Preisträger 2010 - Arbeitsgemeinschaft für nephrologisches Personal
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36 Pflege<br />
Erlebnispädagogik<br />
Verbesserung der Kommunikation und der Kooperation<br />
im nephrologischen Team<br />
Anja Karstens<br />
Internistische Gemeinschaftspraxis und Dialysezentrum Mildstedt/Husum<br />
(ärztliche Leitung: Prof. Dr. Ulrich Wiegers, Dr. Andreas Seifert, Dr. Brigitte Delev, Dr. Jens Masselmann, Dr. Thomas Mehrens, Dr. Claudia Rucktäschel)<br />
Zu unserem Betrieb mit knapp 40 Mitarbeitern gehören 3 Dialysezentren. Die<br />
Mitarbeiter der verschiedenen Abteilungen kommunizieren nur schriftlich oder<br />
am Telefon. Bei Krankheitsvertretung herrscht Verunsicherung: Man muss nicht<br />
nur an einem fremden Arbeitsplatz, sondern auch mit wenig vertrauten Kollegen<br />
zusammenarbeiten. Wenn die Kommunikation im Betrieb nicht optimal<br />
funktioniert oder die Mitarbeiter in ihrer Arbeit nicht genügend kooperieren,<br />
stört dies den Betriebsablauf. Ein schlechtes Betriebsklima oder die mangelnde<br />
Zusammenarbeit des Pflegepersonals verunsichert in einer Dialysepraxis die<br />
aufgrund ihrer chronischen Erkrankung in der Regel sehr sensiblen Patienten.<br />
Dies gefährdet damit letztendlich auch den Behandlungserfolg. Darüber hinaus<br />
ist dies ein Risiko <strong>für</strong> den wirtschaftlichen Erfolg einer Praxis. Gerade Pflegekräfte,<br />
die es gewohnt sind, praktisch am Menschen zu arbeiten, sind nicht<br />
leicht <strong>für</strong> Fortbildungen mit Schulcharakter zu gewinnen. Ich habe daher als<br />
Ersatz <strong>für</strong> den Betriebsausflug ein halbtägiges, professionell betreutes, erlebnispädagogisches<br />
Event in einem Hochseilgarten organisiert. Der verbesserte<br />
Umgang miteinander ist ein wichtiger Schritt, sich <strong>für</strong> die kollegiale Beratung<br />
zu öffnen. Die Reflexion des eigenen Verhaltens, das eines Kollegen oder das<br />
des ganzen Teams, sich unterschiedlichen Sichtweisen und Erfahrungen zu öffnen<br />
und Kritik anzunehmen bzw. zu geben, fällt nun deutlich leichter.<br />
• Zusammenkommen<br />
ist ein Anfang.<br />
• Zusammenbleiben<br />
ist ein Fortschritt.<br />
• Zusammenarbeiten<br />
ist ein Erfolg.<br />
Wenn die Kommunikation in einem Betrieb<br />
nicht optimal funktioniert oder die Mitarbeiter<br />
in ihrer Arbeit nicht genügend kooperieren,<br />
führt dies schnell zu Störungen im Betriebsablauf.<br />
Ein schlechtes Betriebsklima oder eine<br />
mangelnde Zusammenarbeit des Pflegepersonals<br />
verunsichert in einer Dialysepraxis die aufgrund<br />
ihrer chronischen Erkrankung in der Regel<br />
sehr sensiblen Patienten. Dies gefährdet damit<br />
letztendlich auch den Behandlungserfolg. Darüber<br />
hinaus ist dies in Zeiten der immer knapper<br />
werdenden Gesundheitskassen auch ein Risiko<br />
<strong>für</strong> den notwendigen wirtschaftlichen Erfolg einer<br />
Praxis. Im Nachfolgenden stelle ich dar, wie<br />
ein gut vorbereitetes und durchgeführtes halbtägiges<br />
erlebnispädagogisches Event das Teamgefühl<br />
stärken kann, mit der Folge einer gesteigerten<br />
Motivation und Leis tungsbereitschaft.<br />
Die Betreuung und Behandlung von Patienten<br />
mit chronischem Nierenversagen und der anschließenden<br />
Dialysebehandlung führen Pflegefachkräfte<br />
und Arzthelferinnen aus der internis<br />
tischen/nephrologischen Gemeinschaftspraxis<br />
in der Stadt Schleswig, der ambulanten Dialyse<br />
im selben Haus, Mitarbeiter der stationären Dialyse<br />
des örtlichen SchleiKlinikums und einer<br />
Zweigstelle in der Nachbarstadt Husum/Nordsee<br />
durch. Insgesamt sind es 38 Mitarbeiter, die einen<br />
großen Anteil der Patienten gemeinsam betreuen.<br />
Untereinander kennen sich die Mitarbeiter<br />
aus den verschiedenen Abteilungen aber<br />
kaum. Wir kommunizieren nur schriftlich oder<br />
am Telefon. Bei Krankheitsvertretung herrscht<br />
Verunsicherung, nicht nur an einem fremden Arbeitsplatz,<br />
sondern auch mit unvertrauten Kollegen<br />
zusammen zu arbeiten.<br />
Im Rahmen der Weiterbildung zur Leitung einer<br />
Pflegeeinheit habe ich in einer pädagogischen<br />
Einheit das Thema Kommunikation und Kooperation<br />
erarbeitet und in der nachfolgenden Hausarbeit<br />
zusammengefasst. Mein Ziel war es, die<br />
Art und Weise, wie man miteinander umgeht, zu<br />
optimieren. Ich habe den Schwerpunkt weniger<br />
auf die Sachebene, als vielmehr auf die Beziehungs<br />
und Gefühlsebene der Kommunikation<br />
gelegt. Mithilfe eines Trainings soll eine offene,<br />
vertrauensvolle und wertschätzende Stimmung<br />
ins Team transportiert werden. Meine Hoffnung<br />
war es, die Zusammenarbeit zu verbessern, indem<br />
sich ein vertrauensvoller Umgang unterstützend<br />
auf die Bearbeitung und Lösung von<br />
Fragen und Problemen und auf die gegenseitige<br />
Beratung im Arbeitsalltag auswirkt.<br />
Einander näher zu kennen und besser zu verstehen,<br />
verringert die Entstehung von Missverständnissen<br />
und Fehlentscheidungen. Gegenseitige<br />
Anerkennung und Wertschätzung fördert<br />
die Arbeitszufriedenheit und Motivation <strong>für</strong> die<br />
Tätigkeit. Für das Arbeitsleben ist die Beziehungsebene<br />
im zwischenmenschlichen Kontakt<br />
von großer Bedeutung, da ein gutes Betriebsklima<br />
zu mehr Einsatzbereitschaft und Leistung<br />
der Mitarbeiter führt.<br />
Anhand eines Teamtrainings im Hochseilgarten<br />
wollte ich erreichen, dass sich alle Mitarbeiter<br />
Dialyse aktuell 2011; 15 (1): 36–44
näher kennenlernen und sich die Kommunikation<br />
und Kooperation verbessert. Die nachfolgenden<br />
Ausführungen zeigen zunächst die Vorbereitung<br />
und Durchführung des Teamtrainings auf.<br />
Ob den Kollegen der pädagogische Ansatz dieses<br />
im Rahmen eines freiwilligen Betriebsausfluges<br />
angebotenen Teamtrainings auch in der gewünschten<br />
Form vermittelt werden konnte und<br />
<strong>für</strong> die zukünftige gemeinsame Arbeit von Nutzen<br />
sein wird, beleuchten die Abschnitte Reflexion<br />
und Fazit.<br />
Kommunikation<br />
Der Begriff „Kommunikation“<br />
Kommunikation kommt aus dem Lateinischen<br />
und bedeutet „teilen, mitteilen, teilnehmen lassen,<br />
gemeinsam machen, vereinigen“ [1]. Kommunikation<br />
ist eine wesentliche Handlung, in<br />
der Sozialität und Gemeinschaft entstehen. Elemente<br />
wie Gedanken, Bewusstsein, Planung und<br />
Zielsetzung gehören zu den Handlungen der<br />
Kommunikation. Menschen streben nach Kommunikation,<br />
um sich in ihrer Welt zu orientieren,<br />
zwischenmenschliche Nähe und Vertrautheit<br />
herzustellen sowie andere zu bestimmten Verhaltensweisen<br />
zu veranlassen. Ein weiteres<br />
Kennzeichen der Kommunikation ist Kreativität;<br />
es werden gemeinsam neue Gedanken, Ideen,<br />
Problemlösungen entwickelt, die allein so nicht<br />
entstehen würden [2].<br />
Kommunikation in der Pflege<br />
Das Aufnahmegespräch in der Dialyse ist der erste<br />
längere Kontakt, den der Patient mit einer<br />
Pflegefachkraft hat. Es ist wichtig zu erfahren,<br />
welche Lebensumstände, Familiensituation, Beschwerden<br />
und Probleme, Vorlieben und Abneigungen<br />
der Patient hat. Die Pflegefachkraft ist in<br />
der Rolle des kommunikativen Zwischenträgers<br />
und Übersetzers bei der schriftlichen Dokumentation,<br />
beim Erstellen einer Biografie oder beim<br />
Übergabegespräch mit Kollegen. Um Patienten<br />
wahrnehmen zu können, benötigen Pflegefachkräfte<br />
ein hohes Maß an kommunikativer Fähigkeit<br />
(verbal und nonverbal) [3].<br />
Aber auch innerhalb des Pflegeteams ist eine<br />
gute Kommunikation wichtig. Wieviel von den<br />
Patienteninformationen weitergegeben und dadurch<br />
eine qualifizierte Pflegeplanung erstellt<br />
werden kann, hängt sehr von der intensiven, gemeinsamen<br />
Kommunikationsfähigkeit der Pflegenden<br />
untereinander ab. Eine „Sprachlosigkeit“<br />
des Teams führt beim Patienten (dem Kunden)<br />
von Verunsicherung bis hin zum Vertrauensverlust.<br />
Das Vertrauen des Patienten in seine Pflegekräfte<br />
ist aber ein wichtiger Baustein seines Behandlungserfolges.<br />
Im Umkehrschluss führt ein<br />
vom Patienten nach außen getragener Vertrauensverlust<br />
zu einem gravierenden Imageverlust<br />
der Praxis. Das gute und <strong>für</strong> den Patienten fühl<br />
Dialyse aktuell 2011; 15 (1): 36–44<br />
bare Betriebsklima wird daher wesentlich davon<br />
beeinflusst, wie das Pflegeteam mit und auch<br />
untereinander kommuniziert.<br />
Der Begriff „Kooperation“<br />
Kooperation kommt aus dem Lateinischen und<br />
bedeutet „Zusammenarbeit und Zusammenwirken,<br />
Mitwirkung und Mitarbeit“ [4]. Die Pflege in<br />
ambulanten und stationären Einrichtungen ist<br />
sowohl aus fachlicher als auch aus organisatorischer<br />
Sicht auf Kooperation im Team angewiesen.<br />
Verschiedene Berufsgruppen sind in unterschiedlicher<br />
Weise am Prozess der Pflege<br />
beteiligt. Kooperation im Team ist vor allem<br />
wichtig bei der Dienstübergabe, Teambesprechungen,<br />
<strong>für</strong> die Qualität der Pflege und <strong>für</strong> die<br />
kollegiale Beratung untereinander [5]. Eine erfolgreiche<br />
Kooperation ist angewiesen auf eine<br />
gelingende Kommunikation.<br />
Erlebnispädagogik<br />
Der Begriff „Erlebnispädagogik“<br />
Geschichtlich ist Lord BadenPowell mit der 1907<br />
gegründeten ersten Pfadfindergruppe der geistige<br />
Vater der Erlebnispädagogik. Die Erlebnispädagogik<br />
nutzt Teamerfahrungen in der Natur (Wald,<br />
See, Gebirge), um unter anderem die Kommunikation<br />
und Kooperation im Team zu fördern. Im<br />
Mittelpunkt der Aktion steht das Team, welches<br />
(aus seiner gewohnten Umgebung herausgenommen)<br />
sich gemeinsam einer Aufgabe stellt. Das<br />
schafft gerade dadurch die Chance, sich auf ganz<br />
andere Weise zu erleben, sowie ungeahnte Seiten<br />
kennenzulernen, um damit neue Ansätze der Zusammenarbeit<br />
zu entwickeln und diese dann auf<br />
die Arbeitswirklichkeit zu übertragen [6].<br />
Pädagogisch orientierter Seilgarten<br />
Dem klassischen Seilgarten liegt im Wesentlichen<br />
eine erlebnispädagogische Konzeption zugrunde,<br />
im Gegensatz zum touristisch orientierten Seilgarten<br />
wie zum Beispiel Kletterwäldern und<br />
Abenteuerparks. Pädagogisch orientierte Seilgärten<br />
haben neben ausgesuchten hohen Elementen<br />
vor allem auch Niedrigseilelemente (30–60 cm<br />
über dem Boden), die als Problemlösungselemente<br />
konzipiert sind. Ein wichtiger Erfolgsfaktor <strong>für</strong><br />
die Teamarbeit ist die Betreuung durch erlebnispädagogisch<br />
geschultes <strong>Personal</strong> sowie ein<br />
entsprechendes Konzept, das den Transfer des Erlebten<br />
in den Arbeitsalltag sicherstellt.<br />
Übungen im Seilgarten<br />
Ausgewählte Übungen moderieren und begleiten<br />
Trainer im Teambereich. Dabei steht jedoch<br />
nicht der sportliche Wettkampf im Vordergrund.<br />
Vielmehr geht es darum, die Aufgabenstellung zu<br />
erfassen, gemeinsam Lösungsstrategien zu entwickeln<br />
und sich an vorgegebene Regeln zu halten,<br />
um zusammen das Ziel zu erreichen. An<br />
Pflege<br />
39
40 Pflege<br />
Ich höre etwas und vergesse<br />
es wieder.<br />
Ich sehe etwas und erinnere<br />
mich.<br />
Ich tue etwas und begreife<br />
es.<br />
(Dan Millman)<br />
hand der Umsetzung der gestellten Aufgabe und<br />
durch die anschließende Reflexion werden Aspekte<br />
wie Genauigkeit, Planung, Konzentration<br />
und Teamfähigkeit hinterfragt.<br />
Ein Beispiel <strong>für</strong> eine Aufgabenstellung am Boden<br />
ist das Schildkrötenspiel: Die Teilnehmer erhalten<br />
eine begrenzte Anzahl an Baumscheiben<br />
(Schildkröten), mit deren Hilfe ein angedeuteter<br />
Fluss möglichst rasch überquert werden soll. Dabei<br />
dürfen die Teilnehmer nur auf die Baumscheiben<br />
treten. Diese müssen jedoch ständigen<br />
Körperkontakt haben, vom Auslegen bis zur vollständigen<br />
Überquerung des Flusses.<br />
Bei einer weiteren Übung werden im Dreieck<br />
stehende Bäume mit einem Seil hüfthoch verbunden.<br />
Alle Teilnehmer sollen über das Seil<br />
nach außen gelangen, jedoch nur wenige können<br />
das Seil ohne Hilfe übersteigen. Es darf nicht berührt<br />
werden, je ein Drittel der Teilnehmer muss<br />
eine Seite überqueren, es darf nur geflüstert<br />
werden und Springen ist verboten.<br />
Der Anspruchs und Schwierigkeitsgrad lässt sich<br />
entsprechend des Potenzials der Teilnehmer steigern.<br />
Auch im Niederseil bzw. Hochseilgarten<br />
gibt es verschiedene komplexe Herausforderungen,<br />
die einzeln oder im Team gemeistert werden<br />
müssen. Zwischenfeedbacks und eine ausführliche<br />
Nachreflexion der Erfahrungen im Team sind<br />
die Grundlage <strong>für</strong> ein erfolgreiches Teamtraining.<br />
Das Projekt<br />
Ausschreibung<br />
Die Ausschreibung erfolgte frühzeitig, damit alle<br />
Kollegen sich rechtzeitig auf den Termin einstellen<br />
konnten. Durch den gezielten Hinweis, dass<br />
das Teamtraining mit Boden, Nieder und Hochseilelementen<br />
speziell <strong>für</strong> uns konzipiert und<br />
durch Trainer des Hochseilgartens betreut wird,<br />
versuchte ich, alle Kollegen <strong>für</strong> das Event zu gewinnen.<br />
Auch die Aussage, dass wir uns räumlich<br />
abgegrenzt zum Hochseilgarten in einem eigenem<br />
Teambereich befinden und niemand in die<br />
„Höhe“ muss, sollte zur Akzeptanz beitragen.<br />
Abb. 1 Das Schildkrötenspiel: Durchführung<br />
Die Balance auf den Baumscheiben Für den ersten Kontakt der Kollegen untereinan<br />
halten.<br />
der sorgte die gemeinsame Organisation der<br />
Quelle: Anja Karstens<br />
Fahrt. Im Hochseilgarten lernte durch eine Vorstellungsrunde<br />
jeder die Namen der anderen<br />
kennen. Anschließend notierten wir auf Zetteln<br />
Stichworte zu den folgenden Fragen und hefteten<br />
sie an die Projektionswand:<br />
• „Was erwarte ich von dem Event?“; hauptsächliche<br />
Antworten: Spaß, neue Erfahrungen<br />
und untereinander (näher) kennenlernen<br />
• „Was bin ich bereit da<strong>für</strong> zu tun?“; Antworten:<br />
Hilfsbereitschaft einsetzen, <strong>für</strong> das<br />
Team da sein<br />
• „Was erwarte ich von meinem Team?“; Antworten:<br />
den Teamgeist verbessern, Bereitschaft<br />
zur Zusammenarbeit, Vertrauen ausbauen,<br />
Zusammenhalt erleben, gute Laune<br />
Die anschließende Übung am Boden (das Schildkrötenspiel)<br />
verdeutlichte, wie wichtig Kommunikation<br />
und Kooperation im Team sind. Das Team<br />
entwickelte gemeinsam eine Strategie, indem die<br />
Mitglieder Ideen einbrachten. Gegenseitige Absprachen<br />
sind unerlässlich, wie die Teilnehmer<br />
bei der Durchführung der Aufgaben erfuhren:<br />
Zum Beispiel müssen die Schildkröten ständig<br />
Körperkontakt haben, damit sie nicht verloren gehen.<br />
Um die Balance auf den Baumscheiben zu<br />
halten, fasste sich die Gruppe an die Hände (Abb.<br />
1). Die große Motivation des Teams, diese Übung<br />
zu absolvieren, zeigte sich auch durch den<br />
Applaus, mit dem jeder Kollege am anderen Ufer<br />
begrüßt wurde. Im Anschluss reflektierten die<br />
Spielteilnehmer, ob man alle Absprachen eingehalten<br />
hatte, wie die Gruppe sich fühlte und ob<br />
sie mit der erbrachten Leistung zufrieden waren.<br />
Hoch motiviert ging es an die nächste Herausforderung,<br />
die auch schon deutlich anspruchsvoller<br />
war. Es galt, ein im Dreieck gespanntes Seil zu<br />
überqueren. Hierbei musste sich die Gruppe<br />
nach der Strategiefindung nach Größe und Anzahl<br />
aufteilen: Die 3 Schenkel des Dreiecks waren<br />
unterschiedlich hoch und je 1 Drittel der<br />
Teilnehmer sollte sie überqueren. Deutlich mehr<br />
Körpereinsatz war nötig, als die Teilnehmer eine<br />
Trittleiter bildeten oder kleinere Kollegen herübertrugen.<br />
Dies schaffte ebenfalls Nähe. Genaue<br />
Anweisungen, präzises Arbeiten, Konzentration<br />
und der Einsatz der vorhandenen Ressourcen<br />
waren vonnöten.<br />
Insbesondere nach der letzten Übung waren teilweise<br />
vorhandene zwischenmenschliche Distanzen<br />
abgebaut und es herrschte eine deutlich vertrautere<br />
und fröhlichere Stimmung. So hatte es<br />
eine neue Kollegin nicht schwer, mit den übrigen<br />
Kollegen vertraut zu werden. Nach einer Stärkung<br />
durch eine Kaffeepause im Wald folgte eine weitere<br />
Übung mit Niederseilelementen. Danach war<br />
das Team so zusammengewachsen und motiviert,<br />
dass sich ausnahmslos alle Teilnehmer entschlossen,<br />
die Möglichkeit zu nutzen und Gurtzeug an<br />
Dialyse aktuell 2011; 15 (1): 36–44
42 Pflege<br />
zulegen. Nach einer Einweisung absolvierte man<br />
in Gruppen den Parcours im Hochseilgarten.<br />
Reflexion<br />
Beim abschließenden Feedbackgespräch gaben einige<br />
Teilnehmer an, nicht zuletzt durch die entstandene<br />
Dynamik in der Gruppe über sich selbst hinausgewachsen<br />
zu sein. Das gemeinsame Erleben hätte<br />
Ängste genommen und man habe sich mehr zugetraut.<br />
Es entstand ein stärkeres Zusammengehörigkeitsgefühl,<br />
die Kommunikation wurde offener,<br />
auch weil nun alle Namen vertraut waren.<br />
Die Auswertung des Mitarbeiterfragebogens, der<br />
am Ende der Veranstaltung von den Teilnehmern<br />
ausgefüllt wurde, ergab folgendes Resultat: Alle Mitarbeiter<br />
fühlten sich zum Schluss des Trainings in<br />
der Gruppe deutlich besser als zu Beginn. Außerdem<br />
gaben die meisten Befragten an, nun alle Namen<br />
ihrer Kollegen zu kennen. Auch bei der Frage,<br />
mit wie vielen Kollegen man sich unterhalten habe,<br />
wurde geantwortet mit allen, oder zumindest den<br />
meisten. Interessant war auch, dass niemand der<br />
Teilnehmer zuvor an einem Teamtraining teilgenommen<br />
hatte.<br />
Um auch in Zukunft bei der Planung gemeinsamer<br />
Unternehmungen eine möglichst hohe Akzeptanz<br />
bei den Mitarbeitern zu erzielen, fragte<br />
ich nach Verbesserungsvorschlägen bei der Vorbereitung<br />
und Durchführung. Ein Teilnehmer<br />
gab an, es habe ihm angemessenes Schuhwerk<br />
gefehlt und die Zeit wäre zu knapp gewesen. Ein<br />
weiterer gab an, zu wenig Kondition zu haben.<br />
Alle anderen waren zufrieden. Besonders gut hat<br />
den Mitarbeitern das Schildkrötenspiel gefallen,<br />
die Kollegen aus den anderen Abteilungen kennenzulernen,<br />
vertrauten und fröhlichen Umgang<br />
miteinander zu haben, neue Erfahrungen sammeln<br />
zu können und Teamgeist zu erleben.<br />
Zukünftige gemeinsame Unternehmungen sollten<br />
der Befragung zufolge ebenso einen gemeinsamen<br />
und sportlichen Schwerpunkt haben. Beispiele<br />
wie Paddeln gehen, eine Fahrradtour oder<br />
eine Stadtrallye wurden angegeben. Kein Interesse<br />
bestand an passiven Veranstaltungen wie<br />
Konzerten, Theaterbesuchen oder Bustouren.<br />
Durch die offen gestellte Frage am Ende des Bogens<br />
sollten sich die Mitarbeiten äußern, weshalb<br />
ein Teamtraining <strong>für</strong> die zukünftige Zusammenarbeit<br />
hilfreich sein kann. Viele Kollegen<br />
gaben an, durch das Teamtraining die Mitarbeiter<br />
besser kennengelernt zu haben. Somit sei ein<br />
vertrauterer Umgang entstanden, der <strong>für</strong> die Zusammenarbeit<br />
sehr wichtig wäre. Des Weiteren<br />
haben die Kollegen es als sehr positiv empfunden,<br />
auch Schwächen und Stärken der Gruppe zu<br />
erkennen und darauf zu reagieren.<br />
Fazit<br />
Am Montagmorgen nach dem Event besuchte<br />
uns eine Kollegin aus dem Krankenhaus und<br />
überreichte uns zum Dank ein fertiggestelltes<br />
Fotoalbum mit sehr schönen Aufnahmen des<br />
Teamtrainings. Mit dem gemeinsamen Durchsehen<br />
der Bilder ließen wir den Tag noch einmal<br />
Revue passieren und reflektierten die vollzogene<br />
Entwicklung im Team. Ebenso visualisiert wird<br />
die Teamentwicklung durch ein laminiertes Foto<br />
mit der Überschrift „Teambereich“. Dies zeigt<br />
alle Kollegen auf einer großen Wippe stehend im<br />
Gleichgewicht und hängt nun bei uns im Aufenthaltsraum.<br />
Kürzlich war es nun nötig, <strong>für</strong> eine längerfristige<br />
Krankheitsvertretung in unserer Zweigstelle<br />
zu sorgen. Freiwillig meldeten sich einige Kollegen,<br />
die im monatlichen Wechsel dort aushelfen.<br />
Nachdem die Kollegen vor Ort nun bekannt<br />
sind, wird die Einarbeitung bedeutend einfacher<br />
sein.<br />
Speziell der Hochseilgarten bot <strong>für</strong> uns Pflegefachkräfte<br />
die Möglichkeit, die Kommunikation<br />
und Kooperation im Team zu fördern. Die pädagogischen<br />
Mitarbeiter des Seilgartens haben<br />
durch die gezielte Aufgabenstellung und Reflexion<br />
nach jeder Übung die Entwicklung eines<br />
motivierten Teams hervorgerufen. Die Erkenntnis<br />
„wir sind ein Team“ wurde dadurch erst bewusst.<br />
Dies wiederum führte zu einer gesteigerten<br />
Motivation und Leistungsbereitschaft im Team<br />
und man erlebte das Zusammenspiel der Gruppe<br />
noch aktiver bzw. intensiver. Im Wald des<br />
Seilgartens, abseits vom gewohnten Alltag, in<br />
sportlicher Kleidung, begegneten wir uns auf<br />
ungewohntem Terrain. Somit war <strong>für</strong> alle eine<br />
neue Ausgangssituation geschaffen.<br />
Sicherlich ist es auch ungewohnt <strong>für</strong> Pflegefachkräfte,<br />
ihre Erwartung und eigene Motivation<br />
bezüglich des Teams zu formulieren und an einer<br />
Präsentationswand zu zeigen. Aber auch dieser<br />
Aspekt half den Kollegen, sich untereinander<br />
besser kennenzulernen und ist ein gebräuchliches<br />
Instrument des Teamtrainings.<br />
Die Durchführung dieses erlebnispädagogischen<br />
Events hat sich als sehr hilfreich und sinnvoll erwiesen<br />
<strong>für</strong> die weitere Zusammenarbeit der unterschiedlichen<br />
Abteilungen unseres Betriebes.<br />
Zwar sind Erfolge oder Veränderungen schwer<br />
messbar, aber mit Hilfe der Mitarbeiterbefragung<br />
wird sehr deutlich der Wunsch geäußert, in<br />
Zukunft regelmäßig gemeinsame Unternehmungen<br />
durchzuführen.<br />
Der durch das Kommunikationstraining verbesserte<br />
vertrauensvolle, wertschätzende Umgang<br />
miteinander ist ein nicht zu unterschätzender<br />
Schritt, sich <strong>für</strong> die wichtige kollegiale Beratung<br />
zu öffnen. Die Reflexion des eigenen Verhaltens,<br />
eines Kollegen oder des ganzen Teams, sich unterschiedlichen<br />
Sichtweisen und Erfahrungen zu<br />
öffnen, Kritik anzunehmen bzw. zu geben wird<br />
deutlich leichter fallen.<br />
Dialyse aktuell 2011; 15 (1): 36–44
44<br />
Dialyse Impressum<br />
Literatur<br />
1 Brockhaus. Leipzig: F. A. Brockhaus; 2005: 562<br />
2 Wikipedia. Im Internet: http://de.wikipedia.org/wiki/<br />
Kommunikation; Stand: 12.09.2009<br />
3 Steiner Josef, Hrsg. Kommunikation und Pflege. Österreichische<br />
Pflegezeitschrift 2002: 36<br />
4 Wahrig-Burfeind R. Wahrig. Illustriertes Wörterbuch<br />
der Deutschen Sprache. München: Bertelsmann;<br />
2004: 482<br />
5 Rogall R. Professionelle Kommunikation in Pflege<br />
und Management. Hannover: Schlütersche Verlagsges.;<br />
2005: 176<br />
6 Antes W. Erlebnispädagogik – Fundierte Methode<br />
oder aktuelle Mode? Münster: Ökotopia; 1993: 12<br />
7 Knechtel P. Effektive Kommunikation und Kooperation.<br />
Ein Trainingsbuch. Bielefeld: Bertelsmann; 2003<br />
8 Schulz von Thun F. Miteinander Reden. Hamburg:<br />
Reinbek; 1998<br />
Korrespondenz<br />
Anja Karstens<br />
Leitende Pflegefachkraft Dialysezentrum<br />
Mildstedt/Husum<br />
Internistische Gemeinschaftspraxis<br />
und Dialysezentrum<br />
Flensburger Str. 15<br />
24837 Schleswig<br />
Autorenerklärung<br />
Die Autorin erklärt, dass sie keine finanziellen Verbindungen<br />
mit einer Firma hat, deren Produkt in dem Beitrag<br />
eine wichtige Rolle spielt (oder mit einer Firma, die ein<br />
Konkurrenzprodukt vertreibt).<br />
Pedagogy based on experience of events – Improved communication and<br />
cooperation in the nephrological team<br />
Our enterprise consists of barely 40 coworkers and includes 3 dialysis centers.<br />
The coworkers of the different sections communicate exclusively by means of<br />
written messages or by telephone. Uncertainty persists whenever 1 of our<br />
coworkers is delegated to replace a treating nurse. This implies not only working<br />
at an unfamiliar location but also with hitherto hardly known colleagues. If<br />
mutual communication or cooperation is not ideally smooth, work fails to proceed<br />
with precision. If matters don’t run smoothly or if the mutual climate<br />
between individuals is not envigorating, insufficient cooperation is keenly felt<br />
by the patients who are usually highly sensitive due to their chronic disease.<br />
This will finally endanger the success of the treatment. In addition, this is also<br />
a commercial risk for the relevant medical practice. In particular, care personnel<br />
who are accustomed to the practical care of patients are not readily accessible<br />
to advanced training resembling coaching or teaching. Hence, I conceived<br />
a substitute for a staff outing. This consisted of an excursion organized with<br />
expert assistance as an experience of pedagogic events occurring in a „high<br />
ropes course“. Improved mutual communication and understanding is an important<br />
step into the right direction to mutual consultation between colleagues.<br />
Reflection of one’s own attitude or that of a colleague or of the entire<br />
team makes it definitely easier to accept different approaches and experiences<br />
and to accept critical views or even to judge other views with a critical eye.<br />
Key words<br />
pedagogy based on experience – communication – cooperation – highropes<br />
course – critical faculty<br />
Dialyse aktuell 2011; 15 (1): 36–44
26 Pflege<br />
Anforderungen an das Dialysepersonal<br />
aus Sicht der Patienten<br />
Eine Querschnittsstudie<br />
Dietmar Wiederhold1 , Anja Lücke2 , Renate Hoffmann3 1 Institut <strong>für</strong> Nephrologische Fort- und Weiterbildung, AWO Gesundheitsdienste gGmbH, Nephrologisches Zentrum Niedersachsen, Hann. Münden (Einrichtungsleitung:<br />
Prof. Dr. Dr. h. c./SPSMU Volker Kliem)<br />
2 Nephrologisches Zentrum Göttingen (Einrichtungsleitung: Dr. Gerhard Warneke, PD Dr. Volker Schettler et al.)<br />
3 Nierenzentrum Ammerland, Westerstede (Einrichtungsleitung: Dr. Sibille Tröster, Dr. Ralf Müller, Dr. Martin Behrend)<br />
Um die Anpassung von chronisch kranken Dialysepatienten an die Lebenssituation<br />
zu erleichtern, benötigt das nephrologische Pflegepersonal besondere<br />
Eigenschaften. Eine Vielzahl pflegerischer Kompetenzmodelle spiegeln die<br />
nötigen Anforderungen durch Befragungen von Pflegenden wider und berücksichtigen<br />
kaum die Sichtweise der betroffenen Patienten. In einer Querschnittsstudie<br />
untersuchten wir, welche besonderen Anforderungen Hämodialysepatienten<br />
an das sie betreuende Pflegepersonal stellen. Dazu befragten<br />
wir 96 nicht randomisierte Patienten aus 2 Dialysezentren prospektiv mittels<br />
eines selbst entwickelten Fragebogens. Die Patienten der beiden Zentren unterschieden<br />
sich bezüglich des Alters, des Geschlechts, des Familienstandes,<br />
der Wohnsituation sowie der Zeit an der Dialyse nicht signifikant. Im Ergebnis<br />
konnte bei den Dialysepatienten vor allem ein hohes Bedürfnis nach Sicherheit<br />
und Vertrauen sowie der Wunsch nach empathischen und kommunikativen<br />
Kompetenzen herausgearbeitet werden. Statistisch signifikante Subgruppenunterschiede<br />
ergaben sich zwischen jüngeren und älteren Patienten,<br />
Männern und Frauen, in Abhängigkeit des Familienstandes sowie in Bezug zur<br />
Zeit an der Dialyse. Für die weitere Praxis erachten wir es als notwendig, die<br />
Anpassung der Patienten an ein Leben mit der Dialyse insbesondere durch<br />
kommunikative Kompetenzen individuell zu unterstützen.<br />
Sind Menschen dauerhaft dialysepflichtig, so ist<br />
das <strong>für</strong> die Betroffenen ein Einschnitt in das Leben,<br />
der eine besondere physische, psychische<br />
und soziale Anpassungsleistung verlangt. Die nephrologische<br />
Fachpflege ist dabei in besonderem<br />
Maße gefordert, die Anpassung an die neue Lebenssituation<br />
zu erleichtern, zu begleiten und zu<br />
fördern. Dies gelingt nicht allein durch die Vorgabe<br />
standardisierter Tätigkeitskataloge, die von<br />
den Erfordernissen der Praxis ausgehen. Zusätzlich<br />
ist es wichtig, die Bedürfnisse der Patienten<br />
sensibel zu erfahren und zu erfragen [1].<br />
Um Handlungsrichtlinien <strong>für</strong> die Betreuung dialysepflichtiger<br />
Patienten zu entwickeln, ist es daher<br />
hilfreich und zugleich notwendig, die Perspektive<br />
der Betroffenen zu evaluieren, um zu erkennen,<br />
welche Anforderungen sie an die Pflegenden stellen.<br />
Reuschenbach und Mohr haben in diesem Zusammenhang<br />
in einer qualitativen Untersuchung<br />
mit 6 Studienteilnehmern beschrieben, dass aus<br />
Sicht der Dialysepatienten die Anforderungen an<br />
Pflegende generell in Softskills und Hardskills un-<br />
terteilt werden können [1]. Danach sind Softskills<br />
Eigenschaften, die sich als schwer messbar darstellen,<br />
wie empathische und kommunikative Kompetenzen.<br />
Hardskills sind beobachtbare und damit<br />
leichter operationalisierbare Fähigkeiten, wie etwa<br />
der Umgang mit dem Gefäßzugang.<br />
Ebenso wurde herausgearbeitet, dass Pflegekräfte<br />
die Interessen der Patienten gegenüber Ärzten<br />
und anderen Pflegekräften vertreten sollten.<br />
Eine Gleichbehandlung aller Patienten sowie das<br />
Verständnis der Pflegekräfte <strong>für</strong> die Situation des<br />
Dialysepatienten wurden als sehr bedeutsam angesehen.<br />
Positiv wurden auch die Pflegenden bewertet,<br />
die sich Zeit nahmen, über Sorgen und<br />
Probleme der Patienten zu sprechen und trotz<br />
der technischen Geräte immer den Menschen als<br />
solches im Blick hatten. Selbstsicher auftretendes<br />
Pflegepersonal wurde als sehr kompetent<br />
angesehen. Dies war besonders ausgeprägt,<br />
wenn es auch noch ruhig und ausgeglichen wirkte.<br />
Hinsichtlich der Hardskills wurde erwartet,<br />
dass Pflegekräfte ausreichend technisches und<br />
medizinisches Wissen haben sollten. Darüber hinaus<br />
sollten sie Krisensituationen voraussehen<br />
und dementsprechend handeln können.<br />
Im Sinne qualitativer Forschung waren die Ergebnisse<br />
von Reuschenbach und Mohr jedoch<br />
auf eine kleine Anzahl von Patienten beschränkt,<br />
sodass im Rahmen der Fachweiterbildung Nephrologie<br />
die Idee entstand, durch ein wissenschaftliches<br />
Projekt eine größere Anzahl von Patienten<br />
zu untersuchen. Eine Analyse der<br />
gängigen Lehrbücher der Nephrologie [2, 3] sowie<br />
eine Literaturrecherche in Medline, einer<br />
der weltweit größten medizinischen Datenbanken<br />
[4], ergab zunächst, dass sich die vorhandene<br />
Literatur fast nur auf die Sichtweise des Pflegepersonals<br />
bezog. Die Patientensichtweise<br />
wurde dabei kaum untersucht. Somit war es das<br />
Ziel der vorliegenden Studie, mit statistisch auswertbaren<br />
Parametern zu evaluieren, welche besonderen<br />
Anforderungen Dialysepatienten an<br />
das sie betreuende Pflegepersonal stellen.<br />
Dialyse aktuell 2011; 15 (1): 26–35
28 Pflege<br />
Tab. 1 Soziodemografische Patientencharakteristika.<br />
Patienten und Methoden<br />
Für die Untersuchung entschieden wir uns <strong>für</strong><br />
eine prospektive Querschnittsstudie mit der<br />
Durchführung einer schriftlichen und nicht randomisierten<br />
Patientenbefragung in 2 Dialysezentren.<br />
Wir entwickelten einen Fragebogenkatalog<br />
mit 5 soziodemografischen sowie mit 18<br />
speziellen Fragen, die auf den Soft- und Hardskills<br />
der qualitativen Untersuchung von Reuschenbach<br />
und Mohr basierten [1]. Das Instrument<br />
enthielt Auswahlfragen mit maximal 4<br />
Antwortvorgaben und Fragen, die durch freie<br />
Formulierungen zu beantworten waren. Für einige<br />
Items wurde eine visuelle Analogskala (VAS)<br />
von 10 cm Länge benutzt. Durch Abmessung<br />
vom Nullpunkt konnte so die Zustimmung zu<br />
einer Aussage auf eine Skala von 0–100 % transformiert<br />
werden. Der Fragebogen wurde zusammen<br />
mit dem Studienplan und der Patientenaufklärung<br />
bei der zuständigen Ärztekammer<br />
Niedersachsen eingereicht und von dieser im<br />
Februar <strong>2010</strong> genehmigt.<br />
Daraufhin folgte die Durchführung eines kognitiven<br />
„Pretests“ („General-Probing“-Technik) mit 6<br />
Patienten. Hiermit wollten wir Missverständnisse<br />
im Fragebogenverständnis ausschließen und sicherstellen,<br />
dass der Fragebogen <strong>für</strong> die Studienteilnehmer<br />
klar und verständlich war [5]. Für die<br />
eigentliche Untersuchung wurden alle erwachsenen<br />
Hämodialysepatienten (Alter ≥ 18 Jahre) beider<br />
Dialysezentren durch eine Gelegenheitsstich-<br />
Charakteristika n %<br />
Studienteilnehmer 96 100<br />
Alter (Jahre) 65,3 (± 15,2) 21–89 (Range)<br />
Geschlecht:<br />
• männlich<br />
• weiblich<br />
Familienstand:<br />
• ledig<br />
• verheiratet/Partnerschaft<br />
• geschieden/getrennt<br />
• verwitwet<br />
Wohnsituation:<br />
• allein lebend<br />
• nicht allein lebend<br />
49<br />
47<br />
7<br />
60<br />
6<br />
23<br />
26<br />
70<br />
51,0<br />
49,0<br />
7,3<br />
62,5<br />
6,3<br />
24,0<br />
27,1<br />
72,9<br />
Zeit an der Dialyse (Jahre) 4,4 (± 4,6) 0,1–28,3 (Range)<br />
Abb. 1 Patienteneinschätzung der Zusammenarbeit zwischen den Kontaktpersonen.<br />
probe eingeschlossen, die die Fähigkeit hatten,<br />
deutsch zu lesen und deutsch zu schreiben. Außerdem<br />
mussten sie über ausreichende kognitive<br />
Fähigkeiten verfügen (eingeschätzt über den persönlichen<br />
Eindruck der Interviewer), um die Fragen<br />
zu verstehen und zu beantworten.<br />
Der Fragebogen wurde nach der informierten<br />
Zustimmung persönlich an die Patienten verteilt.<br />
Diese füllten ihn aus und legten ihn schließlich<br />
in einer blickdichten Box ohne Angabe des<br />
Namens ab. Die Patienten wurden in der Patientenaufklärung<br />
über folgende Punkte informiert:<br />
• Die Teilnahme an der Befragung war freiwillig.<br />
• Sie konnten jederzeit von der Befragung zurücktreten.<br />
• Damit waren keinerlei Kosten oder sonstige<br />
Verpflichtungen verbunden.<br />
• Durch eine Nichtteilnahme entstanden keinerlei<br />
Nachteile bei der weiteren Behandlung.<br />
Entsprechend dem Bundesdatenschutzgesetz<br />
wurden die Krankheits- und Patientendaten vertraulich<br />
und ohne Namen ausgewertet. Für die<br />
deskriptive Statistik wurde die Statistiksoftware<br />
PASW ® Statistics Version 17.0.2 <strong>für</strong> Microsoft ®<br />
Windows ® (SPSS Inc., 2009) sowie die Tabellenkalkulation<br />
von Microsoft ® Excel ® verwendet<br />
(Microsoft ® Corp., 2007). Für Subgruppenanalysen<br />
wurde der Chi-Quadrat-Test zum Vergleich<br />
der kategorialen Variablen bzw. der U-Test nach<br />
Mann und Whitney zum jeweiligen nicht parametrischen<br />
Vergleich von 2 unabhängigen Stichproben<br />
durchgeführt und das Signifikanzniveau<br />
auf p < 0,05 gesetzt. Die Angaben der Pa tienten,<br />
die in den Freitextfeldern des Fragebogens erfolgten,<br />
wurden schließlich in wesentliche Kernaussagen<br />
zusammengefasst und unterstützten<br />
so die Interpretation der quantitativen Aussagen.<br />
Ergebnisse<br />
Beschreibung der Studienpopulation<br />
Aus den beiden Dialysezentren erfüllten 109 Hämodialysepatienten<br />
die Einschlusskriterien. Davon<br />
nahmen im Februar <strong>2010</strong> 49 männliche und<br />
47 weibliche Patienten an der Studie teil, sodass<br />
sich eine Rücklaufquote der Fragebögen von 88 %<br />
ergab. Die Studienteilnehmer hatten ein Alter<br />
von 65,3 (± 15,2) Jahren, waren zu 62,5 % in einer<br />
Partnerschaft bzw. verheiratet und im Mittel seit<br />
4,4 (± 4,6) Jahren dialysepflichtig (Tab. 1).<br />
Dimension Zusammenarbeit<br />
Wie die Auswertung der Ergebnisse in dieser Dimension<br />
zeigte, ist <strong>für</strong> Hämodialysepatienten<br />
eine gute Zusammenarbeit zwischen allen Kontaktpersonen<br />
im Umfeld ihrer chronischen Erkrankung<br />
sehr relevant. Sowohl das Verhältnis<br />
zwischen der Pflege und dem Patienten, der Pflege<br />
und dem Arzt sowie der Pflege untereinander<br />
Dialyse aktuell 2011; 15 (1): 26–35
30 Pflege<br />
erachten über 80 % der Hämodialysepatienten<br />
als sehr wichtig (Abb. 1).<br />
Dimension Kommunikation<br />
Aus der Befragung ging hervor, dass sich der<br />
größte Teil der Untersuchungsteilnehmer (64 %)<br />
zu jeder Behandlung ein gezieltes (Beratungs-)<br />
Gespräch wünscht (Abb. 2). Nach Auswertung<br />
der Freitextfelder sollten die Pflegekräfte dabei<br />
die Fähigkeit besitzen, den individuellen Gesprächsbedarf<br />
jedes Einzelnen zu erkennen und<br />
darauf eingehen zu können. Darüber hinaus gaben<br />
die Patienten Gesprächsthemen, wie zur<br />
Dialyse allgemein, zur Ernährung, zum Umgang<br />
mit der Krankheit und deren Verlauf, zur Bedeutung<br />
der Laborwerte, zum Shunt und zur Punktion<br />
sowie zur Organisation und dem Ablauf einer<br />
Transplantation an. Des Weiteren bestand<br />
der Wunsch, über „dies und das, was mich im<br />
Moment beschäftigt“ zu reden. Das können aus<br />
Sicht der Patienten auch persönliche Themen<br />
Abb. 2 Patientenwünsche zur Häufigkeit von (Beratungs-)Gesprächen mit dem Pflegepersonal.<br />
Abb. 3 Patientenwünsche zur Häufigkeit von Blutdruckkontrollen während der Behandlung.<br />
Abb. 4 Wünschenswerte Eigenschaften des Pflegepersonals im Notfall aus Sicht der Patienten.<br />
sein, wie etwa Freizeitaktivitäten, Urlaubsdialysen,<br />
Ratschläge <strong>für</strong> den Alltag, sozialrechtliche<br />
Angelegenheiten sowie private Gesprächsthemen.<br />
Diesem Wunsch nach individueller Information<br />
zum Umgang mit der Krankheit im Alltag,<br />
wurde mit 75 % und dem Wunsch nach<br />
Ratschlägen <strong>für</strong> die dialysefreie Zeit (z. B. über<br />
die Einhaltung der Trinkmenge) mit 76 % zugestimmt.<br />
Abschließend erhielt die Antwort auf die<br />
Frage, ob diese Art der pflegerischen Beratungsgespräche<br />
auch tatsächlich hilfreich sind, einen<br />
sehr hohen Wert von 80 % Zustimmung.<br />
Dimension Sicherheit und Vertrauen<br />
Mit 64 % Zustimmung bestand in dieser Dimension<br />
der Wunsch, dass eine Pflegekraft in ständiger<br />
Präsenz im Behandlungsraum verweilen sollte.<br />
Demgegenüber scheint die Bedeutsamkeit, pflegerische<br />
Leistungen immer durch dieselbe Pflegekraft<br />
zu erhalten, bei den Patienten weniger<br />
ausgeprägt zu sein. Hier erachteten es nur 55 %<br />
als relevant, vorwiegend von derselben Pflegekraft<br />
betreut zu werden. In diesem Zusammenhang<br />
wurde auch das Bedürfnis, dass immer eine<br />
identische Pflegekraft den Shunt punktieren<br />
bzw. den Katheterverband durchführen sollte,<br />
nur mit 53 % bzw. mit 50 % Wichtigkeit beurteilt.<br />
Im Rahmen der Sicherheit und unter Berücksichtigung<br />
der medizinischen Notwendigkeit war es<br />
auch das Ziel festzustellen, wie häufig aus Sicht<br />
der Patienten Blutdruckmessungen stattfinden<br />
sollten. Mit großer Mehrheit bevorzugten sie<br />
eine stündliche Blutdruckmessung (Abb. 3).<br />
Als die in einem möglichen Notfall wichtigsten<br />
Attribute kreuzten die Patienten die Eigenschaften<br />
Sicherheit/Kompetenz, Ruhe und Schnelligkeit<br />
am häufigsten an (Abb. 4). Die Pflegenden<br />
sollten Notfallsituationen erkennen und die erforderlichen<br />
Maßnahmen schnell und kompetent<br />
ausführen. Die Abbildung zeigt, dass das<br />
Pflegepersonal aus Sicht der Patienten im Wesentlichen<br />
nicht nur durch die fachlichen, sondern<br />
auch durch die menschlichen Fähigkeiten<br />
maßgeblich zu einem positiven Verlauf der raschen<br />
Hilfe beitragen kann.<br />
Dimension Persönlichkeit<br />
Zur Persönlichkeitsstruktur einer Pflegekraft in<br />
Dialyseeinrichtungen sollten nach Meinung der<br />
Patienten primär Sorgfältigkeit, Freundlichkeit<br />
und Kompetenz gehören (Abb. 5). Darüber hinaus<br />
sehen Patienten in der Ausgeglichenheit,<br />
Einfühlsamkeit und Flexibilität wichtige persönliche<br />
Eigenschaften, sodass neben den fachlichen<br />
Merkmalen ebenso zwischenmenschliche Fähigkeiten<br />
<strong>für</strong> die Patienten eine große Rolle spielen.<br />
Bei der Frage, in welchem Verhältnis das Pflegepersonal<br />
zu den Patienten stehen sollte, gaben<br />
die meisten der Patienten ein vertrauensvolles,<br />
freundschaftliches und respektvolles Verhältnis<br />
Dialyse aktuell 2011; 15 (1): 26–35
32 Pflege<br />
Abb. 5 Wichtigste Solleigenschaften der Pflege aus Sicht der Patienten.<br />
Abb. 6 Sollverhältnis zur Pflege aus Sicht der Patienten.<br />
an (Abb. 6). Der starke Wunsch nach Vertrauen<br />
kann damit erklärt werden, dass der Patient die<br />
Pflegeperson offenbar als eine Stütze und als einen<br />
Begleiter während der chronischen Erkrankung<br />
sieht. Gleichzeitig löst ein vertrauensvolles<br />
Verhältnis ein Gefühl von Sicherheit bei dem Patienten<br />
aus: „Erst wenn ich jemandem vertraue,<br />
fühle ich mich sicher“.<br />
Besonderheit des Dialysepersonals<br />
64 % aller Studienteilnehmer waren der Meinung,<br />
dass sich das Pflegepersonal in Dialyseeinrichtungen<br />
von dem im Krankenhaus auf einer<br />
Normalstation arbeitenden <strong>Personal</strong> generell<br />
unterscheidet und größeren Herausforderungen<br />
ausgesetzt ist. Die Patienten gaben in den Freitextfeldern<br />
vor allem Unterschiede in den persönlichen<br />
Eigenschaften wie Freundlichkeit,<br />
Hilfsbereitschaft, Sorgfalt und Verständnis sowie<br />
in berufsspezifischen Eigenschaften wie Kompetenz<br />
und Fachwissen an: „Das Dialysepersonal<br />
muss technisch und in menschlicher Situation<br />
den Anforderungen gewachsen sein“. Ferner<br />
wurde das Verhältnis zwischen der Pflegekraft<br />
und dem Dialysepatienten als ein persönlicheres<br />
und vertrauteres beschrieben, sodass die Patienten<br />
in der Dialyse einer individuelleren Betreuung<br />
und Behandlung bedürfen: „Durch die stetige<br />
Anwesenheit kann besser Vertrauen aufgebaut<br />
werden“.<br />
11 % der Befragten nutzten die Möglichkeit, noch<br />
weitere Vorschläge vorzubringen: „Ein wenig<br />
mehr Geduld mit sehr alten Patienten, <strong>für</strong> die die<br />
pünktliche Einhaltung der Termine nicht immer<br />
leicht ist“, „peinliche Sauberkeit“, „Freude am<br />
Umgang mit den Patienten“ sowie „Distanz wahren<br />
und nicht duzen“ waren einige der Anregungen.<br />
Gruppenunterschiede<br />
Die Subgruppenanalyse ergab, dass in dem Dialysezentrum,<br />
in dem der Anteil lediger und somit<br />
auch alleinstehender Patienten größer war,<br />
sich die Patienten mit 80 % Zustimmung signifikant<br />
mehr Informationen im Alltag wünschten<br />
als in dem Vergleichszentrum, in dem nur 68 %<br />
Zustimmung erzielt wurde (p = 0,043). Verheiratete<br />
oder in Partnerschaft lebende Patienten<br />
empfanden es zudem als angenehmer, wenn immer<br />
dieselbe Pflegekraft den Shunt punktiert<br />
(58 % vs. 42 %; p = 0,035) und wenn sie weiterhin<br />
immer von denselben Pflegenden betreut werden<br />
(61 % vs. 42 %; p = 0,011).<br />
Der Gruppe der Älteren (> 65 Jahre) war es im<br />
Vergleich zu den jüngeren Dialysepatienten (≤<br />
65 Jahre) wichtiger, dass sich eine Pflegeperson<br />
ständig im Behandlungsraum befindet (71% vs.<br />
57 %; p = 0,011) und dass immer dieselbe Pflegekraft<br />
den Shunt punktieren sollte (62 % vs. 44 %;<br />
p = 0,048). Schließlich erachteten die älteren<br />
Dialysepatienten die (Beratungs-)Gespräche mit<br />
der Pflege als signifikant hilfreicher (85 % vs.<br />
75 %; p = 0,049).<br />
Die Patienten, die sich noch nicht so lange an der<br />
Dialyse befanden (< 3,5 Jahre), gaben im Vergleich<br />
mit Langzeitdialysepatienten (≥ 3,5 Jahre)<br />
einen weit höheren Informationsbedarf <strong>für</strong> das<br />
dialysefreie Intervall an (83% vs. 68 %; p = 0,008)<br />
und empfanden es zudem als angenehmer, wenn<br />
immer dieselbe Pflegekraft den Verbandswechsel<br />
des Dialysekatheters durchführt (60 % vs.<br />
38 %; p = 0,047).<br />
Im Vergleich zu den technischen Kompetenzen<br />
bevorzugten Frauen, im Gegensatz zu Männern,<br />
signifikant mehr zwischenmenschliche Fähigkeiten<br />
beim Pflegepersonal (68 % vs. 44 %; p =<br />
0,029). Allerdings unterschieden sich die beiden<br />
Geschlechtergruppen bezüglich des Familienstandes<br />
ebenso signifikant (p = 0,003). In der<br />
Gruppe der Frauen war der Anteil der verwitweten<br />
Personen um ein 5-Faches höher als in der<br />
Gruppe der Männer (40 % vs. 8 %), sodass soziodemografische<br />
Einflussfaktoren auf die Ergebnisse<br />
nicht auszuschließen sind. Insgesamt<br />
konnten wir durch die Subgruppenanalysen zeigen,<br />
dass offenbar die soziodemografischen Variablen<br />
wie Familienstand, Alter, Geschlechtszugehörigkeit<br />
sowie die Zeit seit Beginn der<br />
Dialysebehandlung die Anforderungen an das<br />
Dialysepersonal beeinflussen.<br />
Diskussion<br />
In unserer Untersuchung haben wir festgestellt,<br />
dass Hämodialysepatienten vielfältige Erwartungen<br />
und Anforderungen an das sie betreuende<br />
Pflegepersonal haben. Die Gruppe der Pflege<br />
ist dabei <strong>für</strong> die Patienten der primäre Ansprechpartner<br />
und fungiert durch den intensivsten Patientenkontakt<br />
offensichtlich als ein Vermittler<br />
Dialyse aktuell 2011; 15 (1): 26–35
34 Pflege<br />
zwischen Ärzten, Angehörigen, Pflegeheimen<br />
und anderer Berufsgruppen, sodass dieser Kontakt<br />
den höchsten Stellenwert bei den Studienteilnehmern<br />
hatte.<br />
Will man der gemessenen hohen Bedeutung von<br />
zwischenmenschlichen und hier insbesondere<br />
kommunikativen Fähigkeiten nachkommen,<br />
setzt dies fachliche Kompetenz sowie die Bereitschaft<br />
voraus, die Bedürfnisse der Patienten permanent<br />
zu evaluieren und die gegebenen personellen<br />
und zeitlichen Ressourcen sinnvoll<br />
einzusetzen. Die Pflegenden müssen sich deshalb<br />
immer wieder vor Ort der Frage stellen, ob<br />
insbesondere dem Beratungsbedarf überhaupt<br />
zu jeder Dialysebehandlung entsprochen werden<br />
kann. Außerdem muss man sich fragen, welche<br />
Themengebiete zu welchem Zeitpunkt thematisiert<br />
werden sollten, da man von einem<br />
stetig wechselnden, nie gleichen Beratungsbedarf<br />
entsprechend dem Krankheitsverlauf und<br />
der Zeit nach dem Dialysebeginn ausgehen muss.<br />
Während der Dialysebehandlung geben die permanente<br />
Anwesenheit einer Pflegekraft und das<br />
stündliche Messen des Blutdrucks erkennbar einer<br />
Vielzahl von Patienten, die die Behandlung<br />
als große Abhängigkeit von der Dialysemaschine<br />
erleben, ein starkes Gefühl von Sicherheit. Zu<br />
diskutieren bleibt jedoch, ob nicht das in den<br />
Dialyseeinrichtungen häufig praktizierte und<br />
mittlerweile tradierte stündliche Messen der Vitalzeichen<br />
das Antwortverhalten beeinflusst hat.<br />
Für uns war es überraschend, dass die Patienten<br />
bezüglich der Shuntpunktion bzw. des Katheterverbandes<br />
es als weniger relevant erachteten,<br />
dies stets durch dieselbe Pflegekraft ausführen<br />
zu lassen. Eventuell spielt hier der Wunsch nach<br />
Abwechslung in der Betreuung eine große Rolle.<br />
Die Frage bleibt, ob es sich eine Dialyseeinrichtung<br />
organisatorisch und finanziell leisten kann,<br />
Demands on nursing staff in institutions for dialysis from the view of<br />
patients – A crosssectional study<br />
A large number of models of competence in nursing are usually based on the<br />
questioning of nursing staff and hardly considers the aspect of the patients<br />
concerned. The aim of this study is to assess the views of hemodialysis patients<br />
on the relevant competencies of professional nursing staff. A cross-sectional<br />
study was conducted on 96 patients with hemodialysis from 2 dialysis centers<br />
in Germany. Data were collected with a self-developed questionnaire. In the<br />
result, the patients especially stressed the necessity to safety and trust and the<br />
wish for communicative and empathic competence. Statistically significant<br />
differences resulted between younger and older patients, men and women, in<br />
family status and in dependence of dialysis duration. For further practice, it is<br />
necessary to support the adjustment of the patients to a life with dialysis in<br />
particular by communicative competences.<br />
Key words<br />
hemodialysis – demands on nursing staff – competence in nursing – crosssectional<br />
study<br />
dass sich eine Pflegekraft ständig im Behandlungszimmer<br />
befindet. Hier sind sowohl Diskussionen<br />
unter den beteiligten Professionen notwendig<br />
als auch die Bereitschaft, sich<br />
gegebenenfalls von tradierten Abläufen und Organisationsstrukturen<br />
zu trennen.<br />
Der Wunsch nach einem freundschaftlichen Verhältnis<br />
zwischen dem Patient und der Pflegekraft<br />
steht einem Pflegeverständnis gegenüber,<br />
das heutzutage mit professioneller Beziehungsgestaltung<br />
umschrieben werden kann [6]. In diesem<br />
Verständnis ist es notwendig, auf der einen<br />
Seite durch Empathie die Pflegebedürfnisse zu<br />
erkennen und professionell darauf zu reagieren.<br />
Auf der anderen Seite muss die Pflegekraft aber<br />
auch lernen, sich auf der Ebene des Privaten abzugrenzen,<br />
um als Außenstehender unvoreingenommen<br />
Hilfestellung leisten zu können.<br />
Unsere Ergebnisse unterstützen die Arbeit von<br />
Reuschenbach und Mohr [1], indem wir erstmals<br />
statistisch auswertbare Aspekte der Softskills<br />
und Hardskills quantifizieren und signifikante<br />
soziodemografische Gruppenunterschiede offenbaren<br />
konnten. Wie die Ergebnisse aber auch<br />
zeigen, divergieren die Vorstellungen der Patienten<br />
und die professionelle Sichtweise der Pflege<br />
zum Teil. Es wäre daher zunächst wünschenswert,<br />
den hier eingesetzten und selbst entwickelten<br />
Fragebogen an einer größeren Gruppe<br />
von Patienten zu validieren und die Resultate<br />
unter Beteiligung weiterer Dialysezentren zu replizieren.<br />
Insbesondere wird es ebenso hilfreich<br />
sein, die Einflüsse soziodemografischer Aspekte<br />
tiefergehend zu untersuchen, um vulnerable<br />
Gruppen innerhalb der Patienten zu erkennen,<br />
die einer erhöhten Aufmerksamkeit bedürfen.<br />
Einen weiteren Forschungsbedarf sehen wir darin,<br />
in Form von randomisierten, kontrollierten<br />
Studien effektive Schulungsangebote zu identifizieren<br />
und zu evaluieren, da das vorliegende Studiendesign<br />
deskriptiver Natur war und so kein<br />
Wirksamkeitsnachweis von Interventionen erbracht<br />
werden konnte.<br />
Schlussfolgerung<br />
Diese Studie versteht sich als ein Beitrag zur Diskussion,<br />
welche Eigenschaften die Pflegenden in<br />
Dialyseeinrichtungen mitbringen sollten, um<br />
eine adäquate und auf die Bedürfnisse der Patienten<br />
angepasste professionelle Fachpflege zu<br />
gewährleisten. Dadurch, dass die Pflegenden den<br />
intensivsten Kontakt zu den Hämodialysepatienten<br />
haben, besitzen sie eine große Verantwortung,<br />
die Anpassung der Patienten an ein Leben<br />
mit der Dialyse zu begleiten und die dabei gemachten<br />
Beobachtungen an den behandelnden<br />
Arzt zu kommunizieren. Die Anforderungen der<br />
Patienten können je nach Geschlecht, Alter und<br />
weiteren Faktoren individuell sehr verschieden<br />
sein. Um die Anforderungen zu erfüllen, sind da-<br />
Dialyse aktuell 2011; 15 (1): 26–35
Pflege<br />
Dialyse aktuell 2011; 15 (1): 26–35<br />
35<br />
her intensive Schulungen des Pflegepersonals<br />
notwendig. Dann können sie bestmöglich eine<br />
ressourcenorientierte, situations- und empfängergerechte<br />
Patientenberatung zur Vermittlung<br />
von Sicherheit und Vertrauen im professionell<br />
aufgebauten Arbeitsbündnis erreichen.<br />
Literatur<br />
1 Reuschenbach B, Mohr T. Anforderungen an Pflegende<br />
in Dialyseeinrichtungen aus Sicht von Patientinnen<br />
und Patienten – Ergebnisse einer Befragung<br />
mittels Critical Incident Technique. Pflege 2005; 18:<br />
86–94<br />
2 Breuch G, Hrsg. Fachpflege Nephrologie und Dialyse.<br />
4. Aufl. München, Jena: Urban & Fischer; 2008<br />
3 Nowack R, Birk R. Dialyse und Nephrologie <strong>für</strong> Pflegeberufe.<br />
Berlin, Heidelberg: Springer; 1999<br />
4 Medline (US National Library of Medicine). Im Internet:<br />
www.pubmed.com<br />
5 Prüfer P, Rexroth M. Zwei-Phasen-Pretesting. ZUMA-<br />
Arbeitsbericht. Mannheim: ZUMA; 2000<br />
6 Arets J, Obex F, Vaessen J, Wagner F. Professionelle<br />
Pflege. Theoretische und praktische Grundlagen. 3.<br />
Aufl. Bern, Göttingen: Huber; 1999<br />
Korrespondenz<br />
Dietmar Wiederhold<br />
Dipl.-Pflege- und Gesundheitswissenschaftler,<br />
Fachkrankenpfleger <strong>für</strong> Nephrologie<br />
AWO Gesundheitsdienste gGmbH<br />
Nephrologisches Zentrum Niedersachsen<br />
Institut <strong>für</strong> Nephrologische Fort- und<br />
Weiterbildung<br />
Vogelsang 105<br />
34346 Hann. Münden<br />
d.wiederhold@awogsd.de<br />
Korrespondenz<br />
Anja Lücke<br />
Gesundheits- und Fachkrankenpflegerin<br />
<strong>für</strong> Nephrologie<br />
Nephrologisches Zentrum Göttingen<br />
An der Lutter 24<br />
37075 Göttingen<br />
anja-luecke@web.de<br />
Korrespondenz<br />
Renate Hoffmann<br />
Fachkrankenschwester <strong>für</strong> Nephrologie<br />
Nierenzentrum Ammerland<br />
Mozartstraße 30<br />
26655 Westerstede<br />
renate.hoffmann@ewetel.net<br />
Autorenerklärung<br />
Die Autoren erklären, dass sie keine finanziellen Verbindungen<br />
mit einer Firma haben, deren Produkt in dem<br />
Beitrag eine wichtige Rolle spielt (oder mit einer Firma,<br />
die ein Konkurrenzprodukt vertreibt).