Leseprobe Band 1, Buch II, Kapitel 3 - VEGA e.K.
Leseprobe Band 1, Buch II, Kapitel 3 - VEGA e.K.
Leseprobe Band 1, Buch II, Kapitel 3 - VEGA e.K.
- TAGS
- buch
- kapitel
- vega
- www.vega-ek.de
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Leseprobe</strong><br />
<strong>Band</strong> 1, <strong>Buch</strong> <strong>II</strong>, <strong>Kapitel</strong> 3
Daniil Andrejew<br />
ROSA MIRA<br />
Die Weltrose<br />
<strong>Band</strong> 1<br />
(Bücher I – VI)<br />
Vega e. K.<br />
2008
Allen, die an der Vorbereitung dieses <strong>Buch</strong>es mitgewirkt haben,<br />
sei mein tiefempfundener Dank ausgesprochen. Ein besonderer<br />
Dank gilt Frau Dr. Irmgard Scherer.<br />
Alexander Sojnikow<br />
Der Verleger<br />
Zweite überarbeitete Auflage<br />
© 2008 Vega e. K.<br />
© 2005 Vega e. K.<br />
Alle Rechte vorbehalten<br />
Titel der russischen Ausgabe: Даниил Андреев „Роза мира“<br />
Mit dem maschinenschriftlichen Original des Autors verglichen.<br />
Übersetzung: Dr. habil. Björn Seidel-Dreffke<br />
Nachdichtungen und Lektorat: Alexander Markow<br />
Textbearbeitung: Thomas Seidel<br />
Umschlag: Marina Gabriel<br />
Druck: TZ-Verlag & Print GmbH<br />
ISBN 978-3-9808919-7-4
Inhalt<br />
Vorwort ......................................................................................................7<br />
Das Leben Daniil Andrejews, erzählt von seiner Frau<br />
<strong>Buch</strong> I<br />
Rosa Mira und ihre Stellung in der Geschichte.......................................23<br />
Rosa Mira und ihre nächstliegenden Aufgaben............................................25<br />
Das Verhältnis zur Kultur...........................................................................57<br />
Das Verhältnis zu den Religionen...............................................................77<br />
<strong>Buch</strong> <strong>II</strong><br />
Über die metahistorische und die transphysische Erkenntnismethode ...99<br />
Einige Besonderheiten der metahistorischen Methode............................... 101<br />
Einige Bemerkungen zur transphysischen Methode................................... 123<br />
Die Ausgangskonzeption.......................................................................... 145<br />
1. Die Vielschichtigkeit............................................................................ 145<br />
2. Die Herkunft des Bösen. Die Weltgesetze. Das Karma.......................... 150<br />
3. Zur Frage nach der Willensfreiheit........................................................ 159<br />
4. Das Sein und das Bewusstsein .............................................................. 165<br />
5. Die verschiedenstoffliche Struktur des Menschen.................................. 167<br />
6. Die Metakulturen.................................................................................. 169<br />
<strong>Buch</strong> <strong>II</strong>I<br />
Die Struktur des Shadanakar. Die Welten der aufsteigenden Reihe..... 181<br />
Die Sakuala der Erleuchtung..................................................................... 183<br />
Die Satomisse .......................................................................................... 197<br />
Die mittleren Schichten des Shadanakar.................................................... 231<br />
<strong>Buch</strong> IV<br />
Die Struktur des Shadanakar. Die Infraphysik..................................... 255<br />
Die Grundlage.......................................................................................... 257<br />
Die Welten der Sühne............................................................................... 269<br />
Schrastren und Uizraoren ......................................................................... 289<br />
<strong>Buch</strong> V<br />
Die Struktur des Shadanakar. Die Stichialien ....................................... 307<br />
Die dämonischen Stichialien..................................................................... 309<br />
Die lichten Stichialien .............................................................................. 323<br />
Das Verhältnis zum Tierreich ................................................................... 337<br />
5
<strong>Buch</strong> VI<br />
Die höchsten Welten des Shadanakar.................................................... 365<br />
Bis zur Weltsalvaterra .............................................................................. 367<br />
Der Logos des Shadanakar ....................................................................... 379<br />
Die Weiblichkeit ...................................................................................... 405<br />
Kurzes Glossar ....................................................................................... 423<br />
der Namen, Termini und Bezeichnungen, die am häufigsten im Text<br />
vorkommen<br />
Alphabetisches Register ......................................................................... 435<br />
der Namen, Termini und Bezeichnungen, die von Daniil Andrejew<br />
eingeführt wurden<br />
6
<strong>Buch</strong> <strong>II</strong><br />
Über die metahistorische und die transphysische<br />
Erkenntnismethode
Über die metahistorische und die transphysische Erkenntnismethode<br />
<strong>Kapitel</strong> 3<br />
Die Ausgangskonzeption<br />
1. Die Vielschichtigkeit<br />
Unsere physische Schicht ist als Begriff dem astronomischen Universum<br />
gleichbedeutend und zeichnet sich bekanntermaßen dadurch aus,<br />
dass sie über drei räumliche und eine weitere, zeitliche, Koordinate<br />
verfügt. Diese physische Schicht nennt man in der Terminologie der<br />
Rosa Mira E n r ó f . In der modernen Wissenschaft und in der<br />
modernen Philosophie dauert der Streit über die Unendlichkeit oder<br />
Endlichkeit des Enrof im Raum immer noch an, genau wie auch der<br />
Streit über seine Ewigkeit oder Begrenztheit in der Zeit. Ebenfalls wird<br />
darüber gestritten, ob der Enrof das gesamte Weltgebäude umfasst und<br />
ob durch seine Formen alle Formen des Daseins ausgeschöpft sind.<br />
Die Entdeckung der Antimaterie, die Entstehung von Elementarteilchen<br />
aus dem physischen Nichts und sogar die künstliche Heraustrennung<br />
jener Teilchen aus dem Nichts, die sich bisher in der Welt der<br />
negativen Energie befanden, die experimentelle Bestätigung der Theorie,<br />
die zeigt, dass die physische Leere des Enrof durch einen Ozean<br />
von Teilchen anderer Stofflichkeit angefüllt ist, – diese Fakten sind<br />
Meilensteine auf dem Weg, auf welchem die langsame Wissenschaft<br />
sich von den Vorstellungen des klassischen Materialismus und der<br />
alten idealistischen Philosophie löst und zu prinzipiell neuen hinschreitet.<br />
Die Anhänger der materialistischen Philosophie tragen viel Verwirrung<br />
in diese Problematik hinein, wobei sie all ihre Gegner der Revision<br />
des Idealismus beschuldigen. Höchstwahrscheinlich ist das nur eine<br />
Taktik im letzten Kampf des materialistischen Bewusstseins, in dem es<br />
eine Position nach der anderen aufgibt und zur selben Zeit behauptet,<br />
dass gerade dies schon immer vorhergesehen wurde und schon lange<br />
von Klassikern des Materialismus bestätigt worden sei. Es wird übrigens<br />
in naher Zukunft sehr interessant werden, die Verfeinerungen<br />
dieser Philosophie zu beobachten, wenn sie unter dem Druck der Fakten<br />
gezwungen sein wird, ihr Begriffsarsenal um den Begriff „Antimaterie“<br />
zu erweitern.<br />
145
Rosa Mira<br />
Die Ursprünglichkeit der Materie gegenüber dem Bewusstsein, die<br />
prinzipielle Erkennbarkeit des gesamten Universums – sind naive Thesen<br />
des Materialismus, die alle anhand der vorangegangenen Stadien<br />
der Wissenschaft ausgearbeitet worden sind. Sie können sich nur mühsam<br />
und nur dank der Einmischung von Kräften halten, die weniger<br />
der Philosophie und mehr dem Polizeisystem angehören. Allerdings<br />
halten zahlreiche Thesen der klassischen Religionen der Prüfung durch<br />
die moderne Wissenschaft ebenfalls nicht stand. Die neue Erkenntnis,<br />
die metahistorisch und transphysisch ist, wird das Gebiet der wissenschaftlichen<br />
Erkenntnis nicht beanspruchen und daher der Wissenschaft<br />
im Grunde niemals widersprechen, sondern höchstens in einigen<br />
Fragen deren Ergebnisse vorwegnehmen.<br />
Der Begriff der Vielschichtigkeit des Universums bildet die Grundlage<br />
der Konzeption von Rosa Mira. Unter einer jeden dieser Schichten<br />
versteht man dabei eine materielle Welt, deren Stofflichkeit sich von<br />
anderen entweder durch die Anzahl der räumlichen oder der zeitlichen<br />
Koordinaten unterscheidet. Beispielsweise existieren neben der unseren<br />
sozusagen ihre Nachbarwelten, deren Raum auch nach drei Koordinaten<br />
bemessen wird, wobei aber die Zeit nicht nur eine, sondern<br />
mehrere Dimensionen hat. In solchen Schichten fließt die Zeit in mehreren<br />
Parallelströmen und ein Ereignis findet synchron in all den Zeitdimensionen<br />
statt, wobei das Ereigniszentrum sich nur in einer oder in<br />
zwei von ihnen befinden kann.<br />
Sich dies bildlich vorzustellen, ist natürlich nicht einfach. Die Bewohner<br />
einer solchen Schicht sind nur in einer oder zwei Zeitdimensionen<br />
aktiv tätig, sie existieren jedoch gleichzeitig in allen von ihnen und<br />
nehmen sie alle bewusst wahr. Diese Synchronizität bringt eine Fülle<br />
ins Leben, die so bei uns nicht bekannt ist. Ich greife mit meinen Darlegungen<br />
ein wenig vorweg und füge an dieser Stelle hinzu, dass eine<br />
hohe Anzahl zeitlicher Koordinaten in Verbindung mit der minimalen<br />
(eins, zwei) der räumlichen für die Bewohner solcher Schichten im<br />
Gegenteil zu einer Quelle des Leidens wird. Dies ähnelt dem Bewusstwerden<br />
der Begrenztheit eigener Mittel, wenn man von einer<br />
machtlosen Wut gepeinigt wird, von der Erinnerung an die Möglichkeiten,<br />
die das Subjekt nicht mehr nutzen kann. Einen solchen Zustand<br />
würden einige von uns mit den Tantalusqualen vergleichen.<br />
146
Über die metahistorische und die transphysische Erkenntnismethode<br />
Mit einigen seltenen Ausnahmen, wie sie zum Beispiel der Enrof darstellt,<br />
übersteigt die Anzahl der zeitlichen Koordinaten um ein Vielfaches<br />
die der räumlichen. Schichten, die mehr als sechs Raumdimensionen<br />
aufweisen, sind mir im Shadanakar nicht bekannt. Die Zeitdimensionen<br />
hingegen erreichen in den höchsten Schichten unserer Bramfatura<br />
die große Anzahl von zweihundertsechsunddreißig.<br />
Es wäre falsch, die Besonderheiten des Enrof auf andere Schichten zu<br />
übertragen und zu glauben, dass alle Schichten voneinander genauso<br />
stark getrennt sind wie der Enrof von den anderen Schichten. Es gibt<br />
allerdings noch undurchdringlichere Grenzen und somit noch stärker<br />
isolierte Schichten, aber deren sind wenige. Vielmehr gibt es aber solche<br />
Gruppen, innerhalb derer der Übergang von einer Schicht zur anderen<br />
lediglich eine besondere innere Regung eines Wesens erfordert<br />
und nicht dessen Sterben oder eine schwierige materielle Transformation,<br />
wie es bei uns der Fall ist. In einigen von ihnen ist der Übergang<br />
in benachbarte Schichten kein größerer Kraftakt als, sagen wir, der<br />
Übergang aus einem Staat des irdischen Enrof in einen anderen. Solche<br />
Gruppen der Schichten bzw. Reihen von Welten habe ich mir angewöhnt,<br />
mit dem indischen Terminus S a k u a l a zu bezeichnen.<br />
Neben den Sakualas existieren somit auch Einzelschichten wie unser<br />
Enrof.<br />
Die Schichten und die Sakualas unterscheiden sich voneinander auch<br />
in ihrer Ausdehnung. Bei weitem nicht alle verfügen über solche kosmischen<br />
Dimensionen wie der Enrof. Man kann es sich zwar schwer<br />
vorstellen, aber nur wenige Sakualas überschreiten in ihrer Ausdehnung<br />
die Grenzen des Sonnensystems. Es gibt genug lokale Sakualas,<br />
deren Lebensraum auf unseren Planeten beschränkt ist, und nicht wenige<br />
solche, die nicht mit dem Planeten als Ganzem verbunden sind,<br />
sondern nur mit einem seiner Teile oder mit einem seiner physischen<br />
Elemente. In den Letzteren gibt es verständlicherweise nichts, was<br />
unserem Himmel ähnlich wäre.<br />
Alle Schichten eines jeden Himmelskörpers bilden ein großes, eng<br />
miteinander verbundenes System. Sie weisen gemeinsame metahistorische<br />
Prozesse auf, sie verfügen – in den meisten Fällen – über zwei<br />
widersprüchliche geistige Pole. Ich habe schon darauf hingewiesen,<br />
dass man solche Systeme Bramfaturen nennt. Die Gesamtzahl der<br />
147
Rosa Mira<br />
Schichten in einigen von ihnen beschränkt sich auf einige wenige, und<br />
andere wiederum zählen einige Hundert. Außer dem Shadanakar, das<br />
gegenwärtig aus zweihundertzweiundvierzig Schichten besteht, gibt es<br />
im Sonnensystem noch die Bramfaturen der Sonne, des Jupiter, des<br />
Saturn, des Uranus, des Neptun, des Mondes und auch noch einiger<br />
Satelliten der großen Planeten. Die Bramfatura der Venus wird erst<br />
geboren. Die übrigen Planeten und Satelliten sind ebenso tot in ihren<br />
anderen Schichten wie im Enrof, sie verfügten entweder niemals über<br />
Bramfaturen oder diese wurden von allen Monaden verlassen.<br />
Vielschichtige Systeme verschiedener Stofflichkeit, die in gewisser<br />
Hinsicht den Bramfaturen ähneln, jedoch unvergleichlich größer sind,<br />
umfassen einige Sterngruppen, zum Beispiel die Mehrzahl der Sterne<br />
des Orion oder das Zweisternensystem mit vielen Planeten Antares.<br />
Noch kolossaler sind solche Systeme im Rahmen der einzelnen Galaxien<br />
oder des gesamten Universums. Dabei handelt es sich um<br />
Makrobramfaturen mit einer riesigen Anzahl verschiedenartiger<br />
Schichten – bis an die achttausend. In den Makrobramfaturen gibt es<br />
nichts, was mit der äußerst geringen materiellen Dichte, der sogenannten<br />
Leere des Enrof zu vergleichen wäre.<br />
Man kann leicht nachvollziehen, dass die Makrobramfaturen auch für<br />
die reinsten Menschenseelen unerreichbar sind. Außer fernen Vorahnungen<br />
können wir über sie keinerlei konkrete Hinweise erhalten. Solche<br />
Botschaften gelangen manchmal von wesentlich höheren Geistern<br />
des Shadanakar zu uns, durch die Vermittlung der unsichtbaren Freunde<br />
unseres Herzens. Dennoch sind diese übermittelten Botschaften für<br />
unsere Wahrnehmung äußerst schwer zu verarbeiten. So habe ich kaum<br />
die sonderbare und traurige Mitteilung begreifen können, dass es in<br />
den Makrobramfaturen unserer Galaxis eine materielle Schicht gibt,<br />
wo ein Raum ohne zeitliche Dimensionen existiert, – so etwas wie ein<br />
Loch in der Zeit, welches in sich allerdings über eine Bewegung verfügt.<br />
Das ist der Leidensort der großen Dämonen, das Reich der finsteren<br />
Ewigkeit, aber auch nicht im Sinne einer endlos andauernden Zeit,<br />
sondern im Sinne des Fehlens jeglicher Zeit. 24 Solch eine Ewigkeit ist<br />
nicht absolut, da Zeit auch dort entstehen kann, und genau darin besteht<br />
eine der Aufgaben der großen Zyklen des kosmischen Werdens.<br />
24<br />
Übrigens wurde der Unterschied der zwei Bedeutungen des Wortes „Ewigkeit“<br />
bisher kaum von unserem philosophischen Gedanken erfasst. – Anm. des Autors<br />
148
Über die metahistorische und die transphysische Erkenntnismethode<br />
Denn nur die Herausbildung der Zeit ermöglicht es, die großen Leidenden,<br />
die dort eingekerkert sind, aus deren galaktischer Hölle zu<br />
befreien.<br />
Die Moleküle und einige Arten von Atomen sind Bestandteil winziger<br />
Systeme – der Mikrobramfaturen, einige von ihnen sind äußerst kurzlebig.<br />
Allerdings handelt es sich dabei um sehr komplizierte Welten<br />
und wir sollten nicht aus den Augen verlieren, dass die Elementarteilchen<br />
lebendige Wesenheiten sind und dass manche von ihnen über<br />
einen freien Willen und Verstand verfügen. Doch weder eine Kommunikation<br />
noch gar ein direktes Eindringen in die Mikrobramfaturen<br />
würden uns gelingen. Es existiert in keiner Schicht des Shadanakar<br />
auch nur ein einziges Wesen, dass dazu fähig wäre: Dies übersteigt im<br />
Moment sogar die Kräfte des Planetaren Logos.<br />
Nur in den Makrobramfaturen des Universums sind Geister von unvorstellbarer<br />
Macht und Größe tätig, so dass sie dazu in der Lage sind,<br />
sich gleichzeitig in eine Vielzahl von Mikrobramfaturen zu begeben.<br />
Dafür muss sich ein Geist, seine Einheit bewahrend, gleichzeitig in<br />
Millionen dieser kleinsten Welten verkörpern, muss dabei in jeder von<br />
ihnen in seiner gesamten Fülle hervortreten, wenn auch in verschwindend<br />
kleinen Zeitspannen.<br />
Ich spreche die ganze Zeit über verschiedene Arten von materiellen<br />
Schichten, da geistige Schichten als solche nicht existieren. Der Unterschied<br />
zwischen Geist und Materie ist eher ein stadialer als ein prinzipieller,<br />
obwohl der Geist nur durch Gott geschaffen wird, aus Ihm<br />
emaniert, und die Materie durch Monaden geschaffen wird. In seinem<br />
ursprünglichen Zustand, noch mit keinerlei materiellen Hüllen bedeckt,<br />
stellt der Geist eine Substanz dar, die annähernd mit feinster Energie<br />
zu vergleichen wäre. Geistig sind nur Gott und die Monaden – eine<br />
unendliche Vielzahl von Gott geborener und von Gott geschaffener<br />
höchster Ich, der unteilbaren Einheiten. Die Letzteren unterscheiden<br />
sich voneinander durch die Stufen ihrer angeborenen potentiellen Größe,<br />
durch die unendliche Vielfalt ihrer materiellen Ummantelungen<br />
und Lebenswege.<br />
Eine aufgestiegene Monade kann dort, hier und an vielen Stellen des<br />
Universums gleichzeitig sein, aber sie ist nicht allgegenwärtig. Nur der<br />
149
Rosa Mira<br />
Geist Gottes ist wahrhaft allgegenwärtig. Er existiert auch dort, wo es<br />
keinerlei Monaden gibt, zum Beispiel in den von allen Monaden verlassenen<br />
Ruinen der Bramfaturen. Ohne Ihn kann nichts existieren,<br />
auch das nicht, was wir als tote physische Materie bezeichnen. Und<br />
wenn der göttliche Geist sie verlassen hätte, würde sie aufhören zu<br />
existieren, nicht im Sinne eines Übergangs in eine andere Materieform<br />
oder Energie, sondern voll und ganz.<br />
2. Die Herkunft des Bösen. Die Weltgesetze. Das Karma<br />
Betrachten wir den Mythos vom Aufstieg und Fall Luzifers in Bezug<br />
auf die geistige Geschichte des Shadanakar, so verliert der Mythos<br />
seinen Sinn. Es gibt keinerlei Ereignisse in der Metageschichte unseres<br />
Planeten, die durch ihn widergespiegelt werden könnten. Einstmals,<br />
vor sehr langer Zeit, ist etwas anderes geschehen, wovon die sehr verzerrten<br />
Erinnerungen in einigen anderen Mythen erzählen, zum Beispiel<br />
in der Legende vom Aufstand der Titanen. Darüber wird übrigens<br />
in einem anderen Zusammenhang noch ausführlicher zu berichten sein.<br />
Was die Legenden betrifft, die mit dem Aufstieg und Fall Luzifers zu<br />
tun haben, so fanden diese Ereignisse einmal im Maßstab jener<br />
Makrobramfatura statt, die alle Kategorien unseres Verstandes übersteigt<br />
und das gesamte Universum umfasst. Es geschah etwas, was<br />
dann von den Geistsehern des Altertums in die Ebene epochaler<br />
menschlicher Begrifflichkeit übersetzt wurde und sich dann zu einem<br />
Mythos zusammenfügte. Die epochalen Begriffe von damals starben<br />
ab, die Maßstäbe unserer Vorstellungen erweiterten sich kolossal, und<br />
wenn wir jetzt in diesem Mythos den unsterblichen und wahrhaften<br />
Samen einer Idee einfangen wollen, müssen wir von allen epochalen<br />
Einbrüchen darin absehen und uns nur auf die faktische Mitte des Mythos<br />
konzentrieren.<br />
Es ist verständlich, dass das Bewusstsein selbst der Weisesten von<br />
damals hinter heutigen Vorstellungen über Umfang und Struktur des<br />
Universums so weit zurückblieb, dass das Erahnen universeller Wahrheiten,<br />
welches darin dank der Anstrengungen der unsichtbaren Freunde<br />
unseres Herzens aufkeimte, in die Enge der empirischen Erfahrung<br />
und des starken, doch wenig differenzierten Verstandes hineingepresst<br />
wurde. Auch heute erscheint die Aufgabe kaum einfacher, in mensch-<br />
150
Über die metahistorische und die transphysische Erkenntnismethode<br />
lichen Begriffen und Worten wenigstens einen Abglanz des universellen<br />
Geheimnisses vom Aufstand des sogenannten Djenniza 25 wiederzugeben.<br />
Solch ein Versuch würde aus zwei Stadien bestehen: Man müsste aus<br />
dem Ozean der Begriffe diejenigen heraussuchen, welche für die Beschreibung<br />
der jenseitigen Realität vorzuziehen wären, und danach aus<br />
dem Ozean der Worte diejenigen, welche ihrerseits diese kaum zu<br />
fassenden Begriffe annähernd widerspiegeln. Aber solch eine Arbeit ist<br />
mit einem harmonischen Wachstum der Persönlichkeit und ihrer universellen<br />
Erfahrung verbunden und sollte nicht nach eigenem Gutdünken<br />
forciert werden.<br />
Ich spüre, dass ich mich erst im Anfangsstadium dieser Arbeit befinde.<br />
Deswegen kann ich nichts über die Ereignisse von universeller Rangordnung<br />
sagen, außer der bloßen Konstatierung eines vorhistorischen<br />
Fakts: In weit zurückliegender Tiefe der Zeiten sagte sich einer der<br />
größten Geister, Luzifer oder Djenniza genannt, von seinem Schöpfer<br />
los, um ein anderes Universum nach den eigenen Vorstellungen zu<br />
erschaffen. Er brachte damit seinen freien Willen zum Ausdruck, welcher<br />
jeder Monade unabdingbar gegeben ist. Ihm schloss sich eine<br />
Vielzahl anderer großer und kleiner Monaden an. Die Schaffung eines<br />
neuen Universums begann in den Grenzen des gegenwärtigen. Die<br />
infolgedessen erzeugten Welten erwiesen sich jedoch als unbeständig<br />
und zerstoben, da die aufständischen Monaden auch die Liebe ablehnten<br />
– das einzige zusammenschließende, festigende Prinzip.<br />
Der universelle Plan der Vorsehung führt die Mehrzahl der Monaden<br />
zur höchsten Einheit. Bei ihrem Aufstieg von einer Daseinsstufe zur<br />
anderen vervollkommnen sich die Formen ihrer Gemeinschaft, die<br />
Liebe zu Gott und zueinander bringt sie einander näher. Und wenn jede<br />
von ihnen in die Weltensonne eingeht und Mitschöpferin von Ihm<br />
wird, dann wird eine absolut vollkommene Einheit verwirklicht – die<br />
Vereinigung mit Gott ohne Verlust des unwiederholbaren Ich.<br />
Der universelle Gedanke Luzifers ist dem gerade entgegengesetzt. Jede<br />
Monade, die sich mit ihm verbindet, ist nur seine Verbündete auf Zeit<br />
25 Kirchenslawisch für Luzifer. – Anm. des Lektors<br />
151
Rosa Mira<br />
und sein potentielles Opfer. Jede dämonische Monade, angefangen von<br />
den größten bis zu den allerkleinsten, hat einen Traum: Sie will Herrscherin<br />
des Universums werden, der Stolz flüstert ihr zu, dass gerade<br />
sie potentiell stärker sei als alle anderen. Sie wird durch eine Art „kategorischen<br />
Imperativ“ angetrieben, der in etwa durch folgende Formel<br />
ausgedrückt wird: Es gibt ein Ich und ein Nicht-Ich; alles Nicht-Ich<br />
muss Ich werden. Um es mit anderen Worten zu sagen: Alles und alle<br />
sollen durch dieses eine absolut selbstbezogene Ich aufgesogen werden.<br />
Gott gibt sich hin; das gegen Gott gerichtete Element strebt danach,<br />
alles in sich aufzunehmen. Deshalb ist ein dämonisches Ich vor allem<br />
Vampir und Tyrann und deshalb ist eine tyrannische Tendenz nicht nur<br />
jedem dämonischen Ich eigen, sondern sie stellt auch seinen untrennbaren<br />
Bestandteil dar. Die dämonischen Monaden verbinden sich zwar<br />
auf Zeit miteinander, aber im Grunde genommen sind sie Gegner auf<br />
Leben und Tod. Wenn eine ihrer Gruppen lokal die Macht übernommen<br />
hat, beginnt ein Kampf innerhalb dieser Gruppe, wobei die Stärkste<br />
den Sieg davonträgt.<br />
Tragisch ist für die Dämonen der Verlauf ihres kosmischen Kampfes<br />
auch deshalb, weil Gott immer neue Monaden schafft, die Dämonen<br />
aber nicht dazu in der Lage sind, auch nur eine hervorzubringen. Und<br />
das Kräfteverhältnis verändert sich ständig nicht zu ihren Gunsten.<br />
Einen neuen Abfall von Gott gibt es nicht und wird es niemals geben,<br />
dafür gibt es absolute Garantien, und ich bedaure nur, dass der besondere<br />
Schwierigkeitsgrad dieses Problems mir nicht gestattet, es etwas<br />
verständlicher darzulegen.<br />
Auf jeden Fall sind alle dämonischen Monaden sehr alter Herkunft, sie<br />
alle haben sich am großen Aufstand beteiligt. Sicher haben sich früher<br />
Dinge vollzogen und vollziehen sich auch jetzt, die dem äußerlich<br />
gleich sind und einer Abtrünnigkeit von Gott ähneln: Ein hochbewusstes<br />
Wesen, manchmal sogar eine ganze Gruppe von ihnen, stellt sich<br />
für eine bestimmte Zeit gegen den Willen der Vorsehung. Dieser antigöttliche<br />
Akt wird nicht durch die Monade selbst vollzogen, sondern<br />
durch die niederen Glieder ihres Ich, durch das seelische, begrenzte<br />
Bewusstsein. Deshalb findet ihre antigöttliche Tätigkeit nicht in der<br />
geistigen Welt statt, sondern in den materiellen Welten, die nach dem<br />
152
Über die metahistorische und die transphysische Erkenntnismethode<br />
eigenen Willen der Dämonen dem Gesetz des Karmas unterliegen.<br />
Dadurch ist der Aufstand von Anfang an zum Scheitern verurteilt und<br />
die ihn durchführende Monade betritt einen langen Weg der Sühne.<br />
Nach und nach, im Verlaufe des Kampfes wurde den dämonischen<br />
Kräften selbst die Erfolglosigkeit ihrer Versuche klar, ein eigenes Universum<br />
zu erschaffen. Sie fuhren aber damit fort, einzelne Welten zu<br />
errichten, verwendeten ungeheure Kräfte auf die Festigung ihrer Existenz<br />
und setzten sich zur selben Zeit noch ein weiteres Ziel: Sie wollten<br />
Welten beherrschen, die schon bestehen bzw. die gerade von den<br />
Kräften der Vorsehung erschaffen worden waren. Nicht die Zerstörung,<br />
sondern die Invasion ist ihr Ziel, aber die Zerstörung der Welten<br />
ist eine objektive Folge einer solchen Vereinnahmung. Denn die Welten,<br />
die ohne das einigende Prinzip der Liebe und des Mitschöpfertums<br />
und nur durch das widersprüchliche Prinzip der Gewaltanwendung<br />
zusammengehalten werden, können nicht lange fortexistieren.<br />
Es gibt zerberstende Galaxien. Und wenn die astronomischen Beobachtungen<br />
der außergalaktischen Sternenhaufen eine längere Periode<br />
als jetzt umfassen werden, werden sich die Prozesse dieser Weltkatastrophen<br />
dem Blick der Wissenschaft öffnen. Es gibt gestorbene und<br />
sterbende Planeten: Mars, Merkur, Pluto – das sind die Ruinen von<br />
Bramfaturen. Nach deren Einnahme durch die dämonischen Mächte<br />
wurden alle Monaden des Lichts aus diesen Systemen vertrieben. Danach<br />
geschahen die vollendenden Katastrophen, und die dämonischen<br />
Herrscher trieben plötzlich unbehaust im Weltenraum dahin und suchten<br />
ein neues Objekt, in welches sie eindringen könnten.<br />
Aber es existieren Makrobramfaturen und ganze Galaxien, in die den<br />
Aufständischen der Einlass verwehrt wurde. Innerhalb unserer Galaxis<br />
existiert ein System, welches sich schon völlig vom dämonischen Einfluss<br />
befreit hat, und zwar Orion – eine Makrobramfatura, die ein ungewöhnlich<br />
mächtiges geistiges Licht ausstrahlt. Wer den großen Andromedanebel<br />
mit dem Teleskop betrachtet, wird auch noch eine andere<br />
Galaxie entdecken, die nie vom Eindringen dämonischer Mächte betroffen<br />
war. Es handelt sich um eine Welt, die ununterbrochen die Stufen<br />
der aufsteigenden Seligkeit erklimmt. Unter Millionen von Galaxien<br />
des Universums gibt es nicht wenige solcher Welten, aber unsere<br />
Galaxis gehört leider nicht zu ihnen.<br />
153
Rosa Mira<br />
Die schon seit langem aus der Makrobramfatura des Universums vertriebenen<br />
aufständischen Kräfte führen in den Welten unserer Galaxis<br />
einen unaufhaltsamen Kampf gegen die Kräfte des Lichts, welcher<br />
Millionen von Formen annimmt. Zur Kampfarena wurde auch das<br />
Shadanakar. Es wurde zur Kampfarena bereits in solch entfernten Zeiten,<br />
als die Erde im Enrof eine halbfeste runde Schmelzmasse darstellte.<br />
Die anderen Schichten des Shadanakar waren noch einstellig zu<br />
zählen, – sie wurden gerade von den Großen Hierarchien der Makrobramfaturen<br />
erschaffen. In jenen Welten gab es kein Gesetz der gegenseitigen<br />
Vertilgung, dort herrschten Wesenheiten, welche jetzt unter<br />
dem allgemeinen Namen Engel bekannt sind, dort herrschte das Prinzip<br />
der Liebe und Freundschaft zwischen allen vor. Es gab keinen Tod:<br />
Jede Wesenheit gelangte von der einen in die andere Schicht durch die<br />
Transformation, die frei war von Leid und eine Rückkehr nicht ausschloss.<br />
Jene Welten, die damals nur über drei räumliche Dimensionen<br />
verfügten und die deshalb fast genauso dicht wie der Enrof waren,<br />
unterlagen keinem Sühnegesetz: Die begangenen Fehler wurden durch<br />
die höheren Kräfte bereinigt.<br />
Erinnerungsfetzen daran, die sich aus der Schatzkammer des Tiefengedächtnisses<br />
ins Bewusstsein der alten Weisen hoben, allerdings vom<br />
Tagesbewusstsein erniedrigt und vereinfacht, führten zur Entstehung<br />
der Legende vom verlorenen Paradies. In Wirklichkeit war hier nicht<br />
das Paradies, sondern ein herrliches Morgenrot, das nicht über dem<br />
irdischen Enrof leuchtete, der damals noch kein organisches Leben<br />
aufwies, sondern über einer Welt, die man O l i r n a nennt. Die<br />
Erinnerung daran erhielt sich im Gedächtnis jener wenigen menschlichen<br />
Monaden, die ihren Weg im Shadanakar in seiner Entstehungszeit<br />
begannen, dort, wohin die Mehrzahl der Monaden erst später gelangte.<br />
Der Weg begann nicht im Enrof, sondern im Engelreich Olirna, und<br />
diese Gemeinschaft der Urengel kann man in gewisser Hinsicht als die<br />
erste Menschheit des Shadanakar bezeichnen.<br />
G a g t u n g r , ein großer Dämon, einer der Verbündeten Luzifers,<br />
drang mit seinen Truppen kleinerer Dämonen ins Shadanakar ein.<br />
Es war ein sehr langer und hartnäckiger Kampf, und er brachte dem<br />
Eindringling einen Teilsieg ein. Die Kräfte des Lichts aus der Bramfatura<br />
zu vertreiben, gelang ihm nicht, aber er errichtete einige dämonische<br />
Schichten und verwandelte sie in uneinnehmbare Zitadellen. Es<br />
154
Über die metahistorische und die transphysische Erkenntnismethode<br />
gelang ihm, sich in den Prozess der Entstehung und Entwicklung des<br />
Lebens im irdischen Enrof einzumischen und auch dem Tierreich seinen<br />
Stempel aufzuprägen. Die planetaren Gesetze, mit deren Hilfe die<br />
Kräfte des Lichts damit begannen, das organische Leben im Enrof zu<br />
erschaffen, wurden bis zur Unkenntlichkeit verzerrt.<br />
Es ist falsch und gotteslästerlich, Gesetze vom gegenseitigen Vertilgen,<br />
von Sühne, von Schmerz Gott zuzuschreiben. „Gott ist Licht und in<br />
Ihm ist keine Finsternis.“ Von Gott kommt nur Rettung. Von Ihm<br />
kommt nur Freude. Von Ihm kommt nur Segen. Und wenn uns die<br />
Gesetze dieser Welt durch ihre Grausamkeit erschrecken, so geschieht<br />
es deshalb, weil die Stimme Gottes sich in unseren Seelen gegen das<br />
Schaffen des Großen Peinigers auflehnt. Der gegenseitige Kampf der<br />
dämonischen Monaden, der Sieg des Stärksten und nicht desjenigen,<br />
der im Recht ist, der Absturz des Besiegten in den Abgrund der Leiden<br />
– das ist das Gesetz der luziferischen Mächte, und es spiegelte sich<br />
auf dem Antlitz der organischen Welt des Enrof wider, in der Form<br />
vom „Kampf ums Dasein“.<br />
Jegliches Leiden eines Wesens, jeder Schmerz und jede seiner Qualen<br />
erzeugen eine entsprechende Ausstrahlung, hier, im Enrof, wie auch<br />
dort, in den jenseitigen Welten. Kein Gefühl, keine seelische Regung<br />
kann spurlos vergehen. Bosheit, Hass, Gier, Wollust der Tiere und<br />
Menschen strahlen in die dämonischen Schichten und kompensieren<br />
dort bei einzelnen dämonischen Gruppen und Klassen ihren Kräfteverlust.<br />
Allerdings nur bei einzelnen Gruppen. Aber die Ausstrahlung von<br />
Leid und Schmerz – man nennt sie auch Gawwach – ist dazu in der<br />
Lage, riesige Mengen von Dämonen fast aller Arten und Ränge zu<br />
sättigen. Im Grunde genommen ist Gawwach ihre Nahrung.<br />
Gagtungr legte seine Pranke auf die Gesetze des Shadanakar und verzerrte<br />
sie zu erdrückenden und grausamen Formen, um Leid zu erzeugen<br />
und Leidensarten zu vervielfältigen. Er verhinderte im Enrof das<br />
Gesetz der Transformation, als Ergebnis seines Kampfes gegen Gott<br />
entstand der Tod und wurde zum Gesetz. Er stellte sich dem Prinzip<br />
der allgemeinen Freundschaft entgegen, als Resultante zweier Kräfte<br />
entstand das gegenseitige Vertilgen und wurde zum Gesetz. Und<br />
schließlich mischten sich die dämonischen Mächte in das Leben der<br />
anderen Schichten Shadanakars ein, nämlich der Übergangsschichten<br />
155
Rosa Mira<br />
aller Wesen, die sich wenigstens einmal im irdischen Enrof verkörpert<br />
hatten. Diese Schichten wurden in Welten der Sühne verwandelt, wo<br />
Peiniger herrschen und ihre Nahrung, das Leid, mehren.<br />
Unter den verschiedenen Arten des Gawwach ist diejenige von besonderer<br />
Bedeutung, die mit dem Vergießen physischen Blutes verbunden<br />
ist. Wenn Blut von Mensch oder Tier aus dem Organismus austritt, so<br />
entsteht in den ersten Minuten eine brennende Ausstrahlung von besonderer<br />
Kraft. Deshalb sind einige Dämonenarten nicht so sehr am<br />
Tod von Lebewesen im Enrof interessiert und auch nicht am jenseitigen<br />
Leiden ihrer Seelen, sondern vielmehr am Vergießen ihres Blutes.<br />
Kein Blutvergießen in der Geschichte fand und findet ohne die Einwirkung<br />
der Blutsauger aus den anderen Welten statt, obgleich diese Einwirkung<br />
den Menschen nicht bewusst ist. Die blutigen Opfergaben<br />
einiger alter Kulte waren nicht nur wegen ihrer Grausamkeit schrecklich,<br />
sondern auch dadurch, dass sie nicht die Götter speisten, sondern<br />
eben die Dämonen.<br />
Um die Kräfte des Lichts aufzufüllen, wurde vom Planetaren Logos,<br />
der ersten und größten Monade des Shadanakar, eine neue Schicht<br />
geschaffen und auch eine neue Menschheit. Der Enrof wurde dem<br />
Tierreich überlassen, die neue Schicht wurde von Titanen besiedelt, die<br />
uns vom Aussehen her ähnlich waren, aber größer und herrlicher. In<br />
einer noch in der Dämmerung befindlichen Welt, die dem Enrof ähnlich<br />
war, bewegten sich ihre leuchtenden Figuren auf dem Hintergrund<br />
eines blau-grauen, bleiernen Himmels, auf den Abhängen und Kämmen<br />
der Wüstenberge, um sie zu vervollkommnen. Die Menschheit der<br />
Titanen zählte einige Tausend. Sie waren geschlechtslos. Die Geburt<br />
von Nachkommen beruhte nicht auf der Verbindung zweier Individuen.<br />
Gagtungr gelang es, die Titanen zum Aufstand gegen die Vorsehung<br />
zu verführen. Sie wollten Samen und Kern eines neuen Weltenanfangs<br />
werden, eines dritten, der sowohl gegen Gott als auch gegen die Dämonen<br />
gerichtet gewesen wäre. Sie strebten nach der absoluten Freiheit<br />
ihrer Ich, aber sie hassten die Grausamkeit und Bosheit der Dämonen.<br />
Der Aufstand endete damit, dass die Kräfte Gagtungrs, indem sie<br />
sich des Sühnegesetzes bedienten, die Seelen der Titanen in tiefe Leidenssphären<br />
hineinzogen. Dort dauerte ihre Folter über eine Million<br />
156
Über die metahistorische und die transphysische Erkenntnismethode<br />
Jahre an, bis es ihnen mit Hilfe der Kräfte der Vorsehung gelang, sich<br />
aus der Gefangenschaft zu befreien.<br />
Im Moment verkörpern sich die meisten von ihnen unter den Menschen<br />
und dabei heben sie sich von den anderen durch die Größe ihrer<br />
Persönlichkeit und ihr eigenartig schwermütiges, allerdings nicht dunkles<br />
Kolorit ab. Ihr Schaffen ist von einer unklaren Erinnerung an den<br />
gegen Gott gerichteten Aufstand durchdrungen, vom uralten Feuer<br />
kaum merklich gezeichnet und besticht durch seine Gewaltigkeit. Von<br />
den dämonischen Monaden unterscheiden sie sich dadurch, dass sie<br />
dem Licht entgegen streben, das Niedrige verachten und Gottes Liebe<br />
erringen wollen. 26<br />
In den letzten Jahrtausenden vor Christus war die Macht Gagtungrs so<br />
groß, dass der zeitlich begrenzte Charakter der Sühne in jenseitigen<br />
Schichten vieler Metakulturen der Menschheit abgeschafft wurde. Der<br />
Ausweg aus den Orten des Leidens war für die Leidenden verschlossen<br />
und jede Hoffnung war ihnen genommen. Das Gesetz der Sühne ist ein<br />
ehernes Gesetz von moralischen Ursachen und ihren Wirkungen, die<br />
im gegenwärtigen Leben in Erscheinung treten können, in ihrer gesamten<br />
Fülle jedoch erst nach dem Tod und sogar in den folgenden Inkarnationen<br />
auftreten, – dieses Gesetz können wir mit dem indischen Begriff<br />
K a r m a bezeichnen.<br />
Das Karma ist ebenso wie die Gesetze vom Tod und vom Kampf ums<br />
Dasein eine Resultante zweier einander entgegengesetzter Willen.<br />
Wenn die dämonischen Mächte nicht ständig Widerstand begegnen<br />
würden, wären unsere Bedingungen noch schlimmer, da das Ziel der<br />
dämonischen Gesetzgebung darin besteht, Gawwach zu erzeugen und<br />
die gefangenen Seelen des Lichts zu paralysieren. Die Gesetze verfügen<br />
aber auch über eine andere Seite, haben eine reinigende Bedeutung.<br />
Es handelt sich dabei um die Relikte, um die Nachwirkungen der<br />
alten lichten Urgesetze von den weltschöpfenden herrlichen Hierarchien.<br />
26<br />
Von solchen Persönlichkeiten in der Weltkultur könnte ich hier einige nennen: Aeschylus,<br />
Dante, Leonardo, Michelangelo, Goethe, Beethoven, Wagner, Ibsen, Lermontow,<br />
Lew Tolstoi. – Anm. des Autors<br />
157
Rosa Mira<br />
Ziel dieser Hierarchien und aller lichten Kräfte ist die Erleichterung<br />
und Erhellung der Gesetze, das Ziel der dämonischen Mächte ist deren<br />
Verschlimmerung. Der Plan der Vorsehung ist es, alle Opfer zu retten.<br />
Der Plan Gagtungrs ist es, alle in Opfer zu verwandeln. Die göttliche<br />
Menschheit der nächsten Weltperiode wird der freiwillige Zusammenschluss<br />
aller in Liebe sein. Die dämonisierte Menschheit – am Ende<br />
der laufenden Periode wahrscheinlich nicht zu vermeiden – wird die<br />
absolute Tyrannei eines Einzelnen darstellen. Der Kosmos ist das Wirkungsfeld<br />
der werdenden Monaden. Der Antikosmos ist das weltenumspannende<br />
Bündnis der Konkurrenten und eine Ansammlung gefallener,<br />
in den dämonisch beherrschten Welten gefangener Monaden, denen<br />
ihr Heiligstes – die Willensfreiheit – genommen wurde.<br />
Gagtungr lässt sich nicht davon beirren, dass seine Größe sich nicht<br />
mit Luzifers universeller Größe vergleichen lässt, wie alle dämonischen<br />
Monaden versteht er seine Kleinheit nur als Stadium. Ein blinder<br />
Glaube an sein unendliches Wachstum und den Sieg ist bei ihm untrennbar<br />
mit seinem Ich verbunden. So glaubt jede dieser Monaden an<br />
ihren baldigen makrogalaktischen Triumph, wie winzig sie auch gegenwärtig<br />
sein und welch untergeordneten Platz sie in der Hierarchie<br />
der Aufständischen einnehmen mag. Deshalb ist jede von ihnen, und<br />
dazu gehört auch Gagtungr, ein Tyrann nicht nur von ihrem Ideal her<br />
und nicht nur im gegebenen Augenblick, sondern sie ist es in jedem<br />
Stadium entsprechend der Macht, die in diesem Stadium erlangt worden<br />
ist. Die Tyrannei produziert einen solch gewaltigen Ausstoß an<br />
Gawwach wie kein anderes Führungsprinzip. Und die Aufnahme von<br />
Gawwach erhöht den Vorrat an dämonischer Stärke.<br />
Wenn ein Dämon seinen Kräfteverlust mit Hilfe von anderen psychischen<br />
Ausstrahlungen – Freude, Liebe, Selbstaufopferung, religiöser<br />
Andacht, Entzückung, Glück – auffüllen würde, dies würde seine Natur<br />
umstrukturieren, er wäre kein Dämon mehr. Aber gerade dies will<br />
er nicht. Durch Tyrannei, nur durch Tyrannei, kann er die Fliehkraft in<br />
den dämonischen Scharen zügeln, die ihm unterworfen sind. Eben<br />
deswegen gibt es manchmal in der Metageschichte (und dies spiegelt<br />
sich auch in der Geschichte wider) Akte des Abfalls und der Auflehnung<br />
einzelner dämonischer Monaden gegen Gagtungr. Diese Aufstände<br />
können von den Kräften des Lichts nicht unterstützt werden, da<br />
jede rebellische Monade potentiell einen planetaren Dämon repräsen-<br />
158
Über die metahistorische und die transphysische Erkenntnismethode<br />
tiert: Wenn sie sich stärker als Gagtungr erwiese, würde sie zu einem<br />
noch schlimmeren Peiniger werden.<br />
Man sollte im Übrigen nicht vergessen, dass Fälle von Auflehnung<br />
einzelner dämonischer Monaden nicht gegen Gagtungr, sondern gegen<br />
die dämonische Weltenordnung an sich nicht ganz so selten sind. Diese<br />
Aufstände sind nichts anderes als die Hinwendung der dämonischen<br />
Monaden zum Licht, und es ist klar, dass ihnen dann die größtmögliche<br />
Hilfe der Kräfte der Vorsehung zuteil wird.<br />
Bei aller satanischen Weisheit sind die Weltenpläne Gagtungrs unsicher<br />
eben infolge der oben erwähnten Gründe: Die Chancen, alle dämonischen<br />
Monaden, Luzifer eingeschlossen, zu zähmen, sind für den<br />
planetaren Dämon verschwindend gering. Doch das unaufhaltsame<br />
Streben nach universeller Macht stellt die einzige Quelle ihm bekannter<br />
Freuden dar: Solche Freuden verspürt er jedes Mal, wenn ihm auch<br />
der kleinste Teilerfolg gelingt. Diese Erfolge bestehen in der Unterwerfung<br />
anderer Monaden oder ihrer Seelen: der dämonischen als Halbverbündeter<br />
und Halbsklaven, der lichten als Gefangener und Objekte<br />
für die Gewaltanwendung.<br />
Soweit Gagtungr sich seine universelle Zukunft vorträumen kann, sieht<br />
er sich als eine Art Sonne, um die herum sich unzählige Monaden in<br />
konzentrischen Kreisen bewegen, wobei eine nach der anderen hinabstürzt<br />
und von ihm verschlungen wird. Und nach und nach soll das<br />
gesamte Universum in eine Kreisbewegung um ihn herum geraten und<br />
eine Welt nach der anderen soll sich an seine ungeheuerlich anschwellende<br />
Hypermonade anschließen. Sich Weiteres auszudenken, dazu<br />
fehlt es dem dämonischen Verstand an Kraft. Die kleineren dieser Monaden<br />
sind nicht einmal dazu in der Lage, eine solche Apotheose zu<br />
entwerfen. Trotzdem glauben sie ungebrochen an ihren endgültigen<br />
Triumph im Universum und konzentrieren Willen und Gedanken auf<br />
näher liegende, leichter vorstellbare Ziele.<br />
3. Zur Frage nach der Willensfreiheit<br />
Es existiert ein Vorurteil, eine besondere geistige Einstellung, die<br />
heutzutage einer ziemlich großen Zahl von Menschen eigen ist, da man<br />
sie ganze vier Jahrzehnte lang zielstrebig in das Bewusstsein vieler<br />
159
Rosa Mira<br />
Völker einbrachte. Diese Einstellung bewegt den Denkenden zu einem<br />
Schluss, der immer mehr zu einem Axiom, zu einem Dogma, gerinnt:<br />
Angeblich würde die Religion den Menschen seiner Freiheit berauben,<br />
blinde Unterwerfung unter die höheren Kräfte fordern und ihn völlig<br />
von diesen abhängig machen. Da es sich bei diesen aber nur um Hirngespinste<br />
handele, würde in Wirklichkeit die Abhängigkeit von all den<br />
realen menschlichen Institutionen zementiert, die danach streben, die<br />
Unwissenheit der Massen auszunutzen. Darin läge die „religiöse Versklavung“<br />
begründet, aus der sich die Menschheit durch Wissenschaft<br />
und materialistische Philosophie befreien würde.<br />
Die letzte Behauptung anzuzweifeln hieße, ein Traktat gegen die<br />
Grundlagen der materialistischen Philosophie zu verfassen. Solche<br />
Traktate gibt es schon, und wenn sie bisher in Russland noch nicht<br />
genügend bekannt sind, so liegen die Gründe dafür in Umständen, die<br />
weniger etwas mit der Philosophie zu tun haben als mit der Politik.<br />
Was die Behauptung betrifft, dass jede Religion die Unterwerfung<br />
unter die höheren Kräfte erfordere, so besteht kein Zweifel daran, dass<br />
einige religiöse Doktrinen tatsächlich die Vorbestimmung verkündeten<br />
und behaupteten, es gäbe beim Menschen keinerlei Willensfreiheit.<br />
Das ist vorgekommen, und ich neige ganz und gar nicht dazu, beliebige<br />
religiöse Formen zu verteidigen. Diese Eigenschaft auf alle Religionen<br />
auszudehnen, wäre allerdings ebenso wenig gerechtfertigt wie zum<br />
Beispiel zu behaupten, dass die gesamte Belletristik der Welt ihrem<br />
Wesen nach reaktionär sei, und dabei auf einzelne reaktionäre Schriftsteller<br />
und einzelne reaktionäre Schulen zu verweisen. Ich möchte<br />
vorab zeigen, dass eine solche Beschuldigung in Bezug auf die Konzeption<br />
von Rosa Mira keinen Bestand hat.<br />
Zuerst erlaube ich mir mein Erstaunen zum Ausdruck zu bringen, dass<br />
keine Wissenschaft und keine Philosophie 27 , die materialistische eingeschlossen,<br />
die Abhängigkeit des menschlichen Willens von einer Vielzahl<br />
materieller Gründe bestreitet. Gerade die materialistische Philosophie<br />
beharrt auf der verstärkten Abhängigkeit des Willens von ökonomischen<br />
Faktoren. Und dennoch regt sich niemand über eine solche<br />
Erniedrigung des Menschen vor der natürlichen und historischen Notwendigkeit<br />
auf. Niemand beschwert sich über eine sklavische Abhän-<br />
27 Mit Ausnahme des subjektiven Idealismus. – Anm. des Autors<br />
160
Über die metahistorische und die transphysische Erkenntnismethode<br />
gigkeit des Menschen vom Gravitationsgesetz, vom Gesetz der Erhaltung<br />
der Materie, vom Evolutionsgesetz, vom Gesetz des ökonomischen<br />
Wachstums usw. Alle verstehen, dass im Rahmen dieser Gesetze<br />
genug Freiheit für unseren Willen gegeben ist.<br />
Dabei fügt die vorliegende Konzeption keinerlei zusätzliche Rahmenbedingungen<br />
zu den bereits erwähnten hinzu, es liegt uns wohl auch<br />
nicht so sehr an deren Zahl, sondern vielmehr an der Deutungsweise.<br />
Das Unermessliche und unendlich Vielfältige, im komplexen Begriff<br />
„höhere Kräfte“ ausgedrückt, wirkt sich auf unseren Willen selten<br />
durch übernatürliche Intervention aus, sondern mit Hilfe eben jener<br />
Natur-, Evolutions- und anderen Gesetze, bei denen wir uns gerade<br />
geeinigt haben, sie für objektive Tatsachen zu halten. Diese mannigfaltigen<br />
Tatsachen werden zu prägenden Faktorenreihen für unser Bewusstsein<br />
und darüber hinaus auch für das Unter- und das Überbewusstsein.<br />
Von daher entwickeln sich auch jene Stimmen des Gewissens,<br />
der Pflicht, des Instinkts usw., die wir in uns hören und die auf<br />
sichtbare Weise unser Verhalten bestimmen. So funktioniert der Verbindungsmechanismus<br />
zwischen den „höheren Kräften“ und unserem<br />
Willen.<br />
Natürlich geschieht ab und zu „Unnatürliches“, das subjektiv als Aufhebung<br />
der Naturgesetze durch die höheren Kräfte gelten mag. Das<br />
nennt man dann Wunder. Aber dort, wo solche Erscheinungen tatsächlich<br />
vor sich gehen und keine Übertreibung darstellen, dort findet kein<br />
Eingriff in die Naturgesetze durch „Willkür“ der höheren Kräfte statt,<br />
sondern ein In-Erscheinung-Treten dieser Kräfte durch eine Reihe<br />
anderer Gesetze, die von uns noch nicht erforscht sind.<br />
Das, was uns oft als ein monolither, einfacher, unteilbarer Antrieb<br />
unserer Taten vorkommt, zum Beispiel unser Gewissen, stellt in Wirklichkeit<br />
die Resultante eines sehr komplizierten Zusammenwirkens<br />
verschiedener Faktorenreihen dar. Die wirksamste davon ist die Stimme<br />
unserer Monade. Doch ob und wie diese Stimme die Sphäre unseres<br />
Bewusstseins erreicht, das hängt sehr wohl mit der Einwirkung der<br />
anderen Faktorenreihen zusammen: So stellen beispielsweise äußere<br />
Umstände, die irgendeinen Zufall hervorrufen, dank dessen die Stimme<br />
unserer Monade von uns vernommen wird, eine Erscheinung der Vorsehung<br />
dar, eine Regung providentieller Kräfte.<br />
161
Rosa Mira<br />
Man kann zusammenfassen, dass die Wahl des Menschen durch dreierlei<br />
Faktorenreihen und die dahinter stehenden Kräfte bestimmt wird.<br />
Durch die Kräfte der Vorsehung, die für ihre Ziele die Gesetze der<br />
Natur und die Gesetze der Geschichte als Werkzeuge nutzen und diese<br />
allmählich erleuchten; durch die dämonischen Mächte, die die nämlichen<br />
Gesetze nutzen und diese stets erschweren; und durch den Willen<br />
unserer eigenen Monade, den unser Bewusstsein durch die Stimmen<br />
des Herzens und des Verstandes mit Hilfe der Kräfte der Vorsehung<br />
vernimmt.<br />
Ob wir also die Gesetze der Natur und der Geschichte als mechanische<br />
seelenlose Notwendigkeiten auffassen oder als Werkzeuge dieser oder<br />
jener lebendigen andersstofflichen oder geistigen Wesenheiten, davon<br />
wird sich der Grad unserer Freiheit weder vergrößern noch verkleinern.<br />
So ist das Maß an menschlicher Willensfreiheit vom Standpunkt der<br />
Konzeption der Rosa Mira aus nicht geringer als von dem des Materialismus,<br />
aber die Reihen der diese Freiheit bestimmenden Faktoren sind<br />
anders durchdacht und genauer aufgeteilt.<br />
Und wenn die Beschränkung unserer Freiheit durch völlig unpersönliche<br />
und seelenlose Naturgesetze den Materialisten nicht beleidigt, wie<br />
sollten wir uns dann erniedrigt fühlen in der Beschränkung unserer<br />
Freiheit durch den Willen der Kräfte der Vorsehung? Uns kann nur die<br />
Beschränkung unserer Freiheit durch die dämonischen Mächte erniedrigen,<br />
und das tut sie, – aber dies ist gleichzeitig unser wichtigster Auftrag,<br />
jene Mächte, unsere althergebrachten Feinde, zu zähmen, umzuwandeln,<br />
zu erleuchten. Und die Erniedrigung werden wir nicht mehr<br />
spüren, wenn wir uns für ihr Einwirken völlig unzugänglich machen.<br />
Die Evolution des Lebens führt Reihen von Wesen zur höheren Freiheit.<br />
Den einfachsten Formen entspricht das minimale Maß an Freiheit<br />
(in das rudimentäre Bewusstsein einer Mikrobe dringt die Stimme der<br />
Monade fast nicht vor und ihr Verhalten wird hauptsächlich durch<br />
dämonische Mächte bestimmt, die sich dabei die Naturgesetze zum<br />
Werkzeug machen). Die höheren Tiere sind schon viel freier als die<br />
Mikroben, die Amplitude ihrer willkürlichen Handlungen ist viel breiter.<br />
Beim Menschen wächst sie unvergleichbar stark an.<br />
162
Über die metahistorische und die transphysische Erkenntnismethode<br />
Die Gegner der Religion als solcher weisen darauf hin, dass sie ein<br />
Aufgeben des persönlichen Willens erfordere und die Unterordnung<br />
unter den Willen Gottes, und in Bezug auf einige Religionen der Vergangenheit<br />
haben sie Recht. Aber Rosa Mira ist keine religiöse Lehre<br />
der Vergangenheit. Sie ist die religiöse sozial-ethische Lehre der Zukunft.<br />
Rosa Mira fordert keinerlei „Unterordnung“ unter den Willen<br />
des Herrn, denn wertvoll ist nur das, was der Mensch freiwillig tut und<br />
nicht gezwungenermaßen. Nicht die Forderung nach sklavischem Gehorsam<br />
wird aus den Heiligtümern der Religion der Endzeit erklingen.<br />
Von dort wird der Ruf nach allumfassender Liebe laut werden und<br />
nach freiem Gottesmitschöpfertum.<br />
Gott ist das unveränderliche und unaussprechliche ursprüngliche Streben;<br />
Gott ist die geistschöpfende Macht, die in allen Seelen wirkt, die<br />
selbst in den Tiefen der dämonischen Monaden nicht verstummt und<br />
Welten um Welten – von den Mikrobramfaturen bis hin zu den Supergalaxien<br />
– zu etwas führt, was noch vollkommener ist als das Gute und<br />
noch höher als die Seligkeit. Je weiter ein jedes Ich auf diesem Weg<br />
ist, umso vollständiger fällt sein Wille mit dem schöpferischen Willen<br />
Gottes zusammen. Und wenn dieses Ich seine kosmische Reise von<br />
den einfachsten Formen der lebendigen Materie beginnend über das<br />
Stadium des Menschen bis hin zu dem Demiurg der Völker, dem Demiurg<br />
der Planeten und Sterne, dem Demiurg der Galaxis fortsetzt, so<br />
wird es schließlich durch Gottes Sohn mit dem Vater vereint, – und<br />
sein Wille wird vollständig mit dem Willen des Vaters zusammenfallen,<br />
seine Kraft mit der Kraft des Vaters, seine Gestalt mit der des Vaters<br />
und sein Schaffen mit dem des Vaters.<br />
Das Gottesmitschöpfertum ist das lichte Schaffen aller aufsteigenden<br />
Monaden des Universums, vom Menschen angefangen über die Stichialien<br />
und die erleuchteten Tiere bis hin zu den Demiurgen der Galaxien,<br />
Riesen von ungeheurer Größe. Das schöpferische Element ist der<br />
Grund, warum hier so häufig der Ausdruck „Demiurg“ vorkommt, der<br />
in den alten Religionen fast nicht gebräuchlich war: Demiurgen sind all<br />
jene, die zum Ruhme Gottes schaffen, aus Liebe zur Schöpfung und<br />
zum Urschöpfer.<br />
Er ist absolut gütig. „Er ist allmächtig“, fügte die alte Theologie hinzu.<br />
Doch wenn Er denn allmächtig wäre, so wäre Er auch für das Böse und<br />
163
Rosa Mira<br />
das Leiden in der Welt verantwortlich, und daraus würde folgen, dass<br />
Er nicht gütig sei. Scheinbar gibt es keinen Ausweg aus dem Kreis<br />
dieser Widersprüche.<br />
Doch Gott schöpft aus Sich selbst heraus. Allen Monaden, die aus<br />
Seiner Tiefe hervortreten, sind Eigenschaften dieser Tiefe untrennbar<br />
eigen, und dazu gehört die absolute Freiheit. Auf diese Weise begrenzt<br />
das göttliche Schaffen den Schöpfer selbst mit einer Eigenschaft, hinter<br />
der Wille und Macht Seiner Schöpfungen liegen. Aber dafür ist die<br />
Freiheit ja gegeben, dass sie die Potenzen unterschiedlicher Auswahlmöglichkeiten<br />
impliziert. Und im Dasein vieler Monaden wurde sie<br />
bestimmt durch ihre negative Wahl, ihre ausschließliche Selbstbehauptung,<br />
durch ihren Abfall von Gott.<br />
Daher rührt das, was wir als das Böse in der Welt bezeichnen, daher<br />
rühren das Leiden und die hartherzigen Gesetze, und daher rührt aber<br />
auch die Möglichkeit, dass dieses Böse und das Leiden überwunden<br />
werden können. Gesetze bewahren eine jede Welt vor dem Chaos.<br />
Selbst die Dämonen müssen sich den Gesetzen unterordnen, damit ihre<br />
Welten nicht zu Staub zerfallen. Deshalb stürzen sie die Gesetze nicht<br />
um, sondern erschweren sie. Gesetze sind blind. Erhellt werden sie<br />
nicht sofort, nicht durch ein Wunder, nicht durch Gottes Eingreifen,<br />
sondern durch einen sehr langen kosmischen Weg der Läuterung, auf<br />
dem die von Gott abgefallenen Monaden ihren bösen Willen überwinden.<br />
Gott ist die allumfassende Liebe und das unversiegbare Schöpfertum in<br />
Einem: Alles Lebendige, der Mensch eingeschlossen, nähert sich Gott<br />
durch die drei angeborenen göttlichen Eigenschaften: Freiheit, Liebe<br />
und Gottesmitschöpfertum. Das Schöpfertum in Gott ist das Ziel, die<br />
Liebe – der Weg und die Freiheit – die Bedingung.<br />
Die dämonischen Monaden sind so frei wie alle anderen, aber ihre<br />
Liebe ist tief im Verfall begriffen. Bei ihnen ist sie ausschließlich nach<br />
innen gerichtet: Der Dämon liebt nur sich selbst. Und weil das gesamte<br />
immense Liebespotenzial, das in seinem Geiste existiert, nur auf sein<br />
Wesen konzentriert ist, liebt sich der Dämon mit einer solch gigantischen<br />
Kraft, von der die Eigenliebe eines jeden Menschen meilenweit<br />
entfernt ist. Auch die Fähigkeit zum Schöpfertum fehlt den dämoni-<br />
164
Über die metahistorische und die transphysische Erkenntnismethode<br />
schen Monaden nicht. Doch ein Schöpfertum mit Gott löst bei ihnen<br />
nur eine Reaktion aus: die äußerste Feindseligkeit. Jeder Dämon<br />
schafft nur um seiner selbst Willen in seinem eigenen Namen.<br />
Das Schaffen des Menschen wird sich in ein Schöpfertum mit Gott<br />
verwandeln, und zwar von dem Moment an, wenn sein unüberwindbarer<br />
schöpferischer Impuls durch die Anstrengungen seines Willens und<br />
Glaubens nicht auf das Erreichen dieser oder jener egoistischen Ziele<br />
wie Ruhm, Vergnügen, Reichtum, Unterordnung unter die grausamen<br />
und niederen Lehren gerichtet wird, sondern darauf, Gott in Liebe zu<br />
dienen. Gerade diese drei Worte – Freiheit, Liebe, Gottesmitschöpfertum<br />
– bestimmen das Verhältnis von Rosa Mira zur Kunst, zur Wissenschaft,<br />
zur Erziehung, zur Ehe, zur Familie, zur Natur und auch zu<br />
solchen durch viele Religionen vernachlässigten Elementen des Lebens<br />
wie Wohlstand und Schönheit.<br />
4. Das Sein und das Bewusstsein<br />
Das bisher Gesagte führt uns zu einem neuen Verständnis gegenüber<br />
dem Jahrhunderte währenden Streit über das Primat von Bewusstsein<br />
und Sein. „Das Bewusstsein bestimmt das Sein“, so formulierten es die<br />
idealistischen Schulen. Auf der nächsten, nichtreligiösen Etappe der<br />
Kultur wurde diese Formel umgedreht, doch das ihr zugrunde liegende<br />
Material blieb unverändert. Das Material bestand in der Gegenüberstellung<br />
zweier Elemente, und deshalb erbte die neue Definition die Primitivität<br />
ihrer Vorläuferin. Die Frage aber ist komplizierter, als es diese<br />
Definitionen auszudrücken vermochten. Und gleichzeitig ist sie aber<br />
auch einfacher, als es die riesigen Konstruktionen von Voraussetzungen<br />
und Schlussfolgerungen zeigten, die sich im 18. und 19. Jahrhundert<br />
herausbildeten, um solch ein bescheidenes Resultat zu erhalten.<br />
„Das Sein bestimmt das Bewusstsein“ ... „Das Bewusstsein bestimmt<br />
das Sein“ – Wessen Sein? Wessen Bewusstsein? Einer einzelnen konkreten<br />
Persönlichkeit? Der Menschheit? Der Welt? Der bewusst seienden<br />
Materie? Wie ist doch alles verworren und ungenau.<br />
Das Bewusstsein einer einzelnen konkreten Persönlichkeit (der Einfachheit<br />
halber werden wir nur vom Menschen sprechen) wird nicht<br />
165
Rosa Mira<br />
durch irgendjemandes Bewusstsein bestimmt und nicht durch ein allgemeines<br />
Sein, sondern durch eine Summe von Faktoren. Das sind:<br />
- ihr eigenes physisches Sein;<br />
- das Sein ihres natürlichen und kulturellen Umfeldes;<br />
- das Bewusstsein einer Vielzahl von Menschen, die gelebt haben<br />
und leben und durch Anstrengungen ihres eigenen Bewusstseins<br />
in bedeutendem Maße das kulturelle Milieu der gegebenen Persönlichkeit<br />
prägen und auf ihr Sein und Bewusstsein einwirken;<br />
- das Bewusstsein einer Vielzahl anderer Wesen, die auf das natürliche<br />
Umfeld der Persönlichkeit wirken und es verändern;<br />
- das Sein und das Bewusstsein der die Welten schaffenden Hierarchien;<br />
- der überbewusste, aber individuelle Inhalt, welcher der Monade<br />
der gegebenen Persönlichkeit angeboren ist;<br />
- das Bewusst-Sein des All-Einigen, in Dem Sein und Bewusstsein<br />
eins sind und keine unterschiedlichen, einander widersprechenden<br />
Kategorien.<br />
Wenn es nicht um eine einzelne Person mit ihrem Sein und Bewusstsein<br />
geht, sondern um das Universum, genauer um das Erscheinen des<br />
Bewusstseins in der organischen Materie irgendwelcher Welten, so ist<br />
klar: Da das Universum vom All-Einigen bestimmt wird, wird die Gegenüberstellung<br />
von Sein und Bewusstsein ausgeschlossen. Soweit das<br />
Universum durch das Tun der von Gott geschaffenen Monaden bestimmt<br />
wird, verliert die Hypothese vom Entstehen des Bewusstseins<br />
aus einer „toten Materie“ an Sinn. Denn wenn es keine von Gott geschaffenen<br />
Monaden geben würde, würde keinerlei Materie entstehen,<br />
weder organische noch anorganische.<br />
Über die Primitivität der klassischen Definitionen könnte man heute<br />
gutmütig scherzen, wenn nicht eine von ihnen zum philosophischen<br />
Dogma einer politischen Doktrin erhoben worden wäre und an unzähligen<br />
Unglücken schuldig wurde, indem sie das freie Denken vieler<br />
erstickte und die Geistigkeit aus der Sphäre ihres Bewusstseins vertrieb.<br />
Die zweite klassische Definition war ebenso falsch, jedoch weniger<br />
gefährlich, da sie geistiger war. Doch enthebt dies die alten Religionen<br />
mit ihren Philosophemen nicht der Schuld, so viele Jahrhunderte<br />
auf scholastische Tüfteleien verwandt und sich nicht einen Schritt der<br />
166
Über die metahistorische und die transphysische Erkenntnismethode<br />
Frage nach dem Primat von Sein und Bewusstsein angenähert zu haben.<br />
5. Die verschiedenstoffliche Struktur des Menschen<br />
Unter den zahlreichen Welten des Shadanakar gibt es eine vielschichtige<br />
Welt, wo sich menschliche Monaden aufhalten – als unteilbare<br />
und unsterbliche geistige Einheiten, die höheren Ich des Menschen.<br />
Die von Gott – und nur von Gott – geschaffenen und einige (sehr wenige)<br />
von ihm auf geheimnisvolle Weise geborene Monaden, sie betraten<br />
das Shadanakar, erst nachdem sie sich mit einer sehr feinen Materie<br />
umgeben hatten, die man richtiger als Energie bezeichnen sollte: Es<br />
handelt sich dabei um eine Substanz, die das gesamte Shadanakar<br />
durchdringt und in die sich deswegen jeder individuelle Geist einhüllt,<br />
der in unsere Bramfatura hineingeht. Die Welt, in der sich die Monaden<br />
aufhalten, heißt I r o l n .<br />
Die schöpferische Arbeit, die zur Erleuchtung des Universums führt,<br />
ist Aufgabe aller Monaden außer der dämonischen, und unter den<br />
Menschen gibt es keine dämonischen Monaden. Die menschlichen<br />
Monaden vollbringen dieses Schöpfertum in den niederen Welten,<br />
wobei sie während ihres Abstiegs die materiellen Hüllen für die Einwirkung<br />
auf die entsprechenden Schichten erzeugen.<br />
Zuerst schafft die Monade einen Schält aus der Stofflichkeit der fünfdimensionalen<br />
Räume, dann einen Astralleib aus der Stofflichkeit der<br />
vierdimensionalen Räume. Diese Hüllen vereinigen sich in unserer<br />
Vorstellung häufig unter der Bezeichnung „Seele“. Der Schält ist ein<br />
materielles Gefäß der Monade mit ihren göttlichen Eigenschaften und<br />
gleichzeitig ihr erstes Werkzeug. Nicht die Monade selbst, die im fünfdimensionalen<br />
Iroln verbleibt, sondern eben ihr Schält ist das Ich, welches<br />
seine Wanderung durch die niederen Schichten beginnt. Der<br />
Schält wird durch die Monade selbst geschaffen, an der Schöpfung des<br />
Astralleibes ist das Große Stichial – M u t t e r E r d e –<br />
beteiligt.<br />
Die Mutter Erde wirkt am Astralleib aller Wesen des Shadanakar mit –<br />
Menschen, Engel, Daimonen, Tiere, Stichialien, Dämonen und auch<br />
der Großen Hierarchien, wenn Letztere in die Schichten herniederstei-<br />
167
Rosa Mira<br />
gen, wo ein Astralleib notwendig ist. Dieser ist das höchste Instrument<br />
des Schältes. In ihm sind Fähigkeiten konzentriert wie geistiges Sehen,<br />
geistiges Hören, geistige Geruchsempfindung, das Tiefengedächtnis,<br />
die Fähigkeit zur Levitation, die Fähigkeit zur Kommunikation mit den<br />
Sinkliten, mit den Daimonen, den Stichialien und den Engeln, die Fähigkeit<br />
zur Wahrnehmung kosmischer Panoramen und Perspektiven.<br />
Und weiter: Die Mutter Erde, die vom Sonnengeist geschwängert wird,<br />
gebiert für die sich verkörpernden Monaden den Ätherleib. Ohne ihn<br />
ist kein Leben in den drei- und vierdimensionalen Welten möglich.<br />
Und wenn der Schält mit all seinen Hüllen, die ätherische eingeschlossen,<br />
im Enrof das äußerste, zeitlich eng begrenzte und letzte seiner<br />
Gefäße – den physischen Körper – verlässt, dann verbleibt im Enrof<br />
lediglich eine Leiche. Der physische Körper aber wird für uns durch<br />
die Engelshierarchien geschaffen, – sie schaffen die Materie selbst. Mit<br />
Hilfe des Großen Stichials der Menschheit L i l i t h wird aus<br />
dieser dreidimensionalen Stofflichkeit die Genealogienkette aufgebaut.<br />
Die eigentliche Einwirkung der Monade besteht dabei darin, dass sie<br />
mittels ihres Schältes einem bestimmten Glied in der genealogischen<br />
Kette ihre Individualität verleiht.<br />
Somit wird der Prozess des Abstiegs vollendet, es beginnt der Prozess<br />
des Aufstiegs.<br />
Die Monade kann sowohl nur einmal als auch mehrmals eine physische<br />
Verkörperung erfahren. Der Ätherleib wird im letzteren Fall nur<br />
dann neu geschaffen, wenn sein Träger durch das Karmagesetz genötigt<br />
war, in die Kreise der großen Leiden hinabzusteigen. Beim aufsteigenden<br />
Weg aber begleitet der Ätherleib seinen Träger durch alle Welten<br />
der Erleuchtung bis hin zu den S a t ó m i s s e n , zum<br />
Aufenthaltsort der erleuchteten Menschheit, zu den himmlischen Städten<br />
der Metakulturen. Die Lebenssubstanz, aus welcher der Ätherleib<br />
besteht, ist zwar nicht universell. Mit ihr sind jedoch alle drei- und<br />
vierdimensionalen Welten angefüllt. Wenn man sich an die alten Offenbarungen<br />
der Menschheit erinnert, wäre es wohl am gerechtfertigsten,<br />
diese Substanz Arungvilta-Prana zu nennen.<br />
Der Astralleib begleitet seinen Träger beim weiteren Aufstieg bis in<br />
die Sakuala der Hohen Pflichterfüllung. Danach bleibt nur noch der<br />
168
Über die metahistorische und die transphysische Erkenntnismethode<br />
Schält übrig, welcher, völlig erleuchtet, mit der Monade zu einer Einheit<br />
verschmilzt. Und dann verlässt die Monade den Iroln und betritt,<br />
vom äußerst verfeinerten Schält umhüllt, die Leiter zu den höchsten<br />
Welten des Shadanakar. In den folgenden Teilen des <strong>Buch</strong>es werde<br />
ich, soweit es in meiner Kraft steht, auf diese von mir bislang nur erwähnten<br />
Schichten näher eingehen. Und es tut mir Leid, dass ich nicht<br />
imstande bin, die Fragen nach dem Zusammenwirken von verschiedenen<br />
Hüllen der Monade, nach den Funktionen und nach dem Aufbau<br />
einer jeden ausführlicher zu erläutern.<br />
6. Die Metakulturen<br />
Die Struktur des Shadanakar, zu deren breitester Problematik ich schon<br />
bald übergehen möchte, wird in ihren Grundlagen unverständlich bleiben,<br />
solange über solche Begriffe wie Metavolk, Metakultur und<br />
Transmythos noch keine Klarheit herrscht.<br />
Ein Metavolk ist die Gesamtheit von Nationen, die durch eine gemeinsam<br />
geschaffene Kultur vereint sind, oder auch eine einzelne Nation,<br />
wenn ihre eigene Kultur ein großes Maß an Klarheit und Individualität<br />
erreicht hat. Dabei versteht es sich von selbst, dass es keine völlig isolierten<br />
Kulturen geben kann, vielmehr bedingen sie einander. Und<br />
doch ist jede solche Kultur einzigartig und ungeachtet des Einflusses,<br />
den sie auf andere verübt, bleibt sie in ihrer gesamten Fülle der Reichtum<br />
ihres Schöpfers, des Metavolkes.<br />
Der letzte Begriff wäre in der vorliegenden Konzeption entbehrlich,<br />
wenn er nicht neben einer historischen auch über eine metahistorische<br />
Bedeutung verfügen würde. Die Rolle eines Metavolkes erschöpft sich<br />
nicht in der kulturellen Sphäre des Enrof, sondern sie wird wirksam in<br />
allen materiellen Schichten sowohl der aufsteigenden als auch der absteigenden<br />
Reihe, bis dahin, dass einige Teile dieser Schichten vom<br />
Einfluss ausschließlich dieses Volkes geprägt werden. Wir dürfen nicht<br />
vergessen, dass einem Metavolk nicht nur seine heutigen Vertreter<br />
angehören, sondern auch viele von denen, die ihm früher angehörten.<br />
Einige von ihnen, die teilweise in der grauen Vorzeit gelebt haben,<br />
bleiben in den transphysischen Schichten aktiv mit ihrem Metavolk<br />
verbunden.<br />
169
Rosa Mira<br />
Über der Menschheit, über allen Metavölkern, erhebt sich eine Art<br />
Leiter, deren Stufen einzelne Schichten des Shadanakar bilden. Aber<br />
über jedem Metavolk haben diese Schichten andere Nuancen, eine<br />
andere Physiognomie, einen anderen Inhalt. Mehr noch: Es gibt sogar<br />
solche Schichten, die nur einem einzigen Metavolk zugeordnet sind.<br />
Genauso steht es mit den dämonischen Welten der absteigenden Reihe,<br />
die eine Art Leiter unter den Metavölkern darstellen. Auf diese Weise<br />
betrachtet besteht ein erheblicher Teil des Shadanakar aus einzelnen<br />
vielschichtigen Segmenten. Jedem dieser Segmente entspricht im Enrof<br />
nur ein Metavolk mit seiner Kultur. Diese vielschichtigen Segmente<br />
des Shadanakar tragen die Bezeichnung Metakulturen.<br />
Jedes Metavolk verfügt über seinen eigenen Mythos. Dieser Mythos<br />
wird nicht mit der Kindheitsperiode der Geschichte des Volkes abgeschlossen<br />
– ganz im Gegenteil. Doch da die traditionelle Nutzung des<br />
Wortes Mythos nicht mit der Bedeutung zusammenfällt, die ich hier<br />
verwenden möchte, erkläre ich die Letztere ausführlich.<br />
Wenn wir von streng koordinierten Systemen ideell aufgeladener<br />
Symbole sprechen, die umfassende internationale Lehren verkörpern<br />
und die ihren Ausdruck in den Überlieferungen und Kulten gefunden<br />
haben, in Theosophemen und Philosophemen, in der dichterischen und<br />
in der bildenden Kunst und schließlich im moralischen Kodex, dann ist<br />
die Rede von den Mythen der großen internationalen Religionen . Es<br />
gibt vier solche Mythen, den hinduistischen, den buddhistischen, den<br />
christlichen und den moslemischen.<br />
Wenn wir von streng koordinierten Systemen ideell aufgeladener<br />
Symbole sprechen, die das Verhältnis der Metavölker zum Enrof, zu<br />
den transphysischen und geistigen Welten bestimmen, von Systemen,<br />
welche in bestimmte Religionen münden und in der Geschichte der<br />
jeweiligen Metavölker eine zentrale Rolle spielen, sich aber kaum über<br />
deren Grenzen verbreitet haben, dann sprechen wir von national-religiösen<br />
Mythen einzelner Metavölker . Von solcher Art sind der ägyptische,<br />
altiranische, jüdische, altgermanische, gallische, aztekische, japanische<br />
Mythos und einige andere.<br />
Wenn wir eine Symbolik betrachten, die genauso ideell angereichert ist<br />
und die auch eventuell verbunden ist, wenngleich auch nicht so eng,<br />
170
Über die metahistorische und die transphysische Erkenntnismethode<br />
mit religiösen und ethischen Ideen, doch die noch kein strenges System<br />
gebildet hat, wenn wir es also mit einer Reihe moralischer, transphysischer,<br />
metahistorischer oder universeller Wahrheiten zu tun haben, die<br />
gezielt mit den Gegebenheiten und Notwendigkeiten bestimmter Kulturen<br />
verbunden sind, dann haben wir es mit allgemeinen Mythen der<br />
Metavölker zu tun. Von solcher Art sind die Mythen des südwestlichen<br />
(römisch-katholischen) Metavolkes, des nordwestlichen (germanischprotestantischen)<br />
Metavolkes und des russischen Metavolkes. 28<br />
Und schließlich muss noch die vierte und damit die letzte Gruppe betrachtet<br />
werden – die allgemeinen nationalen Mythen . Dabei handelt es<br />
sich um Mythen einzelner Völkerschaften, die den Metavölkern angehören<br />
und zusätzlich zu den allgemeinen Mythen der Metavölker ihre<br />
eigenen, sehr lokalen Mythen schaffen, die sich weder in strenge Systeme<br />
noch in Religionen ummünzen lassen. Als Beispiele könnte man<br />
die heidnischen Mythen der slawischen, der finnischen, der turkotatarischen<br />
Stämme und auch noch die Mythen einiger vereinzelter und<br />
zurückgebliebener Stämme Indiens anführen. Im Grunde genommen<br />
kann man solche Mythen bei ziemlich vielen Ethnien vorfinden, allerdings<br />
öfter im Keimzustand und seltener in einer deutlich ausgebildeten<br />
Form.<br />
Wir werden hier den Begriff „Mythos“ auf keine anderen Erscheinungen<br />
der Kulturgeschichte anwenden. Die drei letzten Gruppen von<br />
Mythen gehören damit der Spezifik einzelner Kulturen an. Die erste<br />
Gruppe – das sind Mythen der internationalen Religionen, die mystisch<br />
(bis auf einen) mit solch hohen Schichten des Shadanakar verbunden<br />
sind, die bereits über den Segmenten liegen, die wir Metakulturen nennen.<br />
Es scheint mir, dass der Begriff „national-religiöse Mythen“ ohne<br />
Schwierigkeiten aufgenommen wird. Den allgemeinen Mythen der<br />
Metavölker sollte man, für ein besseres Verständnis, nähere Definitionen<br />
geben.<br />
28<br />
In einigen Kulturen, zum Beispiel in der griechisch-römischen oder babylonischassyrisch-kanaanäischen,<br />
trat die Entwicklung der Mythen schon aus dem „allgemeinen“<br />
Stadium heraus, ist aber noch nicht zu einem System verbunden worden, das<br />
genügend stringent dafür wäre, um diese Mythen zur Gruppe der national-religiösen<br />
Mythen der Metavölker zu zählen. – Anm. des Autors<br />
171
Rosa Mira<br />
Die induktive Definition:<br />
Der allgemeine Mythos eines Metavolkes ist die Summe seiner Vorstellungen<br />
über den transphysischen Kosmos, über die Beteiligung an<br />
ihm der jeweiligen Kultur und jedes dieser Kultur angehörenden Ich. 29<br />
Diese Vorstellungen werden durch die Kultur ausgearbeitet und manifestieren<br />
sich in einem Zyklus religiös-philosophischer Ideen, in einem<br />
Zyklus künstlerischer Gestalten, in einem Zyklus sozial-ethischer Begriffe,<br />
in einem Zyklus staatlich-politischer Gesetze und schließlich in<br />
einem Zyklus gesellschaftlicher Regeln, die im Ritus, im Alltag und im<br />
Brauchtum gelebt werden.<br />
Die deduktive Definition:<br />
Der allgemeine Mythos eines Metavolkes ist die Bewusstwerdung seiner<br />
zweiten Realität bei seinen führenden schöpferischen Vertretern.<br />
Ein Teil des Volkes befindet sich bereits dort, in dieser über dem Volk<br />
stehenden Realität, in der seine Führung und die Wurzeln seines<br />
Schicksals verborgen sind. Diese Realität wird reflektiert, obgleich die<br />
entstehende Vorstellung durch abseitige, aus der ungeordnetmenschlichen<br />
Natur stammende Zusätze verdunkelt wird.<br />
Diese zweite Realität, die zum Objekt der transphysischen und metahistorischen,<br />
künstlerischen und philosophischen Aneignung wird,<br />
bezeichnen wir hier mit dem Begriff T r a n s m y t h o s .<br />
Es versteht sich von selbst, dass der Grad der Annäherung des Mythos<br />
an den Transmythos ziemlich verschieden sein kann. Die Begrenztheit<br />
jener, die den Transmythos durch Intuition, Träume, künstlerische<br />
Versuche, religiöse Kontemplation oder metahistorische Erleuchtung<br />
erfahren; die nationalen, epochalen, klassenmäßigen und persönlichen<br />
Besonderheiten ihrer Bewusstseinsentitäten und jenes unterbewussten<br />
Bereichs ihres Wesens, welcher am Erkenntnisprozess beteiligt ist; die<br />
Unmöglichkeit, in Wort oder Bild der dreidimensionalen Kunst genaue<br />
Analogien für die Realitäten andersstofflicher Welten zu finden: Führt<br />
dies alles nicht etwa zu unzähligen Abweichungen, zur Überfrachtung<br />
des Mythos mit Zufälligem, Ungenauem, Anthropomorphem, Primiti-<br />
29<br />
Dabei muss die „jeweilige Kultur“ nicht einmal genauer umrissen werden, als es<br />
zum Beispiel bei den Griechen und Römern der Fall war, die sich der gesamten übrigen<br />
Menschheit entgegenstellten und diese als Barbaren bezeichneten. – Anm. des<br />
Autors<br />
172
Über die metahistorische und die transphysische Erkenntnismethode<br />
vem, selbst einfach nur fast Richtigem? Aber der Mythos ist dynamisch,<br />
er fließt, verändert sein Gesicht, – und seine späteren Phasen<br />
kommen in der Regel dem Transmythos näher, da im Laufe der Jahrhunderte<br />
die aufnehmenden Bewusstseinsentitäten feiner, reicher,<br />
wachsamer und breiter werden.<br />
Doch gleichzeitig entwickelt sich auch der Transmythos selbst. Die<br />
jenseitige Realität ist voll brodelnder Bewegung, von einer Statik kann<br />
bei ihr keine Rede sein. Wie sich die Stadtfestungen der Merowinger<br />
vom modernen Paris unterscheiden, so unterscheiden sich die Landschaft,<br />
die Gebäude und der gesamte Inhalt der Transmythen zur Zeit<br />
ihrer Entstehung von jenen am Ende ihrer metahistorischen Entwicklung.<br />
Und auf allen Stadien der Entwicklung des Transmythos existieren<br />
neben dem Metavolk des Enrof zwei andere Realitäten, zwei andere<br />
Schichten, zwei Pole der metakulturellen Sphäre. Um diese herum und<br />
zwischen ihnen befinden sich auch weitere Schichten, aber jede von<br />
ihnen entstand später oder erfuhr schon grundsätzliche Veränderungen<br />
(einige verschwanden ganz). Dauerhaft unzerstörbar sind nur drei Bereiche:<br />
Im Enrof – das Metavolk, im jenseitigen Oben – seine erleuchteten<br />
Seelen und seine heiligen Städte im himmlischen Land der Metakultur,<br />
und im jenseitigen Unten, in den Welten der absteigenden Reihe,<br />
– der Antipol dieses Himmlischen Landes, jene Zitadelle dämonischer<br />
Mächte der jeweiligen Metakultur, die in den Schichten errichtet<br />
wird, die mit dem tiefsten Inneren des materiellen Körpers des Planeten<br />
verbunden sind.<br />
Die himmlischen Gefilde heißen S a t ó m i s s e , die unterirdischen<br />
Zitadellen – S c h r á s t r e n . Gewöhnlich sind in den<br />
Mythen von diesen zwei Polen klarer und deutlicher eben die Satomisse<br />
abgebildet. Die Bilder der Schrastren verdichten sich nicht zu irgendeiner<br />
vollendeten Form. Die Satomisse aber, die Aufenthaltsorte<br />
der Sinklite der Metakulturen, kann man in den Mythen aller Metavölker<br />
finden, und zwar sowohl in den religiösen als auch in den allgemeinen.<br />
So steht es mit dem Eanna der Babylonier: Die Zikkurat in der Stadt<br />
Erech war nach den Auffassungen der Sumer-Akkader das Ebenbild<br />
173
Rosa Mira<br />
dieses Berges der Götter, des himmlischen Eanna, und später wird von<br />
den Babyloniern ein ähnlicher Sinn im wichtigsten Kultgebäude ihrer<br />
großen Stadt, dem siebenstufigen Tempel Esagil, gesehen. Von derselben<br />
Art ist der Olymp der Griechen und Römer und auch das Sumera<br />
(Meru) der Inder – der hinduistische Olymp, auf dessen Abhängen die<br />
himmlischen Städte der Götter des Hinduismus erstrahlen. Von solcher<br />
Art sind die Bilder des Paradieses – Edens – in der Byzantinischen und<br />
Römisch-Katholischen Metakultur, Dshannet in der Arabisch-<br />
Moslemischen, Shan-Ti in der Chinesischen, Montsalvat in der Nordwestlichen<br />
und Kitesch in der Russischen Metakultur.<br />
Wer versucht, durch die sich zusammenballenden Wolken der Künste<br />
und Glaubenssysteme, Mythologien und Staatsgebilde das himmlische<br />
Land der Nordwestlichen Metakultur auszumachen, der darf nicht eine<br />
Minute lang vergessen, dass die Metavölker, solange sie im Enrof existieren,<br />
niemals die Schöpfung ihrer Mythen vollenden. Es ändern sich<br />
die Ausdrucksformen, neue Menschengruppen treten auf der historischen<br />
Arena auf, von den anonymen Schöpfern der Folklore und des<br />
Brauchtums geht die Aufgabe der Mythenschöpfung an die Denker<br />
und Künstler weiter, deren Namen vom gesamten Volk geehrt werden.<br />
Doch der Mythos lebt. Er lebt, wird vertieft und mit neuem Inhalt gefüllt,<br />
er entdeckt in alten Symbolen einen neuen Sinn und führt neue<br />
Symbole ein. Seine neue Symbolik entspricht zum einen dem höheren<br />
Stadium der kulturellen Entwicklung der Rezipienten und zum anderen<br />
der lebendigen metahistorischen Entwicklung des Transmythos selbst.<br />
Das himmlische Land der Nordwestlichen Metakultur erscheint uns im<br />
Bilde Montsalvats, dem Berggipfel des Ewigen Lichts. Hier bewahren<br />
die gerechten Ritter Jahrhundert um Jahrhundert die Schale mit dem<br />
Blut des verkörperten Logos auf, welches Joseph von Arimathia am<br />
Kreuze gesammelt hatte und dem Pilger Titurel, dem Begründer Montsalvats,<br />
überbrachte. Dort, von Montsalvat entfernt, erhebt sich ein<br />
gespenstiges Schloss, welches vom Zauberer Klingsor geschaffen wurde:<br />
als Zentrum der von Gott abgefallenen Kräfte, die mit nicht zu<br />
beugender Hartnäckigkeit danach streben, die Macht der Bruderschaft<br />
zu brechen – derjenigen, die die höchsten Heiligtümer und Geheimnisse<br />
hüten.<br />
174
Über die metahistorische und die transphysische Erkenntnismethode<br />
Dies sind die zwei Pole des allgemeinen Mythos des nordwestlichen<br />
Metavolkes, gestaltet durch die namenlosen Autoren der altkeltischen<br />
Sagen über Wolfram von Eschenbach bis hin zu Richard Wagner. Die<br />
Annahme, dass die Symbolik des Mythos durch Wagners „Parsifal“<br />
vollendet wurde, ist bei weitem nicht unumstritten und wahrscheinlich<br />
verfrüht. Der Transmythos von Montsalvat wächst, er wird immer<br />
grandioser. Wir werden hoffen, dass sich aus der Masse der nordwestlichen<br />
Völker noch Denker und Poeten erheben werden, denen es die<br />
metahistorische Erleuchtung erlaubt, das heutige himmlische Land<br />
Montsalvat zu erfahren und widerzuspiegeln.<br />
Natürlich bleibt die Mehrheit der großen Heldengestalten des nordwestlichen<br />
Mythos mit dem Symbol Montsalvats nicht direkt verbunden.<br />
Wenn man eine unbedingte und direkte Verbindung erwarten<br />
würde, würde dies bedeuten, dass man eine enge und formale Herangehensweise<br />
und ein völliges Unverständnis dessen zeigen würde, was<br />
einen allgemeinen Mythos des Metavolkes von seinem nationalreligiösen<br />
Mythos unterscheidet. Mythisch ist letztendlich jedes<br />
menschliche Symbol, welches durch einen großen Schriftsteller, Maler<br />
oder Komponisten geschaffen wird und welches im Bewusstsein und<br />
Unterbewusstsein von Millionen Menschen weiterlebt und zum inneren<br />
Gut eines jeden wird, der dieses Symbol schöpferisch rezipiert.<br />
Kriemhilde und Ophelia, Macbeth und Brand, Rembrandts Esther und<br />
Goethes Margarethe, Egmont und Mr. Pickwick, Jean Christophe und<br />
Jolyon Forsyte sind ebenso mythisch wie Lohengrin und Parzival.<br />
Doch worin besteht die Verbindung sowohl der künstlerischen Symbole<br />
als auch der philosophischen und sozialen Ideen der nordwestlichen<br />
Kultur mit den Polen des nordwestlichen Mythos – mit Montsalvat und<br />
dem Schloss Klingsors? Die Pole des Mythos eines jeden Metavolkes<br />
sind von einer Vielzahl von Kreisen umgeben, von ganzen Symbolwelten,<br />
deren Verbindung zur Mitte sich nicht in einer sujetbezogenen<br />
Abhängigkeit von dieser offenbart, sondern in einer inneren Verwandtschaft<br />
mit ihr und gleichsam in der Fähigkeit der Menschen, diese<br />
Symbole im Prozess der metahistorischen Wahrnehmung als mythische<br />
Symbole zu vergegenwärtigen.<br />
Faust ist natürlich nicht Merlin, Byrons Kain nicht Klingsor, Peer Gynt<br />
nicht Amfortas, und Hauptmanns Emmanuel Quint mit Parzival zu<br />
175
Rosa Mira<br />
vergleichen wäre mehr als nur sonderbar. Eine der zentralen Gestalten,<br />
Kundry, hat offensichtlich keinerlei gleichwertige Parallelen an der<br />
Peripherie des Mythos erfahren. Andererseits finden wir keinerlei Ursymbole<br />
im Zentrum des nordwestlichen Mythos für solche Gestalten<br />
wie Hamlet oder Lear, wie Margarethe oder Solveig. Aber ihr Blick ist<br />
dorthin gerichtet, an ihren Gewändern flackert der rötliche Widerschein,<br />
mag er vom Gral stammen oder von den zauberischen Flammen<br />
Klingsors. Diese mächtigen Figuren, die sich auf den verschiedenen<br />
Etappen des künstlerischen Realismus erheben, sich auf den verschiedenen<br />
Stadien der mystischen Erleuchtung befinden, gleichen den<br />
Skulpturen, die den Aufstieg in das Heiligtum schützen, zu dem höchsten<br />
Geheimnis der nordwestlichen Völker, welches in die Länder, deren<br />
Himmelsgewölbe sich gerade verfinstert, geistige Wellen der Vorsehung<br />
und Seligkeit hineinträgt.<br />
Erkennen wir den Widerschein dieses heiligen Lichts oder den Abglanz<br />
von seinem mythischen Gegenpol, dem teuflischen Schloss<br />
Klingsors, etwa nur auf den Legenden über die Ritter der Tafelrunde<br />
und auf den Mysterien Bayreuths? Wenn Montsalvat aufhören würde,<br />
für uns lediglich ein poetisches Symbol, ein bezauberndes Märchen<br />
oder ein ebensolches Musikstück unter anderen zu sein, wenn Montsalvat<br />
für uns seine wahre Bedeutung erlangen würde – die Bedeutung<br />
von einer höheren Realität, dann würden wir seinen Widerschein auf<br />
den gotischen Abteien entdecken und auf den barocken Bauten, auf<br />
den Gemälden von Ruisdael und Dürer und auf den Landschaftsmalereien<br />
aus der Donau- und Rheinebene, aus Böhmen und der Bretagne,<br />
auf den Fensterrosen hinter den Altären der Kirchen und in dem<br />
streng-kärglichen Kultus des Luthertums. Diesen Widerschein würden<br />
wir deutlich in den gottlosen, seelenlosen Schlossparkanlagen des<br />
Sonnenkönigs sehen und in den Konturen jener Städte, die hinter dem<br />
Ozean gleich einem künstlichen Pamirgebirge emporragen. Wir würden<br />
diesen Widerschein in der Lyrik der Romantiker und in den Werken<br />
der großen Dramaturgen wahrnehmen, im Freimaurertum und<br />
Jakobinertum, in den Systemen Fichtes und Hegels, selbst in den Doktrinen<br />
Saint-Simons und Fouriers.<br />
Es wäre eine spezielle Arbeit erforderlich, um darauf hinzuweisen,<br />
dass die Errungenschaften der modernen Wissenschaft, die Wunder der<br />
Technik, genau wie die Ideen des Sozialismus und sogar des Kommu-<br />
176
Über die metahistorische und die transphysische Erkenntnismethode<br />
nismus auf der einen und des Nationalsozialismus auf der anderen<br />
Seite, von der Sphäre des Mythos über Montsalvat und Klingsor umschlossen<br />
werden. Nichts, nicht die wissenschaftlichen Erkenntnisse<br />
unserer Tage und nicht einmal die Beherrschung der Atomenergie,<br />
führt die nordwestliche Menschheit aus den Grenzen heraus, die von<br />
der prophetischen Symbolik dieses Mythos vorgegeben sind. Ich nehme<br />
an, dass sich dem aufmerksamen Leser diese verborgenen Querverbindungen<br />
noch erschließen werden.<br />
Ich habe nur deshalb begonnen, über eine der Metakulturen mit ihrem<br />
Mythos und Transmythos zu sprechen, um anhand der konkreten Bilder<br />
die geäußerten Ideen zu verdeutlichen: die Vorstellungen über die<br />
himmlischen Gefilde der Menschheit, die in den erleuchteten Schichten<br />
auf den Gipfeln der Metakulturen existieren, und die Vorstellungen<br />
über deren Antipoden, über die Zitadellen der von Gott abgefallenen<br />
Elemente, die tätig ihren Antikosmos gestalten und mit den Kräften<br />
des Lichts ringen, – in allen Metavölkern des Enrof, in allen Schichten,<br />
in allen Zonen der Metakulturen.<br />
Aber die Leiter der Schichten des Shadanakar endet nicht dort, wo die<br />
Segmente der Metakulturen ihre Vollendung erfahren: Es erheben sich<br />
dann die fünf- und sechsdimensionalen Welten, die auch ihre undeutliche<br />
Widerspiegelung in den Mythen und Religionen der Menschheit<br />
erfuhren. In diesem Sinn könnte man viele dieser Schichten auch als<br />
„Transmythen“ bezeichnen. Aber im engeren und höheren Sinne wird<br />
die Bezeichnung „Transmythos“ auf eine besondere Sakuala angewendet:<br />
Dabei handelt es sich um ein System von Welten, die fünf räumliche<br />
Dimensionen haben und eine riesige Anzahl zeitlicher Koordinaten.<br />
Das sind fünf grandiose herrliche durchsichtige Pyramiden, die<br />
wie fünf Sonnen aus sich heraus strahlen und unzerstörbar über dem<br />
Enrof stehen.<br />
Nicht nur der Enrof, sondern auch die himmlischen Gefilde der Metakulturen<br />
erscheinen von da aus als tief unten, im Dunkeln liegend. Die<br />
Welten dieser Sakuala sind die Höchsten Aspekte von drei (nicht vier!)<br />
großen Weltreligionen und von zwei Religionen, die ihre nationale<br />
Begrenztheit aus historischen Gründen noch kaum überwunden haben,<br />
die aber vom Glanz ihrer Satomisse und dieser weitaus höheren Sakua-<br />
177
Rosa Mira<br />
la gezeichnet sind. Um diese Sakuala wird es ausführlicher in einem<br />
der folgenden Teile gehen.<br />
Vorher möchte ich noch eine Bemerkung machen. Ich denke, dass sich<br />
bei vielen, die dieses <strong>Buch</strong> lesen, einige Verwunderung einstellen<br />
wird: Warum werden die Länder der transphysischen Welt, die Schichten<br />
des Shadanakar und auch die Bezeichnungen fast aller Hierarchien<br />
mit neuen, nicht russischen Namen versehen? Dies geschieht deshalb,<br />
da die Russische Metakultur eine der jüngeren ist. Als ihr Sinklit sich<br />
herauszubilden begann, war alles schon vorher bezeichnet worden.<br />
Meistens erinnert der Klang dieser Worte an Sanskrit, Latein, an Griechisch,<br />
Hebräisch und Arabisch. Aber manchmal handelt es sich um<br />
noch ältere Sprachen, die bisher keinem einzigen Philologen bekannt<br />
sind. Es versteht sich von selbst, dass auch ich sie nicht kenne und<br />
ebenso wenig ihre sonderbare phonetische Physiognomie einzuordnen<br />
vermag.<br />
Jetzt ist meines Erachtens die Einführung vollendet worden, ohne welche<br />
die restlichen Teile des Werkes unverständlich bleiben könnten.<br />
Vor uns liegen vier Teile, die fast völlig der Beschreibung der Struktur<br />
des Shadanakar gewidmet sind: eine Art transphysischer Geographie.<br />
Und dann erst, nachdem wir eine, wenn auch noch so unzureichende<br />
Vorstellung von der Arena und den Helden des metahistorischen Mysteriums<br />
werden bekommen haben, wird es möglich sein, zu den Teilen<br />
überzugehen, die den metahistorischen Prozessen selbst gewidmet<br />
sind, insbesondere der Metageschichte Russlands und seiner Kultur<br />
wie auch der Metageschichte der Gegenwart.<br />
Die Letztere wird mit den Aufgaben und dem konkreten Programm<br />
von Rosa Mira zusammenhängen, mit der Beschreibung der historischen<br />
Wege, welche die unblutige Vereinigung der Menschheit möglich<br />
machen, zum allgemeinen Überfluss und zur Erziehung der Generationen<br />
von edlen Menschen führen, die Umgestaltung des Planeten in<br />
einen Garten und des Staates zu einer weltweiten Brüderlichkeit bewirken.<br />
Von dort schlagen wir die Brücke zu den letzten <strong>Kapitel</strong>n: zu<br />
einigen entfernten historischen Prognosen, zum Problem der apokalyptischen<br />
Kataklysmen der Weltgeschichte und zum unausweichlichen,<br />
wenn auch katastrophalen Übergang des Enrof in eine andere, höhere<br />
Form der Stofflichkeit, in eine andere Schicht des Daseins. Den kosmi-<br />
178
Über die metahistorische und die transphysische Erkenntnismethode<br />
schen Perspektiven, die sich dabei eröffnen, sind die letzten Zeilen<br />
gewidmet.<br />
179
Im Verlag sind erschienen:<br />
Daniil Andrejew. Rosa Mira. <strong>Band</strong> 1 (Bücher I – VI),<br />
ISBN 978-3-9808919-7-4 (2. Auflage)<br />
Daniil Andrejew. Rosa Mira. <strong>Band</strong> 2 (Bücher V<strong>II</strong> – X),<br />
ISBN 978-3-9811767-2-8<br />
Daniil Andrejew. Rosa Mira. <strong>Band</strong> 3 (Bücher XI – X<strong>II</strong>),<br />
ISBN 978-3-9811767-3-5<br />
Vega e. K.<br />
Neufelder Str. 1<br />
D-67468 Frankeneck<br />
Tel.: +49 (0)6325 1840300<br />
Tel.: +49 (0)6325 1840301<br />
Fax: +49 (0)6325 980997<br />
vega@vega-ek.de<br />
www.vega-ek.de<br />
www.rosamira.de