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Altersplanung Baselland Von der Prävention bis zur stationären - BAP

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<strong>Altersplanung</strong> <strong>Baselland</strong><br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>bis</strong> <strong>zur</strong><br />

<strong>stationären</strong> Betreuung<br />

Grundlagen und Empfehlungen<br />

Phase 1:<br />

Rahmenbedingungen und Handlungsfel<strong>der</strong><br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Steuergruppe <strong>der</strong> Trägerschaft als Diskussionsgrundlage für die Arbeitsgruppen<br />

verabschiedet am 12. Dezember 2007<br />

Beauftragter: Dr. Jürg Rohner, NonproCons, Basel<br />

Das Projekt wird unterstützt von:


Inhalt<br />

<strong>Altersplanung</strong> <strong>Baselland</strong> – <strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>bis</strong> <strong>zur</strong> <strong>stationären</strong> Betreuung 1<br />

Vorbemerkungen 1<br />

1. Allgemeine Rahmenbedingungen 2<br />

1.1. Der Bundesrat <strong>zur</strong> Alterspolitik 2<br />

1.2. Politischer Rahmen im Kanton <strong>Baselland</strong> 2<br />

1.3. Demografische Entwicklung: die demografische Alterung 3<br />

1.4. Weitere gesellschaftliche Trends: individueller leben 5<br />

1.5. Voraussagbarkeit <strong>der</strong> Zukunft 6<br />

1.6. Betreuung und Pflege im Alter als Markt 7<br />

2. Themenspezifische Rahmenbedingungen 8<br />

2.1. Wohnen im Alter 8<br />

2.2. Pflegebedürftigkeit und Pflegeformen 10<br />

2.3. Wer betreut und pflegt? 13<br />

2.4. <strong>Prävention</strong> 14<br />

2.5. Migrantinnen und Migranten 15<br />

3. Zusammenfassung 16<br />

4. Quellen 17<br />

Vorbemerkungen<br />

1. Es gibt zu den nachfolgend behandelten Themen bereits eine reiche Literatur. Um<br />

die Lesbarkeit zu erleichtern, wird darauf verzichtet, zu je<strong>der</strong> Aussage immer auch<br />

eine Quelle anzugeben. Die wichtigsten Grundlagen sind am Schluss erwähnt. Für<br />

sehr umfangreiche Literaturzusammenstellungen sei u. a. auf die Studie „Spitex –<br />

Umfeld-, Markt- und Konkurrenzanalyse“ des Büros für arbeits- und sozialpolitische<br />

Studien BASS AG vom Mai 2007 (einsehbar auf <strong>der</strong> Homepage des Spitex Verbandes<br />

Schweiz) und für etwas ältere Grundlagen auf den Band „Demographische<br />

Alterung und individuelles Altern“ von Höpflinger/Stuckelberger von 1999 hingewiesen,<br />

in dem Ergebnisse des Nationalen Forschungsprogramms Alter zusammengefasst<br />

wurden. Ebenfalls ausführlich ist die neuste Zusammenstellung im Bericht des<br />

Bundesrates vom August 2007.<br />

2. In an<strong>der</strong>en Kantonen wurden in den vergangenen Jahren ähnliche Projekte durchgeführt.<br />

Beson<strong>der</strong>s anregend für unsere Fragestellung erwies sich u. a. <strong>der</strong> Bericht<br />

„Alterspolitik im Kanton Bern“ vom Dezember 2004.


<strong>Altersplanung</strong> <strong>Baselland</strong> – <strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>bis</strong> <strong>zur</strong> <strong>stationären</strong> Betreuung 2<br />

1. Allgemeine Rahmenbedingungen<br />

1.1. Der Bundesrat <strong>zur</strong> Alterspolitik<br />

Den neusten Überblick über die aktuelle Situation älterer Menschen in <strong>der</strong> Schweiz,<br />

über Entwicklungstendenzen und über Handlungsoptionen bietet <strong>der</strong> Bericht des Bundesrates<br />

„Strategie für eine schweizerische Alterspolitik“ vom 29. August 2007, <strong>der</strong> auf<br />

ein Postulat im Nationalrat <strong>zur</strong>ückgeht. Im Bericht werden die fünf Themen Gesundheit<br />

und medizinische Versorgung, Wohnsituation und Mobilität, Arbeit und Übergang in<br />

den Ruhestand, wirtschaftliche Situation, Engagement und gesellschaftliche Partizipation<br />

dargestellt. Es wird eine gesamtheitliche Strategie gefor<strong>der</strong>t, die über den Aspekt<br />

<strong>der</strong> Altersvorsorge hinausgeht und die verschiedenen Bereiche aufeinan<strong>der</strong> abstimmt.<br />

Die Umsetzung geht allerdings weit über den Kompetenzbereich des Bundes hinaus.<br />

Eine Mitwirkung <strong>der</strong> Kantone und wie im Fall des Kantons <strong>Baselland</strong> auch <strong>der</strong> Gemeinden<br />

ist unerlässlich.<br />

Grundsätzlich kommt <strong>der</strong> Bericht zum Schluss, die Situation <strong>der</strong> älteren Menschen<br />

könne in allen fünf Bereichen als gut bezeichnet werden. Als wichtiges Thema <strong>der</strong> Alterspolitik<br />

wird aber ausdrücklich die Betreuung pflegebedürftiger älterer Personen genannt.<br />

Für die Alterspolitik werden zwei Stossrichtungen definiert: För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Autonomie,<br />

<strong>der</strong> Selbstbestimmung und <strong>der</strong> Selbstversorgung älterer Menschen einerseits, <strong>der</strong> Partizipation<br />

und des Engagements an<strong>der</strong>seits. Die bedürfnisorientierte Ausrichtung <strong>der</strong><br />

Alterspolitik soll den älteren Menschen einen ihren Wünschen entsprechenden letzten<br />

Lebensabschnitt gewährleisten. Es liegt auf <strong>der</strong> Hand, dass diese Stossrichtungen sehr<br />

direkte Auswirkungen auf die zukünftige Gestaltung von Betreuung und Pflege im Alter<br />

haben werden, wenn sie wirklich ernst genommen werden.<br />

1.2. Politischer Rahmen im Kanton <strong>Baselland</strong><br />

Die Betreuung und Pflege älterer Menschen ist im Kanton <strong>Baselland</strong> 2005 durch das<br />

Gesetz über die Betreuung und Pflege im Alter (GeBPA) und das Gesundheitsgesetz<br />

sowie ab 1.1.2008 durch das NFA-Gesetz geregelt (siehe Zusammenstellung im Anhang).<br />

Die Hauptverantwortung fällt den Gemeinden zu, denn sie sind für die Konzepte<br />

und für die konkrete „ausreichende ambulante und stationäre Betreuungs- und Pflegestruktur“<br />

(inkl. Qualitätskontrolle) zuständig. Sie können dabei mit an<strong>der</strong>en Gemeinden<br />

zusammenarbeiten und auch Aufgaben an private gemeinnützige Institutionen übertragen.<br />

Dem Kanton kommt primär eine beratende und koordinierende Rolle zu. Im Speziellen<br />

sorgt <strong>der</strong> Kanton für eine altersspezifische Behandlung in seinen Spitälern, für einen<br />

psychogeriatrischen Konsiliardienst, für die nötigen demografischen und fachlichen<br />

Grundlagen und für die gesundheitspolizeiliche Aufsicht über die <strong>stationären</strong> Altersund<br />

Pflegeeinrichtungen. Er leistet Investitionsbeiträge für solche Einrichtungen und<br />

Beiträge an die Durchführung von Kursen gemeinnütziger Organisationen in <strong>der</strong><br />

Grundpflege. Wie weit sich <strong>der</strong> Kanton in <strong>der</strong> Koordination engagieren soll, ist Gegenstand<br />

politischer Diskussionen. Eine im April 2007 vom Landrat überwiesene Motion<br />

verlangt die Prüfung <strong>der</strong> Schaffung einer Koordinationsstelle u. a. <strong>zur</strong> Verhin<strong>der</strong>ung<br />

von Fehlinvestitionen in den Gemeinden.<br />

Die Pflegefinanzierung ist gegenwärtig auf eidgenössischer Ebene (Revision KVG) und<br />

auf kantonaler Ebene (Umsetzung NFA) im Umbruch.


<strong>Altersplanung</strong> <strong>Baselland</strong> – <strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>bis</strong> <strong>zur</strong> <strong>stationären</strong> Betreuung 3<br />

In Ausführung des gesetzlichen Auftrages sind zahlreiche Gemeinden mit <strong>der</strong> Erarbeitung<br />

von Altersleitbil<strong>der</strong>n beschäftigt. Viele stecken auch mitten in Ausbauvorhaben <strong>zur</strong><br />

Erweiterung bestehen<strong>der</strong> Einrichtungen, insbeson<strong>der</strong>e für die stationäre Langzeitpflege.<br />

1.3. Demografische Entwicklung: die demografische Alterung<br />

Die demografische Entwicklung <strong>der</strong> letzten Jahrzehnte hat zu grundlegenden Verän<strong>der</strong>ungen<br />

im Bevölkerungsaufbau <strong>der</strong> Schweiz geführt, die sich in den nächsten Jahren<br />

und Jahrzehnten noch fortsetzen werden. Wichtige Stichworte <strong>zur</strong> so genannten demografischen<br />

Alterung sind: Lebenserwartung, Geburtenzahlen und Generationenverhältnis.<br />

Die Lebenserwartung hat im 20. Jahrhun<strong>der</strong>t kontinuierlich zugenommen. In <strong>der</strong> zweiten<br />

Jahrhun<strong>der</strong>thälfte hat sie für Männer von 66,1 Jahren (1950) auf 78,3 Jahre (2005)<br />

und für Frauen von 70,6 Jahren (1950) auf 83,8 Jahre (2005) zugenommen. Der Abstand<br />

zwischen den Geschlechtern hat 1991 den höchsten Wert erreicht und hat seither<br />

wie<strong>der</strong> leicht abgenommen, indem sich die Lebenserwartung <strong>der</strong> Männer etwas<br />

mehr an diejenige <strong>der</strong> Frauen angeglichen hat. Im Kanton <strong>Baselland</strong> liegt die Lebenserwartung<br />

<strong>der</strong> Frauen leicht und diejenige <strong>der</strong> Männer mit mehr als einem Jahr<br />

deutlich über dem nationalen Durchschnitt.<br />

Die zukünftige Entwicklung hängt von verschiedenen Faktoren ab, die eine lebensverlängernde<br />

Wirkung (z. B. verstärkte <strong>Prävention</strong>, neue Medikamente) o<strong>der</strong> auch einen<br />

lebensverkürzenden Effekt (z. B. Folgen von Übergewichtigkeit, beruflichem Stress<br />

usw.) haben können. Für die Frage, wie sich diese Faktoren „unter dem Strich“ auswirken<br />

werden, spielt nach amerikanischen Untersuchungen das Übergewicht eine wichtige<br />

Rolle. Eine Studie kam dort zum Schluss, dass Mitte des Jahrhun<strong>der</strong>ts die Lebenserwartung<br />

erstmals wie<strong>der</strong> abnehmen werde, sofern nicht rechtzeitig Gegensteuer gegeben<br />

werde. Das Bundesamt für Statistik geht aufgrund von Modellrechnungen für<br />

das Jahr 2020 von 81,5 Jahren für Männer und 86,1 Jahren für Frauen und für das<br />

Jahr 2030 von 82,9 Jahren für Männer und 87,3 Jahren für Frauen aus.<br />

Durch die zunehmende Lebenserwartung hat sich <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> älteren Menschen an<br />

<strong>der</strong> Gesamtbevölkerung deutlich erhöht. Verstärkt wird dieser Effekt durch den Rückgang<br />

<strong>der</strong> Geburtenzahlen, <strong>der</strong> in den kommenden Jahrzehnten zu sehr deutlichen Verschiebungen<br />

führen wird. Man spricht von einer „doppelten demografischen Alterung“.<br />

Der Anteil <strong>der</strong> Gruppe „65-jährig und älter“ betrug 2005 gesamtschweizerisch 16,0%.<br />

Gestützt auf ein mittleres Szenario rechnet das Bundesamt für Statistik mit einer Zunahme<br />

auf 24,4% <strong>bis</strong> ins Jahr 2030. Dabei gibt es zwischen den Kantonen recht markante<br />

Unterschiede. Diese Umschichtung in <strong>der</strong> Alterspyramide wird nicht nur volkswirtschaftliche<br />

Auswirkungen (z. B. Arbeitskräfteangebot) und sozialpolitische Folgen<br />

(z. B. Rentenfinanzierung) haben, son<strong>der</strong>n sich auch auf die Betreuung und Pflege im<br />

Alter direkt auswirken.<br />

Die entsprechenden Werte für den Kanton <strong>Baselland</strong> betragen für 2005 17,4% und<br />

für 2030 27,2%. Für die Teilgruppe <strong>der</strong> 65-79jährigen liegt <strong>der</strong> Wert etwa im schweizerischen<br />

Mittel, für die Teilgruppe „80jährig und älter“ liegt <strong>der</strong> Wert deutlich über dem<br />

schweizerischen Mittel. Die Verän<strong>der</strong>ung ist beachtlich und deutlich grösser als etwa<br />

im Kanton Basel-Stadt (2005: 20,7%, 2030: 24,2%). Innerhalb des Kantons gibt es<br />

nach Regionen und Gemeinden recht deutliche Unterschiede (siehe Statistisches Amt<br />

2005). Sollte es zu einer verstärkten Rückwan<strong>der</strong>ung älterer Menschen aus den angrenzenden<br />

Teilen <strong>der</strong> Kantone Aargau und Solothurn (mit ebenfalls hohen Zunahmeraten)<br />

in Richtung Agglomeration Basel kommen, so werden die Werte für die stadtnahen<br />

Gemeinden in <strong>Baselland</strong> noch höher ausfallen als <strong>bis</strong>her vorausgesagt.


<strong>Altersplanung</strong> <strong>Baselland</strong> – <strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>bis</strong> <strong>zur</strong> <strong>stationären</strong> Betreuung 4<br />

Die beschriebenen Verschiebungen im Altersaufbau <strong>der</strong> schweizerischen Bevölkerung<br />

führen dazu, dass auch deutliche Verän<strong>der</strong>ungen im Generationenverhältnis festzustellen<br />

sind: Aus <strong>der</strong> Dreigenerationengesellschaft wird eine Viergenerationengesellschaft.<br />

Es ist nicht mehr zulässig, die Gruppe „65-jährig und älter“, also die Rentenbezügerinnen<br />

und –bezüger, als Einheit zu betrachten. Höpflinger (2007) teilt nicht nach Altersjahren,<br />

son<strong>der</strong>n nach Stufen <strong>der</strong> noch vorhandenen Autonomie ein. Er unterscheidet<br />

nach <strong>der</strong> Phase „Letzte Berufsphase und nahende Pensionierung“ drei Phasen: „Gesundes<br />

Rentenalter“ (hohe soziale und persönliche Autonomie, wenig gesundheitliche<br />

Probleme, ev. noch Berufstätigkeit), „fragiles Rentenalter“ (Anpassung <strong>der</strong> Tätigkeiten<br />

an funktionale Einschränkungen, externe Hilfe für Tätigkeiten des Alltags) und „Alter<br />

mit Pflegebedürftigkeit“ (selbstständiges Leben kaum mehr möglich). Folgerichtig unterscheiden<br />

die neuen Leitlinien für eine umfassende Alterspolitik des Kantons Basel-<br />

Stadt zwischen einer Seniorenpolitik (für die beiden ersten Gruppen nach Höpflinger)<br />

und einer Alterspflegepolitik (für die beiden an<strong>der</strong>en Gruppen).<br />

Die verschiedenen Phasen des Alters können im Einzelfall ganz unterschiedlich lang<br />

sein o<strong>der</strong> auch gänzlich wegfallen. Für die familiäre Betreuung und Pflege im Alter ist<br />

je länger je mehr nicht mehr in erster Linie die aktiv berufstätige Generation, son<strong>der</strong>n<br />

die Generation <strong>der</strong> „jungen Grosseltern“ angesprochen, die damit Verpflichtungen in<br />

zwei Richtungen erhält.<br />

Der Kanton <strong>Baselland</strong> erstellt im 5-Jahresrhythmus eine Altersprojektion. Die letzte<br />

von 2005 zeigt zum einen, dass sich die Zahl <strong>der</strong> Hochbetagten (80 und mehr Jahre)<br />

von 10’300 im Jahre 2003 auf 18’300 im Jahre 2020 sehr stark erhöhen wird. Diese<br />

Entwicklung wird sich <strong>bis</strong> etwa <strong>zur</strong> Jahrhun<strong>der</strong>tmitte fortsetzen, worauf <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong><br />

Hochbetagten wie<strong>der</strong> abnehmen wird. Zum an<strong>der</strong>en wird deutlich, dass innerhalb des<br />

Kantons als Folge <strong>der</strong> unterschiedlichen Bevölkerungsentwicklung in <strong>der</strong> zweiten Hälfte<br />

des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts grosse Unterschiede im Altersaufbau <strong>der</strong> Bevölkerung bestehen.<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen und Handlungsfel<strong>der</strong>:<br />

• <strong>Altersplanung</strong> hat sich heute und in Zukunft noch vermehrt mit verschiedenen Zielgruppen<br />

auseinan<strong>der</strong>zusetzen, Auf <strong>der</strong> einen Seite stehen „junge Alte“, die sich<br />

zum Teil selber überhaupt noch nicht als „alt“ betrachten, auch wenn sie Rente beziehen<br />

und nicht mehr aktiv im Erwerbsleben stehen. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite steht<br />

die Gruppe <strong>der</strong> Hochaltrigen, die deutlich zunehmen wird und als Folge <strong>der</strong> stark<br />

erhöhten Pflegebedürftigkeit ganz an<strong>der</strong>e Bedürfnisse hat. Und dazwischen steht<br />

die Gruppe im „fragilen Rentenalter“, die Merkmale <strong>der</strong> beiden an<strong>der</strong>en Gruppen<br />

aufweist.<br />

• Wenn sich <strong>Altersplanung</strong> mit <strong>der</strong> Gesundheit <strong>der</strong> „jungen Alten“ und mit <strong>Prävention</strong><br />

im Hinblick auf das höhere Alter beschäftigt, leistet sie einen direkten Beitrag an die<br />

Bewältigung von Betreuung und Pflege älterer Menschen zehn <strong>bis</strong> zwanzig Jahre<br />

später.<br />

• Die jungen Grosseltern leisten schon heute einen grossen Beitrag an die Betreuung<br />

ihrer Enkel. In Zukunft werden sie noch vermehrt mit Betreuung und Pflege ihrer<br />

eigenen Eltern konfrontiert werden. Dies kann zu Konflikten führen mit den Erwartungen<br />

dieser Generation, die sich auf den aktiven Genuss dieser Jahre ohne<br />

berufliche Zwänge gefreut hat. Dieser Altersgruppe müssen deshalb Lösungen angeboten<br />

werden, wie sie die verschiedenen Bedürfnisse miteinan<strong>der</strong> vereinbaren<br />

kann. Nicht zuletzt braucht sie auch Wissensvermittlung in Fragen <strong>der</strong> Betreuung<br />

und Pflege (gilt vor allem auch für Männer!).


<strong>Altersplanung</strong> <strong>Baselland</strong> – <strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>bis</strong> <strong>zur</strong> <strong>stationären</strong> Betreuung 5<br />

• Die Unterschiede in <strong>der</strong> altersmässigen Zusammensetzung <strong>der</strong> Bevölkerung im<br />

Kanton machen es nötig, <strong>der</strong> <strong>Altersplanung</strong> regional unterschiedliche Annahmen<br />

zugrunde zu legen.<br />

1.4. Weitere gesellschaftliche Trends: individueller leben<br />

Zu den demografischen Verän<strong>der</strong>ungen kommen weitere Trends in <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

hinzu, welche wesentliche Auswirkungen auf den Bereich Betreuung und Pflege im<br />

Alter haben. Dazu gehören u. a. Stichworte wie Lockerung des familiären Zusammenhalts,<br />

individuellere Lebensweise und verstärkter Wunsch nach Selbstbestimmung.<br />

Die Familie ist heute nicht mehr überall <strong>der</strong> festgefügte Rahmen <strong>zur</strong> Gestaltung des<br />

Lebens. Hohe Scheidungsraten, (häufig informelle) Neuformierung von Lebensgemeinschaften,<br />

räumliche Trennung zwischen Teilen <strong>der</strong> Familie usw. führen dazu, dass<br />

das traditionelle Bild des Mehrgenerationenhaushalts als selbstverständliche Gemeinschaft<br />

für „gute und schlechte Tage“ schon seit längerem nicht mehr zutreffend ist.<br />

Zwar spielen auch heute noch die gegenseitige Hilfeleistungen materieller und immaterieller<br />

Art eine grosse Rolle (wobei die individuellen Transfers heute von den „Alten“ zu<br />

den „Jungen“ im Gegensatz zu früher stärker ausgeprägt sind als umgekehrt), doch<br />

wird heute sehr viel Wert auf eine autonome Lebensgestaltung gelegt. Häufig sind es<br />

gerade die älteren Menschen, die ihren Kin<strong>der</strong>n auf keinen Fall <strong>zur</strong> Last werden wollen<br />

und deshalb an<strong>der</strong>e Formen <strong>der</strong> Unterstützung suchen. „Intimität auf Distanz“ (= gute<br />

Beziehungen, gerade weil jede Generation für sich wohnt), nennt Höpflinger dieses<br />

Phänomen (Höpflinger 2004, 115). Nur noch 5% <strong>der</strong> Gruppe „65-jährig und älter und<br />

zu Hause lebend“ lebt in einem Haushalt mit drei und mehr Personen (1970 waren es<br />

noch 28%!).<br />

Beson<strong>der</strong>s in urban geprägten Gebieten ist <strong>der</strong> Trend zu einer auf individuelle Bedürfnisse<br />

ausgerichteten Lebensweise deutlich. Die Bereitschaft, dauerhafte Bindungen<br />

einzugehen o<strong>der</strong> sich Traditionen zu unterwerfen, nimmt ab. Dies äussert sich etwa<br />

darin, dass viele statt sich in einem Verein zu binden lieber punktuelle Angebote in<br />

Anspruch nehmen, bei denen mehr Anonymität herrscht und die man je<strong>der</strong>zeit wie<strong>der</strong><br />

beenden kann (z. B. Fitness-Center statt Turnverein). Parallel dazu ist eine verstärkter<br />

Wunsch nach Selbstbestimmung festzustellen, auch wenn dies manchmal den <strong>bis</strong>her<br />

geltenden gesellschaftlichen Normen wi<strong>der</strong>spricht: Wer kin<strong>der</strong>los bleiben will, bleibt<br />

eher kin<strong>der</strong>los; wer homosexuell ist, will sich lieber nicht mehr verstecken; wer selbst<br />

im hohen Alter eine neue Bindung eingehen will, macht dies eher als früher, ohne auf<br />

das Getuschel <strong>der</strong> Nachbarn o<strong>der</strong> die Bedenken <strong>der</strong> eigenen Kin<strong>der</strong> zu achten; wer ein<br />

Leben lang mobil war, will diese Mobilität solange wie irgendwie möglich weiterhin geniessen<br />

und auch im hohen Alter noch reisen; usw., usw.<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen und Handlungsfel<strong>der</strong>:<br />

• <strong>Altersplanung</strong> hat <strong>der</strong> Tatsache Rechnung zu tragen, dass sich die Bedürfnisse<br />

älterer Menschen immer weniger in einfache Kategorien einordnen lassen. Entsprechend<br />

müssen die Angebote möglichst flexibel gestaltet werden.<br />

• Ältere Menschen wollen sich (auch von Fachleuten) nicht mehr vorschreiben lassen,<br />

was für sie richtig ist. Sie wollen ihre eigenen Vorstellungen (z. B. vom Wohnen<br />

im Alter) realisieren. Falls sich diese als unrealistisch erweisen, müssen die<br />

Betroffenen von an<strong>der</strong>en Lösungen überzeugt und können nicht dazu gezwungen<br />

werden. Für die Leistungserbringer im Bereich Betreuung und Pflege im Alter bedeutet<br />

dies, neben <strong>der</strong> Beachtung fachlicher und ethischer Aspekte vermehrt auch<br />

kundenorientiert zu denken und zu handeln. Das heisst nicht zuletzt, bei <strong>der</strong> Alters-


<strong>Altersplanung</strong> <strong>Baselland</strong> – <strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>bis</strong> <strong>zur</strong> <strong>stationären</strong> Betreuung 6<br />

planung die direkt Betroffenen (die heutigen und die zukünftigen) direkt zu beteiligen.<br />

• Diese Kundenorientierung bedeutet auch, dass die Angebote <strong>der</strong> Leistungserbringer<br />

in <strong>der</strong> ambulanten und in <strong>der</strong> <strong>stationären</strong> Betreuung und Pflege so gestaltet<br />

werden, dass sie <strong>der</strong> gewünschten Selbstverwirklichung genügend Raum geben (z.<br />

B. Doppelzimmer in einem Pflegeheim für alte und „neue“ Paare) und vermehrt<br />

auch „nach Mass“ bezogen werden können.<br />

1.5. Voraussagbarkeit <strong>der</strong> Zukunft<br />

Dank einer gut ausgebauten Statistik und zahlreichen Untersuchungen, u. a. im Rahmen<br />

des Nationalen Forschungsprogramms Alter, weiss man heute relativ viel über die<br />

Probleme und die Bedürfnisse <strong>der</strong> heutigen älteren Menschen. Versucht man aber,<br />

gestützt darauf eine Projektion in die Zukunft vorzunehmen, stösst man schnell an<br />

Grenzen. Zwar ist es zum Beispiel einfach festzustellen, wie viele Personen über 85<br />

Jahre im Jahre 2010 o<strong>der</strong> 2015 in einer bestimmten Gemeinde wohnen werden – aber<br />

auch das nur bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen. Unbekannt ist etwa, in welchem<br />

Ausmass es zu Rückwan<strong>der</strong>ungen älterer Menschen aus dem ländlich geprägten<br />

Umfeld mit eigenem Haus in altersgerechtere Wohnungen im stadtnahen Gebiet<br />

kommen wird. Sollte dies in erheblichem Ausmass eintreten, hätte dies längerfristig für<br />

die Quellgemeinden entlastende, für die Zielgemeinden in <strong>der</strong> Agglomeration belastende<br />

Auswirkungen.<br />

Wesentlich schwieriger wird es, Verän<strong>der</strong>ungen in den medizinischen, gesellschaftlichen<br />

o<strong>der</strong> wirtschaftlichen Rahmenbedingungen vorauszusagen. Gelänge es zum Beispiel,<br />

medizinische Fortschritte bei <strong>der</strong> <strong>Prävention</strong> und Behandlung von Demenzerkrankungen<br />

zu erzielen, könnte das erhebliche Auswirkungen quantitativer Art (z. B.<br />

Anzahl Betroffene o<strong>der</strong> Behandlungsdauer) o<strong>der</strong> qualitativer Art (verän<strong>der</strong>te Krankheitsbil<strong>der</strong>,<br />

resp. neue Anfor<strong>der</strong>ungen an die Pflege) haben. O<strong>der</strong>: Die wirtschaftlichen<br />

Rahmenbedingungen können sich in verschiedenster Weise auf die Belange von<br />

Betreuung und Pflege im Alter auswirken. Eine wirtschaftliche Krise mit hoher Arbeitslosigkeit<br />

könnte dazu führen, dass vermehrt wie<strong>der</strong> Betreuung im familiären Rahmen<br />

geleistet wird. Gleichzeitig würde aber auch wie<strong>der</strong> mehr Personal <strong>zur</strong> Verfügung stehen.<br />

Im umgekehrten Fall einer ausgeprägten Hochkonjunktur wird das Fachpersonal<br />

noch knapper, da gute Berufsleute von allen Seiten umworben werden. Gleichzeitig<br />

werden die Betreuenden in <strong>der</strong> familiären Umgebung ebenfalls knapp, weil die Beschäftigtenquote<br />

steigt und unter Umständen auch die über 65-Jährigen wie<strong>der</strong> stärker<br />

in den Arbeitsprozess einbezogen werden, weil die Arbeitgeber bei Personalmangel<br />

ihnen interessante Arbeitszeitmodelle anbieten werden (o<strong>der</strong> weil eine allfällige Erhöhung<br />

des Rentenalters die Arbeitnehmer dazu zwingt). Ähnliche Unsicherheiten bestehen<br />

bei Voraussagen über die zukünftige Entwicklung <strong>der</strong> Pflegebedürftigkeit älterer<br />

Menschen (siehe unten). Schon relativ kleine Verän<strong>der</strong>ungen bei den Annahmen in<br />

quantitativer Hinsicht (z. B. durchschnittliche Anzahl <strong>der</strong> Jahre mit Pflegebedürftigkeit,<br />

höhere Lebenserwartung von Menschen mit chronischen Krankheiten o<strong>der</strong> mit Behin<strong>der</strong>ungen)<br />

o<strong>der</strong> in qualitativer Hinsicht (neue Krankheitsbil<strong>der</strong> einerseits o<strong>der</strong> Erfolge<br />

<strong>der</strong> <strong>Prävention</strong> an<strong>der</strong>seits) können die Rahmenbedingungen für die <strong>Altersplanung</strong> erheblich<br />

verän<strong>der</strong>n.<br />

Noch schwieriger dürfte die Voraussage sein, wenn es um die Entwicklung <strong>der</strong> individuellen<br />

Vorstellungen <strong>der</strong> älteren Menschen geht. Wird sich die Individualisierung fortsetzen<br />

(was ziemlich wahrscheinlich erscheint) o<strong>der</strong> werden kollektive Lebensformen,<br />

sei es in <strong>der</strong> traditionellen Form <strong>der</strong> Mehrgenerationen-Familie o<strong>der</strong> in neuen Formen<br />

von Alterswohngemeinschaften, stärkeres Gewicht erhalten?


<strong>Altersplanung</strong> <strong>Baselland</strong> – <strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>bis</strong> <strong>zur</strong> <strong>stationären</strong> Betreuung 7<br />

Auch die Altersforschung ist zum Schluss gekommen, dass einerseits schon heute die<br />

Unterschiede zwischen älteren Menschen in allen Bereichen enorm gross sind und<br />

dass an<strong>der</strong>seits Beobachtungen über heutige ältere Menschen wenig aussagen über<br />

das zukünftige Altern und seine Gestaltung. O<strong>der</strong> mit den Worten im Bericht des Bundesrates:<br />

„Zudem ist zu erwarten, dass sich die Erwartungen <strong>der</strong> heute jungen Generation<br />

an ihre Altersphase von denen <strong>der</strong> heute alten Menschen unterscheiden. Für die<br />

Alterspolitik bedeutet dies, dass sie den bestehenden unterschiedlichen Lebens- und<br />

Bedürfnislagen, den unterschiedlichen Wünschen und den diesbezüglich zu erwartenden<br />

Verän<strong>der</strong>ungen Rechnung tragen muss.“<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen und Handlungsfel<strong>der</strong>:<br />

• <strong>Altersplanung</strong> im Bereich Betreuung und Pflege muss sich grundsätzlich damit abfinden,<br />

dass die Zukunft mit ihren Rahmenbedingungen, ihren Möglichkeiten und<br />

ihren Ansprüchen nur ungenau vorausgesagt werden kann. Für alle entscheidenden<br />

Kriterien gibt es eine je nach Thema mehr o<strong>der</strong> weniger grosse Bandbreite <strong>der</strong><br />

möglichen Zukunft. Eine ständige Beobachtung <strong>der</strong> laufenden Entwicklungen und<br />

<strong>der</strong> sich abzeichnenden Trends ist deshalb unerlässlich.<br />

• Für die <strong>Altersplanung</strong> bedeutet das eine Schwerpunktverlagerung von <strong>der</strong> Planung<br />

auf einen bestimmten Zeitpunkt hin mit fixen angenommenen Werten (z. B. Zahl<br />

<strong>der</strong> benötigten <strong>stationären</strong> Pflegeplätze) auf eine rollende Planung, die möglichst<br />

flexibel auf sich verän<strong>der</strong>nde Verhältnisse eingehen kann.<br />

• Mit an<strong>der</strong>en Worten: Es geht bei <strong>der</strong> <strong>Altersplanung</strong> weniger als <strong>bis</strong>her darum herauszufinden,<br />

was genau sein wird, son<strong>der</strong>n darum sich zu überlegen, wie mit den<br />

Unsicherheiten und den Bandbreiten <strong>der</strong> möglichen zukünftigen Entwicklung umgegangen<br />

wird.<br />

1.6. Betreuung und Pflege im Alter als Markt<br />

Lange Zeit gab es bei <strong>der</strong> Betreuung und Pflege älterer Menschen abgesehen von den<br />

Ärztinnen und Ärzten zwei Hauptgruppen von Akteuren: einerseits Privatpersonen, die<br />

meist Angehörige „um Gottes Lohn“ o<strong>der</strong> gegen ein bescheidenes Entgelt betreuten,<br />

an<strong>der</strong>seits gemeinnützige Institutionen wie Heime und Spitex, die sich zwar mit Berufsleuten,<br />

aber letztlich nicht gewinnorientiert dieser Aufgabe widmeten. Seit einigen Jahren<br />

kommt, wenn auch mengenmässig noch keineswegs gleichbedeutend, eine dritte<br />

Akteursgruppe hinzu: privatwirtschaftlich orientierte Firmen und Institutionen. Diese<br />

reichen von <strong>der</strong> Einperson-Firma <strong>der</strong> privaten Spitexpflege <strong>bis</strong> <strong>zur</strong> Holding mit mehreren<br />

Altersresidenzen. Geför<strong>der</strong>t wird diese Entwicklung einerseits durch die beschriebene<br />

Zunahme einer individuelleren, stärker selbst bestimmten Lebensführung, an<strong>der</strong>seits<br />

durch die Tatsache, dass sich ein recht grosser Teil <strong>der</strong> älteren Menschen heute<br />

in <strong>der</strong> Schweiz in einer wirtschaftlich ziemlich komfortablen Situation befindet, die<br />

überhaupt erst ein „Einkaufen“ von Leistungen auf dem freien, von <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Hand nicht subventionierten Markt ermöglicht. Eine ähnliche Entwicklung ist im Behin<strong>der</strong>tenbereich<br />

festzustellen, wo auch die öffentliche Hand daran ist, immer mehr von<br />

<strong>der</strong> so genannten Objektfinanzierung (Institutionen, Bauprojekte usw.) <strong>zur</strong> so genannten<br />

Subjektfinanzierung überzugehen, mit <strong>der</strong> behin<strong>der</strong>ten Personen eine individuellere<br />

Lebensführung ermöglicht werden soll.<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen und Handlungsfel<strong>der</strong>:<br />

• Grundsätzlich stellt sich die Frage, wie weit Kanton und Gemeinden den Markt im<br />

Bereich <strong>der</strong> Betreuung und Pflege im Alter spielen lassen o<strong>der</strong> sogar för<strong>der</strong>n wollen.<br />

Dabei spielen zum Beispiel Zulassungskriterien für Anbieter und Qualitätssicherungsmassnahmen<br />

<strong>zur</strong> Qualitätskontrolle eine Rolle. Ein funktionieren<strong>der</strong> Markt


<strong>Altersplanung</strong> <strong>Baselland</strong> – <strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>bis</strong> <strong>zur</strong> <strong>stationären</strong> Betreuung 8<br />

mit Wahlmöglichkeiten für die Kunden erfor<strong>der</strong>t ein gewisses Überangebot, was die<br />

Gefahr von Fehlinvestitionen in sich birgt. Hier stellt sich die Frage, wer dieses Risiko<br />

trägt. Wie <strong>der</strong> Markt reguliert wird, ist für alle Beteiligten wichtig, nicht zuletzt<br />

auch für die privaten Anbieter, welche wie auch Unternehmer in an<strong>der</strong>en Bereichen<br />

die „Spielregeln“ kennen wollen.<br />

• Gemeinnützige Leistungserbringer müssen sich überlegen, wie sich <strong>der</strong> Markt in<br />

ihrem Umfeld entwickeln könnte und wie sie sich gegenüber <strong>der</strong> zunehmenden<br />

Konkurrenz durch privatwirtschaftlich ausgerichtete Anbieter verhalten sollen. Sollen<br />

sie sich in Zukunft darauf beschränken, mit Leistungsaufträgen <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Hand eine „Grundversorgung“ anzubieten? O<strong>der</strong> sollen sie zusätzlich versuchen,<br />

sich aktiver als <strong>bis</strong>her in diesem Markt zu bewegen und für sich ein Stück dieses<br />

Marktsegments zu sichern, indem sie auch Leistungen gehobeneren Standards<br />

und individuelleren Charakters anbieten (z. B. Residenzzimmer/-wohnungen mit<br />

Pflege nach Mass und auf Wunsch)? Da die Leistungserbringer im Kanton <strong>Baselland</strong><br />

abgesehen von den Spitälern in <strong>der</strong> Regel eigene Rechtspersonen (Stiftungen,<br />

Vereine) sind, stände einer solchen Ausweitung des Leistungsangebotes aus<br />

ordnungspolitischer Sicht nichts im Wege. Allenfalls müssten Stiftungs- und Vereinsstatuten<br />

angepasst werden.<br />

2. Themenspezifische Rahmenbedingungen<br />

2.1. Wohnen im Alter<br />

Die wichtigste Referenz zum Thema Wohnen im Alter ist <strong>zur</strong>zeit <strong>der</strong> „Age Report 2004“<br />

(Höpflinger 2004). Die folgenden Aussagen stammen, soweit sie die ganze Schweiz<br />

betreffen, aus dessen Zusammenfassung.<br />

Die Zufriedenheit mit <strong>der</strong> aktuellen Wohnsituation ist bei älteren Menschen generell<br />

hoch, Defizite sind eher im Wohnumfeld (Lärm, Erreichbarkeit von Läden usw.) zu finden.<br />

Probleme entstehen, wenn die Wohnung eigentlich zu gross geworden ist und vor<br />

allem weil das Wohnen im Alter in sehr engem Zusammenhang mit dem Thema Gesundheit,<br />

resp. Pflegebedürftigkeit steht. Die meisten Befragten sind sich bewusst,<br />

dass ihre Wohnung nicht unbedingt altersgerecht und schon gar nicht behin<strong>der</strong>tengerecht<br />

gestaltet ist. Dennoch wollen die meisten erst dann über einen Wohnungswechsel<br />

nachdenken, wenn sie selber mit konkreten Erschwernissen konfrontiert sind. Denn<br />

am liebsten möchten alle, z. T. auch aus wirtschaftlichen Gründen (tiefe Miete in Altwohnungen,<br />

tiefe Hypothekarbelastung im Einfamilienhaus), <strong>bis</strong> zuletzt in <strong>der</strong> angestammten<br />

Wohnung bleiben. „Die hohe Wohnzufriedenheit älterer Menschen … wi<strong>der</strong>spiegelt<br />

nicht allein einen hohen Wohnstandard, son<strong>der</strong>n sie ist auch das Ergebnis<br />

einer gegenseitigen Anpassung von Person und Wohnung. Dadurch werden manche<br />

Wohnungsmängel nicht o<strong>der</strong> nur bedingt wahrgenommen.“<br />

Die Bereitschaft zu einem Wohnungswechsel hängt allerdings auch mit dem verfügbaren<br />

Angebot zusammen, wobei u. a. die Nähe zum <strong>bis</strong>herigen Lebensmittelpunkt und<br />

<strong>der</strong> Preis eine Rolle spielen. Bei einer repräsentativen Umfrage des Vereins für Alterswohnungen<br />

im Jahre 2003 in Münchenstein wurde 71 Mal ein sofortiges, 226 Mal ein<br />

mittelfristiges und 523 Mal ein längerfristiges Interesse an einer Alterswohnung mit<br />

Betreuung geäussert! Zurzeit befinden sich im „Lärchenpark“ 45 Wohnungen im Bau,<br />

drei Viertel sind bereits vermietet (Bezug: Mai 2008). Drei Viertel <strong>der</strong> Mieter stammen<br />

aus Münchenstein, die übrigen wohnen in <strong>der</strong> näheren Umgebung, kommen z. T. aber<br />

ursprünglich auch aus Münchenstein.


<strong>Altersplanung</strong> <strong>Baselland</strong> – <strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>bis</strong> <strong>zur</strong> <strong>stationären</strong> Betreuung 9<br />

Wichtig für die Planung ist auch beim Thema Wohnen die Feststellung, dass die Bedürfnisse<br />

schon heute sehr vielfältig sind und dass die Zukunft nicht im Detail vorausgesagt<br />

werden kann. „Die Wohnbedürfnisse und Wohnwünsche von Menschen sind<br />

auch im Alter unterschiedlich. Dies hängt damit zusammen, dass ältere Menschen unterschiedliche<br />

Lebens- und Wohnerfahrungen hinter sich haben und auch Prozesse<br />

des Alterns individuell verlaufen.“ Zu diesen jetzt schon bestehenden Unterschieden<br />

kommen neue Bedürfnisse hinzu: „Bei <strong>der</strong> Wohnplanung für ältere Menschen führt<br />

deshalb eine Fortschreibung <strong>der</strong> aktuellen Lebens- und Wohnsituation heutiger Rentner<br />

und Rentnerinnen in die Irre, da zukünftige Rentnergenerationen an<strong>der</strong>e Lebensund<br />

Wohnvorstellungen aufweisen, als dies gegenwärtig beobachtet werden kann.“<br />

Der Differenzierungsprozess bei Wohnformen ist bereits in vollem Gange, vor allem<br />

dort, wo beson<strong>der</strong>e Pflegebedürfnisse auftreten. „Die Wohnmöglichkeiten selbst für<br />

hilfs- und pflegebedürftige ältere Menschen beschränken sich heute kaum mehr auf die<br />

Alternative „Daheim o<strong>der</strong> Heim“. Sie umfassen immer mehr unterschiedliche Formen<br />

eines betreuten Wohnens. … Die Grenzen betreuten Wohnens zeigen sich vielfach bei<br />

schwerer Pflegebedürftigkeit und speziell bei demenziellen Erkrankungen (sofern nicht<br />

eine intensive Betreuung durch pflegende Angehörige sichergestellt ist).“<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen und Handlungsfel<strong>der</strong>:<br />

• Angesichts <strong>der</strong> Vielfalt an Vorstellungen über das Wohnen im Alter stellt sich die<br />

Frage, ob <strong>der</strong> Angebotsmix den heute schon vorhandenen unterschiedlichen Bedürfnissen<br />

<strong>der</strong> verschiedenen Altersgruppen und <strong>der</strong> unterschiedlichen Pflegebedürftigkeit<br />

entspricht und ob er so flexibel verän<strong>der</strong>t werden kann, dass er auf die<br />

zu erwartenden Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Nachfrage innert nützlicher Zeit reagieren<br />

kann.<br />

• Angesichts <strong>der</strong> Tatsache, dass sehr viele Menschen die Frage einer Anpassung<br />

<strong>der</strong> Wohnsituation an die Bedürfnisse des Alters verdrängen, stellt sich die Frage,<br />

wie diese Menschen dazu motiviert werden können, sich frühzeitiger, d. h. bevor z.<br />

B. ein Unfall die Frage hochakut werden lässt, mit dem Problem zu beschäftigen<br />

und nach geeigneten Lösungen zu suchen.<br />

• In diesen Zusammenhang gehört auch die Frage, ob es allenfalls mit wirtschaftlichen<br />

(z. B. steuerlichen) Anreizen in irgendeiner Form möglich wäre, ältere Menschen<br />

dazu zu motivieren, die zu gross gewordene, in <strong>der</strong> Regel aber kostengünstige<br />

Wohnung, resp. das Haus zu verlassen und diesen Wohnraum jüngeren Familien<br />

<strong>zur</strong> Verfügung zu stellen, was auch aus sozialpolitischen und raumplanerischen<br />

Gründen wünschbar wäre.<br />

• Wenn die Wohnungsgrösse stimmt, stellt sich die Frage, ob die Wohnung mit einfachen<br />

baulichen Än<strong>der</strong>ungen altersgerechter gestaltet werden kann, womit auch<br />

ein Beitrag <strong>zur</strong> Unfallprävention geleistet wäre. Genügt das bestehende Beratungsangebot?<br />

Wissen Handwerker und Architekten, wie eine altersgerechte Wohnung<br />

auszusehen hat?<br />

• Der Kanton <strong>Baselland</strong> dürfte bei <strong>der</strong> Anpassung des Wohnungsbestandes an die<br />

Bedürfnisse älterer Menschen beson<strong>der</strong>s gefor<strong>der</strong>t sein. Denn vor allem im Agglomerationsgürtel<br />

sind in den letzten Jahrzehnten sehr viele Wohnungen und Einfamilienhäuser<br />

entstanden, die beson<strong>der</strong>s auf die Zielgruppe Familie mit Kin<strong>der</strong>n<br />

ausgerichtet und somit in den meisten Fällen nicht altersgerecht konzipiert sind.<br />

• Modelle betreuten Wohnens sind in voller Entwicklung. Sie müssen einerseits ständig<br />

an neue Herausfor<strong>der</strong>ungen angepasst werden, an<strong>der</strong>seits sollte <strong>der</strong> Erfah-


<strong>Altersplanung</strong> <strong>Baselland</strong> – <strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>bis</strong> <strong>zur</strong> <strong>stationären</strong> Betreuung<br />

rungsaustausch intensiviert werden, damit neue Projekte vermehrt von schon realisierten<br />

Projekten profitieren können.<br />

• Neben <strong>der</strong> Wohnsituation im engeren Sinne darf das Wohnumfeld und die Erreichbarkeit<br />

von Dienstleistungen für das tägliche Leben nicht vergessen werden. Ihre<br />

Qualität kann einen positiven Beitrag leisten, damit das Leben in angestammter<br />

Umgebung länger möglich ist.<br />

2.2. Pflegebedürftigkeit und Pflegeformen<br />

Höpflinger und Mitautorinnen haben verschiedene Publikationen zum Thema Pflegebedürftigkeit<br />

im Alter und ihre voraussichtliche Entwicklung verfasst (siehe Quellen).Sie<br />

kommen zusammenfassend zu folgenden Schlüssen:<br />

„Insgesamt zeigt sich bei <strong>der</strong> Pflegebedürftigkeit älterer Menschen allgemein wie auch<br />

bei den untersuchten ausgewählten Altersrisiken, dass <strong>der</strong> Pflegebedarf demografisch<br />

bedingt ansteigen wird. Der Anstieg wird aber mit grosser Wahrscheinlichkeit weniger<br />

drastisch sein, als dies eine lineare Fortschreibung <strong>der</strong> heutigen Pflegebedürftigkeit<br />

aufgrund <strong>der</strong> demografischen Entwicklung befürchten lässt. …Gleichzeitig wird deutlich,<br />

dass eine breitere Umsetzung <strong>der</strong> heute schon bekannten und erfolgreich getesteten<br />

<strong>Prävention</strong>s- und Interventionsstrategien die demographischen Effekte weiter wirksam<br />

abschwächen kann“ (Höpflinger/Hugentobler 2003, S.18).<br />

„Aber auch unter günstigen Rahmenbedingungen wird aufgrund des Alterns geburtenstarker<br />

Jahrgänge die Zahl pflegebedürftiger älterer Menschen - und dabei namentlich<br />

auch demenzkranker alter Menschen - ansteigen. Der Effekt demografischer Alterung<br />

kann abgeschwächt, aber nicht vollständig aufgehoben werden“ (Höpflinger/Hugentobler<br />

2003, S. 18). Beizufügen wäre, dass beson<strong>der</strong>s auch die Zahl depressiver Menschen<br />

(siehe nächsten Abschnitt) und sehbehin<strong>der</strong>ter Menschen aller Voraussicht nach<br />

zunehmen wird. Wie gross <strong>der</strong> Schwankungsbereich und wie „unzuverlässig“ rein statistische<br />

Extrapolationen für die <strong>Altersplanung</strong> sind, zeigt das folgende Zitat von<br />

Höpflinger (2005): „Schon bei leicht reduzierten Pflegebedürftigkeitsquoten erreicht die<br />

Zahl älterer pflegebedürftiger Menschen erst im Jahr 2020 jene Zahl, die bei unverän<strong>der</strong>ten<br />

Quoten schon im Jahr 2010 zu beobachten wäre.“<br />

Eine zentrale Rolle spielen schon heute und vermehrt noch in Zukunft die psychogeriatrischen<br />

Erkrankungen, wobei es um zwei Gruppen von Menschen geht: einerseits<br />

um chronisch psychisch kranke Menschen, die alt geworden sind, an<strong>der</strong>seits um Menschen,<br />

die erst im höheren Alter eine psychische Beeinträchtigung entwickeln. Zu dieser<br />

zweiten Gruppe gehören Erkrankungen und Störungen, die auch in jüngerem Alter<br />

auftreten können und sich teils im Alter in etwas unterschiedlicher Weise manifestieren<br />

(namentlich Depressionen), sowie zusätzlich alle erst im Alter auftretenden Störungen<br />

(hauptsächlich die verschiedenen Formen von Demenz) (nach „Folgeplanung II“, siehe<br />

Quellen). Die Kantonalen Psychiatrischen Dienste (KPD) von <strong>Baselland</strong> haben in<br />

ihrer „Folgeplanung II zum Psychiatriekonzept des Kantons Basel-Landschaft“ (2003)<br />

u. a. auch den Ist-Zustand in <strong>der</strong> Alterspsychiatrie ausführlich dargestellt und die nötigen<br />

Schlussfolgerungen gezogen. Alles in allem wird ein hoher Handlungsbedarf festgestellt,<br />

wie folgende Zitate aus dem „Fazit“ beweisen: „In den Spitälern und Heimen<br />

sind sehr viele Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen untergebracht, die kaum<br />

einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Abklärung und Behandlung zugewiesen<br />

werden. Das Personal in den Heimen ist in <strong>der</strong> grossen Mehrheit psychiatrisch nicht<br />

ausgebildet und dementsprechend überfor<strong>der</strong>t. Der Psychopharmakagebrauch muss<br />

als vergleichsweise sehr hoch angesehen werden. … Es fehlt ein alterspsychiatrisches<br />

Dach für die vielen unspezialisierten Institutionen. Die Problematik wird dadurch akzentuiert,<br />

dass die Pflege und Betreuung <strong>der</strong> alten Menschen Sache <strong>der</strong> Gemeinden ist<br />

10


<strong>Altersplanung</strong> <strong>Baselland</strong> – <strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>bis</strong> <strong>zur</strong> <strong>stationären</strong> Betreuung<br />

und eine zentrale Steuerung und Planung fehlt.“ Dieser Befund ist durch die Diplomarbeit<br />

von Wernli (2007) anhand einer Erhebung in den Baselbieter Heimen im Jahr 2006<br />

sehr deutlich unterstrichen worden. Der in <strong>der</strong> Folgeplanung II vorgeschlagene Alterspsychiatrische<br />

Dienst (APD) innerhalb <strong>der</strong> KPD ist <strong>zur</strong>zeit im Aufbau begriffen.<br />

Die geschil<strong>der</strong>te Überfor<strong>der</strong>ung dürfte bei <strong>der</strong> Pflege psychisch kranker Menschen<br />

durch Angehörige und durch Spitexdienste nicht geringer sein – im Gegenteil.<br />

Die Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung <strong>der</strong> quantitativen und qualitativen<br />

Ausprägungen <strong>der</strong> Pflegebedürftigkeit älterer Menschen spiegelt sich in einer Unsicherheit,<br />

welche Pflegeformen in welcher Anzahl in Zukunft <strong>zur</strong> Verfügung gestellt<br />

werden müssen. Das Statistische Amt hat für den Kanton <strong>Baselland</strong> aus <strong>der</strong> Altersprojektion<br />

eine Prognose für die benötigte Bettenkapazität nach APH-Regionen abgeleitet<br />

und dem Ist-Zustand gegenübergestellt. Die zahlenmässige Zunahme <strong>der</strong> Gruppe<br />

<strong>der</strong> Hochaltrigen spiegelt sich in <strong>der</strong> prognostizierten Zunahme des Bettenbedarfs,<br />

denn <strong>der</strong> Prognose wird ein fixer Wert von 21 Betten pro 100 Personen über 79 Jahren<br />

zugrunde gelegt. Im Begleitbrief <strong>der</strong> Volkswirtschafts- und Sanitätsdirektion wird darauf<br />

hingewiesen, dass dieser Wert in den Planungen <strong>der</strong> Kantone sehr stark schwankt und<br />

eine Spannweite von 16 – 30 Betten (!) pro 100 Personen in dieser Altersgruppe festzustellen<br />

ist. Der im Kanton <strong>Baselland</strong> verwendete Wert ist etwa gleich hoch wie <strong>der</strong>jenige,<br />

<strong>der</strong> im Kanton Basel-Stadt <strong>zur</strong> Anwendung kommt. Der zukünftige Wert wird nicht<br />

nur von <strong>der</strong> weiteren Entwicklung <strong>der</strong> Pflegebedürftigkeit, son<strong>der</strong>n zusätzlich auch von<br />

an<strong>der</strong>en Faktoren beeinflusst werden (z. B. verkürzte Aufenthaltsdauer in Spitälern,<br />

Bereitschaft und Möglichkeiten <strong>zur</strong> Pflege in <strong>der</strong> Familie, Erfolg von <strong>Prävention</strong>smassnahmen<br />

usw.). Noch unsicherer werden solche Prognosen durch die Tatsache, dass<br />

nicht nur <strong>der</strong> „Wert 21“ hinterfragt werden kann, son<strong>der</strong>n dass es auch noch verschiedene<br />

Modelle für die Bevölkerungsprognose, d. h. für die Berechnung <strong>der</strong> Anzahl<br />

hochaltriger Personen zu einem zukünftigen Zeitpunkt, gibt. Eine kürzliche Überprüfung<br />

in <strong>der</strong> Gemeinde Muttenz durch Frau Prof. Dr. R. Schnei<strong>der</strong>-Sliwa von <strong>der</strong> Universität<br />

Basel hat bei gleichem Pflegebettenfaktor, aber einem an<strong>der</strong>en Prognosemodell<br />

einen tieferen Bettenbedarf als vom Kanton ermittelt ergeben; sie schlägt deshalb folgerichtig<br />

vor, kombinierte Lösungen anzustreben und auch mit an<strong>der</strong>en Gemeinden<br />

über Ausweichmöglichkeiten zu verhandeln.<br />

Neben <strong>der</strong> Betreuung und Pflege zuhause durch Privatpersonen und Spitexdienste und<br />

<strong>der</strong>jenigen im Heim sind in den letzten Jahren verschiedene ergänzende Angebote<br />

entstanden (betreutes Wohnen, Pflegewohngruppen usw.). Insgesamt ist das Angebot<br />

vielfältiger, aber auch unübersichtlicher geworden. Für Betroffene und <strong>der</strong>en Angehörige<br />

ist es nicht immer leicht, eine kompetente umfassende Beratung zu finden. Dazu<br />

kommt, dass die verschiedenen Leistungserbringer (inkl. Spitäler!) vielerorts noch zu<br />

wenig vernetzt sind und kaum so etwas wie ein „case management“ existiert. Es besteht<br />

die Gefahr, dass ein solches zu einseitig aus finanzieller Sicht heraus betrachtet<br />

und von den Krankenversicherern dominiert wird.<br />

Die Berner Fachhochschule für soziale Arbeit definiert diesen Begriff wie folgt (Internet):<br />

Case Management ist eine koordinierte Intervention mehrerer Akteurinnen o<strong>der</strong> Akteure <strong>zur</strong> Bearbeitung<br />

komplexer menschlicher Problemlagen. In einem systematisch geführten, kooperativen Prozess werden<br />

auf den individuellen Bedarf abgestimmte Dienstleistungen erbracht, um gemeinsam vereinbarte Ziele und<br />

Wirkungen effizient zu erreichen. Case Management stellt über professionelle und institutionelle Grenzen<br />

hinweg einen Versorgungszusammenhang her. Es respektiert die Autonomie <strong>der</strong> Klientinnen und Klienten,<br />

und es nutzt und schont die Ressourcen im Klientel- sowie im Unterstützungssystem.<br />

11


<strong>Altersplanung</strong> <strong>Baselland</strong> – <strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>bis</strong> <strong>zur</strong> <strong>stationären</strong> Betreuung<br />

An verschiedenen Orten sind Überlegungen im Gange, wie eine bessere Vernetzung<br />

<strong>der</strong> Betreuungs- und Pflegeangebote erreicht werden könnte. Zum Teil sind auch<br />

schon Massnahmen eingeleitet worden. So wurden etwa in Therwil Spitex und Pflegeheim<br />

organisatorisch zusammengelegt o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> zürcherischen Gemeinde<br />

Hombrechtikon wird eine kommunale selbstständige Institution „Homecare“ gegründet,<br />

welche die gesamte Altersbetreuung <strong>der</strong> Gemeinde übernimmt.<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen und Handlungsfel<strong>der</strong>:<br />

• Die Experten sind sich einig, dass die Zahl pflegebedürftiger älterer Menschen zunehmen<br />

wird. Wie stark die demografisch bedingte Zunahme abgebremst werden<br />

kann, hängt von vielen Faktoren ab, weshalb zuverlässige quantitative Angaben<br />

über die Pflegebedürftigkeit nicht möglich sind. Die <strong>Altersplanung</strong> muss deshalb<br />

von einer Bandbreite ausgehen, die tatsächliche Entwicklung genau verfolgen und<br />

sich möglichst flexibel an die Entwicklung anpassen.<br />

• Dasselbe gilt für die qualitative Entwicklung <strong>der</strong> Pflegebedürftigkeit. Auch hier entscheiden<br />

verschiedene Faktoren, welcher Art die Pflegebedürftigkeit in Zukunft sein<br />

wird. Immerhin sagen die Experten voraus, dass infolge des durchschnittlich höheren<br />

Alters <strong>der</strong> pflegebedürftigen Personen die so genannte Multimorbidität zunehmen<br />

wird, was höhere Ansprüche an die Kompetenzen <strong>der</strong> Pflegenden stellen wird.<br />

• Der Umgang mit alterspsychiatrischen Erkrankungen ist ein zentraler Punkt bei <strong>der</strong><br />

Betreuung und Pflege älterer Menschen und wird an Bedeutung noch zunehmen.<br />

Es besteht bei allen Pflegeformen (privat, Spitex, teilstationär und stationär) ein<br />

grosser Handlungsbedarf in den Bereichen Aus- und Weiterbildung und konsiliarische<br />

Unterstützung und Beratung. Die Bemühungen des Kantons für einen Alterspsychiatrischen<br />

Dienst (APD) sind zu unterstützen und wenn möglich zu beschleunigen,<br />

sowie bei allen Leistungserbringern durch <strong>der</strong> Situation angepasste Massnahmen<br />

zu ergänzen. Neben <strong>der</strong> häufig diskutierten Zunahme <strong>der</strong> Demenzerkrankungen<br />

sollten die ebenfalls verbreiteten depressiven Störungen bei älteren Menschen<br />

nicht vergessen werden, denn es besteht ein Zusammenhang zwischen ihrem<br />

Auftreten und <strong>der</strong> Nachfrage nach medizinischen und an<strong>der</strong>en Leistungen.<br />

• Die <strong>bis</strong>herige Prognose <strong>der</strong> quantitativen Entwicklung einzelner Pflegeformen (insbeson<strong>der</strong>e<br />

die Berechnung <strong>der</strong> benötigten Bettenkapazität für die stationäre Pflege)<br />

geht von einer linearen Entwicklung aus. Diese wenig flexible Betrachtung birgt<br />

die Gefahr von Fehlinvestitionen in sich, was sich beson<strong>der</strong>s bei fixen baulichen<br />

Strukturen als fatal erweisen könnte. Es drängt sich auf, beim Ausbau <strong>der</strong> Pflegeangebote<br />

in flexibel verwendbare Lösungen zu investieren, damit zu einem späteren<br />

Zeitpunkt Schwankungen in <strong>der</strong> Nachfrage zwischen den verschiedenen Angebotsformen<br />

ausgeglichen werden können (Spitex, Tages-/Nachtstrukturen, stationäre<br />

Angebote in Heimen, Pflegewohngruppen, betreutes Wohnen usw.). Im Weiteren<br />

drängt sich auch eine vermehrte Kooperation zwischen einzelnen Gemeinden<br />

auf, damit Schwankungen bei <strong>der</strong> effektiven Nachfrage nach Pflegeleistungen auch<br />

auf dieser „horizontalen Ebene“ aufgefangen werden können.<br />

• Es besteht ein Bedarf an besserer Vernetzung <strong>der</strong> verschiedenen Leistungserbringer<br />

und an umfassen<strong>der</strong> Beratung und Abklärung (case management). Die Bildung<br />

eigentlicher Kompetenzzentren für die Betreuung und Pflege älterer Menschen in<br />

den Gemeinden (o<strong>der</strong> in Gemeindegruppen) drängt sich auf, wobei verschiedene<br />

Formen <strong>der</strong> intensiveren Zusammenarbeit denkbar und in einzelnen Fällen auch<br />

schon realisiert sind. Diese For<strong>der</strong>ung ist umso dringen<strong>der</strong>, als sich Verän<strong>der</strong>ungen<br />

abzeichnen o<strong>der</strong> schon im Gange sind, die eine ganzheitlichere Betrachtung nötig<br />

machen. Dazu gehören z. B. die frühere Entlassung aus dem Spital (u. a. eine Fol-<br />

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<strong>Altersplanung</strong> <strong>Baselland</strong> – <strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>bis</strong> <strong>zur</strong> <strong>stationären</strong> Betreuung<br />

ge <strong>der</strong> Fallpauschalen) o<strong>der</strong> die Zunahme <strong>der</strong> ambulanten Behandlung im Spital,<br />

die beide eine intensivere Übergangspflege zuhause o<strong>der</strong> im Heim nötig machen.<br />

• Eine gesamtheitliche Betrachtung drängt sich aber nicht nur im Hinblick auf die<br />

Bedürfnisse <strong>der</strong> betroffenen älteren Menschen auf, son<strong>der</strong>n auch wegen <strong>der</strong> hohen<br />

Komplexität des Betreuungs- und Pflegesystems. So führt z. B. eine verstärkte Spitexpflege<br />

bei hochaltrigen Personen zwar zu einer Verschiebung des Heimeintritts,<br />

gleichzeitig aber auch zu mehr Spitaleintritten. Eingriffe in das System sind deshalb<br />

immer mit Blick aufs Ganze vorzunehmen, auch wenn das aktuelle Finanzierungssystem<br />

dies nicht gerade erleichtert.<br />

2.3. Wer betreut und pflegt?<br />

Bei <strong>der</strong> Frage „Wer betreut und pflegt?“ ist zu unterscheiden zwischen <strong>der</strong> informellen<br />

Pflege zu Hause durch Angehörige, Freunde o<strong>der</strong> Nachbarn und <strong>der</strong> formellen Pflege<br />

durch Berufsleute zu Hause, ambulant, teilstationär o<strong>der</strong> stationär in einer speziell<br />

dafür eingerichteten Institution. Die beiden Pflegeformen sind keine Alternative, son<strong>der</strong>n<br />

haben einen Überschneidungsbereich, wenn etwa Spitexpflege zusätzlich <strong>zur</strong><br />

privaten Pflege in Anspruch genommen wird o<strong>der</strong> wenn sich privat Gepflegte vorübergehend<br />

in einer Institution aufhalten. Formelle Hilfe und Pflege hilft sogar häufig, die<br />

informelle Pflege länger aufrechtzuerhalten, indem sie einer Überlastung und Überfor<strong>der</strong>ung<br />

vorbeugt.<br />

Mehr als die Hälfte <strong>der</strong> pflegebedürftigen älteren Menschen wird zuhause von Angehörigen<br />

gepflegt. Wie sich dieses Potenzial entwickeln wird, ist schwierig vorauszusagen<br />

und die Meinungen darüber gehen auseinan<strong>der</strong>. Rein demografisch gesehen, nimmt<br />

die Zahl Hochbetagter mit Nachkommen kurz- und mittelfristig zu. Ob diese Nachkommen<br />

aber angesichts von räumlichen Distanzen, hoher Erwerbsquote und Inanspruchnahme<br />

durch an<strong>der</strong>e soziale Aufgaben willens und in <strong>der</strong> Lage sind, Betreuungs- und<br />

Pflegeaufgaben zu übernehmen, ist eine offene Frage. Befragungen in Deutschland<br />

haben ergeben, dass zwar die Bereitschaft zum Engagement immer noch vorhanden<br />

ist, vor allem aber in besser gestellten Schichten durch den Wunsch nach Freiheit für<br />

die eigene Lebensgestaltung konkurrenziert wird („Lieber sich im Pflegeheim <strong>zur</strong> Verfügung<br />

stellen als die eigene Mutter zuhause pflegen“). Für Hilfestellungen im Alltag,<br />

weniger für eine intensive Pflege, dürften die zunehmenden Altersfreundschaften eine<br />

gewisse Kompensation für ein allenfalls geringeres Engagement <strong>der</strong> Nachkommen<br />

darstellen.<br />

Die formelle Betreuung und Pflege erlebt <strong>zur</strong>zeit sehr stark die Auswirkungen <strong>der</strong> Neuordnung<br />

in <strong>der</strong> Ausbildung dieser Berufszweige, vor allem durch die Einführung <strong>der</strong><br />

Berufslehren für Betreuung (FABE) und Pflege (FAGE). Ob damit und mit den weiterführenden<br />

Bildungsangeboten auf Fachhochschulniveau die Bedürfnisse <strong>der</strong> Praxis in<br />

qualitativer und vor allem in quantitativer Hinsicht wirklich abgedeckt werden können,<br />

ist fraglich. Was die quantitative Seite bei <strong>der</strong> Pflege betrifft, liefert die Studie <strong>der</strong> Firma<br />

Swiss medical consulting (smeco) von 2006 ein alarmierendes Bild. Die beiden Kantone<br />

<strong>Baselland</strong> und Basel-Stadt können den Bedarf bereits ab 2009 aus eigenen Kräften<br />

bei Weitem nicht mehr decken und sind deshalb gezwungen, noch vermehrt Fachkräfte<br />

aus dem Ausland zu rekrutieren, da die Situation in an<strong>der</strong>en Kantonen nicht viel<br />

besser ist. Längerfristig wird aber auch dies mindestens mit Bezug auf Deutschland<br />

schwierig werden, da sich die Situation auch auf dem dortigen Arbeitsmarkt aus demografischen<br />

Gründen verschärfen wird. Die Gründe für den Mangel an Pflegepersonal<br />

sind vielfältig: Konkurrenz durch attraktivere Berufe bei guter Wirtschaftslage, ungenügende<br />

Zahl von Ausbildungs- und Praktikumsplätzen, hohe Hürden für die Zulassung<br />

<strong>zur</strong> Diplomausbildung usw. Die Langzeitpflege älterer Menschen dürfte diese schwieri-<br />

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<strong>Altersplanung</strong> <strong>Baselland</strong> – <strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>bis</strong> <strong>zur</strong> <strong>stationären</strong> Betreuung<br />

ge Situation überdurchschnittlich stark zu spüren bekommen, gilt doch dieser Bereich<br />

<strong>der</strong> Pflege aus verschiedenen Gründen nicht unbedingt als beson<strong>der</strong>s attraktiv.<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen und Handlungsfel<strong>der</strong>:<br />

• Die Betreuung und Pflege älterer Menschen im Rahmen von Familie, Nachbarschaft<br />

und Freundeskreis muss ein wichtiger Pfeiler <strong>der</strong> Alterspolitik bleiben. Dazu<br />

braucht es einerseits eine bessere gesellschaftliche Anerkennung dieser meist im<br />

Stillen geleisteten und oft mit persönlichem Verzicht verbundenen Arbeit. An<strong>der</strong>seits<br />

braucht es eine optimale Unterstützung <strong>der</strong> Pflegenden durch Beratung und<br />

Entlastung, damit diese Pflegenden nicht selber zum Pflegefall werden. Dabei geht<br />

es nicht nur um die möglichst kundengerechte Gestaltung von Angeboten, son<strong>der</strong>n<br />

auch darum, dass diese Angebote auch tatsächlich ohne falsche Scham genutzt<br />

werden. Neben Entlastungsangeboten braucht es auch Wissensvermittlung, beson<strong>der</strong>s<br />

bei anspruchsvollen Krankheitsbil<strong>der</strong>n. Eine spezielle Zielgruppe bilden<br />

Männer, die infolge <strong>der</strong> Angleichung <strong>der</strong> Lebenserwartung im höheren Alter in Zukunft<br />

häufiger als <strong>bis</strong>her mit <strong>der</strong> Übernahme von Haushaltführung und Pflege konfrontiert<br />

sind. Indirekt kann mit solchen Angeboten an die Betreuenden auch ein<br />

Beitrag an die Qualitätssicherung in <strong>der</strong> Pflege und an die Vermeidung von psychischer<br />

o<strong>der</strong> körperlicher Gewalt im häuslichen Rahmen geleistet werden.<br />

• Im Bereich <strong>der</strong> formellen Betreuung und Pflege durch Berufsleute droht schon in<br />

den allernächsten Jahren ein markanter Personalengpass. Es besteht die Gefahr<br />

einer sich negativ verstärkenden Entwicklung. Denn je schwieriger die Personalsituation<br />

wird, desto eher ist das vorhandene Personal geneigt, einen Stellen- o<strong>der</strong><br />

sogar Berufswechsel vorzunehmen. Schweizerische Untersuchungen in den Jahren<br />

2002/3 ergaben, dass zwar die Zufriedenheit des Personals in <strong>der</strong> Langzeitpflege<br />

sehr hoch ist, dass aber immerhin 17% im <strong>stationären</strong> Bereich und 13% im<br />

ambulanten Bereich ganz aus <strong>der</strong> Pflege aussteigen möchten, wobei dies vor allem<br />

jüngere Personen mit einem Pensum von 80% und mehr sind. Daraus ergibt sich<br />

eine dreifache Herausfor<strong>der</strong>ung: die Zahl <strong>der</strong> neu auszubildenden Berufsleute auf<br />

das nötige Niveau anheben, die Zufriedenheit <strong>der</strong> zufriedenen Angestellten erhalten<br />

und die Unzufriedenheit <strong>der</strong> unzufriedenen Angestellten abbauen.<br />

2.4. <strong>Prävention</strong><br />

Die neuste Referenz zum Thema <strong>Prävention</strong> für das Alter und im Alter sind die Ergebnisse<br />

aus dem Gesundheitsprofil-Projekt zu diesem Thema (Blozik u.w. 2007). Die<br />

Ergebnisse sind eindeutig, wie einige Zitate aus den Schlussfolgerungen zeigen:<br />

1. „Bei fast allen älteren, zu Hause lebenden Personen liegt ein bedeutendes Potential<br />

brach sowohl für die Gesundheitsför<strong>der</strong>ung als auch für die <strong>Prävention</strong>.<br />

Es bestehen beachtliche Defizite im Vorsorge- und Gesundheitsverhalten in <strong>der</strong><br />

älteren Bevölkerung. Darüber hinaus besteht ein dringen<strong>der</strong> Bedarf an effizienten<br />

Methoden <strong>zur</strong> För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Gesundheit älterer, selbständig leben<strong>der</strong> Personen.“<br />

2. „Würden diese Defizite in Zukunft angegangen werden, liesse sich <strong>der</strong> Anteil<br />

behin<strong>der</strong>ungsfreier Lebensjahre bei älteren und alten Menschen voraussichtlich<br />

in einem kostenrelevanten Ausmass erhöhen. …“<br />

3. „Das Gesundheitsverhalten in früheren Lebensphasen bestimmt den Gesundheitszustand<br />

und das Gesundheitsverhalten im Alter. … Gesundheitsför<strong>der</strong>ung<br />

in <strong>der</strong> älteren Bevölkerung ist immer im Kontext mit wirksamen Gesundheitsför<strong>der</strong>ungs-<br />

und <strong>Prävention</strong>sanstrengungen in Kindheit, Adoleszenz und jüngerem<br />

Erwachsenenalter zu sehen.“<br />

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<strong>Altersplanung</strong> <strong>Baselland</strong> – <strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>bis</strong> <strong>zur</strong> <strong>stationären</strong> Betreuung<br />

4. „Gesundheitliche Risikofaktoren, Krankheit und Funktionseinbussen sind in <strong>der</strong><br />

älteren, zu Hause lebenden Bevölkerung sehr heterogen verteilt. Dementsprechend<br />

sollten gesundheitspolitische Massnahmen dieser Heterogenität mit zielgruppenspezifischen<br />

Ansätzen Rechnung tragen.“<br />

Im Kanton <strong>Baselland</strong> ist das Thema <strong>Prävention</strong> aufgenommen worden, konkrete Ergebnisse<br />

liegen aber noch nicht vor (Vorlage an den Landrat für Pilotprojekt in Vorbereitung).<br />

Weiter fortgeschritten ist <strong>der</strong> Kanton Solothurn, <strong>der</strong> mit dem Projekt „Sanaprofil<br />

Solothurn“ ein flächendeckendes Angebot an alle über 65-Jährigen macht mit dem<br />

Ziel, <strong>der</strong>en Lebensqualität und Gesundheit zu erhalten und zu verbessern und damit<br />

auch die medizinischen, sozialen und pflegerischen Kosten längerfristig zu senken.<br />

<strong>Prävention</strong> sollte aber über die gesundheitlichen Aspekte hinausgehen und auch noch<br />

in einem weiteren Sinne als Vorbereitung auf das Leben im Alter verstanden werden.<br />

Dazu gehören ganz unterschiedliche Bereiche, wie etwa die bereits erwähnte Anpassung<br />

einer Wohnung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Wechsel aus einem Haus in eine altersgerechte Wohnung,<br />

aber auch die Erhaltung <strong>der</strong> geistigen Fitness o<strong>der</strong> das Erwerben o<strong>der</strong> Verbessern<br />

von Fähigkeiten wie z. B. Pflege von Angehörigen (auch für Männer) o<strong>der</strong> Haushaltführung<br />

(beson<strong>der</strong>s für Männer).<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen und Handlungsfel<strong>der</strong>:<br />

• Das Potenzial von Massnahmen <strong>zur</strong> Vorsorge und <strong>zur</strong> Gesundheitsför<strong>der</strong>ung ist so<br />

gross, dass eine konsequente <strong>Prävention</strong>spolitik durchaus in <strong>der</strong> Lage ist, wichtige<br />

Parameter für die <strong>Altersplanung</strong> im Bereich Betreuung und Pflege deutlich zu beeinflussen<br />

(z. B. Spitaleinweisungen nach Unfällen mit nachheriger Verlegung in<br />

ein Pflegeheim bei hochaltrigen Personen). Aber nicht nur deshalb, son<strong>der</strong>n vor allem<br />

auch <strong>zur</strong> Erhöhung <strong>der</strong> Lebensqualität älterer Menschen ist dieses Potenzial<br />

auszunützen.<br />

• <strong>Prävention</strong> betrifft sehr unterschiedliche Aspekte: Bewegungsmangel, Fitnessverlust,<br />

Suchtverhalten, Ernährungsfehler usw. Entsprechend multidisziplinär muss<br />

das Vorgehen gewählt werden.<br />

• Ein wichtiges Zielpublikum für <strong>Prävention</strong>smassnahmen im Hinblick auf das Alter ist<br />

die Bevölkerungsgruppe zwischen 50 und 65 Jahren, da hier Weichen, die <strong>bis</strong>her<br />

falsch gestellt wurden, noch (wenigstens teilweise) umgestellt werden können. Verstärkte<br />

Anstrengungen für diese Altersgruppe sind eine Langfristinvestition für die<br />

nächste Generation von <strong>Altersplanung</strong>en.<br />

• Neben <strong>der</strong> Gesundheitsprävention ist auch <strong>der</strong> übrigen Vorbereitung auf das Leben<br />

im Alter vermehrt Aufmerksamkeit zu schenken. Eine länger anhaltende persönliche<br />

Autonomie in <strong>der</strong> Lebensführung verringert die Notwendigkeit, externe Hilfe<br />

beiziehen zu müssen.<br />

2.5. Migrantinnen und Migranten<br />

Das Thema „Migrantinnen und Migranten im Alter“ ist noch nicht sehr alt. Es zeichnet<br />

sich aber ab, dass immer mehr Personen ausländischer Herkunft entgegen ihren ursprünglichen<br />

Absichten nicht in ihr Heimatland <strong>zur</strong>ückkehren, wenn sie ins Rentenalter<br />

kommen. Ihre Zahl wird deshalb in kurzer Zeit deutlich zunehmen. Die Gründe dafür<br />

liegen vor allem in <strong>der</strong> angestrebten Nähe zu Kin<strong>der</strong>n und Grosskin<strong>der</strong>n und vielleicht<br />

auch in einer gewissen Entfremdung <strong>zur</strong> alten Heimat. Es dürfte nur eine Frage <strong>der</strong><br />

Zeit sein, <strong>bis</strong> sich die in Familien aus an<strong>der</strong>en Kulturkreisen noch stärker ausgeprägte<br />

Familiensolidarität auch etwas lockert und <strong>zur</strong> „Intimität auf Distanz“ wird. Damit stellt<br />

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<strong>Altersplanung</strong> <strong>Baselland</strong> – <strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>bis</strong> <strong>zur</strong> <strong>stationären</strong> Betreuung<br />

sich schnell die Frage, was das für die Betreuung und Pflege im Alter aus gesamtgesellschaftlicher<br />

Sicht bedeutet.<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen und Handlungsfel<strong>der</strong>:<br />

• Angesichts <strong>der</strong> rasch ansteigenden Zahl von Migrantinnen und Migranten im Rentenalter<br />

gilt es, <strong>der</strong>en spezifische Bedürfnisse abzuklären und herauszufinden, ob<br />

ihnen mit den bestehenden Angeboten entsprochen werden kann. Eine zentrale<br />

Rolle dürfte dabei die Sprachbarriere bilden, denn vor allem Frauen <strong>der</strong> jetzt und in<br />

den nächsten 10-15 Jahren ins Rentenalter kommenden Migrantengeneration haben<br />

Defizite bei <strong>der</strong> Beherrschung <strong>der</strong> deutschen Sprache.<br />

• Noch stärker werden sich je nach Herkunftsland kulturelle Beson<strong>der</strong>heiten (z. B.<br />

Ernährung) und religiöse Anliegen (z. B. spezifische Sterberiten) als Barrieren auswirken.<br />

Einige gemeinnützige Institutionen haben einen klar formulierten, christlich<br />

orientierten Hintergrund. Können und wollen sie sich öffnen o<strong>der</strong> braucht es eventuell<br />

beson<strong>der</strong>e Angebote für einzelne kulturelle Gruppen (Ende 2006 wurde in Berlin-Kreuzberg<br />

ein türkisches Pflegeheim eröffnet)?<br />

• Eine kundengerechte Gestaltung von Angeboten ist noch keine Garantie dafür,<br />

dass sie von den anvisierten Zielgruppen auch in Anspruch genommen werden.<br />

Was ist zu tun, damit solche Angebote (z. B. im Bereich <strong>der</strong> <strong>Prävention</strong>) auch tatsächlich<br />

von Personen mit Migrantenhintergrund genutzt werden?<br />

3. Zusammenfassung<br />

Aus allen hier zusammengetragenen Grundlagen geht hervor, dass für die <strong>Altersplanung</strong><br />

in den Bereichen Betreuung und Pflege viele Unsicherheiten über die Entwicklung<br />

in <strong>der</strong> Zukunft bestehen. Dies betrifft die demografische Entwicklung, die Entwicklung<br />

<strong>der</strong> individuellen Bedürfnisse, die Entwicklung <strong>der</strong> Pflegebedürftigkeit und weitere<br />

wichtige Faktoren. Als erste Schlussfolgerung drängt sich deshalb auf, sich in <strong>der</strong> Planung<br />

weniger mit fixen Planungswerten zu befassen, son<strong>der</strong>n vielmehr mit <strong>der</strong> Bewältigung<br />

<strong>der</strong> Unsicherheiten. Flexible Lösungen sind deshalb gefragt.<br />

Eine weitere Konsequenz aus den ausgewerteten Unterlagen ist, dass <strong>der</strong> alternde<br />

Mensch in Zukunft noch viel mehr als <strong>bis</strong>her aus einer gesamtheitlichen Sicht betrachtet<br />

werden muss. Betreuung und Pflege können nicht von <strong>der</strong> Wohnsituation getrennt<br />

werden, <strong>Prävention</strong> kann entscheidende Weichen für die Gesundheit und das Wohlbefinden<br />

im Alter stellen und die verschiedenen Pflegeformen werden in Zukunft noch viel<br />

fliessen<strong>der</strong> ineinan<strong>der</strong> übergehen, usw. Eine umfassende Zusammenarbeit <strong>der</strong> verschiedenen<br />

Leistungserbringer und eine kompetente Beratung, die den ganzen Menschen<br />

betrachtet, sind gefragt.<br />

Für die <strong>Altersplanung</strong> im Kanton <strong>Baselland</strong> wurden eine ganze Reihe von Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

und Handlungsfel<strong>der</strong>n herausgearbeitet, die nun einer vertiefteren Bearbeitung<br />

unterzogen werden müssen, damit daraus konkrete Empfehlungen an Kanton, Gemeinden,<br />

Fachorganisationen und Leistungserbringer entstehen.<br />

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4. Quellen<br />

<strong>Altersplanung</strong> <strong>Baselland</strong> – <strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>bis</strong> <strong>zur</strong> <strong>stationären</strong> Betreuung<br />

Blozik, Eva und weitere (2007): Gesundheitsför<strong>der</strong>ung und <strong>Prävention</strong> im Alter in <strong>der</strong><br />

Schweiz. Ergebnisse aus dem Gesundheitsprofil-Projekt. Arbeitsdokument<br />

21. Neuchâtel: Schweizerisches Gesundheitsobservatorium.<br />

Bundesrat (2007): Strategie für eine schweizerische Alterspolitik. Bericht des Bundesrates<br />

in Erfüllung des Postulates Leutenegger Oberholzer (03.3541) vom 3.<br />

Oktober 2003. 29. August 2007. Bern<br />

Cordazzo, Valérie (2006): Die Sterblichkeit <strong>der</strong> Schweizer Geburtsjahrgänge 1900 <strong>bis</strong><br />

2030. demos, Informationen aus <strong>der</strong> Demografie 3/2006. Neuchâtel: Bundesamt<br />

für Statistik<br />

Höpflinger, François und Astrid Stuckelberger (1999): Alter-Anziani-Vieillesse. Hauptergebnisse<br />

und Folgerungen aus dem Nationalen Forschungsprogramm<br />

NFP 32. Bern<br />

Höpflinger, François und Astrid Stuckelberger (1999, 2000, 2. Aufl.): Demografische<br />

Alterung und individuelles Altern. Ergebnisse aus dem nationalen Forschungsprogramm<br />

Alter/Vieillesse/Anziani. Zürich: Seismo Verlag<br />

Höpflinger, François und Valérie Hugentobler (2003): Pflegebedürftigkeit in <strong>der</strong><br />

Schweiz. Prognosen und Szenarien für das 21. Jahrhun<strong>der</strong>t. Bern: Verlag<br />

Hans Huber<br />

Höpflinger, François (2004, 2006 2. Aufl.): Traditionelles und neues Wohnen im Alter.<br />

Age Report 2004. Zürich: Seismo Verlag<br />

Höpflinger, François (2005): Demografische Alterung, Langlebigkeit und Pflegebedürftigkeit.<br />

Soziale Sicherheit 5/2005. Bern: Bundesamt für Sozialversicherung<br />

Höpflinger, François und Valérie Hugentobler (2005): Familiale, ambulante und stationäre<br />

Pflege im Alter. Perspektiven für die Schweiz. Bern: Verlag Hans Huber<br />

Höpflinger, François (2007): Wohn- und Lebenssituationen in verschiedenen Altersphasen<br />

– Perspektiven einer kommunalen Alterspolitik. Einführung: Demografische<br />

Alterung und Generationenwandel des Alters. Referat 22. März<br />

2007<br />

Kantonale Psychiatrische Dienste (2003): Folgeplanung II zum Psychiatriekonzept des<br />

Kantons Basel-Landschaft. Bericht <strong>der</strong> Kantonalen Psychiatrischen Dienste<br />

Basel-Landschaft. Liestal: Verlag des Kantons Basel-Landschaft<br />

Prey, Hedwig und weitere (2004): Zur Situation des Personals in <strong>der</strong> schweizerischen<br />

Langzeitpflege. Zürich/Chur: Verlag Rüegger<br />

Regierungsrat Basel-Stadt (2007): Leitlinien für eine umfassende Alterspolitik. RRB<br />

vom 21. August 2007. Gesundheitsdepartement Basel-Stadt, Basel<br />

Statistisches Amt (2005): Bevölkerungsentwicklung und Alter. Statistik <strong>Baselland</strong><br />

1/2005. Liestal: Statistisches Amt des Kantons Basel-Landschaft<br />

Wernli-Buser, Heini (2007): Liaisonpsychiatrie – ein Beitrag zum Wohlbefinden. Behandlungssituation<br />

und Bedarfsabklärung psychisch kranker alter Menschen<br />

in den Alters- und Pflegeheimen im Kanton <strong>Baselland</strong>schaft. Diplomarbeit,<br />

Berner Fachhochschule für Soziale Arbeit<br />

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<strong>Altersplanung</strong> <strong>Baselland</strong> – <strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>bis</strong> <strong>zur</strong> <strong>stationären</strong> Betreuung<br />

Gesetzliche Grundlagen im Kanton Basel-Landschaft<br />

854 || GS 35.0828 || Vom 20. Oktober 2005 || In Kraft seit 1. Januar 2006<br />

Gesetz über die Betreuung und Pflege im Alter (GeBPA)<br />

Revision des Gesetzes im Sommer 2007 im Rahmen <strong>der</strong> Umsetzung des Neuen Finanzausgleichs<br />

(NFA), Än<strong>der</strong>ungen treten per 1.1.2008 in Kraft<br />

854.11 || GS 35.1064 || Vom 5. Dezember 2006 || In Kraft seit 1. Januar 2007<br />

Verordnung zum Gesetz über die Betreuung und Pflege im Alter<br />

854.13 || GS 32.345 || Vom 5. Dezember 1995 || In Kraft seit 1. Januar 1996<br />

Verordnung über die Pflegeheimliste<br />

854.14 || GS 35.0870 || Vom 23. November 2005 || In Kraft seit 1. Januar 2006<br />

Vertrag betreffend Leistungen und Tarife bei Aufenthalt im Pflegeheim im Rahmen <strong>der</strong><br />

obligatorischen Krankenpflegeversicherung KVG (Pflegeheimtarifvertrag des Kantons<br />

Basel-Landschaft). Abschluss eines neuen Vertrags im Sommer 2007; <strong>der</strong> neue Vertrag<br />

tritt per 1.1.2008 in Kraft<br />

900|| GS 25.379 || Vom 10. Dezember 1973 || In Kraft seit 1. Juli 1974<br />

Gesundheitsgesetz<br />

Am 1.1.2008 tritt in Kraft:<br />

189 // GS 36.0265 // Vom 21. Juni 2007 // Gesetz über die Umsetzung NFA und die<br />

Lastenverteilung auf Kanton und Gemeinden<br />

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