Preisträger 2010 - Arbeitsgemeinschaft für nephrologisches Personal
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26 Pflege<br />
Anforderungen an das Dialysepersonal<br />
aus Sicht der Patienten<br />
Eine Querschnittsstudie<br />
Dietmar Wiederhold1 , Anja Lücke2 , Renate Hoffmann3 1 Institut <strong>für</strong> Nephrologische Fort- und Weiterbildung, AWO Gesundheitsdienste gGmbH, Nephrologisches Zentrum Niedersachsen, Hann. Münden (Einrichtungsleitung:<br />
Prof. Dr. Dr. h. c./SPSMU Volker Kliem)<br />
2 Nephrologisches Zentrum Göttingen (Einrichtungsleitung: Dr. Gerhard Warneke, PD Dr. Volker Schettler et al.)<br />
3 Nierenzentrum Ammerland, Westerstede (Einrichtungsleitung: Dr. Sibille Tröster, Dr. Ralf Müller, Dr. Martin Behrend)<br />
Um die Anpassung von chronisch kranken Dialysepatienten an die Lebenssituation<br />
zu erleichtern, benötigt das nephrologische Pflegepersonal besondere<br />
Eigenschaften. Eine Vielzahl pflegerischer Kompetenzmodelle spiegeln die<br />
nötigen Anforderungen durch Befragungen von Pflegenden wider und berücksichtigen<br />
kaum die Sichtweise der betroffenen Patienten. In einer Querschnittsstudie<br />
untersuchten wir, welche besonderen Anforderungen Hämodialysepatienten<br />
an das sie betreuende Pflegepersonal stellen. Dazu befragten<br />
wir 96 nicht randomisierte Patienten aus 2 Dialysezentren prospektiv mittels<br />
eines selbst entwickelten Fragebogens. Die Patienten der beiden Zentren unterschieden<br />
sich bezüglich des Alters, des Geschlechts, des Familienstandes,<br />
der Wohnsituation sowie der Zeit an der Dialyse nicht signifikant. Im Ergebnis<br />
konnte bei den Dialysepatienten vor allem ein hohes Bedürfnis nach Sicherheit<br />
und Vertrauen sowie der Wunsch nach empathischen und kommunikativen<br />
Kompetenzen herausgearbeitet werden. Statistisch signifikante Subgruppenunterschiede<br />
ergaben sich zwischen jüngeren und älteren Patienten,<br />
Männern und Frauen, in Abhängigkeit des Familienstandes sowie in Bezug zur<br />
Zeit an der Dialyse. Für die weitere Praxis erachten wir es als notwendig, die<br />
Anpassung der Patienten an ein Leben mit der Dialyse insbesondere durch<br />
kommunikative Kompetenzen individuell zu unterstützen.<br />
Sind Menschen dauerhaft dialysepflichtig, so ist<br />
das <strong>für</strong> die Betroffenen ein Einschnitt in das Leben,<br />
der eine besondere physische, psychische<br />
und soziale Anpassungsleistung verlangt. Die nephrologische<br />
Fachpflege ist dabei in besonderem<br />
Maße gefordert, die Anpassung an die neue Lebenssituation<br />
zu erleichtern, zu begleiten und zu<br />
fördern. Dies gelingt nicht allein durch die Vorgabe<br />
standardisierter Tätigkeitskataloge, die von<br />
den Erfordernissen der Praxis ausgehen. Zusätzlich<br />
ist es wichtig, die Bedürfnisse der Patienten<br />
sensibel zu erfahren und zu erfragen [1].<br />
Um Handlungsrichtlinien <strong>für</strong> die Betreuung dialysepflichtiger<br />
Patienten zu entwickeln, ist es daher<br />
hilfreich und zugleich notwendig, die Perspektive<br />
der Betroffenen zu evaluieren, um zu erkennen,<br />
welche Anforderungen sie an die Pflegenden stellen.<br />
Reuschenbach und Mohr haben in diesem Zusammenhang<br />
in einer qualitativen Untersuchung<br />
mit 6 Studienteilnehmern beschrieben, dass aus<br />
Sicht der Dialysepatienten die Anforderungen an<br />
Pflegende generell in Softskills und Hardskills un-<br />
terteilt werden können [1]. Danach sind Softskills<br />
Eigenschaften, die sich als schwer messbar darstellen,<br />
wie empathische und kommunikative Kompetenzen.<br />
Hardskills sind beobachtbare und damit<br />
leichter operationalisierbare Fähigkeiten, wie etwa<br />
der Umgang mit dem Gefäßzugang.<br />
Ebenso wurde herausgearbeitet, dass Pflegekräfte<br />
die Interessen der Patienten gegenüber Ärzten<br />
und anderen Pflegekräften vertreten sollten.<br />
Eine Gleichbehandlung aller Patienten sowie das<br />
Verständnis der Pflegekräfte <strong>für</strong> die Situation des<br />
Dialysepatienten wurden als sehr bedeutsam angesehen.<br />
Positiv wurden auch die Pflegenden bewertet,<br />
die sich Zeit nahmen, über Sorgen und<br />
Probleme der Patienten zu sprechen und trotz<br />
der technischen Geräte immer den Menschen als<br />
solches im Blick hatten. Selbstsicher auftretendes<br />
Pflegepersonal wurde als sehr kompetent<br />
angesehen. Dies war besonders ausgeprägt,<br />
wenn es auch noch ruhig und ausgeglichen wirkte.<br />
Hinsichtlich der Hardskills wurde erwartet,<br />
dass Pflegekräfte ausreichend technisches und<br />
medizinisches Wissen haben sollten. Darüber hinaus<br />
sollten sie Krisensituationen voraussehen<br />
und dementsprechend handeln können.<br />
Im Sinne qualitativer Forschung waren die Ergebnisse<br />
von Reuschenbach und Mohr jedoch<br />
auf eine kleine Anzahl von Patienten beschränkt,<br />
sodass im Rahmen der Fachweiterbildung Nephrologie<br />
die Idee entstand, durch ein wissenschaftliches<br />
Projekt eine größere Anzahl von Patienten<br />
zu untersuchen. Eine Analyse der<br />
gängigen Lehrbücher der Nephrologie [2, 3] sowie<br />
eine Literaturrecherche in Medline, einer<br />
der weltweit größten medizinischen Datenbanken<br />
[4], ergab zunächst, dass sich die vorhandene<br />
Literatur fast nur auf die Sichtweise des Pflegepersonals<br />
bezog. Die Patientensichtweise<br />
wurde dabei kaum untersucht. Somit war es das<br />
Ziel der vorliegenden Studie, mit statistisch auswertbaren<br />
Parametern zu evaluieren, welche besonderen<br />
Anforderungen Dialysepatienten an<br />
das sie betreuende Pflegepersonal stellen.<br />
Dialyse aktuell 2011; 15 (1): 26–35