(6,54 MB) - .PDF - Hofkirchen bei Hartberg
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Gemeindeinformation<br />
Freiwilliges Soziales Jahr<br />
Matura, was nun? Auch ich stellte<br />
mir vor ein paar Monaten diese Frage.<br />
Schließlich bekommt man immer<br />
wieder, vor allem von Lehrpersonen,<br />
zu hören, dass nun der „Ernst des Lebens“<br />
beginne... Doch woher soll man<br />
wissen, was für einen das Richtige ist?<br />
Uni, Fachhochschule, Kolleg, Ar<strong>bei</strong>tswelt…<br />
Dass einem mit der Matura alle<br />
Türen offen stehen, ist zwar einerseits<br />
positiv, aber andererseits erschwert<br />
es auch die Entscheidung.<br />
Die weit verbreitete Aussage „In der<br />
Schule lernt man fürs Leben“ wollte<br />
ich nicht einfach so hinnehmen.<br />
Schließlich gibt es im Leben oft genug<br />
Situationen, in denen einem all<br />
die lateinischen Vokabel und mathematischen<br />
Formeln auch nicht weiterhelfen<br />
können. Ich habe es schon<br />
immer schade gefunden, dass in unserem<br />
Schulsystem einfach kein Platz<br />
für Soziales ist. Meiner Meinung nach<br />
wäre es angebracht, ein Unterrichtsfach<br />
einzuführen, in dem soziale Kompetenzen<br />
gefördert werden. Nach reiflicher<br />
Überlegung entschied ich mich<br />
schließlich, ein Jahr Auszeit vom System<br />
Schule zu nehmen und ein „Freiwilliges<br />
Soziales Jahr“ zu machen.<br />
Ich habe gemerkt, dass zwar viele<br />
schon vom Freiwilligen Sozialen Jahr<br />
(FSJ) gehört haben, die wenigsten<br />
können sich jedoch darunter etwas<br />
vorstellen. Darum möchte ich im Folgenden<br />
einen kurzen Überblick über<br />
das FSJ geben.<br />
Ein FSJ dauert 10 Monate und wird<br />
auch oft als der „Zivildienst für Mädchen“<br />
bezeichnet. Der größte Unterschied<br />
zum Zivildienst ist jedoch, dass<br />
man <strong>bei</strong>m FSJ weder ins kalte Wasser<br />
geworfen, noch alleine gelassen wird.<br />
Es gibt einen Vorbereitungskurs, in<br />
dem man Selbsterfahrung und Persönlichkeitsbildung<br />
macht und eine<br />
Facheinführung bekommt. Außerdem<br />
gibt es drei begleitende Seminare zur<br />
Reflexion des Einsatzes und zur Weiterbildung.<br />
Einen kleinen Verdienst<br />
gibt es auch. Er ist zwar meistens leider<br />
nicht so hoch wie der eines Zivis,<br />
jedoch muss man für die Seminare,<br />
die Unterkunft bzw. Fahrtkosten und<br />
die volle Verpflegung nichts bezah-<br />
len! Der volle Versicherungsschutz<br />
ist selbstverständlich! Das FSJ eignet<br />
sich als sinnvolles Überbrückungsjahr,<br />
wenn man frisch von der Schule<br />
kommt und noch nicht wirklich weiß,<br />
was man weiter machen will oder<br />
wenn man mit dem erlernten Beruf<br />
nicht zufrieden ist und sich gerne neu<br />
orientieren möchte. Das Tolle ist, dass<br />
man sich selbst in dieser Zeit viel besser<br />
kennen lernt und einen sehr guten<br />
Einblick in den Sozialbereich bekommt.<br />
Die vielen wertvollen Erfahrungen, die<br />
man tagtäglich macht, kann einem<br />
keiner mehr nehmen!<br />
Es gibt drei Hauptbereiche, in denen<br />
man in Einsatzstellen, welche sich in<br />
ganz Österreich befinden, ar<strong>bei</strong>ten<br />
kann:<br />
Ar<strong>bei</strong>t mit Kindern und Jugendlichen<br />
Ar<strong>bei</strong>t mit alten Menschen<br />
Ar<strong>bei</strong>t im Behindertenbereich<br />
Seit Oktober ar<strong>bei</strong>te ich nun im Odilieninstitut<br />
in Graz, Leonhard. Das ist<br />
ein Zentrum für sehbehinderte und<br />
blinde Menschen, wo jedoch Menschen<br />
mit jeglichen Behinderungen<br />
aufgenommen werden. Es gibt mehrere<br />
verschiedene Bereiche im Haus und<br />
man stößt auf die unterschiedlichsten<br />
Menschen, angefangen von den ganz<br />
kleinen in der Volksschule bis zu den<br />
älteren Menschen im Seniorenheim.<br />
Ich bin im Sonderpädagogischen Zentrum<br />
gelandet. Am Vormittag unter-<br />
stütze ich die Lehrerinnen in einer<br />
Sonderschul-Klasse, in der neun Kinder<br />
zwischen sieben und 15 Jahre alt<br />
mit eher schwereren Behinderungen<br />
sind. Mehrere Kinder haben zum Beispiel<br />
das Down-Syndrom; auch haben<br />
wir ein kleines Mädchen, welches blind<br />
ist und noch dazu autistische Züge<br />
aufweist. Die Ar<strong>bei</strong>t mit den Kindern<br />
ist eine so dankbare, weil diese mir<br />
sehr viel zurückgeben! Mich berührt<br />
es immer wieder, wenn ein Kind zu<br />
mir kommt, mich umarmt, über die<br />
Haare streichelt und mir ein Bussi auf<br />
die Wange drückt. Einfach so, als wäre<br />
es das Selbstverständlichste auf der<br />
Welt. In der Gegenwart dieser Kinder<br />
ist man nie lange schlecht gelaunt,<br />
weil man durch ihre liebevolle Art sofort<br />
aufgemuntert und von ihrer Lebensfreude<br />
angesteckt wird. Ich kann<br />
ihnen auch nicht übel nehmen, wenn<br />
sie nach über einem Monat noch immer<br />
„Ulise“ oder „Lucy“ zu mir sagen<br />
–Louise ist halt wirklich kein so einfacher<br />
Name… ;-)<br />
Am meisten bewegt mich die Ehrlichkeit<br />
dieser Kinder. Eine Ehrlichkeit, die<br />
man in unserer erfolgs- und konsumorientierten<br />
Gesellschaft kaum wo findet.<br />
Wenn meinen Schützlingen etwas<br />
nicht passt, sagen sie es gleich direkt,<br />
anstatt etwas vorzuspielen und wenn<br />
sie dich mögen, lassen sie es dich auch<br />
wirklich spüren.<br />
Im Odilieninstitut gibt es auch eine<br />
private Volksschule mit Nachmittagsbetreuung.<br />
Zum Mittagessen erwarte<br />
ich die Kinder der zweiten Klasse, in<br />
welcher es vier Integrations-Kinder<br />
gibt, im Speisesaal. Nach dem Mittagessen<br />
geht’s hinaus in den riesigen<br />
Garten, wo sich jeder nach Herzenslust<br />
austoben kann. Danach gehen wir<br />
alle wieder rein, um die Hausübungen<br />
zu machen und zu jausnen.<br />
Wenn mein Tag in Graz zwischen 16<br />
und 17 Uhr zu Ende geht, trete ich<br />
erschöpft, aber glücklich mit einem<br />
Schmunzeln auf den Lippen meine<br />
Heimreise an. Im Bus träume ich dann<br />
schon vom nächsten Tag…<br />
Nähere Informationen unter:<br />
www.fsj.at<br />
Louise Loidl<br />
1 Dezember 009