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ETHNOBOTANIK - Austrian Biologist Association

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TIERSCHUTZ UND MENSCHENRECHTE<br />

A K T U E L L Z U R C A U S A B A L L U C H<br />

Zeitschrift der <strong>Austrian</strong> <strong>Biologist</strong> <strong>Association</strong><br />

Ausgabe 2/2008<br />

Einzelpreis: EUR 6,50<br />

ISSN 1560-2516<br />

ISBN 978-3-9502381-8-1<br />

9 783950 238181<br />

<strong>ETHNOBOTANIK</strong>


EDITORIAL<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

die Wissenschaft ist dabei, die Schatzkammern<br />

der Ethnobotanik und<br />

Ethno zoologie neuerlich zu durchleuchten.<br />

In dieser Ausgabe stellen<br />

wir die Feldforschung von Ida Pohl-<br />

Sennhauser vor.<br />

Die Thematik dieses Heft ist in mehrfacher<br />

Hinsicht Grenzgängern und<br />

Grenzgebieten der Biologie gewidmet.<br />

Solche Grenzgänger leben am Rande<br />

der Gesellschaft als „Hexen“ und<br />

Quacksalber, gelten oft als halbkriminelle<br />

Scharlatane. Sie sind nicht die<br />

gesellschaftliche Norm oder tun sich<br />

schwer damit –- und die Gesellschaft<br />

mit ihnen. Als „Spinner“ mutieren sie<br />

zuweilen zu Genies.<br />

Überlieferte Erfahrung, die als Aberglaube<br />

denunziert wurde, erwies<br />

sich zuweilen doch als relevant. Bekanntestes<br />

Beispiel: der Einfluss des<br />

Mondes.<br />

Hexen und Kräuterweibchen erkannten<br />

intuitiv die Wirkung des<br />

Mondlichtes auf pflanzliche Wirkstoffkonzentrationen.<br />

Wer immer sich mit „Fremdem“ und<br />

„Andersdenkern“ auseinandersetzt,<br />

muss mit „Grauslichkeiten“, Ablehnung<br />

bis Abscheu und Ekel rechnen.<br />

Nicht selten in der Geschichte sind<br />

Wahrheitssucher Opfer der Staatsgewalt<br />

oder des Mobs geworden. Späterhin<br />

galten sie als Märtyrer, Helden<br />

und Heilige.<br />

Die bioskop-Redaktion sieht es als<br />

legitim an, das Schicksal von DDr.<br />

Martin Balluch (Verein gegen Tierfabriken)<br />

zu reflektieren. Denn wofür<br />

er eintritt, deckt sich mit dem Weltbild<br />

der bioskop-Redaktion, nämlich,<br />

dass es nötiger ist als je zuvor, die<br />

Menschenrechte und die Tierrechte<br />

näher zusammenzurücken. „Die integraleren<br />

Humanisten wissen, wie<br />

schwierig und herausfordernd, konfliktreich<br />

und belastend es sein kann,<br />

diese humanen Ideale zu verwirklichen“<br />

(Johann Götschl).<br />

Wir stimmen mit Balluchs tierethischen<br />

Ansätzen in ihrer Konsequenz<br />

nicht bedingungslos überein.<br />

Aber wie sagte doch schon der große<br />

Aufklärer Voltaire: Ich bin zwar nicht<br />

Ihrer Meinung, werde mich aber dafür<br />

einsetzen, dass Sie diese frei äußern<br />

dürfen.<br />

Auch die ABA steht der Tradition der<br />

Aufklärung nahe – zumindest geht ihr<br />

Leitbild in diese Richtung. So haben<br />

wir das bioskop als offenes, kritisches<br />

Forum verstanden, das die Biologie<br />

in einem komplexen kulturellen<br />

und gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang<br />

reflektiert und die immense<br />

Tragweite der Wissenschaften<br />

vom Leben aufweist. Bei einigen Vorstandsmitgliedern<br />

der ABA stießen<br />

wir damit allerdings wiederholt auf<br />

taube Ohren oder gar Ablehnung. Die<br />

„Causa Balluch“, wie auch immer man<br />

sie im Einzelnen beurteilen wird, fand<br />

bei den meisten Vorstandsmitgliedern<br />

absolutes Desinteresse.<br />

Das Redaktionsteam verabschiedet<br />

sich daher mit diesem Heft, dankt<br />

seinen Leserinnen und Lesern für die<br />

erwiesene Treue und hofft auf deren<br />

gute Nachrede. Unser Dank gilt ebenso<br />

dem redaktionellen Beirat sowie<br />

unseren Autorinnen und Autoren für<br />

die vielen informativen, konstruktiven<br />

und kritischen Beiträge.<br />

Prof. Dr. Franz M. Wuketits (Herausgeber),<br />

Dr. Richard Kiridus-Göller (Chefredakteur)<br />

Redaktionsschluss mit Niederlegung<br />

der Redaktionsgeschäfte: 4. Juli 2008


ioskop<br />

Zeitschrift der <strong>Austrian</strong> <strong>Biologist</strong> <strong>Association</strong><br />

Thema 4 <strong>ETHNOBOTANIK</strong> ODER DIE VERNETZUNg VON MENSCH UND PfLANZE<br />

Grundlegende Richtung<br />

(Offenlegung nach §25 Mediengesetz)<br />

bioskop ist das parteifreie und konfessions-<br />

unabhängige Magazin der ABA (<strong>Austrian</strong><br />

<strong>Biologist</strong> <strong>Association</strong>).<br />

Die Herausgabe der Zeitschrift bioskop ist<br />

Bestandteil des ABA-Leitbildes, sie vermittelt in<br />

öffentlicher Didaktik biologisches Orientierungswissen<br />

zum gesellschaftlichen Vorteil. Die<br />

Zeitschrift bioskop erscheint viermal jährlich.<br />

Medieninhaber<br />

<strong>Austrian</strong> <strong>Biologist</strong> <strong>Association</strong> (ABA),<br />

Member of European Countries<br />

<strong>Biologist</strong>s <strong>Association</strong> (ECBA)<br />

Präsident der ABA<br />

Mag. Helmut Ulf Jost<br />

Fuchsgrabengasse 25, 8160 Weiz<br />

helmut.jost@stmk.gv.at<br />

Ida Pohl-Sennhauser<br />

Buchvorstellung 12 RATTENSCHwANZ UND SCHNECKENSCHLEIM<br />

Richard Kiridus-Göller<br />

Was uns bewegt 13 TIERSCHUTZ UND MENSCHENRECHTE<br />

Gernot Neuwirth, Peter Weish<br />

Focus 18 wALD ODER NICHT wALD – DAS IST HIER DIE fRAgE<br />

Bernt Ruttner<br />

Didaktik 22 PfLANZENfORSCHER UNTERwEgS,<br />

IN DER SCHULE UND IM BOTANISCHEN gARTEN<br />

Suzanne Kapelari, Christian Bertsch<br />

26 wIE KOMMT DAS wASSER IN DIE DIE KRONEN DER BäUME?<br />

Stefan Mayr, Thea Gufler, Suzanne Kapelari<br />

32 25 JAHRE NATURVERMITTLUNg – UND JETZT?<br />

Gabriele Hrauda<br />

Glosse 35 gEDANKEN EINES gEwESENEN MAIBAUMS<br />

Franz Bacher<br />

ABA Intern 31 MEMBERSHIP<br />

Formular<br />

Herausgeber<br />

im Auftrag der ABA<br />

Prof. Dr. Franz M. Wuketits<br />

Universität Wien<br />

franz.wuketits@univie.ac.at<br />

Chefredakteur<br />

Dr. Richard Kiridus-Göller<br />

Redaktionssitz<br />

Chimanistraße 5<br />

A-1190 Wien<br />

Internet<br />

www.aba-austrianbiologist.com<br />

www.bioskop.at<br />

Redaktionelle Mitarbeit<br />

Mag. Franz Bacher<br />

Dr. Hans Hofer<br />

Redaktioneller Beirat<br />

Prof. Dr. Georg Gärtner,<br />

Universität Innsbruck<br />

Dr. Susanne Gruber,<br />

Wirtschaftsuniversität Wien<br />

Prof. Dr. Walter Hödl,<br />

Universität Wien<br />

Prof. Dr. Bernd Lötsch,<br />

Naturhistorisches Museum Wien<br />

Prof. Dr. Erhard Oeser,<br />

Universität Wien<br />

Prof. Dr. Gottfried Tichy,<br />

Universität Salzburg<br />

Doz. Dr. Peter Weish,<br />

Universität Wien<br />

emer. Prof. Dr. Gustav Wendelberger,<br />

Universität Wien<br />

emer. Prof. Dr. Horst Werner,<br />

Universität Salzburg<br />

Dr. Manfred Wimmer,<br />

Gymnasium Waidhofen a. d. Thaya<br />

AUSgABE 2/2008 | 11. JAHRgANg | <strong>ETHNOBOTANIK</strong><br />

Cover: Quelle: Konrad von Megenberg: Das Buch der Natur.<br />

Augsburg: Johann Bämler, 1478,<br />

Universitätsbibliothek Innsbruck, Ink. 155 C 7<br />

Abo-Verwaltung<br />

Mag. Irmgard Reidinger-Vollath,<br />

Rebengasse 10, A-7350 Oberpullendorf,<br />

irv@aon.at<br />

IBAN AT 105 1 000 916 269 10 100<br />

BIC EHBBAT2E<br />

BLZ 51 000 (Bank Burgenland)<br />

PR, Werbung<br />

Dr. Maria Wuketits<br />

Layout und Satz<br />

Clemens-G. Göller<br />

Druck<br />

Facultas Verlags- und Buchhandels AG<br />

Berggasse 5, A-1090 Wien, www.facultas.at<br />

Auflage: 1000 Exemplare<br />

Gedruckt auf chlorfei gebleichtem Papier.<br />

ISBN 978-3-9502381-8-1


4<br />

Thema<br />

Die Pflanzenwelt bildet ein Reservoir,<br />

in welchem die flüchtigen Sonnenstrahlen<br />

fixiert und zur Nutznießung<br />

geschickt niedergelegt werden; eine<br />

ökonomische Fürsorge, an welche die<br />

physische Existenz des Menschengeschlechts<br />

unzertrennlich geknüpft ist.<br />

(J.R. Mayer 1814-1878)<br />

� Ida Pohl-Sennhauser<br />

-----------------------------------------------------<br />

Tatsachen erkennt der Betrachter oft<br />

in unterschiedlicher Dimension. Eine<br />

davon ist die Erkenntnis, dass eine<br />

Grundlage des „Lebendigen“ auf dem<br />

Stoffwechsel der grünen Pflanzen beruht.<br />

Ein Umstand, der uns Menschen<br />

in der alltäglichen Welt allerdings<br />

kaum erkennbar ist. Wessen Alltag<br />

ist notwendiger Weise schon von der<br />

Einsicht durchdrungen, dass es ohne<br />

diese Pflanze kein tierisches, also auch<br />

kein menschliches Existieren in erdgeschichtlicher<br />

Prägung gäbe? Die Abhängigkeit<br />

des einzelnen Individuums<br />

und letztlich der menschlichen Zivilisation<br />

von der Pflanze, auch, und gerade<br />

in kultureller Hinsicht, ist eine Überlebensfrage.<br />

Die vielfältige Nutzung von<br />

Pflanzen ist daher seit jeher selbstverständlich;<br />

das akademische Interesse<br />

daran, wird heute unter dem Begriff<br />

Ethnobotanik zusammengefasst. Dieser<br />

Begriff wurde 1895 erstmals in den<br />

USA von dem Botaniker John William<br />

Hashberger (1869-1929) verwendet,<br />

damals bezogen auf die Studien der<br />

von den Ureinwohnern, den so genannten<br />

„Primitiven“ verwendeten<br />

Pflanzen. Im Laufe ihrer wissenschaftlichen<br />

Geschichte sind die Inhalte der<br />

Disziplin wesentlich erweitert worden<br />

und umfassen heute die Erforschung<br />

von Pflanzen in ihren gesamten Wechselbezügen<br />

zur menschlichen Kultur.<br />

Ethnobotanische Inhalte berühren<br />

also sowohl kulturwissenschaftliche,<br />

als auch rein naturwissenschaftliche<br />

Kategorien und reichen naturgemäß<br />

bis in die menschlichen Anfänge zurück.<br />

Wir haben allen Grund anzunehmen,<br />

bioskop 2/2008<br />

<strong>ETHNOBOTANIK</strong><br />

ODER DIE VERNETZUNg VON MENSCH UND PfLANZE<br />

dass unsere prähistorischen Ahnen<br />

Utensilien des täglichen Gebrauchs<br />

aus den unterschiedlichsten pflanzlichen<br />

Materialien wie Hölzern, Blättern,<br />

Blüten, Früchten und Rinden<br />

anfertigten. Alles „Gegenstände“, die<br />

selbstverständlich schon längst in den<br />

natürlichen Stoffkreislauf zurückgeflossen<br />

sind. Nur außergewöhnlichen<br />

Umständen ist es zu verdanken, dass<br />

gelegentlich Geräte, beispielsweise<br />

aus Holz, erhalten geblieben sind.<br />

Solche Funde zeigen, dass möglicherweise<br />

Hominiden, die vor dem Neandertaler<br />

(Homo sapiens primigenius)<br />

lebten, schon scharf zugespitzte Speere<br />

aus hartem Eibenholz anfertigten,<br />

mit denen sie große Tiere jagen konnten.<br />

Auch bezüglich der Ideen unserer<br />

alt- und jungsteinzeitlichen Vorfahren<br />

können wir nur über indirekte Wege<br />

etwas in Erfahrung bringen. Das Phänomen<br />

von Leben und Tod muss bereits<br />

bewusst erlebt worden sein, denn<br />

seit den Siebzigerjahren des vorigen<br />

Jahrhunderts wissen wir, dass vor rund<br />

40 000 bis 60 000 Jahren Neandertaler<br />

in den Shanidar-Höhlen im Zagros-<br />

Gebirge des nordwestlichen Iran mit<br />

großen Mengen an Blumen bestattet<br />

wurden. Pollenanalysen weisen darauf<br />

hin, dass darunter eine große Anzahl<br />

von Malven, Lichtnelken und Taubenhyazinthen<br />

sind. (Riedl 2003, S. 6)<br />

Fossilien, die dem „heute lebenden“<br />

Menschen (Homo sapiens) zugerechnet<br />

werden, sind mit einem Alter von<br />

etwa 160 000 Jahren datiert. Verstärkt<br />

treten sie seit ungefähr 100 000 Jahren<br />

auf. Die Geschichte des Menschen im<br />

Sinne der Geisteswissenschaften setzt<br />

viel später ein, nämlich erst mit dem<br />

Beginn der so genannten Hochkulturen.<br />

Eine Voraussetzung zur Entstehung<br />

solcher sozialer Ordnungen war<br />

die Entwicklung hin zum Ackerbau.<br />

Da sich der Frühmensch von Gejagtem<br />

und dem Sammelgut von allerlei<br />

Kleingetier, Samen, Kräutern, Wurzeln<br />

und Knollen ernährte, kann man davon<br />

ausgehen, dass Pflanzen mit besonders<br />

wertvollen Eigenschaften in<br />

großen Mengen zusammengetragen<br />

wurden. Die jeweiligen Arten verbreiteten<br />

sich rund um die menschlichen<br />

Behausungen wie von selbst durch Zufallsaussaat.<br />

Von da bis zum gezielten,<br />

absichtlichen Aussäen auf einem Stück<br />

bearbeiteten Land war es nur mehr ein<br />

kleiner, fast selbstverständlicher Entwicklungsschritt.<br />

Die gemeinsame Entwicklung von<br />

Mensch und Pflanze ist alt und von<br />

sehr differenzierter Ausformung. Vielfältig<br />

sind daher die einzelnen Fragestellungen<br />

der unterschiedlichen Fachdisziplinen<br />

und ihre gegenseitigen<br />

Berührungspunkte.<br />

Die Kenntnisse im Umgang mit Pflanzen<br />

stellen zentrale kulturelle Leistungen<br />

in allen Zivilisationen dar. Vielfalt und<br />

Identität finden ihren Ausdruck nicht<br />

ausschließlich in der profanen Nützlichkeit.<br />

Neben den Themen der alltäglichen<br />

Lebensbewältigung gilt es auch,<br />

die phantasievollen ideengeschichtlichen<br />

„Wirklichkeiten“ rund um die<br />

Pflanzenwelt zu erfassen. Gemeint ist<br />

damit eine Ebene, die oftmals jenseits<br />

des rationalen Verstandes angesiedelt<br />

ist, manchmal mit diesem aber auch<br />

eigentümlich vermischt wird. Hierher<br />

gehört die Pflanze im Mythos, ihre Stellung<br />

als heiliges Geschöpf oder Medium<br />

im menschlichen Universum, die<br />

Pflanze als magisches Utensil in der<br />

Lebensbewältigung, ihr Zeichengebendes<br />

(Signatur), ihr symbolträchtiger<br />

Ausdruck, ihr Anstoß zu Naturerkennen<br />

und Philosophie, aber auch lokale<br />

Bezeichnungen und Etymologie, sowie<br />

die Pflanze und ihre Präsenz in der Ästhetik<br />

und Sinnlichkeit. Die Ethnobotanik<br />

behandelt Wechselwirkungen zwischen<br />

Menschen und Pflanzen, wobei<br />

die aktiven Impulse für deren Gestaltung<br />

sich primär an den Bedürfnissen<br />

des Menschen orientieren. Auch erfahren<br />

die vom Menschen bevorzugten<br />

Pflanzen „besondere Behandlung“<br />

und sind somit anderen Anpassungsmechanismen,<br />

Verbreitungsstrategien<br />

und Erbgutwandel als die wilde Ver-


wandtschaft unterworfen. Letztlich<br />

leitet sich damit auch innerhalb der<br />

ethnobotanischen Disziplin die Frage<br />

nach dem Umgang mit der Pflanze im<br />

Rahmen des Ökosystems ab.<br />

Gegenwärtig ist der Begriff „Ethnobotanik“<br />

auch ein Synonym für das Experimentieren<br />

mit so genannten „natürlichen“<br />

oder „alternativen“ Drogen<br />

geworden. Die Liste der Pflanzenarten<br />

ist lang, viele sind als „ethnobotanisches<br />

Anschauungsmaterial“, beispielsweise<br />

im einschlägigen Internethandel zu<br />

bekommen. Das Phänomen „Rausch“<br />

im weitesten Sinn ist eben, Moral hin<br />

oder her, ein zutiefst menschliches. Die<br />

gesellschaftliche Akzeptanz rein subjektiv<br />

und kulturbedingt.<br />

Am Anfang der wissenschaftlich betriebenen<br />

Botanik, in der Antike, stand das<br />

Interesse an der Heilpflanze, wiederum<br />

eine ethnobotanische Wurzel!<br />

Körperliche Leiden waren seit jeher<br />

eine große Herausforderung an das Einfühlungsvermögen,<br />

schmerzlindernde<br />

Substanzen eine Notwendigkeit. Die<br />

Anwendung diverser Heiltherapien<br />

konnte mitunter schon tausende Jahre<br />

alt sein, bis sie schließlich niedergeschrieben<br />

wurden. In unserem Kulturkreis<br />

geschah dies erstmalig durch<br />

die Griechen. Auch sie schöpften ihr<br />

Wissen nicht aus dem Nichts, sondern<br />

sie sammelten die umfangreichen Erfahrungen<br />

des Volkes, um diese erstmals<br />

systematisch zu ordnen. Diese<br />

Bemühungen bildeten den Grundstein<br />

einer wissenschaftlichen, nach Einzelgebieten<br />

geordneten, methodisch aufgebauten<br />

Erkenntnis der Pflanzenwelt,<br />

kurz der Botanik. Somit ist das Interesse<br />

an Heilpflanzen auch der Beginn<br />

einer wissenschaftlichen Botanik und<br />

dementsprechend sind auch die Quellen<br />

unserer „gelehrten Medizin“ in den<br />

medikalen Systemen der Volksheilkunden<br />

zu finden.<br />

Eigene Feldforschung<br />

Während der Achtzigerjahre des vergangenen<br />

Jahrhunderts begab ich<br />

mich auf Spurensuche nach dem überlieferten<br />

pflanzlichen Erfahrungswissen,<br />

den „Alltagspflanzen“ unserer eigenen<br />

Kultur. Während einer mehrere<br />

Jahre dauernden Feldstudie besuchte<br />

ich Menschen in unterschiedlichen<br />

Regionen Österreichs, die noch originäres,<br />

also von Generation zu Generation<br />

Wissen überlieferten. So entstand<br />

eine Sammlung der ethnobotanischen<br />

Kenntnisse von weit über hundert Personen,<br />

die hauptsächlich der bäuerlichen<br />

Kultur angehörten. Zwei Drittel<br />

der Gewährspersonen waren Frauen,<br />

ein Drittel Männer. Die jeweiligen Gespräche<br />

wurden individuell gestaltet,<br />

fanden also nicht nach Schema statt.<br />

Originäres, also überliefertes Wissen<br />

galt als Voraussetzungen für solche Interviews,<br />

die jeweils mehrere Stunden<br />

dauern konnten. Im Ablauf solcher Befragungen<br />

wurde diese „Echtheit“ der<br />

Überlieferungen fast wie von selbst<br />

offenbar. Sekundärwissen aus Büchern<br />

und modernen Medien war so aus dieser<br />

Arbeit auszuschließen, Authentizität<br />

gefragt. Überraschend war auch der<br />

Umstand, dass viele der Befragten gar<br />

keine „Kräuterbücher“ besaßen.<br />

Ein Anspruch auf Vollständigkeit des<br />

überlieferten Wissens wurde sinnvoller<br />

Weise nicht angestrebt. Insgesamt<br />

konnten auf diese Weise Informationen<br />

von 237 Pflanzen in einer erstaunlichen<br />

Fülle von Anwendungsformen<br />

und Anwendungsbereichen zusammengetragen<br />

werden. Wie kaum anders<br />

zu erwarten, wurden und werden<br />

die meisten von ihnen in irgendeiner<br />

Form „medizinisch“ genutzt. Wer selbst<br />

Erfahrung in solcher Art von Feldstudien<br />

hat, weiß um deren hohen Erlebniswert,<br />

aber auch um das dafür notwendige<br />

Einfühlungsvermögen und<br />

vor allem um das geduldige Zuhören,<br />

ohne welche keine so dichten Ergebnisse<br />

zustande kämen. Diese stammen<br />

nicht aus dem Buchstabenwissen großer<br />

Gelehrsamkeit, sondern schöpfen<br />

direkt aus dem menschlichen Leben<br />

und den damit verbundenen Sorgen,<br />

Nöten und Freuden.<br />

Natürlich kann man Wissen dieser Art,<br />

auch immaterielles Kulturerbe genannt,<br />

heute, ohne eigene Feldforschungsarbeit<br />

verbreitet, in der einschlägigen<br />

Literatur finden. Es wird allerdings bald<br />

zur Gewohnheit, sich nur mehr an diese<br />

Quellen zu halten und nicht selten<br />

wird daraus ein „höheres Niveau“ oder<br />

ein höheres Maß an „Echtheit“ abgeleitet.<br />

Eine Tatsache, die offensichtlich in<br />

unserer menschlichen Psyche tief verwurzelt<br />

und daher auch zwischen den<br />

Thema<br />

einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen<br />

zu beobachten ist.<br />

Da sich die Menschen in der konkreten<br />

Gesprächssituation auch an „andere“<br />

Heilmittel erinnerten, ist die ursprünglich<br />

nur auf pflanzliche Anwendungen<br />

konzipierte Arbeit um eben diese erweitert<br />

worden.<br />

Exemplarisches<br />

Im nun folgenden Abschnitt werden einige<br />

Ergebnisse dieser Studie beispielhaft<br />

vorgestellt, wobei sich unschwer<br />

erkennen lässt, dass ethnobotanische<br />

Inhalte nicht nur das gesamte menschliche<br />

Leben durchdringen, sondern<br />

auch quer durch die Systematik des<br />

Pflanzenreiches verläuft.<br />

Wer noch vor dem 2. Weltkrieg an Lungenentzündung<br />

erkrankte, bekam Umschläge<br />

mit der so genannten „Trog-<br />

oder Brunnenseide“ (diverse grüne<br />

Fadenalgen). Zweimal täglich holten<br />

die Kinder mit kleinen Kübeln vom alten<br />

Holztrog, der Rindertränke an der<br />

Quelle, von diesem etwa fünfzehn bis<br />

zwanzig Zentimeter langen„schlitzigen,<br />

schlammigen Zeug“. Mit diesem anschließend<br />

erwärmten Algengemisch<br />

sind Wickelumschläge angefertigt worden.<br />

Etwas davon ist vom Erkrankten<br />

auch getrunken worden. Selbst beim<br />

„Bauchgrimmen“ von Säuglingen sind<br />

solche Umschläge verabreicht worden<br />

(Eschenau, Taxenbach, Salzburg).<br />

„Trog- oder Brunnseiden“ gegen Lungenentzündung<br />

(Taxenbach, Pinzgau 1985).<br />

bioskop 2/2008<br />

5


6<br />

Thema<br />

Die Pechtropfen von der Tanne (Abies<br />

alba) werden einzeln eingesammelt<br />

und auf einem Würfelzucker bei Lungenkrankheiten<br />

eingenommen (Köflach,<br />

Steiermark).<br />

Eine andere Möglichkeit ist der<br />

Lungenröhrl tee (Totengebeinsflechte,<br />

Thamnolia vermicularis). Sieben bis<br />

zehn Röhrchen dieser Flechte werden<br />

abends in kalter Milch angesetzt, in der<br />

Früh erwärmt und so heiß wie möglich<br />

bei Husten, Bronchitis und Lungenentzündung<br />

getrunken (Judenburg, Steiermark).<br />

Der frische Bärlapp (Lycopodium sp.)<br />

wird entweder direkt oder in Leinensäcken<br />

abgefüllt bei Wadenkrämpfen<br />

aufgelegt (Steyr, Ternberg, Oberösterreich).<br />

Im Herbst zerdrückten Sammler die<br />

Sporenbehälter, im Volksmund auch<br />

Blüten genannt. Der daraus gewonnene<br />

„Staub“, eben die Sporen, werden<br />

als Wund- und Babypuder verwendet.<br />

Bärlapp, auch Wolfsklaue genannt (Lycopodium<br />

clavatum).<br />

Früher trugen die Männer die aufgefädelten<br />

Wurzelscheiben vom Kalmus<br />

(Acorus calamus) in Form einer Kette in<br />

der Rocktasche, um nach einem unverträglichen<br />

Essen diese jederzeit zum<br />

Kauen griffbereit zu haben. Sie soll<br />

auch als männliches Potenzmittel wirken<br />

(Ternberg, Steiermark). Mancherorts<br />

galt auch das Kauen der äußerst<br />

giftigen „Wolfswurzn“ (Eisenhut, Aco-<br />

bioskop 2/2008<br />

nitum napellus) als potenzförderndes<br />

Mittel. Diese äußerst bedenkliche Methode<br />

sei jedoch niemandem empfohlen,<br />

da es schon mal vorgekommen sei,<br />

dass ein solcher „Knabe“ völlig „durchgedreht“<br />

habe und psychiatrisch behandelt<br />

werden musste (Gaal, Steiermark).<br />

Knoblauchzehen (Allium sativum) aufgefädelt<br />

zu einer Halskette, dienen<br />

der Abwehr von Infektionskrankheiten<br />

(Eisenerz, Steiermark). Eine häufige<br />

Anwendung, die bis in die Gegenwart<br />

praktiziert wird, ist die „Krenkette“ oder<br />

das „Krenbeten“. Dabei werden die frischen<br />

Wurzelscheiben des Meerrettichs<br />

( Armoracia rusticana) auf einen Faden<br />

gezogen und solche Ketten fiebernden<br />

Kindern um den Hals und/oder die<br />

Hand- und Fußgelenke gelegt. „Nimmt<br />

d’Hitz!“, „ziehgt s’Fieber hinaus!“ Sobald<br />

die Kette ausgetrocknet ist, wird sie erneuert.<br />

Bei kleinen Kindern sollen nur<br />

wenig Scheiben verwendet werden,<br />

weil’s „zuviel zieght“, weiters soll darauf<br />

geachtet werden, dass die Anzahl der<br />

Scheiben eine ungerade ist (Gutenstein,<br />

Neumarkt an der Ybbs, Niederösterreich).<br />

Die klein geschnittenen Blütenblätter<br />

der dekorativen Weißen oder Madonnen-Lilie<br />

(Lilium candidum) werden<br />

in Olivenöl angesetzt und für einige<br />

Wochen an die Sonne gestellt. Hinters<br />

Ohr aufgetragen lindern sie Ohrenschmerzen<br />

(Judenburg Steiermark).<br />

Weiße Lilie in einem oberösterreichischen Bauerngarten,<br />

1986.<br />

Den Hollerschwamm (Auricularia auricula-judae)<br />

lege man, nachdem er<br />

zuerst in lauwarmer Milch gelegen sei,<br />

über Nacht auf die entzündeten Augen<br />

(St. Ulrich b. Steyr, Oberösterreich; Gutenstein-Vorderbruck,Niederösterreich;<br />

Hirschegg, Steiermark).<br />

Dieser auf alten Holunderbäumen<br />

wachsende Pilz wird auch Judasohr genannt.<br />

Seine angenommene Giftigkeit,<br />

eine volkstümliche Überlieferung, liege<br />

in der Wut des Teufels, der sich heute<br />

noch ärgere, dass Petrus dem Judas ein<br />

Ohr „abgehauen“ hätte und deshalb<br />

nach dem Erhängungstod von Judas<br />

dieses auf den so heilsamen Holunder<br />

wachsen ließ, damit nun auch dieser<br />

giftig werde. Hellhörige erkennen sofort:<br />

Hier wird nicht nur ein altes Weltbild<br />

mit den Vorstellungen eines neuen<br />

bekämpft, sondern aus Unwissenheit<br />

eine vielleicht etwas „absonderliche“<br />

pflanzliche Form als giftig erklärt.<br />

Die Heilkräfte des Holunders sind legendär,<br />

wohnte doch eine germanische<br />

Hauptgöttin in diesem Baum.<br />

Es ist die überlieferte Frau Holle, die<br />

als schützender Geist von Haus und<br />

Hof in dieser Pflanze steckt. Manchmal<br />

wurde sie auch Perchtha genannt, was<br />

die ursprüngliche Form des Namens<br />

Bertha ist, und die Leuchtende, oder<br />

die Strahlende bedeutet. Diese den<br />

Menschen mild und freundlich gesonnene<br />

Göttin schützte das Anwesen und<br />

ihre Bewohner, sofern ihrer gedacht<br />

wurde. Deshalb werden auch zwei bis<br />

drei Stücke des Holunderschwammes<br />

außen an Scheune, Stall oder Haustor<br />

genagelt. Das schützt vor Feuer generell<br />

und vor Blitzeinschlag im Besonderen.<br />

Diesen Schwamm lasse man<br />

solange dort, bis man sie mit neuen<br />

ersetzen kann. Dann verbrenne man<br />

die „verbrauchten“ Stücke im Herdfeuer.<br />

Zieht ein besonders arges Gewitter<br />

auf, so verbrenne man zusätzlich noch<br />

einige Stücke im eigenen Herd, damit<br />

der Rauch den Wolken entgegen ziehe<br />

(Tiefenbach, Salzburg).<br />

Der Absud von der frischen und getrockneten<br />

Osterluzei (Aristolochia clematitis)<br />

wird für Wundbäder verwendet.<br />

Das Kraut bleibt im Badewasser.<br />

Anschließend wird es mittels eines Verbandes<br />

direkt auf die Wunde gelegt.<br />

Weiters werden die frischen Blätter auf<br />

geschwollene, ulceröse Beine, Füße<br />

und jegliche Art von Wunden gelegt<br />

(Rechnitz, Burgenland).


Nach der Wiesenmahd sammelte man<br />

einst die Kümmelpflanzen (Carum carvi)<br />

ein. In Buschen gebunden, hängte<br />

man sie am Dachboden zum Trocknen<br />

auf. Bei Bedarf wurden die getrockneten<br />

Pflanzen geschüttelt oder die Rispen<br />

zwischen den Händen gerieben,<br />

so dass die Samen, eben der Kümmel,<br />

in eine Schale fielen. Alle kennen wir<br />

den Kümmeltee gegen Bauchweh. Bei<br />

Darmblähungen der Säuglinge zerbissen<br />

die Mütter die Samen zwischen<br />

den Zähnen und hauchten den dabei<br />

entstehenden Geruch den Säuglingen<br />

in den Mund, eine wie mir scheint doch<br />

weniger bekannte Verabreichungsform<br />

(Pernitz, Niederösterreich).<br />

Bei Durchfällen wird ein Absud der Rinde<br />

des Faulbaumes (Frangula alnus)<br />

verwendet.<br />

M. Auer aus Wien/Niederösterreich beim Schälen<br />

der Faulbaumrinde, 1986.<br />

Einst galt die Grüne Nieswurz (Helleborus<br />

viridis), im Volksmund auch „Güllwurzn“<br />

genannt, als ein Allheilmittel<br />

für Mensch und Tier. „Güllwurz’n ziehen“<br />

heißt folgende traditionelle Behandlung<br />

von Schweinekrankheiten,<br />

insbesondere des Schweinerotlaufes.<br />

Dafür wird die Ohrmuschel mit einer<br />

Nadel durchstochen, um die zwei bis<br />

drei Zentimeter langen Wurzelstücke,<br />

gesteckt in eine hohle Hühnerfeder,<br />

hineinzuziehen. Innerhalb von zwei<br />

Tagen wird der dafür ausgewählte<br />

Ohrlappen hochrot anschwellen. Die<br />

Wurzelstücke selbst verbleiben solange<br />

darin, bis sie herausfallen und wen<br />

wundert’s, dass die Behandlung ein<br />

Riesenloch zurücklässt. „Dafür wird das<br />

Tier wieder g’sund“ (Niederösterreich,<br />

Steiermark, Burgenland).<br />

Selbst die giftige Schneerose (Helleborus<br />

niger) wusste man zu nutzen.<br />

Wie ihre Vorfahren den Wurzelsaft anwendeten,<br />

konnte sich eine Gewährsperson<br />

nicht mehr genau erinnern,<br />

allerdings an den damit verbundenen<br />

Spruch: „Drei Tropfen machen rot, zehn<br />

hingegen tot!“ (Gutenstein, Niederösterreich).<br />

Auch die Tierärztin aus Pernitz<br />

bestätigte, dass früher der Wurzel-<br />

Absud ein „Allheilmittel“ für Mensch<br />

und Tier gewesen sei und solches<br />

nicht selten zu heftigen Intoxikationserscheinungen<br />

geführt habe (Pernitz,<br />

Niederösterreich).<br />

Noch vor Jahrzehnten wurden Kräuter<br />

im großen Stil gesammelt und in Säcke<br />

abgefüllt.<br />

Ein Dachboden in Niederösterreich. Die während<br />

einer Vegetationsperiode mühsam gesammelten<br />

und getrockneten Kräuter warten auf einen<br />

Händler, 1982.<br />

Herkömmliches medikales Wissen beinhaltet<br />

auch vielerlei immaterielle<br />

Methoden, in denen die Pflanzen eine<br />

wichtige Rolle spielen. So wurden beispielsweise<br />

die Wäscheteile von Kranken<br />

auf so genannte „Lappenbäume“<br />

gehängt, um auf solche Art die Krankheit<br />

los zu werden.<br />

Einst grub man an einem Freitag, bei<br />

abnehmendem Mond, vor Sonnenaufgang,<br />

nach einer Wurzel des Schwarzen<br />

Holunders (Sambucus nigra),<br />

hängte diese dem „Schwindsüchtigen“<br />

während vierundzwanzig Stunden um<br />

den Hals und warf sie anschließend in<br />

ein vom Haus des Erkrankten wegfließendes<br />

Wasser.<br />

Der immergrüne Wacholder (Juniperus<br />

communis) wird in keinem traditionellen<br />

Bauerngarten fehlen. Zum<br />

„Wenden“ oder „Gesundwenden“ trugen<br />

beispielsweise die Eltern im oberösterreichischen<br />

Hausruckviertel ihr<br />

krankes Kind zu dieser „Staud´n“. Hier<br />

wartete schon die Wenderin, murmelt<br />

einige Gebete oder Zauberformeln,<br />

und schnitt dabei drei Zweigspitzen<br />

ab. Wieder zurück im Haus legte man<br />

das Kind derart in sein Bett, dass es<br />

unter einem Kruzifix, an welchem die<br />

drei Zweigspitzen angebunden wurden,<br />

zu liegen kam. Hier blieben sie bis<br />

zum nächsten Neumond hängen und<br />

durften von keinem Menschen berührt<br />

werden.<br />

Dieses Bild zeigt, wie Krankheiten auf einen<br />

Holunderstrauch übertragen werden.<br />

Im zeitlichen Frühjahr wird der Stamm<br />

oder ein kräftiger Ast aufgespalten und<br />

in die so entstandene Öffnung ein Stein<br />

eingezwängt. Bis diese Wunde verheilt<br />

ist, bleibt der Stein im Holz; später kann<br />

er entfernt werden. Gicht- oder Rheumakranke<br />

wird empfohlen, vor Sonnenaufgang<br />

zum Holunder zu gehen, die<br />

linke Hand in den Spalt zu halten und<br />

folgende Worte zu sprechen:<br />

Hollerbam i bitt di<br />

Dö Gicht (dös Rhema) plagt mi<br />

Nimm’s an und ziag’s aus von mir<br />

Mei Lebtag will i’s danken dir!<br />

Thema<br />

Für die Dauer von drei nun zu betenden<br />

„Vater unser“ belässt der Kranke seine<br />

Hand im Spalt.<br />

Räucherungen haben in der menschlichen<br />

Kulturgeschichte eine lange Tradition.<br />

Zu Zeiten, in denen der Mensch<br />

fast ausschließlich Holz verfeuerte, hütete<br />

er die Glut übers ganze Jahr und<br />

wann immer ihm danach war, streute<br />

er pflanzliche oder tierische Substanzen<br />

hinein.<br />

bioskop 2/2008<br />

7


8<br />

Thema<br />

Frau Gold bei den Vorbereitungen zum Räuchern<br />

mit der Meisterwurz-Wurzel (Peucedanum<br />

ostruthium) gegen Ohrenschmerzen (Eschenau,<br />

Taxenbach, Salzburg 1985).<br />

In der kulturhistorischen Überlieferung<br />

schützt der Wacholder (Juniperus sp.)<br />

vor schädlichen Einflüssen aller Art.<br />

Deshalb werden auch nach Krankheiten<br />

und Todesfällen alle Wohnräume ausgeräuchert.<br />

Geräuchert wird aber auch<br />

des angenehmen Geruches wegen, in<br />

der vorweihnachtlichen Zeit und überhaupt<br />

gilt der Wacholder schon seit jeher<br />

als Heil- und Hexenmittel.<br />

M. Schweighofer (geb. 1916) beim Entzünden<br />

eines Wacholderzweiges und Ausräuchern des<br />

Hauses (Gloggnitz/Prigglitz, Niederösterreich<br />

1985).<br />

bioskop 2/2008<br />

Rauchen ist eine menschliche Leidenschaft<br />

und wer konnte, baute sich den<br />

Bauern-Tabak (Nicotiana rustica) selbst<br />

im Garten an. Je sorgfältiger die Blätter<br />

geerntet, gewalkt, getrocknet und fermentiert<br />

werden, umso köstlicher wird<br />

der Genuss sein. (Kapfenstein, Steiermark)<br />

Die Sitte des „Tabaktrinkens“ wurde im<br />

Laufe des 17. Jahrhunderts nach Österreich<br />

gebracht. Unbeeindruckt von der<br />

Geistlichkeit, welche solchen Genuss<br />

als heidnisch verdammte und von der<br />

österreichischen Regierung, die der<br />

neuen, aus Amerika, übernommenen<br />

Mode ebenfalls abgeneigt gegenüberstand,<br />

machten die Tabakschwärzer<br />

und ausländischen Tabakhändler<br />

große Geschäfte. „Geld stinkt nicht“,<br />

dachte sich auch der Kaiser und besteuerte<br />

das „Kraut“! Als Folge davon<br />

wurde sein Anbau mit staatlicher Bewilligung<br />

gefördert und in der Region<br />

des heutigen südlichen Burgenlands/<br />

Südost-Steiermark bedeutete diese<br />

Kultur vielen Bauern ein zusätzliches<br />

Einkommen zu ihrem nicht allein überlebensfähigen<br />

Kleinbetrieb. Nicht unerwähnt<br />

bleiben sollen die modischen<br />

Strömungen des Tabakgenusses. Sie<br />

veränderten die jeweilige Kultur, denn<br />

was einst mit Tabakschnupfen und<br />

Pfeifenrauchen begann, wurde, ebenfalls<br />

vom Neuen Kontinent ausgehend,<br />

etwa hundert Jahren später, von der<br />

Zigarre, und diese um 1900 von der Zigarette,<br />

abgelöst.<br />

In Krisenzeiten oder wer sich keinen Tabak<br />

leisten wollte (konnte), behalf sich<br />

mit Ersatzpflanzen, beispielsweise mit<br />

dem Kraut des Waldmeisters (Galium<br />

odoratum), den Blättern der Erdbeere<br />

(Fragaria sp.) und der Brombeere (Rubus<br />

fruticosus). Dieses mit Honigwasser<br />

befeuchtete und dem Gärungsprozess<br />

überlassene Gemisch ergibt eine<br />

gar nicht so schlechte Rauchmischung<br />

(Rechnitz, Burgenland). Statt geraucht<br />

wurden in den Kriegsjahren auch die<br />

Wermuth-Blätter (Artemisia absinthium)<br />

„gekaut“. (Neckenmarkt, Burgenland)<br />

Vorgänger unseres Kaugummis ist das<br />

„Kohlpech“. Gemeint sind damit die<br />

am Baumstamm herunter rinnenden<br />

Harztropfen der Fichte (Picea abies).<br />

Die sind gesund, nur soll man sie nicht<br />

runterschlucken, sondern ausspucken.<br />

Arbeitet man in einem wasserarmen<br />

Wald und hat nichts Flüssiges bei sich,<br />

so spürt man beim Kauen des „Kohlpechs“<br />

weniger Durst. (Rohr im Gebirge,<br />

Niederösterreich)<br />

Reich und phantasievoll sind die Rituale<br />

zur Förderung der Fruchtbarkeit von<br />

landwirtschaftlich genutzten Flächen.<br />

Im burgenländischen Grafenschachen<br />

werden zu Ostern die am Palmsonntag<br />

gesegneten „Palmkatzerln“ (Sal-Weide,<br />

Salix caprea) in die Äcker gesteckt.<br />

„Geweihte“ Palmzweige auf dem Acker<br />

(Foto: R. Schinko 2008).<br />

Am Pfingstsonntag vor Sonnenaufgang<br />

wird Grünfutter gemäht und an die<br />

Kühe verfüttert. Man nennt das „den<br />

Heiligen Geist holen“ (oberes Kremstal,<br />

Steinbach/Ziehberg, Oberösterreich).<br />

Im niederösterreichischen Weinviertel<br />

(Patzmannsdorf) ziehen Schüler mit<br />

einem in Lindenlaub gehüllten Burschen<br />

durch das Dorf und bleiben alle<br />

vier bis fünf Häuser stehen, um das<br />

Pfingstköniglied zu singen. Am Ende<br />

des Umzugs wird die Laubkutte ins<br />

Wasser geworfen, also wieder den Naturkräften<br />

übergeben.<br />

Pfingstkönigsumzug in Patzmannsdorf, 1985.


Zu Fronleichnam werden in einer gemeinsamen<br />

kirchlichen Prozession<br />

Wiesen und Felder umschritten und<br />

um Schutz und Segen für die wachsenden<br />

Früchte gebeten. Zu diesem Anlass<br />

werden im niederösterreichischen<br />

Rohr am Gebirge optisch besonders<br />

ansprechende Fronleichnamsstangen<br />

hergestellt, deren Abschluss in einer<br />

prächtigen Krone endet.<br />

Fronleichnamsstangen<br />

Die dafür benötigten Blumenkränze<br />

werden tags zuvor von Frauen und<br />

Kindern aus Wiesenblumen geflochten<br />

und am nächsten Tag, zeitig in der Früh,<br />

auf den Kirchplatz gebracht, wo sie von<br />

jungen Männern auf knapp fünf Meter<br />

lange Stangen aufgebunden werden.<br />

Es sind die einfachen, funktionalen<br />

Gegenstände, die das Leben erleichtern,<br />

und deshalb über Generationen<br />

weitergegeben werden. So wurden<br />

beispielsweise die großen Blätter der<br />

Pestwurz (Petasites sp.) als Sonnen-<br />

und Regenschutz aufgesetzt (Pernitz,<br />

Niederösterreich).<br />

Um die Wollsocken zu schonen, wickelten<br />

die Holzknechte im Sommer<br />

mit den großen Blättern des Huflattichs<br />

(Tussilago farfara) ihre Füße ein.<br />

Auch die Almbutter wurde in solchen<br />

Blättern frisch gehalten (Lassing, Niederösterreich).<br />

Wer an Schweißfüßen litt, wickelte die<br />

einzelnen Zehen, anschließend den<br />

gesamten Fuß mit den Brenn-Nesselblätter<br />

(Urtica sp.) ein. Darüber gebundene<br />

„Stiefelfetzen“ verhinderten ein<br />

Verrutschen derselben (St. Georgen ob<br />

Judenburg, Steiermark). Roma erzählten<br />

mir von folgender Anwendung:<br />

Bevor sie sich ihre Läppchen für die<br />

Ohrenringe durchstechen lassen, massieren<br />

sie dieses etwa zehn Minuten<br />

lang mit frischen Brenn-Nesselblättern<br />

ein. Derart vorbehandelt, ist der Stich<br />

kaum spürbar (Oberwart, Unterwart;<br />

Burgenland).<br />

Roggenstroh (Secale cereale) wiederum<br />

bewährte sich für die Herstellung<br />

von Schlapfen.<br />

F. Brugger (geb. 1916), Taxenbach Eschenau (Pinzgau,<br />

Salzburg) flechtet einen Strohzopf (1985).<br />

Mitten in der Arbeit am Schuhleisten.<br />

Schuhe aus eigener Produktion.<br />

Thema<br />

Früher einmal – es ist noch gar nicht<br />

so lange her - waren die Besen „hausgemacht“.<br />

Jede Pflanze, die sich nur<br />

irgendwie dazu eignete, wurde zum<br />

‚Besen’. Den Grundstoff dafür entnahm<br />

man der heimischen Vegetation, oder<br />

die entsprechenden Pflanzen sind dafür<br />

angebaut worden. Die Herstellung<br />

der Arbeitsgeräte am eigenen Hof erfolgte<br />

vorwiegend aus ökonomischen<br />

Überlegungen, aber auch aus der<br />

Selbstverständlichkeit heraus, die Rohmaterialien<br />

des eignen Bodens sinnvoll<br />

zu nutzen.<br />

J. Grießbacher (geb. 1910) bindet in seiner Werk-<br />

statt aus Birkenreiser (Betula pendula) Besen<br />

(Mariazell, Steiermark 1985).<br />

bioskop 2/2008<br />

9


10<br />

Thema<br />

E. Gober (geb. 1908) Ober Bildein (Burgenland)<br />

bindet aus dem Land-Reitgras (Calamagrostis<br />

epigejos) seinen „Schmöllerbesen“, 1986.<br />

Besen aus der eigens dafür angebauten Sorghumhirse<br />

(Sorghum sp.): Kalch/Burgenland, 1986.<br />

Rund um den Besen sind viele Bräuche<br />

überliefert. In Ansätzen erinnern sich<br />

Zeitgenossen auch noch daran. Vielfach<br />

werden sie aber verschwiegen,<br />

um sich Spott und Hohn zu ersparen.<br />

Hausrat und Böden wurden in vorindustrieller<br />

Zeit mit Sand und Holzaschenlauge<br />

gewaschen und geschrubbt.<br />

Feldforschungsergebnisse haben gezeigt,<br />

dass selbst Kaffeesud noch als<br />

Reinigungsmittel verwendet wurde.<br />

Den Sand holte man von draußen,<br />

bioskop 2/2008<br />

Holzasche gab es genug im eigenen<br />

Herd und die „Waschln“ aus der Waldrebe<br />

(Clematis vitalba), aus Stroh,<br />

Brenn-Nesseln (Urtica sp.), Zinnkraut<br />

(Equisetum arvense), Schneeheide<br />

(Erica carnea), Besenheide (Calluna<br />

vulgaris) band man selbst zusammen.<br />

In den Alpen wurde dafür auch der<br />

Almrausch „Hoadachreisig“ verwendet.<br />

Hier wächst er in zwei Arten: Wimpernalpenrose<br />

(Rhododendron hirsutum)<br />

und der Rostalpenrose (Rhododendron<br />

ferrugineum).<br />

Schaffel mit Holzaschenlauge und „Groaswaschl“<br />

(Picea abies) 1985.<br />

Wer für die Feinwäsche keine Holzaschenlauge<br />

verwenden wollte, half sich<br />

mit dem Rosskastanienabsud (Aesculus<br />

hippocastanum). Dafür wurden die<br />

Früchte geschält, zerkleinert und eben<br />

in Wasser ausgekocht. Ein noch feineres<br />

und dadurch Gewebe schonenderes<br />

Waschmittel ergibt die Wurzel des Seifenkrautes<br />

(Saponaria officinalis).<br />

Vorläufer unserer heutigen Ziegeldächer<br />

waren die Strohdächer. Je nach<br />

Region wurde das Roggenstroh (Secale<br />

cereale) oder das Schilf (Phragmites<br />

australis) verwendet und auf diese Unterlage<br />

setzte man die Dachwurz (Sempervivum<br />

tectorum), um derart vor<br />

Blitzeinschlag geschützt zu sein.<br />

Strohdach, 1982.<br />

Dachwurz auf Hausdach (aus Willfort Nachlass).<br />

Dort wo der Rohrkolben gewachsen<br />

ist, so beispielsweise rund um den<br />

Neusiedlersee (Typha angustifolia, Typha<br />

latifolia), sind seine Blätter zum<br />

Flechten von Schultaschen und Türvorleger<br />

verwendet worden. In der Mariazellergegend<br />

hingegen wurden die<br />

Türmatten aus Weidenästen (Salix sp.)<br />

hergestellt.<br />

Maisstroh (Zea mays) wiederum eignet<br />

sich zum Flechten von Taschen und<br />

Sesselsitzflächen.<br />

O. Frühstück: Langeck/Burgenland, 1985.<br />

Genug der Arbeit! Abschließend ein<br />

Bild aus einem burgenländischen<br />

Weinkeller in Heiligenbrunn mit seinen<br />

typischen Flaschenkürbissen (Lagenaria<br />

siceraria). Hier werden die reifen<br />

und getrockneten Früchte als Weinheber<br />

verwendet.


Flaschenkürbisse als Weinheber in einem burgenländischen Weinkeller (Heiligenbrunn), 1985.<br />

Soweit einige Beispiele aus meiner eigenen<br />

Feldforschung. Selbstverständlich<br />

sind im häuslichen Bereich nicht<br />

nur heilende Pflanzen, sondern auch<br />

Heilmittel aus Tieren beziehungsweise<br />

aus tierischen Substanzen, manchmal<br />

auch vermischt mit Heilpflanzen, angewendet<br />

worden. Auch wenn meine<br />

ursprünglich konzipierte Arbeit nur als<br />

eine ethnobotanische gedacht war, erschien<br />

es mir schade, die im Gespräch<br />

erwähnten tierischen Heilmittel unbeachtet<br />

zu lassen. Gemeinsam mit den<br />

aus dem Nachlass von R. Willfort stammenden<br />

Informationen sind sie heuer<br />

im Böhlau-Verlag unter dem Titel „Rattenschwanz<br />

und Schneckenschleim“<br />

erschienen.<br />

Fotos:<br />

von Pohl-Sennhauser I., Steinweg S., Weber S.,<br />

sofern nicht anders angegeben (Copyright bei<br />

der Verfasserin).<br />

Literatur:<br />

EICHELTER-SENNHAUSER I., Ethnobotanik des<br />

östlichen Österreichs. Diss. 1983 Formal- u. Naturw.<br />

Fak. Univ. Wien. (N 526)<br />

EICHELTER-SENNHAUSER I., Die Herstellung von<br />

Strohschuhen – Eine winterliche Flechtarbeit<br />

in Salzburg. Österr. Zeitschrift für Volkskunde<br />

XLII/91,1988<br />

EICHELTER-SENNHAUSER I., Der „Waschl“ – Ein<br />

bäuerliches Putz- und Scheuerinstrument aus<br />

vergangenen Zeiten. Seine Herstellung und Verwendung.<br />

Wiss. Mitteilungen aus dem Niederösterr. Landesmuseum<br />

37- 41, 1986<br />

RIEDL R., Riedls Kulturgeschichte der Evolutionstheorie,<br />

Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New<br />

York 2003.<br />

Weiterführende Literatur<br />

(eine kleine Auswahl):<br />

MICHAEL HEINRICH: Ethnopharmazie und Ethnobotanik.<br />

Eine Einführung. Wiss. Verlagsges.,<br />

Stuttgart 2001<br />

MARZELL H., Geschichte und Volkskunde der<br />

deutschen Heilpflanzen; Wiss. Buchges. Darmstatt<br />

1967<br />

RÄTSCH CHRISTIAN, Hanf als Heilmittel. Ethnomedizin,<br />

Anwendungen und Rezepte. Aarau: AT<br />

Verlag 1998.<br />

REKO, VICTOR A., Magische Gifte. Rausch- und<br />

Betäubungsmittel der neuen Welt. VWB-Verlag<br />

2., erg. Aufl. 1996<br />

SCHRÖDER EKKEHARD, Ethnobotanik, Curare<br />

Sonderband; Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft<br />

mbH, Braunschweig 3/1985.<br />

Beiträge und Nachträge zur 5. Fachkonferenz<br />

Ethnomedizin in Freiburg 1980<br />

Autorin und Kontakt:<br />

Dr. Ida Pohl-Sennhauser<br />

7411 Markt Allhau 29<br />

pohlsennhauser@gmx.at<br />

Richard Willfort (1905-1978)<br />

Thema<br />

wurde in Wien geboren und lebte später in<br />

der Steiermark, in Tirol und Oberösterreich.<br />

Seit seiner Ausbildungszeit an der Höheren<br />

Forstlehranstalt in Bruck an der Mur, in den<br />

Jahren 1925/29, zeichnete er alle ihm als<br />

„interessant erscheinenden Vorkommnisse<br />

in der Natur“ auf.<br />

„Es waren lose Aufzeichnungen von größtenteils<br />

aus Forst-, Jägers- und Bauersleuten<br />

gehörten Anschauungen […] Eine Erweiterung<br />

über den österreichischen Alpenraum<br />

hinaus fand auch in Bruck statt, da<br />

ich Gelegenheit hatte, mit gleich gesinnten<br />

Menschen hierüber zu sprechen, die weiter<br />

entfernte Gegenden bereist und auch derlei<br />

Beobachtungen gemacht hatten.“<br />

Die Jahre des Zweiten Weltkrieges boten<br />

dem Feldforscher Willfort ebenfalls Gelegenheiten,<br />

Menschen und deren diesbezügliches<br />

Wissen aus anderen europäischen<br />

Ländern kennen zu lernen und dadurch seine<br />

Sammlung beachtlich zu erweitern. Wer<br />

über so viele Jahrzehnte mit solchem Eifer<br />

den Überlieferungen auf der Spur war, trägt<br />

eine beachtliche Fülle von Informationen<br />

zusammen.<br />

Einen Teil seiner Erkenntnisse hat Richard<br />

Willfort im Buch „Gesundheit durch Heilkräuter“<br />

veröffentlicht. Dieses 1959 erstmals<br />

im Rudolf Trauner Verlag erschienene,<br />

750 Seiten umfassende Buch avancierte zu<br />

einem populären Standardwerk in vielen<br />

Auflagen und prägte die Renaissance der<br />

Heilkräuteranwendung in der zweiten Hälfte<br />

des 20. Jahrhunderts wesentlich mit.<br />

bioskop 2/2008<br />

11


12<br />

Buchvorstellung<br />

Der Natur, als die „Apotheke Gottes“,<br />

ihre geheimnisvollen Heilkräfte abzuschauen<br />

war ehedem die „Ars pharmaceutica“,<br />

als Kompositions- und<br />

Rezeptierkunst. Ebenso war der Kunst-<br />

Begriff nicht eingeengt auf die Werke<br />

der Maler, Bildhauer und Musiker.<br />

Als Kunst- und Wunderkammern waren<br />

Apotheken wahre Schatzkammern:<br />

in den Offizinen lagerte eine<br />

Ware besonderer Art: die Mittel der<br />

Arznei. Darin befanden sich neben<br />

systematisch geordneten Herbarien<br />

allerlei Animalien, beispielsweise Embryonen<br />

und Mumien.<br />

bioskop 2/2008<br />

BUCHVORSTELLUNg:<br />

PohL-SEnnhAuSER, IDA: RAttEnSchWAnZ unD SchnEcKEnSchLEIm<br />

Aberglaube oder vergessene Volksmedizin?<br />

Ein Großteil der Bevölkerung war gar<br />

nicht in der Lage, sich diese Heilmittel<br />

zu leisten. Auch fehlte es auf dem Lande<br />

an Ärzten und am Vertrauen in die<br />

akademische Kunst.<br />

Neben den offizinellen, aus den „tria<br />

regna naturae“ – dem Mineral-, Pflanzen-<br />

und Tierreich - stammenden und<br />

in amtlichen Arzneibüchern verzeichneten<br />

„Composita“, gibt es immer<br />

noch jene von der Meinung und Erfahrung<br />

des „gemeinen Volkes“ anerkannten<br />

Arzneien. Die vernachlässigten<br />

Darstellungen der Volksmedizin<br />

haben das Odium des Aberglaubens,<br />

der Scharlatanerie und Kurpfuscherei,<br />

während die Geschichte der Apotheken<br />

als die Schnittstelle zwischen Ars,<br />

Techne und Scientia gut dokumentiert<br />

ist.<br />

Ida Pohl-Sennhauser hat den Nachlass<br />

von Richard Willfort (1905–1978) gesichtet<br />

und widmete sich wie er den<br />

in unserem Kulturkreis in Vergessenheit<br />

geratenden ethnobotanischen<br />

und ethnozoologischen Überlieferungen.<br />

Die im vorliegenden Buch<br />

beschriebenen Heilanwendungen<br />

aus dem Tierreich sind von kulturhistorischer<br />

Bedeutung. Dies würdigt<br />

die National agentur für das immaterielle<br />

Kulturerbe der Österreichischen<br />

UNESCO-Kommission.<br />

Die Autorin ordnet die in Feldforschung<br />

eingeholten zootherapeutischen<br />

Informationen in Art und Weise<br />

der zoo logischen Systematik. Der<br />

allgemein-zoologischen Einführung<br />

der jeweiligen Tiergruppe werden Redewendungen<br />

und Volksglaube beigefügt,<br />

welche erkennen lassen, wie<br />

unsere Sprache aus Erfahrenem und<br />

Volksglaube schöpft. Die Ethnomedizin<br />

schließt sie dem jeweils an.<br />

Aus der Fülle des gesammelten Wissens<br />

nur ein Beispiel: „Ein altes Tiroler Hausmittel<br />

ist der ‚Ameisen-Geist’ für nervenschwache<br />

Glieder […] Altbekannt<br />

ist, dass Bienenstiche gegen Rheuma<br />

und Podagra wirken.“ Dazu gestattet<br />

sich der Rezensent darauf hinzuweisen,<br />

wie bedauerlich es ist, dass derlei<br />

in Apotheken ehedem rezeptfrei erhältliche<br />

Präparate vom Markt genommen<br />

worden sind (beispielsweise die<br />

„Forapin-Salbe“, eine Kompostion gegen<br />

Ischias und Hexenschuss).<br />

Derlei auf Erfahrungen beruhende<br />

Arzneien verursachen keine Kosten<br />

für Forschung und Entwicklung, somit<br />

sind sie recht preisgünstig. In einer<br />

Zeit, in der von der Finanzkrise des Gesundheitssystems<br />

die Rede ist, ist es<br />

eine Stärke dieses Buches, an die traditionellen<br />

Heilmittel zu erinnern.<br />

Ethnomedizinische Erfahrungen sind<br />

dem wissenschaftlichen Verstand nicht<br />

immer zugänglich und lösen heutzutage<br />

eher emotionale Ablehnung aus,<br />

worauf der Buchtitel „Rattenschwanz<br />

und Schneckenschleim“ hinweist. Das<br />

Werk bietet einen durchaus repräsentativen<br />

ethnomedizinischen Querschnitt.<br />

Im zeitgenössichen Denken stehen die<br />

Heilpflanzen im Vordergrund des Interesses.<br />

An die traditionell angewendeten<br />

Heilmittel aus dem Tierreich erinnert<br />

man sich kaum mehr. Das aber<br />

macht das Buch so interessant.<br />

Dr. Richard Kiridus-Göller<br />

Pohl-Sennhauser, Ida:<br />

Rattenschwanz und Schneckenschleim<br />

2007. 272 Seiten, 23,5 x 15,5 cm, Gb.<br />

EUR 24,90, ISBN 3-205-77702-6,<br />

ISBN-13: 978-3-205-77702-1


TIERSCHUTZ UND MENSCHENRECHTE<br />

Hauptfeindbild der österreischischen Tierquälerszene: DDr. Martin Balluch (Quelle: VgT).<br />

Sind wir Zeugen eines ganz normalen<br />

österreichischen Justizvorganges, bei<br />

dem alles mit rechten Dingen zugeht?<br />

Oder eines der unverschämtesten Angriffe<br />

auf unsere Bürgerrechte seit Bestehen<br />

der Zweiten Republik?<br />

� Gernot neuwirth<br />

� Peter Weish<br />

-----------------------------------------------------<br />

Mag sein, dass die eine oder der andere<br />

von den Zehn einmal das eine oder das<br />

andere Huhn aus einer Legefabrik befreit<br />

und damit ein Eigentumsdelikt begangen<br />

hat. Vielleicht ist da oder dort<br />

Buttersäure verspritzt worden, deren<br />

unangenehmer Geruch das Geschäft<br />

mit Pelzartikeln gestört hat.<br />

Was immer an mageren Ergebnissen<br />

die jahrelangen, möglicherweise illegalen,<br />

jedenfalls sauteuren Abhör- und<br />

Bespitzelungsaktionen und die Inhaftierung<br />

von zehn Tierschützern doch<br />

noch erbringen mögen – Rechtsexperten<br />

sagen dasselbe wie der Hausverstand:<br />

Die Rambo-Aktion maskierter,<br />

pistolenschwingender Einsatzkräfte<br />

gegen die Tierrechtler in Gegenwart<br />

1 Aus einem Interview mit Gerd Maier, gewährt von Oberst Gollia, Pressesprecher des Innenministeriums am 12.6.2008, zitiert in Oekonews.<br />

www.oekonews.at/index.php?mdoc_id=1030958<br />

ihrer entsetzten Kinder und die immer<br />

wieder verlängerte Untersuchungshaft<br />

dürften eklatant gegen das Prinzip der<br />

Verhältnismäßigkeit verstoßen, das zu<br />

den Grundlagen der Justizpflege aller<br />

zivilisierten Länder zählt.<br />

Nicht alle teilen diese Besorgnis. Zum<br />

Beispiel Oberst Gollia, Pressesprecher<br />

des Innenministeriums, als er dem<br />

Online-Magazin Oekonews ein Interview<br />

gewährt: „… Nach unseren Richtlinien<br />

ist alles angemessen durchgeführt<br />

worden. … Die Amtshandlung war angemessen,<br />

das muss Ihnen genügen. …<br />

Ich sage dazu jetzt gar nichts mehr. Das<br />

muss Ihnen genügen. Ob Ihnen die Antwort<br />

passt, weiß ich nicht. Man kann ja<br />

dann eine Beschwerde einlegen, wenn<br />

man glaubt, die Amtshandlung sei nicht<br />

in Ordnung gewesen“. 1<br />

Auch die Justizministerin verweist anlässlich<br />

einer Vorsprache des „Forum<br />

Wissenschaft und Umwelt“ auf die Qualitätskontrolle<br />

durch den Instanzenweg,<br />

auf die Möglichkeiten der Überprüfung<br />

und darauf, dass es, wenn die<br />

Vorgänge nicht rechtmäßig gewesen<br />

Was uns bewegt<br />

sein sollten, für anerkannte Justizopfer<br />

schlussendlich ja auch eine Entschädigung<br />

geben kann. 2<br />

Und der Bundespräsident schließlich<br />

„geht davon aus, dass die Gesetze, die<br />

es den Behörden erlauben, in die Rechte<br />

und Freiheiten der Bürger unmittelbar<br />

einzugreifen, von den zuständigen<br />

Organen mit besonderer Umsicht und<br />

unter Achtung der Menschenwürde der<br />

Betroffenen gehandhabt werden“. 3<br />

Gerade diese Sicht einer heilen Justizwelt,<br />

die auch die Autoren bislang geteilt<br />

hatten, erscheint seit dem 21. Mai<br />

2008 immer mehr in Frage gestellt.<br />

Aus der Perspektive eines der Hauptbetroffenen<br />

sah der Vorgang folgendermaßen<br />

aus:<br />

“Sehr geehrter Herr Rat … Zahllose Personen<br />

wurden in der Nacht von einer<br />

Gruppe bewaffneter, maskierter Männer<br />

zu Hause … überfallen. Man hat sie im<br />

Bett mit Scheinwerfern angestrahlt und<br />

ihnen Schusswaffen an den Kopf gelegt.<br />

Davon waren alle Personen betroffen,<br />

auch jene, die nichts mit Tierschutz zu<br />

tun hatten und … in den Wohnungen<br />

anwesend waren, darunter ein 7-jähriges<br />

Mädchen. Alle diese Opfer der Polizeiüberfälle<br />

sind jetzt schwerst traumatisiert.<br />

Die Intimsphäre zahlloser Personen<br />

wurde schwerst verletzt, ihre privatesten<br />

Bereiche durchwühlt … 10 Personen<br />

wurden … monatelang in winzige Zellen<br />

gesperrt und ihrer Freiheit beraubt.<br />

Ihr gesamtes Leben wurde damit unterbrochen,<br />

ihre Planung durcheinandergebracht<br />

…<br />

Die psychischen Schäden … sind nicht<br />

mehr wieder gutzumachen. Zahllose<br />

Personen wurden schwer traumatisiert,<br />

ihr Vertrauen in die Staatsgewalt maßgeblich<br />

erschüttert, ihr Zuhause wurde<br />

geschändet, sie selbst zutiefst erniedrigt<br />

und gedemütigt. Für alle Zukunft werden<br />

sie in Angst leben müssen. Die meisten<br />

werden eine Psychotherapie brauchen<br />

…“ 4<br />

2 Vorsprache von Wissenschaftern bei Justizministerin Maria Berger, am 11. Juli 2008.<br />

3 Aus der automatisch erstellten Antwort des Bundespräsidenten auf verschiedene Appelle entsetzter Bürgerinnen und Bürger, die ihn zum Eingreifen<br />

aufgefordert haben.<br />

4 Aus dem Plädoyer des DDr. Martin Balluch vom Verein gegen Tierfabriken (VgT) anlässlich seiner zweiten Haftverlängerungsverhandlung.<br />

bioskop 2/2008<br />

13


14<br />

Was uns bewegt<br />

Ein Schicksal von zehn<br />

Besonders hart hat es einen jungen Tiroler<br />

Tierschützer getroffen, der nun schon drei<br />

Monate lang viele hunderte Kilometer von<br />

seiner Frau und seinen drei Kindern getrennt<br />

ist, zu denen er eine besonders innige Beziehung<br />

hat. Er hat Angstzustände – erstens weil<br />

er fürchtet, dass seine Familie sich ihm langsam<br />

entfremden könnte, zweitens weil er um<br />

seinen Arbeitsplatz als Restaurator fürchtet.<br />

Drittens, weil ihn nach anfänglicher Erleichterung<br />

über die Inhaltslosigkeit der Aktenteile,<br />

die er zu sehen bekam, nun die Panik<br />

gepackt hat: Wenn es möglich ist, ihn schon<br />

bei solcher Aktenlage drei Monate lang festzuhalten<br />

– wie kann das noch weitergehen?<br />

Gernot Neuwirth hat Christian Moser in der<br />

Haftanstalt Wiener Neustadt besucht und dabei<br />

im Alter von 69 Jahren zum ersten Mal ein<br />

Gefängnis von innen gesehen.<br />

An den Tischchen im ersten Besuchsraum sitzen<br />

je zwei bis drei Personen – die „normalen“<br />

Gefängnisinsassen und ihre Besucher. Moser ist<br />

nicht dabei. Er muss zusammen mit den Mördern<br />

und sonstigen Schwerverbrechern hinter<br />

einer Glaswand auf die maximal drei Besucher<br />

warten, die er zweimal pro Woche gemeinsam<br />

eine halbe Stunde lang empfangen darf.<br />

Bei unserer Ankunft (ein in Wien lebender<br />

Freund von Moser, Tiroler wie er, hat mich<br />

mitgenommen) strahlt er noch über die lang<br />

entbehrte Gesellschaft. Nachdem er ein paar<br />

Minuten mit ihm geredet und seine Lage<br />

Aus glücklichen Zeiten: Chris mit Tochter Talia,<br />

die ihren 2. Geburtstag ohne ihren Papa feiern<br />

musste (Foto VgT).<br />

bioskop 2/2008<br />

dargelegt hat, überkommt ihn wieder die Depression<br />

und er bricht beinahe zusammen.<br />

Ich selbst habe ihm nicht viel zu sagen – dass<br />

ein paar Universitätslehrer, mit denen ich gesprochen<br />

habe, auch sehr bestürzt sind, aber<br />

jetzt in den Ferien mit ihnen wie auch mit den<br />

Studenten nicht viel zu machen ist, weil sie<br />

großteils weg sind. Und ob man seiner Familie<br />

anlässlich eines Tirolbesuches vielleicht beim<br />

Holzhacken helfen kann, da er sich ja sehr um<br />

das Brennmaterial für den kommenden Winter<br />

sorgt, das er sonst immer zerkleinert? Und<br />

schon klopft die Aufsicht an die Uhr und die<br />

Besuchszeit ist um …<br />

Ein Brief aus dem Gefängnis<br />

… Meine Kinder Talia, Noah & Samuel sind seit<br />

fast 2 Monaten ohne Vater! Meine Frau Karin ist<br />

seit fast 2 Monaten ohne Partner und Ehemann!<br />

Ich habe extreme Angst, dass meine Familie<br />

durch dieses – ich nenne es Exempel – ernsthaft<br />

und dauerhaft geschädigt wird! Wie lange kann<br />

ich von meinen Kindern, speziell von meiner erst<br />

2-jährigen Tochter getrennt sein, ohne dass sich<br />

dauerhafte negative Auswirkungen auf unsere<br />

bisherige Vater-Tochter-Beziehung einstellen?<br />

… In Freiheit verbrachte ich jede freie Minute mit<br />

meinen Kindern. Wer springt mit ihnen am Trampolin?<br />

Wer baut mit ihnen Staudämme beim<br />

Bach? Wer bastelt mit ihnen und für sie? Welchen<br />

Ersatz gibt es für die langen Spaziergänge und<br />

Wanderungen die wir zusammen unternahmen?<br />

Wer verantwortet, dass meine Familie in Gefahr<br />

läuft, dauerhaften Schaden zu nehmen???<br />

… Karin, Noah, Samuel und Talia, ich liebe euch<br />

so sehr! Ich vermisse euch so sehr! Denkt an mich!<br />

Vergesst mich nicht, bitte! Haltet durch!!!! Wir<br />

schaffen das, irgendwie! Helft zusammen! Ich<br />

hoffe, ich komme bald raus hier!<br />

Aus der Gefangenschaft, Chris Moser<br />

Die Kinder Talia, Noah und Samuel sind nun<br />

schon 2 Monate ohne Vater.<br />

Eine offenbar zentrale Frage, die den<br />

Inhaftierten bei der Verhandlung gestellt<br />

wurde soll gewesen sein, ob sie<br />

denn weiterhin planten, im Tierschutz<br />

tätig zu sein. Sie haben mit JA geantwortet.<br />

Als Reaktion u. a. darauf und<br />

auf Balluchs Plädoyer hat der sehr geehrte<br />

Herr Rat die zweite Haftverlängerung<br />

ausgesprochen.<br />

Ist es tatsächlich so, wie schon lange<br />

gemunkelt wird – dass in bestimmten<br />

Fällen der Justizapparat einmal gemachte<br />

Fehler einfach nicht eingestehen<br />

kann?<br />

Die wackeren WEGA-Männer jedoch,<br />

die bereit sind, ihr Leben im Kampf<br />

gegen echte Terroristen aufs Spiel zu<br />

setzen, kommen sich inzwischen möglicherweise<br />

arg missbraucht vor. Nach<br />

jahrelanger Observation müsste den<br />

Stellen, die den Einsatzbefehl erteilt<br />

haben, ja wohl klar gewesen sein, dass<br />

keinerlei gewaltsamer Widerstand zu<br />

erwarten war.<br />

Der VgT fasst weitere Ungereimtheiten<br />

zusammen und beschreibt die Situation<br />

folgendermaßen aus seiner Sicht:<br />

„Die Tierschutz-Kriminalität in Österreich<br />

ist sehr gering. Und trotzdem wurde<br />

entschieden, gerade hier in Österreich<br />

die größte und brutalste Polizeiaktion<br />

aller Zeiten gegen den Tierschutz zu inszenieren<br />

…“<br />

Ist es wirklich weit hergeholt, diese<br />

Polizeiaktion damit in Zusammenhang<br />

zu bringen, dass wir in Österreich<br />

die erfolgreichste Tierschutzbewegung<br />

der Welt haben, die das<br />

weltbeste Tierschutzgesetz durchsetzen<br />

konnte? Seit über einem Jahr<br />

werden systematisch die Telefone<br />

und Emailkontakte der aktivsten TierschützerInnen<br />

Österreichs überwacht.<br />

Zeitweilig wurden bis zu 20 Personen<br />

ständig observiert. Häuser wurden<br />

videoüberwacht, Wohnungen observiert,<br />

es gab Peilsender auf Autos, Abfragen<br />

über die Steuererklärung von<br />

20 TierschützerInnen bei der Steuerfahndung,<br />

Internetadressen wurden<br />

ausgeforscht, Kontos geöffnet …<br />

Hat man einfach zehn im Tierschutz<br />

besonders aktive Personen ausgewählt,<br />

um den Verdacht aufrecht erhalten<br />

zu können, es handle sich um eine<br />

kriminelle Organisation nach § 278a?


Protest gegen den nach dem 11. September 2001 verschärften § 278a, der es leichter macht, missliebige<br />

Personen der Mitgliedschaft in einer „kriminellen Organisation“ zu bezichtigen (Foto: P. Weish).<br />

Will man dem in den Augen mancher<br />

Betroffener zu erfolgreichen Tierschutz<br />

in Österreich einen Denkzettel verpassen?<br />

Nein, sagt das Innenministerium<br />

und führt aus: … Die … Maßnahmen<br />

richteten sich keinesfalls gegen den Tierschutz<br />

oder gegen Tierschutzorganisationen<br />

und stellen auch keineswegs auf<br />

eine Kriminalisierung des Themas „Tierschutz“<br />

oder deren VertreterInnen ab … 5<br />

Allerdings fühlen sich mehrere Vereine<br />

in ihrer praktischen Arbeit auf das<br />

Schwerste behindert. Dem VgT beispielsweise<br />

sollen nicht nur die Computer<br />

und Spenderdateien, sondern<br />

sogar die Schlüssel des Vereinsautos<br />

beschlagnahmt und bis heute nicht zurückerstattet<br />

worden sein.<br />

Was wirft man den Inhaftierten vor?<br />

Es hat den Anschein, dass es nicht viel<br />

Konkretes gibt. Bei einem Besuch in der<br />

Haftanstalt klagt einer der Inhaftierten,<br />

dass er zunächst erleichtert gewesen<br />

sei, als er Teile seines Aktes einsehen<br />

durfte und sicher war, die Anschuldigungen<br />

würden sich in Kürze als haltlos<br />

erweisen.<br />

„… Aber nachdem ich jetzt weiß, dass<br />

das offenbar reicht um eine nahezu<br />

2-monatige U-Haft zu verhängen, habe<br />

ich … verzweifelte Angst, dass auf derselben<br />

Basis ev. auch eine Verurteilung<br />

5 Aus einem Schreiben des BM.I vom 4. August 2008 an das Ökobüro.<br />

und eine mehrjährige Gefängnisstrafe<br />

erfolgen kann! Hier im Gefängnis wird<br />

ständig von Fällen erzählt, wo unschuldige<br />

Personen aufgrund haltloser oder<br />

konstruierter Vorwürfe teilweise mehrjährige<br />

Strafen absitzen müssen. Ich<br />

habe extreme Angst. Angst um meine<br />

Familie, Angst um mein Leben.“ 6<br />

Eine Reihe von Vorwürfen hatte sich<br />

schon bald als fragwürdig herausgestellt.<br />

Z. B. erwies sich der Brand einer Jagdhütte,<br />

zunächst den Tierschützern angelastet,<br />

als Folge eines unsachgemäß<br />

bedienten Ofens. Ein Interview einer<br />

amerikanischen Zeitung mit einem Tierschützer<br />

soll falsch übersetzt worden<br />

sein, als ob er kriminelle Straftaten zugegeben<br />

hätte. Ein Tierschützer, der in<br />

einer ORF- Sendung Filme aus Schweinefabriken<br />

zeigte, wurde deshalb zum<br />

Hauptverdächtigen, das Filmen wurde<br />

als Straftat einer kriminellen Organisation<br />

angeführt.<br />

Der empörte Aufschrei der österreichischen<br />

Öffentlichkeit lässt auf sich<br />

warten. Deren Aufmerksamkeit wird<br />

zunächst von der Fußballmeisterschaft<br />

in Anspruch genommen, geht dann<br />

nahtlos zum Benzinpreis über und<br />

wird schließlich zum Ärger über die<br />

6 Aus einem Schreiben des Christian Moser aus Tirol, der nunmehr schon fast 3 Monate in Wr. Neustadt inhaftiert ist.<br />

Was uns bewegt<br />

Bürgerprotest „für Recht und Ordnung, gegen<br />

Behördenterror“ (Foto P. Weish).<br />

Koalitionsregierung. Dazu kommt die<br />

gehässige Berichterstattung mancher<br />

Zeitungen.<br />

Fast mehr Echo gibt es aus dem Ausland.<br />

Prominente Persönlichkeiten aus<br />

Wissenschaft und Kultur, von zahlreichen<br />

UniversitätsprofessorInnen<br />

bis Nobelpreisträgerin Elfriede Jellinek<br />

und Barbara Rütting, populäre<br />

Schauspielerin und Alterspräsidentin<br />

im Bayrischen Landtag, geben ihrer<br />

tiefen Sorge um den Rechtsstaat Ausdruck.<br />

Vor dreißig österreichischen<br />

Botschaften in drei Kontinenten gibt<br />

es Protestkundgebungen. Amnesty International<br />

drückt in einer zwei Seiten<br />

langen Stellungnahme seine Besorgnis<br />

aus und „erinnert an die menschenrechtlich<br />

und gesetzlich verankerte Unschuldsvermutung“<br />

sowie daran, dass<br />

„der Terminus ,organisierte Kriminalität´<br />

durch eine Bereicherungsabsicht geprägt<br />

ist, …( die) … im vorliegenden Fall fehlt“.<br />

Er treffe also nur etwa für „Rauschgifthandel<br />

und -schmuggel, Waffenhandel,<br />

Zuhälterei, Prostitution, … Menschenhandel,<br />

… illegale Entsorgung von<br />

Sonderabfall“ und ähnliche Delikte zu.<br />

Amnesty International kritisiert auch,<br />

dass „die Akteneinsicht in einem Umfang<br />

beschränkt wurde, sodass selbst zum<br />

dringenden Tatverdacht und Haftgrund<br />

keine konkreten Informationen vorliegen<br />

bioskop 2/2008<br />

15


16<br />

Was uns bewegt<br />

und den Rechtsbeiständen somit … die<br />

notwendigen Informationen vorenthalten<br />

werden. 7 Die angesehene britische<br />

Tageszeitung The Guardian schließlich<br />

mutmaßt, die österreichische Tierschutzbewegung<br />

sei “too successful“<br />

gewesen, weil sie erzwungen hat, dass<br />

Österreich nun eines der “most progressive<br />

(countries) in the world on animal<br />

rights“ ist. Und die Zeitung berichtet,<br />

dass die Tierschützer gerade eine Kampagne<br />

zur Aufnahme des Tierschutzes<br />

in die österreichische Verfassung beginnen<br />

wollten, die nun aufs Eis gelegt<br />

werden muss. ”It is hard not to conclude<br />

that was not the objective of the police<br />

action.“ 8<br />

In der Tat konnte die österreichische<br />

Tierschutzbewegung in der jüngsten<br />

Vergangenheit eindrucksvolle Erfolge<br />

erzielen. Die teilweise drastischen Aktionen<br />

verschiedener Gruppen (z.B.<br />

durch Vorführung von mit versteckter<br />

Kamera aufgenommenen Filmen über<br />

entsetzliches Tierleid) haben vielen<br />

Menschen die Augen geöffnet und zu<br />

einer Sensibilisierung und einer Meinungsbildung<br />

beigetragen, die letztlich<br />

dazu führten, dass unser Land nun<br />

die weltweit besten Tierschutzgesetze<br />

in Bezug etwa auf Pelztierzüchtung,<br />

Zirkustiere, Kaninchenmast und Legebatterien<br />

besitzt.<br />

(Quelle: VgT)<br />

7 AI-Stellungnahme 4. Juni 2008.<br />

8 The Guardian June 5, 2008.<br />

9 Aus der Homepage der ALF-„Pressestelle“.<br />

bioskop 2/2008<br />

Haben einflussreiche Kreise befunden,<br />

es sei nun ein für allemal genug – es<br />

reicht? Neben der Kampagne zur Aufnahme<br />

des Tierschutzes in die Verfassung<br />

wollte etwa der VgT eine neue<br />

Schwerpunktarbeit der oft äußerst<br />

grausamen Schweinehaltung widmen –<br />

mit 700 Millionen Euro Umsatz pro Jahr<br />

eine der mächtigsten Agrar-Lobbys. Es<br />

ging auch um Veranstaltungen, wo den<br />

Sonntagsjägern Fasane vor die Flinte<br />

gescheucht worden sein sollen, die unter<br />

tierquälerischen Bedingungen extra<br />

dafür gezüchtet wurden. Oder um<br />

Unternehmen der Textil branche, die,<br />

nachdem Peek & Cloppenburg dem<br />

Tierschützer-Druck nachgegeben und<br />

auf Pelzwaren verzichtet hatte, rasch<br />

in die neue Marktlücke nachstoßen<br />

wollten.<br />

Mit ihrer konsequenten, erfolgreichen<br />

Arbeit haben sich die Tierschützer freilich<br />

mächtige Feinde geschaffen. Der<br />

Kreis der Personen, die mit Tierqual<br />

Geschäfte machen oder machten und<br />

die mit den Tierschutzorganisationen<br />

im Clinch liegen oder lagen – und auch<br />

schon Prozesse gegen sie verloren haben<br />

– reicht in höchste Gesellschaftsschichten.<br />

(Quelle: VgT)<br />

Ist es abwegig zu vermuten, dass der<br />

eine oder die andere seinen oder ihren<br />

Einfluss benützt hat, um die Behörden<br />

ein bisschen zu ermutigen? Um die<br />

zehn in die Mühlräder der Justiz hineinzuziehen,<br />

musste allerdings erst<br />

ein seit dem Anschlag auf die New<br />

Yorker Türme novellierter Paragraph<br />

bemüht werden, der Österreich gegen<br />

„kriminelle Vereinigungen“ schützen<br />

soll. Und der so weit gefasst ist, dass<br />

manche Beobachter fürchten, er ließe<br />

sich missbrauchen. Der grüne Abgeordnete<br />

Peter Pilz hat im „Standard“<br />

mit bitterem Humor den ernsten Kern<br />

nachgewiesen: Dass nämlich bei entsprechender<br />

Auslegung auch durchaus<br />

ehrenwerte Vereinigungen – genannt<br />

wird die ÖVP – Opfer einer solchen Aktion<br />

werden könnten.<br />

Diese kriminelle Vereinigung soll nun<br />

im Fall der Tierschützer – unbewiesen –<br />

gar eine internationale sein – „ALF“, die<br />

„Animal Liberation Front“. Die tritt tatsächlich<br />

in angelsächsischen Ländern<br />

auf als Name und Phantom. Sie hat<br />

zwar eine „Pressestelle“ in Kalifornien,<br />

organisiert aber keine Aktionen. Das<br />

tun Einzelpersonen, die der Pressestelle<br />

nicht bekannt sind und die sich zu<br />

den im Lauf der Zeit herauskristallisierten<br />

Richtlinien bekennen. Dabei hat<br />

die Gewaltlosigkeit gegenüber Menschen<br />

hohe Priorität. Allerdings auch<br />

die wirtschaftliche Schädigung von<br />

Tierquälern.<br />

• To liberate animals from places of abuse,<br />

i.e., laboratories, factory farms,<br />

fur farms, etc., and place them in good<br />

homes where they may live out their<br />

natural lives, free from suffering.<br />

• To inflict economic damage to those<br />

who profit from the misery and exploitation<br />

of animals.<br />

• To reveal the horror and atrocities committed<br />

against animals behind locked<br />

doors, by performing direct actions<br />

and liberations.<br />

• To take all necessary precautions<br />

against harming any animal, human<br />

and non-human. 9<br />

Selbst wenn sich also jemand in Österreich<br />

von solchen Ideen angesprochen<br />

fühlen sollte, wäre “Terrorist” wohl<br />

eine eher unpassende Anwendung<br />

des Wortes. Ist ein „Terrorist“ sorgsam<br />

darauf bedacht, die körperliche Un-


versehrtheit von Mensch und Tier zu<br />

respektieren? Echter „Ökoterrorismus“,<br />

bei dem Menschen getötet oder verletzt<br />

werden, ist extrem selten. 10<br />

Stimmt nach all dem Gesagten der Eindruck,<br />

dass in unserem Land mächtige<br />

Kräfte versuchen, unsere nach dem Zusammenbruch<br />

der Naziherrschaft und<br />

dem Abzug der Russen errungenen<br />

bürgerlichen Freiheiten wieder abzubauen?<br />

Kann man es einem Beobachter<br />

verübeln, wenn er meint, Unternehmer<br />

könnten sich jetzt schon Strafverfahren<br />

gegen Kritiker bestellen? Riskiert bald<br />

jeder, der sich ökologisch oder humanitär<br />

engagiert und dabei irgendwelche<br />

Geschäftsinteressen tangiert, eine<br />

krass überzogene behördliche Aktion,<br />

die seine Berufslaufbahn, seine Lebensplanung,<br />

seine zwischenmenschlichen<br />

Beziehungen, ja sogar sein Leben 11 gefährdet?<br />

Engagement für Umwelt- oder Tierschutz<br />

ist zwar selten für „die Wirtschaft“<br />

generell von Schaden, aber<br />

Geschäftsinteressen können dabei<br />

immer wieder berührt werden. In diesem<br />

Sinne hätte schon Josef Schöffel<br />

kaltgestellt werden müssen, als er den<br />

Wienerwald vor der Abholzung rettete,<br />

und auch viele von uns Lebenden, ob<br />

wir nun die Autobahnbrücke über den<br />

Neusiedlersee oder die Kraftwerke<br />

Zwentendorf und Hainburg verhindert<br />

oder die Risken der Gentechnik beleuchtet<br />

haben.<br />

Als Väter können sich die Autoren in die<br />

Verzweiflung jener Eltern hineinversetzen,<br />

deren Söhne oder Töchter nun<br />

schon drei Monate wegen Lappalien<br />

oder vielleicht sogar völlig unschuldig<br />

zusammen mit Schwerverbrechern in<br />

jenen Teilen der Gefängnisse einsitzen,<br />

in denen Besuche nur zweimal pro<br />

Woche je eine halbe Stunde gestattet<br />

sind, getrennt durch Glaswände, nur<br />

durch ein Telefon mit dem jeweiligen<br />

Besucher verbunden …<br />

Beklemmende Zukunftsvision: Werden<br />

uns unsere Enkel einmal fragen,<br />

wie wir es zulassen konnten, wenn<br />

einflussreiche Interessensgruppen die<br />

Medien, die Justiz und die Exekutive<br />

für ihre Zwecke umfunktioniert haben?<br />

Wir hätten nicht wie einst unsere eigenen<br />

Großeltern die Ausrede, dass ja<br />

jegliches Aufbegehren existenzgefährdend<br />

gewesen wäre. Noch nicht. Oder<br />

doch schon?<br />

Jedenfalls scheint es an der Zeit, sich<br />

an das Vermächtnis des lutheranischen<br />

Pastors Martin Niemöller zu erinnern,<br />

der nach einer Periode der Begeisterung<br />

für den Nationalsozialismus zum<br />

Widerstandskämpfer und KZ-Häftling<br />

wurde:<br />

„Als die Nazis die Kommunisten holten,<br />

habe ich geschwiegen, ich war ja kein<br />

Kommunist. Als sie die Sozialisten einsperrten,<br />

habe ich geschwiegen, ich war<br />

ja kein Sozialist. Als sie die Gewerkschafter<br />

holten, habe ich geschwiegen, ich war<br />

ja kein Gewerkschafter. Als sie die Juden<br />

einsperrten, habe ich geschwiegen, ich<br />

war ja kein Jude. Als sie mich holten, gab<br />

es keinen mehr, der protestieren konnte.“<br />

Autoren und Kontakt :<br />

univ.-Lektor mag. Dr.<br />

Gernot neuwirth<br />

war Lehrbeauftragter für Englisch<br />

und für Umweltpolitik an der<br />

Wirtschaftsuniversität Wien<br />

neuwirth@wu-wien.ac.at<br />

univ.-Doz. Dr. Peter Weish<br />

Forum Wissenschaft & Umwelt<br />

peter.weish@univie.ac.at<br />

Soldaritätskonten:<br />

Verband Österr. Tierschutz organisationen,<br />

Kontonr.: 1771400, PSK (BLZ 60 000),<br />

IBAN: AT90 6000 0000 0177 1400,<br />

BIC: OPSKATWW, Kennwort „Freiheit“<br />

Rechtshilfe: Kontonr.: 01920013682,<br />

BLZ 14 000, Kontoinhaberin: Grünalternative<br />

Jugend Wien, Zweck: Antirep 2008,<br />

IBAN: AT551400001920013682, BIC: BAWAATWW<br />

10 Die Autoren erinnern sich in diesem Zusammenhang nur an den „Unabomber“, einen wüst aussehenden,<br />

hochintelligenten aber halbverrückten ehemaligen amerikanischen Forscher, der zwischen<br />

1978 und 1995 seine Briefbomben und sein wirres ökologisch-soziales Manifest vorwiegend<br />

an Universitätslehrer verschickte und damit drei von ihnen tötete.<br />

11 DDr. Balluch war wochenlang im Hungerstreik, um auf die ihm verwehrte komplette Akteneinsicht<br />

hinzuweisen.<br />

Was uns bewegt<br />

DAS LEITBILD DER<br />

AUSTRIAN BIOLOgIST ASSOCIATION<br />

Die ABA ist eine Vereinigung von BiologInnen<br />

und in biologischen Berufen Tätigen.<br />

• Unser Ziel ist, die Belange der Mitglieder<br />

zu vertreten und die Biologie zum Nutzen<br />

der Gesellschaft und deren Umwelt in der<br />

Republik Österreich und der Europäischen<br />

Union in Theorie und Praxis zu fördern.<br />

• Wir verstehen uns als Kommunikationsforum<br />

für alle BiologenInnen, egal welcher<br />

beruflichen Orientierung.<br />

• Wir leisten und fördern Öffentlichkeits- und<br />

Bildungsarbeit im Sinne unseres Leitbildes,<br />

unter anderem durch Herausgabe der Zeitschrift<br />

„bioskop“.<br />

• Wir beziehen Stellung zu aktuellen Themen,<br />

entwickeln Konzepte und beraten Entscheidungsträger<br />

der Gesellschaft.<br />

• Wir bekennen uns zu einem zukunftsverträglichen,<br />

nachhaltigen und friedlichen<br />

Lebensstil unter gleichberechtigten Menschen,<br />

die Bewahrung des biologischen<br />

Welt-Erbes ist unser Anliegen. Wir unterstützen<br />

daher Aktivitäten im Natur- und<br />

Umweltschutz sowie zur Förderung von<br />

Gesundheit und Wohlergehen auf personaler,<br />

sozialer und ökologischer Ebene.<br />

• Im Sinne eines berufsübergreifenen Zusammenwirkens<br />

setzt sich der Vorstand aus<br />

Vertretern möglichst vieler verschiedener<br />

Sparten biologischer Berufe zusammen.<br />

Der Vorstand sucht unter Nutzung moderner<br />

Informationstechnologien die ständige<br />

Kommunikation mit allen Mitgliedern und<br />

anderen Organisationen.<br />

• Die zur Realisierung der Aufgaben notwendigen<br />

Mittel beschaffen wir über Mitgliedsbeiträge,<br />

Vertrieb der Zeitschrift „bioskop“<br />

und Förderungen.<br />

Mittel- und langfristige Ziele:<br />

• Aufstocken des Mitgliederstandes durch<br />

Herantreten an alle in Berufen mit biologischem<br />

Schwerpunkt Tätigen, um Forderungen<br />

und Positionspapieren das nötige<br />

Gewicht zu verleihen.<br />

• Erarbeitung von Positionspapieren zu der<br />

derzeitigen Situaton, die durch ein allgemeines<br />

Zurückdrängen der Biologie gekennzeichnet<br />

ist.<br />

• Definitionen von Berufsbildern sowie Abgrenzungen<br />

zu übergreifenden Fachdisziplinen.<br />

• Schaffung einer Standesvertretung der biologischen<br />

Berufe auf nationaler und europäischer<br />

Ebene.<br />

• Gesetzlich verankertes Mitspracherecht in<br />

den Bereichen Bildung, Ausbildung und<br />

Berufsbilder.<br />

bioskop 2/2008<br />

17


18<br />

Focus<br />

„Wer hat dich, du schöner Wald,<br />

Aufgebaut so hoch da droben?“<br />

So beginnt Eichendorffs „Der Jäger<br />

Abschied“ und bis jetzt war die Antwort<br />

völlig klar: nach der Eiszeit eroberten<br />

in Form einer klassischen<br />

Sukzession verschiedene Baumarten<br />

Mitteleuropa und bildeten, je nach<br />

Klima, verschiedenartige Wälder aus.<br />

Diese nacheiszeitliche Geschichte der<br />

Wälder ist allgemein gut bekannt: vergl.<br />

POTT (1999) für Nordwestdeutschland,<br />

KRAL (1972) für den Ostalpenraum).<br />

Die Grundlagen dazu lieferten<br />

FIRBAS (1949) und ELLENBERG (1978,<br />

1996), dessen Standardwerk mit jeder<br />

Neuauflage Ergänzungen zu diesem<br />

Thema enthält.<br />

� Bernt Ruttner<br />

-----------------------------------------------------<br />

Parallel zu den Veränderungen in der<br />

Flora kommt es auch zu einem Faunenaustausch<br />

und zum lokalen Aussterben<br />

vieler Säugetierarten. Arten, die<br />

im letzten Interglazial noch vorkamen,<br />

besiedelten in der Nacheiszeit Europa<br />

nicht mehr. „Waldelefant und Waldnashorn<br />

kann man sich mit einiger Phantasie<br />

unter den heutigen Klimaverhältnissen<br />

vorstellen, aber das Vorkommen<br />

bestimmter Arten, wie Flusspferd und<br />

Wasserbüffel, am Rhein wirkt sehr exotisch.<br />

(KÖNIGSWALD 2002, S 142)“<br />

Es gilt also der Frage nachzugehen,<br />

ob die Bewaldung und die Besiedlung<br />

durch die Wildfauna tatsächlich so passiert<br />

ist oder ob es ganz andere Vorstellungen,<br />

vorzugsweise von BEUTLER<br />

und GEISER dargestellt und als „Megaherbivoren-Theorie“<br />

bezeichnet, richtig<br />

ist.<br />

Woher beziehen wir unser Wissen<br />

über die frühere Vegetation?<br />

Die wohl wichtigste Quelle ist die<br />

Pollenanalyse. Moore und Seen sind<br />

„Archive der Vegetationsgeschichte“<br />

(vergl. STRAKA 1973). Dabei ist auch<br />

die Problematik der Analyse durchaus<br />

bekannt. Schon STRAKA stellt die Frage:<br />

„Inwieweit gibt das Pollenspektrum<br />

die Vegetation der Umgebung der<br />

Probenentnahmestelle wieder? (S 52)“<br />

Sowohl die Pollenproduktion als auch<br />

bioskop 2/2008<br />

wALD ODER NICHT wALD – DAS IST HIER DIE fRAgE<br />

die Pollenausstreuung der einzelnen<br />

Arten ist sehr unterschiedlich. Insektenbestäubende<br />

Pflanzen kommen<br />

überhaupt ganz selten vor. Hasel, Kiefer<br />

und Birke streuen große Mengen an<br />

Pollen aus, Rotbuche, Eiche, Ulme und<br />

Linde nur wenige. Einzelne Pollenkörner<br />

können große Strecken, auch tausende<br />

Kilometer, zurücklegen, andere<br />

wieder nur ganz kurze. Auch die Erhaltung<br />

der Pollenkörner ist unterschiedlich.<br />

Lärche, Eibe und Wacholder zersetzen<br />

sich schneller als andere Arten.<br />

Dennoch kann man durch Vergleiche<br />

mit rezenten Oberflächenproben an<br />

der arktischen oder alpinen Waldgrenze<br />

Kriterien für die Waldfreiheit einer<br />

Landschaft gewinnen. Eine Zunahme<br />

von Nichtbaumpollen über einen<br />

gewissen Anteil zeigt eine waldfreie<br />

Vegetation an (Abb. 1). Die zeitliche<br />

Datierung erfolgt meist mit der C14-<br />

Methode, wodurch man klare absolute<br />

Zeitangaben erhält. Insgesamt zeigt<br />

sich, dass die Pollenanalyse ein recht<br />

gutes Bild der damaligen Verhältnisse<br />

liefern kann, wie auch Vergleiche in<br />

historischer Zeit zeigen. „ Moorprofile<br />

werden auch zur Klimarekonstruktion<br />

eingesetzt, die Information, die sie<br />

über die Vegetation liefern, ist aber<br />

ebenso wichtig (WINIWARTER, KNOLL<br />

2007, S 106). So konnten die Paläobotaniker<br />

doch ein recht genaues Bild<br />

der Vegetationsentwicklung nach der<br />

Eiszeit liefern. „Die Ergebnisse ließen<br />

nicht nur Rückschlüsse auf Moorbildungen<br />

und das Vorrücken der Wälder<br />

nach dem Zurückweichen des Eises zu,<br />

sondern auch Aussagen über den Beginn<br />

und den Grad der Abholzung mitteleuropäischer<br />

Wälder, denn seit dem<br />

Mittelalter nahm der Anteil der Pollen<br />

von Kräutern im Verhältnis zum Anteil<br />

der Pollen von Bäumen stetig zu“(1).<br />

Weitere Quellen stellen die Methoden<br />

der Klimaforschung dar, da ja die Vegetation<br />

auch immer ein Abbild des herrschenden<br />

Klimas ist. Die Messungen<br />

des Sauerstoffisotopen-Verhältnisses<br />

in Eisbohrkernen gibt genauere Einblicke<br />

in die Dauer der verschiedenen<br />

Warm- und Kaltzeiten (vergl. KÖNIGS-<br />

WALD 2002, S 31, Abb. 2). Derzeit kann<br />

die Temperatur bis zu 400.000 Jahre zu-<br />

Abb. 1 aus WEISSENBACHER / FUCHS: In diesem<br />

Ausschnitt eines Pollendiagramms aus dem<br />

Gerlhamer Moor in OÖ ist das Zusammenspiel<br />

Baumpollen und Nichtbaumpollen besonders<br />

deutlich erkennbar.<br />

rückverfolgt werden. Dendrochronologie<br />

und Warventone liefern Proxidaten<br />

zur Klimageschichte.<br />

Insgesamt bietet sich also ein sehr<br />

vielfältiges und genaues Bild unserer<br />

Vegetations- und Klimageschichte an.<br />

Ergänzt wird dieses Wissen noch durch<br />

Fossilfunde, die uns über die faunistischen<br />

Veränderungen Auskunft geben.<br />

Wald oder Park?<br />

Im letzten Interglazial, vor ca. 120.000<br />

Jahren war es während seines Optimums<br />

um 2-3°C wärmer als heute.<br />

Mitteleuropa war – nach der vorherrschenden<br />

Meinung – mit laubabwerfenden<br />

Wäldern bedeckt. Nur entlang<br />

der Flüsse gab es größere, zusammenhängende<br />

Grasfluren. Neben uns bekannten<br />

Tieren, wie Reh, Wildschwein,<br />

Wisent und Auerochse traten auch Ele


Abb. 2: Ergebnisse d. Pollenanalyse werden durch andere Methoden bestätigt (aus: KOENIGSWALD).<br />

fant, Flusspferd und Wasserbüffel auf.<br />

Auch Löwe und Hyänen waren zu finden.<br />

So ist es wahrscheinlich leicht, sich eher<br />

eine afrikanische Savanne vorzustellen,<br />

als einen flächendeckenden mitteleuropäischen<br />

Laubwald. Allerdings ist diese<br />

Assoziation nicht stichhältig, weil Savannen<br />

durch ein völlig anderes Klima<br />

geprägt werden. REMMERT (1998) listet<br />

die entscheidenden Faktoren auf: Jährliche<br />

Trockenperioden, Wechsel von Trocken-<br />

und Regenperioden, Häufigkeit<br />

von Feuern, Nährstoffbedingungen.<br />

Alle diese Faktoren treffen für Mitteleuropa<br />

nicht zu. Unterstützt wird die<br />

Annahme eines flächendeckenden<br />

Waldes durch Pollenspektren, in denen<br />

die Graslandarten deutlich zurücktreten.<br />

Freilich wird es immer wieder offene<br />

Landflächen im Bereich von Flüssen,<br />

Windwürfen an Geländekanten etc.<br />

gegeben haben. BEUTLER reklamiert<br />

besonders für Südbayern aber auch<br />

für Nordwestdeutschland einen hohen<br />

Anteil von waldfreien Flächen „Der Anteil<br />

von Offenland dürfte damals, z. B.<br />

im Holstein- oder im Eem-Interglazial,<br />

jedoch hoch gewesen sein“ (Abb. 2).<br />

Gegen diese Überlegungen sprechen<br />

allerdings neuere Forschungen aus Irland<br />

(Abb. 3): „Mitchell hatte frühzeitlichen<br />

Pollen aus Irland mit Pollen vom<br />

europäischen Kontinent verglichen und<br />

keine Unterschiede festgestellt, obwohl<br />

in Irland zu damaligen Zeiten zwar<br />

Wildschweine, aber keine Weidetiere<br />

lebten“.<br />

Freilich dürfen wir die eemzeitlichen,<br />

aber auch die holozänen Wälder nicht<br />

mit den jetzigen Wirtschaftswäldern<br />

vergleichen. Nach dem Mosaik-Zyklus-<br />

Konzept gibt es in den Wäldern ein<br />

dichtes Nebeneinander von Initial-, Verjüngungs-<br />

und Zerfallsphasen. Untersuchungen<br />

dazu gibt es im niederösterreichischen<br />

„Rothwald“ und im Urwald<br />

von Bialowieza (REMMERT, 1998, S 120).<br />

Bei näherer Betrachtung verwischen<br />

sich also die starren Grenzen der Ökosysteme<br />

Wald und offenes Land.<br />

„So klar die ökologischen Unterschiede<br />

zwischen Wald und Offenland sind: Die<br />

Grenzen zwischen den Ökosystemen<br />

Focus<br />

der Wälder und des offenen Landes sind<br />

in der Natur keineswegs so klar ausgebildet.<br />

Von Natur aus bestehen statt<br />

scharfer Waldränder meistens Gradienten<br />

zwischen bewaldetem und offenem<br />

Land. Unter natürlichen Bedingungen<br />

bleibt der Gradient in seiner Lage nicht<br />

stabil, denn der Wald dehnt sich vermittels<br />

Sukzession ins offene Land aus. Diese<br />

Sukzession ist reversibel, denn auch<br />

das offene Land kann sich ausbreiten<br />

(KÜSTER 2005, S 74 f)“.<br />

Wie ist das mit dem Weidedruck?<br />

Die Entstehung einer steppenartigen<br />

Parklandschaft wird meist mit dem<br />

Weidedruck großer Pflanzenfresser begründet<br />

(Abb. 3). Die Analogie zu den<br />

Savannen ist verführerisch, aber meines<br />

Erachtens falsch. Die riesigen Tierherden<br />

der Serengeti folgen den saisonalen Regengebieten<br />

– wo anders könnten sie<br />

nicht überleben. In Mitteleuropa gab es<br />

keinen Grund zu wandern, die Ressourcen<br />

waren einigermaßen gleich verteilt,<br />

die Wilddichte wird sich auf ein ökologisch<br />

vernünftiges Maß eingependelt<br />

haben. Die Einschätzung über die Bedeutung<br />

der Groß-Pflanzenfresser klafft<br />

bioskop 2/2008<br />

19


20<br />

Focus<br />

Abb. 3: Die nacheiszeitlichen Großsäuger (aus: KOENIGSWALD).<br />

auch in der einschlägigen Literatur auseinander.<br />

REMMERT (1998) meint, „dass<br />

diese Rinder zusammen mit anderen<br />

Herbivoren – vor ihrer Dezimierung<br />

durch den Menschen – die Struktur des<br />

Waldes und die Verteilung von Offenland<br />

und Wald in der Landschaft erheblich<br />

beeinflusst haben (S 136)“. Er geht<br />

davon aus, dass Lichtungen und Jungwuchsflächen<br />

durch die stärkere Beweidung<br />

frei gehalten wurden.<br />

BICK (1999) dagegen geht davon aus,<br />

dass Wirbeltiere im Phytophagensystem<br />

von Buchenwaldökosystemen<br />

keine große Bedeutung hinsichtlich<br />

des Stoff- und Energieumsatzes haben<br />

(S 91). Erst wenn die Bestandsdichte<br />

überschritten wird, beeinflussen sie das<br />

Ökosystem. Das heißt, es müssten sich<br />

– aus welchen Gründen auch immer –<br />

Konzentratselektierer<br />

(browser)<br />

bioskop 2/2008<br />

Intermediärtyp<br />

(browser and grazer)<br />

Reh Elch Gämse Rothirsch<br />

Tabelle (nach BICK).<br />

Wisent Damhirsch<br />

Hausziege<br />

riesige Herden gebildet haben, um den<br />

Wald in eine Parklandschaft zu verwandeln.<br />

Wenn man die Produktionskraft<br />

der Savanne mit dem des sommergrünen<br />

Waldes vergleicht, so müsste der<br />

Wildtierbestand ungleich größer als<br />

jetzt in der Savanne sein, und dieser ist<br />

schon beträchtlich. Die derzeitige Ursache<br />

für die überhöhten Wildbestände<br />

sieht BICK in den landwirtschaftlichen<br />

Nutzflächen im Kontaktbereich zu den<br />

Wäldern, die es damals nicht gab. Untersucht<br />

man den Wildbestand nach seinen<br />

Ernährungsarten, so stellt man fest,<br />

dass in unseren Wäldern, auch hier im<br />

Gegensatz zur Savanne vor allem Konzentratselektierer<br />

bzw. intermediäre Typen<br />

(browser and grazer) zu finden sind,<br />

Gras – und Rauhfutterfresser gibt es nur<br />

wenige (vergl. Tabelle). Tatsächlich hat<br />

eine Studie ergeben, dass der Rothirsch<br />

Gras- u. Rauhfutterfresser<br />

(grazer)<br />

Mufflon Auerochse<br />

Hausschaf Hausrind<br />

nur 2,7% der Nettoprimärproduktion<br />

verbraucht. Erst bei überhöhtem Besatz<br />

gibt es drastische Beeinflussungen<br />

der Pflanzenwelt. Und wie sollte dieser<br />

überhöhte Besatz in einer kulturlandschaftsfreien<br />

Szene zustande gekommen<br />

sein?<br />

Da Fossilfunde recht spärlich sind, geht<br />

KÖNIGSWALD (2002) davon aus, dass<br />

jeder Wert zur Bestandsdichte reine<br />

Spekulation ist. Zwischen dichten Herden<br />

und vereinzeltem Vorkommen<br />

kann jeder Wert angenommen werden<br />

(S 142). Er interpretiert den nacheiszeitlichen<br />

Faunenwechsel als Arealverschiebungen<br />

von Populationen und<br />

unterscheidet dies streng von jahreszeitlichen<br />

Tierwanderungen (Abb. 4).<br />

Die nacheiszeitlichen Klimaschwankungen<br />

waren viel zu häufig, bzw. kurz<br />

dauernd um Auswirkungen auf die Evolution<br />

zu haben.<br />

So ergibt sich nun ein Gesamtbild, das<br />

sich doch von der von GEISER geforderten<br />

Weidelandschaft unterscheidet.<br />

Kleinflächig und mosaikartig mögen<br />

diese Szenarien wohl stimmig sein, auf<br />

eine gesamte Betrachtung Mitteleuropas<br />

ausgerichtet aber eher nicht.


Abb. 4: Das Modell des Faunentausches. Mitteleuropa war kein Kerngebiet , weder der kaltzeitlichen, noch der warmzeitlichen Fauna (aus: KOENIGSWALD).<br />

Was sonst noch auffällt<br />

Der besagte Artikel von GEISER bietet<br />

sicher interessante Ansätze, allerdings<br />

ist manchmal seine Fixierung auf eine<br />

großflächige Weidelandschaft der Diskussion<br />

hinderlich. Sein fast schon<br />

apokalyptischer Zorn auf die Pflanzensoziologie<br />

verhindert die sachliche<br />

Auseinandersetzung. Er träumt von<br />

einer Weide-Urlandschaft als dem natürlichen<br />

ökologischen System Mitteleuropas.<br />

Wenn diese Übereinstimmung<br />

Weide – Urlandschaft stimmt, verstehe<br />

ich das abschließende Konzept nicht,<br />

wo GEISER extensive, naturnahe Weidewirtschaft<br />

und reine Naturbereiche<br />

trennt – es müsste ja ohnehin dasselbe<br />

sein. Weiters fällt mir auf, dass – auch<br />

im Internet – von einer „Megaherbivoren-Theorie“<br />

gesprochen wird. Wissenschaftstheoretisch<br />

ist diese Überlegung<br />

bestenfalls eine Hypothese, die erst<br />

noch durch „harte“ Fakten belegt werden<br />

sollte.<br />

Überraschend ist, dass diese Hypothese<br />

auch von Kreationisten vereinnahmt<br />

wird, wie ich im Rahmen meiner Recherchen<br />

feststellen musste. Sie bedauern<br />

aber ausdrücklich, dass leider das göttliche<br />

Wirken in der Naturgeschichte ausgeklammert<br />

wurde.<br />

Insgesamt zeigt sich, dass einer durchaus<br />

interessanten Idee noch zu wenige<br />

„harte“ Fakten zur Untermauerung fehlen,<br />

dass manchmal ein Wunschbild von<br />

der „Urnatur“ zum Argumentationsziel<br />

wurde und alle Einsprüche dagegen<br />

locker vom Tisch gewischt werden.<br />

ELLENBERG (1996) hat sich mit diesen<br />

Argumenten gründlich auseinandergesetzt,<br />

immerhin listet er alle Argumente<br />

von GEISER auf. Für die Naturschutzpraxis<br />

und das Wildtiermanagement sind<br />

sicher einige Überlegungen wichtig.<br />

Literatur:<br />

BICK, Hartmut (1999): Grundzüge der Ökologie.<br />

Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg<br />

ELLENBERG, Heinz (1978, 1996): Vegetation Mitteleuropas<br />

mit den Alpen in ökologischer, dynamischer<br />

und historischer Sicht. Verlag Ulmer,<br />

Stuttgart<br />

GEISER, Remigius (1992): Auch ohne Homo sapiens<br />

wäre Mitteleuropa von Natur aus eine halboffene<br />

Weidelandschaft. Aus: Wald oder Weideland.<br />

Zur Naturgeschichte Mitteleuropas. Laufener Seminarbeiträge<br />

2/92, S 22-34, Bayrische Akademie<br />

f. Naturschutz u. Landschaftspflege (ANL), Laufen<br />

a. d. Salzach (Hrsg.)<br />

MAYER, Hannes (1974): Wälder des Ostalpenraumes.<br />

G. Fischer, Stuttgart<br />

KRAL, Friedrich (1972): Grundlagen zur Entstehung<br />

der Waldgesellschaften im Ostalpenraum. In:<br />

Focus<br />

FRENZEL, Burkhard (Hrsg.): Vegetationsgeschichte<br />

der Alpen, G. Fischer Stuttgart (S 173-185)<br />

KOENIGSWALD, Wighart v. (2002): Lebendige Eiszeit.<br />

WBG Darmstadt<br />

KROMP-KOLB, Helga; FORMAYER, Herbert (2005):<br />

Schwarzbuch Klimawandel. ecowin, Salzburg<br />

KÜSTER, Hansjörg (2005): Das ist Ökologie. C.H.<br />

Beck, München<br />

POTT, Richard (1999): Nordwestdeutsches Tiefland<br />

zwischen Ems und Weser. E. Ulmer, Stuttgart<br />

REMMERT, Hermann (1998): Terrestrische Systeme.<br />

Springer, Berlin Heidelberg<br />

STRAKA, Herbert (1973): Pollenanalyse. In: Biologie<br />

in unserer Zeit, 3. Jg. April 1973, S 50-60, Verlag<br />

Chemie, Weinheim<br />

WEISSENBACHER, Herbert; FUCHS Rudolf (1996):<br />

Naturschutzgebiet Gerlhamer Moor. ÖNJ BG Vöcklabruck<br />

(Hrsg.).<br />

WINIWARTER, Verena; KNOLL, Martin (2007): Umweltgeschichte.<br />

Böhlau, Köln Weimar Wien<br />

Verwendete Internetadressen:<br />

www.biologie.uni-hamburg.de/b-online/<br />

d56/56g.htm (2.5.08)<br />

home.arcor.de/limnologie/Beutler.htm (2.5.08)<br />

www.wissenschaft.de/wissenschaft/news/<br />

248105.html (2.5.08)<br />

Autor und Kontakt:<br />

Dr. Bernt Ruttner<br />

BRG Schloss Wagrain, Schlossstraße<br />

31, 4840 Vöcklabruck<br />

b.ruttner@aon.at<br />

bioskop 2/2008<br />

21


22<br />

Didaktik<br />

Das internationale Projekt „Plant Science<br />

Gardens“ wurde im Oktober 2005<br />

gestartet. Die Website: „Pflanzenforscher<br />

unterwegs … in der Schule und<br />

im Botanischen Garten“ (www.plantscafe.net)<br />

und die Veröffentlichung<br />

des gleichnamigen Buches sowie der<br />

CD-Rom in den vier Projektsprachen<br />

(Bulgarisch, Deutsch, Englisch, Italienisch)<br />

im Dezember 2007 bildeten<br />

den erfolgreichen Abschluss (Kapelari<br />

et al 2006).<br />

� Suzanne Kapelari<br />

� christian Bertsch<br />

-----------------------------------------------------<br />

Finanziert aus Budgetmittel des EU 6.<br />

Framework Program, Science and Society,<br />

haben sich 5 Partnerorganisationen<br />

aus verschiedenen Teilen Europas<br />

zusammengefunden, um einerseits gemeinsam<br />

die nun vorliegenden Unterrichtsmaterialien<br />

zu entwickeln und<br />

andererseits ein starkes Netzwerk zwischen<br />

LehrerInnen, VertreterInnen regionaler<br />

Schulbehörden, Botanischen<br />

Gärten und Universitäten aufzubauen.<br />

Dieses Netzwerk wird nun die nachhaltige<br />

Verwendung dieser innovativen<br />

Lehr- und Lernmaterialien vorantreiben<br />

und weiter gemeinsame Projekte<br />

initiieren.<br />

„Plant Science Gardens“ wurde vom Institut<br />

für Botanik der Universität Innsbruck<br />

Österreich koordiniert. Projektpartner<br />

waren der Botanische Garten<br />

der Universität Sofia, Bulgarien, das<br />

bioskop 2/2008<br />

PfLANZENfORSCHER UNTERwEgS,<br />

IN DER SCHULE UND IM BOTANISCHEN gARTEN<br />

SchülerInnen zwischen 8-12 Jahren erforschen Pflanzen<br />

und gewinnen einen Einblick in naturwissenschaftliche Denk- und Arbeitsweisen<br />

Naturhistorische Museum in Trient , Italien,<br />

das Institute of Education der London<br />

University, England und die Royal<br />

Botanic Gardens Kew, England.<br />

Ziele<br />

VolksschülerInnen und SchülerInnen<br />

der Sekundarstufe 1 in ganz Europa<br />

und im Speziellen in den Partnerländern<br />

können die Welt der Pflanzen mit<br />

Hilfe innovativer und spannender Lehr-<br />

und Lernmethoden selbst erforschen.<br />

Das Interesse junger Leute für Wissenschaften<br />

ganz allgemein, für Pflanzen<br />

im Speziellen sowie für wissenschaftliche<br />

Ausbildungs- und Karrieremöglichkeiten<br />

soll geweckt werden.<br />

Ausgangssituation<br />

Wissenschaftliche Studien haben gezeigt,<br />

dass sich VolksschullehrerInnen<br />

in ihrem naturkundlichen Unterricht<br />

lieber mit Themenbereichen aus der<br />

Tierwelt befassen und sich im Reich<br />

der Pflanzen weniger sicher fühlen<br />

(Wandersee, J. and Clary, R. 2006).<br />

Gerade heute, wo sich ändernde Umweltbedingungen<br />

und der Rückgang<br />

der Artenvielfalt wichtige Themen<br />

des öffentlichen Interesses sind, ist es<br />

aber wichtig, dass junge Menschen die<br />

Rolle der Pflanzen im Ökosystem Erde<br />

verstehen, um an dieser Diskussion kritisch<br />

teilhaben zu können.<br />

Zu Beginn des Projektes wurden deshalb<br />

120 LehrerInnen aus 60 verschieden<br />

Volksschulen in den vier Europäischen<br />

Ländern befragt, um herauszufinden,<br />

was Volksschulkinder derzeit schon alles<br />

über Pflanzen lernen, was der Grund<br />

sein könnte, warum pflanzenbezogene<br />

Themen weniger unterrichtet werden,<br />

was LehrerInnen benötigen würden,<br />

um botanische Themen aufzugreifen<br />

und wenn sie es tun, welche Themen<br />

sie besonders interessieren.<br />

Die befragten LehrerInnen äußerten<br />

den Wunsch, Materialien zur Hand zu<br />

haben, die sie unmittelbar im Unterricht<br />

einsetzen können. Die Unterlagen<br />

sollten leicht verständlich sein und<br />

kompakt zusammengefasste Hintergrundinformationen<br />

enthalten. Auch<br />

sollten sie die SchülerInnen für das<br />

Thema begeistern und zum Lernen<br />

motivieren.<br />

Innovative Lehr- und Lernmethoden<br />

(Inquiry based learning)<br />

Aufbauend auf die Grundprinzipien<br />

des „forschenden Lernens“ wurden<br />

vom Institute of Education der London<br />

University, den Botanischen Gärten<br />

und dem Naturhistorischen Museum<br />

innovative Unterrichtsmethoden neu<br />

entwickelt und zusammengetragen,<br />

um SchülerInnen auf ihrem Weg zur<br />

Erlangung einer „Naturwissenschaftlichen<br />

Grundbildung (Scientific Literacy)“<br />

zu unterstützen.<br />

OECD - PISA (Programme for International<br />

Student Assessment) 2006: „Naturwissenschaftliche<br />

Kompetenzen für<br />

die Welt von morgen“ definiert naturwissenschaftliche<br />

Grundbildung wie<br />

folgt:<br />

„Naturwissenschaftliche Grundbildung<br />

umfasst, das naturwissenschaftliche<br />

Wissen einer Person und deren Fähigkeit,<br />

dieses Wissen anzuwenden, das<br />

Verständnis der charakteristischen Eigenschaften<br />

der Naturwissenschaften<br />

als eine Form menschlichen Wissens<br />

und Forschens und die Fähigkeit zu<br />

erkennen, wie Naturwissenschaften<br />

und Technologie unsere materielle, intellektuelle<br />

und kulturelle Umgebung<br />

prägen.“<br />

In unserer von Naturwissenschaften<br />

geprägten Zeit ist das Erreichen dieser<br />

Grundbildung für jeden eine essentielle<br />

Voraussetzung, um seine Rechte<br />

als Bürger/in wahrnehmen und eine<br />

aktive Rolle in einem demokratischen<br />

Gefüge spielen zu können.


Folgende Kompetenzen, deren Erwerb<br />

in der fachdidaktischen Forschung als<br />

wichtig diskutiert wird, werden durch<br />

unterschiedliche Methoden in den<br />

einzelnen Themenschwerpunkten der<br />

„Pflanzenforscher unterwegs.“ Materialien<br />

gefördert:<br />

- Die Sprache der Naturwissenschaften<br />

verstehen durch Lesen, Schreiben,<br />

Verwenden von Fachvokabular, interpretieren<br />

von Graphischen Darstellung<br />

etc. (Wellington J. and Osborne<br />

J., 2001).<br />

- Analytisches Hinterfragen von Sachverhalten,<br />

wissenschaftlich diskutieren,<br />

Fragen stellen, Beweise suchen<br />

und zur Untermauerung der eigen<br />

Argumente heranziehen. Warum<br />

weiß ich, was ich weiß? (Osborne, J.,<br />

Erduran, S. and Simon, S., 2004).<br />

- Selbständig naturwissenschaftlich<br />

arbeiten können, naturwissenschaftlichen<br />

Experimente selber entwickeln,<br />

planen, nachvollziehen und<br />

durchführen können, Ergebnisse kri-<br />

tisch interpretieren (Donovan M. S.<br />

and Bransford J.D. Editors, 2005)<br />

- Probleme im Team lösen, einander<br />

Zuhören, voneinander lernen, Konzepte<br />

weiterentwickeln (Douglas Barnes<br />

1992)<br />

- Charakteristische Merkmale der Naturwissenschaft<br />

verstehen – understand<br />

the nature of science. (National<br />

Committee on Science Education<br />

Standards and Assessment 1996),<br />

themenwahl<br />

Die Bereiche Ökologie und Wachstum,<br />

Pflanzen in der Nahrung, Arterhaltung<br />

und Pflanzen in der Kunst und im täglichen<br />

Leben waren die Spitzenreiter<br />

der Themenhitliste und wurden in weiterer<br />

Folge in den jeweiligen Ländern<br />

ausgearbeitet:<br />

- England: Pflanzen, die wir essen<br />

- Bulgarien: Pflanzen kreativ<br />

- Italien: Artenvielfalt<br />

- Österreich: Wie Pflanzen wachsen<br />

Didaktik<br />

Als lebenslanger Lernprozess erstreckt sich dieser Bildungsweg über alle Schulstufen bis in die Erwachsenenbildung und soll Menschen dazu befähigen,<br />

basierend auf Wissen, naturwissenschaftliche Sachverhalte zu bewerten und entsprechend zu handeln. Im Zuge der Ausbildung soll der Entwicklung aller<br />

drei Kompetenzbereiche -Wissen, Bewerten und Handeln – gleichermaßen Gewicht beigemessen werden.<br />

Evaluation<br />

Um sicher zu stellen, dass sich die Materialien<br />

auch im Unterricht bewähren,<br />

wurden sie in den jeweiligen Ländern<br />

mit LehrerInnen gemeinsam erarbeitet<br />

und getestet. Die LehrerInnen der<br />

Pilotklassen, DirektorInnen, Vertreter<br />

der Schulbehörden, Botanische Garten<br />

Pädagogen und Vertreter von LehrerInnenaus-<br />

und -weiterbildungsinstitutionen<br />

fanden sich in Nationalen Arbeitgruppe<br />

zusammen, um den Prozess der<br />

Materialentwicklung und -evaluation<br />

zu begleiten.<br />

In Österreich wurden 4 Pilotklassen<br />

(Vierte Klasse Volksschule) untersucht.<br />

Im Themenschwerpunkt wie „Pflanzen<br />

wachsen“, beschäftigen sich die SchülerInnen<br />

mit den Fragen: Aus welchen<br />

Komponenten besteht die Luft, die uns<br />

umgibt? Wie unterscheidet sich die<br />

Luft, die wir ausatmen von der, die wir<br />

einatmen und warum geht der Sauerstoff<br />

auf unserer Erde nie aus? Warum<br />

machen Pflanzen verbrauchte Luft wieder<br />

frisch und was brauchen sie, um<br />

bioskop 2/2008<br />

23


24<br />

Didaktik<br />

Abbildungen: Durchführung des Experiments im Dunklen und im Licht.<br />

wachsen zu können. Ziel ist es hier in<br />

10 aufeinanderfolgenden Modulen<br />

das Grundkonzept der Photosynthese<br />

zu verstehen und mit dem Pflanzenwachstum<br />

in Verbindung zu bringen.<br />

Erste Ergebnisse der Evaluation zeigen<br />

unter anderem, dass die SchülerInnen<br />

im Zuge der Beschäftigung mit diesen<br />

Materialien eine umfassende Sach- und<br />

Methodenkompetenz entwickeln und<br />

diese Kompetenzen auch noch nach 5<br />

Monaten nahezu unverändert weiterbestehen<br />

(C. Bertsch 2008).<br />

Der Österreichische Themenschwerpunkt:<br />

„Wie Pflanzen wachsen wurde<br />

2007 mit dem „IMST-Award“ ausgezeichnet.<br />

Ein Beispiel für die praktische<br />

umsetzung<br />

Wie der „forschend- entwickelnder<br />

Sachkundeunterricht“ mit „Pflanzenforscher<br />

unterwegs, in der Schule und im<br />

Botanischen Garten“ aussehen kann,<br />

sei nun am Modul 4 aus dem Themenschwerpunkt<br />

„Wie Pflanzen wachsen“<br />

veranschaulicht.<br />

bioskop 2/2008<br />

Im Rahmen dieses Themenschwerpunktes<br />

erarbeiten sich die „Jungen<br />

Forscher“ schrittweise eine Vorstellung<br />

davon, dass die Sonnenenergie, die im<br />

Zuge der Fotosynthese eingefangen<br />

wird, dazu dient, Pflanzenmaterial aufzubauen<br />

und so für Tiere und Menschen<br />

als Nahrung zur Verfügung steht.<br />

Die einzelnen Module bauen jeweils<br />

auf erworbenes Wissen des vorherigen<br />

auf. In Modul 4 haben die SchülerInnen<br />

schon herausgefunden, dass die die<br />

Luft vorwiegend aus Sauerstoff, Stickstoff,<br />

und Kohlendioxyd besteht, dass<br />

die Luft die wir einatmen weniger CO 2<br />

enthält als die Luft die wir ausatmen.<br />

Mit Hilfe des historischen Experimentes<br />

von Priestley erfahren die „Jungen Forscher“,<br />

dass Pflanzen verbrauchte Luft<br />

wieder frisch machen, weil sie O 2 abgeben.<br />

Nun soll herausgefunden werden,<br />

ob Pflanzen Licht brauchen, um das zu<br />

tun.<br />

Als Einstieg wird in die „Lichtdebatte“<br />

dient ein „conzept-cartoon“ (vgl. S. 25).<br />

In Kleingruppen überlegen die Schüler-<br />

Innen, welches der drei Kinder wohl<br />

recht haben könnte.<br />

Nun erklärt der/die Lehrende, dass am<br />

abgeschnittenen Stängel der Wasserpest<br />

Blasen austreten, wenn sie Sauerstoff<br />

produziert. Die „jungen Forscher“<br />

sollen nun überlegen, wie man diese<br />

Tatsache nutzen kann, um ein Experiment<br />

zu planen, das ihnen zeigen<br />

kann, welches der betreffenden Kinder<br />

recht hat.<br />

Je nach Begabung und Kreativität<br />

können SchülerInnen unterschiedlich<br />

Herausforderungen annehmen, wenn<br />

es darum geht, nun ein Experiment<br />

zu entwickeln, das alle naturwissenschaftlichen<br />

Kriterien berücksichtigt.<br />

Unterschiedliche Materialien werden<br />

bereitgestellt, die unter anderem auch<br />

zur Verdunklung der Versuchgefäße<br />

eingesetzt werden können.<br />

Die Erfahrung mit den Pilotkassen haben<br />

gezeigt, dass nahezu alle SchülerInnen<br />

zu adäquaten Experimentplanungen<br />

kommen und dass hier ein<br />

ideales Umfeld geschaffen wird, das<br />

den SchülerInnen ermöglicht, die Charakteristika<br />

naturwissenschaftlicher Experimente<br />

praktisch zu erkennen und<br />

diese Kompetenzen auch in anderen Zusammenhängen<br />

anwenden zu können.<br />

Abschließend werden die Experimentplanungen<br />

und Ergebnisse diskutiert<br />

und mit den Ausgangshypothesen, die<br />

die Kinder in der Gruppendiskussion zu<br />

Beginn der Einheit aufgestellt haben,<br />

verglichen.<br />

Wie alle anderen Module schließt dieses<br />

mit der Reflexion des eigenen Lernprozesses<br />

ab. Die SchülerInnen notieren<br />

in ihr Arbeitsblatt/Forschertage „Zwei<br />

Dinge, die ich heute herausgefunden<br />

habe“.<br />

Partnerschaften zwischen Schulen<br />

und Botanischen Gärten<br />

Pflanzen sind leicht zu beschaffen, problemlos<br />

zu handhaben und deshalb<br />

ideale Organismen, um forschendes<br />

Lernen im Unterricht zu ermöglichen<br />

(S. Kapelari et al 2007). Botanische<br />

Gärten sind ideale Partner, dieses Lernen<br />

zu unterstützen. Weltweit beherbergen<br />

diese Einrichtungen nicht nur<br />

erstaunliche Pflanzensammlungen,<br />

sondern auch eine Fülle von Informa-


Conzept-Cartoon: Die Gruppe diskutiert, welches der Kinder in der Abbildung recht haben könnte.<br />

tionen darüber, wie Pflanzen früher<br />

und heute verwendet wurden bzw.<br />

werden, in welchen Lebensräumen sie<br />

vorkommen und vieles mehr. Um die<br />

vorliegenden Unterrichtsmaterialien<br />

optimal nutzen zu können, empfehlen<br />

wir Ihnen deshalb, die Zusammenarbeit<br />

mit einem Botanischen Garten in<br />

ihrer Region zu suchen.<br />

Der Botanische Garten der Universität<br />

Innsbruck und auch die Lernwerkstätten<br />

in Innsbruck und Kufstein, bieten<br />

„Photosynthese-Boxen“ an, die gegen<br />

eine geringe Gebühr geliehen werden<br />

können. Diese Boxen enthalten alle<br />

Materialien, die für die Experimente<br />

gebraucht werden in Klassenstärke (für<br />

5 Kleingruppen). Angefangen von den<br />

Chemikalien, Bechergläsern bis hin zu<br />

Stoppuhren ist alles vorhanden, um<br />

die 8 Module, die in der Schule durchgeführt<br />

werden, problemlos abwickeln<br />

zu können. Kontakt:<br />

sabine.sladky-meraner@uibk.ac.at<br />

Website<br />

Auf der Website: www.plantscafe.net<br />

sind zu den vier Themenschwerpunkten:<br />

„Wie Pflanzen wachsen“, „Pflanzen<br />

die wir essen“, „Pflanzen kreativ“ und<br />

„Artenvielfalt“ insgesamt 44 zwei -vierstündige<br />

Unterrichtsmodule zu finden.<br />

Die Module können teilweise in der<br />

Schule und teilweise im botanischen<br />

Garten eingesetzt werden. In der Rubrik<br />

„Downloads“ sind Informationen<br />

zu Zeit, benötigtem Material und Anleitungen<br />

zur Durchführung des Unter-<br />

richts zu finden. Das soll „Neueinsteigern“<br />

in den forschend-entwickelnden<br />

Unterricht helfen, die entsprechende<br />

Lernumgebung zu schaffen. Botanisches<br />

Hintergrundwissen und weiterführende<br />

Literatur runden das Angebot<br />

ab.<br />

Die „Mediengalerie“ enthält zusätzliche<br />

Unterrichtsmaterialien, Lernspielunterlagen,<br />

Bilder, Power Point Präsentationen<br />

und Filme.<br />

In der Rubrik „Info“ sind pädagogischdidaktische<br />

Grundlagen, Anleitungen<br />

zur Durchführung von Aus- und Fortbildungsveranstaltungen<br />

und wissenschaftliche<br />

Forschungs- und Evaluationsergebnisse<br />

angeführt.<br />

Literatur:<br />

BARNES D. 1992, From Communication to Curriculum,<br />

Boynton/Cook Publishers, Heinemann,<br />

Portsmouth, NH, USA<br />

BERTSCH C. 2008, Forschend begründendes<br />

Lernen im naturwissenschaftlichen Unterricht.<br />

Wege zu einer naturwissenschaftlichen Grundbildung<br />

am Übergang Primar/Sekundarstufe am<br />

Beispiel von Unterrichtsmaterialien zum Thema<br />

„Fotosynthese“, Dissertation, Veröffentlichung<br />

voraussichtlich Ende 2008, Universität Innsbruck,<br />

Austria<br />

DONOVAN M. S., Bransford J.D. 2005, How Students<br />

Learn, National Academies Press, Washington,<br />

DC<br />

KAPELARI SUZANNE, Christian Bertsch, Krassimir<br />

Kossev, Sue Johnson, Gail Bromley & Constantino<br />

BONOMI (2006): Plant Science Gardens - A model<br />

for improving plant science education at primary<br />

school level by creating cooperations between<br />

schools and their local botanic gardens. Paper<br />

presented at 4th Balkan Botanical Congress, Sofia,<br />

Bulgaria, 20-26 June 2006.<br />

KAPELARI, SUZANNE, CHRISTIAN BERTSCH, SUE<br />

JOHNSON, COSTANTINO BONOMI, GAIL BROM-<br />

LEY & KRASSIMIR KOSSEV 2007, Flower Power<br />

– The Potency of Botanic Gardens in Primary<br />

School´s Plant Science Teaching. ESERA (European<br />

Science Education Research <strong>Association</strong>) Conference,<br />

Malmö, Sweden, 21-25 August 2007.<br />

National Committee on Science Education Standards<br />

and Assessment, National Research Council<br />

(1996) National Science education Standards,<br />

NATIONAL ACADEMY PRESS Washington, DC<br />

OSBORNE, J., ERDURAN, S. AND SIMON, S. 2004<br />

Ideas, Evidence and Argument in Science. Inservice<br />

Training Pack, Resource Pack and Video.<br />

London: Nuffield/King’s College, London.<br />

PISA 2006 2007, Schulleistungen im internationalen<br />

Vergleich; Naturwissenschaftliche Kompetenzen<br />

für die Welt von Morgen OECD, W. Bertelsmann<br />

Verlag für die Deutsche Ausgabe.<br />

WANDERSEE, J. & CLARY, R. 2006, Advances in<br />

research towards a theory of plant blindness.<br />

Proceedings of the 6th International Congress on<br />

Education in Botanic Gardens, Oxford, England,<br />

10-14 September 2006.<br />

WELLINGTON J., OSBORNE J. 2001, Language<br />

and Literacy in Science Eduaction , Open University<br />

Press, Buckingham, Philadelphia<br />

Autorin und Kontakt:<br />

Dr. Suzanne Kapelari<br />

Institut für Botanik<br />

der Universität Innsbruck<br />

Sternwartestraße15<br />

6020 Innsbruck<br />

suzanne.kapelari@uibk.ac.at<br />

Didaktik<br />

bioskop 2/2008<br />

25


26<br />

Didaktik<br />

wIE KOMMT DAS wASSER IN DIE DIE KRONEN DER BäUME?<br />

SchülerInnen der AhS/hS unterstufe erforschen ein pflanzliches Phänomen<br />

Gefärbte Querschnitte von Waldföhre, Hainbuche und Esche. Deutlich erkennbar ist die unterschiedliche Verteilung leitender Bereiche in Konifere,<br />

zerstreut- und ringporigem Holz.<br />

Der Studienplan für das Lehramtsstudium<br />

an der Naturwissenschaftlichen<br />

Fakultät der Universität Innsbruck<br />

im Unterrichtsfach Biologie und Umweltkunde<br />

sieht seit 2000/2001 vor,<br />

dass das Thema der Diplomarbeit in<br />

jedem Fall einen deutlichen Bezug<br />

zur Fachdidaktik aufweisen muss. Basierend<br />

auf dies Vorgaben wurde das<br />

Forschungsthema „Wassertransport<br />

in Bäumen: Methodischer Vergleich“<br />

auch praktisch für den Unterricht in<br />

der Sekundarstufe 1 aufbereitet und<br />

mit SchülerInnen der 2 Klasse Hauptschule<br />

in der Grüne Schule des Botanischen<br />

Gartens der Universität Innsbruck<br />

getestet. Das Ergebnis dieser<br />

Arbeit wird nun in Grundzügen vorgestellt,<br />

wobei das Hauptaugenmerk auf<br />

die praktische Umsetzung im Unterricht<br />

gelegt wird. Im bioskop 3/2003<br />

wurde eine der in dieser Arbeit beschrieben<br />

Methoden, das Experiment<br />

zur Messung der Wasserdurchflussmenge,<br />

schon vorgestellt, so dass hier<br />

nur auf die Messung der Gefäßlänge<br />

im Speziellen eingegangen wird.<br />

� Stefan mayr<br />

� thea Gufler<br />

� Suzanne Kapelari<br />

----------------------------------------------------theoretischer<br />

hintergrund:<br />

Landpflanzen sind - wie alle Lebewesen<br />

– auf Wasser angewiesen. Dazu haben<br />

die Pflanzen ein Wurzelsystem für die<br />

Aufnahme von Wasser aus dem Boden,<br />

Spaltöffnungen zur kontrollierten Wasserabgabe<br />

über die Blätter, Vakuolen als<br />

Speichersystem in den Zellen und ein<br />

bioskop 2/2008<br />

hoch entwickeltes Leitungssystem, das<br />

den Transport des Wassers in alle Teile<br />

der Pflanze ermöglicht, entwickelt. Der<br />

Transport wird dabei nicht durch eine<br />

Pumpe bzw. Überdruck sondern durch<br />

die Sogwirkung der Transpiration angetrieben.<br />

Der Transport des Wassers findet im sogenannten<br />

Xylem (Holz) der Pflanzen<br />

statt. Das Xylem besteht aus mehreren<br />

Zelltypen, der Bau des Xylem bedingt<br />

artspezifische Unterschiede in der Wasserleitung.<br />

Das relativ einfach gebaute<br />

Koniferenholz besitzt viele, wenige<br />

Millimeter lange und über kleine Verbindungen<br />

(Tüpfel) vernetzte Leitgefäße,<br />

die Tracheiden. Zusätzlich finden<br />

sich im Koniferenholz Parenchymzellen<br />

in den Mark- und Holzstrahlen, die<br />

Steuerungs- und Speicherfunktionen<br />

übernehmen. In Laubbäumen wird<br />

die Wasserleitung vor allem durch die<br />

Tracheen bewerkstelligt. Dies sind bis<br />

zu mehrere Meter lange, aus einzelnen<br />

Zellsegmenten zusammengesetzte<br />

und ebenfalls über Tüpfel verbundene<br />

Röhren. In vielen ringporigen Hölzern<br />

sind die größten Tracheen sogar mit<br />

dem freien Auge sichtbar. Aufgrund<br />

des weiten Lumens stellen sie sehr effiziente<br />

Wasserleitungen dar. Im Laubholz<br />

gibt es aber auch ausgedehnte<br />

Areale mit Stützzellen und wiederum<br />

Parenchymzellen. Sowohl bei den<br />

Tracheiden als auch bei den Tracheen<br />

handelt es sich um bereits abgestorbene<br />

Zellen, der Wassertransport findet<br />

also innerhalb zurückgebliebenen<br />

„Zellskelette“ statt. Diese Zellwände<br />

sind versteift, um der in den Leitgefäßen<br />

wirkenden Zugspannung stand<br />

halten zu können.<br />

Die durch die Transpiration erzeugte<br />

Zugspannung wird über durchgehende<br />

Wasserfäden von den Blättern<br />

bis in den Boden übertragen. Durch<br />

die besonderen physikalischen Eigenschaften<br />

des Wassers, starke Kohäsions-<br />

und Adhäsionskräfte sowie die enorme<br />

Oberflächenspannung ist die Flüssigkeitssäule<br />

in Pflanzen so stabil, dass es<br />

auch bei großem Sog nicht zu einem<br />

Abreißen der Wasserfäden kommt.<br />

So ist es möglich, dass Wasser auch in<br />

große Höhen – Mammutbäume erreichen<br />

über 100m – ohne Energieaufwand<br />

transportiert werden kann. Nur<br />

bei extremem Trockenstress kann es zu<br />

Fehlern in diesem System kommen. Ein<br />

Abreißen der Wasserfäden führt dann<br />

zu einer sogenannten „Embolie“ (siehe<br />

bioskop 3/2003), die in der Folge den<br />

Wassertransport blockiert. Der Bau des<br />

pflanzlichen Wassertransportsystems<br />

ist darauf ausgerichtet eine möglichst<br />

hohe Transportkapazität bei gleichzeitiger<br />

Minimierung der Emboliegefahr<br />

zu bewerkstelligen.<br />

Praktische umsetzung<br />

im unterricht:<br />

Aufbauend auf den Grundprinzipien<br />

des „forschend-entwickelnden“ Lehrens<br />

– und Lernens (inquiry based learning<br />

s. Weiterer Artikel von S. Kapelari<br />

et al S. 23) ist der Unterrichtsverlauf in<br />

6 Phasen unterteilt, die an einem Projektvormittag<br />

oder auf verschiedene


Unterrichtstunden verteilt durchgeführt<br />

werden können.<br />

Einstieg:<br />

Zum Einstieg kann den SchülerInnen<br />

folgendes Phänomen gezeigt werden.<br />

Über die Blätter oder ein großes Blatt<br />

einer Zimmerpflanze wird ein Plastiksack<br />

gestülpt und die Sacköffnung<br />

möglichst gut verschlossen. Wenn der<br />

Raum genügend hell ist und die Pflanze<br />

auch gut gegossen wurde, kann man in<br />

kurzer Zeit schon Wassertröpfchen auf<br />

der Innenseite des Beutels erkennen.<br />

Was passiert da?<br />

Weitere Fragen die SchülerInnen motivieren<br />

können, sich über dieses Phänomen<br />

Gedanken zu machen sind:<br />

- Wie hoch können Bäume werden?<br />

- Was könnte der Grund dafür sein,<br />

dass es keine höheren Bäume gibt?<br />

- Wie glaubt ihr, dass das Wasser aus<br />

dem Boden bis in die Blätter der Bäume<br />

gelangt?<br />

Phase 1: Wasser ist ein ganz<br />

besonderer Saft.<br />

Neben der Transpiration an den Spalt-<br />

Bespiel für eine Versuchsanleitung<br />

öffnungen ist die Physik des Wassers<br />

(Kohäsions- und Adhäsionskraft sowie<br />

die Oberflächenspannung) für den<br />

Wassertransport in den Leitgefäßen<br />

von Bäumen ausschlaggebend. Um ein<br />

Verständnis für diese Eigenschaften zu<br />

entwickeln, führen die SchülerInnen im<br />

Vorfeld selbständig Versuche zu diesen<br />

Phänomenen durch. Hierfür eigenen<br />

sich verschiedenste gängige Wasser-<br />

Experimente, wie die „Schwimmende<br />

Büroklammer, Wasserwette, Wasser als<br />

Klebstoff etc.<br />

(siehe: www.physikfuerkids.de/lab1/<br />

wasser/index.html)<br />

Die Versuche werden von den SchülerInnen<br />

möglichst eigenständig durchgeführt.<br />

Die Versuchsanleitung enthält<br />

vorerst keine Erklärung, sondern fordern<br />

zum selbständigen Denken auf:<br />

„Was kannst du beobachten? Kannst<br />

du dir das erklären?“<br />

Die SchülerInnen notieren ihre Überlegungen<br />

auf einem vorbereiteten Arbeitsblatt<br />

oder in ihr Forschertagebuch<br />

bzw. ins Heft. Wenn alle SchülerInnen<br />

ihre Experimente abgeschlossen haben,<br />

werden „Lösungskärtchen“ an den<br />

Didaktik<br />

einzelnen Stationen ausgegeben und<br />

die SchülerInnen können nun vergleichen,<br />

ob ihre Erklärung mit der gegebenen<br />

übereinstimmt. In der abschließenden<br />

Plenums-Diskussion, stellen<br />

die SchülerInnen ihre eigenen Überlegungen<br />

vor und versuchen, diese zu<br />

begründen und mit den „richtigen“ Lösungen<br />

in Beziehung zu setzen.<br />

Phase 2: Aus welchen teilen besteht<br />

ein Baum?<br />

Die Schüler/innen stellen einige ausgesuchte<br />

Elemente des Baumstammes<br />

wie das Kernholz, Splintholz, Bast und<br />

Borke in einem Rollenspiel dar.<br />

- Der innerste Teil eines Baumstammes<br />

ist das Kernholz. Es ist die stützende<br />

Säule des Baumes, welche durch Einlagerung<br />

von Gerbstoffen dunkler<br />

gefärbt ist und keine Leitungsfunktion<br />

mehr hat. 2-3 Kinder können das<br />

Kernholz darstellen, indem sie die<br />

stützende Mitte spielen.<br />

- Nach außen folgt nun das Splintholz,<br />

das für die Wasserversorgung zuständig<br />

ist. Wasser wird von den Wurzeln<br />

über die Leitungsbahnen in die Blätter<br />

geleitet und als Wasserdampf an<br />

bioskop 2/2008<br />

27


28<br />

Didaktik<br />

bioskop 2/2008<br />

WAS BIN ICH?<br />

Beschreibung: Ich habe Nadeln, die ungefähr 4-5 cm lang, zweifarbig (graugrün<br />

und dunkelgrün), leicht gedreht und spitz zulaufend sind. Meine Nadeln sind<br />

immer zu zweit am Grund miteinander verwachsen.<br />

Meine Rinde ist glatt und rotgefärbt. Meine Borke blättert in papierdünnen<br />

Fetzen ab. Mein Stammumfang misst _________.<br />

Zeichne in die Rechtecke:<br />

Die Baumgestalt Zweig mit Nadeln.<br />

Arbeitsblatt zur Kiefer (Pinus sylvestris)<br />

Zapfen<br />

Je nach Jahreszeit mit oder ohne Abbildung.


die Atmosphäre abgegeben. 4-5 Kinder<br />

können diesen Teil eines Baumstammes<br />

darstellen und durch die<br />

Bewegung vom Boden hin zu den<br />

Blättern die Wasserversorgung nachspielen.<br />

- Mithilfe des Basts werden die, im<br />

Blatt gebildeten Assimilate (Kohlenhydrate<br />

und Aminosäuren) in alle<br />

wachsenden Pflanzenteilen transportiert.<br />

5-6 Kinder stellen die Leitung<br />

der Assimilate von den Blättern<br />

in die Wurzeln dar.<br />

- Die Borke schützt den Baum vor Kälte,<br />

Hitze, Pilz- und Insektenbefall. Sie<br />

erneuert sich ständig, hält Regenwasser<br />

ab und verhindert zu hohe<br />

Verdunstung. Der Rest der Kinder<br />

(bis auf einen Schüler / eine Schülerin)<br />

bilden die schützende Rinde.<br />

- Ein Kind, das übrig bleibt, darf den<br />

Borkenkäfer spielen. Dieser versucht<br />

durch die Rinde durchzuschlüpfen<br />

und so den Baum anzugreifen. Die<br />

Kinder, welche die Borke spielen,<br />

versuchen die Angriffe abzuwehren.<br />

Möglich ist auch, dass zwei Kinder<br />

Borkenkäfer spielen.<br />

Das Spiel kann nach Zeit und Lust wiederholt<br />

werden. Nach dem Spiel nennen<br />

die Schüler/innen noch einmal die<br />

einzelnen Teile des Baumstammes mit<br />

ihrer Funktion.<br />

Phase 3: Warum fließt das Wasser<br />

von der Wurzel in die Krone?<br />

Das Phänomen der Transpiration des<br />

Wassers an den Spaltöffnungen der<br />

Blätter wird wieder mithilfe eines Rollenspieles<br />

verdeutlichen. Sollten die<br />

SchülerInnen Spaltöffnungen noch<br />

nicht kennen, kann man ihnen mikroskopische<br />

Abbildung zeigen (G. Wanner<br />

2004 1 ) und erklären, dass sich die<br />

Spaltöffnungen meist auf der Unterseite<br />

der Blätter befinden.<br />

Auf dem Boden werden mit Straßenkreiden<br />

groß die Umrisse eines Baumes<br />

skizziert: Wurzeln, Stamm, ein Ast an<br />

dem ein großes Blatt hängt, das eine<br />

große Spaltöffnung zeigt.<br />

Die SchülerInnen überlegen nun gemeinsam,<br />

wie sie die unterschiedlichen<br />

Aggregatszustände von Wasser auf der<br />

molekularen Ebene darstellen könne.<br />

„Wenn jeder nun ein Wasserteilchen<br />

Baumspiel: Die SchülerInnen stellen einzelne Teile des Stammes körperlich dar.<br />

wäre, wie würde er mit den anderen<br />

in Beziehung stehen, wenn das Wasser<br />

zu Eis gefroren ist? (Kinder geben sich<br />

die Hände und rücken dicht zusammen),<br />

Wenn das Wasser flüssig ist, wie sieht<br />

es dann aus? (Kinder gehen auseinander,<br />

halten sich aber an den Händen<br />

fest).<br />

Wenn das Wasser als Wasserdampf in<br />

der Luft ist? (Kinder gehen noch weiter<br />

auseinander und lassen die Hände der<br />

anderen aus). Da das Wasser in einem<br />

Baum im flüssigen Zustand vorliegt,<br />

geben sich die SchülerInnen wieder<br />

1 G. Wanner 2004, Mikroskopisch-Botanisches Praktikum, Georg Thieme Verlag Stuttgart New York<br />

Didaktik<br />

Wassertransportspiel: Die Silhouette einer Pflanze wird auf den Boden gezeichnet – die SchülerInnen<br />

bilden eine Kette, die von der Wurzel zur Spaltöffnung verläuft.<br />

die Hände und verteilen sich als eine<br />

Kette von der Wurzel bis hinauf in das<br />

Blatt.<br />

Nun überlegen die SchülerInnen gemeinsam,<br />

was passiert, wenn man<br />

ein nasses T-Shirt bei schönem Wetter<br />

auf die Wäscheleine hängt – Das Wasser<br />

verdunstet und das T-Shirt wird<br />

trocken. Welche Erklärung haben die<br />

SchülerInnen für das Verdunsten des<br />

Wasser?<br />

Nun überlegen die SchülerInnen, was<br />

sie über die Kohäsionskräfte herausge-<br />

bioskop 2/2008<br />

29


30<br />

Didaktik<br />

LUfTPUMPE<br />

AQUARIUM<br />

LUfTPUMPE<br />

AQUARIUM<br />

Versuch zur Bestimmung der Gefäßlänge. Der Druck der Aquarienpumpe reicht nicht aus, die Luft durch die Tüpfel des Holzes zu pressen (oben).<br />

Erst wenn der Ast soweit zurückgeschnitten wurde, dass ein Leitgefäß geöffnet vorliegt, kann die Luft durchströmen (untern).<br />

funden haben. Die Wasserteilchen tendieren<br />

dazu, sich untereinander gut<br />

festzuhalten. Wenn Wasser verdunstet,<br />

werden Wasserteilchen aus diesem<br />

Verband herausgerissen.<br />

Was wird mit dem Wasserteilchen<br />

passieren, das direkt an der offenen<br />

Spaltöffnung des Blattes steht? Es<br />

wird aus dem Verband herausgerissen<br />

(der Spielleiter zieht das Kind aus der<br />

Spaltöffnung heraus). Weil das Wasserteilchen<br />

seine Partner nicht loslassen<br />

will, zieht es seinen Nachbarn bis zu<br />

Öffnung hin mit, bevor es auslässt.<br />

Dem nächsten Wasserteilchen geht es<br />

ebenso und so weiter. Die Wasserkette<br />

wandert aus der Wurzel hinauf ins<br />

Blatt. Solange genügend Wasser im<br />

Boden vorhanden ist bleiben die Spaltöffnungen<br />

offen und Wasser wird aus<br />

der Wurzel ins Blatt gezogen. Wird der<br />

bioskop 2/2008<br />

Boden trocken, schließen die Spaltöffnungen<br />

sofort, damit der Wasserfaden<br />

nicht abreißen kann.<br />

Phase 4: Worin unterscheiden sich<br />

verschiedene Baumarten?<br />

Um den Schülerinnen die Gelegenheit<br />

zu geben, neues Wissen mit bereits<br />

vorhandenen Vorstellungen zu verknüpfen,<br />

wird zu Beginn dieser Phase<br />

ein Brainstorming angeboten. Die<br />

SchülerInnen haben 5 Minuten Zeit,<br />

sich selbständig zu überlegen anhand<br />

welcher Merkmale sie verschiedene<br />

Baumarten unterscheiden können. Die<br />

darauffolgenden 5-10 Minuten wird in<br />

Vierer-Gruppen diskutiert.<br />

Im Plenum werden anschließend die<br />

einzelnen Kriterien gesammelt und<br />

sortiert. Vorbereitete stilisierte Abbildungen<br />

von Merkmalen wie Rinde,<br />

maximale Gefäßlänge<br />

Wasserbecken<br />

Astsegment, entrindet<br />

Baumsilhouette, Blüten, Blattformen,<br />

Früchte etc. verschaffen einen besseren<br />

Überblick.<br />

In weiterer Folge sollen die SchülerInnen<br />

nun jene Baumarten kennenlernen,<br />

die sie untersuchen werden. In<br />

diesem Fall wurden die Hainbuche, die<br />

Esche und die Kiefer gewählt.<br />

Ausgerüstet mit einer Schreibunterlage<br />

und einem Maßband machen sich<br />

die Schülerinnen auf die Suche nach<br />

diesen Bäumen, die in ihren Steckbriefen<br />

beschrieben sind und notieren<br />

den Namen und ihre Beobachtungen<br />

in ihr Arbeitsblatt. Charakteristika wie<br />

die Baumgestalt, ein Zweig mit Blätter<br />

sowie Blüten oder Früchte werden<br />

skizziert. Im Botanischen Garten sind<br />

alle Bäume mit Namensschildern versehen.<br />

Soll diese Unterrichtseinheit<br />

im Schulgarten durchgeführt werden,


macht es Sinn die Bäume mit einem<br />

Namensschild zu markieren.<br />

Auf einem separaten Blatt können Rindenabdrücke<br />

der Bäume angefertigt<br />

werden.<br />

Diese Phase endet mit einem Blick<br />

ins Mikroskop bzw. auf Abbildungen,<br />

um die Eigenheiten der gewählten<br />

Baumarten um jene ihres zellulären<br />

Aufbaus zu ergänzen.<br />

Phase 5: Experiment zur Bestimmung<br />

der Gefäßlänge<br />

All Baumarten haben für sie typische<br />

Gefäßlängen, die man mit Hilfe eines<br />

einfachen Versuches bestimmen kann.<br />

Für diesen Versuch benötigt man eine<br />

Membranpumpe, einen Plastikschlauch<br />

mit einem Durchmesser von 5mm, der<br />

an die Pumpe angeschlossen wird, drei<br />

mittelgroße mit Wasser gefüllte Gefäße<br />

(ca. 50 cm x 30 cm x 15 cm), eine<br />

Gartenschere evtl. Handschuhe (zum<br />

Schutz vor Schnittverletzungen.<br />

Äste von Hainbuche, Esche und Kiefer,<br />

mit einem Durchmesser von 7 mm bis<br />

1 cm und einer Länge von 1 m, werden<br />

am Untersuchungstag von den betreffenden<br />

Baumarten geschnitten und<br />

bis zu ihrer Verwendung ins Wasser<br />

gestellt. Die Astdicke soll so gewählt<br />

werden, dass das Stück nach dem Entrinden<br />

in das freie Ende des Plastikschlauches<br />

fest sitzend eingedichtet<br />

&<br />

bioskop-Abo und ABA-Mitgliederverwaltung<br />

Ich abonniere die Zeitschrift bioskop für 1 Jahr.<br />

(4 Ausgaben) zum Preis von EUR 25,-<br />

Das Abonnement verlängert sich automatisch nach Ablauf des Jahres,<br />

wenn es nicht 4 Wochen vor Jahresbeginn gekündigt wird.<br />

Ich beantrage die Aufnahme in die ABA *<br />

(zutreffendes bitte ankreuzen)<br />

Vollmitglied (EUR 25,- jährlich)<br />

Schüler / Student (EUR 10,- jährlich)<br />

Ich trete der ABA als förderndes Mitglied bei<br />

und spende EUR 37,- jährlich. *<br />

* Im Mitgliedsbeitrag ist das Abonnement<br />

der Zeitschrift bioskop enthalten.<br />

EINSENDEN AN DIE ABA-SCHATZMEISTERIN:<br />

Mag. Irmgard Reidinger-Vollath<br />

Rebengasse 10, A-7350 Oberpullendorf<br />

werden kann. Der Druck der Aquarienpumpe<br />

ist zu gering, um Luft durch<br />

den gesunden Ast und insbesondere<br />

durch die Tüpfel des Holzes zu pressen.<br />

Erst wenn die ersten Gefäße durch das<br />

Zurückschneiden getroffen werden,<br />

kann die Luft austreten.<br />

Nun können die SchülerInnen anhand<br />

dieser Anleitung den Versuch durchführen:<br />

- Zieh dir Handschuhe an<br />

- Du hast drei Wannen mit Aststücken<br />

vor dir.<br />

- Nimm zuerst die Wanne E mit dem<br />

Eschen-Aststück.<br />

- Die einzudichtende Seite wurde bei<br />

allen Arten bereits entrindet.<br />

- Gib die entrindete Seite in den Plastikschlauch.<br />

- Unter Wasser wird das Aststück nun<br />

so lange mit der Gartenschere zurück-geschnitten<br />

bis Luftblasen aufsteigen.<br />

Diese kennzeichnen die Gefäßlänge.<br />

- Nimm das Aststück aus dem Plastikschlauch<br />

und aus dem Wasser.<br />

- Miss die Länge des Gefäßes und<br />

schreibe die Länge auf.<br />

Dasselbe machst du bei Hainbuche<br />

(Wanne H) und Kiefer (Wanne K).<br />

Phase 6: Zusammenfassung<br />

Zum Abschluss gestalten die SchülerInnen<br />

in Gruppen ein Poster zu jeweils<br />

einer Baumart. Die benötigten Infor-<br />

BANKVERBINDUNG<br />

BLZ 51000 Bank Burgenland<br />

Kontonummer: 916 269 10100<br />

mationen werden den Arbeitsblättern<br />

entnommen. Jede Gruppe bekommt<br />

noch eine Mikroskopaufnahme der Gefäßmorphologie<br />

ihres Baumes.<br />

Folgende Fragen werden auf dem Plakat<br />

beantwortet werden:<br />

- Wie heißt der Baum, wie sieht er aus<br />

und welche Merkmale sind für ihn typisch?<br />

- Was habt ihr über die Länge der Wasserleitgefäße<br />

herausgefunden?<br />

- Wo könnte die Baumart leben?<br />

Die letzte Frage dient dazu, die SchülerInnen<br />

zu motivieren, neues Wissen<br />

in einen größeren Zusammenhang zu<br />

stellen und selbständig zu überlegen,<br />

warum manche Bäume lange und<br />

andere kurze Gefäße haben. Mit der<br />

Länge der Gefäße steigt wie mit dem<br />

Durchmesser der Lumina (Siehe Einleitung)<br />

die Transportkapazität. Andererseits<br />

haben kurze Gefäße den Vorteil,<br />

dass einzelne beschädigte Bereiche<br />

(z. Trockenstress, Borkenkäferbefall) für<br />

den gesamten Transport weniger ins<br />

Gewicht fallen.<br />

Kontakt:<br />

Dr. Suzanne Kapelari<br />

Institut für Botanik<br />

der Universität Innsbruck<br />

Sternwartestraße15<br />

6020 Innsbruck<br />

suzanne.kapelari@uibk.ac.at<br />

Membership<br />

...........................................................................................................<br />

Name, Titel<br />

................................................. .........................................................<br />

Straße, Nr. PLZ Wohnort<br />

................................................. .........................................................<br />

Tel. Nr. E-Mail<br />

...........................................................................................................<br />

Dienstanschrift<br />

............................................... .........................................................<br />

Ort, Datum Unterschrift<br />

Ich erkläre mich damit einverstanden, dass meine Angaben<br />

vereinsintern zur Datenverarbeitung weiterverwendet werden<br />

dürfen.<br />

IBAN AT 105 1 000 916 269 10 100<br />

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Didaktik / ABA Intern<br />

INTERNET<br />

www.aba-austrianbiologist.com<br />

www.bioskop.at<br />

bioskop 2/2008<br />

31


32<br />

Didaktik<br />

Im Juni 1983 gab es für ein paar Biologiestudenten<br />

einige aufregende Tage.<br />

Im Laufe des Monats hatten sie ihre<br />

ersten Auftritte im Naturhistorischen<br />

Museum. Die Klientel waren Schulklassen,<br />

zumeist 10- bis 14-Jährige, die<br />

durch das Haus geführt werden wollte.<br />

Begonnen hatte diese Herausforderung<br />

ungefähr zwei Monate davor, als<br />

am Zoologischen Institut der Universität<br />

Wien ein kleiner handgeschriebener<br />

Zettel hing. Studierende würden<br />

gesucht – Fachzoologen genauso wie<br />

Lehramtskandidaten, für eine Vermittlungstätigkeit<br />

am Naturhistorischen<br />

Museum, zu betreuen wären in erster<br />

Linie Schulklassen.<br />

� Gabriele hrauda<br />

-----------------------------------------------------<br />

Schon 1982 war die erste Museumspädagogin<br />

im Naturhistorischen Museum<br />

eingezogen und begann für den damaligen<br />

Museumsbetrieb in Österreich<br />

sehr ambitionierte Ideen umzusetzen.<br />

Das Naturhistorische Museum war zu<br />

einem Vorreiter in der Vermittlungsarbeit<br />

geworden. Ursprünglich war daran<br />

gedacht, dass die im Haus tätigen<br />

Wissenschaftler auch die Schulklassen<br />

betreuen sollten, doch die große Nachfrage<br />

machte es schon bald notwendig<br />

eine eigene Betreuermannschaft aufzustellen.<br />

Es fand sich also ein Häuflein<br />

junger Leute – interessanterweise nur<br />

Hauptfachzoologen und kein einziger<br />

Lehramtsstudent – die vor allem inhaltlich<br />

und ein wenig auch didaktisch geschult<br />

wurden.<br />

Nach ungefähr einem halben Jahr Vorarbeit<br />

starteten dann die ersten – wie<br />

es hieß „dialogorientierten“ – einstündigen<br />

Führungen. Da dieses Angebot<br />

vor allem von Schulkassen aus den Bundesländern<br />

sehr stark nachgefragt wurde,<br />

baute sich rasch eine Routine auf<br />

und erste gewagte (!) Experimente nach<br />

dem Motto „gib’ dem Besucher etwas<br />

in die Hand“ – heute würde man von<br />

1 Props: properties of stage, Naturmaterialen oder auch nachgebildete Objekte, die dazu dienen Inhalte nicht nur verbal zu vermitteln, sondern auch ein<br />

haptisches, optisches und manchmal sogar olfaktorisch oder akustisches Wahrnehmen zu ermöglichen. Eignet sich besonders für Indoor Führungen,<br />

weil man dabei den Objekte meist durch eine Glasscheibe getrennt gegenüber steht.<br />

2 So musste zum Beispiel im Winter die zoologische Schausammlung um drei Uhr nachmittags geschlossen werden, weil auf Grund der fehlenden Stromversorgung<br />

(!) die Säle unbeleuchtet waren. Gelegentliche Führungen mit Grubenlampen hatten zwar einen besonderen Charme, waren aber nicht der<br />

Regelfall.<br />

bioskop 2/2008<br />

25 JAHRE NATURVERMITTLUNg – UND JETZT?<br />

„Props 1 “ sprechen – wurden umgesetzt.<br />

Immerhin muss man bedenken, dass<br />

die Schausammlungen des Naturhistorischen<br />

Museums damals doch deutlich<br />

anders aussahen als heute. 2<br />

Bald umfasste das Angebot nicht mehr<br />

nur allgemeine Führungen durch das<br />

Haus, sondern eine vertiefende Auseinandersetzung<br />

mit bestimmten Themen<br />

wurde angestrebt, woraus sich neue<br />

Programme entwickelten. Seit Beginn<br />

der Achtzigerjahre gibt es im Naturhistorischen<br />

Museum den sogenannten<br />

Kindersaal. Er war ursprünglich allein<br />

für die Kinderbetreuung gedacht, wenn<br />

Eltern ohne die lästigen Fragen und das<br />

Quengeln ihrer Kinder das Museum besuchen<br />

wollten. Doch was lag näher als<br />

den Saal unter der Woche für sogenannte<br />

Unterrichtsprojekte zu nützen. Diese<br />

Programme dauerten drei Stunden und<br />

kombinierten einen mehr klassischen<br />

Vermittlungsteil in Form einer Führung<br />

zu einem bestimmten Thema mit<br />

einem zweiten Abschnitt, in dem die<br />

Schüler Inhalte selbständig spielerisch<br />

forschend erarbeiteten und vertieften.<br />

Methoden dazu waren Mikroskopieren,<br />

Abgießen von Tierspuren, das Herstellen<br />

von Papiermodellen z. B. von Insektenmundwerkzeugen,<br />

einfache Spiele<br />

wie Memories, Rätsel, Suchspiele und<br />

Steckbriefe, das Herstellen von Plakaten<br />

und vieles mehr. Der große Vorteil dieser<br />

Unterrichtsprojekte war die Arbeit<br />

in Kleingruppen, da für eine Schulklasse<br />

drei Betreuer zur Verfügung standen<br />

und die aktive Mitarbeit wirklich möglich<br />

war. Andererseits konnte man ein<br />

Thema von der explorativ – kognitiven<br />

Seite genauso behandeln wie kreativ –<br />

schöpferisch. Damit war gewährleistet,<br />

dass auch unterschiedliche Lerntypen<br />

erreicht wurden.<br />

Im Frühjahr 1989 eroberten die Dinosaurier<br />

das Naturhistorischen Museum.<br />

Zwar besaß das Museum schon damals<br />

sehr eindrucksvolle Skelette, die jedoch<br />

zum Teil wenig glücklich präsentiert<br />

wurden bzw. gar nicht zugänglich waren.<br />

Die riesigen noch dazu beweglichen<br />

und äußerst stimmgewaltigen<br />

Dinosauriermodelle lockten viele Tausende<br />

Besucher in das Museum.<br />

Damit boomte auch die Museumspädagogik,<br />

denn die Zielgruppe waren<br />

auf einmal nicht mehr „nur“ Kinder und<br />

Jugendliche, sondern auch ältere Besucher<br />

wollten sich gerne spannende<br />

Geschichten und Wissenswertes zu den<br />

vielen Themen erzählen lassen, die in<br />

den Schausammlungen dokumentiert<br />

werden. Das Naturhistorische Museum<br />

war wahrlich aus einem Dornröschenschlaf<br />

geweckt und die Angebote wurden<br />

immer vielfältiger.<br />

Ein Thema faszinierte ganz besonders,<br />

der Blick in die Kleinstlebewelt des<br />

Wassers, das Mikroskopieren. Da es in<br />

den Schulen damals oft noch an der<br />

passenden Ausrüstung mangelte und<br />

eine Schulstunde doch fast zu kurz ist,<br />

um mit einer ganze Klasse von 30 Schülern<br />

zu mikroskopieren, wurde das Programm<br />

sehr häufig nachgefragt. Viele<br />

Besucher erinnerten sich auch gerne einer<br />

Freizeitbeschäftigung aus Jugendtagen.<br />

So entstanden Schulprojekte, bei<br />

den wirklich jeder Schüler vor einem<br />

Mikroskop saß, und Mikroskopierkurse<br />

und Workshops wurden ins Leben gerufen.<br />

Immer wieder fragten interessierte<br />

Lehrer nach, woher sie Material zum Mikroskopieren<br />

auftreiben könnten, wie<br />

man einen Heuaufguss ansetzt, ohne<br />

dass er verschimmelt, sodass daraus die<br />

ersten Freilandexkursionen für Lehrer<br />

entstanden. Viele fanden daran Gefallen<br />

und wollten solche betreuten Ausflüge<br />

an einen Tümpel oder ein Bach auch<br />

gerne mit ihren Schülern unternehmen.<br />

Parallel dazu wurde schon seit Mitte<br />

bzw. Ende der Achtzigerjahre an der<br />

Universität Wien ein Seminar für Lehramtsstudenten<br />

angeboten, in dem eine<br />

Anleitung zur Freilandarbeit mit Schü-


lern vermittelte wurde. Nicht verwunderlich,<br />

dass die Seminarplätze stets<br />

rasch besetzt waren und diese Lehrveranstaltung<br />

bis heute existiert.<br />

Schon in den frühen Neunzigerjahren<br />

war in Wien und bald auch in den<br />

Bundesländern ein Verein entstanden<br />

– die Umweltspürnasen, der mit Kindern<br />

hinaus ging in die Natur um das<br />

unmittelbare Erleben zu ermöglichen<br />

und den Kinder und Jugendlichen die<br />

vielfältigen Lebensräume nahe zubringen.<br />

Bei den Umweltspürnasen wuchs<br />

eine ganze Generation junger „Naturforscher“<br />

heran, die nicht nur eine enorme<br />

Artenkenntnis hatten, sondern<br />

auch ökologische Zusammenhänge erkannten<br />

und verstanden. So lag es also<br />

nahe, dass ab dem Jahr 1993 ein Schulservice<br />

angeboten wurde, bei dem jeweils<br />

zwei Ökopädagogen eine Schulklasse<br />

bei dreistündigen Exkursionen in<br />

einen Lebensraum betreuten und den<br />

8- bis 14-Jährigen Schülern nicht nur<br />

Artenkenntnis vermittelten, sondern<br />

auch das aktive Wahrnehmen der Natur<br />

anleiteten. Ende der Achtzigerjahre waren<br />

auch im deutschsprachigen Raum<br />

die ersten Bücher von Joseph Cornell 3<br />

aufgetaucht, und dieser damals sehr<br />

offene, interaktive, oft auch spielerische<br />

Zugang erreichte auch Schüler, die<br />

von ihren Lehrern als im Unterricht oft<br />

schwierig beschrieben wurden.<br />

Seit den ersten, eher zufälligen Gehversuchen<br />

einer Naturvermittlung – damals<br />

noch indoor im Museum – war ein<br />

gutes Jahrzehnt vergangen, und auch<br />

die Vermittler selbst waren etwas in die<br />

Jahre gekommen. Was ursprünglich als<br />

zwar fachlich einschlägiger aber doch<br />

„Nebenbei Studenten Job“ begonnen<br />

hatte, war für viele zur Hauptbeschäftigung<br />

geworden. Diese Entwicklung war<br />

einhergegangen mit der Etablierung<br />

der ersten selbständigen Biologen, die<br />

aus der Not, dass es kaum adäquaten<br />

Anstellungen gab, eine Tugend machten<br />

und die Naturvermittlung ernsthaft<br />

zu ihrer Profession erhoben. Das bedeutete,<br />

dass sie mit vielen zusätzlichen<br />

Qualifikationen im sozialen und pädagogischen<br />

Bereich ausgestattet waren,<br />

die Programmentwicklung selbständig<br />

vorantrieben und als Multiplikatoren<br />

auch in der Ausbildung gerade im<br />

Pflichtschul- und Kindergartenbereich<br />

eine wichtige Funktion übernahmen.<br />

Das Aufkommen der Outdoorpädagogik<br />

wurde von vielen Institutionen genützt.<br />

Nicht nur positionierten sich neue Vereine,<br />

sondern auch bereits bestehende<br />

wie Alpenverein oder Naturfreunde versuchten<br />

mit dieser Jugendschiene neues<br />

Publikum anzusprechen und Mitglieder<br />

zu werben. Draußen in der Natur zu sein<br />

musste für einen Jugendlichen damals<br />

nicht uncool sein. Mitte der Neunzigerjahre<br />

verstärkte ein zusätzlicher Trend<br />

die Nachfrage und den Bedarf an Outdoorpädagogik.<br />

Innerhalb von wenigen<br />

Jahren wurde in Österreich drei Nationalparks<br />

(Seewinkel, Donauauen, Kalkalpen)<br />

ins Leben gerufen, die in ihren<br />

IUCN konformen Reglement auch einen<br />

Bildungsauftrag für den Besucher zu erfüllen<br />

haben.<br />

Gleichzeitig etablierte sich eine Vielzahl<br />

von Ausbildungsmodulen. Die Nationalparks<br />

aber auch andere Organisationen<br />

zogen ihre Ranger, Ökopädagogen,<br />

Naturvermittler oder wie auch immer<br />

die Betreuer der Outdoor-Aktionen genannt<br />

wurden und werden, selbst heran<br />

bzw. konnten sich übergeordnete Veranstalter<br />

wie das ifau – Institut für angewandte<br />

Umwelterziehung – in Steyr am<br />

Markt positionieren. In diesen Kursen<br />

und Lehrgängen werden bis heute die<br />

sehr umfangreichen Anforderungen an<br />

Vermittler abgedeckt. Denn mittlerweile<br />

hatten die Veranstaltungen eigentlich<br />

den Boden der reinen Naturvermittlung<br />

verlassen, viele sozialpädagogischen<br />

Faktoren waren zu berücksichtigen und<br />

ein erhöhter körperlich sportlich physischer<br />

Einsatz war gefordert.<br />

Erneut entwickelte sich ein umfassendes<br />

Bildungsangebot diesmal im<br />

Outdoorbereich, für unterschiedliche<br />

Zielgruppen, Alterstufen – erneut ging<br />

der Weg von der Jugend hin zur Erwachsenenbildung<br />

– und Schwerpunktsetzungen.<br />

Nun waren es auch nicht mehr<br />

nur halbtägige Angebote sondern auch<br />

längere „Camps“ gewannen immer<br />

mehr an Bedeutung. In einer punktu-<br />

Didaktik<br />

ellen Umschau unter Lehrern verschiedenster<br />

Schultypen, die mit Klassen an<br />

Mehrtagesprogrammen in Bildungseinrichtungen<br />

teilgenommen hatten, betonten<br />

alle(!) Befragten, dass neben den<br />

fachlichen Inhalten die soziale Aspekte<br />

für die Entwicklung der Klassengemeinschaft<br />

ganz wesentlich dazu beigetragen<br />

hatte, ein solches Programm<br />

zu buchen. Da wurde klar, wie eng soft<br />

skills (das Gemeinschaftserlebnis) und<br />

hard facts (das biologische Wissen) mit<br />

einander verzahnt sind. Ebenso zeigte<br />

sich aber deutlich wie weit wir uns vom<br />

Ausgangspunkt, der reine Vermittlung<br />

naturwissenschaftlicher Fakten entfernt<br />

hatten. Dieser Herausforderung hatten<br />

sich daher auch die Betreuer derartiger<br />

Veranstaltungen zu stellen, denn nun<br />

war nicht mehr „nur“ biologisches Wissen<br />

gefragt, sondern auch hohe soziale<br />

Kompetenz und pädagogische Fähigkeiten.<br />

So weit, so positiv sind wir letztendlich<br />

im Jahr 2008 angekommen. Hat sich ein<br />

Berufsbild eines Naturvermittlers etabliert?<br />

Wird die Aufgabe ernst genommen,<br />

im Rahmen von Ausstellungen<br />

genauso wie in ausgewählten Lebensräumen<br />

Besuchern unterschiedlichen<br />

Alters und Bildungsgrads klar zu machen,<br />

warum bestimmte Schutzmaßnahmen<br />

zu ergreifen sind, warum manche<br />

Lebensräume so außerordentlich<br />

sind, welche Besonderheiten wir zum<br />

Teil direkt vor der Haustüre haben? Gibt<br />

es diese „Pressesprecher“ und „Öffentlichkeitsmanager“<br />

für Natur und Umwelt?<br />

Eigentlich sollte man eine solche<br />

Entwicklung erwarten, doch die Wirklichkeit<br />

sieht anders aus!<br />

Zum einen hat das Thema Umwelt<br />

nach einem Hype in den frühen Neunzigerjahren<br />

dramatisch an Bedeutung<br />

verloren. Sozial-, wirtschafts- und gesellschaftspolitische<br />

Entwicklungen<br />

haben ihre Spuren hinterlassen und<br />

dazu beigetragen dass die Beschäftigung<br />

mit Natur, Lebensräumen oder<br />

-umfeld heute weitgehend zurückgedrängt<br />

wurde. Diese Tendenz gipfelt in<br />

der Feststellung, dass Umweltbildung<br />

als „Konkurrenz“ zur Bildung für Nachhaltige<br />

Entwicklung zu sehen bzw. als<br />

3 Joseph Cornell publizierte seit 1979 (im deutschsprachigen Raum 1989) in loser Folge vier Bücher zum Thema Naturvermittlung. Darin eröffnete er sehr<br />

vielseitig Methoden zur Naturwahrnehmung und –vermittlung, die ihn rasch zu einer Art Guru diese Genres aufsteigen ließen. Mittlerweile gelten viele,<br />

der von ihm angeregten Spiele und Aktivitäten als Klassiker im Outdoorbereich.<br />

bioskop 2/2008<br />

33


34<br />

Didaktik<br />

zu einseitig nicht mehr zeitgemäß sei.<br />

Das allgegenwärtige Schlagwort Klimawandel<br />

wird durch seine Omnipräsenz<br />

banalisert. Die Ursachen und Folgen der<br />

Klimaveränderungen werden nur wenig<br />

naturwissenschaftlich, sondern in erster<br />

Linie wirtschaftlich diskutiert.<br />

Andererseits ist es nicht gelungen, ein<br />

klares Berufsbild zu beschreiben. Das<br />

hängt mit der Vielfalt der Ausbildungen<br />

und Zugangswege zusammen, die für<br />

viele Naturvermittler so kennzeichnend<br />

sind und die ihre Qualität und Flexibilität<br />

bedingen. Denn nur aus dieser<br />

Vielfalt kann ein Pool von Leuten mit<br />

unterschiedlichen Qualifikationen und<br />

Fertigkeiten entstehen. Nur so ist es<br />

möglich, die verschiedensten Gruppen<br />

zu betreuen und diese Menschen am<br />

passenden Punkt abzuholen, um in adäquater<br />

Sprache und Methodik Inhalte zu<br />

bioskop 2/2008<br />

vermitteln. Diese große Variationsbreite<br />

der Naturvermittler ist daher unbedingt<br />

als ihre Stärke zu sehen.<br />

Doch führt sie leider dazu, dass in den<br />

Köpfen vieler Verantwortlicher immer<br />

noch das Bild von einigen „bunten Hunden“<br />

herumspukt, die, abgespeist mit<br />

ein paar Euro, mit Besuchern in Ausstellungen<br />

oder Schutzgebieten herumlaufen.<br />

Mittlerweile wird wieder davon<br />

gesprochen, dass diese Aufgaben als<br />

„Nebenbei Jobs“ von Studenten oder<br />

Auszubildenden übernommen werden<br />

könnten. Das fachliche Know-how kann<br />

man auswendig lernen, die Fähigkeit<br />

mit Menschen um zugehen als bedeutungslos<br />

unter den Tisch gekehrt. Die<br />

Arbeit in Kleingruppen wird mit dem<br />

Argument der zu hohen Kosten immer<br />

weiter eingeschränkt, man meint mit<br />

einer frontalen Vermittlung das Auslan-<br />

gen zu finden. Schon entstehen neue (!)<br />

Bildungseinrichtungen, die durch ihre<br />

Gestaltung kaum mehr interaktive Vermittlung<br />

zulassen bzw. auch keinen<br />

Freiraum – physisch wie ideell – bereitstellen<br />

um mit Gruppen gemeinschaftlich<br />

zu arbeiten.<br />

Womit wir wieder am Anfang wären –<br />

man möchte es nicht glauben. Ein Vierteljahrhundert<br />

Entwicklungsarbeit und<br />

Erfahrung ist spurlos vorbeigezogen<br />

und wird nun still und leise zu Grabe<br />

getragen.<br />

Autorin und Kontakt:<br />

Dr. Gabriele hrauda<br />

Umweltforschung<br />

& Naturvermittlung<br />

Phorusgasse 16/10, 1040 Wien<br />

Büro: Mariahilferstraße 89/13,<br />

1060 Wien,<br />

gabriele.hrauda@utanet.at


Zur allgemeinen Besinnung:<br />

gEDANKEN EINES gEwESENEN MAIBAUMS<br />

„So, jetzt haben sie mich so hingestellt.<br />

Vor das Haus des Bürgermeisters!<br />

Ein Loch für mich war schon<br />

im Pflaster. Da kommt jedes Jahr ein<br />

anderer Baum hinein. Tannen gab’s<br />

schon, Föhren, jetzt war ich dran, als<br />

Fichte.<br />

� Franz Bacher<br />

-----------------------------------------------------<br />

In der Dämmerung sind sie in den Wald<br />

gekommen: Laute Junggesellen, gut<br />

gelaunt und sendungsbewusst, die<br />

haben mich begutachtet. Unter den<br />

Kandidaten war ich leider der Größte.<br />

Nach Tradition haben sie mich mit Äxten<br />

meiner Existenz beraubt.<br />

Natürlich kann ich noch 30 Tage von<br />

meinen stillen Reserven leben. Dann<br />

aber werde ich endgültig zerkleinert<br />

und verheizt.<br />

Es nützt wahrscheinlich auch die Hoffnung<br />

nichts, in der Nacht entführt zu<br />

werden. Bis zum Morgengrauen werde<br />

ich bewacht und beschützt.<br />

Die Rindenhaut haben sie mir abgezogen,<br />

damit mein Stamm ganz glatt<br />

ist. Einen Kranz haben sie um den erbärmlichen<br />

Rest meines stolzen Wipfels<br />

gehängt. Bunte Bändchen und einige<br />

Wurststangen und Brezeln daran.<br />

Morgen werden dann junge Burschen<br />

versuchen, an mir hochzuturnen.<br />

Glosse<br />

Wer als erster den Kranz erreicht, soll<br />

für den Mai das schönste Mädchen des<br />

Dorfes sein Eigen nennen. Irgendwie<br />

sind die Menschen schon eine seltsame<br />

Laune der Natur.<br />

In der Ruhe des Waldes haben wir Bäume<br />

unser jahrzehntelanges Beisammensein<br />

natürlich zum Gedanken- und<br />

Erfahrungsaustausch genutzt. Darum<br />

habe ich auch immer befürchtet, zu<br />

schön und zu groß zu werden. Das ist<br />

mir zuletzt leider passiert.<br />

Mit dieser Baumaufstellerei haben angeblich<br />

die Kelten begonnen. Ein Baum<br />

mit schottischen Vorfahren berichtet,<br />

dass das Aufstellen von Maibäumen<br />

schon 1555 verboten wurde. Auch hat<br />

sich das englische Parlament damit<br />

befasst und sich 1644 gegen diesen<br />

Brauch ausgesprochen. Genützt hat es<br />

nichts.<br />

Leider haben die Jungfrauen ihre<br />

schöne Chance übersehen. Heuer, im<br />

Schaltjahr, hätten die nämlich ihren<br />

Angebetenen Birken aufstellen dürfen.<br />

Ich werde meine letzten Tage also von<br />

oben genießen: Zusehen, wie sie an<br />

den Häusern Tafeln anbringen, wie<br />

die ohne Tafel beleidigt durch die<br />

Dorfstrasse schleichen.<br />

Ich danke dem Himmel, dass ich keine<br />

ideologische Bedeutung mehr habe.<br />

Mein Großvater konnte noch politisch<br />

missbraucht worden sein. Gekannt<br />

habe ich ihn aber nicht mehr.<br />

Gar viel könnte ich noch berichten.<br />

Aber nun liege ich da. Aber wenn ich<br />

Euch Freude gemacht habe, dann aber<br />

war es das ganze Drumherum doch<br />

wert.“<br />

Autor und Kontakt:<br />

oberstudienrat Prof.<br />

mag. Franz Bacher<br />

Winzerschulgasse 17<br />

2130 Mistelbach<br />

fbacher@hakmistelbach.ac.at<br />

bioskop 2/2008<br />

35


<strong>Austrian</strong> <strong>Biologist</strong> <strong>Association</strong> (ABA)<br />

Member of European Countries<br />

<strong>Biologist</strong>s <strong>Association</strong> (ECBA)<br />

ISBN 978-3-9502381-8-1<br />

9 783950 238181

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