchen Lebens.“ Für Jonas be -<br />
sagten diese Formulierungen letztlich, dass<br />
wir, aus welchen Gründen auch immer,<br />
„zwar unser eigenes Leben, aber nicht das<br />
der Menschheit wagen dürfen.“ Und ihm<br />
war klar, dass mit diesen Formulierungen in<br />
einer bisher nicht bekannten Form der „Zeit -<br />
horizont“ zu einem bestimmenden Krite -<br />
rium ethischen Verhaltens wurde, letztlich<br />
„Zukunft“ zum letzten Sinnhorizont verantwortlichen<br />
Handelns wird.<br />
Allerdings: Über die Interessen und Wün -<br />
sche der nachfolgenden Generationen wissen<br />
wir wenig bis nichts. Und auch die<br />
Frage, was „echtes menschliches Leben“ ist,<br />
kann über größere Zeiträume kaum beantwortet<br />
werden. Hätte ein Mensch des<br />
Mittelalters, ja noch des 19. Jahrhunderts<br />
unsere Art des Lebens und Treibens, die<br />
Technik und die Hektik, die Gier und den<br />
Individualismus, die Säkularisierung und<br />
den Materialismus <strong>als</strong> „echtes menschliches<br />
Leben“ gewertet? Wohl kaum. Wer für das<br />
Wohl der künftigen Generationen sorgen<br />
will, kann nicht anders, <strong>als</strong> seine eigenen<br />
Maßstäbe in die Zukunft zu projizieren. Wir<br />
können immer nur von unseren Befind lich -<br />
keiten ausgehen und diese in die Zukunft<br />
extrapolieren. Das Konzept der Nach -<br />
haltigkeit und Hans Jonas’ Imperativ der<br />
Verantwortung besagen allerdings eines: Es<br />
darf zumindest, was die Bedingungen des<br />
Lebens betrifft, nicht schlechter werden –<br />
und dies kollidiert mit unserer Grund -<br />
überzeugung, dass es der Fortschritt in sich<br />
hat, dass ohnehin alles besser wird. Das<br />
Konzept der Nachhaltigkeit müsste eigentlich<br />
mit Nachdruck darauf aufmerksam<br />
machen, dass es zivilisatorische und technologische<br />
Rückschritte und Rückent wick -<br />
lungen nicht nur geben kann, sondern unter<br />
bestimmten Bedingungen auch geben muss.<br />
Entgegen der allgemeinen Ideologie des<br />
unbegrenzten Wachstums müsste man den<br />
Mut aufbringen, über notwendige Reduk -<br />
tions- und Schrumpfungsprozesse etwa im<br />
Verkehr, im Straßenbau, im Ressourcen ver -
34 Konrad Paul Liessmann<br />
brauch, im Umgang mit der Natur nicht nur<br />
nachzudenken, sondern sie auch zu praktizieren.<br />
Ob dies einer gedeihlichen ökonomischen<br />
Entwicklung abträglich wäre, ist vielleicht<br />
auch eine Definitionsfrage.<br />
Die Zukunft erweist sich so <strong>als</strong> eine Leer -<br />
stelle, die von uns in zwei Richtungen ge -<br />
nutzt werden kann. Als stets offener Hori -<br />
zont, der immer vor uns liegt, lässt sich die<br />
Zukunft wunderbar <strong>als</strong> Behälter für alle<br />
jene Probleme verstehen, die wir jetzt nicht<br />
lösen können oder wollen. Die Zukunft ist<br />
eine einzige große Entsorgungsanstalt für<br />
die offenen Fragen der Gegenwart. Das<br />
Ver trauen darauf, dass die künftigen Gene -<br />
rationen all jene Kompetenzen, Innova -<br />
tionen und Verfahrensweisen entwickeln<br />
werden, die sie benötigen, um mit der Welt<br />
zu Rande zu kommen, die wir ihnen überlassen,<br />
ist in der Tat groß. In der Regel trauen<br />
wir – warum, weiß niemand – unseren<br />
Nachkommen immer mehr zu <strong>als</strong> uns<br />
selbst. Damit wird der Zukunft aber auch<br />
eine nicht zu unterschätzende Entlas -<br />
tungsfunktion zugeschrieben. Wenn gilt,<br />
dass die kommenden Generationen imstande<br />
sein werden, die Folgen unseres Han -<br />
delns aufzufangen und zu ihren Gunsten zu<br />
entwickeln, dann muss man für diese<br />
Folgen in der Gegenwart nicht mehr unbedingt<br />
die Verantwortung übernehmen, die<br />
man übernehmen müsste, müsste man<br />
tatsächlich alles jetzt selbst bezahlen. Viel -<br />
leicht stößt der <strong>ökosoziale</strong> Gedanke auch<br />
deshalb auf – ich formuliere vorsichtig –<br />
zurückhaltende Resonanz, weil wir Zu -<br />
kunft weniger <strong>als</strong> Aufgabe, <strong>als</strong> vielmehr <strong>als</strong><br />
Lösung betrachten, um die wir uns nicht<br />
sonderlich viel kümmern müssen. Und bis<br />
zu einem gewissen Grad ist dies auch richtig.<br />
Menschen, weil sterbliche und damit<br />
geschichtliche Wesen, handeln immer im<br />
Vor griff auf etwas, das kommen könnte und<br />
natürlich investieren wir stets in einem doppelten<br />
Sinn in die Zukunft: Indem wir über<br />
Kredite und Verschuldungen die Produk ti -<br />
vität kommender Generationen schon jetzt<br />
teilweise verbrauchen, ihnen dafür aber<br />
auch Gebäude, Institutionen und Infra -<br />
strukturen übergeben, die uns überdauern<br />
werden.<br />
Man kann sich die Zukunft aber auch zur<br />
Aufgabe machen und die Motive seines<br />
gegenwärtigen Handelns aus den Erwar tun -<br />
gen beziehen, die wir aus der Zukunft ableiten.<br />
Wir haben dafür allerdings nicht mehr<br />
zur Verfügung <strong>als</strong> die Erfahrungen unserer<br />
Gegenwart. Wer will, dass die Kämp fe um<br />
die natürlichen Ressourcen dieser Erde nicht<br />
die Gestalt eines Welt bür gerkrieges annehmen,<br />
kann nicht nur darauf bauen, dass in<br />
Zukunft alle diesbezüglichen Knappheiten<br />
durch technische Inno vationen beseitigt<br />
werden können. Er wird danach trachten, so -<br />
weit es unser Denkhori zont erlaubt, den Um -<br />
gang mit diesen Ressourcen so zu gestalten,<br />
dass sie in der Tat mit zukünftigen Genera -<br />
tionen „geteilt“ werden können. Die Zukunft<br />
können wir nicht teilen; wohl aber das, was<br />
uns gegenwärtig zur Verfügung steht und<br />
was auch in Zukunft relevant sein könnte.<br />
Wir können es verbrauchen und verschwenden,<br />
wir können damit aber auch sorgsam<br />
und sparsam um gehen. Natürlich können<br />
wir zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, die<br />
uns schmecken oder die wir für unnütz er -<br />
achten, jetzt ausrotten. Wir können unseren<br />
Konsum und unsere Arroganz aber auch be -<br />
schränken und es den kommenden Gene ra -<br />
tionen überlassen, wie sie damit umgehen.<br />
ZEITDIMENSIONEN SYNCHRONISIE-<br />
REN<br />
Zukunft ist jene Zeit, die sich <strong>als</strong> positive<br />
oder negative Erwartung realisiert. Im An -<br />
spruch, ökologisch sensibel und sozial verantwortungsvoll<br />
mit den Ressourcen dieser<br />
Erde umzugehen, um Zukunft zu sichern,<br />
kolli dieren allerdings unterschiedlichste<br />
Es wird einmal gewesen sein. Über den Umgang mit der Zukunft. 35<br />
Zeithorizonte. Unternehmensbilanzen werden<br />
in Quartalen abgerechnet, ökologische<br />
Veränderungen in Jahrzehnten und Jahr hun -<br />
derten. Die Produktion natürlicher Res sour -<br />
cen wie Erdöl dauerte Jahrmillionen; verbraucht<br />
ist es in wenigen Jahrzehnten; ein<br />
Kernreaktor liefert 30 Jahre Energie; sein<br />
Ab fall strahlt Jahrtausende. Die <strong>ökosoziale</strong><br />
Herausforderung besteht in hohem Maße da -<br />
rin, diese unterschiedlichen Zeitdimen sio -<br />
nen zu synchronisieren und an ein menschliches<br />
Maß zurückzubinden. Ob es uns ge -<br />
lingt, die Gegenwart so zu gestalten, dass<br />
eine humane Zukunft dieses Planeten möglich<br />
ist, werden wir allerdings nicht mehr er -<br />
fahren. Die kommenden Generationen werden<br />
darüber, sofern es sie geben wird, ihr<br />
Urteil fällen. Unsere Zukunft aber wird ihre<br />
Vergangenheit sein. Wir können diese nur<br />
mehr oder weniger phantasievoll antizipieren:<br />
Es wird einmal gewesen sein.<br />
Univ.-Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann,<br />
Fa kultät für Philosophie und Bildungs wis -<br />
sen schaft der Universität Wien, Wien.
36 Tatjana Fischer<br />
Tatjana Fischer<br />
WARUM ES NICHT EGAL IST, WO MAN ALT WIRD<br />
ÜBER DEN ZUSAMMENHANG ZWISCHEN STADTSTRUKTUR UND LEBENS -<br />
QUALITÄT ÄLTERER MENSCHEN<br />
Im Jahr 2005 wurde ein junges ForscherIn -<br />
nenteam vom Ökosozialen <strong>Forum</strong> Wien<br />
eingeladen, sich der großen Herausfor -<br />
derung „Alterung der Bevölkerung“ interdisziplinär<br />
anzunehmen und gleichsam „mit<br />
jungen Augen“ die Versorgungssituation<br />
älterer Menschen in der Stadt Wien unter<br />
die Lupe zu nehmen.<br />
Dem Leitbild einer „Stadt der kurzen Wege“<br />
folgend, bestand das Ziel der For schungs -<br />
arbeit „Stadt der kurzen Wege aus <strong>ökosoziale</strong>r<br />
Sicht – Nahversorgung und Naherholung<br />
in Wien vor dem Hintergrund des demographischen<br />
Wandels“ (vgl. Voigt et al. 2008)<br />
darin, raumdifferenzierte Grundsätze zu<br />
erarbeiten, damit Wien auch in Zeiten<br />
demographischer Dynamik hinsichtlich der<br />
Versorgung seiner – nicht nur älteren –<br />
BewohnerInnen „fit für übermorgen“ bleibt.<br />
FRAGESTELLUNG UND METHODIK<br />
Das Hauptanliegen dieser Forschungsarbeit<br />
bestand im Aufzeigen und Verstehen der<br />
Zu sammenhänge und Wechselwirkungen<br />
zwischen demographischem Wandel, den<br />
Raumstrukturen und dem räumlichen Ver -<br />
halten. Die Thematik „Altsein und Älterwerden<br />
in Wien“ wurde herausgegriffen,<br />
um zu zeigen, inwiefern räumliche Gege -<br />
ben heiten für ältere Menschen in der Or -<br />
ganisation und Bewältigung ihres Alltags<br />
relevant sind und – im Allgemeinen – die<br />
Be friedigung ihrer Bedürfnisse beeinflussen.<br />
Daran anknüpfend war es Aufgabe<br />
auszuloten, welche Aspekte die Stadtpla -<br />
nung in den raumrelevanten Handlungs -<br />
feldern Nah versorgung und Naherholung<br />
im Hinblick auf die Personengruppe 60+<br />
mitzubedenken hat.<br />
Um die Komplexität des Themas zu veranschaulichen,<br />
wurde <strong>als</strong> Indikatorengruppe<br />
zur Bewertung der städtischen Versorgungs -<br />
qualität die Personengruppe 60+ ausgewählt.<br />
Dies ist derzeit die am stärksten<br />
wach sende Altersgruppe und sie zeichnet<br />
sich durch eine große Heterogenität hinsichtlich<br />
der Lebenslagen und den damit<br />
verbundenen Ansprüchen an den Stadtraum,<br />
die das Nutzungsmuster infrastruktureller<br />
Einrichtungen prägen, aus. Aufgrund der<br />
gra vierenden Unterschiede in der individuellen<br />
Raumtüchtigkeit ist eine hohe Sen -<br />
sibilität innerhalb dieser Bevölkerungs -<br />
gruppe gegenüber räumlichen Barrieren und<br />
Versorgungsdefiziten zu erwarten.<br />
Innerhalb dieser Personengruppe erfolgte<br />
eine Fokussierung auf die rüstigen und mo -<br />
bilen älteren Menschen, weil sie aufgrund<br />
der eigenen Raumtüchtigkeit ihre Versor -<br />
gung (noch) selbst übernehmen (können)<br />
und ihnen somit räumliche Aspekte im All -<br />
tag regelmäßig begegnen. Auf zuhause be -<br />
treute immobile ältere Menschen wurde er -<br />
gänzend eingegangen, sofern raumrelevante<br />
Aspekte für die an ihrer Betreuung Betei -<br />
ligten (Angehörige, professionelles Perso -<br />
nal verschiedener Trägerorganisationen)<br />
unmittelbar von Bedeutung sind.<br />
Warum es nicht egal ist, wo man alt wird 37<br />
Der Erforschung der Lebenssituation älterer<br />
Menschen mit Migrationshintergrund kam<br />
kein inhaltlicher Schwerpunkt zu. Er kennt -<br />
nisse, die diese Bevölkerungsgruppe betreffen,<br />
wurden – sofern sie im Laufe der For -<br />
schungsarbeiten gewonnen werden konnten<br />
– eingefügt.<br />
Die Darstellung der Lebenssituation älterer<br />
Menschen konzentriert sich hinsichtlich der<br />
Nahversorgung auf die Versorgung mit<br />
Gütern und Diensten des täglichen Bedarfs<br />
sowie die (sozial-)medizinische Versorgung<br />
mit ambulanten Diensten und stationären<br />
Einrichtungen. Hinsichtlich der Naherho -<br />
lung liegt der Fokus auf Außer-Haus-Akti -<br />
vitäten in der Freizeit im Umfeld der Woh -<br />
nung oder des Wohnorts, an sogenannten<br />
„Orten im Freien“.<br />
Der räumliche Bezugsrahmen für die Un ter -<br />
suchung ist Wien. Da allerdings auf kleinräumiger<br />
Betrachtungsebene große Un ter -<br />
schiede in der soziodemographischen Struk -<br />
tur, dem infrastrukturellen Versor gungs niveau<br />
und der Stadtgestalt bestehen und auf diese<br />
raumspezifischen Differenzen innerhalb der<br />
Stadt hingewiesen werden muss, wurden<br />
drei verschieden ausgeprägte Stadt räume für<br />
die Untersuchung ausgewählt:<br />
• Das Beispiel „Wilhelminenberg“ <strong>als</strong> ein<br />
Wohngebiet in Stadtrandlage und Wie -<br />
nerwaldnähe im 16. Wiener Gemeinde -<br />
bezirk, das durch Alterung der Bevöl ke -<br />
rung gekennzeichnet ist.<br />
• Das Beispiel „Neubau“ – ein Misch nut -<br />
zungsgebiet in dicht bebauter Innenstadt -<br />
lage im 7. Wiener Gemeindebezirk, das<br />
sich durch große Vielfalt an Nahver sor -<br />
gungs einrichtungen auszeichnet.<br />
• Das Beispiel „Hirschstetten“ <strong>als</strong> ein Stadt -<br />
erweiterungsgebiet in Stadtrandlage nord -<br />
östlich der Donau im 22. Wiener Ge mein -<br />
debezirk, das sehr gut mit privaten und<br />
öffentlichen Grünflächen ausgestattet ist.<br />
Die Vielschichtigkeit und Komplexität des<br />
Projekts offenbarte sich bei der Suche nach<br />
geeigneten Methoden zur Bearbeitung der<br />
Fragestellung und der Festlegung und Chro -<br />
nologie der Arbeitsschritte.<br />
Deshalb näherte sich das ForscherIn nen -<br />
team dem Thema durch die Formulierung<br />
von Vermutungen über Wechselbezie hun -<br />
gen zwischen demographischem Wandel –<br />
im Speziellen der Alterung der Bevölkerung<br />
– und stadtraumrelevanten Aspekten betreffend<br />
die Nahversorgung und Naherholung<br />
älterer Menschen an, die in weiterer Folge<br />
die Forschungsmethodik leiteten und letztlich<br />
mit den gewonnenen Erkenntnissen –<br />
Informationen von Älteren und ExpertInnen<br />
einerseits, Synthese der Ergebnisse durch<br />
die ForscherInnen selbst andererseits – verglichen<br />
werden konnten.<br />
Den BearbeiterInnen war die Notwen dig -<br />
keit der Verschränkung von raum- und<br />
sozialwissenschaftlichen Aspekten be -<br />
wusst. Weiters wollte man der inhaltlichen<br />
Kom ple xität durch Zerlegung der For -<br />
schungs frage in Teilfragen begegnen und<br />
diesen dann wiederum spezifische Metho -<br />
densets zuordnen. Neben quantitativen und<br />
qualitativen Methoden der empirischen<br />
Sozialfor schung wie Befragung älterer<br />
Men schen und der Fachleute sowie Be -<br />
obachtung von „Bewegungen im Raum“<br />
kam der Ortsbe gehung, das heißt dem un -<br />
mittelbaren Erleben der räumlichen Be -<br />
dingungen und Umstände durch die Be -<br />
arbeiterInnen, große Bedeutung zu. Die<br />
gesamte Erhebungs pha se folgte dem<br />
Grundsatz des „so nah wie möglich am<br />
Menschen Seins“ und des problemzentrierten<br />
Arbeitens. Ergänzt wurden die so<br />
gewonnenen Erkenntnisse durch die In -<br />
halte der bereits vorhandenen Fachlite ratur<br />
aus den Themenbereichen Raum- und<br />
Landschaftsplanung, Soziologie und Ökonomie.
38 Tatjana Fischer<br />
ERGEBNISSE – WIEN UND SEINE<br />
ÄLTE REN MENSCHEN<br />
So vielfältig wie die älteren Menschen<br />
selbst sind auch deren Bedürfnisse. Viele<br />
der in den Gesprächen geäußerten Alltags -<br />
probleme bezogen sich auf Versorgungs -<br />
fragen, wobei zu beachten ist, dass jeweils<br />
die eigene Lebenssituation den Hintergrund<br />
der Ausführungen bildet und diese somit<br />
immer Schilderungen der subjektiven<br />
(Raum-)Wahrnehmung und des subjektiven<br />
Erlebens des Altseins in der Stadt sind.<br />
Es wird davon ausgegangen, dass die hinter<br />
den Aussagen stehenden Bedürfnisse mit<br />
den Bedürfnissen von Personen in ähnlicher<br />
Lebenslage korrespondieren, besonders<br />
dann, wenn eine unzureichende Befriedi -<br />
gung der Grundbedürfnisse zu einer erheblichen<br />
Beeinträchtigung des Wohlbefindens<br />
oder der Gesundheit führt. Zudem lassen<br />
sich Verschiebungen bezüglich der Prio ri -<br />
täten innerhalb des Bedürfnisspektrums<br />
erkennen: Im Zuge des Älterwerdens<br />
kommt den Bedürfnissen nach Autonomie,<br />
Identität bzw. Identifikation mit der Wohn -<br />
umgebung, Sicherheit, Zugehörigkeit und<br />
Partizipation große Bedeutung zu.<br />
Das Bedürfnis nach Autonomie spiegelt<br />
sich in den Äußerungen der Älteren insofern<br />
wider, <strong>als</strong> der Wunsch nach Selbst -<br />
ständigkeit, Unabhängigkeit und Selbstbe -<br />
stimmung immer durch das Anliegen nach<br />
einem eigenständigen Leben, so lange wie<br />
möglich zuhause, zum Ausdruck gebracht<br />
wird. Eng damit verbunden ist der Wunsch,<br />
(auto-)mobil zu sein und zu bleiben, um<br />
auch weiterhin den Alltag unabhängig und<br />
flexibel gestalten zu können. Der (eigene)<br />
PKW stellt demnach einen wesentlichen<br />
Fak tor der subjektiven Lebensqualität dar,<br />
vor allem für Menschen in jenen Stadt -<br />
gebieten, wo die Versorgung mit öffentli-<br />
chen Verkehrsmitteln den Ansprüchen der<br />
Befragten nicht genügt.<br />
An dieser Stelle ist anzumerken, dass die<br />
Möglichkeiten, die die Stadt älteren Men -<br />
schen bietet, und die Herausfor derungen,<br />
die sie im Gegenzug an sie stellt, von be -<br />
fragten ExpertInnen teilweise umfassender<br />
gesehen werden und Widersprüch lich keiten<br />
zu den Anliegen Älterer zu erkennen sind.<br />
So interpretieren die ExpertInnen den<br />
Wunsch nach Selbstständigkeit, Unabhän -<br />
gigkeit und Selbstbestimmung <strong>als</strong> Heraus -<br />
forderung für die (zukünftige) Planung<br />
(sozial-)medizinischer Dienste, da seitens<br />
der Älteren professionelle Hilfe im mobilen<br />
und semistationären Bereich einerseits in<br />
sehr unterschiedlichem Maße in Anspruch<br />
genommen wird und mobile Dienste meist<br />
erst dann gerufen werden, wenn eine selbstständige<br />
Lebensführung wirklich nicht<br />
mehr möglich ist. Zudem besteht den<br />
ExpertInnen zufolge vielfach eine große<br />
Angst vor stationären Betreuungsein rich -<br />
tun gen, da sie aus Sicht der älteren Men -<br />
schen mit der Forderung nach Selbstbestim -<br />
mung unvereinbar sind.<br />
Sich mit dem Wohnstandort zu identifizieren<br />
hat für viele der befragten älteren<br />
Menschen eine große Bedeutung, vor allem<br />
dann, wenn sie einen Großteil ihres Lebens<br />
dort verbracht haben. Auch in Stadtteilen,<br />
die sich nicht durch bau- bzw. infrastrukturelle<br />
oder landschaftliche Besonderheit auszeichnen,<br />
ist die emotionale Bindung Älterer<br />
an ihre Wohnumgebung oft enorm, da<br />
viele der Befragten heute immer noch dort<br />
leben, wo sich aufgewachsen sind. Dies<br />
ermöglicht das Wachsen und Pflegen sozialer<br />
Kontakte, was wiederum Wohlsein und<br />
Stabilität erzeugt.<br />
Eng damit verbunden ist auch das Bedürfnis<br />
nach Sicherheit, welches verschiedenste<br />
Erfrischenderweise<br />
so neu wie dam<strong>als</strong>.<br />
jetzt<br />
neu!<br />
Wenn<br />
Sie sich schon mal gefragt gefraggt<br />
haben:<br />
Wo Wois<br />
ist t mein fru fru? – Hier ist iste<br />
es! Auf<br />
vielfachen<br />
Wunsch<br />
der FFans<br />
ans erlebt das klassische klaassische<br />
fru fru seine<br />
Wiedergeburt:<br />
fru fru wie dam<strong>als</strong>. dama<strong>als</strong>.<br />
Der traditionelle<br />
fru fru Geschmack mit besonders besonde ers prickelnder<br />
löffelfester löffelfester<br />
Sauermilch.<br />
Erhältlich in den beliebten<br />
Sorten Sortt<br />
en<br />
Erdbeer<br />
und WWaldbeer.<br />
aldbeer.
40 Tatjana Fischer<br />
Aspekte umfasst und vom Wunsch nach<br />
Schutz vor Witterung und Barrieren im öf -<br />
fentlichen Raum, nach Vermeidung körperlicher<br />
Verletzung und sozialer Diskrimi nie -<br />
rung bis hin zu gesellschaftlicher Anerken -<br />
nung reicht und auch den allgemeinen<br />
Wunsch danach, versorgt zu sein, mitein -<br />
schließt. Dabei sind auch Aspekte der (sozial-)medizinischen<br />
Betreuung im Falle der<br />
(eigenen) Hilfs- bzw. Pflegebedürftigkeit<br />
re le vant. Abhängig von vorhandenen familiären<br />
Netzen stehen den einzelnen Per -<br />
sonen im Bedarfsfall unterschiedliche Un -<br />
terstützungsmöglichkeiten zur Verfügung.<br />
Vor allem für ältere Menschen mit Migra -<br />
tionshintergrund ist das Bedürfnis nach<br />
Sicherheit in Bezug auf die rechtliche und<br />
finanzielle Sicherstellung (unabhängig von<br />
der Staatsbürgerschaft) zu interpretieren.<br />
Gleichsam wie für Ältere ohne Migra -<br />
tionshintergrund ist auch der Aspekt des<br />
Versorgtseins dem Bedürfnis nach Sicher -<br />
heit zuzuordnen. Dazu zählt für ältere Men -<br />
schen mit Migrationshintergrund die Mög -<br />
lichkeit, in altersgerechten Wohnungen<br />
leben zu dürfen sowie Zugang zu sozialen<br />
Diensten und muttersprachlicher medizinischer<br />
Versorgung zu haben.<br />
Sofern familiäre Beziehungen intakt sind,<br />
besteht für ältere Menschen die Option des<br />
Rückgriffs auf die Hilfe der eigenen Kinder<br />
sowie sonstiger Familienmitglieder. Sind<br />
die familiären Netze hingegen ausgedünnt,<br />
trachten die Älteren – um das Bedürfnis<br />
nach Zugehörigkeit zu kompensieren – da -<br />
nach, neue soziale Kontakte zu knüpfen.<br />
Dies erfolgt oft auch erst nach dem Tod des<br />
(Ehe-)Partners bzw. der (Ehe-)Partnerin.<br />
Möglichkeiten zum Knüpfen sozialer Kon -<br />
takte bestehen in den Wiener Seniorenklubs,<br />
den Nachbarschaftszentren und sonstigen<br />
Vereinen mit adäquaten Freizeitangeboten.<br />
Rüstige ältere Menschen haben ein generelles<br />
Bedürfnis nach Aktivität, Bewegung und<br />
Sport, aber auch nach Bildung, kultureller<br />
Betätigung und Natur, wobei letzteres im<br />
Alter immer wichtiger wird.<br />
Dem Bedürfnis nach kultureller Betätigung<br />
steht in Stadtrandgebieten das Fehlen entsprechender<br />
Einrichtungen (inklusive eines<br />
niedrigen Niveaus der Veranstal tungspro -<br />
gramme) sowie der eigene finanzielle Hand -<br />
lungsspielraum entgegen. Vielfach fehlt den<br />
älteren Menschen am Stadtrand das Flair der<br />
Innenstadt, das Lust aufs Schaufenster bum -<br />
meln und auf einen Kaffeehausbesuch<br />
macht.<br />
Die Bedeutung des Bedürfnisses nach Par -<br />
tizipation zeigt sich vor allem bei den Men -<br />
schen, die bereits vor dem Ausscheiden aus<br />
dem Erwerbsleben gesellschaftlich aktiv<br />
waren, am Wunsch nach Teilhabe und Teil -<br />
nahme am öffentlichen Leben. Der Bogen<br />
des Aktivseins spannt sich dabei von (regelmäßigen)<br />
Besuchen ehemaliger Ar beits -<br />
kollegInnen oder Personen, „die das Haus<br />
nicht mehr verlassen können“ bzw. in stationären<br />
Betreuungseinrichtungen untergebracht<br />
sind, bis hin zur Betreuung von<br />
„Leih(enkel)kindern“ und „Leihhunden“.<br />
Darüber hinaus zeigt sich, dass im Leben<br />
der älteren Menschen dem Bedürfnis nach<br />
Ordnung sowohl im privaten Bereich <strong>als</strong><br />
auch hinsichtlich der Beziehungen zu anderen<br />
NutzerInnengruppen im öffentlichen<br />
Raum große Wichtigkeit zukommt.<br />
Im Leben älterer Menschen mit Migrations -<br />
hintergrund sind die Bedürfnisse nach Kom -<br />
munikation, Information und Privat heit zentral.<br />
In diesem Zusammenhang wird beispielsweise<br />
der Wunsch nach Erleich terung<br />
der Bildung sozialer Kontakte sowie Schaf -<br />
fung von Möglichkeiten, auch außer Haus in<br />
der eigenen Gruppe zusammen zu kommen,<br />
geäußert. Für die Befragten stellen außerdem<br />
sprachliche Barrieren eine Heraus for -<br />
derung dar. Diese können dazu führen, dass<br />
Warum es nicht egal ist, wo man alt wird 41<br />
Angebote nicht wahrgenommen bzw. nicht<br />
genutzt werden. Das Bedürfnis nach Pri -<br />
vatheit äußert sich im Wunsch, familiären<br />
Verpflichtungen entkommen zu können und<br />
sich aus familiären Abhängigkeiten zu lösen.<br />
Aus dem Stellenwert der eben genannten<br />
Bedürfnisse im Leben älterer Menschen lassen<br />
sich demnach eine Reihe von Gemein -<br />
samkeiten dieser sehr heterogenen Alters -<br />
gruppe erkennen. Homogenität besteht hinsichtlich<br />
der Wichtigkeit der Wahrung der<br />
Privatsphäre sowie des Erhalts gewachsener<br />
sozialer Beziehungen. Dazu zählen auch<br />
Ähn lichkeiten bezüglich der Wohnungs -<br />
wahl, der Wohnzufriedenheit und der Sess -<br />
haftigkeit sowie der Raumwahrneh mung<br />
und Sensibilität gegenüber räumlicher Ver -<br />
änderungen im Wohnumfeld. Be mer kens -<br />
wert ist, dass (infrastrukturelle) Aus stat -<br />
tungsdefizite der Wohnumgebung durch<br />
andere Faktoren oftm<strong>als</strong> scheinbar kompensiert<br />
werden und deshalb dem positiven<br />
Raum empfinden nicht entgegenstehen. Auf -<br />
fallend ist weiters die Ansicht vieler Be -<br />
fragten, sich im Falle der eigenen Fahr un -<br />
tüchtigkeit in fußläufiger Erreich bar keit<br />
vom Wohnstandort versorgen zu können,<br />
obwohl die Möglichkeiten dazu vor allem<br />
am Stadtrand meistens nicht gegeben sind.<br />
Dazu kommt, dass die Bereitschaft zu einem<br />
Wohnstandortwechsel seitens der Befragten<br />
sehr gering ist. Veränderungen im unmittelbaren<br />
Wohnumfeld wie etwa der deutliche<br />
Anstieg der Wohnbevölkerung (einschließlich<br />
des vermehrten Zuzugs von Menschen<br />
anderer Ethnien), bauliche Ver än derungen<br />
sowie Veränderungen hinsichtlich der infrastrukturellen<br />
Ausstattung werden genau<br />
beobachtet. Positive Verän de rungen werden<br />
wohlwollend zur Kenntnis genommen, ne -<br />
gative Veränderungen führen zum wehmütigen<br />
Zurückdenken an vergangene Tage.<br />
Hinsichtlich der Versorgung schätzen die<br />
Äl teren eine breite Auswahl an Gütern und<br />
Dienstleistungen des täglichen Bedarfs – so<br />
halten viele <strong>als</strong> „Schnäppchenjäger“ gezielt<br />
Ausschau nach für sie passenden Ange -<br />
boten. Das trifft auch auf die (sozial-)medizinische<br />
Betreuung zu. Pflegende Ange hö -<br />
rige und die zu betreuenden Personen legen<br />
Wert darauf, die Trägerorganisation mobiler<br />
Dienste selbst auswählen zu können.<br />
Ältere Menschen mit Migrationshinter -<br />
grund weisen tendenziell einen schlechteren<br />
Ge sundheitszustand auf, auch Alte -<br />
rungs pro zesse setzen vergleichsweise frü -<br />
her ein <strong>als</strong> bei Menschen ohne Migra tions -<br />
hinter grund.<br />
Aus der Befragung geht ein großer Fa cet -<br />
tenreichtum der untersuchten Bevöl ke -<br />
rungs gruppe hervor, der sich primär aus<br />
der jeweiligen Lebenslage bestimmt. So<br />
spannt sich das Profil der Älteren von den<br />
(genügsamen) Hochaltrigen, über die<br />
Hilfs- und Pflegebedürftigen und deren<br />
pfle genden Angehörigen bis hin zu den<br />
(finanziell) Un abhängigen, Flexiblen,<br />
(Auto-)Mobilen und schließt auch die im -<br />
mer größer werdende Anzahl an noch „jungen“,<br />
rüstigen Senio rInnen, „die das Leben<br />
zwischen 60 und 75 besonders genießen<br />
möchten“ mit ein.<br />
Diese Heterogenität der Lebenslagen ge -<br />
koppelt mit gravierenden Unterschieden in<br />
den jeweiligen Bedürfnissen und dem Gel -<br />
tendmachen von Ansprüchen – die Gruppe<br />
der jüngeren SeniorInnen zeichnet sich da -<br />
bei durch „neuen“ Mut und „neues“ Selbst -<br />
bewusstsein hinsichtlich der Artikula tion<br />
von Wünschen aus – stellt die Stadt vor<br />
große Herausforderungen in der Angebots -<br />
planung. Zu diesen zählt auch die sehr un -<br />
terschiedlich ausgeprägte Bereitschaft der<br />
Älteren, sich mit dem Altern und Älterwerden<br />
rechtzeitig auseinanderzusetzen und im<br />
Bedarfsfall organisierte externe Hilfe tat -<br />
sächlich in Anspruch zu nehmen.
42 Tatjana Fischer<br />
Die Struktur und Organisation des Alltags<br />
variiert ebenfalls sehr, nicht zuletzt bedingt<br />
durch die unterschiedliche Raumtüchtigkeit<br />
der älteren AkteurInnen, den Zugang zu und<br />
Umgang mit Informationen sowie die Nut -<br />
zung neuer Technologien zur Erleichterung<br />
des Alltags, um durch sie eventuell die zur<br />
Versorgung mit Gütern und Diensten des<br />
täglichen Bedarfs erforderlichen Außer-<br />
Haus-Aktivitäten zu reduzieren.<br />
NAHVERSORGUNG UND NAHERHO -<br />
LUNG ÄLTERER MENSCHEN IN WIEN<br />
Das heterogene Profil der heutigen älteren<br />
Stadtbevölkerung bestimmt ihre Ansprüche<br />
an die Nahversorgung und Naherholung.<br />
Für beide Themenfelder lassen sich aus der<br />
Befragung einige Kernaussagen ableiten.<br />
So zeigt sich, dass Einkaufen von vielen Äl -<br />
teren auch <strong>als</strong> Beschäftigung angesehen<br />
wird, und für viele ein Grund ist, aus dem<br />
Haus zu gehen. Das Einkaufsverhalten ist<br />
zweigegliedert: zum einen gibt es die kleinen<br />
alltäglichen Besorgungen, zum anderen<br />
die in größeren Zeitabständen stattfindenden<br />
Großeinkäufe (unter Nutzung eines<br />
PKW). Parallel dazu wird das Vorhan -<br />
densein von Fachgeschäften für Fleisch,<br />
Obst und Gemüse sowie Backwaren sehr<br />
ge schätzt. Die Befragten sind vielfach auch<br />
bereit, für bessere Qualität und besseren<br />
Service höhere Preise zu bezahlen.<br />
Allerdings wird die persönliche Ansprache<br />
beim Einkaufen nicht immer gewünscht, die<br />
Möglichkeit des anonymen Gustierens im<br />
Supermarkt wird oft vorgezogen. Die Mo -<br />
notonie großer Geschäftsstraßen wird für<br />
das Einkaufserlebnis vielfach <strong>als</strong> störend<br />
empfunden, da die Filialen großer Handels -<br />
ketten das Angebot und Bild prägen. Das<br />
Fehlen geeigneter Einkaufsmöglichkeiten<br />
sowie die körperliche Befindlichkeit der<br />
Älteren erfordern bei der Erledigung ihrer<br />
täglichen Wege die Hilfe Dritter. Dies sind<br />
meist die Kinder bzw. Schwiegerkinder.<br />
Diese Personen des Vertrauens begleiten die<br />
Älteren zudem, wenn Tätigkeiten zu erledigen<br />
sind, die vermehrte Aufmerksamkeit er -<br />
fordern wie etwa Bankwege.<br />
In Hinblick auf die medizinische Basisver -<br />
sorgung (Allgemeinmedizin, Apotheken)<br />
zeigen sich die befragten Personen zufrieden.<br />
Ein Manko stellt die Versorgung mit<br />
FachärztInnen dar, da die Wahl vielfach<br />
nicht in Abhängigkeit vom eigenen Wohn -<br />
standort erfolgt, sondern vor allem von<br />
langjährigem Vertrauen abhängt.<br />
Sofern institutionelle Angebote wie etwa<br />
Essen auf Rädern in Anspruch genommen<br />
werden, besteht der Wunsch nach möglichst<br />
großer Flexibilität.<br />
Wegeketten ermöglichen die Verflech tun -<br />
gen von Erledigungen des täglichen Bedarfs<br />
mit Freizeitaktivitäten, die der Erholung<br />
dienen. Viele der Befragten genießen den<br />
Schau fensterbummel und erwerben beim<br />
Fla nieren das Eine oder Andere. Zwi schen -<br />
durch wird gerne das Kaffeehaus aufgesucht,<br />
auf einer Bank gerastet und das<br />
(innerstädtische) Treiben in den Straßen<br />
beobachtet. Somit spielt das Stadtzentrum –<br />
gemeint ist hier die Wiener Innenstadt –<br />
eine wichtige Rolle in der Naherholung der<br />
Älteren. Ihre Atmosphäre und ihr Angebot<br />
lassen sich schwer kompensieren.<br />
Die Qualität des Naherholungsangebots im<br />
unmittelbaren Wohnumfeld wird – unabhän<br />
gig davon, ob die Befragten es nutzen<br />
oder nicht – auf jeden Fall wahrgenommen.<br />
Vor allem im innerstädtischen Gebiet<br />
wird das Fehlen ausreichender Grünräume<br />
<strong>als</strong> Mangel empfunden und die Nutzbarkeit<br />
vorhandener Grünflächen in Frage gestellt.<br />
Der Nutzungsdruck auf die wenigen vorhandenen<br />
Möglichkeiten ist enorm. Neben<br />
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44 Tatjana Fischer<br />
dem eigenen Gesundheitszustand werden<br />
im innerstädtischen Gebiet häufig Kon -<br />
flikt- und Angstsituationen in den Parkund<br />
Grün flächen <strong>als</strong> Hemmnisse für die<br />
Nut zung und <strong>als</strong> wesentliche Einschrän -<br />
kung des eigenen Aktionsradius erlebt.<br />
Auch das zunehmende „Verbauen“ von<br />
Frei flächen wird bemängelt, ebenso deren<br />
schlechte Pfle ge bzw. durch fehlende<br />
Schnee räumung deren Nicht-Nutzbarkeit<br />
im Winter.<br />
Für fast alle Befragten stellt neben dem Vor -<br />
handensein von Freiflächen vor allem ihre<br />
leichte Erreichbarkeit vom eigenen Wohn -<br />
standort aus eine Bereicherung der Lebensund<br />
Wohnqualität dar. Dies auch deshalb,<br />
weil Naherholungsgebiete vorwiegend <strong>als</strong><br />
der Erholung dienende Rückzugs räume<br />
gesehen werden und sportliche Aktivitäten<br />
im Freien – mit Ausnahme des „mit dem<br />
Hund Gehens“ – an etwas weiter entfernten<br />
Zielen stattfinden.<br />
Diese Tagesausflüge erfolgen zumeist in<br />
Begleitung der Familie oder von Freunden<br />
bzw. werden sie auch von Vereinen wie et -<br />
wa den Pensionistenklubs, den Natur freun -<br />
den und dem Alpenverein sowie den Pfar -<br />
ren organisiert. Von den großen Wie ner<br />
Naherholungsgebieten sind hierbei der<br />
Wienerwald, Schönbrunn, der Prater, die<br />
Lobau und der Bisamberg zu nennen. Per -<br />
sonen, die über einen eigenen (Schre ber-)<br />
Garten verfügen, nutzen diesen bevorzugt.<br />
STADTSTRUKTUR UND VERSOR -<br />
GUNGS QUALITÄT<br />
Neben der vielfältigen Bedürfnisse und An -<br />
sprüche älterer Menschen in Bezug auf die<br />
Nahversorgung und Naherholung ist die<br />
Stadtstruktur auch hinsichtlich ihrer Versor -<br />
gungsqualität zu beurteilen. Die Herausfor -<br />
derungen für die Stadtplanung und Stadtent -<br />
wicklung ergeben sich aus der Diskrepanz<br />
zwischen dem Wunsch der Älteren und dem<br />
vorhandenen Angebot.<br />
Die drei für das Projekt ausgewählten Bei -<br />
spielsräume unterscheiden sich insbesondere<br />
durch ihre demographischen Strukturen,<br />
ihre Lage im Stadtraum, ihre Topographie<br />
und bauliche Stadtgestalt. Daraus resultieren<br />
Unterschiede bezüglich der Verkehrs -<br />
infrastruktur, der Qualität der Nahver sor -<br />
gung sowie dem Vorhandensein (öffentlicher)<br />
Grünflächen zu Zwecken der Naher -<br />
holung.<br />
Während in den peripheren Stadträumen<br />
„Wilhelminenberg“ (Wien 16) und „Hirsch -<br />
stetten“ (Wien 22) die Wohnnutzung und<br />
Grünflächen vorrangig sind und eine geringe<br />
Dichte von Versorgungseinrichtungen<br />
vor herrscht, ist im innerstädtischen Misch -<br />
gebiet „Neubau“ (Wien 7) eine Kon zen tra -<br />
tion aus Wohnen sowie Gewerbe und<br />
Dienst leistungen gegeben. Daraus ergibt<br />
sich im Vergleich zu den beiden anderen<br />
Untersuchungsgebieten eine ungleich höhere<br />
Anzahl an Nahversorgungseinrichtungen,<br />
deren Einzugsbereich teilweise (z. B. bei<br />
bestimmten FachärztInnen) das gesamte<br />
Stadtgebiet umfasst.<br />
Während der Stadtraum „Wilhelmi nen -<br />
berg“ bedingt durch seine Nähe zum<br />
Wienerwald zahlreiche naturnahe Erho -<br />
lungs gebiete umfasst, zeigt sich in „Neu -<br />
bau“ ein gänzlich anderes Bild: mangelnde<br />
Durchgrünung und wenige allgemein nutzbare<br />
Parkan lagen. Wiederum anders zeigt<br />
sich die Si tuation der Naherholung in<br />
„Hirschstetten“. Hier befinden sich große<br />
Agrar- und Gärtnereiflächen, die jedoch<br />
für die öffentliche Nutzung nicht zur<br />
Verfügung stehen. Dennoch gibt es zwei –<br />
auch über die Be zirksgrenze hinaus – sehr<br />
beliebte Naherho lungsgebiete: die Blu -<br />
mengärten Hirsch stetten und den Hirsch -<br />
stettener Badeteich.<br />
Warum es nicht egal ist, wo man alt wird 45<br />
Ausgehend von den Ansprüchen älterer<br />
Menschen, die auf die Nutzung öffentlicher<br />
Verkehrsmittel angewiesen sind bzw. ihre<br />
Wege zu Fuß zurücklegen, zeigt sich, dass der<br />
Stadtraum „Neubau“ eine gute Ver sorgung<br />
mit öffentlichen Verkehrsmit teln, ei ne ausgewogene<br />
räumliche Verteilung der Haltestellen<br />
und eine exzellente Bedie nungs häufigkeit<br />
aufweist. Der „Wilhelmi nen berg“ hingegen<br />
ist – werden 300 Meter zwischen den einzelnen<br />
Haltestellen <strong>als</strong> fußläufig gut erreichbare<br />
Entfernung be trachtet – unterversorgt. Ähnlich<br />
sieht die Situation in „Hirsch stetten“ aus.<br />
In beiden letztgenannten Stadt räumen ist die<br />
Bedie nungshäufigkeit tagsüber sehr gering.<br />
Deshalb ist es gerade in den Stadträumen<br />
„Wil helminenberg“ und „Hirschstetten“ re -<br />
levant, wo genau ein älterer Mensch wohnt.<br />
Vor allem in „Hirschstetten“ gibt es kleine<br />
Nahversorgungszentren, die zwar für jene, die<br />
in den Wohnhausanlagen in unmittelbarer<br />
Nähe wohnen, fußläufig sehr gut zu erreichen<br />
sind, während die BewohnerInnen der Ein -<br />
familienhäuser in der Nähe des Hirsch stet te -<br />
ner Badeteichs entweder das Fahrrad oder das<br />
Auto benutzen müssen, um rasch die Ver -<br />
sorgungseinrichtungen er reichen zu können.<br />
Durch seine raumbezogenen Eigenschaften<br />
weist jeder Stadtraum Stärken und Schwä -<br />
chen auf, die sich im täglichen Leben seiner<br />
(älteren) BewohnerInnen in Vor- und Nach -<br />
teilen manifestieren. Für die Stadtplanung<br />
und Stadtentwicklung ist es nicht nur wichtig<br />
zu wissen, wo die (negativen) Knack -<br />
punkte bezüglich der Versorgungsfragen liegen,<br />
um diese zu entschärfen, sondern auch,<br />
welche Aspekte seitens der (älteren) Be völ -<br />
kerung geschätzt werden, um diese möglichst<br />
zu stärken bzw. zu erhalten.<br />
Zusammenfassend lassen sich für die drei<br />
ausgewählten Stadträume folgende prob -<br />
lem zentrierte raum- und versorgungsrelevan<br />
te Ei genarten herausarbeiten. Der „Wil -<br />
hel mi nenberg“ <strong>als</strong> Beispiel für ein Wohn -<br />
gebiet in Stadtrandlage und Wie nerwald -<br />
nähe verfügt noch vereinzelt über eine<br />
Grund(nah) ver sorgung durch Greißle rInnen.<br />
Diese werden aber nur <strong>als</strong> Zu satz angebot zu<br />
den weit entfernten Super märk ten gesehen<br />
und sind durch ein schlechtes Preis-Leis -<br />
tungs-Ver hältnis charakterisiert. Für nahezu<br />
alle Er ledigungen sind (nicht nur) die älteren<br />
Be wohnerInnen auf das Auto bzw. auf Mit -<br />
fahr gelegenheiten sowie den Bus <strong>als</strong> öffentliches<br />
Verkehrsmittel an gewiesen.<br />
Eine hohe Lebensqualität ergibt sich aus<br />
den zahlreichen Naherholungsmöglichkei -<br />
ten und Freiräumen innerhalb und um diesen<br />
Stadtraum. Herausforderungen bestehen<br />
durch die Einschränkung der Nutzung<br />
der Naherholungsgebiete, durch die be -<br />
weg te Ge ländemorphologie sowie durch<br />
das Über wie gen privater Außenräume in<br />
den Ein familienhaussiedlungen, die eine<br />
Nut zungs möglichkeit der jeweiligen Flä -<br />
chen für die Allgemeinheit ausschließen.<br />
Die Stärke „Neubaus“ liegt zweifelsfrei in<br />
der Dichte, der Vielfalt sowie der Spezia li -<br />
sierung des Angebots an Gütern und Diens -<br />
ten des täglichen Bedarfs. Dies führt aber<br />
auch zu Unüberschaubarkeit und mitunter<br />
Überforderung älterer KundInnen. Zudem<br />
wird durch die Werbewirtschaft die Stadt -<br />
gestalt überformt und das Stadtbild aus<br />
Sicht der Befragten optisch negativ beeinflusst.<br />
Die Versorgung mit Naherholungsmög lich -<br />
keiten ist in „Neubau“ sehr beschränkt. Eine<br />
Folge davon ist der hohe Nut zerInnendruck<br />
auf die wenigen öffentlichen Grünflächen,<br />
der sich vielfach in Konflikten zwischen<br />
ver schiedenen Eth nien, Alters- und Nutze -<br />
rIn nengruppen äußert.<br />
Im Stadterweiterungsgebiet „Hirschstetten“<br />
spüren die (älteren) BewohnerInnen heute
46 Tatjana Fischer<br />
noch den ehem<strong>als</strong> dörflichen Charakter. Ein -<br />
richtungen der Nahversorgung sind in klei -<br />
nen Zentren konzentriert und „man kennt<br />
sich noch“. Eine weitere Gefährdung des<br />
Einzelhandels durch die Filialen etablierter<br />
großer Einzelhandelsketten wird vor allem<br />
in Stadtentwicklungsgebieten erwartet. Von<br />
den Einkaufszentren auf der „grünen Wiese“<br />
geht eine große Sogwirkung aus. Viele Ein -<br />
käufe werden mit dem PKW erledigt. Ver -<br />
sorgungsmängel zeigen sich im (sozial-)me -<br />
dizinischen Bereich vor allem bei Ärz tIn nen<br />
und Apotheken.<br />
Die hohe Durchgrünung des Stadtgebiets<br />
und die Vielfalt der vorhandenen Freiräume<br />
vermeiden Nutzungskonflikte im öffentlichen<br />
Grünraum. Allerdings sind die Nah -<br />
erholungsgebiete punktuell konzentriert und<br />
viele agrarisch genutzte Flächen nicht für<br />
Naherholungszwecke geeignet. Brachen<br />
aller Art und zahlreiche ungestaltete halböffentliche<br />
Freiräume bei Geschoßwohn an -<br />
lagen weisen kaum Nutzungsqualitäten auf.<br />
Jedoch kommt den privaten Außenräumen<br />
(z. B. Gärten in Einfamilienhaussiedlungen)<br />
eine große Bedeutung zu.<br />
HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN UND<br />
ZIELSETZUN GEN FÜR DIE STADT -<br />
ENT WICKLUNG<br />
Im Anschluss an die Diskussion der strukturellen<br />
Gegebenheiten und der Wechsel be -<br />
zie hungen zwischen den (älteren) Men -<br />
schen und dem sie umgebenden gebauten<br />
Raum folgen nun raumdifferenzierte Überlegungen<br />
für die nachhaltige Gestaltung der<br />
drei ausgewählten Stadt räume. Aus den themenzentrierten<br />
„Hot spots“ werden Ziel set -<br />
zungen zur Stadt entwicklung im Allge -<br />
meinen sowie zur Nahversorgung und Nah -<br />
erholung im Be sonderen abgeleitet.<br />
Für das Wohngebiet in Stadtrandlage und<br />
Wienerwaldnähe („Wilhelminenberg“) er gibt<br />
sich <strong>als</strong> wichtigste Priorität die Si che rung der<br />
hohen Qualität der Naher holung sowie die<br />
Mindestsicherung und – wo es mög lich ist –<br />
eine Verbesserung der Nah versorgung, die<br />
Schaffung eines alternativen Versorgungs an -<br />
gebots mit mobilen Services sowie die Si -<br />
cherung der Erschlie ßungsqualität mit öffentlichem<br />
Verkehr. Da bei gilt es, die Gelän de -<br />
neigung der Hang lagen zu berücksichtigen,<br />
die insbesondere für ältere Menschen<br />
Schwie rigkeiten in der Raumnutzung mit<br />
sich bringen.<br />
Neben der gezielten Förderung von Kleinund<br />
Mittelbetrieben im Bereich der Nah -<br />
versorgung kommt die Etablierung multifunktioneller,<br />
stationärer Nahversor gerIn -<br />
nen sowie die Errichtung temporärer<br />
Märk te, das Forcieren von Zustelldiensten<br />
wie bei spielsweise „Essen auf Rädern“<br />
oder Zu stelldiensten von Lebensmittel-<br />
Einzel han dels betrieben und Apotheken in<br />
Frage.<br />
Weiters sind die teils regional bedeutenden<br />
Naherholungsqualitäten zu sichern, die<br />
fußläufige Erreichbarkeit der Gebiete<br />
sowie ihre Erreichbarkeit mit öffentlichen<br />
Ver kehrs mitteln zu verbessern und auf<br />
einen barrierefreien Zugang zu achten. Die<br />
vorhandenen (Groß-)Grünanlagen sollten<br />
besser betreut werden, z. B. durch Streu -<br />
ung und Reinigung der Wege besonders im<br />
Win ter, durch ihre rutschsichere Aus -<br />
stattung so wie durch das Schaffen von<br />
Rastmög lich keiten (Bänke). An kritischen<br />
Stellen sollten Geländern angebracht werden.<br />
Die wichtigste Zielsetzung für die Stadt -<br />
entwicklung besteht demnach in der baulich-räumlichen<br />
Integration der bestehenden<br />
Raumstrukturen, der Verstärkung des räumlichen<br />
Zusammenhalts sowie der Erhaltung<br />
und weiteren Gestaltung des hochwertigen<br />
naturräumlich-ökologischen Potenzi<strong>als</strong>.
48 Tatjana Fischer<br />
Im Mischnutzungsgebiet der dicht bebauten<br />
Innenstadt (Beispiel „Neubau“) besteht die<br />
grundlegende Herausforderung in der Si che -<br />
rung der bestehenden guten Nahver sor -<br />
gungsqualitäten, der Attraktivierung des An -<br />
gebots bzw. seine Anpassung an die Be -<br />
dürfnisse älterer Menschen sowie der Wah -<br />
rung der Funktions- und Nutzungsdurch -<br />
mischung. Im Bereich Naherholung ist eine<br />
umfassende Verbesserung der Qualität durch<br />
gezielte Schaffung „grüner Netze“, etwa in<br />
Form von Grünverbindungen und flächenhafter<br />
Grüngestaltung, möglich und nötig.<br />
Für Maßnahmen im Bereich Nahversor -<br />
gung bestehen vielfältige Handlungs spiel -<br />
räume in der „Revitalisierung“ nicht mehr<br />
genutzter Erdgeschoßflächen. So könnten<br />
ehe malige, heute teils leer stehende Ge -<br />
schäftslokale eine Umnutzung zu „Orten<br />
der Begegnung“ erfahren. Zusätzlich könnten<br />
im Zuge der Stadterneuerung und<br />
Blocksanierung ein Umbau zur Förderung<br />
intergenerationellen Wohnens stattfinden<br />
sowie Einheiten für betreutes Wohnen er -<br />
richtet werden. Durch eine verbesserte<br />
Zusammenarbeit engagierter Wirtschafts -<br />
trei ben der könnte eine stärkere Bindung der<br />
örtlichen Kaufkraft gelingen. Das ökologische<br />
sowie das Erholungs-Potenzial dieses<br />
Stadtraums kann durch gezielte Interven tio -<br />
nen im öffentlichen und halböffentlichen<br />
Grünraum, durch Schaffung neuer „grüner<br />
Lungen“ oder die Förderung von Hofzu -<br />
sammenlegungen, erfolgen. Zur Verringe -<br />
rung von Nutzungskonflikten in öffentlichen<br />
Grünräumen bietet sich die Trennung<br />
in Funktionsbereiche sowie die Einsetzung<br />
einer Generationen übergreifenden Parkbe -<br />
treuung (inklusive partizipativer Parkge stal -<br />
tung) an. Darüber hinaus ist die Verbesse -<br />
rung der angstfreien Nutzbarkeit des öffentlichen<br />
Raumes mit Hilfe gestalterischer<br />
Maß nahmen, abgestimmte Ampelschal tun -<br />
gen und geeignete Querungshilfen zu forcieren.<br />
Als Zielsetzungen für die Stadtentwicklung<br />
ergeben sich demnach die Erhaltung, Er -<br />
gänzung und Erneuerung der baulich-räumlichen<br />
Strukturen sowie die Erhaltung der<br />
Nutzungsmischung und der Nahversor -<br />
gungs qualitäten – das bedeutet eine ausgewogene<br />
und flächendeckende Grundver -<br />
sorgung in fußläufiger Erreichbarkeit. Wei -<br />
ters ist auf den Erhalt und Ausbau des kleinräumigen<br />
ökologischen Potenzi<strong>als</strong> auf verschiedenen<br />
Maßstabsebenen zu achten.<br />
Die zentrale Herausforderung für den durch<br />
Stadtrandlage geprägten Stadtraumtyp<br />
„Hirsch stetten“ besteht in der räumlichen<br />
Gestaltung der großen Naherholungs poten -<br />
ziale sowie in der Mindestsicherung und der<br />
Verbesserung der Nahversorgung, ein -<br />
schließ lich der Sicherstellung einer qualitativ<br />
hochwertigen Erschließung mit öffentlichen<br />
Verkehrsmitteln.<br />
Als Zielsetzung für die Nahversorgung sind<br />
die Schaffung räumlich gut integrierter<br />
Versorgungsschwerpunkte und – sofern<br />
möglich – eine ausgewogene flächendeckende<br />
Grundversorgung in fußläufiger<br />
Erreichbarkeit, ebenso wie der Ausbau de -<br />
zentraler Nahversorgungseinrichtungen so -<br />
wie die Kompensation der vorhandenen<br />
Defizite durch zusätzliche Services zu nennen.<br />
In „Hirschstetten“ bieten sich im Kon -<br />
kreten dieselben Maßnahmen an wie für das<br />
Beispielsgebiet „Wilhelminenberg“.<br />
Abgesehen von der Sicherung bestehender<br />
Orte der Naherholung ist deren räumliche<br />
Vernetzung sowie eine qualitative und al -<br />
ten gerechte Aufwertung anzustreben. Ein<br />
Beispiel hierfür wäre die Schaffung nutzbaren<br />
Grüns bei Geschoßwohnanlagen.<br />
Die Zielsetzung für die Stadtentwicklung<br />
besteht einerseits in der baulich-räumlichen<br />
Integration der bestehenden Strukturen – im<br />
Sinne einer Verstärkung des räumlichen<br />
Warum es nicht egal ist, wo man alt wird 49<br />
Zusammenhalts durch eine behutsame<br />
Nach verdichtung und Vernetzung – und an -<br />
dererseits in der Erhaltung sowie Ge staltung<br />
des naturräumlich-ökologischen Potenzi<strong>als</strong><br />
auf den verschiedenen räumlichen Maß -<br />
stabs ebenen.<br />
WECHSELBEZIEHUNGEN ZWISCHEN<br />
STADTRAUM UND DEMOGRAFI-<br />
SCHEM WANDEL<br />
Im Folgenden werden einige der am Beginn<br />
des Forschungsprojekts formulierten An -<br />
nah men zu den vermuteten Wechselbe -<br />
ziehungen zwischen demografischem Wan -<br />
del und stadtraumrelevanten Aspekten be -<br />
treffend Nahversorgung und Naherho lung<br />
dargelegt und mithilfe der gewonnenen Er -<br />
kenntnisse reflektiert.<br />
Annahme 1: Das Verständnis von Nah ver -<br />
sorgung und ihre Wichtigkeit ändern sich im<br />
Laufe des Lebenszyklus. Es stellt sich die<br />
Frage, welchen Stellenwert die Nahver sor -<br />
gung generell in Zukunft für ältere Men -<br />
schen haben wird.<br />
Gerade die Nahversorgung und die damit<br />
verbundenen täglichen Wege und Erledi -<br />
gungen nehmen einen sehr wichtigen Platz<br />
im Leben jedes Menschen ein. Während es<br />
in jungen Jahren oft <strong>als</strong> lästige Pflicht<br />
gesehen wird, einkaufen gehen zu müssen,<br />
ist dies für ältere Menschen ein wichtiger<br />
As pekt in der Strukturierung ihres Alltags.<br />
Auch der Ansprüche bezüglich einer ra -<br />
schen Verfügbarkeit (sozial-)medizinischer<br />
Diens te nimmt im Alter zu. Umso bedeutender<br />
ist somit die Nähe dieser Ein rich -<br />
tungen. Unter Nähe soll in diesem Zu -<br />
sammenhang aber nicht nur die unmittelbare<br />
räumliche Distanz verstanden werden,<br />
son dern auch eine gute, einfache und<br />
schnelle Erreichbarkeit. Oft ist es nicht<br />
ausschlaggebend, wie nah eine Einrichtung<br />
ist, sondern auf welchem Wege und inner-<br />
halb welcher Zeitspanne diese erreicht<br />
werden kann.<br />
Annahme 2: Die zunehmende Heterogeni -<br />
sie rung der Bevölkerung macht eine stärkere<br />
Ausdifferenzierung des Nahversorgungs -<br />
angebots erforderlich und möglich.<br />
Dies spiegelt sich auch in der Tatsache wi -<br />
der, dass alle großen Supermarktketten<br />
heute ein vielfältiges Warensortiment aufweisen,<br />
aber dennoch der Eindruck bleibt,<br />
vieles vom gleichen offeriert zu bekommen.<br />
Im Einzelhandel ist auch die Tendenz zu<br />
beobachten, dass der Anteil der Einzelunter -<br />
nehmerInnen mit Migrationshintergrund<br />
kontinuierlich steigt.<br />
Annahme 3: Die zunehmende Konzentra tion<br />
im Einzelhandel und der Verlust an räum -<br />
licher Nähe sowie Kundennähe führen zu ei -<br />
ner zunehmenden Anonymisierung, die ältere<br />
Menschen stärker trifft (sozialräumliche<br />
Auswirkungen). In gut versorgten Ge bieten<br />
nehmen ältere Menschen aufgrund täg licher<br />
Besorgungen und Einkäufe mehr am Stadt -<br />
teilleben teil und fühlen eine stärkere Ver -<br />
bundenheit mit ihrem unmittelbaren Wohn -<br />
umfeld bzw. dem öffentlichen Raum.<br />
Gerade ältere Menschen haben oft schon<br />
viele Jahre an ihrem aktuellen Wohnort verbracht,<br />
was letztendlich zu einer großen Ver -<br />
bundenheit zum Wohnort führt. Im Be reich<br />
der Nahversorgung hat Vertrauen einen ho -<br />
hen Stellenwert. Eine Vertrauens situation<br />
wird hergestellt, wenn Menschen seit vielen<br />
Jahren die gleichen Geschäfte mit dem gleichen<br />
Personal aufsuchen und sowohl das<br />
Warenangebot, die Qualität so wie das persönliche<br />
Verhältnis zum Ver kaufspersonal<br />
zu friedenstellend sind. Das Gleiche gilt im<br />
medizinischen Bereich: Be sonders ÄrztIn -<br />
nen wird über Jahre die Treue gehalten,<br />
selbst wenn der Wohnstand ort gewechselt<br />
wird. Diese Verbundenheit kommt auch zum
50 Tatjana Fischer<br />
Ausdruck, wenn Men schen ihr Wohnumfeld<br />
<strong>als</strong> „bei uns im Ort“ bezeichnen. Durch die<br />
Konzentration im Einzelhandel und die<br />
damit verbundene Ano nymisierung wird<br />
diese Verbundenheit beeinträchtigt.<br />
Annahme 4: Die Alterung der Bevölkerung<br />
wird zu einer Änderung in der Nachfrage in<br />
der (sozial-)medizinischen Versorgung füh -<br />
ren, wobei den mobilen Diensten größere<br />
Bedeutung zukommen wird.<br />
Die Anzahl der pflegebedürftigen Men -<br />
schen wird noch weiter steigen, wobei viele<br />
so lange wie möglich zu Hause betreut werden<br />
möchten. Dies erfordert auch auf der<br />
finanziellen Ebene höhere Zuwendungen,<br />
um eine optimale Versorgung zu gewährleisten.<br />
Viele können sich vorstellen, mobile<br />
Dienste wie z. B. Essen auf Rädern in An -<br />
spruch zu nehmen, wobei auch hier auf eine<br />
zunehmende Heterogenisierung der An -<br />
sprü che zu achten ist.<br />
Annahme 5: Verschiedene Lebens- und Nut -<br />
zungsprozesse finden ihre Entsprechung in<br />
der physischen Gestalt des Raumes und hinterlassen<br />
dort gleichsam ihre Spuren. Oft -<br />
m<strong>als</strong> jedoch ermöglicht oder behindert die<br />
konkrete physische Gestalt des Raumes<br />
bestimmte Raumnutzungen. Dies betrifft<br />
sowohl öffentliche Räume, Schwellen berei -<br />
che zu öffentlichen Räumen und Frei -<br />
räumen <strong>als</strong> auch Räume privater Nutzung.<br />
Viele der befragten älteren Menschen haben<br />
über Veränderungen in ihrem Wohnumfeld<br />
berichtet. Diese sind oft durch Änderungen<br />
in der Zusammensetzung der Wohnbevöl -<br />
kerung bedingt, z. B. wieder mehr Kinder,<br />
mehr Menschen mit Migrationshintergrund,<br />
nicht mehr so „ländlich“, anonymer etc.<br />
Die se Veränderungen beeinflussen zum Teil<br />
auch das Nutzungsverhalten der Befragten<br />
in den Freiräumen. Manche Gebiete werden<br />
beispielsweise nicht mehr aufgesucht, weil<br />
„es dort zu laut oder zu schmutzig ist“ oder<br />
weil „zu viele AusländerInnen dort sind“,<br />
was manchmal Angst verursacht.<br />
Im umgekehrten Fall können manche Frei -<br />
zeitaktivitäten aufgrund der Veränderung<br />
der Lebenssituation (z. B. des Gesundheits -<br />
zu standes) nicht mehr ausgeübt werden.<br />
Wenn z. B. das Fahrrad nicht mehr benutzt<br />
werden kann, werden bestimmte Gebiete<br />
nicht mehr aufgesucht. Je schlechter der Ge -<br />
sundheitszustand, desto kleiner wird der<br />
Ak tionsradius zum Aufsuchen von Orten<br />
der Naherholung. Manche Befragte haben<br />
<strong>als</strong> Naherholungsmöglichkeit nur noch den<br />
eigenen Balkon.<br />
Annahme 6: Die Zusammensetzung der Be -<br />
völkerung eines Stadtteils kann im Freiraum<br />
unter anderem zu Nutzungskonflikten zwischen<br />
verschiedenen Ethnien und zwischen<br />
den Generationen führen.<br />
Ein großer Teil der Personen, die befragt<br />
wur den, hat über Ängste oder Konflikte<br />
berichtet, die sie in öffentlichen Freiräumen<br />
wie Parks oder Naherholungsgebieten erleben.<br />
Ein Großteil dieser Ängste ist auf<br />
wahr nehmbare Veränderungen im Wohn -<br />
um feld (z. B. die Bevölkerungszusammen -<br />
setzung) oder auf die Knappheit der Frei -<br />
räume und den dadurch entstehenden Nut -<br />
zungsdruck zurückzuführen. Gerade in sehr<br />
monostrukturierten Gebieten, wie z. B. in<br />
Ein familienhaussiedlungen mit einer Viel -<br />
zahl von Häusern ungefähr gleichen Al ters<br />
oder auch in großen Wohnhausanlagen wie<br />
den Gemeindebauten in „Hirschstet ten“,<br />
war die Bevölkerungszusammen set zung<br />
bisher relativ homogen, das heißt, fast alle<br />
BewohnerInnen sind gleichzeitig eingezogen<br />
und gemeinsam gealtert. In solchen Ge -<br />
bieten kommt es früher oder später zu ei -<br />
nem Generationenwechsel, der bei den verbliebenen<br />
ursprünglichen BewohnerInnen<br />
Ängste und Unsicherheit hervorruft.<br />
„drehmoment“ im Weinviertel:<br />
Vorhang auf für 78 Kulturprojekte beim<br />
„Viertelfestival NÖ – Weinviertel 2009“!<br />
Im Jahr 2009 macht das Viertelfestival Niederösterreich vom 15. Mai bis 13. September im<br />
Weinviertel Station. Unter dem Motto „drehmoment“ werden 78 Projekte umgesetzt, die sich<br />
künstlerisch mit den Besonderheiten der Region befassen.<br />
Die Bandbreite reicht von der Uraufführung einer Symphonie von Hermann Nitsch über<br />
„Mariannes Erdäpfelgatsch“, dem „1. Weinviertler Jammercontest“ und der Neuinter pre ta tion<br />
alter Heldenporträts bis zu elektroakustischen Vogelabwehrsystemen und einem „Piefke“-<br />
Denkmal. Der bildende Künstler Rainer Prohaska ließ sich von Spielzeugbau kastensystemen<br />
zu seinem Architekturprojekt „Toy-Kit-Architecture“ inspirieren. Das Janus-Ensemble interpretiert<br />
Werner Zangerles „Brünnerstrassler Rotorenluftmusik“ mit Musiker, Komponist und<br />
Band leader Christoph Cech <strong>als</strong> Dirigent. Einige Projekte werden gemeinsam mit Partnern aus<br />
Tschechien und der Slowakei umgesetzt.<br />
Programm- & Schulprogramm-Broschüre erhältlich bei:<br />
Viertelfestival Niederösterreich, Mag. Stephan Gartner (Geschäftsführung).<br />
Astrid Hofmann (Assistenz). Wiedenstraße 2, 2130 Mistelbach, Tel: 02572/34 234-0<br />
mailto: office@viertelfestival-noe.at, www.viertelfestival-noe.at<br />
Das Viertelfestival NÖ ist ein Projekt der: Kulturvernetzung NÖ
52 Tatjana Fischer<br />
Annahme 7: In Abhängigkeit vom Lebens -<br />
alter ergeben sich verschiedene Nutzungs -<br />
an sprüche, welche ihre Entsprechung in der<br />
physischen Gestalt des Raumes suchen.<br />
Viele der Befragten haben angemerkt, aufgrund<br />
ihres Alters bzw. ihres schlechteren<br />
Gesundheitszustandes nun andere Ansprü -<br />
che an die Naherholung zu stellen. Bei -<br />
spiels weise wird die Nähe der Einrich tun -<br />
gen oder das Vorhandensein von genügend<br />
Bänken sowie gut gepflegten Wegen <strong>als</strong><br />
sehr wichtig für die Nutzbarkeit der Gebiete<br />
genannt. Auch ein zu steiles Gelände oder<br />
die schlechte Erreichbarkeit mit öffentlichen<br />
Verkehrsmitteln erschweren bzw. verhindern<br />
oft die Nutzbarkeit.<br />
Annahme 8: Kurze Wege spielen in Lebens -<br />
phasen und -situationen, in denen die<br />
Raum tüchtigkeit (Fähigkeit, Räume zu<br />
erschließen) abnimmt bzw. gering ist, eine<br />
größere Rolle. Mit zunehmendem Alter<br />
nimmt die Geschwindigkeit, mit der Dis -<br />
tanzen zurückgelegt werden, und die Länge<br />
von zurückgelegten Distanzen ab.<br />
Die abnehmende Raumsouveränität er -<br />
schwert eine selbständige Nutzung aller Ver -<br />
kehrsmittel. Körperliche oder geistige Ein -<br />
schränkungen können zum Verlust der Auto -<br />
mobilität führen. Physische Gebrechen er -<br />
schweren Wege, die zu Fuß zurückgelegt<br />
wer den, ebenso wie den Zugang zu öffentlichen<br />
Verkehrsmitteln oder das Radfahren.<br />
Be troffene Personen sind gezwungen, ihre<br />
Mobilitätsgewohnheiten zu ändern. Diese<br />
Personen sind hinsichtlich ihrer Zielwahl<br />
und/oder ihrer Verkehrsmittelwahl nicht frei.<br />
Es wurde aufgezeigt, dass räumliche Nä he<br />
bzw. ein adäquates öffentliches Ver kehrs an -<br />
gebot für jene Personen besonders wichtig ist,<br />
die physisch nicht (mehr) in der Lage sind,<br />
längere Strecken selbständig zu bewältigen.<br />
In Teilen des Wiener Stadtgebietes besteht<br />
bereits eine „Stadt der kurzen Wege“. Wei -<br />
tere Bemühungen in diese Richtung sind zu<br />
forcieren. In allen übrigen Stadtteilen kann<br />
durch baulich-räumliche Integration und<br />
behutsame Nachverdichtung eine sichere<br />
Grundlage für eine zeitgemäße und zu -<br />
kunfts fähige Nahversorgungs- und Nah -<br />
erho lungsstruktur gewährleistet werden. So -<br />
wohl für die Stadtplanung <strong>als</strong> auch für die<br />
Wiener Stadtpolitik sind die Gestalt(ung)<br />
des physischen Raumes mit seinen infrastrukturellen<br />
Gelegenheiten, die Sicherung<br />
der Mobilität mittels leistungsfähigem<br />
öffentlichem Verkehr, die Gestaltung der im<br />
Stadtraum laufenden Nutzungsprozesse,<br />
sowie die Mobilisierung der Menschen verbunden<br />
mit einer profunden Bewusstseins -<br />
bildung hinsichtlich eines adäquaten Raum -<br />
verhaltens sowie die Schaffung entsprechender<br />
normativ-institutioneller Rahmen be din -<br />
gungen <strong>als</strong> Handlungsspielräume zu nennen.<br />
LITERATUR<br />
Voigt, Andreas/Egartner, Sigrid/Fischer,<br />
Tatjana/Maisser, Maria/Meth, Dagmar/<br />
Stein bichler, Markus/Wächter, Petra (2008):<br />
Stadt der kurzen Wege aus <strong>ökosoziale</strong>r Sicht<br />
– Nahversorgung und Naherholung in Wien<br />
vor dem Hintergrund der Alterung. For -<br />
schungs bericht. <strong>Ökosoziales</strong> <strong>Forum</strong> Wien.<br />
Wien 2008.<br />
Mag. Dr. Tatjana Fischer, Institut für Raum -<br />
planung und Ländliche Neuordnung, Uni -<br />
versität für Bodenkultur Wien, Wien.