ETHNOBOTANIK - Austrian Biologist Association
ETHNOBOTANIK - Austrian Biologist Association
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TIERSCHUTZ UND MENSCHENRECHTE<br />
A K T U E L L Z U R C A U S A B A L L U C H<br />
Zeitschrift der <strong>Austrian</strong> <strong>Biologist</strong> <strong>Association</strong><br />
Ausgabe 2/2008<br />
Einzelpreis: EUR 6,50<br />
ISSN 1560-2516<br />
ISBN 978-3-9502381-8-1<br />
9 783950 238181<br />
<strong>ETHNOBOTANIK</strong>
EDITORIAL<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
die Wissenschaft ist dabei, die Schatzkammern<br />
der Ethnobotanik und<br />
Ethno zoologie neuerlich zu durchleuchten.<br />
In dieser Ausgabe stellen<br />
wir die Feldforschung von Ida Pohl-<br />
Sennhauser vor.<br />
Die Thematik dieses Heft ist in mehrfacher<br />
Hinsicht Grenzgängern und<br />
Grenzgebieten der Biologie gewidmet.<br />
Solche Grenzgänger leben am Rande<br />
der Gesellschaft als „Hexen“ und<br />
Quacksalber, gelten oft als halbkriminelle<br />
Scharlatane. Sie sind nicht die<br />
gesellschaftliche Norm oder tun sich<br />
schwer damit –- und die Gesellschaft<br />
mit ihnen. Als „Spinner“ mutieren sie<br />
zuweilen zu Genies.<br />
Überlieferte Erfahrung, die als Aberglaube<br />
denunziert wurde, erwies<br />
sich zuweilen doch als relevant. Bekanntestes<br />
Beispiel: der Einfluss des<br />
Mondes.<br />
Hexen und Kräuterweibchen erkannten<br />
intuitiv die Wirkung des<br />
Mondlichtes auf pflanzliche Wirkstoffkonzentrationen.<br />
Wer immer sich mit „Fremdem“ und<br />
„Andersdenkern“ auseinandersetzt,<br />
muss mit „Grauslichkeiten“, Ablehnung<br />
bis Abscheu und Ekel rechnen.<br />
Nicht selten in der Geschichte sind<br />
Wahrheitssucher Opfer der Staatsgewalt<br />
oder des Mobs geworden. Späterhin<br />
galten sie als Märtyrer, Helden<br />
und Heilige.<br />
Die bioskop-Redaktion sieht es als<br />
legitim an, das Schicksal von DDr.<br />
Martin Balluch (Verein gegen Tierfabriken)<br />
zu reflektieren. Denn wofür<br />
er eintritt, deckt sich mit dem Weltbild<br />
der bioskop-Redaktion, nämlich,<br />
dass es nötiger ist als je zuvor, die<br />
Menschenrechte und die Tierrechte<br />
näher zusammenzurücken. „Die integraleren<br />
Humanisten wissen, wie<br />
schwierig und herausfordernd, konfliktreich<br />
und belastend es sein kann,<br />
diese humanen Ideale zu verwirklichen“<br />
(Johann Götschl).<br />
Wir stimmen mit Balluchs tierethischen<br />
Ansätzen in ihrer Konsequenz<br />
nicht bedingungslos überein.<br />
Aber wie sagte doch schon der große<br />
Aufklärer Voltaire: Ich bin zwar nicht<br />
Ihrer Meinung, werde mich aber dafür<br />
einsetzen, dass Sie diese frei äußern<br />
dürfen.<br />
Auch die ABA steht der Tradition der<br />
Aufklärung nahe – zumindest geht ihr<br />
Leitbild in diese Richtung. So haben<br />
wir das bioskop als offenes, kritisches<br />
Forum verstanden, das die Biologie<br />
in einem komplexen kulturellen<br />
und gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang<br />
reflektiert und die immense<br />
Tragweite der Wissenschaften<br />
vom Leben aufweist. Bei einigen Vorstandsmitgliedern<br />
der ABA stießen<br />
wir damit allerdings wiederholt auf<br />
taube Ohren oder gar Ablehnung. Die<br />
„Causa Balluch“, wie auch immer man<br />
sie im Einzelnen beurteilen wird, fand<br />
bei den meisten Vorstandsmitgliedern<br />
absolutes Desinteresse.<br />
Das Redaktionsteam verabschiedet<br />
sich daher mit diesem Heft, dankt<br />
seinen Leserinnen und Lesern für die<br />
erwiesene Treue und hofft auf deren<br />
gute Nachrede. Unser Dank gilt ebenso<br />
dem redaktionellen Beirat sowie<br />
unseren Autorinnen und Autoren für<br />
die vielen informativen, konstruktiven<br />
und kritischen Beiträge.<br />
Prof. Dr. Franz M. Wuketits (Herausgeber),<br />
Dr. Richard Kiridus-Göller (Chefredakteur)<br />
Redaktionsschluss mit Niederlegung<br />
der Redaktionsgeschäfte: 4. Juli 2008
ioskop<br />
Zeitschrift der <strong>Austrian</strong> <strong>Biologist</strong> <strong>Association</strong><br />
Thema 4 <strong>ETHNOBOTANIK</strong> ODER DIE VERNETZUNg VON MENSCH UND PfLANZE<br />
Grundlegende Richtung<br />
(Offenlegung nach §25 Mediengesetz)<br />
bioskop ist das parteifreie und konfessions-<br />
unabhängige Magazin der ABA (<strong>Austrian</strong><br />
<strong>Biologist</strong> <strong>Association</strong>).<br />
Die Herausgabe der Zeitschrift bioskop ist<br />
Bestandteil des ABA-Leitbildes, sie vermittelt in<br />
öffentlicher Didaktik biologisches Orientierungswissen<br />
zum gesellschaftlichen Vorteil. Die<br />
Zeitschrift bioskop erscheint viermal jährlich.<br />
Medieninhaber<br />
<strong>Austrian</strong> <strong>Biologist</strong> <strong>Association</strong> (ABA),<br />
Member of European Countries<br />
<strong>Biologist</strong>s <strong>Association</strong> (ECBA)<br />
Präsident der ABA<br />
Mag. Helmut Ulf Jost<br />
Fuchsgrabengasse 25, 8160 Weiz<br />
helmut.jost@stmk.gv.at<br />
Ida Pohl-Sennhauser<br />
Buchvorstellung 12 RATTENSCHwANZ UND SCHNECKENSCHLEIM<br />
Richard Kiridus-Göller<br />
Was uns bewegt 13 TIERSCHUTZ UND MENSCHENRECHTE<br />
Gernot Neuwirth, Peter Weish<br />
Focus 18 wALD ODER NICHT wALD – DAS IST HIER DIE fRAgE<br />
Bernt Ruttner<br />
Didaktik 22 PfLANZENfORSCHER UNTERwEgS,<br />
IN DER SCHULE UND IM BOTANISCHEN gARTEN<br />
Suzanne Kapelari, Christian Bertsch<br />
26 wIE KOMMT DAS wASSER IN DIE DIE KRONEN DER BäUME?<br />
Stefan Mayr, Thea Gufler, Suzanne Kapelari<br />
32 25 JAHRE NATURVERMITTLUNg – UND JETZT?<br />
Gabriele Hrauda<br />
Glosse 35 gEDANKEN EINES gEwESENEN MAIBAUMS<br />
Franz Bacher<br />
ABA Intern 31 MEMBERSHIP<br />
Formular<br />
Herausgeber<br />
im Auftrag der ABA<br />
Prof. Dr. Franz M. Wuketits<br />
Universität Wien<br />
franz.wuketits@univie.ac.at<br />
Chefredakteur<br />
Dr. Richard Kiridus-Göller<br />
Redaktionssitz<br />
Chimanistraße 5<br />
A-1190 Wien<br />
Internet<br />
www.aba-austrianbiologist.com<br />
www.bioskop.at<br />
Redaktionelle Mitarbeit<br />
Mag. Franz Bacher<br />
Dr. Hans Hofer<br />
Redaktioneller Beirat<br />
Prof. Dr. Georg Gärtner,<br />
Universität Innsbruck<br />
Dr. Susanne Gruber,<br />
Wirtschaftsuniversität Wien<br />
Prof. Dr. Walter Hödl,<br />
Universität Wien<br />
Prof. Dr. Bernd Lötsch,<br />
Naturhistorisches Museum Wien<br />
Prof. Dr. Erhard Oeser,<br />
Universität Wien<br />
Prof. Dr. Gottfried Tichy,<br />
Universität Salzburg<br />
Doz. Dr. Peter Weish,<br />
Universität Wien<br />
emer. Prof. Dr. Gustav Wendelberger,<br />
Universität Wien<br />
emer. Prof. Dr. Horst Werner,<br />
Universität Salzburg<br />
Dr. Manfred Wimmer,<br />
Gymnasium Waidhofen a. d. Thaya<br />
AUSgABE 2/2008 | 11. JAHRgANg | <strong>ETHNOBOTANIK</strong><br />
Cover: Quelle: Konrad von Megenberg: Das Buch der Natur.<br />
Augsburg: Johann Bämler, 1478,<br />
Universitätsbibliothek Innsbruck, Ink. 155 C 7<br />
Abo-Verwaltung<br />
Mag. Irmgard Reidinger-Vollath,<br />
Rebengasse 10, A-7350 Oberpullendorf,<br />
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BIC EHBBAT2E<br />
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PR, Werbung<br />
Dr. Maria Wuketits<br />
Layout und Satz<br />
Clemens-G. Göller<br />
Druck<br />
Facultas Verlags- und Buchhandels AG<br />
Berggasse 5, A-1090 Wien, www.facultas.at<br />
Auflage: 1000 Exemplare<br />
Gedruckt auf chlorfei gebleichtem Papier.<br />
ISBN 978-3-9502381-8-1
4<br />
Thema<br />
Die Pflanzenwelt bildet ein Reservoir,<br />
in welchem die flüchtigen Sonnenstrahlen<br />
fixiert und zur Nutznießung<br />
geschickt niedergelegt werden; eine<br />
ökonomische Fürsorge, an welche die<br />
physische Existenz des Menschengeschlechts<br />
unzertrennlich geknüpft ist.<br />
(J.R. Mayer 1814-1878)<br />
� Ida Pohl-Sennhauser<br />
-----------------------------------------------------<br />
Tatsachen erkennt der Betrachter oft<br />
in unterschiedlicher Dimension. Eine<br />
davon ist die Erkenntnis, dass eine<br />
Grundlage des „Lebendigen“ auf dem<br />
Stoffwechsel der grünen Pflanzen beruht.<br />
Ein Umstand, der uns Menschen<br />
in der alltäglichen Welt allerdings<br />
kaum erkennbar ist. Wessen Alltag<br />
ist notwendiger Weise schon von der<br />
Einsicht durchdrungen, dass es ohne<br />
diese Pflanze kein tierisches, also auch<br />
kein menschliches Existieren in erdgeschichtlicher<br />
Prägung gäbe? Die Abhängigkeit<br />
des einzelnen Individuums<br />
und letztlich der menschlichen Zivilisation<br />
von der Pflanze, auch, und gerade<br />
in kultureller Hinsicht, ist eine Überlebensfrage.<br />
Die vielfältige Nutzung von<br />
Pflanzen ist daher seit jeher selbstverständlich;<br />
das akademische Interesse<br />
daran, wird heute unter dem Begriff<br />
Ethnobotanik zusammengefasst. Dieser<br />
Begriff wurde 1895 erstmals in den<br />
USA von dem Botaniker John William<br />
Hashberger (1869-1929) verwendet,<br />
damals bezogen auf die Studien der<br />
von den Ureinwohnern, den so genannten<br />
„Primitiven“ verwendeten<br />
Pflanzen. Im Laufe ihrer wissenschaftlichen<br />
Geschichte sind die Inhalte der<br />
Disziplin wesentlich erweitert worden<br />
und umfassen heute die Erforschung<br />
von Pflanzen in ihren gesamten Wechselbezügen<br />
zur menschlichen Kultur.<br />
Ethnobotanische Inhalte berühren<br />
also sowohl kulturwissenschaftliche,<br />
als auch rein naturwissenschaftliche<br />
Kategorien und reichen naturgemäß<br />
bis in die menschlichen Anfänge zurück.<br />
Wir haben allen Grund anzunehmen,<br />
bioskop 2/2008<br />
<strong>ETHNOBOTANIK</strong><br />
ODER DIE VERNETZUNg VON MENSCH UND PfLANZE<br />
dass unsere prähistorischen Ahnen<br />
Utensilien des täglichen Gebrauchs<br />
aus den unterschiedlichsten pflanzlichen<br />
Materialien wie Hölzern, Blättern,<br />
Blüten, Früchten und Rinden<br />
anfertigten. Alles „Gegenstände“, die<br />
selbstverständlich schon längst in den<br />
natürlichen Stoffkreislauf zurückgeflossen<br />
sind. Nur außergewöhnlichen<br />
Umständen ist es zu verdanken, dass<br />
gelegentlich Geräte, beispielsweise<br />
aus Holz, erhalten geblieben sind.<br />
Solche Funde zeigen, dass möglicherweise<br />
Hominiden, die vor dem Neandertaler<br />
(Homo sapiens primigenius)<br />
lebten, schon scharf zugespitzte Speere<br />
aus hartem Eibenholz anfertigten,<br />
mit denen sie große Tiere jagen konnten.<br />
Auch bezüglich der Ideen unserer<br />
alt- und jungsteinzeitlichen Vorfahren<br />
können wir nur über indirekte Wege<br />
etwas in Erfahrung bringen. Das Phänomen<br />
von Leben und Tod muss bereits<br />
bewusst erlebt worden sein, denn<br />
seit den Siebzigerjahren des vorigen<br />
Jahrhunderts wissen wir, dass vor rund<br />
40 000 bis 60 000 Jahren Neandertaler<br />
in den Shanidar-Höhlen im Zagros-<br />
Gebirge des nordwestlichen Iran mit<br />
großen Mengen an Blumen bestattet<br />
wurden. Pollenanalysen weisen darauf<br />
hin, dass darunter eine große Anzahl<br />
von Malven, Lichtnelken und Taubenhyazinthen<br />
sind. (Riedl 2003, S. 6)<br />
Fossilien, die dem „heute lebenden“<br />
Menschen (Homo sapiens) zugerechnet<br />
werden, sind mit einem Alter von<br />
etwa 160 000 Jahren datiert. Verstärkt<br />
treten sie seit ungefähr 100 000 Jahren<br />
auf. Die Geschichte des Menschen im<br />
Sinne der Geisteswissenschaften setzt<br />
viel später ein, nämlich erst mit dem<br />
Beginn der so genannten Hochkulturen.<br />
Eine Voraussetzung zur Entstehung<br />
solcher sozialer Ordnungen war<br />
die Entwicklung hin zum Ackerbau.<br />
Da sich der Frühmensch von Gejagtem<br />
und dem Sammelgut von allerlei<br />
Kleingetier, Samen, Kräutern, Wurzeln<br />
und Knollen ernährte, kann man davon<br />
ausgehen, dass Pflanzen mit besonders<br />
wertvollen Eigenschaften in<br />
großen Mengen zusammengetragen<br />
wurden. Die jeweiligen Arten verbreiteten<br />
sich rund um die menschlichen<br />
Behausungen wie von selbst durch Zufallsaussaat.<br />
Von da bis zum gezielten,<br />
absichtlichen Aussäen auf einem Stück<br />
bearbeiteten Land war es nur mehr ein<br />
kleiner, fast selbstverständlicher Entwicklungsschritt.<br />
Die gemeinsame Entwicklung von<br />
Mensch und Pflanze ist alt und von<br />
sehr differenzierter Ausformung. Vielfältig<br />
sind daher die einzelnen Fragestellungen<br />
der unterschiedlichen Fachdisziplinen<br />
und ihre gegenseitigen<br />
Berührungspunkte.<br />
Die Kenntnisse im Umgang mit Pflanzen<br />
stellen zentrale kulturelle Leistungen<br />
in allen Zivilisationen dar. Vielfalt und<br />
Identität finden ihren Ausdruck nicht<br />
ausschließlich in der profanen Nützlichkeit.<br />
Neben den Themen der alltäglichen<br />
Lebensbewältigung gilt es auch,<br />
die phantasievollen ideengeschichtlichen<br />
„Wirklichkeiten“ rund um die<br />
Pflanzenwelt zu erfassen. Gemeint ist<br />
damit eine Ebene, die oftmals jenseits<br />
des rationalen Verstandes angesiedelt<br />
ist, manchmal mit diesem aber auch<br />
eigentümlich vermischt wird. Hierher<br />
gehört die Pflanze im Mythos, ihre Stellung<br />
als heiliges Geschöpf oder Medium<br />
im menschlichen Universum, die<br />
Pflanze als magisches Utensil in der<br />
Lebensbewältigung, ihr Zeichengebendes<br />
(Signatur), ihr symbolträchtiger<br />
Ausdruck, ihr Anstoß zu Naturerkennen<br />
und Philosophie, aber auch lokale<br />
Bezeichnungen und Etymologie, sowie<br />
die Pflanze und ihre Präsenz in der Ästhetik<br />
und Sinnlichkeit. Die Ethnobotanik<br />
behandelt Wechselwirkungen zwischen<br />
Menschen und Pflanzen, wobei<br />
die aktiven Impulse für deren Gestaltung<br />
sich primär an den Bedürfnissen<br />
des Menschen orientieren. Auch erfahren<br />
die vom Menschen bevorzugten<br />
Pflanzen „besondere Behandlung“<br />
und sind somit anderen Anpassungsmechanismen,<br />
Verbreitungsstrategien<br />
und Erbgutwandel als die wilde Ver-
wandtschaft unterworfen. Letztlich<br />
leitet sich damit auch innerhalb der<br />
ethnobotanischen Disziplin die Frage<br />
nach dem Umgang mit der Pflanze im<br />
Rahmen des Ökosystems ab.<br />
Gegenwärtig ist der Begriff „Ethnobotanik“<br />
auch ein Synonym für das Experimentieren<br />
mit so genannten „natürlichen“<br />
oder „alternativen“ Drogen<br />
geworden. Die Liste der Pflanzenarten<br />
ist lang, viele sind als „ethnobotanisches<br />
Anschauungsmaterial“, beispielsweise<br />
im einschlägigen Internethandel zu<br />
bekommen. Das Phänomen „Rausch“<br />
im weitesten Sinn ist eben, Moral hin<br />
oder her, ein zutiefst menschliches. Die<br />
gesellschaftliche Akzeptanz rein subjektiv<br />
und kulturbedingt.<br />
Am Anfang der wissenschaftlich betriebenen<br />
Botanik, in der Antike, stand das<br />
Interesse an der Heilpflanze, wiederum<br />
eine ethnobotanische Wurzel!<br />
Körperliche Leiden waren seit jeher<br />
eine große Herausforderung an das Einfühlungsvermögen,<br />
schmerzlindernde<br />
Substanzen eine Notwendigkeit. Die<br />
Anwendung diverser Heiltherapien<br />
konnte mitunter schon tausende Jahre<br />
alt sein, bis sie schließlich niedergeschrieben<br />
wurden. In unserem Kulturkreis<br />
geschah dies erstmalig durch<br />
die Griechen. Auch sie schöpften ihr<br />
Wissen nicht aus dem Nichts, sondern<br />
sie sammelten die umfangreichen Erfahrungen<br />
des Volkes, um diese erstmals<br />
systematisch zu ordnen. Diese<br />
Bemühungen bildeten den Grundstein<br />
einer wissenschaftlichen, nach Einzelgebieten<br />
geordneten, methodisch aufgebauten<br />
Erkenntnis der Pflanzenwelt,<br />
kurz der Botanik. Somit ist das Interesse<br />
an Heilpflanzen auch der Beginn<br />
einer wissenschaftlichen Botanik und<br />
dementsprechend sind auch die Quellen<br />
unserer „gelehrten Medizin“ in den<br />
medikalen Systemen der Volksheilkunden<br />
zu finden.<br />
Eigene Feldforschung<br />
Während der Achtzigerjahre des vergangenen<br />
Jahrhunderts begab ich<br />
mich auf Spurensuche nach dem überlieferten<br />
pflanzlichen Erfahrungswissen,<br />
den „Alltagspflanzen“ unserer eigenen<br />
Kultur. Während einer mehrere<br />
Jahre dauernden Feldstudie besuchte<br />
ich Menschen in unterschiedlichen<br />
Regionen Österreichs, die noch originäres,<br />
also von Generation zu Generation<br />
Wissen überlieferten. So entstand<br />
eine Sammlung der ethnobotanischen<br />
Kenntnisse von weit über hundert Personen,<br />
die hauptsächlich der bäuerlichen<br />
Kultur angehörten. Zwei Drittel<br />
der Gewährspersonen waren Frauen,<br />
ein Drittel Männer. Die jeweiligen Gespräche<br />
wurden individuell gestaltet,<br />
fanden also nicht nach Schema statt.<br />
Originäres, also überliefertes Wissen<br />
galt als Voraussetzungen für solche Interviews,<br />
die jeweils mehrere Stunden<br />
dauern konnten. Im Ablauf solcher Befragungen<br />
wurde diese „Echtheit“ der<br />
Überlieferungen fast wie von selbst<br />
offenbar. Sekundärwissen aus Büchern<br />
und modernen Medien war so aus dieser<br />
Arbeit auszuschließen, Authentizität<br />
gefragt. Überraschend war auch der<br />
Umstand, dass viele der Befragten gar<br />
keine „Kräuterbücher“ besaßen.<br />
Ein Anspruch auf Vollständigkeit des<br />
überlieferten Wissens wurde sinnvoller<br />
Weise nicht angestrebt. Insgesamt<br />
konnten auf diese Weise Informationen<br />
von 237 Pflanzen in einer erstaunlichen<br />
Fülle von Anwendungsformen<br />
und Anwendungsbereichen zusammengetragen<br />
werden. Wie kaum anders<br />
zu erwarten, wurden und werden<br />
die meisten von ihnen in irgendeiner<br />
Form „medizinisch“ genutzt. Wer selbst<br />
Erfahrung in solcher Art von Feldstudien<br />
hat, weiß um deren hohen Erlebniswert,<br />
aber auch um das dafür notwendige<br />
Einfühlungsvermögen und<br />
vor allem um das geduldige Zuhören,<br />
ohne welche keine so dichten Ergebnisse<br />
zustande kämen. Diese stammen<br />
nicht aus dem Buchstabenwissen großer<br />
Gelehrsamkeit, sondern schöpfen<br />
direkt aus dem menschlichen Leben<br />
und den damit verbundenen Sorgen,<br />
Nöten und Freuden.<br />
Natürlich kann man Wissen dieser Art,<br />
auch immaterielles Kulturerbe genannt,<br />
heute, ohne eigene Feldforschungsarbeit<br />
verbreitet, in der einschlägigen<br />
Literatur finden. Es wird allerdings bald<br />
zur Gewohnheit, sich nur mehr an diese<br />
Quellen zu halten und nicht selten<br />
wird daraus ein „höheres Niveau“ oder<br />
ein höheres Maß an „Echtheit“ abgeleitet.<br />
Eine Tatsache, die offensichtlich in<br />
unserer menschlichen Psyche tief verwurzelt<br />
und daher auch zwischen den<br />
Thema<br />
einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen<br />
zu beobachten ist.<br />
Da sich die Menschen in der konkreten<br />
Gesprächssituation auch an „andere“<br />
Heilmittel erinnerten, ist die ursprünglich<br />
nur auf pflanzliche Anwendungen<br />
konzipierte Arbeit um eben diese erweitert<br />
worden.<br />
Exemplarisches<br />
Im nun folgenden Abschnitt werden einige<br />
Ergebnisse dieser Studie beispielhaft<br />
vorgestellt, wobei sich unschwer<br />
erkennen lässt, dass ethnobotanische<br />
Inhalte nicht nur das gesamte menschliche<br />
Leben durchdringen, sondern<br />
auch quer durch die Systematik des<br />
Pflanzenreiches verläuft.<br />
Wer noch vor dem 2. Weltkrieg an Lungenentzündung<br />
erkrankte, bekam Umschläge<br />
mit der so genannten „Trog-<br />
oder Brunnenseide“ (diverse grüne<br />
Fadenalgen). Zweimal täglich holten<br />
die Kinder mit kleinen Kübeln vom alten<br />
Holztrog, der Rindertränke an der<br />
Quelle, von diesem etwa fünfzehn bis<br />
zwanzig Zentimeter langen„schlitzigen,<br />
schlammigen Zeug“. Mit diesem anschließend<br />
erwärmten Algengemisch<br />
sind Wickelumschläge angefertigt worden.<br />
Etwas davon ist vom Erkrankten<br />
auch getrunken worden. Selbst beim<br />
„Bauchgrimmen“ von Säuglingen sind<br />
solche Umschläge verabreicht worden<br />
(Eschenau, Taxenbach, Salzburg).<br />
„Trog- oder Brunnseiden“ gegen Lungenentzündung<br />
(Taxenbach, Pinzgau 1985).<br />
bioskop 2/2008<br />
5
6<br />
Thema<br />
Die Pechtropfen von der Tanne (Abies<br />
alba) werden einzeln eingesammelt<br />
und auf einem Würfelzucker bei Lungenkrankheiten<br />
eingenommen (Köflach,<br />
Steiermark).<br />
Eine andere Möglichkeit ist der<br />
Lungenröhrl tee (Totengebeinsflechte,<br />
Thamnolia vermicularis). Sieben bis<br />
zehn Röhrchen dieser Flechte werden<br />
abends in kalter Milch angesetzt, in der<br />
Früh erwärmt und so heiß wie möglich<br />
bei Husten, Bronchitis und Lungenentzündung<br />
getrunken (Judenburg, Steiermark).<br />
Der frische Bärlapp (Lycopodium sp.)<br />
wird entweder direkt oder in Leinensäcken<br />
abgefüllt bei Wadenkrämpfen<br />
aufgelegt (Steyr, Ternberg, Oberösterreich).<br />
Im Herbst zerdrückten Sammler die<br />
Sporenbehälter, im Volksmund auch<br />
Blüten genannt. Der daraus gewonnene<br />
„Staub“, eben die Sporen, werden<br />
als Wund- und Babypuder verwendet.<br />
Bärlapp, auch Wolfsklaue genannt (Lycopodium<br />
clavatum).<br />
Früher trugen die Männer die aufgefädelten<br />
Wurzelscheiben vom Kalmus<br />
(Acorus calamus) in Form einer Kette in<br />
der Rocktasche, um nach einem unverträglichen<br />
Essen diese jederzeit zum<br />
Kauen griffbereit zu haben. Sie soll<br />
auch als männliches Potenzmittel wirken<br />
(Ternberg, Steiermark). Mancherorts<br />
galt auch das Kauen der äußerst<br />
giftigen „Wolfswurzn“ (Eisenhut, Aco-<br />
bioskop 2/2008<br />
nitum napellus) als potenzförderndes<br />
Mittel. Diese äußerst bedenkliche Methode<br />
sei jedoch niemandem empfohlen,<br />
da es schon mal vorgekommen sei,<br />
dass ein solcher „Knabe“ völlig „durchgedreht“<br />
habe und psychiatrisch behandelt<br />
werden musste (Gaal, Steiermark).<br />
Knoblauchzehen (Allium sativum) aufgefädelt<br />
zu einer Halskette, dienen<br />
der Abwehr von Infektionskrankheiten<br />
(Eisenerz, Steiermark). Eine häufige<br />
Anwendung, die bis in die Gegenwart<br />
praktiziert wird, ist die „Krenkette“ oder<br />
das „Krenbeten“. Dabei werden die frischen<br />
Wurzelscheiben des Meerrettichs<br />
( Armoracia rusticana) auf einen Faden<br />
gezogen und solche Ketten fiebernden<br />
Kindern um den Hals und/oder die<br />
Hand- und Fußgelenke gelegt. „Nimmt<br />
d’Hitz!“, „ziehgt s’Fieber hinaus!“ Sobald<br />
die Kette ausgetrocknet ist, wird sie erneuert.<br />
Bei kleinen Kindern sollen nur<br />
wenig Scheiben verwendet werden,<br />
weil’s „zuviel zieght“, weiters soll darauf<br />
geachtet werden, dass die Anzahl der<br />
Scheiben eine ungerade ist (Gutenstein,<br />
Neumarkt an der Ybbs, Niederösterreich).<br />
Die klein geschnittenen Blütenblätter<br />
der dekorativen Weißen oder Madonnen-Lilie<br />
(Lilium candidum) werden<br />
in Olivenöl angesetzt und für einige<br />
Wochen an die Sonne gestellt. Hinters<br />
Ohr aufgetragen lindern sie Ohrenschmerzen<br />
(Judenburg Steiermark).<br />
Weiße Lilie in einem oberösterreichischen Bauerngarten,<br />
1986.<br />
Den Hollerschwamm (Auricularia auricula-judae)<br />
lege man, nachdem er<br />
zuerst in lauwarmer Milch gelegen sei,<br />
über Nacht auf die entzündeten Augen<br />
(St. Ulrich b. Steyr, Oberösterreich; Gutenstein-Vorderbruck,Niederösterreich;<br />
Hirschegg, Steiermark).<br />
Dieser auf alten Holunderbäumen<br />
wachsende Pilz wird auch Judasohr genannt.<br />
Seine angenommene Giftigkeit,<br />
eine volkstümliche Überlieferung, liege<br />
in der Wut des Teufels, der sich heute<br />
noch ärgere, dass Petrus dem Judas ein<br />
Ohr „abgehauen“ hätte und deshalb<br />
nach dem Erhängungstod von Judas<br />
dieses auf den so heilsamen Holunder<br />
wachsen ließ, damit nun auch dieser<br />
giftig werde. Hellhörige erkennen sofort:<br />
Hier wird nicht nur ein altes Weltbild<br />
mit den Vorstellungen eines neuen<br />
bekämpft, sondern aus Unwissenheit<br />
eine vielleicht etwas „absonderliche“<br />
pflanzliche Form als giftig erklärt.<br />
Die Heilkräfte des Holunders sind legendär,<br />
wohnte doch eine germanische<br />
Hauptgöttin in diesem Baum.<br />
Es ist die überlieferte Frau Holle, die<br />
als schützender Geist von Haus und<br />
Hof in dieser Pflanze steckt. Manchmal<br />
wurde sie auch Perchtha genannt, was<br />
die ursprüngliche Form des Namens<br />
Bertha ist, und die Leuchtende, oder<br />
die Strahlende bedeutet. Diese den<br />
Menschen mild und freundlich gesonnene<br />
Göttin schützte das Anwesen und<br />
ihre Bewohner, sofern ihrer gedacht<br />
wurde. Deshalb werden auch zwei bis<br />
drei Stücke des Holunderschwammes<br />
außen an Scheune, Stall oder Haustor<br />
genagelt. Das schützt vor Feuer generell<br />
und vor Blitzeinschlag im Besonderen.<br />
Diesen Schwamm lasse man<br />
solange dort, bis man sie mit neuen<br />
ersetzen kann. Dann verbrenne man<br />
die „verbrauchten“ Stücke im Herdfeuer.<br />
Zieht ein besonders arges Gewitter<br />
auf, so verbrenne man zusätzlich noch<br />
einige Stücke im eigenen Herd, damit<br />
der Rauch den Wolken entgegen ziehe<br />
(Tiefenbach, Salzburg).<br />
Der Absud von der frischen und getrockneten<br />
Osterluzei (Aristolochia clematitis)<br />
wird für Wundbäder verwendet.<br />
Das Kraut bleibt im Badewasser.<br />
Anschließend wird es mittels eines Verbandes<br />
direkt auf die Wunde gelegt.<br />
Weiters werden die frischen Blätter auf<br />
geschwollene, ulceröse Beine, Füße<br />
und jegliche Art von Wunden gelegt<br />
(Rechnitz, Burgenland).
Nach der Wiesenmahd sammelte man<br />
einst die Kümmelpflanzen (Carum carvi)<br />
ein. In Buschen gebunden, hängte<br />
man sie am Dachboden zum Trocknen<br />
auf. Bei Bedarf wurden die getrockneten<br />
Pflanzen geschüttelt oder die Rispen<br />
zwischen den Händen gerieben,<br />
so dass die Samen, eben der Kümmel,<br />
in eine Schale fielen. Alle kennen wir<br />
den Kümmeltee gegen Bauchweh. Bei<br />
Darmblähungen der Säuglinge zerbissen<br />
die Mütter die Samen zwischen<br />
den Zähnen und hauchten den dabei<br />
entstehenden Geruch den Säuglingen<br />
in den Mund, eine wie mir scheint doch<br />
weniger bekannte Verabreichungsform<br />
(Pernitz, Niederösterreich).<br />
Bei Durchfällen wird ein Absud der Rinde<br />
des Faulbaumes (Frangula alnus)<br />
verwendet.<br />
M. Auer aus Wien/Niederösterreich beim Schälen<br />
der Faulbaumrinde, 1986.<br />
Einst galt die Grüne Nieswurz (Helleborus<br />
viridis), im Volksmund auch „Güllwurzn“<br />
genannt, als ein Allheilmittel<br />
für Mensch und Tier. „Güllwurz’n ziehen“<br />
heißt folgende traditionelle Behandlung<br />
von Schweinekrankheiten,<br />
insbesondere des Schweinerotlaufes.<br />
Dafür wird die Ohrmuschel mit einer<br />
Nadel durchstochen, um die zwei bis<br />
drei Zentimeter langen Wurzelstücke,<br />
gesteckt in eine hohle Hühnerfeder,<br />
hineinzuziehen. Innerhalb von zwei<br />
Tagen wird der dafür ausgewählte<br />
Ohrlappen hochrot anschwellen. Die<br />
Wurzelstücke selbst verbleiben solange<br />
darin, bis sie herausfallen und wen<br />
wundert’s, dass die Behandlung ein<br />
Riesenloch zurücklässt. „Dafür wird das<br />
Tier wieder g’sund“ (Niederösterreich,<br />
Steiermark, Burgenland).<br />
Selbst die giftige Schneerose (Helleborus<br />
niger) wusste man zu nutzen.<br />
Wie ihre Vorfahren den Wurzelsaft anwendeten,<br />
konnte sich eine Gewährsperson<br />
nicht mehr genau erinnern,<br />
allerdings an den damit verbundenen<br />
Spruch: „Drei Tropfen machen rot, zehn<br />
hingegen tot!“ (Gutenstein, Niederösterreich).<br />
Auch die Tierärztin aus Pernitz<br />
bestätigte, dass früher der Wurzel-<br />
Absud ein „Allheilmittel“ für Mensch<br />
und Tier gewesen sei und solches<br />
nicht selten zu heftigen Intoxikationserscheinungen<br />
geführt habe (Pernitz,<br />
Niederösterreich).<br />
Noch vor Jahrzehnten wurden Kräuter<br />
im großen Stil gesammelt und in Säcke<br />
abgefüllt.<br />
Ein Dachboden in Niederösterreich. Die während<br />
einer Vegetationsperiode mühsam gesammelten<br />
und getrockneten Kräuter warten auf einen<br />
Händler, 1982.<br />
Herkömmliches medikales Wissen beinhaltet<br />
auch vielerlei immaterielle<br />
Methoden, in denen die Pflanzen eine<br />
wichtige Rolle spielen. So wurden beispielsweise<br />
die Wäscheteile von Kranken<br />
auf so genannte „Lappenbäume“<br />
gehängt, um auf solche Art die Krankheit<br />
los zu werden.<br />
Einst grub man an einem Freitag, bei<br />
abnehmendem Mond, vor Sonnenaufgang,<br />
nach einer Wurzel des Schwarzen<br />
Holunders (Sambucus nigra),<br />
hängte diese dem „Schwindsüchtigen“<br />
während vierundzwanzig Stunden um<br />
den Hals und warf sie anschließend in<br />
ein vom Haus des Erkrankten wegfließendes<br />
Wasser.<br />
Der immergrüne Wacholder (Juniperus<br />
communis) wird in keinem traditionellen<br />
Bauerngarten fehlen. Zum<br />
„Wenden“ oder „Gesundwenden“ trugen<br />
beispielsweise die Eltern im oberösterreichischen<br />
Hausruckviertel ihr<br />
krankes Kind zu dieser „Staud´n“. Hier<br />
wartete schon die Wenderin, murmelt<br />
einige Gebete oder Zauberformeln,<br />
und schnitt dabei drei Zweigspitzen<br />
ab. Wieder zurück im Haus legte man<br />
das Kind derart in sein Bett, dass es<br />
unter einem Kruzifix, an welchem die<br />
drei Zweigspitzen angebunden wurden,<br />
zu liegen kam. Hier blieben sie bis<br />
zum nächsten Neumond hängen und<br />
durften von keinem Menschen berührt<br />
werden.<br />
Dieses Bild zeigt, wie Krankheiten auf einen<br />
Holunderstrauch übertragen werden.<br />
Im zeitlichen Frühjahr wird der Stamm<br />
oder ein kräftiger Ast aufgespalten und<br />
in die so entstandene Öffnung ein Stein<br />
eingezwängt. Bis diese Wunde verheilt<br />
ist, bleibt der Stein im Holz; später kann<br />
er entfernt werden. Gicht- oder Rheumakranke<br />
wird empfohlen, vor Sonnenaufgang<br />
zum Holunder zu gehen, die<br />
linke Hand in den Spalt zu halten und<br />
folgende Worte zu sprechen:<br />
Hollerbam i bitt di<br />
Dö Gicht (dös Rhema) plagt mi<br />
Nimm’s an und ziag’s aus von mir<br />
Mei Lebtag will i’s danken dir!<br />
Thema<br />
Für die Dauer von drei nun zu betenden<br />
„Vater unser“ belässt der Kranke seine<br />
Hand im Spalt.<br />
Räucherungen haben in der menschlichen<br />
Kulturgeschichte eine lange Tradition.<br />
Zu Zeiten, in denen der Mensch<br />
fast ausschließlich Holz verfeuerte, hütete<br />
er die Glut übers ganze Jahr und<br />
wann immer ihm danach war, streute<br />
er pflanzliche oder tierische Substanzen<br />
hinein.<br />
bioskop 2/2008<br />
7
8<br />
Thema<br />
Frau Gold bei den Vorbereitungen zum Räuchern<br />
mit der Meisterwurz-Wurzel (Peucedanum<br />
ostruthium) gegen Ohrenschmerzen (Eschenau,<br />
Taxenbach, Salzburg 1985).<br />
In der kulturhistorischen Überlieferung<br />
schützt der Wacholder (Juniperus sp.)<br />
vor schädlichen Einflüssen aller Art.<br />
Deshalb werden auch nach Krankheiten<br />
und Todesfällen alle Wohnräume ausgeräuchert.<br />
Geräuchert wird aber auch<br />
des angenehmen Geruches wegen, in<br />
der vorweihnachtlichen Zeit und überhaupt<br />
gilt der Wacholder schon seit jeher<br />
als Heil- und Hexenmittel.<br />
M. Schweighofer (geb. 1916) beim Entzünden<br />
eines Wacholderzweiges und Ausräuchern des<br />
Hauses (Gloggnitz/Prigglitz, Niederösterreich<br />
1985).<br />
bioskop 2/2008<br />
Rauchen ist eine menschliche Leidenschaft<br />
und wer konnte, baute sich den<br />
Bauern-Tabak (Nicotiana rustica) selbst<br />
im Garten an. Je sorgfältiger die Blätter<br />
geerntet, gewalkt, getrocknet und fermentiert<br />
werden, umso köstlicher wird<br />
der Genuss sein. (Kapfenstein, Steiermark)<br />
Die Sitte des „Tabaktrinkens“ wurde im<br />
Laufe des 17. Jahrhunderts nach Österreich<br />
gebracht. Unbeeindruckt von der<br />
Geistlichkeit, welche solchen Genuss<br />
als heidnisch verdammte und von der<br />
österreichischen Regierung, die der<br />
neuen, aus Amerika, übernommenen<br />
Mode ebenfalls abgeneigt gegenüberstand,<br />
machten die Tabakschwärzer<br />
und ausländischen Tabakhändler<br />
große Geschäfte. „Geld stinkt nicht“,<br />
dachte sich auch der Kaiser und besteuerte<br />
das „Kraut“! Als Folge davon<br />
wurde sein Anbau mit staatlicher Bewilligung<br />
gefördert und in der Region<br />
des heutigen südlichen Burgenlands/<br />
Südost-Steiermark bedeutete diese<br />
Kultur vielen Bauern ein zusätzliches<br />
Einkommen zu ihrem nicht allein überlebensfähigen<br />
Kleinbetrieb. Nicht unerwähnt<br />
bleiben sollen die modischen<br />
Strömungen des Tabakgenusses. Sie<br />
veränderten die jeweilige Kultur, denn<br />
was einst mit Tabakschnupfen und<br />
Pfeifenrauchen begann, wurde, ebenfalls<br />
vom Neuen Kontinent ausgehend,<br />
etwa hundert Jahren später, von der<br />
Zigarre, und diese um 1900 von der Zigarette,<br />
abgelöst.<br />
In Krisenzeiten oder wer sich keinen Tabak<br />
leisten wollte (konnte), behalf sich<br />
mit Ersatzpflanzen, beispielsweise mit<br />
dem Kraut des Waldmeisters (Galium<br />
odoratum), den Blättern der Erdbeere<br />
(Fragaria sp.) und der Brombeere (Rubus<br />
fruticosus). Dieses mit Honigwasser<br />
befeuchtete und dem Gärungsprozess<br />
überlassene Gemisch ergibt eine<br />
gar nicht so schlechte Rauchmischung<br />
(Rechnitz, Burgenland). Statt geraucht<br />
wurden in den Kriegsjahren auch die<br />
Wermuth-Blätter (Artemisia absinthium)<br />
„gekaut“. (Neckenmarkt, Burgenland)<br />
Vorgänger unseres Kaugummis ist das<br />
„Kohlpech“. Gemeint sind damit die<br />
am Baumstamm herunter rinnenden<br />
Harztropfen der Fichte (Picea abies).<br />
Die sind gesund, nur soll man sie nicht<br />
runterschlucken, sondern ausspucken.<br />
Arbeitet man in einem wasserarmen<br />
Wald und hat nichts Flüssiges bei sich,<br />
so spürt man beim Kauen des „Kohlpechs“<br />
weniger Durst. (Rohr im Gebirge,<br />
Niederösterreich)<br />
Reich und phantasievoll sind die Rituale<br />
zur Förderung der Fruchtbarkeit von<br />
landwirtschaftlich genutzten Flächen.<br />
Im burgenländischen Grafenschachen<br />
werden zu Ostern die am Palmsonntag<br />
gesegneten „Palmkatzerln“ (Sal-Weide,<br />
Salix caprea) in die Äcker gesteckt.<br />
„Geweihte“ Palmzweige auf dem Acker<br />
(Foto: R. Schinko 2008).<br />
Am Pfingstsonntag vor Sonnenaufgang<br />
wird Grünfutter gemäht und an die<br />
Kühe verfüttert. Man nennt das „den<br />
Heiligen Geist holen“ (oberes Kremstal,<br />
Steinbach/Ziehberg, Oberösterreich).<br />
Im niederösterreichischen Weinviertel<br />
(Patzmannsdorf) ziehen Schüler mit<br />
einem in Lindenlaub gehüllten Burschen<br />
durch das Dorf und bleiben alle<br />
vier bis fünf Häuser stehen, um das<br />
Pfingstköniglied zu singen. Am Ende<br />
des Umzugs wird die Laubkutte ins<br />
Wasser geworfen, also wieder den Naturkräften<br />
übergeben.<br />
Pfingstkönigsumzug in Patzmannsdorf, 1985.
Zu Fronleichnam werden in einer gemeinsamen<br />
kirchlichen Prozession<br />
Wiesen und Felder umschritten und<br />
um Schutz und Segen für die wachsenden<br />
Früchte gebeten. Zu diesem Anlass<br />
werden im niederösterreichischen<br />
Rohr am Gebirge optisch besonders<br />
ansprechende Fronleichnamsstangen<br />
hergestellt, deren Abschluss in einer<br />
prächtigen Krone endet.<br />
Fronleichnamsstangen<br />
Die dafür benötigten Blumenkränze<br />
werden tags zuvor von Frauen und<br />
Kindern aus Wiesenblumen geflochten<br />
und am nächsten Tag, zeitig in der Früh,<br />
auf den Kirchplatz gebracht, wo sie von<br />
jungen Männern auf knapp fünf Meter<br />
lange Stangen aufgebunden werden.<br />
Es sind die einfachen, funktionalen<br />
Gegenstände, die das Leben erleichtern,<br />
und deshalb über Generationen<br />
weitergegeben werden. So wurden<br />
beispielsweise die großen Blätter der<br />
Pestwurz (Petasites sp.) als Sonnen-<br />
und Regenschutz aufgesetzt (Pernitz,<br />
Niederösterreich).<br />
Um die Wollsocken zu schonen, wickelten<br />
die Holzknechte im Sommer<br />
mit den großen Blättern des Huflattichs<br />
(Tussilago farfara) ihre Füße ein.<br />
Auch die Almbutter wurde in solchen<br />
Blättern frisch gehalten (Lassing, Niederösterreich).<br />
Wer an Schweißfüßen litt, wickelte die<br />
einzelnen Zehen, anschließend den<br />
gesamten Fuß mit den Brenn-Nesselblätter<br />
(Urtica sp.) ein. Darüber gebundene<br />
„Stiefelfetzen“ verhinderten ein<br />
Verrutschen derselben (St. Georgen ob<br />
Judenburg, Steiermark). Roma erzählten<br />
mir von folgender Anwendung:<br />
Bevor sie sich ihre Läppchen für die<br />
Ohrenringe durchstechen lassen, massieren<br />
sie dieses etwa zehn Minuten<br />
lang mit frischen Brenn-Nesselblättern<br />
ein. Derart vorbehandelt, ist der Stich<br />
kaum spürbar (Oberwart, Unterwart;<br />
Burgenland).<br />
Roggenstroh (Secale cereale) wiederum<br />
bewährte sich für die Herstellung<br />
von Schlapfen.<br />
F. Brugger (geb. 1916), Taxenbach Eschenau (Pinzgau,<br />
Salzburg) flechtet einen Strohzopf (1985).<br />
Mitten in der Arbeit am Schuhleisten.<br />
Schuhe aus eigener Produktion.<br />
Thema<br />
Früher einmal – es ist noch gar nicht<br />
so lange her - waren die Besen „hausgemacht“.<br />
Jede Pflanze, die sich nur<br />
irgendwie dazu eignete, wurde zum<br />
‚Besen’. Den Grundstoff dafür entnahm<br />
man der heimischen Vegetation, oder<br />
die entsprechenden Pflanzen sind dafür<br />
angebaut worden. Die Herstellung<br />
der Arbeitsgeräte am eigenen Hof erfolgte<br />
vorwiegend aus ökonomischen<br />
Überlegungen, aber auch aus der<br />
Selbstverständlichkeit heraus, die Rohmaterialien<br />
des eignen Bodens sinnvoll<br />
zu nutzen.<br />
J. Grießbacher (geb. 1910) bindet in seiner Werk-<br />
statt aus Birkenreiser (Betula pendula) Besen<br />
(Mariazell, Steiermark 1985).<br />
bioskop 2/2008<br />
9
10<br />
Thema<br />
E. Gober (geb. 1908) Ober Bildein (Burgenland)<br />
bindet aus dem Land-Reitgras (Calamagrostis<br />
epigejos) seinen „Schmöllerbesen“, 1986.<br />
Besen aus der eigens dafür angebauten Sorghumhirse<br />
(Sorghum sp.): Kalch/Burgenland, 1986.<br />
Rund um den Besen sind viele Bräuche<br />
überliefert. In Ansätzen erinnern sich<br />
Zeitgenossen auch noch daran. Vielfach<br />
werden sie aber verschwiegen,<br />
um sich Spott und Hohn zu ersparen.<br />
Hausrat und Böden wurden in vorindustrieller<br />
Zeit mit Sand und Holzaschenlauge<br />
gewaschen und geschrubbt.<br />
Feldforschungsergebnisse haben gezeigt,<br />
dass selbst Kaffeesud noch als<br />
Reinigungsmittel verwendet wurde.<br />
Den Sand holte man von draußen,<br />
bioskop 2/2008<br />
Holzasche gab es genug im eigenen<br />
Herd und die „Waschln“ aus der Waldrebe<br />
(Clematis vitalba), aus Stroh,<br />
Brenn-Nesseln (Urtica sp.), Zinnkraut<br />
(Equisetum arvense), Schneeheide<br />
(Erica carnea), Besenheide (Calluna<br />
vulgaris) band man selbst zusammen.<br />
In den Alpen wurde dafür auch der<br />
Almrausch „Hoadachreisig“ verwendet.<br />
Hier wächst er in zwei Arten: Wimpernalpenrose<br />
(Rhododendron hirsutum)<br />
und der Rostalpenrose (Rhododendron<br />
ferrugineum).<br />
Schaffel mit Holzaschenlauge und „Groaswaschl“<br />
(Picea abies) 1985.<br />
Wer für die Feinwäsche keine Holzaschenlauge<br />
verwenden wollte, half sich<br />
mit dem Rosskastanienabsud (Aesculus<br />
hippocastanum). Dafür wurden die<br />
Früchte geschält, zerkleinert und eben<br />
in Wasser ausgekocht. Ein noch feineres<br />
und dadurch Gewebe schonenderes<br />
Waschmittel ergibt die Wurzel des Seifenkrautes<br />
(Saponaria officinalis).<br />
Vorläufer unserer heutigen Ziegeldächer<br />
waren die Strohdächer. Je nach<br />
Region wurde das Roggenstroh (Secale<br />
cereale) oder das Schilf (Phragmites<br />
australis) verwendet und auf diese Unterlage<br />
setzte man die Dachwurz (Sempervivum<br />
tectorum), um derart vor<br />
Blitzeinschlag geschützt zu sein.<br />
Strohdach, 1982.<br />
Dachwurz auf Hausdach (aus Willfort Nachlass).<br />
Dort wo der Rohrkolben gewachsen<br />
ist, so beispielsweise rund um den<br />
Neusiedlersee (Typha angustifolia, Typha<br />
latifolia), sind seine Blätter zum<br />
Flechten von Schultaschen und Türvorleger<br />
verwendet worden. In der Mariazellergegend<br />
hingegen wurden die<br />
Türmatten aus Weidenästen (Salix sp.)<br />
hergestellt.<br />
Maisstroh (Zea mays) wiederum eignet<br />
sich zum Flechten von Taschen und<br />
Sesselsitzflächen.<br />
O. Frühstück: Langeck/Burgenland, 1985.<br />
Genug der Arbeit! Abschließend ein<br />
Bild aus einem burgenländischen<br />
Weinkeller in Heiligenbrunn mit seinen<br />
typischen Flaschenkürbissen (Lagenaria<br />
siceraria). Hier werden die reifen<br />
und getrockneten Früchte als Weinheber<br />
verwendet.
Flaschenkürbisse als Weinheber in einem burgenländischen Weinkeller (Heiligenbrunn), 1985.<br />
Soweit einige Beispiele aus meiner eigenen<br />
Feldforschung. Selbstverständlich<br />
sind im häuslichen Bereich nicht<br />
nur heilende Pflanzen, sondern auch<br />
Heilmittel aus Tieren beziehungsweise<br />
aus tierischen Substanzen, manchmal<br />
auch vermischt mit Heilpflanzen, angewendet<br />
worden. Auch wenn meine<br />
ursprünglich konzipierte Arbeit nur als<br />
eine ethnobotanische gedacht war, erschien<br />
es mir schade, die im Gespräch<br />
erwähnten tierischen Heilmittel unbeachtet<br />
zu lassen. Gemeinsam mit den<br />
aus dem Nachlass von R. Willfort stammenden<br />
Informationen sind sie heuer<br />
im Böhlau-Verlag unter dem Titel „Rattenschwanz<br />
und Schneckenschleim“<br />
erschienen.<br />
Fotos:<br />
von Pohl-Sennhauser I., Steinweg S., Weber S.,<br />
sofern nicht anders angegeben (Copyright bei<br />
der Verfasserin).<br />
Literatur:<br />
EICHELTER-SENNHAUSER I., Ethnobotanik des<br />
östlichen Österreichs. Diss. 1983 Formal- u. Naturw.<br />
Fak. Univ. Wien. (N 526)<br />
EICHELTER-SENNHAUSER I., Die Herstellung von<br />
Strohschuhen – Eine winterliche Flechtarbeit<br />
in Salzburg. Österr. Zeitschrift für Volkskunde<br />
XLII/91,1988<br />
EICHELTER-SENNHAUSER I., Der „Waschl“ – Ein<br />
bäuerliches Putz- und Scheuerinstrument aus<br />
vergangenen Zeiten. Seine Herstellung und Verwendung.<br />
Wiss. Mitteilungen aus dem Niederösterr. Landesmuseum<br />
37- 41, 1986<br />
RIEDL R., Riedls Kulturgeschichte der Evolutionstheorie,<br />
Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New<br />
York 2003.<br />
Weiterführende Literatur<br />
(eine kleine Auswahl):<br />
MICHAEL HEINRICH: Ethnopharmazie und Ethnobotanik.<br />
Eine Einführung. Wiss. Verlagsges.,<br />
Stuttgart 2001<br />
MARZELL H., Geschichte und Volkskunde der<br />
deutschen Heilpflanzen; Wiss. Buchges. Darmstatt<br />
1967<br />
RÄTSCH CHRISTIAN, Hanf als Heilmittel. Ethnomedizin,<br />
Anwendungen und Rezepte. Aarau: AT<br />
Verlag 1998.<br />
REKO, VICTOR A., Magische Gifte. Rausch- und<br />
Betäubungsmittel der neuen Welt. VWB-Verlag<br />
2., erg. Aufl. 1996<br />
SCHRÖDER EKKEHARD, Ethnobotanik, Curare<br />
Sonderband; Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft<br />
mbH, Braunschweig 3/1985.<br />
Beiträge und Nachträge zur 5. Fachkonferenz<br />
Ethnomedizin in Freiburg 1980<br />
Autorin und Kontakt:<br />
Dr. Ida Pohl-Sennhauser<br />
7411 Markt Allhau 29<br />
pohlsennhauser@gmx.at<br />
Richard Willfort (1905-1978)<br />
Thema<br />
wurde in Wien geboren und lebte später in<br />
der Steiermark, in Tirol und Oberösterreich.<br />
Seit seiner Ausbildungszeit an der Höheren<br />
Forstlehranstalt in Bruck an der Mur, in den<br />
Jahren 1925/29, zeichnete er alle ihm als<br />
„interessant erscheinenden Vorkommnisse<br />
in der Natur“ auf.<br />
„Es waren lose Aufzeichnungen von größtenteils<br />
aus Forst-, Jägers- und Bauersleuten<br />
gehörten Anschauungen […] Eine Erweiterung<br />
über den österreichischen Alpenraum<br />
hinaus fand auch in Bruck statt, da<br />
ich Gelegenheit hatte, mit gleich gesinnten<br />
Menschen hierüber zu sprechen, die weiter<br />
entfernte Gegenden bereist und auch derlei<br />
Beobachtungen gemacht hatten.“<br />
Die Jahre des Zweiten Weltkrieges boten<br />
dem Feldforscher Willfort ebenfalls Gelegenheiten,<br />
Menschen und deren diesbezügliches<br />
Wissen aus anderen europäischen<br />
Ländern kennen zu lernen und dadurch seine<br />
Sammlung beachtlich zu erweitern. Wer<br />
über so viele Jahrzehnte mit solchem Eifer<br />
den Überlieferungen auf der Spur war, trägt<br />
eine beachtliche Fülle von Informationen<br />
zusammen.<br />
Einen Teil seiner Erkenntnisse hat Richard<br />
Willfort im Buch „Gesundheit durch Heilkräuter“<br />
veröffentlicht. Dieses 1959 erstmals<br />
im Rudolf Trauner Verlag erschienene,<br />
750 Seiten umfassende Buch avancierte zu<br />
einem populären Standardwerk in vielen<br />
Auflagen und prägte die Renaissance der<br />
Heilkräuteranwendung in der zweiten Hälfte<br />
des 20. Jahrhunderts wesentlich mit.<br />
bioskop 2/2008<br />
11
12<br />
Buchvorstellung<br />
Der Natur, als die „Apotheke Gottes“,<br />
ihre geheimnisvollen Heilkräfte abzuschauen<br />
war ehedem die „Ars pharmaceutica“,<br />
als Kompositions- und<br />
Rezeptierkunst. Ebenso war der Kunst-<br />
Begriff nicht eingeengt auf die Werke<br />
der Maler, Bildhauer und Musiker.<br />
Als Kunst- und Wunderkammern waren<br />
Apotheken wahre Schatzkammern:<br />
in den Offizinen lagerte eine<br />
Ware besonderer Art: die Mittel der<br />
Arznei. Darin befanden sich neben<br />
systematisch geordneten Herbarien<br />
allerlei Animalien, beispielsweise Embryonen<br />
und Mumien.<br />
bioskop 2/2008<br />
BUCHVORSTELLUNg:<br />
PohL-SEnnhAuSER, IDA: RAttEnSchWAnZ unD SchnEcKEnSchLEIm<br />
Aberglaube oder vergessene Volksmedizin?<br />
Ein Großteil der Bevölkerung war gar<br />
nicht in der Lage, sich diese Heilmittel<br />
zu leisten. Auch fehlte es auf dem Lande<br />
an Ärzten und am Vertrauen in die<br />
akademische Kunst.<br />
Neben den offizinellen, aus den „tria<br />
regna naturae“ – dem Mineral-, Pflanzen-<br />
und Tierreich - stammenden und<br />
in amtlichen Arzneibüchern verzeichneten<br />
„Composita“, gibt es immer<br />
noch jene von der Meinung und Erfahrung<br />
des „gemeinen Volkes“ anerkannten<br />
Arzneien. Die vernachlässigten<br />
Darstellungen der Volksmedizin<br />
haben das Odium des Aberglaubens,<br />
der Scharlatanerie und Kurpfuscherei,<br />
während die Geschichte der Apotheken<br />
als die Schnittstelle zwischen Ars,<br />
Techne und Scientia gut dokumentiert<br />
ist.<br />
Ida Pohl-Sennhauser hat den Nachlass<br />
von Richard Willfort (1905–1978) gesichtet<br />
und widmete sich wie er den<br />
in unserem Kulturkreis in Vergessenheit<br />
geratenden ethnobotanischen<br />
und ethnozoologischen Überlieferungen.<br />
Die im vorliegenden Buch<br />
beschriebenen Heilanwendungen<br />
aus dem Tierreich sind von kulturhistorischer<br />
Bedeutung. Dies würdigt<br />
die National agentur für das immaterielle<br />
Kulturerbe der Österreichischen<br />
UNESCO-Kommission.<br />
Die Autorin ordnet die in Feldforschung<br />
eingeholten zootherapeutischen<br />
Informationen in Art und Weise<br />
der zoo logischen Systematik. Der<br />
allgemein-zoologischen Einführung<br />
der jeweiligen Tiergruppe werden Redewendungen<br />
und Volksglaube beigefügt,<br />
welche erkennen lassen, wie<br />
unsere Sprache aus Erfahrenem und<br />
Volksglaube schöpft. Die Ethnomedizin<br />
schließt sie dem jeweils an.<br />
Aus der Fülle des gesammelten Wissens<br />
nur ein Beispiel: „Ein altes Tiroler Hausmittel<br />
ist der ‚Ameisen-Geist’ für nervenschwache<br />
Glieder […] Altbekannt<br />
ist, dass Bienenstiche gegen Rheuma<br />
und Podagra wirken.“ Dazu gestattet<br />
sich der Rezensent darauf hinzuweisen,<br />
wie bedauerlich es ist, dass derlei<br />
in Apotheken ehedem rezeptfrei erhältliche<br />
Präparate vom Markt genommen<br />
worden sind (beispielsweise die<br />
„Forapin-Salbe“, eine Kompostion gegen<br />
Ischias und Hexenschuss).<br />
Derlei auf Erfahrungen beruhende<br />
Arzneien verursachen keine Kosten<br />
für Forschung und Entwicklung, somit<br />
sind sie recht preisgünstig. In einer<br />
Zeit, in der von der Finanzkrise des Gesundheitssystems<br />
die Rede ist, ist es<br />
eine Stärke dieses Buches, an die traditionellen<br />
Heilmittel zu erinnern.<br />
Ethnomedizinische Erfahrungen sind<br />
dem wissenschaftlichen Verstand nicht<br />
immer zugänglich und lösen heutzutage<br />
eher emotionale Ablehnung aus,<br />
worauf der Buchtitel „Rattenschwanz<br />
und Schneckenschleim“ hinweist. Das<br />
Werk bietet einen durchaus repräsentativen<br />
ethnomedizinischen Querschnitt.<br />
Im zeitgenössichen Denken stehen die<br />
Heilpflanzen im Vordergrund des Interesses.<br />
An die traditionell angewendeten<br />
Heilmittel aus dem Tierreich erinnert<br />
man sich kaum mehr. Das aber<br />
macht das Buch so interessant.<br />
Dr. Richard Kiridus-Göller<br />
Pohl-Sennhauser, Ida:<br />
Rattenschwanz und Schneckenschleim<br />
2007. 272 Seiten, 23,5 x 15,5 cm, Gb.<br />
EUR 24,90, ISBN 3-205-77702-6,<br />
ISBN-13: 978-3-205-77702-1
TIERSCHUTZ UND MENSCHENRECHTE<br />
Hauptfeindbild der österreischischen Tierquälerszene: DDr. Martin Balluch (Quelle: VgT).<br />
Sind wir Zeugen eines ganz normalen<br />
österreichischen Justizvorganges, bei<br />
dem alles mit rechten Dingen zugeht?<br />
Oder eines der unverschämtesten Angriffe<br />
auf unsere Bürgerrechte seit Bestehen<br />
der Zweiten Republik?<br />
� Gernot neuwirth<br />
� Peter Weish<br />
-----------------------------------------------------<br />
Mag sein, dass die eine oder der andere<br />
von den Zehn einmal das eine oder das<br />
andere Huhn aus einer Legefabrik befreit<br />
und damit ein Eigentumsdelikt begangen<br />
hat. Vielleicht ist da oder dort<br />
Buttersäure verspritzt worden, deren<br />
unangenehmer Geruch das Geschäft<br />
mit Pelzartikeln gestört hat.<br />
Was immer an mageren Ergebnissen<br />
die jahrelangen, möglicherweise illegalen,<br />
jedenfalls sauteuren Abhör- und<br />
Bespitzelungsaktionen und die Inhaftierung<br />
von zehn Tierschützern doch<br />
noch erbringen mögen – Rechtsexperten<br />
sagen dasselbe wie der Hausverstand:<br />
Die Rambo-Aktion maskierter,<br />
pistolenschwingender Einsatzkräfte<br />
gegen die Tierrechtler in Gegenwart<br />
1 Aus einem Interview mit Gerd Maier, gewährt von Oberst Gollia, Pressesprecher des Innenministeriums am 12.6.2008, zitiert in Oekonews.<br />
www.oekonews.at/index.php?mdoc_id=1030958<br />
ihrer entsetzten Kinder und die immer<br />
wieder verlängerte Untersuchungshaft<br />
dürften eklatant gegen das Prinzip der<br />
Verhältnismäßigkeit verstoßen, das zu<br />
den Grundlagen der Justizpflege aller<br />
zivilisierten Länder zählt.<br />
Nicht alle teilen diese Besorgnis. Zum<br />
Beispiel Oberst Gollia, Pressesprecher<br />
des Innenministeriums, als er dem<br />
Online-Magazin Oekonews ein Interview<br />
gewährt: „… Nach unseren Richtlinien<br />
ist alles angemessen durchgeführt<br />
worden. … Die Amtshandlung war angemessen,<br />
das muss Ihnen genügen. …<br />
Ich sage dazu jetzt gar nichts mehr. Das<br />
muss Ihnen genügen. Ob Ihnen die Antwort<br />
passt, weiß ich nicht. Man kann ja<br />
dann eine Beschwerde einlegen, wenn<br />
man glaubt, die Amtshandlung sei nicht<br />
in Ordnung gewesen“. 1<br />
Auch die Justizministerin verweist anlässlich<br />
einer Vorsprache des „Forum<br />
Wissenschaft und Umwelt“ auf die Qualitätskontrolle<br />
durch den Instanzenweg,<br />
auf die Möglichkeiten der Überprüfung<br />
und darauf, dass es, wenn die<br />
Vorgänge nicht rechtmäßig gewesen<br />
Was uns bewegt<br />
sein sollten, für anerkannte Justizopfer<br />
schlussendlich ja auch eine Entschädigung<br />
geben kann. 2<br />
Und der Bundespräsident schließlich<br />
„geht davon aus, dass die Gesetze, die<br />
es den Behörden erlauben, in die Rechte<br />
und Freiheiten der Bürger unmittelbar<br />
einzugreifen, von den zuständigen<br />
Organen mit besonderer Umsicht und<br />
unter Achtung der Menschenwürde der<br />
Betroffenen gehandhabt werden“. 3<br />
Gerade diese Sicht einer heilen Justizwelt,<br />
die auch die Autoren bislang geteilt<br />
hatten, erscheint seit dem 21. Mai<br />
2008 immer mehr in Frage gestellt.<br />
Aus der Perspektive eines der Hauptbetroffenen<br />
sah der Vorgang folgendermaßen<br />
aus:<br />
“Sehr geehrter Herr Rat … Zahllose Personen<br />
wurden in der Nacht von einer<br />
Gruppe bewaffneter, maskierter Männer<br />
zu Hause … überfallen. Man hat sie im<br />
Bett mit Scheinwerfern angestrahlt und<br />
ihnen Schusswaffen an den Kopf gelegt.<br />
Davon waren alle Personen betroffen,<br />
auch jene, die nichts mit Tierschutz zu<br />
tun hatten und … in den Wohnungen<br />
anwesend waren, darunter ein 7-jähriges<br />
Mädchen. Alle diese Opfer der Polizeiüberfälle<br />
sind jetzt schwerst traumatisiert.<br />
Die Intimsphäre zahlloser Personen<br />
wurde schwerst verletzt, ihre privatesten<br />
Bereiche durchwühlt … 10 Personen<br />
wurden … monatelang in winzige Zellen<br />
gesperrt und ihrer Freiheit beraubt.<br />
Ihr gesamtes Leben wurde damit unterbrochen,<br />
ihre Planung durcheinandergebracht<br />
…<br />
Die psychischen Schäden … sind nicht<br />
mehr wieder gutzumachen. Zahllose<br />
Personen wurden schwer traumatisiert,<br />
ihr Vertrauen in die Staatsgewalt maßgeblich<br />
erschüttert, ihr Zuhause wurde<br />
geschändet, sie selbst zutiefst erniedrigt<br />
und gedemütigt. Für alle Zukunft werden<br />
sie in Angst leben müssen. Die meisten<br />
werden eine Psychotherapie brauchen<br />
…“ 4<br />
2 Vorsprache von Wissenschaftern bei Justizministerin Maria Berger, am 11. Juli 2008.<br />
3 Aus der automatisch erstellten Antwort des Bundespräsidenten auf verschiedene Appelle entsetzter Bürgerinnen und Bürger, die ihn zum Eingreifen<br />
aufgefordert haben.<br />
4 Aus dem Plädoyer des DDr. Martin Balluch vom Verein gegen Tierfabriken (VgT) anlässlich seiner zweiten Haftverlängerungsverhandlung.<br />
bioskop 2/2008<br />
13
14<br />
Was uns bewegt<br />
Ein Schicksal von zehn<br />
Besonders hart hat es einen jungen Tiroler<br />
Tierschützer getroffen, der nun schon drei<br />
Monate lang viele hunderte Kilometer von<br />
seiner Frau und seinen drei Kindern getrennt<br />
ist, zu denen er eine besonders innige Beziehung<br />
hat. Er hat Angstzustände – erstens weil<br />
er fürchtet, dass seine Familie sich ihm langsam<br />
entfremden könnte, zweitens weil er um<br />
seinen Arbeitsplatz als Restaurator fürchtet.<br />
Drittens, weil ihn nach anfänglicher Erleichterung<br />
über die Inhaltslosigkeit der Aktenteile,<br />
die er zu sehen bekam, nun die Panik<br />
gepackt hat: Wenn es möglich ist, ihn schon<br />
bei solcher Aktenlage drei Monate lang festzuhalten<br />
– wie kann das noch weitergehen?<br />
Gernot Neuwirth hat Christian Moser in der<br />
Haftanstalt Wiener Neustadt besucht und dabei<br />
im Alter von 69 Jahren zum ersten Mal ein<br />
Gefängnis von innen gesehen.<br />
An den Tischchen im ersten Besuchsraum sitzen<br />
je zwei bis drei Personen – die „normalen“<br />
Gefängnisinsassen und ihre Besucher. Moser ist<br />
nicht dabei. Er muss zusammen mit den Mördern<br />
und sonstigen Schwerverbrechern hinter<br />
einer Glaswand auf die maximal drei Besucher<br />
warten, die er zweimal pro Woche gemeinsam<br />
eine halbe Stunde lang empfangen darf.<br />
Bei unserer Ankunft (ein in Wien lebender<br />
Freund von Moser, Tiroler wie er, hat mich<br />
mitgenommen) strahlt er noch über die lang<br />
entbehrte Gesellschaft. Nachdem er ein paar<br />
Minuten mit ihm geredet und seine Lage<br />
Aus glücklichen Zeiten: Chris mit Tochter Talia,<br />
die ihren 2. Geburtstag ohne ihren Papa feiern<br />
musste (Foto VgT).<br />
bioskop 2/2008<br />
dargelegt hat, überkommt ihn wieder die Depression<br />
und er bricht beinahe zusammen.<br />
Ich selbst habe ihm nicht viel zu sagen – dass<br />
ein paar Universitätslehrer, mit denen ich gesprochen<br />
habe, auch sehr bestürzt sind, aber<br />
jetzt in den Ferien mit ihnen wie auch mit den<br />
Studenten nicht viel zu machen ist, weil sie<br />
großteils weg sind. Und ob man seiner Familie<br />
anlässlich eines Tirolbesuches vielleicht beim<br />
Holzhacken helfen kann, da er sich ja sehr um<br />
das Brennmaterial für den kommenden Winter<br />
sorgt, das er sonst immer zerkleinert? Und<br />
schon klopft die Aufsicht an die Uhr und die<br />
Besuchszeit ist um …<br />
Ein Brief aus dem Gefängnis<br />
… Meine Kinder Talia, Noah & Samuel sind seit<br />
fast 2 Monaten ohne Vater! Meine Frau Karin ist<br />
seit fast 2 Monaten ohne Partner und Ehemann!<br />
Ich habe extreme Angst, dass meine Familie<br />
durch dieses – ich nenne es Exempel – ernsthaft<br />
und dauerhaft geschädigt wird! Wie lange kann<br />
ich von meinen Kindern, speziell von meiner erst<br />
2-jährigen Tochter getrennt sein, ohne dass sich<br />
dauerhafte negative Auswirkungen auf unsere<br />
bisherige Vater-Tochter-Beziehung einstellen?<br />
… In Freiheit verbrachte ich jede freie Minute mit<br />
meinen Kindern. Wer springt mit ihnen am Trampolin?<br />
Wer baut mit ihnen Staudämme beim<br />
Bach? Wer bastelt mit ihnen und für sie? Welchen<br />
Ersatz gibt es für die langen Spaziergänge und<br />
Wanderungen die wir zusammen unternahmen?<br />
Wer verantwortet, dass meine Familie in Gefahr<br />
läuft, dauerhaften Schaden zu nehmen???<br />
… Karin, Noah, Samuel und Talia, ich liebe euch<br />
so sehr! Ich vermisse euch so sehr! Denkt an mich!<br />
Vergesst mich nicht, bitte! Haltet durch!!!! Wir<br />
schaffen das, irgendwie! Helft zusammen! Ich<br />
hoffe, ich komme bald raus hier!<br />
Aus der Gefangenschaft, Chris Moser<br />
Die Kinder Talia, Noah und Samuel sind nun<br />
schon 2 Monate ohne Vater.<br />
Eine offenbar zentrale Frage, die den<br />
Inhaftierten bei der Verhandlung gestellt<br />
wurde soll gewesen sein, ob sie<br />
denn weiterhin planten, im Tierschutz<br />
tätig zu sein. Sie haben mit JA geantwortet.<br />
Als Reaktion u. a. darauf und<br />
auf Balluchs Plädoyer hat der sehr geehrte<br />
Herr Rat die zweite Haftverlängerung<br />
ausgesprochen.<br />
Ist es tatsächlich so, wie schon lange<br />
gemunkelt wird – dass in bestimmten<br />
Fällen der Justizapparat einmal gemachte<br />
Fehler einfach nicht eingestehen<br />
kann?<br />
Die wackeren WEGA-Männer jedoch,<br />
die bereit sind, ihr Leben im Kampf<br />
gegen echte Terroristen aufs Spiel zu<br />
setzen, kommen sich inzwischen möglicherweise<br />
arg missbraucht vor. Nach<br />
jahrelanger Observation müsste den<br />
Stellen, die den Einsatzbefehl erteilt<br />
haben, ja wohl klar gewesen sein, dass<br />
keinerlei gewaltsamer Widerstand zu<br />
erwarten war.<br />
Der VgT fasst weitere Ungereimtheiten<br />
zusammen und beschreibt die Situation<br />
folgendermaßen aus seiner Sicht:<br />
„Die Tierschutz-Kriminalität in Österreich<br />
ist sehr gering. Und trotzdem wurde<br />
entschieden, gerade hier in Österreich<br />
die größte und brutalste Polizeiaktion<br />
aller Zeiten gegen den Tierschutz zu inszenieren<br />
…“<br />
Ist es wirklich weit hergeholt, diese<br />
Polizeiaktion damit in Zusammenhang<br />
zu bringen, dass wir in Österreich<br />
die erfolgreichste Tierschutzbewegung<br />
der Welt haben, die das<br />
weltbeste Tierschutzgesetz durchsetzen<br />
konnte? Seit über einem Jahr<br />
werden systematisch die Telefone<br />
und Emailkontakte der aktivsten TierschützerInnen<br />
Österreichs überwacht.<br />
Zeitweilig wurden bis zu 20 Personen<br />
ständig observiert. Häuser wurden<br />
videoüberwacht, Wohnungen observiert,<br />
es gab Peilsender auf Autos, Abfragen<br />
über die Steuererklärung von<br />
20 TierschützerInnen bei der Steuerfahndung,<br />
Internetadressen wurden<br />
ausgeforscht, Kontos geöffnet …<br />
Hat man einfach zehn im Tierschutz<br />
besonders aktive Personen ausgewählt,<br />
um den Verdacht aufrecht erhalten<br />
zu können, es handle sich um eine<br />
kriminelle Organisation nach § 278a?
Protest gegen den nach dem 11. September 2001 verschärften § 278a, der es leichter macht, missliebige<br />
Personen der Mitgliedschaft in einer „kriminellen Organisation“ zu bezichtigen (Foto: P. Weish).<br />
Will man dem in den Augen mancher<br />
Betroffener zu erfolgreichen Tierschutz<br />
in Österreich einen Denkzettel verpassen?<br />
Nein, sagt das Innenministerium<br />
und führt aus: … Die … Maßnahmen<br />
richteten sich keinesfalls gegen den Tierschutz<br />
oder gegen Tierschutzorganisationen<br />
und stellen auch keineswegs auf<br />
eine Kriminalisierung des Themas „Tierschutz“<br />
oder deren VertreterInnen ab … 5<br />
Allerdings fühlen sich mehrere Vereine<br />
in ihrer praktischen Arbeit auf das<br />
Schwerste behindert. Dem VgT beispielsweise<br />
sollen nicht nur die Computer<br />
und Spenderdateien, sondern<br />
sogar die Schlüssel des Vereinsautos<br />
beschlagnahmt und bis heute nicht zurückerstattet<br />
worden sein.<br />
Was wirft man den Inhaftierten vor?<br />
Es hat den Anschein, dass es nicht viel<br />
Konkretes gibt. Bei einem Besuch in der<br />
Haftanstalt klagt einer der Inhaftierten,<br />
dass er zunächst erleichtert gewesen<br />
sei, als er Teile seines Aktes einsehen<br />
durfte und sicher war, die Anschuldigungen<br />
würden sich in Kürze als haltlos<br />
erweisen.<br />
„… Aber nachdem ich jetzt weiß, dass<br />
das offenbar reicht um eine nahezu<br />
2-monatige U-Haft zu verhängen, habe<br />
ich … verzweifelte Angst, dass auf derselben<br />
Basis ev. auch eine Verurteilung<br />
5 Aus einem Schreiben des BM.I vom 4. August 2008 an das Ökobüro.<br />
und eine mehrjährige Gefängnisstrafe<br />
erfolgen kann! Hier im Gefängnis wird<br />
ständig von Fällen erzählt, wo unschuldige<br />
Personen aufgrund haltloser oder<br />
konstruierter Vorwürfe teilweise mehrjährige<br />
Strafen absitzen müssen. Ich<br />
habe extreme Angst. Angst um meine<br />
Familie, Angst um mein Leben.“ 6<br />
Eine Reihe von Vorwürfen hatte sich<br />
schon bald als fragwürdig herausgestellt.<br />
Z. B. erwies sich der Brand einer Jagdhütte,<br />
zunächst den Tierschützern angelastet,<br />
als Folge eines unsachgemäß<br />
bedienten Ofens. Ein Interview einer<br />
amerikanischen Zeitung mit einem Tierschützer<br />
soll falsch übersetzt worden<br />
sein, als ob er kriminelle Straftaten zugegeben<br />
hätte. Ein Tierschützer, der in<br />
einer ORF- Sendung Filme aus Schweinefabriken<br />
zeigte, wurde deshalb zum<br />
Hauptverdächtigen, das Filmen wurde<br />
als Straftat einer kriminellen Organisation<br />
angeführt.<br />
Der empörte Aufschrei der österreichischen<br />
Öffentlichkeit lässt auf sich<br />
warten. Deren Aufmerksamkeit wird<br />
zunächst von der Fußballmeisterschaft<br />
in Anspruch genommen, geht dann<br />
nahtlos zum Benzinpreis über und<br />
wird schließlich zum Ärger über die<br />
6 Aus einem Schreiben des Christian Moser aus Tirol, der nunmehr schon fast 3 Monate in Wr. Neustadt inhaftiert ist.<br />
Was uns bewegt<br />
Bürgerprotest „für Recht und Ordnung, gegen<br />
Behördenterror“ (Foto P. Weish).<br />
Koalitionsregierung. Dazu kommt die<br />
gehässige Berichterstattung mancher<br />
Zeitungen.<br />
Fast mehr Echo gibt es aus dem Ausland.<br />
Prominente Persönlichkeiten aus<br />
Wissenschaft und Kultur, von zahlreichen<br />
UniversitätsprofessorInnen<br />
bis Nobelpreisträgerin Elfriede Jellinek<br />
und Barbara Rütting, populäre<br />
Schauspielerin und Alterspräsidentin<br />
im Bayrischen Landtag, geben ihrer<br />
tiefen Sorge um den Rechtsstaat Ausdruck.<br />
Vor dreißig österreichischen<br />
Botschaften in drei Kontinenten gibt<br />
es Protestkundgebungen. Amnesty International<br />
drückt in einer zwei Seiten<br />
langen Stellungnahme seine Besorgnis<br />
aus und „erinnert an die menschenrechtlich<br />
und gesetzlich verankerte Unschuldsvermutung“<br />
sowie daran, dass<br />
„der Terminus ,organisierte Kriminalität´<br />
durch eine Bereicherungsabsicht geprägt<br />
ist, …( die) … im vorliegenden Fall fehlt“.<br />
Er treffe also nur etwa für „Rauschgifthandel<br />
und -schmuggel, Waffenhandel,<br />
Zuhälterei, Prostitution, … Menschenhandel,<br />
… illegale Entsorgung von<br />
Sonderabfall“ und ähnliche Delikte zu.<br />
Amnesty International kritisiert auch,<br />
dass „die Akteneinsicht in einem Umfang<br />
beschränkt wurde, sodass selbst zum<br />
dringenden Tatverdacht und Haftgrund<br />
keine konkreten Informationen vorliegen<br />
bioskop 2/2008<br />
15
16<br />
Was uns bewegt<br />
und den Rechtsbeiständen somit … die<br />
notwendigen Informationen vorenthalten<br />
werden. 7 Die angesehene britische<br />
Tageszeitung The Guardian schließlich<br />
mutmaßt, die österreichische Tierschutzbewegung<br />
sei “too successful“<br />
gewesen, weil sie erzwungen hat, dass<br />
Österreich nun eines der “most progressive<br />
(countries) in the world on animal<br />
rights“ ist. Und die Zeitung berichtet,<br />
dass die Tierschützer gerade eine Kampagne<br />
zur Aufnahme des Tierschutzes<br />
in die österreichische Verfassung beginnen<br />
wollten, die nun aufs Eis gelegt<br />
werden muss. ”It is hard not to conclude<br />
that was not the objective of the police<br />
action.“ 8<br />
In der Tat konnte die österreichische<br />
Tierschutzbewegung in der jüngsten<br />
Vergangenheit eindrucksvolle Erfolge<br />
erzielen. Die teilweise drastischen Aktionen<br />
verschiedener Gruppen (z.B.<br />
durch Vorführung von mit versteckter<br />
Kamera aufgenommenen Filmen über<br />
entsetzliches Tierleid) haben vielen<br />
Menschen die Augen geöffnet und zu<br />
einer Sensibilisierung und einer Meinungsbildung<br />
beigetragen, die letztlich<br />
dazu führten, dass unser Land nun<br />
die weltweit besten Tierschutzgesetze<br />
in Bezug etwa auf Pelztierzüchtung,<br />
Zirkustiere, Kaninchenmast und Legebatterien<br />
besitzt.<br />
(Quelle: VgT)<br />
7 AI-Stellungnahme 4. Juni 2008.<br />
8 The Guardian June 5, 2008.<br />
9 Aus der Homepage der ALF-„Pressestelle“.<br />
bioskop 2/2008<br />
Haben einflussreiche Kreise befunden,<br />
es sei nun ein für allemal genug – es<br />
reicht? Neben der Kampagne zur Aufnahme<br />
des Tierschutzes in die Verfassung<br />
wollte etwa der VgT eine neue<br />
Schwerpunktarbeit der oft äußerst<br />
grausamen Schweinehaltung widmen –<br />
mit 700 Millionen Euro Umsatz pro Jahr<br />
eine der mächtigsten Agrar-Lobbys. Es<br />
ging auch um Veranstaltungen, wo den<br />
Sonntagsjägern Fasane vor die Flinte<br />
gescheucht worden sein sollen, die unter<br />
tierquälerischen Bedingungen extra<br />
dafür gezüchtet wurden. Oder um<br />
Unternehmen der Textil branche, die,<br />
nachdem Peek & Cloppenburg dem<br />
Tierschützer-Druck nachgegeben und<br />
auf Pelzwaren verzichtet hatte, rasch<br />
in die neue Marktlücke nachstoßen<br />
wollten.<br />
Mit ihrer konsequenten, erfolgreichen<br />
Arbeit haben sich die Tierschützer freilich<br />
mächtige Feinde geschaffen. Der<br />
Kreis der Personen, die mit Tierqual<br />
Geschäfte machen oder machten und<br />
die mit den Tierschutzorganisationen<br />
im Clinch liegen oder lagen – und auch<br />
schon Prozesse gegen sie verloren haben<br />
– reicht in höchste Gesellschaftsschichten.<br />
(Quelle: VgT)<br />
Ist es abwegig zu vermuten, dass der<br />
eine oder die andere seinen oder ihren<br />
Einfluss benützt hat, um die Behörden<br />
ein bisschen zu ermutigen? Um die<br />
zehn in die Mühlräder der Justiz hineinzuziehen,<br />
musste allerdings erst<br />
ein seit dem Anschlag auf die New<br />
Yorker Türme novellierter Paragraph<br />
bemüht werden, der Österreich gegen<br />
„kriminelle Vereinigungen“ schützen<br />
soll. Und der so weit gefasst ist, dass<br />
manche Beobachter fürchten, er ließe<br />
sich missbrauchen. Der grüne Abgeordnete<br />
Peter Pilz hat im „Standard“<br />
mit bitterem Humor den ernsten Kern<br />
nachgewiesen: Dass nämlich bei entsprechender<br />
Auslegung auch durchaus<br />
ehrenwerte Vereinigungen – genannt<br />
wird die ÖVP – Opfer einer solchen Aktion<br />
werden könnten.<br />
Diese kriminelle Vereinigung soll nun<br />
im Fall der Tierschützer – unbewiesen –<br />
gar eine internationale sein – „ALF“, die<br />
„Animal Liberation Front“. Die tritt tatsächlich<br />
in angelsächsischen Ländern<br />
auf als Name und Phantom. Sie hat<br />
zwar eine „Pressestelle“ in Kalifornien,<br />
organisiert aber keine Aktionen. Das<br />
tun Einzelpersonen, die der Pressestelle<br />
nicht bekannt sind und die sich zu<br />
den im Lauf der Zeit herauskristallisierten<br />
Richtlinien bekennen. Dabei hat<br />
die Gewaltlosigkeit gegenüber Menschen<br />
hohe Priorität. Allerdings auch<br />
die wirtschaftliche Schädigung von<br />
Tierquälern.<br />
• To liberate animals from places of abuse,<br />
i.e., laboratories, factory farms,<br />
fur farms, etc., and place them in good<br />
homes where they may live out their<br />
natural lives, free from suffering.<br />
• To inflict economic damage to those<br />
who profit from the misery and exploitation<br />
of animals.<br />
• To reveal the horror and atrocities committed<br />
against animals behind locked<br />
doors, by performing direct actions<br />
and liberations.<br />
• To take all necessary precautions<br />
against harming any animal, human<br />
and non-human. 9<br />
Selbst wenn sich also jemand in Österreich<br />
von solchen Ideen angesprochen<br />
fühlen sollte, wäre “Terrorist” wohl<br />
eine eher unpassende Anwendung<br />
des Wortes. Ist ein „Terrorist“ sorgsam<br />
darauf bedacht, die körperliche Un-
versehrtheit von Mensch und Tier zu<br />
respektieren? Echter „Ökoterrorismus“,<br />
bei dem Menschen getötet oder verletzt<br />
werden, ist extrem selten. 10<br />
Stimmt nach all dem Gesagten der Eindruck,<br />
dass in unserem Land mächtige<br />
Kräfte versuchen, unsere nach dem Zusammenbruch<br />
der Naziherrschaft und<br />
dem Abzug der Russen errungenen<br />
bürgerlichen Freiheiten wieder abzubauen?<br />
Kann man es einem Beobachter<br />
verübeln, wenn er meint, Unternehmer<br />
könnten sich jetzt schon Strafverfahren<br />
gegen Kritiker bestellen? Riskiert bald<br />
jeder, der sich ökologisch oder humanitär<br />
engagiert und dabei irgendwelche<br />
Geschäftsinteressen tangiert, eine<br />
krass überzogene behördliche Aktion,<br />
die seine Berufslaufbahn, seine Lebensplanung,<br />
seine zwischenmenschlichen<br />
Beziehungen, ja sogar sein Leben 11 gefährdet?<br />
Engagement für Umwelt- oder Tierschutz<br />
ist zwar selten für „die Wirtschaft“<br />
generell von Schaden, aber<br />
Geschäftsinteressen können dabei<br />
immer wieder berührt werden. In diesem<br />
Sinne hätte schon Josef Schöffel<br />
kaltgestellt werden müssen, als er den<br />
Wienerwald vor der Abholzung rettete,<br />
und auch viele von uns Lebenden, ob<br />
wir nun die Autobahnbrücke über den<br />
Neusiedlersee oder die Kraftwerke<br />
Zwentendorf und Hainburg verhindert<br />
oder die Risken der Gentechnik beleuchtet<br />
haben.<br />
Als Väter können sich die Autoren in die<br />
Verzweiflung jener Eltern hineinversetzen,<br />
deren Söhne oder Töchter nun<br />
schon drei Monate wegen Lappalien<br />
oder vielleicht sogar völlig unschuldig<br />
zusammen mit Schwerverbrechern in<br />
jenen Teilen der Gefängnisse einsitzen,<br />
in denen Besuche nur zweimal pro<br />
Woche je eine halbe Stunde gestattet<br />
sind, getrennt durch Glaswände, nur<br />
durch ein Telefon mit dem jeweiligen<br />
Besucher verbunden …<br />
Beklemmende Zukunftsvision: Werden<br />
uns unsere Enkel einmal fragen,<br />
wie wir es zulassen konnten, wenn<br />
einflussreiche Interessensgruppen die<br />
Medien, die Justiz und die Exekutive<br />
für ihre Zwecke umfunktioniert haben?<br />
Wir hätten nicht wie einst unsere eigenen<br />
Großeltern die Ausrede, dass ja<br />
jegliches Aufbegehren existenzgefährdend<br />
gewesen wäre. Noch nicht. Oder<br />
doch schon?<br />
Jedenfalls scheint es an der Zeit, sich<br />
an das Vermächtnis des lutheranischen<br />
Pastors Martin Niemöller zu erinnern,<br />
der nach einer Periode der Begeisterung<br />
für den Nationalsozialismus zum<br />
Widerstandskämpfer und KZ-Häftling<br />
wurde:<br />
„Als die Nazis die Kommunisten holten,<br />
habe ich geschwiegen, ich war ja kein<br />
Kommunist. Als sie die Sozialisten einsperrten,<br />
habe ich geschwiegen, ich war<br />
ja kein Sozialist. Als sie die Gewerkschafter<br />
holten, habe ich geschwiegen, ich war<br />
ja kein Gewerkschafter. Als sie die Juden<br />
einsperrten, habe ich geschwiegen, ich<br />
war ja kein Jude. Als sie mich holten, gab<br />
es keinen mehr, der protestieren konnte.“<br />
Autoren und Kontakt :<br />
univ.-Lektor mag. Dr.<br />
Gernot neuwirth<br />
war Lehrbeauftragter für Englisch<br />
und für Umweltpolitik an der<br />
Wirtschaftsuniversität Wien<br />
neuwirth@wu-wien.ac.at<br />
univ.-Doz. Dr. Peter Weish<br />
Forum Wissenschaft & Umwelt<br />
peter.weish@univie.ac.at<br />
Soldaritätskonten:<br />
Verband Österr. Tierschutz organisationen,<br />
Kontonr.: 1771400, PSK (BLZ 60 000),<br />
IBAN: AT90 6000 0000 0177 1400,<br />
BIC: OPSKATWW, Kennwort „Freiheit“<br />
Rechtshilfe: Kontonr.: 01920013682,<br />
BLZ 14 000, Kontoinhaberin: Grünalternative<br />
Jugend Wien, Zweck: Antirep 2008,<br />
IBAN: AT551400001920013682, BIC: BAWAATWW<br />
10 Die Autoren erinnern sich in diesem Zusammenhang nur an den „Unabomber“, einen wüst aussehenden,<br />
hochintelligenten aber halbverrückten ehemaligen amerikanischen Forscher, der zwischen<br />
1978 und 1995 seine Briefbomben und sein wirres ökologisch-soziales Manifest vorwiegend<br />
an Universitätslehrer verschickte und damit drei von ihnen tötete.<br />
11 DDr. Balluch war wochenlang im Hungerstreik, um auf die ihm verwehrte komplette Akteneinsicht<br />
hinzuweisen.<br />
Was uns bewegt<br />
DAS LEITBILD DER<br />
AUSTRIAN BIOLOgIST ASSOCIATION<br />
Die ABA ist eine Vereinigung von BiologInnen<br />
und in biologischen Berufen Tätigen.<br />
• Unser Ziel ist, die Belange der Mitglieder<br />
zu vertreten und die Biologie zum Nutzen<br />
der Gesellschaft und deren Umwelt in der<br />
Republik Österreich und der Europäischen<br />
Union in Theorie und Praxis zu fördern.<br />
• Wir verstehen uns als Kommunikationsforum<br />
für alle BiologenInnen, egal welcher<br />
beruflichen Orientierung.<br />
• Wir leisten und fördern Öffentlichkeits- und<br />
Bildungsarbeit im Sinne unseres Leitbildes,<br />
unter anderem durch Herausgabe der Zeitschrift<br />
„bioskop“.<br />
• Wir beziehen Stellung zu aktuellen Themen,<br />
entwickeln Konzepte und beraten Entscheidungsträger<br />
der Gesellschaft.<br />
• Wir bekennen uns zu einem zukunftsverträglichen,<br />
nachhaltigen und friedlichen<br />
Lebensstil unter gleichberechtigten Menschen,<br />
die Bewahrung des biologischen<br />
Welt-Erbes ist unser Anliegen. Wir unterstützen<br />
daher Aktivitäten im Natur- und<br />
Umweltschutz sowie zur Förderung von<br />
Gesundheit und Wohlergehen auf personaler,<br />
sozialer und ökologischer Ebene.<br />
• Im Sinne eines berufsübergreifenen Zusammenwirkens<br />
setzt sich der Vorstand aus<br />
Vertretern möglichst vieler verschiedener<br />
Sparten biologischer Berufe zusammen.<br />
Der Vorstand sucht unter Nutzung moderner<br />
Informationstechnologien die ständige<br />
Kommunikation mit allen Mitgliedern und<br />
anderen Organisationen.<br />
• Die zur Realisierung der Aufgaben notwendigen<br />
Mittel beschaffen wir über Mitgliedsbeiträge,<br />
Vertrieb der Zeitschrift „bioskop“<br />
und Förderungen.<br />
Mittel- und langfristige Ziele:<br />
• Aufstocken des Mitgliederstandes durch<br />
Herantreten an alle in Berufen mit biologischem<br />
Schwerpunkt Tätigen, um Forderungen<br />
und Positionspapieren das nötige<br />
Gewicht zu verleihen.<br />
• Erarbeitung von Positionspapieren zu der<br />
derzeitigen Situaton, die durch ein allgemeines<br />
Zurückdrängen der Biologie gekennzeichnet<br />
ist.<br />
• Definitionen von Berufsbildern sowie Abgrenzungen<br />
zu übergreifenden Fachdisziplinen.<br />
• Schaffung einer Standesvertretung der biologischen<br />
Berufe auf nationaler und europäischer<br />
Ebene.<br />
• Gesetzlich verankertes Mitspracherecht in<br />
den Bereichen Bildung, Ausbildung und<br />
Berufsbilder.<br />
bioskop 2/2008<br />
17
18<br />
Focus<br />
„Wer hat dich, du schöner Wald,<br />
Aufgebaut so hoch da droben?“<br />
So beginnt Eichendorffs „Der Jäger<br />
Abschied“ und bis jetzt war die Antwort<br />
völlig klar: nach der Eiszeit eroberten<br />
in Form einer klassischen<br />
Sukzession verschiedene Baumarten<br />
Mitteleuropa und bildeten, je nach<br />
Klima, verschiedenartige Wälder aus.<br />
Diese nacheiszeitliche Geschichte der<br />
Wälder ist allgemein gut bekannt: vergl.<br />
POTT (1999) für Nordwestdeutschland,<br />
KRAL (1972) für den Ostalpenraum).<br />
Die Grundlagen dazu lieferten<br />
FIRBAS (1949) und ELLENBERG (1978,<br />
1996), dessen Standardwerk mit jeder<br />
Neuauflage Ergänzungen zu diesem<br />
Thema enthält.<br />
� Bernt Ruttner<br />
-----------------------------------------------------<br />
Parallel zu den Veränderungen in der<br />
Flora kommt es auch zu einem Faunenaustausch<br />
und zum lokalen Aussterben<br />
vieler Säugetierarten. Arten, die<br />
im letzten Interglazial noch vorkamen,<br />
besiedelten in der Nacheiszeit Europa<br />
nicht mehr. „Waldelefant und Waldnashorn<br />
kann man sich mit einiger Phantasie<br />
unter den heutigen Klimaverhältnissen<br />
vorstellen, aber das Vorkommen<br />
bestimmter Arten, wie Flusspferd und<br />
Wasserbüffel, am Rhein wirkt sehr exotisch.<br />
(KÖNIGSWALD 2002, S 142)“<br />
Es gilt also der Frage nachzugehen,<br />
ob die Bewaldung und die Besiedlung<br />
durch die Wildfauna tatsächlich so passiert<br />
ist oder ob es ganz andere Vorstellungen,<br />
vorzugsweise von BEUTLER<br />
und GEISER dargestellt und als „Megaherbivoren-Theorie“<br />
bezeichnet, richtig<br />
ist.<br />
Woher beziehen wir unser Wissen<br />
über die frühere Vegetation?<br />
Die wohl wichtigste Quelle ist die<br />
Pollenanalyse. Moore und Seen sind<br />
„Archive der Vegetationsgeschichte“<br />
(vergl. STRAKA 1973). Dabei ist auch<br />
die Problematik der Analyse durchaus<br />
bekannt. Schon STRAKA stellt die Frage:<br />
„Inwieweit gibt das Pollenspektrum<br />
die Vegetation der Umgebung der<br />
Probenentnahmestelle wieder? (S 52)“<br />
Sowohl die Pollenproduktion als auch<br />
bioskop 2/2008<br />
wALD ODER NICHT wALD – DAS IST HIER DIE fRAgE<br />
die Pollenausstreuung der einzelnen<br />
Arten ist sehr unterschiedlich. Insektenbestäubende<br />
Pflanzen kommen<br />
überhaupt ganz selten vor. Hasel, Kiefer<br />
und Birke streuen große Mengen an<br />
Pollen aus, Rotbuche, Eiche, Ulme und<br />
Linde nur wenige. Einzelne Pollenkörner<br />
können große Strecken, auch tausende<br />
Kilometer, zurücklegen, andere<br />
wieder nur ganz kurze. Auch die Erhaltung<br />
der Pollenkörner ist unterschiedlich.<br />
Lärche, Eibe und Wacholder zersetzen<br />
sich schneller als andere Arten.<br />
Dennoch kann man durch Vergleiche<br />
mit rezenten Oberflächenproben an<br />
der arktischen oder alpinen Waldgrenze<br />
Kriterien für die Waldfreiheit einer<br />
Landschaft gewinnen. Eine Zunahme<br />
von Nichtbaumpollen über einen<br />
gewissen Anteil zeigt eine waldfreie<br />
Vegetation an (Abb. 1). Die zeitliche<br />
Datierung erfolgt meist mit der C14-<br />
Methode, wodurch man klare absolute<br />
Zeitangaben erhält. Insgesamt zeigt<br />
sich, dass die Pollenanalyse ein recht<br />
gutes Bild der damaligen Verhältnisse<br />
liefern kann, wie auch Vergleiche in<br />
historischer Zeit zeigen. „ Moorprofile<br />
werden auch zur Klimarekonstruktion<br />
eingesetzt, die Information, die sie<br />
über die Vegetation liefern, ist aber<br />
ebenso wichtig (WINIWARTER, KNOLL<br />
2007, S 106). So konnten die Paläobotaniker<br />
doch ein recht genaues Bild<br />
der Vegetationsentwicklung nach der<br />
Eiszeit liefern. „Die Ergebnisse ließen<br />
nicht nur Rückschlüsse auf Moorbildungen<br />
und das Vorrücken der Wälder<br />
nach dem Zurückweichen des Eises zu,<br />
sondern auch Aussagen über den Beginn<br />
und den Grad der Abholzung mitteleuropäischer<br />
Wälder, denn seit dem<br />
Mittelalter nahm der Anteil der Pollen<br />
von Kräutern im Verhältnis zum Anteil<br />
der Pollen von Bäumen stetig zu“(1).<br />
Weitere Quellen stellen die Methoden<br />
der Klimaforschung dar, da ja die Vegetation<br />
auch immer ein Abbild des herrschenden<br />
Klimas ist. Die Messungen<br />
des Sauerstoffisotopen-Verhältnisses<br />
in Eisbohrkernen gibt genauere Einblicke<br />
in die Dauer der verschiedenen<br />
Warm- und Kaltzeiten (vergl. KÖNIGS-<br />
WALD 2002, S 31, Abb. 2). Derzeit kann<br />
die Temperatur bis zu 400.000 Jahre zu-<br />
Abb. 1 aus WEISSENBACHER / FUCHS: In diesem<br />
Ausschnitt eines Pollendiagramms aus dem<br />
Gerlhamer Moor in OÖ ist das Zusammenspiel<br />
Baumpollen und Nichtbaumpollen besonders<br />
deutlich erkennbar.<br />
rückverfolgt werden. Dendrochronologie<br />
und Warventone liefern Proxidaten<br />
zur Klimageschichte.<br />
Insgesamt bietet sich also ein sehr<br />
vielfältiges und genaues Bild unserer<br />
Vegetations- und Klimageschichte an.<br />
Ergänzt wird dieses Wissen noch durch<br />
Fossilfunde, die uns über die faunistischen<br />
Veränderungen Auskunft geben.<br />
Wald oder Park?<br />
Im letzten Interglazial, vor ca. 120.000<br />
Jahren war es während seines Optimums<br />
um 2-3°C wärmer als heute.<br />
Mitteleuropa war – nach der vorherrschenden<br />
Meinung – mit laubabwerfenden<br />
Wäldern bedeckt. Nur entlang<br />
der Flüsse gab es größere, zusammenhängende<br />
Grasfluren. Neben uns bekannten<br />
Tieren, wie Reh, Wildschwein,<br />
Wisent und Auerochse traten auch Ele
Abb. 2: Ergebnisse d. Pollenanalyse werden durch andere Methoden bestätigt (aus: KOENIGSWALD).<br />
fant, Flusspferd und Wasserbüffel auf.<br />
Auch Löwe und Hyänen waren zu finden.<br />
So ist es wahrscheinlich leicht, sich eher<br />
eine afrikanische Savanne vorzustellen,<br />
als einen flächendeckenden mitteleuropäischen<br />
Laubwald. Allerdings ist diese<br />
Assoziation nicht stichhältig, weil Savannen<br />
durch ein völlig anderes Klima<br />
geprägt werden. REMMERT (1998) listet<br />
die entscheidenden Faktoren auf: Jährliche<br />
Trockenperioden, Wechsel von Trocken-<br />
und Regenperioden, Häufigkeit<br />
von Feuern, Nährstoffbedingungen.<br />
Alle diese Faktoren treffen für Mitteleuropa<br />
nicht zu. Unterstützt wird die<br />
Annahme eines flächendeckenden<br />
Waldes durch Pollenspektren, in denen<br />
die Graslandarten deutlich zurücktreten.<br />
Freilich wird es immer wieder offene<br />
Landflächen im Bereich von Flüssen,<br />
Windwürfen an Geländekanten etc.<br />
gegeben haben. BEUTLER reklamiert<br />
besonders für Südbayern aber auch<br />
für Nordwestdeutschland einen hohen<br />
Anteil von waldfreien Flächen „Der Anteil<br />
von Offenland dürfte damals, z. B.<br />
im Holstein- oder im Eem-Interglazial,<br />
jedoch hoch gewesen sein“ (Abb. 2).<br />
Gegen diese Überlegungen sprechen<br />
allerdings neuere Forschungen aus Irland<br />
(Abb. 3): „Mitchell hatte frühzeitlichen<br />
Pollen aus Irland mit Pollen vom<br />
europäischen Kontinent verglichen und<br />
keine Unterschiede festgestellt, obwohl<br />
in Irland zu damaligen Zeiten zwar<br />
Wildschweine, aber keine Weidetiere<br />
lebten“.<br />
Freilich dürfen wir die eemzeitlichen,<br />
aber auch die holozänen Wälder nicht<br />
mit den jetzigen Wirtschaftswäldern<br />
vergleichen. Nach dem Mosaik-Zyklus-<br />
Konzept gibt es in den Wäldern ein<br />
dichtes Nebeneinander von Initial-, Verjüngungs-<br />
und Zerfallsphasen. Untersuchungen<br />
dazu gibt es im niederösterreichischen<br />
„Rothwald“ und im Urwald<br />
von Bialowieza (REMMERT, 1998, S 120).<br />
Bei näherer Betrachtung verwischen<br />
sich also die starren Grenzen der Ökosysteme<br />
Wald und offenes Land.<br />
„So klar die ökologischen Unterschiede<br />
zwischen Wald und Offenland sind: Die<br />
Grenzen zwischen den Ökosystemen<br />
Focus<br />
der Wälder und des offenen Landes sind<br />
in der Natur keineswegs so klar ausgebildet.<br />
Von Natur aus bestehen statt<br />
scharfer Waldränder meistens Gradienten<br />
zwischen bewaldetem und offenem<br />
Land. Unter natürlichen Bedingungen<br />
bleibt der Gradient in seiner Lage nicht<br />
stabil, denn der Wald dehnt sich vermittels<br />
Sukzession ins offene Land aus. Diese<br />
Sukzession ist reversibel, denn auch<br />
das offene Land kann sich ausbreiten<br />
(KÜSTER 2005, S 74 f)“.<br />
Wie ist das mit dem Weidedruck?<br />
Die Entstehung einer steppenartigen<br />
Parklandschaft wird meist mit dem<br />
Weidedruck großer Pflanzenfresser begründet<br />
(Abb. 3). Die Analogie zu den<br />
Savannen ist verführerisch, aber meines<br />
Erachtens falsch. Die riesigen Tierherden<br />
der Serengeti folgen den saisonalen Regengebieten<br />
– wo anders könnten sie<br />
nicht überleben. In Mitteleuropa gab es<br />
keinen Grund zu wandern, die Ressourcen<br />
waren einigermaßen gleich verteilt,<br />
die Wilddichte wird sich auf ein ökologisch<br />
vernünftiges Maß eingependelt<br />
haben. Die Einschätzung über die Bedeutung<br />
der Groß-Pflanzenfresser klafft<br />
bioskop 2/2008<br />
19
20<br />
Focus<br />
Abb. 3: Die nacheiszeitlichen Großsäuger (aus: KOENIGSWALD).<br />
auch in der einschlägigen Literatur auseinander.<br />
REMMERT (1998) meint, „dass<br />
diese Rinder zusammen mit anderen<br />
Herbivoren – vor ihrer Dezimierung<br />
durch den Menschen – die Struktur des<br />
Waldes und die Verteilung von Offenland<br />
und Wald in der Landschaft erheblich<br />
beeinflusst haben (S 136)“. Er geht<br />
davon aus, dass Lichtungen und Jungwuchsflächen<br />
durch die stärkere Beweidung<br />
frei gehalten wurden.<br />
BICK (1999) dagegen geht davon aus,<br />
dass Wirbeltiere im Phytophagensystem<br />
von Buchenwaldökosystemen<br />
keine große Bedeutung hinsichtlich<br />
des Stoff- und Energieumsatzes haben<br />
(S 91). Erst wenn die Bestandsdichte<br />
überschritten wird, beeinflussen sie das<br />
Ökosystem. Das heißt, es müssten sich<br />
– aus welchen Gründen auch immer –<br />
Konzentratselektierer<br />
(browser)<br />
bioskop 2/2008<br />
Intermediärtyp<br />
(browser and grazer)<br />
Reh Elch Gämse Rothirsch<br />
Tabelle (nach BICK).<br />
Wisent Damhirsch<br />
Hausziege<br />
riesige Herden gebildet haben, um den<br />
Wald in eine Parklandschaft zu verwandeln.<br />
Wenn man die Produktionskraft<br />
der Savanne mit dem des sommergrünen<br />
Waldes vergleicht, so müsste der<br />
Wildtierbestand ungleich größer als<br />
jetzt in der Savanne sein, und dieser ist<br />
schon beträchtlich. Die derzeitige Ursache<br />
für die überhöhten Wildbestände<br />
sieht BICK in den landwirtschaftlichen<br />
Nutzflächen im Kontaktbereich zu den<br />
Wäldern, die es damals nicht gab. Untersucht<br />
man den Wildbestand nach seinen<br />
Ernährungsarten, so stellt man fest,<br />
dass in unseren Wäldern, auch hier im<br />
Gegensatz zur Savanne vor allem Konzentratselektierer<br />
bzw. intermediäre Typen<br />
(browser and grazer) zu finden sind,<br />
Gras – und Rauhfutterfresser gibt es nur<br />
wenige (vergl. Tabelle). Tatsächlich hat<br />
eine Studie ergeben, dass der Rothirsch<br />
Gras- u. Rauhfutterfresser<br />
(grazer)<br />
Mufflon Auerochse<br />
Hausschaf Hausrind<br />
nur 2,7% der Nettoprimärproduktion<br />
verbraucht. Erst bei überhöhtem Besatz<br />
gibt es drastische Beeinflussungen<br />
der Pflanzenwelt. Und wie sollte dieser<br />
überhöhte Besatz in einer kulturlandschaftsfreien<br />
Szene zustande gekommen<br />
sein?<br />
Da Fossilfunde recht spärlich sind, geht<br />
KÖNIGSWALD (2002) davon aus, dass<br />
jeder Wert zur Bestandsdichte reine<br />
Spekulation ist. Zwischen dichten Herden<br />
und vereinzeltem Vorkommen<br />
kann jeder Wert angenommen werden<br />
(S 142). Er interpretiert den nacheiszeitlichen<br />
Faunenwechsel als Arealverschiebungen<br />
von Populationen und<br />
unterscheidet dies streng von jahreszeitlichen<br />
Tierwanderungen (Abb. 4).<br />
Die nacheiszeitlichen Klimaschwankungen<br />
waren viel zu häufig, bzw. kurz<br />
dauernd um Auswirkungen auf die Evolution<br />
zu haben.<br />
So ergibt sich nun ein Gesamtbild, das<br />
sich doch von der von GEISER geforderten<br />
Weidelandschaft unterscheidet.<br />
Kleinflächig und mosaikartig mögen<br />
diese Szenarien wohl stimmig sein, auf<br />
eine gesamte Betrachtung Mitteleuropas<br />
ausgerichtet aber eher nicht.
Abb. 4: Das Modell des Faunentausches. Mitteleuropa war kein Kerngebiet , weder der kaltzeitlichen, noch der warmzeitlichen Fauna (aus: KOENIGSWALD).<br />
Was sonst noch auffällt<br />
Der besagte Artikel von GEISER bietet<br />
sicher interessante Ansätze, allerdings<br />
ist manchmal seine Fixierung auf eine<br />
großflächige Weidelandschaft der Diskussion<br />
hinderlich. Sein fast schon<br />
apokalyptischer Zorn auf die Pflanzensoziologie<br />
verhindert die sachliche<br />
Auseinandersetzung. Er träumt von<br />
einer Weide-Urlandschaft als dem natürlichen<br />
ökologischen System Mitteleuropas.<br />
Wenn diese Übereinstimmung<br />
Weide – Urlandschaft stimmt, verstehe<br />
ich das abschließende Konzept nicht,<br />
wo GEISER extensive, naturnahe Weidewirtschaft<br />
und reine Naturbereiche<br />
trennt – es müsste ja ohnehin dasselbe<br />
sein. Weiters fällt mir auf, dass – auch<br />
im Internet – von einer „Megaherbivoren-Theorie“<br />
gesprochen wird. Wissenschaftstheoretisch<br />
ist diese Überlegung<br />
bestenfalls eine Hypothese, die erst<br />
noch durch „harte“ Fakten belegt werden<br />
sollte.<br />
Überraschend ist, dass diese Hypothese<br />
auch von Kreationisten vereinnahmt<br />
wird, wie ich im Rahmen meiner Recherchen<br />
feststellen musste. Sie bedauern<br />
aber ausdrücklich, dass leider das göttliche<br />
Wirken in der Naturgeschichte ausgeklammert<br />
wurde.<br />
Insgesamt zeigt sich, dass einer durchaus<br />
interessanten Idee noch zu wenige<br />
„harte“ Fakten zur Untermauerung fehlen,<br />
dass manchmal ein Wunschbild von<br />
der „Urnatur“ zum Argumentationsziel<br />
wurde und alle Einsprüche dagegen<br />
locker vom Tisch gewischt werden.<br />
ELLENBERG (1996) hat sich mit diesen<br />
Argumenten gründlich auseinandergesetzt,<br />
immerhin listet er alle Argumente<br />
von GEISER auf. Für die Naturschutzpraxis<br />
und das Wildtiermanagement sind<br />
sicher einige Überlegungen wichtig.<br />
Literatur:<br />
BICK, Hartmut (1999): Grundzüge der Ökologie.<br />
Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg<br />
ELLENBERG, Heinz (1978, 1996): Vegetation Mitteleuropas<br />
mit den Alpen in ökologischer, dynamischer<br />
und historischer Sicht. Verlag Ulmer,<br />
Stuttgart<br />
GEISER, Remigius (1992): Auch ohne Homo sapiens<br />
wäre Mitteleuropa von Natur aus eine halboffene<br />
Weidelandschaft. Aus: Wald oder Weideland.<br />
Zur Naturgeschichte Mitteleuropas. Laufener Seminarbeiträge<br />
2/92, S 22-34, Bayrische Akademie<br />
f. Naturschutz u. Landschaftspflege (ANL), Laufen<br />
a. d. Salzach (Hrsg.)<br />
MAYER, Hannes (1974): Wälder des Ostalpenraumes.<br />
G. Fischer, Stuttgart<br />
KRAL, Friedrich (1972): Grundlagen zur Entstehung<br />
der Waldgesellschaften im Ostalpenraum. In:<br />
Focus<br />
FRENZEL, Burkhard (Hrsg.): Vegetationsgeschichte<br />
der Alpen, G. Fischer Stuttgart (S 173-185)<br />
KOENIGSWALD, Wighart v. (2002): Lebendige Eiszeit.<br />
WBG Darmstadt<br />
KROMP-KOLB, Helga; FORMAYER, Herbert (2005):<br />
Schwarzbuch Klimawandel. ecowin, Salzburg<br />
KÜSTER, Hansjörg (2005): Das ist Ökologie. C.H.<br />
Beck, München<br />
POTT, Richard (1999): Nordwestdeutsches Tiefland<br />
zwischen Ems und Weser. E. Ulmer, Stuttgart<br />
REMMERT, Hermann (1998): Terrestrische Systeme.<br />
Springer, Berlin Heidelberg<br />
STRAKA, Herbert (1973): Pollenanalyse. In: Biologie<br />
in unserer Zeit, 3. Jg. April 1973, S 50-60, Verlag<br />
Chemie, Weinheim<br />
WEISSENBACHER, Herbert; FUCHS Rudolf (1996):<br />
Naturschutzgebiet Gerlhamer Moor. ÖNJ BG Vöcklabruck<br />
(Hrsg.).<br />
WINIWARTER, Verena; KNOLL, Martin (2007): Umweltgeschichte.<br />
Böhlau, Köln Weimar Wien<br />
Verwendete Internetadressen:<br />
www.biologie.uni-hamburg.de/b-online/<br />
d56/56g.htm (2.5.08)<br />
home.arcor.de/limnologie/Beutler.htm (2.5.08)<br />
www.wissenschaft.de/wissenschaft/news/<br />
248105.html (2.5.08)<br />
Autor und Kontakt:<br />
Dr. Bernt Ruttner<br />
BRG Schloss Wagrain, Schlossstraße<br />
31, 4840 Vöcklabruck<br />
b.ruttner@aon.at<br />
bioskop 2/2008<br />
21
22<br />
Didaktik<br />
Das internationale Projekt „Plant Science<br />
Gardens“ wurde im Oktober 2005<br />
gestartet. Die Website: „Pflanzenforscher<br />
unterwegs … in der Schule und<br />
im Botanischen Garten“ (www.plantscafe.net)<br />
und die Veröffentlichung<br />
des gleichnamigen Buches sowie der<br />
CD-Rom in den vier Projektsprachen<br />
(Bulgarisch, Deutsch, Englisch, Italienisch)<br />
im Dezember 2007 bildeten<br />
den erfolgreichen Abschluss (Kapelari<br />
et al 2006).<br />
� Suzanne Kapelari<br />
� christian Bertsch<br />
-----------------------------------------------------<br />
Finanziert aus Budgetmittel des EU 6.<br />
Framework Program, Science and Society,<br />
haben sich 5 Partnerorganisationen<br />
aus verschiedenen Teilen Europas<br />
zusammengefunden, um einerseits gemeinsam<br />
die nun vorliegenden Unterrichtsmaterialien<br />
zu entwickeln und<br />
andererseits ein starkes Netzwerk zwischen<br />
LehrerInnen, VertreterInnen regionaler<br />
Schulbehörden, Botanischen<br />
Gärten und Universitäten aufzubauen.<br />
Dieses Netzwerk wird nun die nachhaltige<br />
Verwendung dieser innovativen<br />
Lehr- und Lernmaterialien vorantreiben<br />
und weiter gemeinsame Projekte<br />
initiieren.<br />
„Plant Science Gardens“ wurde vom Institut<br />
für Botanik der Universität Innsbruck<br />
Österreich koordiniert. Projektpartner<br />
waren der Botanische Garten<br />
der Universität Sofia, Bulgarien, das<br />
bioskop 2/2008<br />
PfLANZENfORSCHER UNTERwEgS,<br />
IN DER SCHULE UND IM BOTANISCHEN gARTEN<br />
SchülerInnen zwischen 8-12 Jahren erforschen Pflanzen<br />
und gewinnen einen Einblick in naturwissenschaftliche Denk- und Arbeitsweisen<br />
Naturhistorische Museum in Trient , Italien,<br />
das Institute of Education der London<br />
University, England und die Royal<br />
Botanic Gardens Kew, England.<br />
Ziele<br />
VolksschülerInnen und SchülerInnen<br />
der Sekundarstufe 1 in ganz Europa<br />
und im Speziellen in den Partnerländern<br />
können die Welt der Pflanzen mit<br />
Hilfe innovativer und spannender Lehr-<br />
und Lernmethoden selbst erforschen.<br />
Das Interesse junger Leute für Wissenschaften<br />
ganz allgemein, für Pflanzen<br />
im Speziellen sowie für wissenschaftliche<br />
Ausbildungs- und Karrieremöglichkeiten<br />
soll geweckt werden.<br />
Ausgangssituation<br />
Wissenschaftliche Studien haben gezeigt,<br />
dass sich VolksschullehrerInnen<br />
in ihrem naturkundlichen Unterricht<br />
lieber mit Themenbereichen aus der<br />
Tierwelt befassen und sich im Reich<br />
der Pflanzen weniger sicher fühlen<br />
(Wandersee, J. and Clary, R. 2006).<br />
Gerade heute, wo sich ändernde Umweltbedingungen<br />
und der Rückgang<br />
der Artenvielfalt wichtige Themen<br />
des öffentlichen Interesses sind, ist es<br />
aber wichtig, dass junge Menschen die<br />
Rolle der Pflanzen im Ökosystem Erde<br />
verstehen, um an dieser Diskussion kritisch<br />
teilhaben zu können.<br />
Zu Beginn des Projektes wurden deshalb<br />
120 LehrerInnen aus 60 verschieden<br />
Volksschulen in den vier Europäischen<br />
Ländern befragt, um herauszufinden,<br />
was Volksschulkinder derzeit schon alles<br />
über Pflanzen lernen, was der Grund<br />
sein könnte, warum pflanzenbezogene<br />
Themen weniger unterrichtet werden,<br />
was LehrerInnen benötigen würden,<br />
um botanische Themen aufzugreifen<br />
und wenn sie es tun, welche Themen<br />
sie besonders interessieren.<br />
Die befragten LehrerInnen äußerten<br />
den Wunsch, Materialien zur Hand zu<br />
haben, die sie unmittelbar im Unterricht<br />
einsetzen können. Die Unterlagen<br />
sollten leicht verständlich sein und<br />
kompakt zusammengefasste Hintergrundinformationen<br />
enthalten. Auch<br />
sollten sie die SchülerInnen für das<br />
Thema begeistern und zum Lernen<br />
motivieren.<br />
Innovative Lehr- und Lernmethoden<br />
(Inquiry based learning)<br />
Aufbauend auf die Grundprinzipien<br />
des „forschenden Lernens“ wurden<br />
vom Institute of Education der London<br />
University, den Botanischen Gärten<br />
und dem Naturhistorischen Museum<br />
innovative Unterrichtsmethoden neu<br />
entwickelt und zusammengetragen,<br />
um SchülerInnen auf ihrem Weg zur<br />
Erlangung einer „Naturwissenschaftlichen<br />
Grundbildung (Scientific Literacy)“<br />
zu unterstützen.<br />
OECD - PISA (Programme for International<br />
Student Assessment) 2006: „Naturwissenschaftliche<br />
Kompetenzen für<br />
die Welt von morgen“ definiert naturwissenschaftliche<br />
Grundbildung wie<br />
folgt:<br />
„Naturwissenschaftliche Grundbildung<br />
umfasst, das naturwissenschaftliche<br />
Wissen einer Person und deren Fähigkeit,<br />
dieses Wissen anzuwenden, das<br />
Verständnis der charakteristischen Eigenschaften<br />
der Naturwissenschaften<br />
als eine Form menschlichen Wissens<br />
und Forschens und die Fähigkeit zu<br />
erkennen, wie Naturwissenschaften<br />
und Technologie unsere materielle, intellektuelle<br />
und kulturelle Umgebung<br />
prägen.“<br />
In unserer von Naturwissenschaften<br />
geprägten Zeit ist das Erreichen dieser<br />
Grundbildung für jeden eine essentielle<br />
Voraussetzung, um seine Rechte<br />
als Bürger/in wahrnehmen und eine<br />
aktive Rolle in einem demokratischen<br />
Gefüge spielen zu können.
Folgende Kompetenzen, deren Erwerb<br />
in der fachdidaktischen Forschung als<br />
wichtig diskutiert wird, werden durch<br />
unterschiedliche Methoden in den<br />
einzelnen Themenschwerpunkten der<br />
„Pflanzenforscher unterwegs.“ Materialien<br />
gefördert:<br />
- Die Sprache der Naturwissenschaften<br />
verstehen durch Lesen, Schreiben,<br />
Verwenden von Fachvokabular, interpretieren<br />
von Graphischen Darstellung<br />
etc. (Wellington J. and Osborne<br />
J., 2001).<br />
- Analytisches Hinterfragen von Sachverhalten,<br />
wissenschaftlich diskutieren,<br />
Fragen stellen, Beweise suchen<br />
und zur Untermauerung der eigen<br />
Argumente heranziehen. Warum<br />
weiß ich, was ich weiß? (Osborne, J.,<br />
Erduran, S. and Simon, S., 2004).<br />
- Selbständig naturwissenschaftlich<br />
arbeiten können, naturwissenschaftlichen<br />
Experimente selber entwickeln,<br />
planen, nachvollziehen und<br />
durchführen können, Ergebnisse kri-<br />
tisch interpretieren (Donovan M. S.<br />
and Bransford J.D. Editors, 2005)<br />
- Probleme im Team lösen, einander<br />
Zuhören, voneinander lernen, Konzepte<br />
weiterentwickeln (Douglas Barnes<br />
1992)<br />
- Charakteristische Merkmale der Naturwissenschaft<br />
verstehen – understand<br />
the nature of science. (National<br />
Committee on Science Education<br />
Standards and Assessment 1996),<br />
themenwahl<br />
Die Bereiche Ökologie und Wachstum,<br />
Pflanzen in der Nahrung, Arterhaltung<br />
und Pflanzen in der Kunst und im täglichen<br />
Leben waren die Spitzenreiter<br />
der Themenhitliste und wurden in weiterer<br />
Folge in den jeweiligen Ländern<br />
ausgearbeitet:<br />
- England: Pflanzen, die wir essen<br />
- Bulgarien: Pflanzen kreativ<br />
- Italien: Artenvielfalt<br />
- Österreich: Wie Pflanzen wachsen<br />
Didaktik<br />
Als lebenslanger Lernprozess erstreckt sich dieser Bildungsweg über alle Schulstufen bis in die Erwachsenenbildung und soll Menschen dazu befähigen,<br />
basierend auf Wissen, naturwissenschaftliche Sachverhalte zu bewerten und entsprechend zu handeln. Im Zuge der Ausbildung soll der Entwicklung aller<br />
drei Kompetenzbereiche -Wissen, Bewerten und Handeln – gleichermaßen Gewicht beigemessen werden.<br />
Evaluation<br />
Um sicher zu stellen, dass sich die Materialien<br />
auch im Unterricht bewähren,<br />
wurden sie in den jeweiligen Ländern<br />
mit LehrerInnen gemeinsam erarbeitet<br />
und getestet. Die LehrerInnen der<br />
Pilotklassen, DirektorInnen, Vertreter<br />
der Schulbehörden, Botanische Garten<br />
Pädagogen und Vertreter von LehrerInnenaus-<br />
und -weiterbildungsinstitutionen<br />
fanden sich in Nationalen Arbeitgruppe<br />
zusammen, um den Prozess der<br />
Materialentwicklung und -evaluation<br />
zu begleiten.<br />
In Österreich wurden 4 Pilotklassen<br />
(Vierte Klasse Volksschule) untersucht.<br />
Im Themenschwerpunkt wie „Pflanzen<br />
wachsen“, beschäftigen sich die SchülerInnen<br />
mit den Fragen: Aus welchen<br />
Komponenten besteht die Luft, die uns<br />
umgibt? Wie unterscheidet sich die<br />
Luft, die wir ausatmen von der, die wir<br />
einatmen und warum geht der Sauerstoff<br />
auf unserer Erde nie aus? Warum<br />
machen Pflanzen verbrauchte Luft wieder<br />
frisch und was brauchen sie, um<br />
bioskop 2/2008<br />
23
24<br />
Didaktik<br />
Abbildungen: Durchführung des Experiments im Dunklen und im Licht.<br />
wachsen zu können. Ziel ist es hier in<br />
10 aufeinanderfolgenden Modulen<br />
das Grundkonzept der Photosynthese<br />
zu verstehen und mit dem Pflanzenwachstum<br />
in Verbindung zu bringen.<br />
Erste Ergebnisse der Evaluation zeigen<br />
unter anderem, dass die SchülerInnen<br />
im Zuge der Beschäftigung mit diesen<br />
Materialien eine umfassende Sach- und<br />
Methodenkompetenz entwickeln und<br />
diese Kompetenzen auch noch nach 5<br />
Monaten nahezu unverändert weiterbestehen<br />
(C. Bertsch 2008).<br />
Der Österreichische Themenschwerpunkt:<br />
„Wie Pflanzen wachsen wurde<br />
2007 mit dem „IMST-Award“ ausgezeichnet.<br />
Ein Beispiel für die praktische<br />
umsetzung<br />
Wie der „forschend- entwickelnder<br />
Sachkundeunterricht“ mit „Pflanzenforscher<br />
unterwegs, in der Schule und im<br />
Botanischen Garten“ aussehen kann,<br />
sei nun am Modul 4 aus dem Themenschwerpunkt<br />
„Wie Pflanzen wachsen“<br />
veranschaulicht.<br />
bioskop 2/2008<br />
Im Rahmen dieses Themenschwerpunktes<br />
erarbeiten sich die „Jungen<br />
Forscher“ schrittweise eine Vorstellung<br />
davon, dass die Sonnenenergie, die im<br />
Zuge der Fotosynthese eingefangen<br />
wird, dazu dient, Pflanzenmaterial aufzubauen<br />
und so für Tiere und Menschen<br />
als Nahrung zur Verfügung steht.<br />
Die einzelnen Module bauen jeweils<br />
auf erworbenes Wissen des vorherigen<br />
auf. In Modul 4 haben die SchülerInnen<br />
schon herausgefunden, dass die die<br />
Luft vorwiegend aus Sauerstoff, Stickstoff,<br />
und Kohlendioxyd besteht, dass<br />
die Luft die wir einatmen weniger CO 2<br />
enthält als die Luft die wir ausatmen.<br />
Mit Hilfe des historischen Experimentes<br />
von Priestley erfahren die „Jungen Forscher“,<br />
dass Pflanzen verbrauchte Luft<br />
wieder frisch machen, weil sie O 2 abgeben.<br />
Nun soll herausgefunden werden,<br />
ob Pflanzen Licht brauchen, um das zu<br />
tun.<br />
Als Einstieg wird in die „Lichtdebatte“<br />
dient ein „conzept-cartoon“ (vgl. S. 25).<br />
In Kleingruppen überlegen die Schüler-<br />
Innen, welches der drei Kinder wohl<br />
recht haben könnte.<br />
Nun erklärt der/die Lehrende, dass am<br />
abgeschnittenen Stängel der Wasserpest<br />
Blasen austreten, wenn sie Sauerstoff<br />
produziert. Die „jungen Forscher“<br />
sollen nun überlegen, wie man diese<br />
Tatsache nutzen kann, um ein Experiment<br />
zu planen, das ihnen zeigen<br />
kann, welches der betreffenden Kinder<br />
recht hat.<br />
Je nach Begabung und Kreativität<br />
können SchülerInnen unterschiedlich<br />
Herausforderungen annehmen, wenn<br />
es darum geht, nun ein Experiment<br />
zu entwickeln, das alle naturwissenschaftlichen<br />
Kriterien berücksichtigt.<br />
Unterschiedliche Materialien werden<br />
bereitgestellt, die unter anderem auch<br />
zur Verdunklung der Versuchgefäße<br />
eingesetzt werden können.<br />
Die Erfahrung mit den Pilotkassen haben<br />
gezeigt, dass nahezu alle SchülerInnen<br />
zu adäquaten Experimentplanungen<br />
kommen und dass hier ein<br />
ideales Umfeld geschaffen wird, das<br />
den SchülerInnen ermöglicht, die Charakteristika<br />
naturwissenschaftlicher Experimente<br />
praktisch zu erkennen und<br />
diese Kompetenzen auch in anderen Zusammenhängen<br />
anwenden zu können.<br />
Abschließend werden die Experimentplanungen<br />
und Ergebnisse diskutiert<br />
und mit den Ausgangshypothesen, die<br />
die Kinder in der Gruppendiskussion zu<br />
Beginn der Einheit aufgestellt haben,<br />
verglichen.<br />
Wie alle anderen Module schließt dieses<br />
mit der Reflexion des eigenen Lernprozesses<br />
ab. Die SchülerInnen notieren<br />
in ihr Arbeitsblatt/Forschertage „Zwei<br />
Dinge, die ich heute herausgefunden<br />
habe“.<br />
Partnerschaften zwischen Schulen<br />
und Botanischen Gärten<br />
Pflanzen sind leicht zu beschaffen, problemlos<br />
zu handhaben und deshalb<br />
ideale Organismen, um forschendes<br />
Lernen im Unterricht zu ermöglichen<br />
(S. Kapelari et al 2007). Botanische<br />
Gärten sind ideale Partner, dieses Lernen<br />
zu unterstützen. Weltweit beherbergen<br />
diese Einrichtungen nicht nur<br />
erstaunliche Pflanzensammlungen,<br />
sondern auch eine Fülle von Informa-
Conzept-Cartoon: Die Gruppe diskutiert, welches der Kinder in der Abbildung recht haben könnte.<br />
tionen darüber, wie Pflanzen früher<br />
und heute verwendet wurden bzw.<br />
werden, in welchen Lebensräumen sie<br />
vorkommen und vieles mehr. Um die<br />
vorliegenden Unterrichtsmaterialien<br />
optimal nutzen zu können, empfehlen<br />
wir Ihnen deshalb, die Zusammenarbeit<br />
mit einem Botanischen Garten in<br />
ihrer Region zu suchen.<br />
Der Botanische Garten der Universität<br />
Innsbruck und auch die Lernwerkstätten<br />
in Innsbruck und Kufstein, bieten<br />
„Photosynthese-Boxen“ an, die gegen<br />
eine geringe Gebühr geliehen werden<br />
können. Diese Boxen enthalten alle<br />
Materialien, die für die Experimente<br />
gebraucht werden in Klassenstärke (für<br />
5 Kleingruppen). Angefangen von den<br />
Chemikalien, Bechergläsern bis hin zu<br />
Stoppuhren ist alles vorhanden, um<br />
die 8 Module, die in der Schule durchgeführt<br />
werden, problemlos abwickeln<br />
zu können. Kontakt:<br />
sabine.sladky-meraner@uibk.ac.at<br />
Website<br />
Auf der Website: www.plantscafe.net<br />
sind zu den vier Themenschwerpunkten:<br />
„Wie Pflanzen wachsen“, „Pflanzen<br />
die wir essen“, „Pflanzen kreativ“ und<br />
„Artenvielfalt“ insgesamt 44 zwei -vierstündige<br />
Unterrichtsmodule zu finden.<br />
Die Module können teilweise in der<br />
Schule und teilweise im botanischen<br />
Garten eingesetzt werden. In der Rubrik<br />
„Downloads“ sind Informationen<br />
zu Zeit, benötigtem Material und Anleitungen<br />
zur Durchführung des Unter-<br />
richts zu finden. Das soll „Neueinsteigern“<br />
in den forschend-entwickelnden<br />
Unterricht helfen, die entsprechende<br />
Lernumgebung zu schaffen. Botanisches<br />
Hintergrundwissen und weiterführende<br />
Literatur runden das Angebot<br />
ab.<br />
Die „Mediengalerie“ enthält zusätzliche<br />
Unterrichtsmaterialien, Lernspielunterlagen,<br />
Bilder, Power Point Präsentationen<br />
und Filme.<br />
In der Rubrik „Info“ sind pädagogischdidaktische<br />
Grundlagen, Anleitungen<br />
zur Durchführung von Aus- und Fortbildungsveranstaltungen<br />
und wissenschaftliche<br />
Forschungs- und Evaluationsergebnisse<br />
angeführt.<br />
Literatur:<br />
BARNES D. 1992, From Communication to Curriculum,<br />
Boynton/Cook Publishers, Heinemann,<br />
Portsmouth, NH, USA<br />
BERTSCH C. 2008, Forschend begründendes<br />
Lernen im naturwissenschaftlichen Unterricht.<br />
Wege zu einer naturwissenschaftlichen Grundbildung<br />
am Übergang Primar/Sekundarstufe am<br />
Beispiel von Unterrichtsmaterialien zum Thema<br />
„Fotosynthese“, Dissertation, Veröffentlichung<br />
voraussichtlich Ende 2008, Universität Innsbruck,<br />
Austria<br />
DONOVAN M. S., Bransford J.D. 2005, How Students<br />
Learn, National Academies Press, Washington,<br />
DC<br />
KAPELARI SUZANNE, Christian Bertsch, Krassimir<br />
Kossev, Sue Johnson, Gail Bromley & Constantino<br />
BONOMI (2006): Plant Science Gardens - A model<br />
for improving plant science education at primary<br />
school level by creating cooperations between<br />
schools and their local botanic gardens. Paper<br />
presented at 4th Balkan Botanical Congress, Sofia,<br />
Bulgaria, 20-26 June 2006.<br />
KAPELARI, SUZANNE, CHRISTIAN BERTSCH, SUE<br />
JOHNSON, COSTANTINO BONOMI, GAIL BROM-<br />
LEY & KRASSIMIR KOSSEV 2007, Flower Power<br />
– The Potency of Botanic Gardens in Primary<br />
School´s Plant Science Teaching. ESERA (European<br />
Science Education Research <strong>Association</strong>) Conference,<br />
Malmö, Sweden, 21-25 August 2007.<br />
National Committee on Science Education Standards<br />
and Assessment, National Research Council<br />
(1996) National Science education Standards,<br />
NATIONAL ACADEMY PRESS Washington, DC<br />
OSBORNE, J., ERDURAN, S. AND SIMON, S. 2004<br />
Ideas, Evidence and Argument in Science. Inservice<br />
Training Pack, Resource Pack and Video.<br />
London: Nuffield/King’s College, London.<br />
PISA 2006 2007, Schulleistungen im internationalen<br />
Vergleich; Naturwissenschaftliche Kompetenzen<br />
für die Welt von Morgen OECD, W. Bertelsmann<br />
Verlag für die Deutsche Ausgabe.<br />
WANDERSEE, J. & CLARY, R. 2006, Advances in<br />
research towards a theory of plant blindness.<br />
Proceedings of the 6th International Congress on<br />
Education in Botanic Gardens, Oxford, England,<br />
10-14 September 2006.<br />
WELLINGTON J., OSBORNE J. 2001, Language<br />
and Literacy in Science Eduaction , Open University<br />
Press, Buckingham, Philadelphia<br />
Autorin und Kontakt:<br />
Dr. Suzanne Kapelari<br />
Institut für Botanik<br />
der Universität Innsbruck<br />
Sternwartestraße15<br />
6020 Innsbruck<br />
suzanne.kapelari@uibk.ac.at<br />
Didaktik<br />
bioskop 2/2008<br />
25
26<br />
Didaktik<br />
wIE KOMMT DAS wASSER IN DIE DIE KRONEN DER BäUME?<br />
SchülerInnen der AhS/hS unterstufe erforschen ein pflanzliches Phänomen<br />
Gefärbte Querschnitte von Waldföhre, Hainbuche und Esche. Deutlich erkennbar ist die unterschiedliche Verteilung leitender Bereiche in Konifere,<br />
zerstreut- und ringporigem Holz.<br />
Der Studienplan für das Lehramtsstudium<br />
an der Naturwissenschaftlichen<br />
Fakultät der Universität Innsbruck<br />
im Unterrichtsfach Biologie und Umweltkunde<br />
sieht seit 2000/2001 vor,<br />
dass das Thema der Diplomarbeit in<br />
jedem Fall einen deutlichen Bezug<br />
zur Fachdidaktik aufweisen muss. Basierend<br />
auf dies Vorgaben wurde das<br />
Forschungsthema „Wassertransport<br />
in Bäumen: Methodischer Vergleich“<br />
auch praktisch für den Unterricht in<br />
der Sekundarstufe 1 aufbereitet und<br />
mit SchülerInnen der 2 Klasse Hauptschule<br />
in der Grüne Schule des Botanischen<br />
Gartens der Universität Innsbruck<br />
getestet. Das Ergebnis dieser<br />
Arbeit wird nun in Grundzügen vorgestellt,<br />
wobei das Hauptaugenmerk auf<br />
die praktische Umsetzung im Unterricht<br />
gelegt wird. Im bioskop 3/2003<br />
wurde eine der in dieser Arbeit beschrieben<br />
Methoden, das Experiment<br />
zur Messung der Wasserdurchflussmenge,<br />
schon vorgestellt, so dass hier<br />
nur auf die Messung der Gefäßlänge<br />
im Speziellen eingegangen wird.<br />
� Stefan mayr<br />
� thea Gufler<br />
� Suzanne Kapelari<br />
----------------------------------------------------theoretischer<br />
hintergrund:<br />
Landpflanzen sind - wie alle Lebewesen<br />
– auf Wasser angewiesen. Dazu haben<br />
die Pflanzen ein Wurzelsystem für die<br />
Aufnahme von Wasser aus dem Boden,<br />
Spaltöffnungen zur kontrollierten Wasserabgabe<br />
über die Blätter, Vakuolen als<br />
Speichersystem in den Zellen und ein<br />
bioskop 2/2008<br />
hoch entwickeltes Leitungssystem, das<br />
den Transport des Wassers in alle Teile<br />
der Pflanze ermöglicht, entwickelt. Der<br />
Transport wird dabei nicht durch eine<br />
Pumpe bzw. Überdruck sondern durch<br />
die Sogwirkung der Transpiration angetrieben.<br />
Der Transport des Wassers findet im sogenannten<br />
Xylem (Holz) der Pflanzen<br />
statt. Das Xylem besteht aus mehreren<br />
Zelltypen, der Bau des Xylem bedingt<br />
artspezifische Unterschiede in der Wasserleitung.<br />
Das relativ einfach gebaute<br />
Koniferenholz besitzt viele, wenige<br />
Millimeter lange und über kleine Verbindungen<br />
(Tüpfel) vernetzte Leitgefäße,<br />
die Tracheiden. Zusätzlich finden<br />
sich im Koniferenholz Parenchymzellen<br />
in den Mark- und Holzstrahlen, die<br />
Steuerungs- und Speicherfunktionen<br />
übernehmen. In Laubbäumen wird<br />
die Wasserleitung vor allem durch die<br />
Tracheen bewerkstelligt. Dies sind bis<br />
zu mehrere Meter lange, aus einzelnen<br />
Zellsegmenten zusammengesetzte<br />
und ebenfalls über Tüpfel verbundene<br />
Röhren. In vielen ringporigen Hölzern<br />
sind die größten Tracheen sogar mit<br />
dem freien Auge sichtbar. Aufgrund<br />
des weiten Lumens stellen sie sehr effiziente<br />
Wasserleitungen dar. Im Laubholz<br />
gibt es aber auch ausgedehnte<br />
Areale mit Stützzellen und wiederum<br />
Parenchymzellen. Sowohl bei den<br />
Tracheiden als auch bei den Tracheen<br />
handelt es sich um bereits abgestorbene<br />
Zellen, der Wassertransport findet<br />
also innerhalb zurückgebliebenen<br />
„Zellskelette“ statt. Diese Zellwände<br />
sind versteift, um der in den Leitgefäßen<br />
wirkenden Zugspannung stand<br />
halten zu können.<br />
Die durch die Transpiration erzeugte<br />
Zugspannung wird über durchgehende<br />
Wasserfäden von den Blättern<br />
bis in den Boden übertragen. Durch<br />
die besonderen physikalischen Eigenschaften<br />
des Wassers, starke Kohäsions-<br />
und Adhäsionskräfte sowie die enorme<br />
Oberflächenspannung ist die Flüssigkeitssäule<br />
in Pflanzen so stabil, dass es<br />
auch bei großem Sog nicht zu einem<br />
Abreißen der Wasserfäden kommt.<br />
So ist es möglich, dass Wasser auch in<br />
große Höhen – Mammutbäume erreichen<br />
über 100m – ohne Energieaufwand<br />
transportiert werden kann. Nur<br />
bei extremem Trockenstress kann es zu<br />
Fehlern in diesem System kommen. Ein<br />
Abreißen der Wasserfäden führt dann<br />
zu einer sogenannten „Embolie“ (siehe<br />
bioskop 3/2003), die in der Folge den<br />
Wassertransport blockiert. Der Bau des<br />
pflanzlichen Wassertransportsystems<br />
ist darauf ausgerichtet eine möglichst<br />
hohe Transportkapazität bei gleichzeitiger<br />
Minimierung der Emboliegefahr<br />
zu bewerkstelligen.<br />
Praktische umsetzung<br />
im unterricht:<br />
Aufbauend auf den Grundprinzipien<br />
des „forschend-entwickelnden“ Lehrens<br />
– und Lernens (inquiry based learning<br />
s. Weiterer Artikel von S. Kapelari<br />
et al S. 23) ist der Unterrichtsverlauf in<br />
6 Phasen unterteilt, die an einem Projektvormittag<br />
oder auf verschiedene
Unterrichtstunden verteilt durchgeführt<br />
werden können.<br />
Einstieg:<br />
Zum Einstieg kann den SchülerInnen<br />
folgendes Phänomen gezeigt werden.<br />
Über die Blätter oder ein großes Blatt<br />
einer Zimmerpflanze wird ein Plastiksack<br />
gestülpt und die Sacköffnung<br />
möglichst gut verschlossen. Wenn der<br />
Raum genügend hell ist und die Pflanze<br />
auch gut gegossen wurde, kann man in<br />
kurzer Zeit schon Wassertröpfchen auf<br />
der Innenseite des Beutels erkennen.<br />
Was passiert da?<br />
Weitere Fragen die SchülerInnen motivieren<br />
können, sich über dieses Phänomen<br />
Gedanken zu machen sind:<br />
- Wie hoch können Bäume werden?<br />
- Was könnte der Grund dafür sein,<br />
dass es keine höheren Bäume gibt?<br />
- Wie glaubt ihr, dass das Wasser aus<br />
dem Boden bis in die Blätter der Bäume<br />
gelangt?<br />
Phase 1: Wasser ist ein ganz<br />
besonderer Saft.<br />
Neben der Transpiration an den Spalt-<br />
Bespiel für eine Versuchsanleitung<br />
öffnungen ist die Physik des Wassers<br />
(Kohäsions- und Adhäsionskraft sowie<br />
die Oberflächenspannung) für den<br />
Wassertransport in den Leitgefäßen<br />
von Bäumen ausschlaggebend. Um ein<br />
Verständnis für diese Eigenschaften zu<br />
entwickeln, führen die SchülerInnen im<br />
Vorfeld selbständig Versuche zu diesen<br />
Phänomenen durch. Hierfür eigenen<br />
sich verschiedenste gängige Wasser-<br />
Experimente, wie die „Schwimmende<br />
Büroklammer, Wasserwette, Wasser als<br />
Klebstoff etc.<br />
(siehe: www.physikfuerkids.de/lab1/<br />
wasser/index.html)<br />
Die Versuche werden von den SchülerInnen<br />
möglichst eigenständig durchgeführt.<br />
Die Versuchsanleitung enthält<br />
vorerst keine Erklärung, sondern fordern<br />
zum selbständigen Denken auf:<br />
„Was kannst du beobachten? Kannst<br />
du dir das erklären?“<br />
Die SchülerInnen notieren ihre Überlegungen<br />
auf einem vorbereiteten Arbeitsblatt<br />
oder in ihr Forschertagebuch<br />
bzw. ins Heft. Wenn alle SchülerInnen<br />
ihre Experimente abgeschlossen haben,<br />
werden „Lösungskärtchen“ an den<br />
Didaktik<br />
einzelnen Stationen ausgegeben und<br />
die SchülerInnen können nun vergleichen,<br />
ob ihre Erklärung mit der gegebenen<br />
übereinstimmt. In der abschließenden<br />
Plenums-Diskussion, stellen<br />
die SchülerInnen ihre eigenen Überlegungen<br />
vor und versuchen, diese zu<br />
begründen und mit den „richtigen“ Lösungen<br />
in Beziehung zu setzen.<br />
Phase 2: Aus welchen teilen besteht<br />
ein Baum?<br />
Die Schüler/innen stellen einige ausgesuchte<br />
Elemente des Baumstammes<br />
wie das Kernholz, Splintholz, Bast und<br />
Borke in einem Rollenspiel dar.<br />
- Der innerste Teil eines Baumstammes<br />
ist das Kernholz. Es ist die stützende<br />
Säule des Baumes, welche durch Einlagerung<br />
von Gerbstoffen dunkler<br />
gefärbt ist und keine Leitungsfunktion<br />
mehr hat. 2-3 Kinder können das<br />
Kernholz darstellen, indem sie die<br />
stützende Mitte spielen.<br />
- Nach außen folgt nun das Splintholz,<br />
das für die Wasserversorgung zuständig<br />
ist. Wasser wird von den Wurzeln<br />
über die Leitungsbahnen in die Blätter<br />
geleitet und als Wasserdampf an<br />
bioskop 2/2008<br />
27
28<br />
Didaktik<br />
bioskop 2/2008<br />
WAS BIN ICH?<br />
Beschreibung: Ich habe Nadeln, die ungefähr 4-5 cm lang, zweifarbig (graugrün<br />
und dunkelgrün), leicht gedreht und spitz zulaufend sind. Meine Nadeln sind<br />
immer zu zweit am Grund miteinander verwachsen.<br />
Meine Rinde ist glatt und rotgefärbt. Meine Borke blättert in papierdünnen<br />
Fetzen ab. Mein Stammumfang misst _________.<br />
Zeichne in die Rechtecke:<br />
Die Baumgestalt Zweig mit Nadeln.<br />
Arbeitsblatt zur Kiefer (Pinus sylvestris)<br />
Zapfen<br />
Je nach Jahreszeit mit oder ohne Abbildung.
die Atmosphäre abgegeben. 4-5 Kinder<br />
können diesen Teil eines Baumstammes<br />
darstellen und durch die<br />
Bewegung vom Boden hin zu den<br />
Blättern die Wasserversorgung nachspielen.<br />
- Mithilfe des Basts werden die, im<br />
Blatt gebildeten Assimilate (Kohlenhydrate<br />
und Aminosäuren) in alle<br />
wachsenden Pflanzenteilen transportiert.<br />
5-6 Kinder stellen die Leitung<br />
der Assimilate von den Blättern<br />
in die Wurzeln dar.<br />
- Die Borke schützt den Baum vor Kälte,<br />
Hitze, Pilz- und Insektenbefall. Sie<br />
erneuert sich ständig, hält Regenwasser<br />
ab und verhindert zu hohe<br />
Verdunstung. Der Rest der Kinder<br />
(bis auf einen Schüler / eine Schülerin)<br />
bilden die schützende Rinde.<br />
- Ein Kind, das übrig bleibt, darf den<br />
Borkenkäfer spielen. Dieser versucht<br />
durch die Rinde durchzuschlüpfen<br />
und so den Baum anzugreifen. Die<br />
Kinder, welche die Borke spielen,<br />
versuchen die Angriffe abzuwehren.<br />
Möglich ist auch, dass zwei Kinder<br />
Borkenkäfer spielen.<br />
Das Spiel kann nach Zeit und Lust wiederholt<br />
werden. Nach dem Spiel nennen<br />
die Schüler/innen noch einmal die<br />
einzelnen Teile des Baumstammes mit<br />
ihrer Funktion.<br />
Phase 3: Warum fließt das Wasser<br />
von der Wurzel in die Krone?<br />
Das Phänomen der Transpiration des<br />
Wassers an den Spaltöffnungen der<br />
Blätter wird wieder mithilfe eines Rollenspieles<br />
verdeutlichen. Sollten die<br />
SchülerInnen Spaltöffnungen noch<br />
nicht kennen, kann man ihnen mikroskopische<br />
Abbildung zeigen (G. Wanner<br />
2004 1 ) und erklären, dass sich die<br />
Spaltöffnungen meist auf der Unterseite<br />
der Blätter befinden.<br />
Auf dem Boden werden mit Straßenkreiden<br />
groß die Umrisse eines Baumes<br />
skizziert: Wurzeln, Stamm, ein Ast an<br />
dem ein großes Blatt hängt, das eine<br />
große Spaltöffnung zeigt.<br />
Die SchülerInnen überlegen nun gemeinsam,<br />
wie sie die unterschiedlichen<br />
Aggregatszustände von Wasser auf der<br />
molekularen Ebene darstellen könne.<br />
„Wenn jeder nun ein Wasserteilchen<br />
Baumspiel: Die SchülerInnen stellen einzelne Teile des Stammes körperlich dar.<br />
wäre, wie würde er mit den anderen<br />
in Beziehung stehen, wenn das Wasser<br />
zu Eis gefroren ist? (Kinder geben sich<br />
die Hände und rücken dicht zusammen),<br />
Wenn das Wasser flüssig ist, wie sieht<br />
es dann aus? (Kinder gehen auseinander,<br />
halten sich aber an den Händen<br />
fest).<br />
Wenn das Wasser als Wasserdampf in<br />
der Luft ist? (Kinder gehen noch weiter<br />
auseinander und lassen die Hände der<br />
anderen aus). Da das Wasser in einem<br />
Baum im flüssigen Zustand vorliegt,<br />
geben sich die SchülerInnen wieder<br />
1 G. Wanner 2004, Mikroskopisch-Botanisches Praktikum, Georg Thieme Verlag Stuttgart New York<br />
Didaktik<br />
Wassertransportspiel: Die Silhouette einer Pflanze wird auf den Boden gezeichnet – die SchülerInnen<br />
bilden eine Kette, die von der Wurzel zur Spaltöffnung verläuft.<br />
die Hände und verteilen sich als eine<br />
Kette von der Wurzel bis hinauf in das<br />
Blatt.<br />
Nun überlegen die SchülerInnen gemeinsam,<br />
was passiert, wenn man<br />
ein nasses T-Shirt bei schönem Wetter<br />
auf die Wäscheleine hängt – Das Wasser<br />
verdunstet und das T-Shirt wird<br />
trocken. Welche Erklärung haben die<br />
SchülerInnen für das Verdunsten des<br />
Wasser?<br />
Nun überlegen die SchülerInnen, was<br />
sie über die Kohäsionskräfte herausge-<br />
bioskop 2/2008<br />
29
30<br />
Didaktik<br />
LUfTPUMPE<br />
AQUARIUM<br />
LUfTPUMPE<br />
AQUARIUM<br />
Versuch zur Bestimmung der Gefäßlänge. Der Druck der Aquarienpumpe reicht nicht aus, die Luft durch die Tüpfel des Holzes zu pressen (oben).<br />
Erst wenn der Ast soweit zurückgeschnitten wurde, dass ein Leitgefäß geöffnet vorliegt, kann die Luft durchströmen (untern).<br />
funden haben. Die Wasserteilchen tendieren<br />
dazu, sich untereinander gut<br />
festzuhalten. Wenn Wasser verdunstet,<br />
werden Wasserteilchen aus diesem<br />
Verband herausgerissen.<br />
Was wird mit dem Wasserteilchen<br />
passieren, das direkt an der offenen<br />
Spaltöffnung des Blattes steht? Es<br />
wird aus dem Verband herausgerissen<br />
(der Spielleiter zieht das Kind aus der<br />
Spaltöffnung heraus). Weil das Wasserteilchen<br />
seine Partner nicht loslassen<br />
will, zieht es seinen Nachbarn bis zu<br />
Öffnung hin mit, bevor es auslässt.<br />
Dem nächsten Wasserteilchen geht es<br />
ebenso und so weiter. Die Wasserkette<br />
wandert aus der Wurzel hinauf ins<br />
Blatt. Solange genügend Wasser im<br />
Boden vorhanden ist bleiben die Spaltöffnungen<br />
offen und Wasser wird aus<br />
der Wurzel ins Blatt gezogen. Wird der<br />
bioskop 2/2008<br />
Boden trocken, schließen die Spaltöffnungen<br />
sofort, damit der Wasserfaden<br />
nicht abreißen kann.<br />
Phase 4: Worin unterscheiden sich<br />
verschiedene Baumarten?<br />
Um den Schülerinnen die Gelegenheit<br />
zu geben, neues Wissen mit bereits<br />
vorhandenen Vorstellungen zu verknüpfen,<br />
wird zu Beginn dieser Phase<br />
ein Brainstorming angeboten. Die<br />
SchülerInnen haben 5 Minuten Zeit,<br />
sich selbständig zu überlegen anhand<br />
welcher Merkmale sie verschiedene<br />
Baumarten unterscheiden können. Die<br />
darauffolgenden 5-10 Minuten wird in<br />
Vierer-Gruppen diskutiert.<br />
Im Plenum werden anschließend die<br />
einzelnen Kriterien gesammelt und<br />
sortiert. Vorbereitete stilisierte Abbildungen<br />
von Merkmalen wie Rinde,<br />
maximale Gefäßlänge<br />
Wasserbecken<br />
Astsegment, entrindet<br />
Baumsilhouette, Blüten, Blattformen,<br />
Früchte etc. verschaffen einen besseren<br />
Überblick.<br />
In weiterer Folge sollen die SchülerInnen<br />
nun jene Baumarten kennenlernen,<br />
die sie untersuchen werden. In<br />
diesem Fall wurden die Hainbuche, die<br />
Esche und die Kiefer gewählt.<br />
Ausgerüstet mit einer Schreibunterlage<br />
und einem Maßband machen sich<br />
die Schülerinnen auf die Suche nach<br />
diesen Bäumen, die in ihren Steckbriefen<br />
beschrieben sind und notieren<br />
den Namen und ihre Beobachtungen<br />
in ihr Arbeitsblatt. Charakteristika wie<br />
die Baumgestalt, ein Zweig mit Blätter<br />
sowie Blüten oder Früchte werden<br />
skizziert. Im Botanischen Garten sind<br />
alle Bäume mit Namensschildern versehen.<br />
Soll diese Unterrichtseinheit<br />
im Schulgarten durchgeführt werden,
macht es Sinn die Bäume mit einem<br />
Namensschild zu markieren.<br />
Auf einem separaten Blatt können Rindenabdrücke<br />
der Bäume angefertigt<br />
werden.<br />
Diese Phase endet mit einem Blick<br />
ins Mikroskop bzw. auf Abbildungen,<br />
um die Eigenheiten der gewählten<br />
Baumarten um jene ihres zellulären<br />
Aufbaus zu ergänzen.<br />
Phase 5: Experiment zur Bestimmung<br />
der Gefäßlänge<br />
All Baumarten haben für sie typische<br />
Gefäßlängen, die man mit Hilfe eines<br />
einfachen Versuches bestimmen kann.<br />
Für diesen Versuch benötigt man eine<br />
Membranpumpe, einen Plastikschlauch<br />
mit einem Durchmesser von 5mm, der<br />
an die Pumpe angeschlossen wird, drei<br />
mittelgroße mit Wasser gefüllte Gefäße<br />
(ca. 50 cm x 30 cm x 15 cm), eine<br />
Gartenschere evtl. Handschuhe (zum<br />
Schutz vor Schnittverletzungen.<br />
Äste von Hainbuche, Esche und Kiefer,<br />
mit einem Durchmesser von 7 mm bis<br />
1 cm und einer Länge von 1 m, werden<br />
am Untersuchungstag von den betreffenden<br />
Baumarten geschnitten und<br />
bis zu ihrer Verwendung ins Wasser<br />
gestellt. Die Astdicke soll so gewählt<br />
werden, dass das Stück nach dem Entrinden<br />
in das freie Ende des Plastikschlauches<br />
fest sitzend eingedichtet<br />
&<br />
bioskop-Abo und ABA-Mitgliederverwaltung<br />
Ich abonniere die Zeitschrift bioskop für 1 Jahr.<br />
(4 Ausgaben) zum Preis von EUR 25,-<br />
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wenn es nicht 4 Wochen vor Jahresbeginn gekündigt wird.<br />
Ich beantrage die Aufnahme in die ABA *<br />
(zutreffendes bitte ankreuzen)<br />
Vollmitglied (EUR 25,- jährlich)<br />
Schüler / Student (EUR 10,- jährlich)<br />
Ich trete der ABA als förderndes Mitglied bei<br />
und spende EUR 37,- jährlich. *<br />
* Im Mitgliedsbeitrag ist das Abonnement<br />
der Zeitschrift bioskop enthalten.<br />
EINSENDEN AN DIE ABA-SCHATZMEISTERIN:<br />
Mag. Irmgard Reidinger-Vollath<br />
Rebengasse 10, A-7350 Oberpullendorf<br />
werden kann. Der Druck der Aquarienpumpe<br />
ist zu gering, um Luft durch<br />
den gesunden Ast und insbesondere<br />
durch die Tüpfel des Holzes zu pressen.<br />
Erst wenn die ersten Gefäße durch das<br />
Zurückschneiden getroffen werden,<br />
kann die Luft austreten.<br />
Nun können die SchülerInnen anhand<br />
dieser Anleitung den Versuch durchführen:<br />
- Zieh dir Handschuhe an<br />
- Du hast drei Wannen mit Aststücken<br />
vor dir.<br />
- Nimm zuerst die Wanne E mit dem<br />
Eschen-Aststück.<br />
- Die einzudichtende Seite wurde bei<br />
allen Arten bereits entrindet.<br />
- Gib die entrindete Seite in den Plastikschlauch.<br />
- Unter Wasser wird das Aststück nun<br />
so lange mit der Gartenschere zurück-geschnitten<br />
bis Luftblasen aufsteigen.<br />
Diese kennzeichnen die Gefäßlänge.<br />
- Nimm das Aststück aus dem Plastikschlauch<br />
und aus dem Wasser.<br />
- Miss die Länge des Gefäßes und<br />
schreibe die Länge auf.<br />
Dasselbe machst du bei Hainbuche<br />
(Wanne H) und Kiefer (Wanne K).<br />
Phase 6: Zusammenfassung<br />
Zum Abschluss gestalten die SchülerInnen<br />
in Gruppen ein Poster zu jeweils<br />
einer Baumart. Die benötigten Infor-<br />
BANKVERBINDUNG<br />
BLZ 51000 Bank Burgenland<br />
Kontonummer: 916 269 10100<br />
mationen werden den Arbeitsblättern<br />
entnommen. Jede Gruppe bekommt<br />
noch eine Mikroskopaufnahme der Gefäßmorphologie<br />
ihres Baumes.<br />
Folgende Fragen werden auf dem Plakat<br />
beantwortet werden:<br />
- Wie heißt der Baum, wie sieht er aus<br />
und welche Merkmale sind für ihn typisch?<br />
- Was habt ihr über die Länge der Wasserleitgefäße<br />
herausgefunden?<br />
- Wo könnte die Baumart leben?<br />
Die letzte Frage dient dazu, die SchülerInnen<br />
zu motivieren, neues Wissen<br />
in einen größeren Zusammenhang zu<br />
stellen und selbständig zu überlegen,<br />
warum manche Bäume lange und<br />
andere kurze Gefäße haben. Mit der<br />
Länge der Gefäße steigt wie mit dem<br />
Durchmesser der Lumina (Siehe Einleitung)<br />
die Transportkapazität. Andererseits<br />
haben kurze Gefäße den Vorteil,<br />
dass einzelne beschädigte Bereiche<br />
(z. Trockenstress, Borkenkäferbefall) für<br />
den gesamten Transport weniger ins<br />
Gewicht fallen.<br />
Kontakt:<br />
Dr. Suzanne Kapelari<br />
Institut für Botanik<br />
der Universität Innsbruck<br />
Sternwartestraße15<br />
6020 Innsbruck<br />
suzanne.kapelari@uibk.ac.at<br />
Membership<br />
...........................................................................................................<br />
Name, Titel<br />
................................................. .........................................................<br />
Straße, Nr. PLZ Wohnort<br />
................................................. .........................................................<br />
Tel. Nr. E-Mail<br />
...........................................................................................................<br />
Dienstanschrift<br />
............................................... .........................................................<br />
Ort, Datum Unterschrift<br />
Ich erkläre mich damit einverstanden, dass meine Angaben<br />
vereinsintern zur Datenverarbeitung weiterverwendet werden<br />
dürfen.<br />
IBAN AT 105 1 000 916 269 10 100<br />
BIC EHBBAT2E<br />
Didaktik / ABA Intern<br />
INTERNET<br />
www.aba-austrianbiologist.com<br />
www.bioskop.at<br />
bioskop 2/2008<br />
31
32<br />
Didaktik<br />
Im Juni 1983 gab es für ein paar Biologiestudenten<br />
einige aufregende Tage.<br />
Im Laufe des Monats hatten sie ihre<br />
ersten Auftritte im Naturhistorischen<br />
Museum. Die Klientel waren Schulklassen,<br />
zumeist 10- bis 14-Jährige, die<br />
durch das Haus geführt werden wollte.<br />
Begonnen hatte diese Herausforderung<br />
ungefähr zwei Monate davor, als<br />
am Zoologischen Institut der Universität<br />
Wien ein kleiner handgeschriebener<br />
Zettel hing. Studierende würden<br />
gesucht – Fachzoologen genauso wie<br />
Lehramtskandidaten, für eine Vermittlungstätigkeit<br />
am Naturhistorischen<br />
Museum, zu betreuen wären in erster<br />
Linie Schulklassen.<br />
� Gabriele hrauda<br />
-----------------------------------------------------<br />
Schon 1982 war die erste Museumspädagogin<br />
im Naturhistorischen Museum<br />
eingezogen und begann für den damaligen<br />
Museumsbetrieb in Österreich<br />
sehr ambitionierte Ideen umzusetzen.<br />
Das Naturhistorische Museum war zu<br />
einem Vorreiter in der Vermittlungsarbeit<br />
geworden. Ursprünglich war daran<br />
gedacht, dass die im Haus tätigen<br />
Wissenschaftler auch die Schulklassen<br />
betreuen sollten, doch die große Nachfrage<br />
machte es schon bald notwendig<br />
eine eigene Betreuermannschaft aufzustellen.<br />
Es fand sich also ein Häuflein<br />
junger Leute – interessanterweise nur<br />
Hauptfachzoologen und kein einziger<br />
Lehramtsstudent – die vor allem inhaltlich<br />
und ein wenig auch didaktisch geschult<br />
wurden.<br />
Nach ungefähr einem halben Jahr Vorarbeit<br />
starteten dann die ersten – wie<br />
es hieß „dialogorientierten“ – einstündigen<br />
Führungen. Da dieses Angebot<br />
vor allem von Schulkassen aus den Bundesländern<br />
sehr stark nachgefragt wurde,<br />
baute sich rasch eine Routine auf<br />
und erste gewagte (!) Experimente nach<br />
dem Motto „gib’ dem Besucher etwas<br />
in die Hand“ – heute würde man von<br />
1 Props: properties of stage, Naturmaterialen oder auch nachgebildete Objekte, die dazu dienen Inhalte nicht nur verbal zu vermitteln, sondern auch ein<br />
haptisches, optisches und manchmal sogar olfaktorisch oder akustisches Wahrnehmen zu ermöglichen. Eignet sich besonders für Indoor Führungen,<br />
weil man dabei den Objekte meist durch eine Glasscheibe getrennt gegenüber steht.<br />
2 So musste zum Beispiel im Winter die zoologische Schausammlung um drei Uhr nachmittags geschlossen werden, weil auf Grund der fehlenden Stromversorgung<br />
(!) die Säle unbeleuchtet waren. Gelegentliche Führungen mit Grubenlampen hatten zwar einen besonderen Charme, waren aber nicht der<br />
Regelfall.<br />
bioskop 2/2008<br />
25 JAHRE NATURVERMITTLUNg – UND JETZT?<br />
„Props 1 “ sprechen – wurden umgesetzt.<br />
Immerhin muss man bedenken, dass<br />
die Schausammlungen des Naturhistorischen<br />
Museums damals doch deutlich<br />
anders aussahen als heute. 2<br />
Bald umfasste das Angebot nicht mehr<br />
nur allgemeine Führungen durch das<br />
Haus, sondern eine vertiefende Auseinandersetzung<br />
mit bestimmten Themen<br />
wurde angestrebt, woraus sich neue<br />
Programme entwickelten. Seit Beginn<br />
der Achtzigerjahre gibt es im Naturhistorischen<br />
Museum den sogenannten<br />
Kindersaal. Er war ursprünglich allein<br />
für die Kinderbetreuung gedacht, wenn<br />
Eltern ohne die lästigen Fragen und das<br />
Quengeln ihrer Kinder das Museum besuchen<br />
wollten. Doch was lag näher als<br />
den Saal unter der Woche für sogenannte<br />
Unterrichtsprojekte zu nützen. Diese<br />
Programme dauerten drei Stunden und<br />
kombinierten einen mehr klassischen<br />
Vermittlungsteil in Form einer Führung<br />
zu einem bestimmten Thema mit<br />
einem zweiten Abschnitt, in dem die<br />
Schüler Inhalte selbständig spielerisch<br />
forschend erarbeiteten und vertieften.<br />
Methoden dazu waren Mikroskopieren,<br />
Abgießen von Tierspuren, das Herstellen<br />
von Papiermodellen z. B. von Insektenmundwerkzeugen,<br />
einfache Spiele<br />
wie Memories, Rätsel, Suchspiele und<br />
Steckbriefe, das Herstellen von Plakaten<br />
und vieles mehr. Der große Vorteil dieser<br />
Unterrichtsprojekte war die Arbeit<br />
in Kleingruppen, da für eine Schulklasse<br />
drei Betreuer zur Verfügung standen<br />
und die aktive Mitarbeit wirklich möglich<br />
war. Andererseits konnte man ein<br />
Thema von der explorativ – kognitiven<br />
Seite genauso behandeln wie kreativ –<br />
schöpferisch. Damit war gewährleistet,<br />
dass auch unterschiedliche Lerntypen<br />
erreicht wurden.<br />
Im Frühjahr 1989 eroberten die Dinosaurier<br />
das Naturhistorischen Museum.<br />
Zwar besaß das Museum schon damals<br />
sehr eindrucksvolle Skelette, die jedoch<br />
zum Teil wenig glücklich präsentiert<br />
wurden bzw. gar nicht zugänglich waren.<br />
Die riesigen noch dazu beweglichen<br />
und äußerst stimmgewaltigen<br />
Dinosauriermodelle lockten viele Tausende<br />
Besucher in das Museum.<br />
Damit boomte auch die Museumspädagogik,<br />
denn die Zielgruppe waren<br />
auf einmal nicht mehr „nur“ Kinder und<br />
Jugendliche, sondern auch ältere Besucher<br />
wollten sich gerne spannende<br />
Geschichten und Wissenswertes zu den<br />
vielen Themen erzählen lassen, die in<br />
den Schausammlungen dokumentiert<br />
werden. Das Naturhistorische Museum<br />
war wahrlich aus einem Dornröschenschlaf<br />
geweckt und die Angebote wurden<br />
immer vielfältiger.<br />
Ein Thema faszinierte ganz besonders,<br />
der Blick in die Kleinstlebewelt des<br />
Wassers, das Mikroskopieren. Da es in<br />
den Schulen damals oft noch an der<br />
passenden Ausrüstung mangelte und<br />
eine Schulstunde doch fast zu kurz ist,<br />
um mit einer ganze Klasse von 30 Schülern<br />
zu mikroskopieren, wurde das Programm<br />
sehr häufig nachgefragt. Viele<br />
Besucher erinnerten sich auch gerne einer<br />
Freizeitbeschäftigung aus Jugendtagen.<br />
So entstanden Schulprojekte, bei<br />
den wirklich jeder Schüler vor einem<br />
Mikroskop saß, und Mikroskopierkurse<br />
und Workshops wurden ins Leben gerufen.<br />
Immer wieder fragten interessierte<br />
Lehrer nach, woher sie Material zum Mikroskopieren<br />
auftreiben könnten, wie<br />
man einen Heuaufguss ansetzt, ohne<br />
dass er verschimmelt, sodass daraus die<br />
ersten Freilandexkursionen für Lehrer<br />
entstanden. Viele fanden daran Gefallen<br />
und wollten solche betreuten Ausflüge<br />
an einen Tümpel oder ein Bach auch<br />
gerne mit ihren Schülern unternehmen.<br />
Parallel dazu wurde schon seit Mitte<br />
bzw. Ende der Achtzigerjahre an der<br />
Universität Wien ein Seminar für Lehramtsstudenten<br />
angeboten, in dem eine<br />
Anleitung zur Freilandarbeit mit Schü-
lern vermittelte wurde. Nicht verwunderlich,<br />
dass die Seminarplätze stets<br />
rasch besetzt waren und diese Lehrveranstaltung<br />
bis heute existiert.<br />
Schon in den frühen Neunzigerjahren<br />
war in Wien und bald auch in den<br />
Bundesländern ein Verein entstanden<br />
– die Umweltspürnasen, der mit Kindern<br />
hinaus ging in die Natur um das<br />
unmittelbare Erleben zu ermöglichen<br />
und den Kinder und Jugendlichen die<br />
vielfältigen Lebensräume nahe zubringen.<br />
Bei den Umweltspürnasen wuchs<br />
eine ganze Generation junger „Naturforscher“<br />
heran, die nicht nur eine enorme<br />
Artenkenntnis hatten, sondern<br />
auch ökologische Zusammenhänge erkannten<br />
und verstanden. So lag es also<br />
nahe, dass ab dem Jahr 1993 ein Schulservice<br />
angeboten wurde, bei dem jeweils<br />
zwei Ökopädagogen eine Schulklasse<br />
bei dreistündigen Exkursionen in<br />
einen Lebensraum betreuten und den<br />
8- bis 14-Jährigen Schülern nicht nur<br />
Artenkenntnis vermittelten, sondern<br />
auch das aktive Wahrnehmen der Natur<br />
anleiteten. Ende der Achtzigerjahre waren<br />
auch im deutschsprachigen Raum<br />
die ersten Bücher von Joseph Cornell 3<br />
aufgetaucht, und dieser damals sehr<br />
offene, interaktive, oft auch spielerische<br />
Zugang erreichte auch Schüler, die<br />
von ihren Lehrern als im Unterricht oft<br />
schwierig beschrieben wurden.<br />
Seit den ersten, eher zufälligen Gehversuchen<br />
einer Naturvermittlung – damals<br />
noch indoor im Museum – war ein<br />
gutes Jahrzehnt vergangen, und auch<br />
die Vermittler selbst waren etwas in die<br />
Jahre gekommen. Was ursprünglich als<br />
zwar fachlich einschlägiger aber doch<br />
„Nebenbei Studenten Job“ begonnen<br />
hatte, war für viele zur Hauptbeschäftigung<br />
geworden. Diese Entwicklung war<br />
einhergegangen mit der Etablierung<br />
der ersten selbständigen Biologen, die<br />
aus der Not, dass es kaum adäquaten<br />
Anstellungen gab, eine Tugend machten<br />
und die Naturvermittlung ernsthaft<br />
zu ihrer Profession erhoben. Das bedeutete,<br />
dass sie mit vielen zusätzlichen<br />
Qualifikationen im sozialen und pädagogischen<br />
Bereich ausgestattet waren,<br />
die Programmentwicklung selbständig<br />
vorantrieben und als Multiplikatoren<br />
auch in der Ausbildung gerade im<br />
Pflichtschul- und Kindergartenbereich<br />
eine wichtige Funktion übernahmen.<br />
Das Aufkommen der Outdoorpädagogik<br />
wurde von vielen Institutionen genützt.<br />
Nicht nur positionierten sich neue Vereine,<br />
sondern auch bereits bestehende<br />
wie Alpenverein oder Naturfreunde versuchten<br />
mit dieser Jugendschiene neues<br />
Publikum anzusprechen und Mitglieder<br />
zu werben. Draußen in der Natur zu sein<br />
musste für einen Jugendlichen damals<br />
nicht uncool sein. Mitte der Neunzigerjahre<br />
verstärkte ein zusätzlicher Trend<br />
die Nachfrage und den Bedarf an Outdoorpädagogik.<br />
Innerhalb von wenigen<br />
Jahren wurde in Österreich drei Nationalparks<br />
(Seewinkel, Donauauen, Kalkalpen)<br />
ins Leben gerufen, die in ihren<br />
IUCN konformen Reglement auch einen<br />
Bildungsauftrag für den Besucher zu erfüllen<br />
haben.<br />
Gleichzeitig etablierte sich eine Vielzahl<br />
von Ausbildungsmodulen. Die Nationalparks<br />
aber auch andere Organisationen<br />
zogen ihre Ranger, Ökopädagogen,<br />
Naturvermittler oder wie auch immer<br />
die Betreuer der Outdoor-Aktionen genannt<br />
wurden und werden, selbst heran<br />
bzw. konnten sich übergeordnete Veranstalter<br />
wie das ifau – Institut für angewandte<br />
Umwelterziehung – in Steyr am<br />
Markt positionieren. In diesen Kursen<br />
und Lehrgängen werden bis heute die<br />
sehr umfangreichen Anforderungen an<br />
Vermittler abgedeckt. Denn mittlerweile<br />
hatten die Veranstaltungen eigentlich<br />
den Boden der reinen Naturvermittlung<br />
verlassen, viele sozialpädagogischen<br />
Faktoren waren zu berücksichtigen und<br />
ein erhöhter körperlich sportlich physischer<br />
Einsatz war gefordert.<br />
Erneut entwickelte sich ein umfassendes<br />
Bildungsangebot diesmal im<br />
Outdoorbereich, für unterschiedliche<br />
Zielgruppen, Alterstufen – erneut ging<br />
der Weg von der Jugend hin zur Erwachsenenbildung<br />
– und Schwerpunktsetzungen.<br />
Nun waren es auch nicht mehr<br />
nur halbtägige Angebote sondern auch<br />
längere „Camps“ gewannen immer<br />
mehr an Bedeutung. In einer punktu-<br />
Didaktik<br />
ellen Umschau unter Lehrern verschiedenster<br />
Schultypen, die mit Klassen an<br />
Mehrtagesprogrammen in Bildungseinrichtungen<br />
teilgenommen hatten, betonten<br />
alle(!) Befragten, dass neben den<br />
fachlichen Inhalten die soziale Aspekte<br />
für die Entwicklung der Klassengemeinschaft<br />
ganz wesentlich dazu beigetragen<br />
hatte, ein solches Programm<br />
zu buchen. Da wurde klar, wie eng soft<br />
skills (das Gemeinschaftserlebnis) und<br />
hard facts (das biologische Wissen) mit<br />
einander verzahnt sind. Ebenso zeigte<br />
sich aber deutlich wie weit wir uns vom<br />
Ausgangspunkt, der reine Vermittlung<br />
naturwissenschaftlicher Fakten entfernt<br />
hatten. Dieser Herausforderung hatten<br />
sich daher auch die Betreuer derartiger<br />
Veranstaltungen zu stellen, denn nun<br />
war nicht mehr „nur“ biologisches Wissen<br />
gefragt, sondern auch hohe soziale<br />
Kompetenz und pädagogische Fähigkeiten.<br />
So weit, so positiv sind wir letztendlich<br />
im Jahr 2008 angekommen. Hat sich ein<br />
Berufsbild eines Naturvermittlers etabliert?<br />
Wird die Aufgabe ernst genommen,<br />
im Rahmen von Ausstellungen<br />
genauso wie in ausgewählten Lebensräumen<br />
Besuchern unterschiedlichen<br />
Alters und Bildungsgrads klar zu machen,<br />
warum bestimmte Schutzmaßnahmen<br />
zu ergreifen sind, warum manche<br />
Lebensräume so außerordentlich<br />
sind, welche Besonderheiten wir zum<br />
Teil direkt vor der Haustüre haben? Gibt<br />
es diese „Pressesprecher“ und „Öffentlichkeitsmanager“<br />
für Natur und Umwelt?<br />
Eigentlich sollte man eine solche<br />
Entwicklung erwarten, doch die Wirklichkeit<br />
sieht anders aus!<br />
Zum einen hat das Thema Umwelt<br />
nach einem Hype in den frühen Neunzigerjahren<br />
dramatisch an Bedeutung<br />
verloren. Sozial-, wirtschafts- und gesellschaftspolitische<br />
Entwicklungen<br />
haben ihre Spuren hinterlassen und<br />
dazu beigetragen dass die Beschäftigung<br />
mit Natur, Lebensräumen oder<br />
-umfeld heute weitgehend zurückgedrängt<br />
wurde. Diese Tendenz gipfelt in<br />
der Feststellung, dass Umweltbildung<br />
als „Konkurrenz“ zur Bildung für Nachhaltige<br />
Entwicklung zu sehen bzw. als<br />
3 Joseph Cornell publizierte seit 1979 (im deutschsprachigen Raum 1989) in loser Folge vier Bücher zum Thema Naturvermittlung. Darin eröffnete er sehr<br />
vielseitig Methoden zur Naturwahrnehmung und –vermittlung, die ihn rasch zu einer Art Guru diese Genres aufsteigen ließen. Mittlerweile gelten viele,<br />
der von ihm angeregten Spiele und Aktivitäten als Klassiker im Outdoorbereich.<br />
bioskop 2/2008<br />
33
34<br />
Didaktik<br />
zu einseitig nicht mehr zeitgemäß sei.<br />
Das allgegenwärtige Schlagwort Klimawandel<br />
wird durch seine Omnipräsenz<br />
banalisert. Die Ursachen und Folgen der<br />
Klimaveränderungen werden nur wenig<br />
naturwissenschaftlich, sondern in erster<br />
Linie wirtschaftlich diskutiert.<br />
Andererseits ist es nicht gelungen, ein<br />
klares Berufsbild zu beschreiben. Das<br />
hängt mit der Vielfalt der Ausbildungen<br />
und Zugangswege zusammen, die für<br />
viele Naturvermittler so kennzeichnend<br />
sind und die ihre Qualität und Flexibilität<br />
bedingen. Denn nur aus dieser<br />
Vielfalt kann ein Pool von Leuten mit<br />
unterschiedlichen Qualifikationen und<br />
Fertigkeiten entstehen. Nur so ist es<br />
möglich, die verschiedensten Gruppen<br />
zu betreuen und diese Menschen am<br />
passenden Punkt abzuholen, um in adäquater<br />
Sprache und Methodik Inhalte zu<br />
bioskop 2/2008<br />
vermitteln. Diese große Variationsbreite<br />
der Naturvermittler ist daher unbedingt<br />
als ihre Stärke zu sehen.<br />
Doch führt sie leider dazu, dass in den<br />
Köpfen vieler Verantwortlicher immer<br />
noch das Bild von einigen „bunten Hunden“<br />
herumspukt, die, abgespeist mit<br />
ein paar Euro, mit Besuchern in Ausstellungen<br />
oder Schutzgebieten herumlaufen.<br />
Mittlerweile wird wieder davon<br />
gesprochen, dass diese Aufgaben als<br />
„Nebenbei Jobs“ von Studenten oder<br />
Auszubildenden übernommen werden<br />
könnten. Das fachliche Know-how kann<br />
man auswendig lernen, die Fähigkeit<br />
mit Menschen um zugehen als bedeutungslos<br />
unter den Tisch gekehrt. Die<br />
Arbeit in Kleingruppen wird mit dem<br />
Argument der zu hohen Kosten immer<br />
weiter eingeschränkt, man meint mit<br />
einer frontalen Vermittlung das Auslan-<br />
gen zu finden. Schon entstehen neue (!)<br />
Bildungseinrichtungen, die durch ihre<br />
Gestaltung kaum mehr interaktive Vermittlung<br />
zulassen bzw. auch keinen<br />
Freiraum – physisch wie ideell – bereitstellen<br />
um mit Gruppen gemeinschaftlich<br />
zu arbeiten.<br />
Womit wir wieder am Anfang wären –<br />
man möchte es nicht glauben. Ein Vierteljahrhundert<br />
Entwicklungsarbeit und<br />
Erfahrung ist spurlos vorbeigezogen<br />
und wird nun still und leise zu Grabe<br />
getragen.<br />
Autorin und Kontakt:<br />
Dr. Gabriele hrauda<br />
Umweltforschung<br />
& Naturvermittlung<br />
Phorusgasse 16/10, 1040 Wien<br />
Büro: Mariahilferstraße 89/13,<br />
1060 Wien,<br />
gabriele.hrauda@utanet.at
Zur allgemeinen Besinnung:<br />
gEDANKEN EINES gEwESENEN MAIBAUMS<br />
„So, jetzt haben sie mich so hingestellt.<br />
Vor das Haus des Bürgermeisters!<br />
Ein Loch für mich war schon<br />
im Pflaster. Da kommt jedes Jahr ein<br />
anderer Baum hinein. Tannen gab’s<br />
schon, Föhren, jetzt war ich dran, als<br />
Fichte.<br />
� Franz Bacher<br />
-----------------------------------------------------<br />
In der Dämmerung sind sie in den Wald<br />
gekommen: Laute Junggesellen, gut<br />
gelaunt und sendungsbewusst, die<br />
haben mich begutachtet. Unter den<br />
Kandidaten war ich leider der Größte.<br />
Nach Tradition haben sie mich mit Äxten<br />
meiner Existenz beraubt.<br />
Natürlich kann ich noch 30 Tage von<br />
meinen stillen Reserven leben. Dann<br />
aber werde ich endgültig zerkleinert<br />
und verheizt.<br />
Es nützt wahrscheinlich auch die Hoffnung<br />
nichts, in der Nacht entführt zu<br />
werden. Bis zum Morgengrauen werde<br />
ich bewacht und beschützt.<br />
Die Rindenhaut haben sie mir abgezogen,<br />
damit mein Stamm ganz glatt<br />
ist. Einen Kranz haben sie um den erbärmlichen<br />
Rest meines stolzen Wipfels<br />
gehängt. Bunte Bändchen und einige<br />
Wurststangen und Brezeln daran.<br />
Morgen werden dann junge Burschen<br />
versuchen, an mir hochzuturnen.<br />
Glosse<br />
Wer als erster den Kranz erreicht, soll<br />
für den Mai das schönste Mädchen des<br />
Dorfes sein Eigen nennen. Irgendwie<br />
sind die Menschen schon eine seltsame<br />
Laune der Natur.<br />
In der Ruhe des Waldes haben wir Bäume<br />
unser jahrzehntelanges Beisammensein<br />
natürlich zum Gedanken- und<br />
Erfahrungsaustausch genutzt. Darum<br />
habe ich auch immer befürchtet, zu<br />
schön und zu groß zu werden. Das ist<br />
mir zuletzt leider passiert.<br />
Mit dieser Baumaufstellerei haben angeblich<br />
die Kelten begonnen. Ein Baum<br />
mit schottischen Vorfahren berichtet,<br />
dass das Aufstellen von Maibäumen<br />
schon 1555 verboten wurde. Auch hat<br />
sich das englische Parlament damit<br />
befasst und sich 1644 gegen diesen<br />
Brauch ausgesprochen. Genützt hat es<br />
nichts.<br />
Leider haben die Jungfrauen ihre<br />
schöne Chance übersehen. Heuer, im<br />
Schaltjahr, hätten die nämlich ihren<br />
Angebetenen Birken aufstellen dürfen.<br />
Ich werde meine letzten Tage also von<br />
oben genießen: Zusehen, wie sie an<br />
den Häusern Tafeln anbringen, wie<br />
die ohne Tafel beleidigt durch die<br />
Dorfstrasse schleichen.<br />
Ich danke dem Himmel, dass ich keine<br />
ideologische Bedeutung mehr habe.<br />
Mein Großvater konnte noch politisch<br />
missbraucht worden sein. Gekannt<br />
habe ich ihn aber nicht mehr.<br />
Gar viel könnte ich noch berichten.<br />
Aber nun liege ich da. Aber wenn ich<br />
Euch Freude gemacht habe, dann aber<br />
war es das ganze Drumherum doch<br />
wert.“<br />
Autor und Kontakt:<br />
oberstudienrat Prof.<br />
mag. Franz Bacher<br />
Winzerschulgasse 17<br />
2130 Mistelbach<br />
fbacher@hakmistelbach.ac.at<br />
bioskop 2/2008<br />
35
<strong>Austrian</strong> <strong>Biologist</strong> <strong>Association</strong> (ABA)<br />
Member of European Countries<br />
<strong>Biologist</strong>s <strong>Association</strong> (ECBA)<br />
ISBN 978-3-9502381-8-1<br />
9 783950 238181