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da war kein Pl<strong>at</strong>z, die dann noch<br />
weggekommen ist und dann in den<br />
Dienst geschickt worden ist, aber<br />
auch im Dienst Geld gespart h<strong>at</strong>.<br />
Die eine Familie aufgebaut h<strong>at</strong> und<br />
die dann gemeinsam die Familie geschafft<br />
h<strong>at</strong> nach dem 2. Weltkrieg<br />
ein bisschen was anzusparen, Anfang<br />
der 50er Jahre, und dann ist<br />
man zum ersten mal in der Lage gewesen,<br />
dass da ein bisschen Geld da<br />
war, zu überlegen, was man sich<br />
kauft und da h<strong>at</strong> die Überlegung<br />
gelautet, kauft man sich ein kleines<br />
Grundstück da in Vorarlberg oder<br />
kauft man sich diesen Roller. Sie sehen,<br />
wie diese Entscheidung ausgefallen<br />
ist. Und das war die Reise runter<br />
an den Gardasee. Und auch das<br />
könnte man dann als Einstieg in die<br />
Nachkriegszeit, in die 50er Jahre<br />
verwenden, ich vergleiche es mit anderen<br />
Lebensbiographien, und das<br />
in Beziehung setzen und das als Lokalgeschichte<br />
bei so einem Bild kann<br />
man dann immer in tieferen Ebenen<br />
einsteigen.<br />
In den nächsten Bibliotheksnachrichten<br />
wird Ihnen ein Name häufig<br />
begegnen, Willi Buchner. Viele kennen<br />
ihn vielleicht von dieser Österreichwerbung<br />
mit den zwei Pinguinen.<br />
Das h<strong>at</strong> ihn bekannt gemacht.<br />
Der ist so verrückt gewesen, zwei<br />
Jahre lang mit zwei Kunststoffpinguinen<br />
durch die Welt zu reisen und<br />
die überall zu fotografieren, auf der<br />
chinesischen Mauer und vorm Eifelturm<br />
und überall und so eine Art<br />
Geschichte zu erzählen. Er ist Fotograf,<br />
er schreibt auch Texte,und er<br />
h<strong>at</strong> ein ganz ein besonderes Verhältnis<br />
zu Alter, auch zum Tod. Mit 27<br />
Jahren h<strong>at</strong> er davon geträumt, dass<br />
er am 28. Geburtstag sterben wird<br />
und h<strong>at</strong> das zum Anlass genommen<br />
sich da auseinanderzusetzen, Kontakte<br />
mit älteren Leuten aufzunehmen<br />
und sich mit dem Thema in unterschiedlichster<br />
Art auseinanderzusetzen.<br />
Von ihm gibt es ganz viele<br />
und tolle Fotografien, auch eine eigene<br />
Theorie zur Fotografie, die ein<br />
Einverständnis voraussetzt. Alles das<br />
finden Sie in der nächsten BN. Er h<strong>at</strong><br />
eine Reihe gemacht zu Liebe im Al-<br />
ter, wo er Paare, die sich nach dem<br />
70. Geburtstag kennengelernt haben,<br />
aufgesucht h<strong>at</strong>, mit denen gesprochen<br />
h<strong>at</strong>, was das bedeutet und<br />
auch das, mit Einverständnis n<strong>at</strong>ürlich<br />
immer, dokumentiert. Alles das<br />
kann immer mit der Liter<strong>at</strong>ur verknüpft<br />
werden. Zwei Beispiele<br />
möchte ich nur kurz erwähnen. Einer<br />
der mir viel bedeutet, Hauche<br />
Luis Borges, Argentinier, der sich so<br />
der Großmeister zum Thema Zeit<br />
ganz viel damit beschäftigt h<strong>at</strong>. Er<br />
h<strong>at</strong> eine Erzählung geschrieben, die<br />
heißt „Das unerbittliche Gedächtnis”,<br />
wo einer ein absolutes Gedächtnis<br />
h<strong>at</strong>, der merkt sich alles,<br />
leidet darunter und wird mit dem<br />
fast nicht fertig, lernt eine Sprache<br />
in zwei Tagen, kann alles einordnen,<br />
liegt aber nur mehr da, dunkelt ab,<br />
kann die Welt nicht mehr aufnehmen<br />
und er erzählt das als Geschichte<br />
und da kann man sagen,<br />
das ist sehr surrealistisch oder fantastisch.<br />
Wenn man dann aber in<br />
der Sachliter<strong>at</strong>ur nachliest, dieses<br />
Buch hier in der Mitte habe ich im<br />
Urlaub gelesen, warum das Leben<br />
schneller vergeht, wenn man älter<br />
wird, werden genau solche Fälle beschrieben,<br />
wo ein Russe fast das absolute<br />
Gedächtnis h<strong>at</strong>te und darunter<br />
gelitten h<strong>at</strong> und da werden Phänomene<br />
beschrieben, die ziemlich<br />
genau korrelieren mit dem was in<br />
der Liter<strong>at</strong>ur beschrieben wird.<br />
So etwas einmal aufzugreifen, so einen<br />
Hinweis zu geben oder in einem<br />
Liter<strong>at</strong>urgesprächskreis aufzugreifen<br />
und das dann mit den eigenen Erinnerungen,<br />
Merkfähigkeiten in Verbindung<br />
zu setzen ist sicher spannend.<br />
Eine die mir auch sehr wichtig<br />
ist, Ilse Aichinger. 1952 h<strong>at</strong> sie geschrieben:<br />
ihre Spiegelgeschichte,<br />
ein kurzer Text, 6 - 8 Seiten, wo ein<br />
Leben von hinten erzählt wird, vom<br />
Tod. Eine junge Frau erzählt von sich<br />
selber die Geschichte nach, aus dem<br />
Grab heraus, rückwärts bis zur Geburt<br />
und es gibt einen ganz komischen<br />
befremdlichen Fluß, der so<br />
gegen unsere Erwartungsrichtung<br />
läuft und was Komisches auslöst, ich<br />
lese nur den Anfang und den<br />
HEFT 39<br />
Schluss. „Wenn einer dein Bett aus<br />
dem Saal schiebt, wenn du siehst,<br />
dass der Himmel grün wird und<br />
wenn du dem Vikar die Leichenrede<br />
ersparen willst, so ist es Zeit für dich<br />
aufzustehen. Leise wie Kinder aufstehen,<br />
wenn am Morgen Licht<br />
durch die Läden schimmert. Heimlich,<br />
dass es die Schwester nicht<br />
sieht und schnell. Aber da h<strong>at</strong> er<br />
schon begonnen der Vikar. Da hörst<br />
du seine Stimme jung und eifrig und<br />
unaufhaltsam. Da hörst du ihn<br />
schon reden. Lass es geschehen.<br />
Lass seine guten Worte untertauchen<br />
in den blinden Regen. Dein<br />
Grab ist offen. Lass seine schnelle<br />
Zuversicht erst hilflos werden, dass<br />
ihr geholfen wird. Wenn du in lässt,<br />
wird er am Ende nicht mehr wissen,<br />
ob er schon begonnen h<strong>at</strong>. Und weil<br />
er es nicht weiß, gibt er den Trägern<br />
das Zeichen und die Träger fragen<br />
nicht viel und holen deinen Sarg<br />
wieder herauf.” So beginnt es doch<br />
rückwärts zu gehen. Man erfährt<br />
dann, wenn man genau liest, diese<br />
Chiffren, dass sie an einer missglückten<br />
Abtreibung gestorben ist.<br />
Die Geschichte mit dem jungen<br />
Mann, den sie kennengelernt h<strong>at</strong>.<br />
Das jünger werden, das Zurückgehen<br />
in die Kindheit und dann der<br />
letzte Abs<strong>at</strong>z. „Das Schwerste bleibt<br />
es doch, das Sprechen zu vergessen<br />
und das Gehen zu verlernen, hilflos<br />
zu stammeln und auf dem Boden zu<br />
kriechen und zuletzt in Windeln gewickelt<br />
zu werden. Das Schwerste<br />
bleibt es, alle Zärtlichkeiten zu ertragen<br />
und nur mehr zu schauen. Sei<br />
geduldig, bald ist es gut. Gott weiß<br />
den Tag an dem du schwach genug<br />
bist. Es ist der Tag deiner Geburt. Du<br />
kommst zur Welt und schlägst die<br />
Augen auf und schließt sie wieder<br />
vor dem starken Licht. Das Licht<br />
wärmt dir die Glieder. Du regst dich<br />
in der Sonne, du bist da, du lebst.<br />
Dein V<strong>at</strong>er beugt sich über dich. Es<br />
ist zu Ende, sagen die hinter dir. Sie<br />
ist tot, still lass sie reden.” Also hier<br />
schließt sich dann der Kreis zwischen<br />
Geburt und Tod. Solche Texte,<br />
die Lesezeit wäre acht Minuten,<br />
haben ganz viel Kraft, um Zeitfluss<br />
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