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Der »Klon - Zentrum für Literatur

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oman marek · Klon<br />

sich des Begriffs zu bedienen und in einer Art bottom-up Prozess an seiner Bedeutung zu arbeiten, entglitt<br />

der Wissenschaft die Kontrolle, denn Automatismen »verdanken sich nicht dem Willen eines planvoll<br />

handelnden subjekts […], sondern sind Bestandteil eines wirkmächtigen Arrangements von Dingen,<br />

Zeichen und subjekten.« 140 Wie sich gezeigt hat, repräsentiert die visuelle Ebene einen entscheidenden<br />

Bestandteil dieses wirkmächtigen Arrangements. Woher aber kommt diese Macht der Bilder?<br />

In den letzten Jahren gab es in der visuellen Kultur große Verschiebungen, die vor allem auf die <strong>für</strong> audiovisuelle<br />

Medien neuartige Zirkulation der Bilder zurückzuführen sind. 141 <strong>Der</strong> Bildwissenschaftler W.J.t.<br />

Mitchell war einer der ersten, der eine Entwicklung bemerkte und thematisierte:<br />

[T]here is something new in the emergence of public imagery in the period from 2001 to 2008. This is<br />

partly a matter of quantity. The development of new media, especially the combination of digital imaging<br />

and the spread of the Internet has meant that the number of images has increased exponentially<br />

along with the speed of their circulation. 142<br />

Wie Mitchell feststellt, erreichte die Quantität ausgetauschter und produzierter Bilder eine völlig neue<br />

Dimension. Dies ist auf mediale Entwicklungen zurückzuführen, die sowohl die Produktion wie auch<br />

den Austausch von Bildern enorm erleichterten und einen Austausch in Quantitäten ermöglichten, die<br />

bisher sprache und texten vorbehalten waren. Das bedeutet: Erstmals in der Menschheitsgeschichte sind<br />

visuelle Bilder nahezu ebenso leicht (re-)produzierbar, austauschbar, verhandelbar und mitteilbar wie<br />

sprachliche Bilder. Diese Entwicklung blieb nicht folgenlos:<br />

But it is also a matter of quality. Images have always possessed a certain infectious, viral character, a<br />

vitality that makes them difficult to contain or quarantine. If images are like viruses or bacteria, this<br />

has been a period of breakout, a global plague of images. And like any infectious disease, it has bred a<br />

host of antibodies in the form of counter images. Our time has witnessed, not simply more images, but<br />

a war of images […]. 143<br />

Laut Mitchell verstärken sich in der gesteigerten Zirkulation bestimmte Charakterzüge, die Bilder schon<br />

immer besaßen: sie sind ansteckend, schwierig zu beherrschen und zu kontrollieren, und sie scheinen<br />

sich zu verselbstständigen. Dies wurde im Vorangegangenen begrifflich als ›Klebrigkeit‹ gefasst: Die Bilder<br />

bleiben haften und werden vor dem geistigen Auge immer wieder abgerufen, selbst wenn sie vom tatsächlichen<br />

sachverhalt noch so weit entfernt sind. Damit aber ›kleben‹ die Bilder nicht nur in den Köpfen<br />

fest, sie tendieren dazu, sich zu verselbstständigen und bleiben dann irgendwann an den Begriffen selbst<br />

haften. Einmal mehr zeigt sich hier die Erweiterung des Bedeutungskontinuums eines Begriffs, bei der im<br />

Falle des Klons die Bilder eine entscheidende rolle spielen. so treffen sich auf einmal die Bilder wieder<br />

mit der sprache, denn was hier gesagt wurde, ist deckungsgleich mit den Beobachtungen, die zuvor über<br />

die begriffsgeschichtliche Entwicklung des <strong>»Klon</strong>s« gemacht wurden.<br />

Unwillkürlich denkt man dabei an Walter Benjamins Beobachtung hinsichtlich der grundsätzlichen reproduzierbarkeit<br />

menschlicher Produkte: »Das Kunstwerk ist grundsätzlich immer reproduzierbar gewesen.<br />

Was Menschen gemacht hatten, das konnte immer von Menschen nachgemacht werden« 144 . Aufgrund<br />

140 Ebd., s. 10.<br />

141 roman Marek: Understandung YouTube, Bielefeld 2013 (im Druck).<br />

142 W.J.t. Mitchell: Cloning Terror. The War of Images, 9/11 to the Present, Chicago 2011, s. 2.<br />

143 Ebd. Hervorhebungen im Original.<br />

144 Walter Benjamin: »Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen reproduzierbarkeit«, in: ders.: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit.<br />

Drei kunstsoziologische Studien, Frankfurt a. M. 2003 [1936], s. 7–44, hier s. 10.<br />

Forum Interdisziplinäre Begriffsgeschichte I (2012), Heft 2<br />

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