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Anlage 2 Rechtsgutachten - RIS

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Stand: 04.03.2011 <strong>Anlage</strong> 2<br />

BEURTEILUNG DER ERFOLGSAUSSICHTEN EINER KLAGE GEGEN<br />

DAS SKATEVERBOT AUF DEM GEORG-FREUNDORFER-PLATZ<br />

im Auftrag von<br />

Landeshauptstadt München (Baureferat)<br />

Friedenstr. 40, 81671 München<br />

erstellt durch<br />

Rechtsanwalt Claudius Franke, LL.M.<br />

Rechtsanwalt Eric H. Glattfeld<br />

von<br />

Untere Weidenstr. 5, 81543 München<br />

Tel. 089 / 23 11 64-0<br />

Fax 089 / 23 11 64-570<br />

E-mail: muenchen@bbh-online.de<br />

www.bbh-online.de<br />

Becker Büttner Held · Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater · Partnerschaft · Sitz: München · AG München PR 627<br />

04820-10/1531145 1


Inhaltsverzeichnis<br />

TEIL 1 ERGEBNIS 3<br />

TEIL 2 SACHVERHALT 4<br />

I. Einführung 4<br />

II. Umgestaltungsmaßnahmen im Jahr 2002 4<br />

III. Gestattung des Skatens auf dem Georg-Freundorfer-Platz 5<br />

IV. Lärmmessungen und Lärmgutachten 6<br />

V. Bekanntmachung und Vollziehung des Skateverbots 7<br />

VI. Gesetzesinitiativen der Bayerischen Staatsregierung und des BMU 8<br />

VII. Fragestellung 9<br />

TEIL 3 RECHTMÄßIGKEIT DES VERBOTS 10<br />

A. Rechtscharakter des Verbots 10<br />

B. Rechtmäßigkeit des Verbots auf Grundlage der Grünanlagensatzung 14<br />

I. Rechtsgrundlagen 14<br />

1. §§ 2 Abs. 3 Nr. 4, 8 der Grünanlagensatzung 14<br />

2. Subsidiarität der § 2 Abs. 1 und § 6 der Grünanlagensatzung 14<br />

3. Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten 15<br />

II. Formelle Rechtmäßigkeit 15<br />

1. Zuständigkeit 15<br />

2. Verfahren, Form und Bekanntgabe 16<br />

III. Materielle Rechtmäßigkeit 18<br />

1. Grünanlage 18<br />

2. Skatenutzung ist Ausübung von Sport 19<br />

3. Belästigung Anderer durch Lärmimmissionen 19<br />

4. Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung 22<br />

5. Verhältnismäßigkeit 22<br />

6. Ausübung des Verwaltungsermessens 23<br />

7. Zwischenergebnis 25<br />

C. Rechtmäßigkeit des Verbots nach Bundesimmissionsschutzrecht 25<br />

I. Rechtsgrundlagen 25<br />

II. Formelle Rechtmäßigkeit 26<br />

III. Materielle Rechtmäßigkeit 26<br />

1. Skatefläche als <strong>Anlage</strong> nach BImSchG 26<br />

2. Schädliche Umwelteinwirkungen 28<br />

3. Verstoß gegen § 22 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG 30<br />

4. Verstoß gegen § 23 Abs. 1 BImSchG i. V. m. der 18. BImSchV 33<br />

5. Immissionsschutzrechtliche Einzelfallanordnung 34<br />

6. Kein Konkurrenzverhältnis 34<br />

7. Verhältnismäßigkeit und Ermessensausübung 35<br />

8. Zwischenergebnis 35<br />

D. Rechtmäßigkeit des Verbots nach dem KJG 35<br />

E. Rechtmäßigkeit des Verbots nach dem 10. ÄndG-BImSchG 37<br />

2


Teil 1 Ergebnis<br />

Das am 22.10.2010 durch die Landeshauptstadt München (Baureferat, Abt. Gartenbau) in<br />

der Rathaus-Umschau öffentlich bekannt gemachte und am 23./24.10.2010 vollzogene Ver-<br />

bot der weiteren Skatenutzung auf dem Georg-Freundorfer-Platz (Stadtbezirk 8, Schwantha-<br />

lerhöhe) auf Grundlage von §§ 2 Abs. 3 Nr. 4 Alt. 2, 8 der Grünanlagensatzung ist formell<br />

und materiell rechtmäßig.<br />

Das Verbot ist auch als immissionsschutzrechtliche Einzelfallanordnung nach §§ 24 Satz 1,<br />

22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG und §§ 24 Satz 1, 23 Abs. 1 BImSchG i. V. m. § 2 Abs. 2<br />

Nr. 4 der 18. BImSchV entsprechend formell und materiell rechtmäßig.<br />

Klagen vor dem Verwaltungsgericht München gegen das Verbot haben daher keine Aussicht<br />

auf Erfolg. Etwaige verwaltungsgerichtliche Klagen wären unbegründet.<br />

Auch unter Hinzuziehung des Gesetzentwurfs der Bayerischen Staatsregierung vom<br />

26.10.2010 über „Anforderungen an den Lärmschutz bei Kinder- und Jugendspieleinrichtun-<br />

gen (KJG)“ und des „Entwurfs eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Bundes-<br />

Immissionsschutzgesetzes – Erhöhung der Rechtssicherheit für Kindertageseinrichtungen<br />

und Kinderspielplätze“ des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-<br />

heit vom 17.12.2010 ergeben sich keine hiervon abweichenden Ergebnisse.<br />

3


Teil 2 Sachverhalt<br />

I. Einführung<br />

In der Zeit von Ende des Jahres 2002 bis zum 22.10.2010 wurde der südliche, an die Sandt-<br />

nerstraße angrenzende Teil des Georg-Freundorfer-Platzes in München von Skateboardfah-<br />

rern als Skatefläche genutzt. Auf der 16.269 qm umfassenden Asphaltfläche führten über-<br />

wiegend jugendliche Skateboardfahrer Fahr- und Sprungübungen aus. Die Fahr- und<br />

Sprungübungen wurden sowohl auf der freien Asphaltfläche als auch unter Verwendung der<br />

auf dem Platz eingelassenen Sitzelemente aus Beton, welche an den Kanten mit Metallbän-<br />

dern verblendet sind, ausgeführt. Aufgrund der durch die Skatenutzung hervorgerufenen<br />

Schlaggeräusche lagen der LHS München ca. 40 Anwohnerbeschwerden vor, in deren Folge<br />

mehrere Geräuschmessungen vorgenommen wurden. Die Geräuschmessungen führten zu<br />

dem Ergebnis, dass maßgebliche Lärmschutzvorgaben infolge der Skatenutzung erheblich<br />

überschritten wurden. Daraufhin entschied die LHS München am 22.10.2010, die Skatenut-<br />

zung zu untersagen. Der Untersagung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:<br />

II. Umgestaltungsmaßnahmen im Jahr 2002<br />

Mit Beschluss des Stadtrats der LHS München vom 22.10.1997 wurde das Baureferat beauf-<br />

tragt, für den Georg-Freundorfer-Platz einen Realisierungswettbewerb durchzuführen. Im<br />

Auslobungstext zum Realisierungswettbewerb wurde eine mögliche Skatenutzung erwähnt,<br />

jedoch mit dem ausdrücklichen Hinweis versehen, dass Skateeinrichtungen nur unter Ein-<br />

planung baulicher Lärmschutzmaßnahmen möglich sein würden. Im Auslobungstext auf Sei-<br />

te 16 heißt es:<br />

„Bei Einrichtungen für geräuschintensive Spiele (z. B.: Bolzplatz, Streetball, Skateboard)<br />

sollten bauliche Lärmschutzmaßnahmen sowie sonstige Absicherungen (wie Ballfang-<br />

zäune etc) in der Planung ersichtlich sein.“ 1<br />

Die Wettbewerbsentwürfe wurden dem Bauausschuss am 28.09.1999 vorgestellt. Der Ent-<br />

wurf des Büros Martina Levin & Luc Monsigny (Berlin), den das Baureferat auf Beschluss<br />

des Stadtrats der LHS München im Jahr 2002 umsetzte, enthielt keine entsprechenden Vor-<br />

schläge zur Gestaltung einer Skateanlage. Auch die Einplanung baulicher Lärmschutzmaß-<br />

nahmen war im Wettbewerbsentwurf nicht vorgesehen. Um eine geordnete Umsetzung des<br />

Wettbewerbsergebnisses zu ermöglichen, wurde der ursprünglich geltende Bebauungsplan<br />

Nr. 1068 aufgehoben und der neue Bebauungsplan mit Grünordnung Nr. 1819c (im Folgen-<br />

den: Bebauungsplan) aufgestellt. Die „Art der Nutzung“ ist im Bebauungsplan wie folgt fest-<br />

gesetzt:<br />

1 Hervorhebungen durch die Unterzeichner.<br />

4


„Die allgemeine nutzbare Frei- und Erholungsfläche wird als öffentliche Grünfläche festge-<br />

setzt. (…). Folgende Einrichtungen werden in ihrer Lage erhalten, bzw. wiederentstehen: der<br />

tiefer gelegene Bolzplatz, zwei Sommerstockbahnen, vier Bodenspiele, zwei Tischtennisplat-<br />

ten, mehrere Spielplätze mit unterschiedlichen Vorgaben bezüglich der Altersstruktur und<br />

auch der Art und Weise der Ausgestaltung. An die Spielzone schließen sich, vom intensiven<br />

Spielbereich durch eine Erdmodellierung getrennt, Rasenflächen an, welche dem unregle-<br />

mentierten Spielen und dem Aufenthalt dienen. Der südliche Bereich ist neben bürger-<br />

schaftlichen Aktivitäten intensiv genutzten Spielflächen (Skaten, Kinderspielflächen)<br />

vorbehalten. Die Errichtung einer Gemeinbedarfseinrichtung als integrierter Bestand-<br />

teil der Grünfläche ist möglich. (….)“ 2<br />

III. Gestattung des Skatens auf dem Georg-Freundorfer-Platz<br />

Aufgrund der vermehrt auftretenden Skatenutzung und mehreren Anwohnerbeschwerden<br />

wurden seitens der LHS München Ende des Jahres 2002 Schilder aufgestellt, die zeitliche<br />

Vorgaben für die Skatenutzung auf dem Georg-Freundorfer-Platz beinhalteten. Das Skaten<br />

wurde in den Zeiten von 08:00 Uhr – 20:00 Uhr an Werktagen und von 09:00 – 13:00 Uhr<br />

und von 15:00 Uhr – 20:00 Uhr an Sonn- und Feiertagen gestattet. Die Nutzungszeiten soll-<br />

ten außerhalb der in der Sportanlagenlärmschutzverordnung 3 (im Folgenden: 18. BImSchV)<br />

geregelten Ruhezeiten liegen. Ziel der LHS München war es, trotz des Verbots in § 2 Abs. 3<br />

Nr. 4 der Grünanlagensatzung, einen Ausgleich zwischen den Interessen der Anwohner und<br />

den Skateboardfahrern herzustellen. Diese Vorgehensweise wurde mit dem Bezirksaus-<br />

schuss abgestimmt. Das Beschwerdeaufkommen war von Ende des Jahres 2002 bis Mitte<br />

des Jahres 2008 daraufhin so gering, dass seitens der LHS München kein Anlass bestand,<br />

die Gestattung der weiteren Skatenutzung auf dem Georg-Freundorfer-Platz zu verändern.<br />

Am 21.06.2008 fand auf dem Georg-Freundorfer-Platz ein nicht genehmigtes und auch nach<br />

dem abendlichen Ende der zulässigen Skatezeit um 20:00 Uhr noch andauerndes Skatefest<br />

statt, das erneut Anwohnerbeschwerden zur Folge hatte. Anfangs richtete sich die Kritik der<br />

Anwohner auf diese nicht genehmigte Abendveranstaltung und auf die abendliche Skatenut-<br />

zung des Georg-Freundorfer-Platzes nach 20:00 Uhr. Bald darauf kündigte ein Anwohner<br />

eine Unterschriftenliste an, die auf ein vollständiges Unterbinden des Skateboardfahrens auf<br />

dem Georg-Freundorfer-Platz abzielte.<br />

2 Hervorhebungen durch die Unterzeichner.<br />

3 Achtzehnte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Sportanlagenlärmschutzverordnung – 18.<br />

BImSchV) vom 18.07.1991 (BGBl. I S. 1588, 1790), geändert durch Art. 1 V vom 09.02.2006 (BGBl. I S. 324), aufgrund des<br />

§ 23 Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 14.05.1990 (BGBl. I S. 880)<br />

durch Verordnung der Bundesregierung.<br />

5


IV. Lärmmessungen und Lärmgutachten<br />

Ab dem Jahr 2009 wurden zwei Anwohner von einer Rechtsanwaltskanzlei vertreten, welche<br />

im Namen der Anwohner eine Lärmmessung von der Stadt einforderte. Daraufhin ließ das<br />

Baureferat am 18.07.2010, 20.07.2010 und am 25.07.2010, jeweils zwischen 16:30 Uhr und<br />

19:30 Uhr, Lärmmessungen von einer amtlich anerkannten Messstelle zur Prüfung von<br />

Emissionen und Immissionen nach §§26, 28 des Bundesimmissionsschutzgesetzes 4 (im<br />

Folgenden: BImSchG) durchführen. Für den Messvorgang und die Bewertung der Ergebnis-<br />

se wurden die gesetzlichen Vorgaben der 18. BImSchV entsprechend herangezogen.<br />

Das Lärmgutachten, 5 welches das Ingenieurbüro Dipl.-Ing. (FH) Rüdiger Greiner als öffent-<br />

lich bestellter und vereidigter Sachverständiger der Industrie und Handelskammer für Mün-<br />

chen und Oberbayern für Schallimmissionsschutz am 04.08.2010 vorlegte, kam zu dem Er-<br />

gebnis, dass die Lärmgrenzwerte der 18. BImSchV auch während der ausgeschilderten Ska-<br />

tezeiten überschritten werden und es keine realistischen Möglichkeiten für Lärmschutzmaß-<br />

nahmen technischer bzw. administrativer Art gibt, die eine Fortsetzung des Skatebetriebs<br />

erlauben würden.<br />

Die Beurteilungspegel am Messpunkt in der Sandtnerstraße 3 (1. OG) lagen um bis zu<br />

14 dB(A) 6 – und damit ein Vielfaches – über dem für das benachbarte reine Wohngebiet zu-<br />

lässigen Richtwert von 50 dB(A). Pegelbestimmend war nach Ansicht der Gutachter die über<br />

den Nutzungszeitraum durchgehend hohe Zahl an lauten Geräuschen, die durch das Auf-<br />

schlagen der Skateboards bei Sprungmanövern auf der ebenen Fläche auftraten. 7 Bis zu<br />

700 dieser Schlaggeräusche pro Stunde mit Pegelspitzen bis über 80 dB(A) wurden festge-<br />

stellt. In dem am 04.08.2010 vorgelegten Messbericht heißt es unter „9. Fazit“ wie folgt:<br />

„Im Zuge der durchgeführten Messungen der Geräuschimmissionen wurden Überschrei-<br />

tungen der Immissionswerte der 18. BImSchV von bis zu 14 dB(A) an den angrenzen-<br />

den Wohngebäuden in der Sandtner- und Geroltstraße festgestellt. Die ermittelten<br />

Überschreitungen der Immissionsrichtwerte werden maßgeblich durch die Ge-<br />

räuschemissionen der Skateboardfahrer im südlichen Bereich des Georg-Freundorfer-<br />

Platzes verursacht. Pegelbestimmend ist hierbei die über den Nutzungszeitraum durchge-<br />

hend hohe Anzahl an lauten Schlaggeräuschen, welche durch das Aufschlagen der Skate-<br />

boards bei Sprungmanövern entstehen. Aufgrund der bereits bei einer 3-stündigen Nut-<br />

zungszeit festgestellten hohen Überschreitungen der Immissionsrichtwerte gibt es unse-<br />

4<br />

Gesetz zum Schutz vor Schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und<br />

ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz – BImSchG) vom 15.03.1974 (BGBl. I S. 3830), in der Fassung der Bekanntmachung<br />

vom 26.09.2002 (BGBl. I S. 3830), zuletzt geändert am 11.08.2009 (BGBl. I. S. 2723).<br />

5<br />

Messung und Begutachtung von Geräuschen durch die Benutzung von Skateboards auf dem Georg-Freundorfer-Platz in<br />

München, Landeshauptstadt München, Messbericht Nr. 210091/1 vom 04.08.2010.<br />

6<br />

63,8 dB(A) bei einer 3-stündigen Nutzung außerhalb der Ruhezeiten an Sonn- und Feiertagen bzw. 62,6 dB(A) bei einer 3-<br />

stündigen Nutzung außerhalb der Ruhezeiten an Werktagen.<br />

7 Sogenannte „Flatland-Tricks“.<br />

6


es Erachtens keine wirksamen bzw. umsetzbaren Schallschutzmaßnahmen, durch die eine<br />

maßgebliche Verringerung der Geräuschbelastung erzielt werden könnte.“ 8<br />

Ergänzend zum Lärmgutachten des Ingenieurbüros Greiner hat das Referat für Gesundheit<br />

und Umwelt in einer Stellungnahme folgendes ausgeführt:<br />

„Bei angesetzten Einwirkzeiten durch das Skaten von drei Stunden wurden Überschreitun-<br />

gen der Immissionsrichtwerte von bis zu 14 dB(A) ermittelt, die als erheblich zu beurteilen<br />

sind. Dabei darf nicht übersehen werden, dass eine jeweilige Einwirkzeit von drei Stunden<br />

als wohlwollend angesehen werden muss. Im „worst-case“ können sogar höhere Überschrei-<br />

tungen nicht ausgeschlossen werden. Aufgrund der ermittelten Überschreitungen muss<br />

von massiven Lärmbelästigungen für die Anwohner ausgegangen werden. Organisa-<br />

torische oder bauliche Maßnahmen, die eine so große Verbesserung bewirken würden,<br />

dass die vorgeschriebenen Richtwerte [18. BImSchV in Verbindung mit der VDI-<br />

Richtlinie 3770; Anm. der Unterzeichner] eingehalten werden könnten, sind sowohl<br />

nach Ansicht des Gutachters als auch des RGU nicht möglich. Weder wäre durch wei-<br />

tere zeitliche Einschränkungen noch ein sinnvoller Skatebetrieb möglich, noch könnte<br />

durch bauliche Maßnahmen wie z. B. durch die Errichtung von Lärmschutzwänden eine<br />

deutliche Besserung der Lärmsituation erreicht werden. Letzteres ist bedingt durch die große<br />

Höhe (bis zu 6 Stockwerke) der umliegenden Wohnhäuser. Angesichts der herrschenden<br />

Situation am Georg-Freundorfer-Platz würde das RGU bei einer neu zu errichtenden Ska-<br />

teanlage diese am genannten Standort mit Sicherheit nicht befürworten können.“ 9<br />

Am 15.08.2010 forderte ein Anwohner schließlich ein sofortiges Ende der Skatenutzung auf<br />

dem Georg-Freundorfer-Platz und stützte diese Forderung auf die Ergebnisse einer zweiten,<br />

unabhängig durchgeführten Lärmmessung, die ähnliche Geräuschbelastungen ergab, wie<br />

die von der LHS München durchgeführte Lärmmessung.<br />

V. Bekanntmachung und Vollziehung des Skateverbots<br />

Auf Grundlage des Lärmgutachtens kündigte die LHS München sodann am 22.10.2010 ge-<br />

genüber dem Bezirksausschuss die Beendigung der Gestattung des Skatens auf dem Ge-<br />

org-Freundorfer-Platz an und veröffentlichte diese Anordnung am 22.10.2010 in der Rat-<br />

haus-Umschau. 10 Aufgrund der Eindeutigkeit der Messergebnisse konnte das Skaten auf<br />

dem Georg-Freundorfer-Platz nicht weiter gestattet werden. In der Rathaus-Umschau heißt<br />

es wie folgt:<br />

8 Hervorhebungen durch die Unterzeichner.<br />

9 Hervorhebungen durch die Unterzeichner.<br />

10 Rathaus-Umschau, Ausgabe 203, Seite 7; Skaten am Georg-Freundorfer-Platz nicht zulässig; abrufbar unter:<br />

http://www.muenchen.de/cms/prod1/mde/_de/rubriken/Rathaus/40_dir/presseservice/2010/Rathaus_Umschau/201_250/203.p<br />

df.<br />

7


„Die Grünanlagensatzung erlaubt die sportliche Betätigung, soweit dadurch andere nicht be-<br />

lästigt werden können. Wegen des Lärms und der damit verbundenen Beschwerden aus der<br />

Anwohnerschaft hat das Baureferat (Gartenbau) deshalb im Sommer 2010 von einem exter-<br />

nen Sachverständigen Geräuschmessungen durchführen lassen. Diese ergaben, dass die<br />

geltenden Lärmschutzgrenzwerte so deutlich überschritten werden, dass weder technische<br />

Lärmschutzmaßnahmen noch zeitliche Einschränkungen ausreichen, um Belästigungen zu<br />

vermeiden. Eine weitere Duldung des nicht zulässigen Skatens ist daher nicht mög-<br />

lich.“ 11<br />

Aufgrund der Messergebnisse und der wiederholten Klageandrohung durch Anwohner voll-<br />

zog die LHS München das in der Rathaus-Umschau bekannt gemachte Verbot der weiteren<br />

Skatenutzung auf dem Georg-Freundorfer-Platz in Form der Aufhebung der Gestattung aus<br />

dem Jahr 2002 bereits am 23./24.10.2010 durch Entfernung der die Skatenutzung gestatten-<br />

den Schilder. Die Beendigung der weiteren Skatenutzung erfolgte im Rahmen des Vollzugs<br />

von §§ 2 Abs. 3 Nr. 4 Alt. 2, 8 der Grünanlagensatzung.<br />

Der Kreisjugendring im Kinder- und Jugendhilfeausschuss (KJHA) der LHS München stellte<br />

in seiner Sitzung vom 09.11.2010 daraufhin einen Dringlichen Antrag 12 und forderte die LHS<br />

München auf, das in der Rathaus-Umschau vom 22.10.2010 bekannt gegebene und am<br />

23./24.10.2010 vollzogene Skateverbot der weiteren Skatenutzung auf dem Georg-<br />

Freundorfer-Platz umgehend zurückzunehmen.<br />

Gleichzeitig wurde beantragt, dass die LHS München das Risiko einer juristischen Ausei-<br />

nandersetzung mit eventuell klagenden Anwohnern bewusst eingehen sollte, um auf diesem<br />

Wege ihre Unterstützung für die jungen Bürger der LHS München deutlich zu machen.<br />

In München gibt es derzeit insgesamt 34 öffentliche Skateanlagen in einer Größe zwischen<br />

100 und 1500 Quadratmetern, die vom Baureferat betreut werden. 13 Die vom Georg-<br />

Freundorfer-Platz nächstgelegenen Skateanlagen befinden sich auf der Theresienwiese so-<br />

wie am Feierwerk in der Hansastraße. Beide Skateanlagen liegen in unmittelbarer Entfer-<br />

nung und sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln ebenso gut zu erreichen wie der Skateplatz<br />

auf dem Georg-Freundorfer-Platz.<br />

VI. Gesetzesinitiativen der Bayerischen Staatsregierung und des BMU<br />

Unabhängig hiervon hat der bayerische Ministerrat am 26.10.2010 den Entwurf eines Geset-<br />

zes der Staatsregierung über „Anforderungen an den Lärmschutz bei Kinder- und Jugend-<br />

11<br />

Hervorhebungen durch die Unterzeichner.<br />

12<br />

Dringlichkeitsantrag an den Kinder- und Jugendhilfeausschuss am 09.11.2010 (Antrag Nr. 08-14 / A 01966) mit der Überschrift<br />

„Sofortige Rücknahme des Skateverbots am Georg-Freundorfer-Platz“.<br />

13<br />

Informationsbroschüre der Landeshauptstadt München, Baureferat (Gartenbau) zum Thema: „Skaten in München; Stand:<br />

10/2010.<br />

8


spieleinrichtungen (KJG)“ 14 (im Folgenden: KJG) gebilligt. Nach dem Gesetzentwurf soll Kin-<br />

derlärm kein Grund für Nachbarschaftsklagen gegen Kindergärten und Spielplätze mehr<br />

sein.<br />

Parallel hierzu hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit<br />

am 17.12.2010 den Entwurf eines „Zehnten Gesetzes zur Änderung des Bundes-<br />

Immissionsschutzgesetzes – Erhöhung der Rechtssicherheit für Kindereinrichtungen und<br />

Kinderspielplätze“ vorgelegt. Nach diesem Gesetzentwurf sollen Geräuscheinwirkungen, die<br />

von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie bei-<br />

spielsweise Ballspielplätze durch Kinder hervorgerufen werden, im Regelfall keine schädli-<br />

chen Umwelteinwirkungen mehr sein.<br />

VII. Fragestellung<br />

Als erster Teil ist zu untersuchen, ob Klagen gegen das Verbot der weiteren Skatenutzung<br />

vor dem Verwaltungsgericht München Aussicht auf Erfolg haben. Der Beurteilung der Er-<br />

folgsaussichten einer Klage ist die derzeit geltende Gesetzeslage zugrunde zu legen (im<br />

Folgenden Teil 3 unter A., B. und C.).<br />

Als zweiter Teil ist zu untersuchen, ob sich bei der Anwendung des Gesetzentwurfes der<br />

Bayerischen Staatsregierung über „Anforderungen an den Lärmschutz bei Kinder- und Ju-<br />

gendspieleinrichtungen (KJG)“ vom 26.10.2010 eine abweichende rechtliche Beurteilung<br />

ergibt, wobei zu unterstellen ist, dass dieser Gesetzesentwurf bereits geltendes Recht dar-<br />

stellt (im Folgenden Teil 3 unter D.).<br />

Als dritter Teil ist zu untersuchen, ob sich bei der Anwendung des Entwurfs des „Zehnten<br />

Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes – Erhöhung der Rechtssi-<br />

cherheit für Kindertageseinrichtungen und Kinderspielplätze“ des Bundesministeriums für<br />

Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 17.10.2010 eine abweichende rechtliche<br />

Beurteilung ergibt, wobei wiederum zu unterstellen ist, dass dieser Gesetzesentwurf bereits<br />

geltendes Recht darstellt (im Folgenden Teil 3 unter E.).<br />

14 Abrufbar unter: http://www.stmug.bayern.de/umwelt/laermschutz/doc/gesetzentwurf_kinderlaerm.pdf.<br />

9


Teil 3 Rechtmäßigkeit des Verbots<br />

Das am 22.10.2010 in der Rathaus-Umschau öffentlich bekannt gemachte und am<br />

23./24.10.2010 vollzogene Verbot der weiteren Skatenutzung auf dem Georg-Freundorfer-<br />

Platz stellt einen Verwaltungsakt in Form der sachbezogenen Allgemeinverfügung dar (dazu<br />

A.), welcher sowohl nach dem Recht der Grünanlagensatzung (dazu B.) als auch nach Bun-<br />

desimmissionsschutzrecht (dazu C.) formell und materiell rechtmäßig ist.<br />

Die Gesetzesinitiativen der Bayerisches Staatsregierung (dazu D.) und des Bundesministeri-<br />

ums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (dazu E.) ändern an der Rechtmäßigkeit<br />

des Verbots nichts.<br />

A. Rechtscharakter des Verbots<br />

Für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Verbots vom 22.10.2010 ist zunächst die Bestim-<br />

mung des Rechtscharakters erforderlich. Der Rechtscharakter des Verbots hängt maßgeb-<br />

lich davon ab, welcher rechtliche Charakter dem Aufstellen der Schilder im Jahr 2002 zu-<br />

kommt.<br />

Ist die Gestattung der Skatenutzung auf dem Georg-Freundorfer-Platz Ende des Jahres<br />

2002 als behördliche Anordnung in Gestalt eines Verwaltungsakts in Form der Allgemeinver-<br />

fügung i. S. d. Art. 35 Satz 2 Alt. 3 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz 15 (im Folgen-<br />

den: BayVwVfG) zu qualifizieren, so wäre nach der im Verwaltungsrecht herrschenden Kehr-<br />

seitentheorie („actus-contrarius“) 16 auch die Aufhebung der Gestattung am 22.10.2010 als<br />

Verwaltungsakt in Form der Allgemeinverfügung zu qualifizieren.<br />

Bei der Frage nach dem Rechtscharakter des Verbots ist zu beachten, dass das Recht auf<br />

Benutzung einer öffentlichen Einrichtung einer Kommune nicht unbeschränkt gilt, sondern<br />

sich nach den bestehenden allgemeinen Vorschriften sowie der von der Kommune durch<br />

Satzung bzw. Widmung aber auch konkludent durch die in der Verwaltungspraxis festgeleg-<br />

ten Benutzungsregelungen bemisst. 17 Zusätzlich ist zu beachten, dass die Ausübung von<br />

Sport in den öffentlichen Grünanlagen, soweit dadurch andere gefährdet oder belästigt wer-<br />

den, gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 4 der Grünanlagensatzung untersagt ist, die Skatenutzung auf<br />

dem Georg-Freundorfer-Platz von der LHS München aber dennoch von Ende des Jahres<br />

2002 bis zum 22.10.2010 – bei Einhaltung bestimmter Nutzungszeiten – gestattet wurde.<br />

Die Gestattung der Skatenutzung Ende des Jahres 2002 könnte daher zunächst als kommu-<br />

nale Widmungsänderung qualifiziert werden, welche einen Verwaltungsakt in Form der All-<br />

15<br />

Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz vom 23.12.1976 (BayRS 2010-1-I).<br />

16<br />

Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 11. Auflage, § 49 Rn. 7.<br />

17<br />

Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Stand: 05/2010, Art. 21 Rn. 9.<br />

10


gemeinverfügung darstellt, 18 so dass die Aufhebung der Gestattung am 22.10.2010 wieder-<br />

um eine kommunale Widmungsänderung, mithin einen Verwaltungsakt in Form der Allge-<br />

meinverfügung, darstellen würde. Gegen die Qualifikation des Verbots als Widmungsände-<br />

rung, mit welcher der ursprünglich geltende Zustand – das Skateverbot – hergestellt werden<br />

sollte, spricht, dass eine Widmungsänderung einen Verwaltungsakt in Form der sachbezo-<br />

genen Allgemeinverfügung i. S. d. Art. 35 Satz 2 Alt. 3 BayVwVfG darstellt, 19 welcher in der<br />

Normenhierarchie unterhalb einer Satzung steht. Die Art und der Umfang der Nutzung des<br />

Georg-Freundorfer-Platzes sind vorliegend jedoch durch eine kommunale Satzung geregelt.<br />

Von einer kommunalen Satzung, die die Nutzungsart und deren Umfang regelt, und für de-<br />

ren Erlass und Änderung die Kommunalparlamente zuständig sind, darf nicht durch eine<br />

exekutive Widmungsänderung abgewichen werden. 20 Der Einordnung des Verbots als Wid-<br />

mungsänderung greift daher nicht durch.<br />

Bei der Gestattung der Skatenutzung Ende des Jahres 2002 könnte es sich auch um eine<br />

Zusicherung i. S. d. Art. 38 BayVwVfG handeln, gegen die Skatenutzung auf dem Georg-<br />

Freundorfer-Platz unter den damaligen Gegebenheiten nicht einschreiten zu wollen. Obwohl<br />

eine Zusicherung einen Vertrauenstatbestand schafft, ist es der zuständigen Behörde des-<br />

wegen nicht für die Zukunft verwehrt, ihre Rechtsposition zu überprüfen und zu ändern. Die<br />

Bindungswirkung einer Zusicherung entfällt gemäß Art. 38 Abs. 3 BayVwVfG bei einer nach-<br />

träglichen Änderung der Sach- oder Rechtslage. Die Aufhebung der Gestattung am<br />

22.10.2010 könnte damit als Entscheidung nach Art. 38 Abs. 3 BayVwVfG qualifiziert wer-<br />

den. Die Einordnung des Verbots als Entscheidung nach Art. 38 Abs. 3 BayVwVfG ist jedoch<br />

abzulehnen, da die ursprüngliche Gestattung Ende 2002 – mangels Schriftform i. S. d.<br />

Art. 38 Abs. 1 Satz 1, 37 Abs. 3 BayVwVfG – keine Zusicherung i. S. d. Art. 38 BayVwVfG<br />

darstellt.<br />

Bei der Gestattung der Skatenutzung Ende des Jahres 2002 könnte es sich hingegen auch<br />

um einen Realakt handeln. In diesem Fall wäre die Aufhebung der Gestattung am<br />

22.10.2010 ebenfalls als Realakt zu qualifizieren. Gegen die Einordnung des Verbots als<br />

Realakt, als schlichtes Verwaltungshandeln ohne Regelungsgehalt, spricht jedoch, dass die<br />

LHS München durch die Gestattung der Skatenutzung Ende des Jahres 2002 eine verbindli-<br />

che Regelung mit Außenwirkung – sowohl im Verhältnis Verwaltung-Anwohner als auch im<br />

Verhältnis Verwaltung-Skateboardfahrer – getroffen hat. Die LHS München gestattete die<br />

Skatenutzung auf dem Georg-Freundorfer-Platz zu genau geregelten Tageszeiten und<br />

brachte damit zum Ausdruck, gegen die Nutzung des Georg-Freundorfer-Platzes als Ska-<br />

tefläche während dieser Tageszeiten nicht einschreiten zu wollen. Mittels der – auch außer-<br />

halb des Anwendungsbereiches des Art. 38 BayVwVfG möglichen – Zusage im Rechtssinne<br />

18 Widtmann/Grasser/Glaser, a.a.O., Fn. 17, Art. 21 Rn. 4.<br />

19 Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Auflage, Art. 35 Rn. 267 ff., 329; Widtmann/Grasser/Glaser, a.a.O.,<br />

Fn. 17, Art. 21 Rn. 4.<br />

20 Widtmann/Grasser/Glaser, a.a.O., Fn. 17, Art. 23 Rn. 6 und Art. 24 Rn. 2.<br />

11


verpflichtet sich eine Behörde zu einem künftigen Tun oder Unterlassen. Eine solche Bin-<br />

dung tritt ein, wenn die Behörde gegenüber dem Adressaten unzweifelhaft den Willen zum<br />

Ausdruck bringt, eine bestimmte Handlung später vorzunehmen oder zu unterlassen. Ob<br />

eine solche selbstverpflichtende Willenserklärung vorliegt, ist durch Auslegung nach der im<br />

öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Regel des § 133 BGB zu ermitteln. Maßge-<br />

bend ist der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konn-<br />

te. 21 Das Aufstellen der Schilder Ende des Jahres 2002 kann aus der Sicht der betroffenen<br />

Skateboardfahrer nur so verstanden werden, dass die LHS München im Rahmen ihres Beur-<br />

teilungsspielraums eine verbindliche Regelung herbeiführen wollte, dass das Skaten zu Zei-<br />

ten, die außerhalb der in der 18. BImSchV geregelten Ruhezeiten liegen, keine Gefährdung<br />

bzw. Belästigung anderer i. S. d. § 2 Abs. 3 Nr. 4 der Grünanlagensatzung darstellt. Anders<br />

formuliert, sicherte die LHS München den Skateboardfahrern zu, gegen die Skatenutzung<br />

während dieser Tageszeiten nicht einzuschreiten. Ein anderer Erklärungswert kann den auf-<br />

gestellten Schildern vor dem Hintergrund des objektiven Empfängerhorizontes nicht ent-<br />

nommen werden. Durch die jahrelange Gestattung des Skatens auf dem Georg-Freundorfer-<br />

Platz erwuchs bei den Skateboardfahrern zudem ein subjektiv-öffentliches Recht auf Nut-<br />

zung des Georg-Freundorfer-Platzes als Skatefläche zu bestimmten Tageszeiten. Dieses<br />

subjektiv-öffentliche Recht konnte den Skateboardfahrern nicht durch schlichtes Verwal-<br />

tungshandeln in Form eines Realaktes wieder entzogen werden, da die LHS München bei<br />

Aufhebung der Gestattung den Bereich der Leistungsverwaltung verließ und den Skate-<br />

boardfahrern als Eingriffsverwaltung gegenüberstand.<br />

Die Gestattung Ende des Jahres 2002 stellt daher einen Verwaltungsakt zur Ausführung<br />

einer Regelung mit Beurteilungsspielraum dar, mit dem die LHS München den unbestimmten<br />

Rechtsbegriff der Belästigung i. S. d. § 2 Abs. 3 Nr. 4 Alt. 2 der Grünanlagensatzung inhalt-<br />

lich ausfüllte. Das wesentliche Charakteristikum des unbestimmten Rechtsbegriffs ist, dass<br />

er – im Gegensatz zur Ermessensentscheidung – auf der Tatbestandsseite zu finden ist.<br />

Gemeinsam ist dem unbestimmten Rechtsbegriff mit der Ermessensentscheidung, dass die<br />

Verwaltung für die Entscheidung, welche Voraussetzungen für den unbestimmten Rechts-<br />

begriff erfüllt sein müssen, einen Beurteilungsspielraum hat. 22 In dem Aufstellen der Schilder<br />

Ende des Jahres 2002 kann somit eine verbindliche hoheitliche Entscheidung der LHS Mün-<br />

chen liegen, zu welchen Tageszeiten die Skatenutzung keine Belästigung anderer i. S. d. § 2<br />

Abs. 3 Nr. 4 Alt. 2 der Grünanlagensatzung darstellt. Behördliche Entscheidungen, die auf-<br />

grund der dafür maßgeblichen Rechtsvorschriften wesentlich von einer Beurteilung, Wertung<br />

oder Prognose abhängen, und bei denen das Gesetz der Behörde ausdrücklich oder doch<br />

nach seinem Sinn und Zweck, z. B. durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe,<br />

einen Beurteilungsspielraum einräumt, sind als Verwaltungsakte – in dem vorliegenden Fall<br />

21<br />

BVerwG, Urteil vom 26.09.1996 – 2 C 39/95 – NJW 1997, 1248; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.10.1999 – 5 S<br />

2149/97 – NVwZ 2000, 1304.<br />

22<br />

Decker/Posser/Wolff, Beckscher Onlinekommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, Stand: 10/2010, § 114 Rn. 32 ff.<br />

12


als Verwaltungsakt in Form der Allgemeinverfügung i. S. d. Art. 35 Satz 2 Alt. 3 BayVwVfG –<br />

zu qualifizieren. Bei der vorliegenden Gestattung handelt es sich somit um einen Verwal-<br />

tungsakt in Form der Allgemeinverfügung mit Beurteilungsspielraum, da die LHS München<br />

eine verbindliche Prognoseentscheidung auf der Grundlage des öffentlichen Rechts darüber<br />

traf, dass das Skaten auf dem Georg-Freundorfer-Platz zu gewissen Tageszeiten grundsätz-<br />

lich und vorbehaltlich einer späteren Änderung der Sach- oder Rechtslage keine Belästigung<br />

anderer i. S. d. § 2 Abs. 3 Nr. 4 Alt. 2 der Grünanlagensatzung darstellt. Eine objektive Fest-<br />

stellung (Lärmmessung), dass die Skatenutzung andere belästigt, gab es zum damaligen<br />

Zeitpunkt Ende des Jahres 2002 noch nicht. Kennzeichnend ist, dass die Entscheidung auf<br />

zukünftigen Entwicklungen aufbaute, die sich aus ex-ante Sicht einer exakten Beurteilung<br />

und damit einer exakten Vorhersage entziehen und daher eine Beurteilung und Wertung<br />

erfordern. Wird eine solche Prognoseentscheidung gerichtlich angegriffen, ist maßgeblicher<br />

Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts der<br />

Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. Hieraus folgt, dass, wenn sich die Prognose zu<br />

diesem Zeitpunkt als rechtmäßig erweist, sie nicht dadurch rechtswidrig wird, dass sie sich<br />

nicht bewahrheitet. Eine von der prognostizierten abweichende tatsächliche Entwicklung<br />

kann den Entscheidungsträger vielmehr nur dazu nötigen, seine Entscheidung zu überprü-<br />

fen. 23 Hat sich daher nachträglich die Sachlage bei einer auf einer Prognose beruhenden<br />

Entscheidung geändert, so führt dies nicht zur nachträglichen Rechtswidrigkeit dieser Ent-<br />

scheidung. 24<br />

Die Gestattung der Skatenutzung zu gewissen Tageszeiten verstößt auch nicht gegen § 2<br />

Abs. 3 Nr. 4 der Grünanlagensatzung, mithin nicht gegen höherrangiges kommunales Sat-<br />

zungsrecht, da die LHS München die Gestattung der Skatenutzung lediglich zum Ausgleich<br />

der Interessen der Anwohner und der Skateboardfahrer traf und sich im Rahmen dieser<br />

Prognoseentscheidung an den zeitlichen Vorgaben der 18. BImSchV orientierte. Ein Fehl-<br />

gebrauch des Beurteilungsspielraums ist damit auszuschließen.<br />

Nach der Kehrseitentheorie ist das Verbot der weiteren Skatenutzung vom 22.10.2010 als<br />

späterer „actus-contrarius“ zur Gestattungsregelung, mithin ebenfalls als Verwaltungsakt in<br />

Form der Allgemeinverfügung i. S. d. Art. 35 Satz 2 Alt. 3 BayVwVfG zu qualifizieren.<br />

23 BVerwG, Urteil vom 07.07.1978 – 4 C 79.76 – NJW 1979, 64.<br />

24 BVerwG, Urteil vom 22.11.1994 – 1 C 22/93 – NVwZ-RR 1995, 325.<br />

13


B. Rechtmäßigkeit des Verbots auf Grundlage der Grünanla-<br />

gensatzung<br />

I. Rechtsgrundlagen<br />

1. §§ 2 Abs. 3 Nr. 4, 8 der Grünanlagensatzung<br />

Das Verbot der weiteren Skatenutzung auf dem Georg-Freundorfer-Platz in Form der Aufhe-<br />

bung der Gestattung (im Folgenden: Verbot) basiert auf §§ 2 Abs. 3 Nr. 4 Alt. 2, 8 der Grün-<br />

anlagensatzung. Die Fälle des § 2 Abs. 3 Nr. 1 – Nr. 15 der Grünanlagensatzung sind Ver-<br />

botsnormen und dienen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in<br />

den städtischen Grünanlagen. Gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 4 der Grünanlagensatzung ist den Be-<br />

nutzern in den städtischen Grünanlagen insbesondere die Ausübung von Sport untersagt,<br />

soweit dadurch andere gefährdet oder belästigt werden können. Nach § 8 der Grünanlagen-<br />

satzung können zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in den städti-<br />

schen Grünanlagen Anordnungen für den Einzelfall getroffen werden. § 8 der Grünanlagen-<br />

satzung enthält damit eine Ermächtigungsnorm, aufgrund derer die LHS München gegen<br />

Verstöße gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in den städtischen Grünanlagen vor-<br />

gehen kann.<br />

Die LHS München war zum Erlass der Grünanlagensatzung auch ermächtigt, da sich der<br />

Regelungsinhalt der Grünanlagensatzung allein auf die Benutzung des Eigentums und die<br />

der öffentlichen Einrichtungen der LHS München bezieht. Gemäß Art. 23 Satz 1, 24 Abs. 1<br />

Nr. 1, Abs. 2 Bayerische Gemeindeordnung (im Folgenden: GO) können Gemeinden und<br />

Städte 25 zur Regelung ihrer Angelegenheiten i. S. d. Art. 7, Art. 57 Abs. 1 GO i. V. m. Art. 83<br />

Abs. 1 Bayerische Verfassung 26 Satzungen erlassen, insbesondere solche, die die Benut-<br />

zung ihres Eigentums und ihrer öffentlichen Einrichtungen regeln. Der Georg-Freundorfer-<br />

Platz steht im Eigentum der LHS München und ist eine öffentliche Einrichtung der LHS Mün-<br />

chen i. S. d. Art. 21 GO i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 2 der Grünanlagensatzung.<br />

2. Subsidiarität der § 2 Abs. 1 und § 6 der Grünanlagensatzung<br />

Das Verbot konnte nicht auf § 2 Abs. 1 der Grünanlagensatzung gestützt werden, da dort<br />

lediglich eine generelle Verhaltensnorm geregelt ist, die im Verhältnis zum spezielleren Ver-<br />

bot der Sportausübung in § 2 Abs. 3 Nr. 4 der Grünanlagensatzung subsidiär ist. Gleiches<br />

gilt für § 6 der Grünanlagensatzung, welcher lediglich Nutzungseinschränkungen für be-<br />

stimmte Zeiträume erlaubt. Für ein zeitlich unbefristetes Skateverbot enthält § 6 der Grünan-<br />

lagensatzung daher keine taugliche Rechtsgrundlage.<br />

25 Die Stadt München führt gemäß Art. 3 Abs. 3 GO die Bezeichnung Landeshauptstadt (LHS).<br />

26 Verfassung des Freistaates Bayern in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.12.1998 (GVBl. S. 991, BayRS 1000-1-S).<br />

14


3. Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten<br />

Die Vorschriften über die Rücknahme und den Widerruf von Verwaltungsakten sind vorlie-<br />

gend nicht anwendbar. Durch Art. 48 ff. BayVwVfG werden die Befugnisse der Behörden zu<br />

einem Einschreiten nach allgemeinem Polizei- und Ordnungsrecht nicht berührt. Ordnungs-<br />

und sicherheitsrechtliche Befugnisse sind insbesondere in Fällen von Bedeutung, in denen<br />

die Möglichkeiten nach Art. 48 ff. BayVwVfG für die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe nicht<br />

genügen und weitergehende oder anders geartete Maßnahmen erforderlich sind, was für das<br />

polizeiliche oder ordnungsbehördliche Einschreiten gegen Störungen der öffentlichen Si-<br />

cherheit und Ordnung gilt. 27 Die Ermächtigung zu einem ordnungsrechtlichen Einschreiten<br />

gegen konkrete Störungen stellt zudem keinen Widerrufstatbestand i. S. d. Art. 49 Abs. 2<br />

BayVwVfG dar. 28<br />

Damit wird die Befugnis der LHS München zum Einschreiten nach dem allgemeinen Gefah-<br />

renabwehr- und Ordnungsrecht durch Art. 48, 49 BayVwVfG nicht berührt. 29 Das Verbot ist<br />

im Ergebnis nach §§ 2 Abs. 3 Nr. 4 Alt. 2, 8 der Grünanlagensatzung, mithin nach allgemei-<br />

nem Gefahrenabwehr- bzw. Ordnungsrecht, rechtlich zu beurteilen.<br />

II. Formelle Rechtmäßigkeit<br />

Das Verbot auf Grundlage von §§ 2 Abs. 3 Nr. 4 Alt. 2, 8 der Grünanlagensatzung ist formell<br />

rechtmäßig. Die LHS München ist die hierfür zuständige Behörde (dazu 1.). Verfahrens- bzw.<br />

Formfehler liegen nicht vor (dazu 2.).<br />

1. Zuständigkeit<br />

Die LHS München ist für das Verbot sachlich und örtlich zuständig. Die sachliche Zuständig-<br />

keit folgt aus §§ 2 Abs. 3 Nr. 4 Alt. 2, 8 der Grünanlagensatzung i. V. m. Art. 27 Abs. 1 GO.<br />

Die sachliche Zuständigkeit für Einzelfallanordnungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen<br />

Sicherheit und Ordnung in den städtischen Grünanlagen ergibt sich zwar nicht ausdrücklich<br />

aus der Grünanlagensatzung selbst, jedoch ist die in der Grünanlagensatzung beschriebene<br />

Aufgabe Teil des besonderen städtischen Gefahrenabwehrechts, für das die LHS München<br />

originär sachlich zuständig ist, Art. 59, 29, 37 GO. Die LHS München ist zudem als Sat-<br />

zungsgeber – kraft Sachzusammenhang – für den Vollzug der Grünanlagensatzung und da-<br />

mit für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in den städtischen<br />

Grünanlagen sachlich zuständig, Art. 27 Abs. 1 GO. 30<br />

27<br />

Kopp/Ramsauer, a.a.O., Fn. 16, § 48 Rn. 33 ff.<br />

28<br />

Kopp/Ramsauer, a.a.O., Fn. 16, § 49 Rn. 32.<br />

29<br />

Kopp/Ramsauer, a.a.O., Fn. 16, § 48 Rn. 33 ff. (36).<br />

30<br />

Widtmann/Grasser/Glaser, a.a.O., Fn. 17, Art. 27 Rn. 1.<br />

15


Die örtliche Zuständigkeit der LHS München folgt aus Art. 3 Abs. 1 Nr. 1, Art. 1 Abs. 1 Satz 1<br />

BayVwVfG, da sich der Georg-Freundorfer-Platz räumlich im Verwaltungsbezirk der LHS<br />

München befindet. Die örtliche Zuständigkeit der LHS München richtet sich grundsätzlich<br />

nach der Belegenheit der Sache, Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG. Örtlich zuständig ist in Ange-<br />

legenheiten, die sich auf ein unbeweglichen Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder<br />

Rechtsverhältnis beziehen, die Behörde, in deren Bezirk das Vermögen oder der Ort liegt.<br />

Schließlich ergibt sich die funktionelle Zuständigkeit des Baureferats aus Art. 29, 32 Abs. 2<br />

Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GO i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 der Geschäftsordnung des Stadtrats der<br />

LHS München (im Folgenden: GeschO) i. V. m. der Grünanlagensatzung.<br />

2. Verfahren, Form und Bekanntgabe<br />

Das Verfahren vor Erlass des Verbots ist eingehalten.<br />

Eine Anhörung der von dem Verbot betroffenen Skateboardfahrer war nach Art. 28 Abs. 2<br />

Nr. 4 BayVwVfG nicht erforderlich. Art. 28 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG erlaubt der Behörde beim<br />

Erlass von Allgemeinverfügungen i. S. d. Art. 35 Satz 2 BayVwVfG, von einer vorherigen<br />

Anhörung der Betroffenen abzusehen.<br />

Nach Art. 39 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG bedarf ein Verwaltungsakt in Form der Allgemeinverfü-<br />

gung auch keiner Begründung, wenn die Bekanntgabe im Wege der öffentlichen Bekanntga-<br />

be erfolgt ist.<br />

Nach Art. 41 Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG darf eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt ge-<br />

geben werden, wenn eine Bekanntgabe des Verbots an alle Beteiligte untunlich ist. 31 Untun-<br />

lichkeit bedeutet, dass die individuelle Bekanntgabe wegen der Natur des in Frage stehen-<br />

den Verwaltungsakts nicht möglich oder jedenfalls mit erheblichen Schwierigkeiten verbun-<br />

den wäre. 32 Erhebliche Schwierigkeiten bei der individuellen Bekanntgabe liegen vor, wenn<br />

nicht mit Sicherheit feststellbar ist, welche Personen von dem Verwaltungsakt konkret betrof-<br />

fen sind, oder wenn die Anschriften der betroffenen Personen nicht bekannt sind und nur mit<br />

unverhältnismäßigem Aufwand ermittelt werden können. 33 Da der Kreis der Skateboardfahrer<br />

auf dem Georg-Freundorfer-Platz ständig wechselte und die Personen, die den südlichen<br />

Bereich des Georg-Freundorfer-Platz als Skateplatz nutzten, der LHS München unbekannt<br />

waren, war eine individuelle Bekanntgabe des Verbots untunlich. Die öffentliche Bekanntga-<br />

be war daher nach Art. 41 Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG zulässig.<br />

Des Weiteren müssten auch die gesetzlichen Anforderungen an eine formell ordnungsge-<br />

mäße öffentliche Bekanntgabe erfüllt sein. Nach Art. 41 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG wird die<br />

31 Kopp/Ramsauer, a.a.O., Fn. 16, § 41 Rn. 48 m.w.N.<br />

32 VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.11.1988 – 10 S 751/88 – NVwZ 1989, 978.<br />

33 Vgl. Fn. 31.<br />

16


öffentliche Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakts dadurch<br />

bewirkt, dass der verfügende Teil ortsüblich bekanntgegeben wird. Art. 41 Abs. 4 Satz 1<br />

BayVwVfG betrifft jedoch nur die öffentliche Bekanntgabe schriftlicher oder elektronischer<br />

Verwaltungsakte. Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt liegt aber nicht vor, so<br />

dass sich die Form der öffentlichen Bekanntgabe nicht nach Art. 41 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1<br />

BayVwVfG richtet.<br />

Das Skateverbot auf dem Georg-Freundorfer-Platz musste auch nicht schriftlich verfügt wer-<br />

den. Nach Art. 37 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG ist für Verwaltungsakte keine bestimmte Form<br />

vorgeschrieben. Verwaltungsakte können schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer<br />

Weise erlassen werden. Die Wahl der Form steht grundsätzlich im Ermessen der Behörde. 34<br />

Die LHS München hat das Skateverbot weder schriftlich, elektronisch noch mündlich erlas-<br />

sen. Das Verbot der Skateausübung ist vielmehr in anderer Weise i. S. d. Art. 37 Abs. 2<br />

Satz 1 BayVwVfG erlassen worden. In anderer Weise erlassene Verwaltungsakte sind alle<br />

diejenigen Verwaltungsakte, die weder schriftlich, elektronisch noch mündlich erlassen wur-<br />

den. Es handelt sich um einen Auffangtatbestand, der insbesondere den konkludent erlasse-<br />

nen Verwaltungsakt umfasst, bei dem der Inhalt der Willenserklärung unmissverständlich aus<br />

dem sonstigen Verhalten des Erklärenden zu schließen ist. 35 Bei Verwaltungsakten, die – wie<br />

vorliegend – nicht in schriftlicher Form ergehen, richtet sich die Form der öffentlichen Be-<br />

kanntgabe nach der Art des Verwaltungsakts. Es muss jedenfalls eine Art und Weise der<br />

Bekanntgabe gewählt werden, die im konkreten Fall gewährleistet, dass ein möglichst großer<br />

Teil der Betroffenen Kenntnis erlangt. 36<br />

Das Skateverbot wurde am 22.10.2010 dem Bezirksausschuss schriftlich mitgeteilt und die<br />

Entscheidung in der Rathaus-Umschau veröffentlicht, so dass sich der Inhalt der Willenser-<br />

klärung – gerichtet auf die Verfügung eines Verbots – aus den Umständen und dem sonsti-<br />

gen Verhalten der LHS München ergibt.<br />

Darüber hinaus genügte die Veröffentlichung in der Rathaus-Umschau auch den Vorgaben<br />

der LHS München an ortsübliche Bekanntmachungen. Die Anforderungen, die für die ord-<br />

nungsgemäße Bekanntgabe erfüllt sein müssen, ergeben sich für Gemeinden meist aus den<br />

entsprechenden Bekanntmachungssatzungen, die in der Regel die Veröffentlichung in be-<br />

stimmten Amtsblättern oder Tageszeitungen bzw. den Anschlag an Amtstafeln etc. vor-<br />

schreiben. 37 Nach § 1 Satz 1 der Bekanntmachungssatzung der LHS München 38 (im Folgen-<br />

34<br />

Kopp/Ramsauer, a.a.O., Fn. 16, § 37 Rn. 18.<br />

35<br />

Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., Fn. 19, § 37 Rn. 79.<br />

36<br />

Kopp/Ramsauer, a.a.O., Fn. 16, § 41 Rn. 50 ff.<br />

37<br />

Vgl. Fn. 36.<br />

38<br />

Satzung der Landeshauptstadt München aufgrund Art. 23 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern vom 25. Januar<br />

1952 (BayBS I S. 461) über die öffentliche Bekanntmachung in ortsüblicher Weise im Bereich der Landeshauptstadt München<br />

(Bekanntmachungssatzung) vom 28. November 1968 aufgrund Stadtratsbeschluss vom 20.11.1968 in Form der Bekanntmachung<br />

vom 31.12.1968 (MüABl. S. 247) und Änderung vom 13.04.1977 (MüABl. S. 215); abrufbar:<br />

http://www.muenchen.info/dir/recht/10/10_19770413.pdf.<br />

17


den: Bekanntmachungssatzung) sind öffentliche Bekanntmachungen, die in ortsüblicher<br />

Weise zu geschehen haben, vorbehaltlich besonderer gesetzlicher Regelung, nur im Amts-<br />

blatt der LHS München möglich. Ausweislich des Wortlauts von § 1 Satz 1 der Bekanntma-<br />

chungssatzung muss eine öffentliche Bekanntgabe daher nur dann im Amtsblatt der LHS<br />

München erfolgen, wenn diese in ortsüblicher Weise zu geschehen hat, Art. 41 Abs. 4 Satz 1<br />

BayVwVfG. Eine öffentliche Bekanntgabe in ortsüblicher Weise ist jedoch – wie gezeigt – nur<br />

bei schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakten erforderlich, nicht jedoch bei sonsti-<br />

gen Verwaltungsakten i. S. d. Art. 37 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG.<br />

Eine Veröffentlichung des Verbots im Amtsblatt der LHS München war daher gemäß § 1<br />

Satz 1 der Bekanntmachungssatzung i. V. m. Art. 41 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG nicht notwen-<br />

dig. Die öffentliche Bekanntgabe des Verbots am 22.10.2010 in der Rathaus-Umschau ist<br />

damit ausreichend, da hierdurch gewährleistet wurde, dass ein möglichst großer Teil der<br />

Betroffenen hiervon Kenntnis erlangt. Die gesetzlichen Anforderungen an eine formell ord-<br />

nungsgemäße Bekanntgabe wurden somit eingehalten.<br />

III. Materielle Rechtmäßigkeit<br />

Das Verbot der weiteren Skatenutzung auf dem Georg-Freundorfer-Platz nach §§ 2 Abs. 3<br />

Nr. 4 und 8 ist materiell rechtmäßig, wenn es sich bei dem Georg-Freundorfer-Platz um eine<br />

öffentliche Grünanlage handelt (dazu 1.), die Skatenutzung als Ausübung von Sport zu quali-<br />

fizieren ist (dazu 2.) und andere durch die Skatenutzung belästigt werden (dazu 3.). Das<br />

Verbot müsste darüber hinaus zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung<br />

i. S. d. § 8 der Grünanlagensatzung erforderlich (dazu 4.) sein. Schließlich muss das Verbot<br />

verhältnismäßig (dazu 5.) und ermessensfehlerfrei (dazu 6.) zu Stande gekommen sein.<br />

1. Grünanlage<br />

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der Grünanlagensatzung sind Grünanlagen die von der LHS Mün-<br />

chen angelegten und unterhaltenen öffentlichen Grünflächen, insbesondere gärtnerisch ge-<br />

staltete Park- und <strong>Anlage</strong>nflächen, Erholungsflächen, Freizeitflächen, Sport- und Spielflä-<br />

chen, Freibadegelände, Liegewiesen, Kinderspielplätze. Grünanlagen sind öffentliche Ein-<br />

richtungen der LHS München zur allgemeinen gebührenfreien Benutzung nach Maßgabe der<br />

Grünanlagensatzung, welche durch entsprechende Beschilderung gekennzeichnet bzw.<br />

durch die gärtnerische <strong>Anlage</strong> als öffentliche Grünanlage erkennbar sind, § 1 Abs. 1 Satz 3<br />

der Grünanlagensatzung. Außerdem sind die öffentlichen Grünanlagen in einer Liste aufge-<br />

führt und ihr Umgriff ist in der Stadtgrundkarte eingezeichnet, § 1 Abs. 1 Satz 4 der Grünan-<br />

lagensatzung. Der Georg-Freundorfer-Platz ist eine öffentliche Grünanlage im Sinne der<br />

Grünanlagensatzung. Er ist mit entsprechenden Schildern als Grünanlage gekennzeichnet<br />

und durch die gärtnerische <strong>Anlage</strong> als öffentliche Grünanlage erkennbar. Zudem ist der Ge-<br />

org-Freundorfer-Platz in der Liste aller Grünanlagen, für die die Grünanlagensatzung der<br />

18


LHS München gilt, verzeichnet. 39 In der Stadtgrundkarte ist der Umgriff des Georg-<br />

Freundorfer-Platz eingezeichnet.<br />

2. Skatenutzung ist Ausübung von Sport<br />

Die Skatenutzung auf dem Georg-Freundorfer-Platz müsste zudem dem Begriff der Sport-<br />

ausübung i. S. v. § 2 Abs. 3 Nr. 4 der Grünanlagensatzung unterfallen.<br />

Der Sportbegriff wird weder durch den Satzungsgeber, noch - an anderer Stelle - durch den<br />

Gesetz- bzw. Verordnungsgeber definiert. Es handelt sich um einen offenen Begriff, der sich<br />

angesichts der vielfältigen Erscheinungsformen sportlicher Betätigungen einer abschließen-<br />

den Begriffsbestimmung entzieht. 40 Sowohl nach der Rechtsprechung als auch nach der<br />

sportrechtlichen Literatur besitzen alle sportlichen Betätigungen gemeinsame Wesensmerk-<br />

male. Konstitutiv für eine sportliche Betätigung sind danach die körperliche Bewegung und<br />

eigenmotorische Aktivität, bei der es um den Einsatz von Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer, Ge-<br />

schick und die Koordination von Bewegungsabläufen geht und dessen Betätigung als<br />

Selbstzweck ohne produktive Absichten geschieht, 41 sodass auch das Skateboardfahren als<br />

Sportausübung zu qualifizieren ist.<br />

3. Belästigung Anderer durch Lärmimmissionen<br />

Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des Verbots ist, dass die durch die Skatenutzung auf<br />

dem Georg-Freundorfer-Platz verursachten Lärmimmissionen eine Belästigung Anderer<br />

i. S. d. § 2 Abs. 3 Nr. 4 Alt. 2 der Grünanlagensatzung darstellen.<br />

Im Zuge der durchgeführten gutachterlichen Messung der Lärmimmissionen wurden Über-<br />

schreitungen der Immissionsrichtwerte der 18. BImSchV von bis zu 14 dB(A) – absolut bis zu<br />

64 dB(A) – an dem zum Georg-Freundorfer-Platz angrenzenden Wohngebäude in der<br />

Sandtnerstraße 3 (1. OG) festgestellt. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass bei Über-<br />

schreitung der Immissionsrichtwerte eine erhebliche Belästigung Anderer, mithin eine Beein-<br />

trächtigung des körperlichen und seelischen Wohlbefindens, i. S. d. § 3 Abs. 1 BImSchG<br />

vorliegt. 42 Es stellt sich daher die Frage, ob Geräuschimmissionen, die die Richtwertgrenzen<br />

der 18. BImSchV überschreiten, mithin eine erhebliche Belästigung im Sinne des Immissi-<br />

onsschutzrechts darstellen, auch eine Belästigung Anderer i. S. d. § 2 Abs. 3 Nr. 4 Alt. 2 der<br />

Grünanlagensatzung begründen.<br />

39<br />

Liste aller Grünflächen, für die die Grünanlagensatz gilt (Grünanlagensatzungsliste); Stand: 28.07.2010. SicadOpen-Nr. 199<br />

ist dem Georg-Freundorfer-Platz zugeordnet; abrufbar:<br />

http://www.muenchen.de/Stadtleben/Gesundheit_Umwelt/Umweltinfos/GrueninMuenchen/gruensatz/142666/index.html.<br />

40<br />

Ketteler, Sport als Rechtsbegriff, Zeitschrift für Sport und Recht 1997, 73.<br />

41<br />

VGH Mannheim, Urteil vom 27.09.2004 – 3 S 1719/03 – NVwZ-RR 2005, 795; Kuchler, Natur und Recht 2000, 77 (81);<br />

Ketteler, Sportanlagenlärmschutzverordnung, 1998, 142 ff.<br />

42<br />

Vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 08.12.1999 – 7 A 11469/98 – NVwZ 2000, 1190 m.w.N.<br />

19


a) Anwendbarkeit der 18. BImSchV<br />

Der Begriff der Belästigung wurde durch den Satzungsgeber in der Grünanlagensatzung<br />

nicht näher bestimmt. Die 18. BImSchV enthält jedoch Immissionsrichtwerte, durch die si-<br />

chergestellt werden soll, dass von Sportanlagen keine schädlichen Umwelteinwirkungen -<br />

und damit Gefährdungen bzw. erhebliche Belästigungen (§ 3 Abs. 1 BImSchG) - für die<br />

Nachbarschaft oder die Allgemeinheit ausgehen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 BImSchG). Sportanla-<br />

gen sind ortsfeste Einrichtungen im Sinne des § 3 Abs. 5 Nr. 1 des BImSchG, die zur Sport-<br />

ausübung bestimmt sind, § 1 Abs. 2 der 18. BImSchV. In Anbetracht der Gestattung der Ska-<br />

tenutzung durch die LHS München im Jahr 2002 ist es sachgerecht eine Bestimmung zur<br />

Sportausübung i. S. v. § 1 Abs. 2 der 18. BImSchV anzunehmen und die dort vorgesehenen<br />

Immissionsrichtwerte unmittelbar zur Ausfüllung des Belästigungsbegriffes heranzuziehen.<br />

Dies steht im Widerspruch zu einer engen Lesart des § 1 Abs. 2 der 18. BImSchV, wonach<br />

Sportanlagen nur solche <strong>Anlage</strong>n sind, die zur Durchführung von organisierten, sportlichen<br />

Aktivitäten unter Beaufsichtigung durch Schiedsrichter oder eine Sportaufsicht und mit einem<br />

nennenswerten Zuschaueraufkommen bestimmt sind (z. B. Stadien). 43 Eine restriktive Aus-<br />

legung des Sportanlagenbegriffes ist abzulehnen, da sie zu Unstimmigkeiten mit dem in<br />

Rechtsprechung und Literatur verwendeten Sportbegriff führt und den Begriff der Sportanla-<br />

ge zu weit einengt.<br />

Im Ergebnis kann eine genaue Bestimmung des Begriffs der Sportanlage dahinstehen, da<br />

die Immissionsrichtwerte der 18. BImSchV nach der Rechtsprechung des Bundesverwal-<br />

tungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs jedenfalls entsprechend für die<br />

lärmfachliche Beurteilung von kleinräumigen <strong>Anlage</strong>n bzw. Skateanlagen, die nicht unter den<br />

Sportanlagenbegriff i. S. v. § 1 Abs. 2 der 18. BImSchV fallen, heranzuziehen sind. 44<br />

Eine entsprechende Anwendung der strengeren Immissionsrichtwerte der Sechsten Allge-<br />

meine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz 45 (im Folgenden: TA-<br />

Lärm) ist hingegen nicht möglich, da die TA-Lärm für <strong>Anlage</strong>n für soziale Zwecke nach Ziffer<br />

1 Satz 2 h) ausdrücklich nicht gilt.<br />

b) Belästigung durch Überschreitung der Immissionsrichtwerte der 18. BImSchV<br />

Die Überschreitung der Immissionsrichtwerte der 18. BImSchV führt auch zu einer Belästi-<br />

gung Anderer i. S. v. § 2 Abs. 3 Nr. 4 der Grünanlagensatzung.<br />

43 Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.02.2003 – 7 B 88/02 – NZM 2003, 450, 451 m.w.N.<br />

44 BVerwG, Urteil vom 03.04.1987 – 4 C 41/84 – NVwZ 1987, 884; BayVGH, Beschluss vom 12.05.2004 – 22 ZB 04.234 –<br />

ZUR 2004, 371; BayVGH, Beschluss vom 08.04.2004 – 15 CS 04.59 – (juris); VG München, Urteil vom 05.08.2008 – M 1 K<br />

08.210 – (juris).<br />

45 Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen<br />

Lärm – TA Lärm) vom 26. August 1998 (GMBl S. 503) aufgrund § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG)<br />

vom 15. März 1974 (BGBl. I S. 721) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Mai 1990 (BGBl. I S. 880).Technische<br />

Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm vom 28.08.1998.<br />

20


Durch die in § 2 der 18. BImSchV vorgesehenen Richtwerte sollen schädliche Umwelteinwir-<br />

kungen für die Nachbarschaft und die Allgemeinheit verhindert werden, § 23 Abs. 1 Satz 1<br />

BImSchG. Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach § 3 Abs. 1 BImSchG u. a. erhebliche<br />

Belästigungen, die durch Geräuschimmissionen verursacht werden. Dies bedeutet im Um-<br />

kehrschluss, dass eine schädliche Umwelteinwirkung erst recht eine (einfache) Belästigung,<br />

darstellt. Dieser Umkehrschluss ist nur gerechtfertigt, soweit § 2 Abs. 3 Nr. 4 der Grünanla-<br />

gensatzung auch dem Schutz vor Immissionen dient. In diesem Fall darf aufgrund des aus<br />

dem Rechtstaatsprinzip folgenden Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung die, die<br />

Grünanlagensatzung anwendende Behörde nicht von der gesetzgeberischen Wertung des<br />

§ 3 Abs. 1 BImSchG abweichen.<br />

Wie sich aus der Vielzahl der Verbotsnormen in §§ 2 Abs. 3 Nr. 1 – Nr. 15 der Grünanlagen-<br />

satzung ergibt, dient die Grünanlagensatzung nicht ausschließlich dem Zweck des Immissi-<br />

onsschutzes bzw. den Zwecken des § 1 Abs. 1 BImSchG. Aus der durch den Satzungsgeber<br />

gewählten Formulierung in § 2 Abs. 3 Nr. 4 Alt. 2 der Grünanlagensatzung ergibt sich jedoch,<br />

dass der Satzungsgeber die Sportausübung in den öffentlichen Grünanlagen von der Beur-<br />

teilung nach Immissionsschutzrecht abhängig machen wollte. Eine Sportausübung, die ande-<br />

re belästigt, sollte in den öffentlichen Grünanlagen nicht zulässig sein. Der Satzungsgeber<br />

hat sich bei Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Belästigung an § 3 Abs. 1<br />

BImSchG, mithin an einer bundesgesetzlichen und damit höherrangigen Vorschrift, orientiert.<br />

Der Schutz von Personen vor Lärmimmissionen, die bei der Ausübung von Sport in öffentli-<br />

chen Grünanlagen hervorgerufen werden, gehört damit zu den Interessen, deren Wahrung<br />

der unbestimmte Rechtsbegriff der Belästigung in der Grünanlagensatzung dient. Dieses<br />

Auslegungsergebnis wird durch das juristische Schrifttum gestützt, wonach bei ordnungsbe-<br />

hördlichen Maßnahmen, die auf Grundlage relativ unbestimmter Generalklauseln zum Zweck<br />

des Immissionsschutzes ergehen, aufgrund der gesetzgeberischen Wertungen von § 22<br />

BImSchG bzw. der auf § 23 BImSchG gestützten Rechtsverordnungen zu beachten sind. 46<br />

Im Ergebnis musste die LHS München im Rahmen der ordnungsbehördlichen Maßnahme<br />

nach §§ 2 Abs. 3 Nr. 4 Alt. 2, 8 der Grünanlagensatzung auf § 23 Abs. 1 BImSchG i. V. m.<br />

der 18. BImSchV entsprechend zurückgreifen, um die Beurteilung von Immissionen einem<br />

einheitlichen Maßstab zu unterwerfen. Diese Beurteilungsentscheidung ist aufgrund der hö-<br />

herrangigen gesetzlichen Wertung in § 3 Abs. 1 BImSchG und der Rechtsprechung sowohl<br />

des Bundesverwaltungsgerichts als auch des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes sach-<br />

gerecht und nicht angreifbar. 47<br />

46 Jarass, Bundesimmissionsschutzgesetz, 8. Auflage, § 24 Rn. 2 und § 22 Rn. 18.<br />

47 Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.02.2003 – 7 B 88/02 – NZM 2003, 450; BVerwG, Beschluss vom 03.03.1992 – 4 B 70/91 –<br />

NVwZ 1992, 884; BVerwG, Beschluss vom 30.07.2003 – 4 B 16/03 – BeckRS 2003, 24548; BayVGH, Beschluss vom<br />

08.04.2004 – 15 CS 04.59 – (juris); BayVGH, Beschluss vom 12.05.2004 – 22 ZB 04.234 – ZUR 2004, 371; VG München,<br />

Urteil vom 05.08.2008 – M 1 K 08.210 – (juris); VG München, Beschluss vom 09.09.2003 – M 9 S 03.614 – (juris).<br />

21


4. Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung<br />

Nach § 8 der Grünanlagensatzung kann die LHS München ordnungsbehördliche Einzelfall-<br />

anordnungen nur erlassen, wenn die Verstöße gegen § 2 Abs. 3 Nr. 4 Alt. 2 der Grünanla-<br />

gensatzung die öffentliche Sicherheit und Ordnung beeinträchtigt. Nach der ständigen<br />

Rechtsprechung umfasst der Begriff der öffentlichen Sicherheit die Unversehrtheit des Le-<br />

bens, der Gesundheit, Ehre, Freiheit, des Vermögens, der objektiven Rechtsordnung, der<br />

Einrichtungen des Staates und sonstiger Träger von Hoheitsgewalt einschließlich der unge-<br />

hinderten Ausübung der Hoheitsgewalt. 48<br />

Die Skatenutzung auf dem Georg-Freundorfer-Platz erfolgte – wie bereits dargestellt – unter<br />

Überschreitung der entsprechend heranzuziehenden Immissionsrichtwerte der 18. BImSchV<br />

von bis zu 14 dB(A) an dem angrenzenden Wohngebäude in der Sandtnerstraße 3 (1. OG)<br />

und damit unter Verstoß gegen die Verbotsnorm i. S. d. § 2 Abs. 3 Nr. 4 Alt. 2 der Grünanla-<br />

gensatzung. Als Teil der objektiven Rechtsordnung unterfällt die Verbotsnorm des § 2 Abs. 3<br />

Nr. 4 Alt. 2 der Grünanlagensatzung dem Bereich der öffentlichen Sicherheit. Verstöße ge-<br />

gen diese Verbotsnorm stellen daher eine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit dar,<br />

welche die LHS München im Rahmen ihrer Befugnis als ortspolizeiliche Gefahrenabwehrbe-<br />

hörde auf der Grundlage § 8 der Grünanlagensatzung unterbinden konnte.<br />

5. Verhältnismäßigkeit<br />

Das Verbot ist auch verhältnismäßig. Andere, gleich geeignete, Maßnahmen wie das voll-<br />

ständige Skateverbot auf dem Georg-Freundorfer-Platz sind nicht ersichtlich.<br />

Organisatorische oder bauliche Maßnahmen, die eine so große Verbesserung bewirken<br />

würden, dass die entsprechenden Richtwerte der 18. BImSchV eingehalten werden könnten,<br />

sind nicht möglich. Weder ist eine weitere zeitliche Einschränkung der Nutzungszeit noch ein<br />

sinnvoller Skatebetrieb möglich, noch könnte durch bauliche Maßnahmen wie z. B. die Er-<br />

richtung von Lärmschutzwänden eine deutliche Verbesserung der Lärmsituation geschaffen<br />

werden.<br />

Die in dem Lärmgutachten des Ingenieurbüros Greiner ermittelte Überschreitung der Immis-<br />

sionsrichtwerte basiert auf der im Rahmen der Messungen beobachteten Nutzung des Plat-<br />

zes durch den Gutachter über einen Zeitraum von drei Stunden außerhalb der Ruhezeiten<br />

(ca. 16:30 Uhr bis 19:30 Uhr). Durch eine Halbierung der Nutzungszeit auf eineinhalb Stun-<br />

den würde sich eine Reduzierung der Überschreitung lediglich um 3 dB(A) 49 ergeben, sodass<br />

weiterhin eine Überschreitung in Höhe von 11 dB(A) bestehen würde und gleichzeitig eine in<br />

48<br />

BayVerfGHE 4, 194, 205 und BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 – 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 – BVerfGE 69, 315, 352 =<br />

NJW 1985, 2395 (sog. Brokdorf-Entscheidung).<br />

49<br />

Messung und Begutachtung von Geräuschen durch die Benutzung von Skateboards auf dem Georg-Freundorfer-Platz in<br />

München, Landeshauptstadt München, Messbericht Nr. 210091/1 vom 04.08.2010, Seite 10.<br />

22


der Praxis nicht annehmbare bzw. umsetzbare Einschränkung der Nutzungszeit vorgenom-<br />

men werden müsste.<br />

Auch ein Rückbau der von den Skateboardfahrern benutzten Betonbänke mit Metallkanten<br />

ist basierend auf den durch den Gutachter gemachten Beobachtungen kein adäquates Mittel,<br />

um die Geräuschbelastungen zu reduzieren, da die hohe Anzahl an Schlaggeräuschen mit<br />

über 80 dB(A) vor allem durch die Sprungübungen auf der ebenen Asphaltfläche entstehen.<br />

Eine zu erwartende verminderte Attraktivität für die Skateboardfahrer und eine daraus resul-<br />

tierende Minderung der Lärmimmissionen ist daher zu verneinen.<br />

Ebenso ist die Errichtung von Schallschutzwänden aus schalltechnischer Sicht nicht sinnvoll,<br />

da diese nur dann wirksam wären, wenn die Sichtverbindung zwischen dem Skatebereich<br />

und den Fenstern von Aufenthaltsräumen der angrenzenden Wohnbebauung unterbrochen<br />

wird. Aufgrund der umliegenden bis zu 6-geschossigen Wohnbebauung ist eine wirksame<br />

Abschirmung im oben dargestellten Sinne bei vertretbaren Wandhöhen jedoch nicht erziel-<br />

bar.<br />

Schließlich unterhält die LHS München derzeit insgesamt 34 andere öffentliche Skateanla-<br />

gen im Stadtgebiet. Für die von dem Verbot betroffenen Skatboardfahrer, stehen in unmittel-<br />

barer Nähe und in zumutbarer Entfernung die Skateanlagen auf der Theresienwiese und am<br />

Feierwerk in der Hansastraße zur freien Verfügung.<br />

6. Ausübung des Verwaltungsermessens<br />

Bei der Anordnung von Einzelfallmaßnahmen nach §§ 2 Abs. 3 Nr. 4 Alt. 2, 8 der Grünanla-<br />

gensatzung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Dies ergibt sich aus dem<br />

Wortlaut von § 8 der Grünanlagensatzung, wonach der Behörde ein Ermessen („kann“) ein-<br />

geräumt wird, die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderli-<br />

chen Anordnungen zu treffen. 50<br />

Für die Rechtmäßigkeit der Anordnung des Skateverbots ist erforderlich, dass die LHS Mün-<br />

chen das von § 8 der Grünanlagensatzung eingeräumte Verwaltungsermessen ordnungs-<br />

gemäß ausgeübt hat. Eine Befreiung von der Ermessensausübungspflicht liegt vor, wenn<br />

keine alternative Entscheidung ermessensfehlerfrei möglich gewesen wäre (sog. Ermes-<br />

sensreduzierung auf Null).<br />

50 Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, 20. Ergänzungslieferung 2010, § 114 Rn. 27.<br />

23


a) Reduzierung des Verwaltungsermessens<br />

Stand: 04.03.2011 <strong>Anlage</strong> 2<br />

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist das Ermessen einer<br />

Behörde reduziert, wenn nach Lage der Dinge alle denkbaren Alternativen nur unter pflicht-<br />

widriger Vernachlässigung eines eindeutig vorrangigen Sachgesichtspunktes gewählt wer-<br />

den könnte. 51 Die Wahlmöglichkeiten der Behörde müssen sich auf eine Alternative derge-<br />

stalt reduzieren, dass nur noch diese eine Entscheidung ermessensfehlerfrei ist, alle ande-<br />

ren dagegen ermessensfehlerhaft wären. 52 In diesem Fall ist die Behörde verpflichtet, diese<br />

eine Möglichkeit zu ergreifen. Eine Ermessensreduzierung kommt insbesondere in Betracht,<br />

wenn eine hohe Intensität der Störung oder Gefährdung 53 bzw. eine Beeinträchtigung hoch-<br />

rangiger Rechtsgüter vorliegt. 54<br />

Von der untersagten Skatenutzung sind erhebliche Lärmbelästigungen für die Anwohner des<br />

Georg-Freundorfer-Platzes ausgegangen. Die Intensität der Lärmbelästigung war geeignet<br />

das körperlichen und seelische Wohlbefinden und die Wohn- und Lebensqualität der An-<br />

wohner des Georg-Freundorfer-Platzes erheblich zu beeinträchtigen. 55 Die Nachteile der<br />

betroffenen Skateboardfahrer in Form des Verlusts der Skatefläche auf dem Georg-<br />

Freundorfer-Platz fallen im Gegenzug und angesichts der hohen Intensität der Störung der<br />

Anwohner nicht besonders ins Gewicht, da den Skateboardfahrern in unmittelbarer Nähe<br />

zum Georg-Freundorfer-Platz zwei andere Skateanlagen der LHS München zur Verfügung<br />

stehen. Da bauliche bzw. administrative/zeitliche Einschränkungen zur wirksamen Verringe-<br />

rung der Lärmbelästigung für die Anwohner nicht möglich sind, müssen die Interessen der<br />

am Skaten interessierten Personenkreise zurücktreten. Der LHS München kam bei der An-<br />

ordnung des Verbots daher kein Ermessensspielraum zu. Andere Entscheidungen als das<br />

Verbot wären demgemäß ermessensfehlerhaft.<br />

b) Ordnungsgemäße Ermessensausübung<br />

Doch selbst wenn kein Fall der Ermessensreduzierung auf Null vorläge, ist ein Ermessens-<br />

fehlgebrauch nicht ersichtlich. Ermessensfehlerhaft ist ein Verwaltungsakt nur dann, wenn<br />

die Behörde bei ihrem Handeln von unzutreffenden, in Wahrheit nicht gegebenen, unvoll-<br />

ständigen oder falsch gedeuteten tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen ausgeht,<br />

bzw. Gesichtspunkte tatsächlicher oder rechtlicher Art berücksichtigt, die nach dem Sinn und<br />

Zweck des zu vollziehenden Gesetzes oder aufgrund anderer Rechtsvorschriften dabei keine<br />

Rolle spielen können oder dürfen. 56<br />

51<br />

Decker/Posser/Wolff, a.a.O., Fn. 22, § 114 Rn. 9.<br />

52<br />

Vosskuhle, Entscheidungsspielräume der Verwaltung, Juristische Schulung 2008, 117.<br />

53<br />

BayVerfGH, Entscheidung vom 03.12.1993 – Vf. 108-VI-92 – NVwZ-RR 1994, 631.<br />

54<br />

Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., Fn. 50, § 114 Rn. 27 m.w.N.; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 16.<br />

Auflage, § 114 Rn. 6.<br />

55 Vgl. oben Seite 19-21.<br />

56 Kopp/Schenke, a.a.O, Fn. 54, § 114 Rn. 12.<br />

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Die LHS München hat vor Erlass des Verbots umfangreiche Sachverhaltsfeststellungen<br />

durchgeführt, und ein Lärmgutachten eingeholt. Die LHS München hat bei ihrer Entschei-<br />

dung alle ihr bekannten und vorgetragen wesentlichen Sachumstände berücksichtigt. Auch<br />

stellt der Rückgriff über §§ 2 Abs. 3 Nr. 4 Alt. 2 der Grünanlagensatzung auf die entspre-<br />

chende Vorschrift der 18. BImSchV keinen Gesichtspunkt tatsächlicher oder rechtlicher Art<br />

dar, der nach dem Sinn und Zweck der Grünanlagensatzung nicht hätte berücksichtigt wer-<br />

den können oder dürfen. 57 Das Verbot ist zudem zweckmäßig, um die Lärmbelästigung, die<br />

durch die Skatenutzung hervorgerufen wird, zu beenden. Selbst wenn das Skateverbot nicht<br />

zweckmäßig wäre, um das Ziel, die Beendigung der Lärmimmissionen zu erreichen, wäre<br />

dies unschädlich, da nach § 114 Satz 1 VwGO die verwaltungsgerichtliche Kontrolle nicht<br />

auch die Zweckmäßigkeit des behördlichen Handelns umfasst.<br />

7. Zwischenergebnis<br />

Das am 22.10.2010 durch die LHS München in der Rathaus-Umschau öffentlich bekannt<br />

gemachte und am 23./24.10.2010 vollzogene Verbot der weiteren Skatenutzung auf dem<br />

Georg-Freundorfer-Platz auf Grundlage von §§ 2 Abs. 3 Nr. 4 Alt. 2, 8 der Grünanlagensat-<br />

zung ist formell und materiell rechtmäßig.<br />

C. Rechtmäßigkeit des Verbots nach Bundesimmissions-<br />

schutzrecht<br />

I. Rechtsgrundlagen<br />

Als weitere Rechtsgrundlagen für das Verbot, soweit es um die Abwehr erheblicher Lärmbe-<br />

lästigungen geht, kommen die Vorschriften der §§ 24 Satz 1 Alt. 1, 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2<br />

BImSchG und §§ 24 Satz 1 Alt. 2, 23 Abs. 1 BImSchG i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 4 der 18.<br />

BImSchV entsprechend in Betracht. Nach § 24 Satz 1 BImSchG kann die zuständige Behör-<br />

de i. S. d. Art. 2 Abs. 1 Bayerisches Immissionsschutzgesetz 58 (im Folgenden: BayImSchG)<br />

im Einzelfall die zur Durchführung des § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG und der auf das<br />

BImSchG gestützten Rechtsverordnungen erforderlichen Anordnungen treffen.<br />

§ 25 Abs. 2 BImSchG scheidet hingegen als Rechtsgrundlage für das Verbot aus. Danach<br />

soll die zuständige Behörde die Errichtung oder den Betrieb der <strong>Anlage</strong> ganz oder teilweise<br />

untersagen, wenn die von der <strong>Anlage</strong> hervorgerufenen schädlichen Umwelteinwirkungen das<br />

Leben oder die Gesundheit von Menschen oder bedeutende Sachwerte gefährden. Eine<br />

Gefahr für die Gesundheit der Anwohner wäre nur gegeben, wenn die durch die Skatenut-<br />

zung verursachten Geräuschimmissionen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erhebli-<br />

57 Vgl. oben Seite 20-21.<br />

58 Bayerisches Immissionsschutzgesetz (BayImSchG) vom 08.10.1974 (BayRS 2129-1-1-UG).<br />

25


chen Rechtsgutbeeinträchtigungen der betroffenen Anwohner führen würden. 59 Derartige<br />

Beeinträchtigungen sind nicht ersichtlich und von den Anwohnern bislang auch nicht vorge-<br />

tragen.<br />

II. Formelle Rechtmäßigkeit<br />

Das Verbot wäre als immissionsschutzrechtliche Einzelfallanordnung nach §§ 24 Satz 1, 22<br />

Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG und §§ 24 Satz 1, 23 Abs. 1 BImSchG i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 4<br />

der 18. BImSchV entsprechend – vorbehaltlich der Einhaltung der Verfahrens- und Formvor-<br />

schriften – formell rechtmäßig. Die LHS München ist für die Anordnung einer solchen Maß-<br />

nahme die sachlich zuständige Behörde, Art. 2 Abs. 1 BayImSchG i. V. m. Art. 9 Abs. 1<br />

Satz 1 GO. Die örtliche Zuständigkeit der LHS München folgt aus Art. 3 Abs. 1 BayVwVfG.<br />

III. Materielle Rechtmäßigkeit<br />

Das Verbot auf Grundlage von §§ 24 Satz 1 Alt. 1, 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG und<br />

§§ 24 Satz 1 Alt. 2, 23 Abs. 1 BImSchG i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 4 der 18. BImSchV entspre-<br />

chend ist materiell rechtmäßig, wenn die Skatefläche auf dem Georg-Freundorfer-Platz eine<br />

<strong>Anlage</strong> i. S. d. BImSchG darstellt (dazu 1.), von der schädliche Umwelteinwirkungen i. S. d.<br />

§ 3 Abs. 1 BImSchG ausgehen (dazu 2.), welche nach dem Stand der Technik nicht verhin-<br />

dert oder nicht auf ein Mindestmaß reduziert werden können (dazu 3.), bzw. die die Richt-<br />

wertgrenze des § 2 Abs. 2 Nr. 4 der 18. BImSchV entsprechend i. V. m. § 23 Abs. 1<br />

BImSchG erheblich überschreitet (dazu 4.).<br />

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann die LHS München die erforderliche Anordnung im<br />

Rahmen ihres Verwaltungsermessens nach § 24 Satz 1 BImSchG treffen (dazu 5.), wenn<br />

diese neben der Anordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit nach §§ 2<br />

Abs. 3 Nr. 4 Alt. 2, 8 der Grünanlagenordnung zulässig ist (dazu 6.).<br />

1. Skatefläche als <strong>Anlage</strong> nach BImSchG<br />

Das Bundesimmissionsschutzrecht ist anlagenbezogen. Damit der Anwendungsbereich des<br />

BImSchG eröffnet ist, müsste es sich bei der Skatefläche auf dem Georg-Freundorfer-Platz<br />

um eine <strong>Anlage</strong> i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG handeln. Der immissionsschutzrechtliche<br />

<strong>Anlage</strong>nbegriff ist in § 3 Abs. 5 BImSchG definiert. Vorliegend könnte es sich um eine orts-<br />

feste Einrichtung i. S. v. § 3 Abs. 5 Nr. 1 Alt. 2 BImSchG, oder um ein emissionsträchtiges<br />

Grundstück nach § 3 Abs. 5 Nr. 3 Alt. 3 BImSchG handeln.<br />

59 Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. 12. 2003 – 7 C 19/02 – NVwZ 2004, 610; OVG Münster, Urteil vom 07.06.1990 – 20 AK 25/87<br />

– NVwZ 1991, 1202; Jarass, a.a.O., Fn. 46, § 3 Rn. 25 ff. m.w.N.<br />

26


a) Skatefläche als ortsfeste Einrichtung<br />

Stand: 04.03.2011 <strong>Anlage</strong> 2<br />

Der Georg-Freundorfer-Platz könnte eine ortsfeste Einrichtung i. S. d. § 3 Abs. 5 Nr. 1 Alt. 2<br />

BImSchG darstellen. In Abgrenzung zu § 3 Abs. 5 Nr. 2 BImSchG erfasst § 3 Abs. 5 Nr. 1<br />

BImSchG nur Einrichtungen, die nicht ortsveränderlich sind. 60 Dies trifft auf die Skatefläche<br />

des Georg-Freundorfer-Platzes unproblematisch zu.<br />

Der immissionsschutzrechtliche Begriff der Einrichtung wird im BImSchG nicht näher be-<br />

stimmt. Auch wird in vielen Fällen nicht näher zwischen dem in § 3 Abs. 5 BImSchG definier-<br />

ten Begriff der <strong>Anlage</strong> und der ortsfesten Einrichtung als Unterfall des <strong>Anlage</strong>nbegriffes un-<br />

terschieden. In der Rechtsprechung und Verwaltungspraxis werden beide Begriffe grund-<br />

sätzlich sehr weit ausgelegt. 61 In der Rechtsprechung wurde zum Beispiel der Betriebshof<br />

der Stadtreinigung, 62 Garagen, 63 Grillplätze, 64 Kinderspielplätze, 65 sowie Lager-, 66 Park- 67 und<br />

Sportplätze 68 als ortfeste <strong>Anlage</strong>n bzw. Einrichtungen qualifiziert. Auch Skateanlagen sind<br />

nach der Rechtsprechung ortsfeste <strong>Anlage</strong>n. 69<br />

In Anbetracht der sehr weiten Begriffsbestimmung muss auch der als Skatefläche genutzte<br />

Teil des Georg-Freundorfer-Platzes als ortsfeste <strong>Anlage</strong> bzw. Einrichtung i. S. v. § 3 Abs. 5<br />

Nr. 1 Alt. 2 BImSchG qualifiziert werden. Auch wenn die Skatenutzung auf dem südlichen<br />

Teil des Georg-Freundorfer-Platz planerisch weder erwünscht, noch vorgesehen war, so<br />

wurde die dortige Asphaltfläche mit Sitzelementen aus Beton und Metallkanten, dennoch seit<br />

dem Jahr 2002 faktisch als Skateanlage genutzt. Durch das Aufstellen der Schilder Ende des<br />

Jahres 2002 hat die LHS München zudem diese Art der Nutzung des Georg-Freundorfer-<br />

Platzes zu bestimmten Tageszeiten in rechtlicher Hinsicht gestattet. Die Gestattung durch<br />

die LHS München bewirkte mithin eine Nutzung des südlichen Teils des Georg-Freundorfer-<br />

Platzes als Skateanlage im Rechtssinne. Ein immissionsschutzrechtlicher Unterschied zwi-<br />

schen einer Fläche, auf der sich z. B. eine Half-Pipe oder Holzrampen befinden, und die da-<br />

mit unzweifelhaft eine Skateanlage im Sinne der Rechtsprechung darstellt, 70 und einer Flä-<br />

che, auf der Sitzelemente aus Beton, welche mit einer Metallkante verblendet sind, stehen,<br />

und diese zur Skateausübung verwendet werden, ist nicht ersichtlich.<br />

60<br />

Jarass, a.a.O., Fn. 46, § 3 Rn. 69 f.<br />

61<br />

Jarass, a.a.O., Fn. 46, § 3 Rn. 71 und § 22 Rn. 9 m.w.N.<br />

62<br />

VG Berlin, Zeitschrift für Umwelt und Planungsrecht, 1984, 102.<br />

63<br />

OVG Hamburg, Beschluss vom 13.10.1989 – BS II 44/89 – NVwZ 1990, 379; OVG Nordrhein-Westfalen, NWVBl 1989, 445.<br />

64<br />

BayVGH, Urteil vom 15.06.1989 – 22 B 87.1866 – NVwZ-RR 1989, 532.<br />

65<br />

BayVGH, BayVBl. 1993, 434.<br />

66<br />

Jarass, a.a.O., Fn. 46, § 22 Rn. 9 m.w.N.<br />

67<br />

OVG Münster, Urteil vom 26.11.1999 – 21 A 891/98 – NJW 2000, 2124; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 08.02.2000 –<br />

10 S 72/99 – VBlBW 2000, 483.<br />

68<br />

BVerwG, Urteil vom 19.01.1987 – 7 C 77/87 – NJW 1989, 1791; BVerwG, Urteil vom 17.08.1999 – 4 CN 4/98 – NVwZ 2000,<br />

550.<br />

69 OVG Koblenz, Urteil vom 08.12.1999 – 7 A 11469/98 – NVwZ 2000, 1150.<br />

70 Vgl. Fn. 69.<br />

Becker Büttner Held · Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater · Partnerschaft · Sitz: München · AG München PR 627<br />

04820-10/1531145 27


Der südliche Bereich des Georg-Freundorfer-Platzes stellt daher eine ortsfeste Einrichtung<br />

dar und ist damit als immissionsschutzrechtliche <strong>Anlage</strong> zu qualifizieren, §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 3<br />

Abs. 5 Nr. 1 BImSchG.<br />

b) Skatefläche als emissionsträchtiges Grundstück<br />

Selbst wenn die Skatefläche auf dem Georg-Freundorfer-Platz keine ortsfeste Einrichtung<br />

i. S. d. § 3 Abs. 5 Nr. 1 Alt. 2 BImSchG darstellen würde, wäre der südliche Bereich des Ge-<br />

org-Freundorfer-Platzes als emissionsträchtiges Grundstück i. S. d. § 3 Abs. 5 Nr. 3<br />

BImSchG zu qualifizieren und der Anwendungsbereich des BImSchG eröffnet.<br />

<strong>Anlage</strong>n sind gemäß § 3 Abs. 5 Nr. 3 BImSchG auch Grundstücke, auf denen Arbeiten<br />

durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können. Der Begriff der Arbeit ist weit zu<br />

verstehen und erfasst alle emissionsträchtigen Tätigkeiten, die wesentlicher Inhalt der<br />

Zwecksetzung des Grundstücks sind und beschränkt sich nicht nur auf wirtschaftliche Tätig-<br />

keiten. 71<br />

<strong>Anlage</strong>n gemäß § 3 Abs. 5 Nr. 3 BImSchG sind somit alle Grundstücke auf denen emissions-<br />

trächtige Tätigkeiten bzw. Aktivitäten vorgenommen werden, die vom Inhalt der Zweckset-<br />

zung des Grundstücks gedeckt sind und die bestimmungsgemäß und nicht nur gelegentli-<br />

chen emissionsträchtigen Aktivitäten dienen. 72<br />

Die Skateausübung auf dem südlichen Teil des Georg-Freundorfer-Platz war seit Ende des<br />

Jahres 2002 ständiger Inhalt von dessen Zwecksetzung. Seit der Gestattung Ende des Jah-<br />

res 2002 durch die LHS München hat der südliche Bereich des Georg-Freundorfer-Platzes<br />

den Zweck, den Skateboardfahrern für deren Skateausübung zu gewissen Tageszeiten zur<br />

Verfügung zu stehen. Der südliche Bereich des Georg-Freundorfer-Platzes fällt daher in den<br />

Anwendungsbereich des § 3 Abs. 5 Nr. 3 BImSchG.<br />

§ 3 Abs. 5 Nr. 3 BImSchG ist damit ebenfalls einschlägig, tritt jedoch zurück, soweit § 3<br />

Abs. 5 Nr. 1 BImSchG bereits einschlägig ist. 73<br />

2. Schädliche Umwelteinwirkungen<br />

Die festgestellten Lärmimmissionen müssten zudem schädliche Umwelteinwirkungen i. S. d.<br />

§ 3 Abs. 1 BImSchG darstellen. Schädliche Umwelteinwirkungen sind Immissionen, die nach<br />

Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Be-<br />

71<br />

Jarass, a.a.O., Fn. 46, § 3 Rn. 77 m.w.N.<br />

72<br />

Jarass, a.a.O., Fn. 46, § 3 Rn. 74 ff.<br />

73<br />

Jarass, a.a.O., Fn. 46, § 3 Rn. 75 m.w.N.<br />

28


lästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen, wobei Geräusche<br />

nach § 3 Abs. 2 BImSchG als Unterfall der Immission ausdrücklich erfasst sind. 74<br />

Die Geräuschimmissionen müssen zudem eine erhebliche Belästigung darstellen. Das die<br />

Geräuschimmissionen als Belästigung der Anwohner des Georg-Freundorfer-Platzes zu qua-<br />

lifizieren sind, wurde bereits oben dargestellt. 75 Im Rahmen des § 3 Abs. 1 BImSchG muss<br />

die festgestellte Lärmbelästigung jedoch zusätzlich eine gewisse Erheblichkeitsschwelle<br />

überschreiten. Nur eine erhebliche Lärmbelästigung ist auch schädlich i. S. v. § 3 Abs. 1<br />

BImSchG. 76 Belästigungen sind erheblich, wenn sie den Betroffenen nicht zumutbar sind.<br />

Dabei ist von einem Durchschnittsbetroffenen auszugehen. Bei der Beurteilung der Zumut-<br />

barkeit ist allein von den Wirkungen der Immissionen für den Betroffenen auszugehen. 77<br />

Rechtsprechung und Literatur haben sich bei der Beurteilung der Zumutbarkeit und Erheb-<br />

lichkeit bislang an den Gegebenheiten des Einzelfalls orientiert. Nach der Rechtsprechung<br />

ist hierbei die Zumutbarkeitsgrenze der Lärmimmissionen grundsätzlich durch eine Würdi-<br />

gung aller maßgeblichen Umstände der konkreten Situation, insbesondere der Gebietsart<br />

und der tatsächlichen Verhältnisse zu bestimmen, wobei die Immissionsschutzwerte der 18.<br />

BImSchV als Anhaltspunkte heranzuziehen sind. 78<br />

Vorliegend ist für die Beurteilung der Erheblichkeit daher vor allem die Art des Gebiets von<br />

Bedeutung. Der Bereich südlich des Georg-Freundorfer-Platzes, wo die höchsten durch-<br />

schnittlichen Lärmimmissionen von durchschnittlich rund 64 dB(A) festgestellt wurden, stellt<br />

ein reines Wohngebiet dar. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 der 18. BImSchV ist ein Immissionsricht-<br />

wert von über 50 dB(A) in reinen Wohngebieten außerhalb der Ruhezeiten i. S. d. § 2 Abs. 5<br />

Nr. 1 der 18. BImSchV unzumutbar. 79 Selbst in allgemeinen Wohngebieten, Kerngebieten,<br />

Dorfgebieten und Mischgebieten ist ein Lärmimmissionswert von 55 dB(A) bis maximal<br />

60 dB(A) zumutbar, § 2 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 der 18. BImSchV.<br />

Erhebliche und damit nicht mehr hinzunehmende, unzumutbare Störungen liegen damit bei<br />

einem Immissionsrichtwert von tagsüber außerhalb der Ruhezeiten über 60 dB(A) vor. Der<br />

vorliegend festgestellte Immissionsrichtwert von ca. 64 dB(A) in reinen Wohngebieten au-<br />

ßerhalb der Ruhezeiten ist demnach als unzumutbar und damit erheblich zu qualifizieren.<br />

74<br />

Geräusche sind alle hörbaren Einwirkungen, die durch Schallwellen verbreitet werden. Quantitative Angaben zur Lautstärke<br />

von Geräuschen werden meist in Form des Schalldruckpegels in Dezibel (dB) angegeben, d.h. als logarithmisch bewertetes<br />

Verhältnis von jeweiligem Schalldruck zum Hörschwellenschalldruck. Zu den Einzelheiten vgl. Jarass, a.a.O., Fn. 46, § 3<br />

Rn. 5.<br />

75<br />

Vgl. oben, Seite 19-21.<br />

76<br />

Jarass, a.a.O., Fn. 46, § 3 Rn. 46.<br />

77<br />

Vgl. BVerwGE 125, 116 = NVwZ 2006, 927 L; Jarass, a.a.O., Fn. 46, § 3 Rn. 47 m.w.N.<br />

78<br />

BayVGH, Beschluss vom 12.05.2004 – 22 ZB 04.234 – NVwZ-RR 2004, 735; BayVGH, Urteil vom 25.11.2002 – 1 B<br />

97.1352 – NVwZ-RR 2004, 20.<br />

79 OVG Koblenz, Urteil vom 08.12.1999 – 7 A 11469/98 – NVwZ 2000, 1190.<br />

29


3. Verstoß gegen § 22 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG<br />

Die Lärmimmissionen, die auf die Nutzung des Georg-Freundorfer-Platzes als Skateanlage<br />

zurückzuführen sind, könnten gegen die Schutz- und Gefahrenabwehrpflicht nach § 22<br />

Abs. 1 Nr. 2 BImSchG verstoßen. Nicht genehmigungsbedürftige <strong>Anlage</strong>n sind nach § 22<br />

Abs. 1 Satz 1 BImSchG so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkun-<br />

gen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, § 22 Abs. 1 Satz 1<br />

Nr. 1 BImSchG, bzw. solche, die nach dem Stand der Technik unvermeidbar sind, müssen<br />

auf ein Mindestmaß beschränkt werden, § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG.<br />

a) Eröffnung des Anwendungsbereichs der §§ 22 ff. BImSchG<br />

Die §§ 22 ff. BImSchG gelten nur für schädliche Umwelteinwirkungen, die mit der Errichtung<br />

oder dem Betrieb von <strong>Anlage</strong>n im Zusammenhang stehen (sog. anlagenbezogene Immissio-<br />

nen). 80 Nichtanlagenbezogene oder verhaltensbezogene Immissionen werden von den §§ 22<br />

ff. BImSchG nicht erfasst. Immissionen sind anlagenbezogen, wenn sie durch die <strong>Anlage</strong><br />

oder ihre Teile selbst verursacht werden. 81 Dies ist vorliegend nicht der Fall.<br />

Nach der Rechtsprechung werden aber auch von Menschen, Tieren oder Pflanzen ausge-<br />

hende Immissionen erfasst, sofern sie in einem betriebstechnischen oder funktionellen Zu-<br />

sammenhang mit dem Betrieb der <strong>Anlage</strong> stehen. 82 Es stellt sich daher die Frage, ob die<br />

Geräusche, die von den Skateboardfahrern auf dem Georg-Freundorfer-Platz hervorgerufen<br />

werden, in einem betriebstechnischen oder funktionellen Zusammenhang mit dem gestatte-<br />

ten Skatebetrieb auf dem Georg-Freundorfer-Platz stehen.<br />

Das Bundesverwaltungsgericht hat den betriebstechnischen oder funktionellen Zusammen-<br />

hang bei Lärm bejaht, der von Gästen einer Gaststätte verursacht wurde, die sich auf der<br />

Straße vor der Gaststätte befunden haben. 83 Gleiches gilt für den von Skateboardfahrern bei<br />

der Benutzung einer Skateanlage verursachten Lärm. 84<br />

Für den vorliegenden Sachverhalt kann nichts anderes gelten. Der Lärm, der von den Skate-<br />

boardfahrern auf dem südlichen Teil des Georg-Freundorfer-Platzes hervorgerufen wird,<br />

steht in einem funktionellen und betriebstechnischen Zusammenhang mit dem Betrieb des<br />

Platzes als Skatefläche. Ohne den Betrieb des Skateplatzes würde es dort keine derartige<br />

Lärmbelästigung geben. Unter der oben dargestellten und bejahten Prämisse, dass der süd-<br />

liche Bereich des Georg-Freundorfer-Platzes aufgrund der baulichen Ausstattung (Sitzele-<br />

mente aus Beton mit Metallverblendungen) und der Gestattung der Skatenutzung durch die<br />

80 Jarass, a.a.O., Fn. 46, § 22 Rn. 6 ff.<br />

81 BVerwG, Urteil vom 07.05.1996 – 1 C 10/95 – BVerwGE 101, 157, 165 = NVwZ 1997, 276.<br />

82 Vgl. Fn. 80 m.w.N.<br />

83 BVerwGE 101, 157 (165).<br />

84 OVG Koblenz, Urteil vom 08.12.1999 – 7 A 11469/98 – NVwZ 2000, 1190.<br />

30


aufgestellten Schilder Ende des Jahres 2002, eine Skateanlage darstellt, unterfällt er als<br />

nicht genehmigungsbedürftige ortsfeste Einrichtung dem Anwendungsbereich der §§ 22 ff.<br />

BImSchG.<br />

b) Abgrenzung zu § 22 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG<br />

Schädliche Umwelteinwirkungen nicht genehmigungsbedürftiger <strong>Anlage</strong>n müssen gemäß<br />

§ 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG jedoch nicht strikt vermieden werden. Unzumutbar ist eine Ska-<br />

teanlage nur, wenn sie nicht so betrieben werden kann, dass sie den Anforderungen des<br />

§ 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG genügt. 85 Von der Skateanlage dürfen demnach keine schädli-<br />

chen Umwelteinwirkungen ausgehen, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Die<br />

Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen ist somit zunächst gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1<br />

Nr. 1 BImSchG zu erreichen, soweit das durch den Einsatz von Maßnahmen möglich ist, die<br />

durch den Stand der Technik vorgegeben werden. 86 Der in § 3 Abs. 6 BImSchG definierte<br />

Stand der Technik umfasst Maßnahmen der Technologie sowie der Art und Weise, wie An-<br />

lagen geplant, gebaut, gewartet und betrieben werden. Andererseits müssen diese Maß-<br />

nahmen für <strong>Anlage</strong>n der fraglichen Art bedeutsam sein, und nicht nur für eine bestimmte<br />

<strong>Anlage</strong> im Hinblick auf deren besonderes Umfeld. Aus diesem Grund werden Maßnahmen<br />

wie Schallschutzwände, 87 ausreichende Schutzabstände bzw. zeitliche Beschränkungen<br />

nicht § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG zugeordnet, sondern § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2<br />

BImSchG. 88 Nach dem Stand der Technik liegen vermeidbare schädliche Umwelteinwirkun-<br />

gen daher nicht vor. Ein Verstoß gegen § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ist somit zu ver-<br />

neinen, weil es keine dem Stand der Technik entsprechenden Möglichkeiten zu einer weite-<br />

ren Lärmminderung gibt.<br />

c) Verstoß gegen § 22 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG<br />

Es könnte jedoch ein Verstoß gegen Schutz- und Gefahrenabwehrpflicht nach § 22 Abs. 1<br />

Satz 1 Nr. 2 BImSchG vorliegen. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG sind nicht geneh-<br />

migungsbedürftige <strong>Anlage</strong>n so zu betreiben, dass die nach dem Stand der Technik unver-<br />

meidbaren schädlichen Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß zu beschränken sind. Ad-<br />

ressat dieser Grundpflicht ist der <strong>Anlage</strong>nbetreiber. Auch öffentliche Betreiber werden er-<br />

fasst, unabhängig davon, ob die <strong>Anlage</strong> privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich betrieben<br />

wird. 89<br />

Die Einschränkung auf ein Mindestmaß hat grundsätzlich eine unterschiedliche Bedeutung,<br />

je nachdem, ob die schädlichen Umwelteinwirkungen in einer Gefahr oder in einer erhebli-<br />

85<br />

BVerwG, Urteil vom 03.04.1987 – 4 C 41/84 – NVwZ 1987, 884.<br />

86<br />

Jarass, a.a.O., Fn. 46, § 22 Rn. 35.<br />

87<br />

BayVGH, Urteil vom 15.03.1999 – 14 B 93.1542 – NVwZ-RR 2000, 274.<br />

88 Jarass, a.a.O., Fn. 46, § 22 Rn. 35.<br />

89 Jarass, a.a.O., Fn. 46, § 22 Rn. 21.<br />

31


chen Belästigung bestehen. Bei Belästigungen, die unterhalb der polizeigesetzlichen Gefah-<br />

renschwelle liegen, verlangt die Beschränkung auf das Mindestmaß eine umfassende Abwä-<br />

gung aller Faktoren. Insbesondere ist der Aufwand für die Abwehrmaßnahmen und der Nut-<br />

zen der die Immissionen erzeugenden <strong>Anlage</strong> für die Allgemeinheit zu berücksichtigen. 90<br />

Insbesondere kommt es auf die Art des betroffenen Gebiets an. 91 Die Beschränkung auf ein<br />

Mindestmaß beinhaltet damit die Beschränkung, unter dem Gesichtspunkt des nachbarlichen<br />

Interessenausgleichs, auf ein zumutbares Mindestmaß. 92 Lässt sich das gebotene Mindest-<br />

maß nicht einhalten, muss der <strong>Anlage</strong>nbetrieb untersagt werden. 93 Zur Durchsetzung kann<br />

die zuständige Behörde gemäß § 24 Satz 1 BImSchG Anordnungen erlassen und diese auch<br />

vollstrecken.<br />

Die Schutz- und Gefahrenabwehrpflicht nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG hat vor al-<br />

lem Bedeutung bei nichttechnischen Maßnahmen. Dennoch werden auch Maßnahmen wie<br />

Schallschutzwände, ausreichende Schutzabstände und zeitliche Beschränkung von § 22<br />

Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG erfasst. Auch Maßnahmen, die zu einer Betriebseinschränkung<br />

bzw. zu einem Betriebsverbot führen werden erfasst. 94<br />

Fraglich ist somit, ob die LHS München ihrer Schutz- und Gefahrenabwehrpflicht nach § 22<br />

Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG nachkommen könnte. Könnte sie dies nicht, müsste der Anla-<br />

genbetrieb untersagt werden.<br />

Im Bereich der Sandtnerstrasse, die an die Skatefläche im südlichen Teil des Georg-<br />

Freundorfer-Platzes angrenzt, ergeben sich Anhaltspunkte dafür, was unter dem zumutbaren<br />

Mindestmaß i. S. d. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG zu verstehen ist, aus der 18.<br />

BImSchV. 95 Für Bolzplätze ist zudem entschieden, dass sich das zumutbare Mindestmaß im<br />

Bereich der Lärmbelästigung aus einer wertenden Betrachtung ergibt. 96 Egal, ob man vorlie-<br />

gend nun eine wertende Betrachtung vornimmt, oder entsprechend auf § 2 Abs. 2 Nr. 4 der<br />

18. BImSchV zurückgreift, ist zur fachlichen Beurteilung des zumutbaren Mindestmaßes<br />

i. S. d. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG jedenfalls der Richtwert des § 2 Abs. 2 Nr. 4 der<br />

18. BImSchV als Orientierungshilfe heranzuziehen. Danach ist ein Immissionsrichtwert von<br />

50 dB(A) heranzuziehen. Die Skatenutzung auf dem Georg-Freundorfer-Platzes dürfte somit<br />

nur dann weiterhin erfolgen, wenn dieser Richtwert eingehalten werden kann.<br />

Wie aus dem Lärmgutachten hervorgeht, ist eine Beschränkung der Lärmimmissionen, die<br />

von der Skatefläche ausgehen, nicht möglich. Bauliche Schallschutzmaßnahmen, insbeson-<br />

90 VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.06.1998 – 10 S 3300-96 – NVwZ-RR 1999, 569.<br />

91 Jarass, a.a.O., Fn. 46, § 22 Rn. 39.<br />

92 BVerwG, Urteil vom 19.01.1989 – 7 C 77/87 – NJW 1989, 1291.<br />

93<br />

Jarass, a.a.O., Fn. 46, § 22 Rn. 37.<br />

94<br />

Vgl Fn. 93.<br />

95<br />

Jarass, a.a.O., Fn. 46, § 23 Rn. 29.<br />

96<br />

Jarass, a.a.O., Fn. 46, § 22 Rn. 43 m.w.N.<br />

32


dere Schallschutzmauern, scheiden aufgrund der an den Georg-Freundorfer-Platz angren-<br />

zenden bis zu 6-geschossigen Wohnbebauung aus. 97 Auch ausreichende Schutzabstände<br />

der Skatefläche zur Wohnbebauung sind vorliegend nicht möglich. Auch eine weitere Ein-<br />

schränkung der Nutzungszeit verspricht vorliegend keine Beschränkung auf das gebotene<br />

Mindestmaß. Die durchgeführten Lärmmessungen haben ergeben, dass auch eine weitere<br />

zeitliche Einschränkung der Skatenutzung auf dem Georg-Freundorfer-Platz keine Reduzie-<br />

rung der belästigenden Geräuschimmissionen auf ein Mindestmaß zur Folge hätte, da diese<br />

hauptsächlich von Sprungübungen ausgehen, auf die eine weitere zeitliche Nutzungsbe-<br />

schränkung keine Auswirkung hätte.<br />

Die nach dem Stand der Technik unvermeidbaren Lärmimmissionen auf dem Georg-<br />

Freundorfer-Platz i. S. d. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG können demnach auch nicht<br />

i. S. d. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG auf ein Mindestmaß beschränkt werden.<br />

Im Ergebnis liegt damit ein Verstoß gegen die Schutz- bzw. Gefahrenabwehrpflicht nach<br />

§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG vor.<br />

4. Verstoß gegen § 23 Abs. 1 BImSchG i. V. m. der 18. BImSchV<br />

Darüber hinaus liegt ein Verstoß gegen § 23 Abs. 1 BImSchG i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 4 der<br />

18. BImSchV entsprechend vor.<br />

Rechtsgrundlage für die 18. BImSchV ist § 23 Abs. 1 BImSchG. 98 Folglich handelt es sich um<br />

eine Rechtsverordnung i. S. v. § 24 Satz 1 Alt. 2 BImSchG. Dahinstehen kann, ob es sich bei<br />

der Skatefläche um eine Sportanlage i. S. v. § 1 Abs. 2 der 18. BImSchV handelt, da die Im-<br />

missionsrichtwerte aus der 18. BImSchV jedenfalls entsprechend für die immissionsschutz-<br />

rechtliche Beurteilung von Freizeiteinrichtungen herangezogen werden. 99 Die auf dem Ge-<br />

org-Freundorfer-Platz festgestellte Lärmbelästigung mit Wirkpegeln von durchschnittlich<br />

64 dB(A) und Pegelspitzen über 80 dB(A), überschreitet den Immissionsrichtwert in § 2<br />

Abs. 2 Nr. 4 der 18. BImSchV um bis zu 14 dB(A) und damit erheblich das Maß dessen, was<br />

in einem reinen Wohngebiet noch vertretbar erscheint. 100 Damit verstößt die Skatenutzung<br />

auch gegen § 23 Abs. 1 BImSchG i. V. m § 2 Abs. 2 Nr. 4 der 18. BImSchV entsprechend. 101<br />

97 Vgl. Fn. 5, Seite 10.<br />

98 Jarass, a.a.O., Fn. 46, § 23 Rn. 26.<br />

99 St. Rspr.: BVerwG, Beschluss vom 11.02.2003 – 7 B 88/02 – NVwZ 2003, 751; BayVGH, Urteil vom 25. 11. 2002 – 1 B<br />

97.1352 – NVwZ-RR 2004, 20; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.04.2002 – 10 S 2443/00 – NVwZ-RR 2002, 643<br />

(645); Arndt, Anwendbarkeit der 18. BImSchV auf Spielplätze, Natur und Recht 2001, 445; Ketteler, Sportanlagenlärmverordnung,<br />

1998, 64 f.<br />

100 BayVGH, Urteil vom 26.02.1993 – 2 B 90.1684 – NVwZ-RR 1994, 246, wonach ein Bolzplatz im allgemeinen Wohngebiet<br />

schon unzulässig ist, wenn ein effektiver Schutz der Nachbarn vor erheblichem Lärm (Pegelspitzen bis 73 dB(A)) nicht gewährleistet<br />

ist.<br />

101 Vgl. oben Seite 19-21.<br />

33


5. Immissionsschutzrechtliche Einzelfallanordnung<br />

Zur Durchsetzung der immissionsschutzrechtlichen Grundpflicht aus § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2<br />

BImSchG 102 kann die LHS München gemäß § 24 Satz 1 Alt. 1 BImSchG Anordnungen für<br />

den Einzelfall erlassen und diese auch vollstrecken. 103<br />

Anordnungen können nach § 24 Satz 1 Alt. 2 BImSchG auch aufgrund des BImSchG erlas-<br />

sener Rechtsverordnungen festgelegt werden. 104 Die immissionsschutzrechtliche Einzelfall-<br />

anordnung nach § 24 Satz 1 Alt. 2 BImSchG dient somit auch der Durchsetzung der immis-<br />

sionsschutzrechtlichen Vorgaben aus § 23 Abs. 1 BImSchG i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 4 der 18.<br />

BImSchV entsprechend.<br />

Inhaltlich kann eine Anordnung nach § 24 Satz 1 BImSchG alle Anforderungen stellen, die<br />

geeignet und erforderlich sind, um die Einhaltung der genannten Vorschriften zu gewährleis-<br />

ten. Auch Betriebseinschränkungen – in Form des Verbots der Skatenutzung auf dem Ge-<br />

org-Freundorfer-Platz – können ihre Grundlage in § 24 Satz 1 BImSchG finden.<br />

Der Erlass der Anordnung steht im behördlichen Ermessen. Das Ermessen wird umso mehr<br />

eingeschränkt, je mehr die den Anwohner treffenden Immissionen sich der Grenze nähern,<br />

die zur Wohnunzumutbarkeit führen würden. 105 Diese Grenze ist vorliegend weit überschrit-<br />

ten. Auch im Bereich der immissionsschutzrechtlichen Einzelfallanordnung ist somit das Er-<br />

messen auf Null zu reduzieren. Die LHS München ist daher sogar dazu verpflichtet, die wei-<br />

tere Skatenutzung auf dem Georg-Freundorfer-Platz nach § 24 Satz 1 BImSchG zu verbie-<br />

ten.<br />

6. Kein Konkurrenzverhältnis<br />

Die Anordnung nach §§ 24 Satz 1 Alt. 1, 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG und §§ 24 Satz 1<br />

Alt. 2, 23 Abs. 1 BImSchG i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 4 der 18. BImSchV entsprechend ist neben<br />

der Anordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit nach §§ 2 Abs. 3 Nr. 4 Alt.<br />

2, 8 der Grünanlagenordnung zulässig.<br />

Gemäß § 22 Abs. 2 BImSchG bleiben weitere öffentlich-rechtliche Vorschriften unberührt.<br />

Regelungen, die auch dem Immissionsschutz dienen, sind somit möglich, wenn mit ihnen<br />

primär andere Zwecke als die in § 1 BImSchG verfolgt werden. 106 Wie bereits oben darge-<br />

legt, dient die Grünanlagensatzung der LHS München nicht primär dem Immissionsschutz<br />

i. S. d. § 1 BImSchG. Lediglich über § 2 Abs. 3 Nr. 4 Alt. 2 der Grünanlagensatzung kann<br />

102<br />

Jarass, a.a.O., Fn. 46, § 24 Rn. 6.<br />

103<br />

Jarass, a.a.O., Fn. 46, § 22 Rn. 67.<br />

104<br />

Jarass, a.a.O., Fn. 46, § 24 Rn. 7.<br />

105<br />

Jarass, a.a.O., Fn. 46, § 24 Rn. 17 m.w.N.<br />

106 Jarass, a.a.O., Fn. 46, Einl. Rn. 51.<br />

34


über den unbestimmten Rechtsbegriff der Belästigung auf die Beurteilung anhand von §§ 22<br />

ff. BImSchG zurückgegriffen werden.<br />

Trotzdem handelt es bei der Anordnung nach §§ 2 Abs. 3 Nr. 4 Alt. 2, 8 der Grünanlagensat-<br />

zung um eine ordnungsbehördliche Maßnahme zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Si-<br />

cherheit, auch wenn diese durch immissionsschutzrechtliche Vorgaben maßgeblich beein-<br />

flusst ist.<br />

Anordnungen auf Grund ordnungsbehördlicher Generalklauseln zur Aufrechterhaltung der<br />

öffentlichen Sicherheit werden durch § 24 BImSchG jedoch nicht ausgeschlossen. 107<br />

Ein Konkurrenzverhältnis liegt im Ergebnis damit nicht vor.<br />

7. Verhältnismäßigkeit und Ermessensausübung<br />

Es wird auf die obigen Ausführungen verwiesen, da sich hiervon keine Abweichungen erge-<br />

ben. Die immissionsschutzrechtliche Einzelfallanordnung wäre verhältnismäßig und könnte<br />

ermessensfehlerfrei angeordnet werden. 108<br />

8. Zwischenergebnis<br />

Das Verbot der weiteren Skatenutzung auf dem Georg-Freundorfer-Platz in Form der Aufhe-<br />

bung der Gestattung ist daher sowohl als Gefahrenabwehrmaßnahme nach §§ 2 Abs. 3 Nr. 4<br />

Alt. 2, 8 der Grünanlagensatzung, als auch als immissionsschutzrechtliche Einzelfallanord-<br />

nung nach §§ 24 Satz 1 Alt. 1, 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG und §§ 24 Satz 1 Alt. 2, 23<br />

Abs. 1 BImSchG i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 4 der 18. BImSchV entsprechend zulässig und mate-<br />

riell rechtmäßig.<br />

D. Rechtmäßigkeit des Verbots nach dem KJG<br />

Auch unter Zugrundelegung des Gesetzentwurfs der Bayerischen Staatsregierung über „An-<br />

forderungen an den Lärmschutz bei Kinder- und Jugendspieleinrichtungen (KJG)“ vom<br />

26.10.2010 ändert sich nichts an der unter Punkt A. dargestellten formellen und materiellen<br />

Rechtmäßigkeit des Verbots der LHS München.<br />

Art. 3 Abs. 1 KJG, welcher Jugendspieleinrichtungen lärmfachlich der direkten Anwendung<br />

der 18. BImSchV unterwirft, jedoch mit der Maßgabe, dass die besonderen Regelungen und<br />

Immissionsrichtwerte für Ruhezeiten keine Anwendung finden, ist für die Beurteilung des in<br />

Rede stehenden Falles entscheidungsunerheblich.<br />

107 Jarass, a.a.O., Fn. 46, § 24 Rn. 1 ff.<br />

108 Vgl. oben Seite 23-25.<br />

35


Der südliche Teil des Georg-Freundorfer-Platzes, welcher von Jugendlichen und jungen Er-<br />

wachsenen als Skateanlage genutzt wurde, und diese Nutzungsform durch die LHS Mün-<br />

chen auch gestattet wurde, unterfällt als Jugendspieleinrichtung Art. 3 KJG, wobei der Begriff<br />

der Jugendspieleinrichtung in der öffentlichen Diskussion als Synonym für die gesamte<br />

Bandbreite derjenigen Einrichtungen gebraucht wird, die die Bedürfnisse von Jugendlichen<br />

erfüllen.<br />

Der Begriff der Jugendspieleinrichtung war in der Vergangenheit kein feststehender Rechts-<br />

begriff. Insoweit schafft der bayerische Gesetzgeber diesen Begriff neu und versieht ihn mit<br />

einem speziellen Regelungsgehalt.<br />

Gemeint sind nach der Gesetzesbegründung (Seite 16) Einrichtungen, die üblicherweise nur<br />

von Jugendlichen genutzt werden, wie z. B. Basketballplätze, Streetballanlagen, Bolzplätze<br />

und Skateanlagen.<br />

Jugendspieleinrichtungen im Sinne des KJG sind solche Einrichtungen, deren Auswirkungen<br />

auf die Nachbarschaft überwiegend durch die Nutzer geprägt sind und die keine besondere<br />

Organisationsstruktur aufweisen.<br />

Immissionsschutzrechtlich sind Jugendspieleinrichtungen / Freizeiteinrichtungen – wie ge-<br />

zeigt – auch weiterhin nach §§ 22 ff. BImSchG zu beurteilen. 109 Der neue Gesetzesentwurf<br />

ändert – insbesondere vor dem Hintergrund des Art. 74 Nr. 24 GG – an diesem dargestellten<br />

Grundsatz nichts. Der Gesetzesentwurf baut vielmehr auf die gut eingeführten immissions-<br />

schutzrechtlichen Anforderungen der 18. BImSchV auf und überträgt sie vom Ansatz her<br />

nunmehr direkt auf Jugendspieleinrichtungen. Er normiert damit erstmals materiell-rechtliche<br />

Anforderungen, die bislang allein von der Rechtsprechung hergeleitet worden sind. Modifika-<br />

tionen sind nur bei den Ruhezeiten vorgenommen worden. Der Gesetzentwurf relativiert die<br />

bestehenden Ruhezeiten, indem er keine Mittagsruhe und keine Ruhezeit von 20:00 Uhr bis<br />

22:00 Uhr mehr vorsieht. Darüber hinaus sind die Vorschriften des KJG nunmehr zwingend,<br />

so dass unter der Geltung des KJG, Skateanlagen als Jugendspieleinrichtungen immer der<br />

direkten Anwendung der 18. BImSchV zu unterwerfen sind.<br />

Erhebliche und nicht mehr hinzunehmende Lärmbelästigungen sollen jedoch auch unter der<br />

Geltung des neuen KJG weiterhin bei einem Immissionsrichtwert von tagsüber – außerhalb<br />

der Ruhezeiten i. S. d. Art. 3 Abs. 1 KJG i. V. m. der 18. BImSchV – 60 dB(A) vorliegen.<br />

Ausweislich der Gesetzesbegründung soll sich hieran nichts ändern.<br />

109 Vgl. oben Seite 30 ff.<br />

36


An der rechtlichen Beurteilung des vorliegenden Falls ändert sich durch das neue KJG damit<br />

nichts, da die durch das Lärmgutachten festgestellten Immissionsrichtwerte am Messpunkt in<br />

der Sandtnerstraße 3 (1.OG) 63,8 dB(A) außerhalb der Ruhezeiten (16:30 Uhr bis 19:30<br />

Uhr) an Sonn- und Feiertagen bzw. 62,6 dB(A) außerhalb der Ruhezeiten (16:30 Uhr bis<br />

19:30 Uhr) an Werktagen betragen, und diese damit über der absoluten Zumutbarkeitsgren-<br />

ze von 60 dB(A) außerhalb der Ruhezeiten liegen.<br />

Ergebnis: Das Skateverbot der LHS München ist damit auch unter der Annahme, dass das<br />

KJG bereits geltendes Recht darstellt, materiell rechtmäßig.<br />

E. Rechtmäßigkeit des Verbots nach dem 10. ÄndG-BImSchG<br />

Der Entwurf eines „Zehnten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionschutzgesetzes –<br />

Erhöhung der Rechtssicherheit für Kindertageseinrichtungen und Kinderspielplätze“ des<br />

Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 17. Dezember 2010<br />

hat ebenfalls keine Auswirkungen auf den in Rede stehenden Fall. An der unter A. dargeleg-<br />

ten formellen und materiellen Rechtmäßigkeit des Verbots der LHS München ändert sich<br />

nichts, da die Skateanlage auf dem Georg-Freundorfer-Platz nicht unter den Begriff der Kin-<br />

dertageseinrichtung, Kinderspielplatz oder ähnliche Einrichtung i. S. d. neuen § 21 Abs. 1 a<br />

BImSchG subsumiert werden kann.<br />

Mit dem neuen § 22 Abs. 1 a BImSchG soll eine Regelung zur Erhöhung der Rechtssicher-<br />

heit für Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätze und ähnliche Einrichtungen eingefügt<br />

werden. Die Privilegierung im neuen § 21 Abs. 1 a BImSchG betrifft jedoch nur Geräusch-<br />

einwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätze und ähnliche Einrichtun-<br />

gen durch Kinder hervorgerufen werden.<br />

Unter Kindertageseinrichtungen sind Einrichtungen i. S. d. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zu<br />

verstehen, d. h. Einrichtungen, in denen sich Kinder für einen Teil des Tages oder ganztägig<br />

aufhalten und in Gruppen gefördert werden. Kind im vorgenannten Kontext ist gemäß § 7<br />

Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII nur, wer noch nicht 14 Jahre alt ist. Gleiches gilt im Hinblick auf Kin-<br />

derspielplätze und ähnliche Einrichtungen. Darunter sind kleinräumige Einrichtungen zu ver-<br />

stehen, die auf spielerische oder körperlich-spielerische Aktivitäten von Kindern zugeschnit-<br />

ten sind und die wegen ihrer sozialen Funktion regelmäßig wohngebietsnah gelegen sein<br />

müssen. Ballspielflächen für Kinder gehören hierzu und werden exemplarisch angeführt.<br />

Davon zu unterscheiden sind jedoch Spiel-, Bolz- und Skateplätze für Jugendliche, die groß-<br />

räumiger angelegt sind und nicht unbedingt wohngebietsnah gelegen sein müssen. Ausweis-<br />

lich der Gesetzesbegründung (Seite 7) soll für Spiel-, Bolz- und Skateplätze für Jugendliche<br />

37


die Privilegierung nicht gelten. Die Privilegierung soll auch nicht für Sportanlagen i. S. d. 18.<br />

BImSchV gelten.<br />

Mit Satz 1 des neuen § 22 Abs. 1 a BImSchG wird somit lediglich eine dahingehende Ausle-<br />

gungs- und Anwendungsdirektive gegeben, welche im Ergebnis eine aufenthaltsbezogene<br />

Privilegierung des Kinderlärms darstellt.<br />

Die Gesetzesinitiative hat demnach keine Auswirkungen auf den in Rede stehenden Fall.<br />

Unabhängig davon, dass der südliche Teil des Georg-Freundorfer-Platzes nicht als Skatean-<br />

lage konzipiert war, sondern zu Beginn lediglich faktisch derart genutzt wurde und die LHS<br />

München erst Ende des Jahre 2002 diese Art der Nutzung gestattet hat, stellt er keine Kin-<br />

dertageseinrichtungen, keinen Kinderspielplatz und auch keine ähnliche Einrichtungen<br />

i. S. d. neuen § 21 Abs. 1 a BImSchG dar.<br />

Wie bereits oben dargelegt, wurde der Bereich im Süden des Georg-Freundorfer-Platzes, als<br />

multifunktionelle, für Aktivitäten der Anwohner und als potentielle Fläche für ein Stadtteilcafé<br />

konzipiert.<br />

Auch wurde er nicht für die Nutzung durch Kinder unter 14 Jahren konzipiert und schon gar<br />

nicht in dieser Weise tatsächlich genutzt. Der südliche Teil des Georg-Freundorfer-Platzes<br />

wurde von Skateboardfahrern genutzt, die sich im Jugendalter oder bereits im jungen Er-<br />

wachsenenalter befanden.<br />

Der Georg-Freundorfer-Platz kann daher lediglich als Jugendspieleinrichtung qualifiziert<br />

werden, für die die neue Gesetzesinitiative ausdrücklich nicht gilt. Der neue § 22 Abs. 1 a<br />

BImSchG hat daher keine Auswirkung auf den in Rede stehenden Sachverhalt.<br />

Ergebnis: Das Skateverbot der LHS München bleibt auch unter Zugrundlegung des neuen<br />

§ 22 Abs. 1 a BImSchG materiell rechtmäßig.<br />

Claudius Franke, LL.M. Eric H. Glattfeld<br />

Rechtsanwalt Rechtsanwalt<br />

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