Jahresbericht 2008 - im Tobias-Haus Zürich
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Der Rhythmus ist für mich der Grund<br />
aller Dinge. Mit dem Rhythmus beginnt<br />
das Leben, mit dem Herzschlag.<br />
Herbert von Karajan<br />
Rhythmus ist Klang – Klang ist Rhythmus<br />
Es gibt Erinnerungen an Erlebnisse meiner Kindheit, die<br />
eng mit Klängen und Rhythmen verbunden sind. Nicht<br />
nur die arbeitsbedingten Abläufe einer Bauernfamilie und<br />
der Wechsel der Jahreszeiten haben sich mir eingeprägt,<br />
sondern Klänge und Rhythmen der arbeitenden Handwerker<br />
<strong>im</strong> Dorf. Der singende Ton be<strong>im</strong> Holzsägen, dieses<br />
rhythmische Hin und Her, bei dem man sofort hörte, wenn<br />
er wegen eines Astes <strong>im</strong> Holz zum Stocken kam. Oder<br />
die weithin klingenden Töne aus der Schmiede drunten <strong>im</strong><br />
Dorf, dieses rhythmische Schwingen des Hammers be<strong>im</strong><br />
Scharfklopfen der Sense: einige gleichmässige Schläge<br />
auf die Schneide, dazwischen einige kurze, regelmässige<br />
Schläge auf den Amboss. Stundenlang konnte ich zusehen<br />
und vor allem zuhören, indem ich von einer Werkstatt<br />
zur andern wanderte.<br />
Der Schlag aufs Tamburin<br />
Seit Jahren habe ich die schöne Aufgabe mit einigen<br />
Frauen und Männern <strong>im</strong> <strong>Tobias</strong>-<strong>Haus</strong> zu musizieren. Es<br />
sind zwei Gruppen. In der einen herrscht das Melodiöse,<br />
Liedhafte vor. Wir spielen auf Klangstäben einfache<br />
Lieder und Kanons, die den Jahreszeiten entsprechen.<br />
In der anderen Gruppe dominiert das Rhythmische. Das<br />
Instrumentarium besteht aus Tamburin, Rasseln, Trian-<br />
geln, Schlaghölzern und Broomwhackers. Letzteres sind<br />
Plastikröhren, welche auf die Töne C, E, G gest<strong>im</strong>mt sind.<br />
Damit lässt sich sehr gut das rhythmische mit dem melodiösen<br />
verbinden. Wenn nun be<strong>im</strong> Liederspielen Melodie<br />
und Harmonie vorherrschen, sind es be<strong>im</strong> Rhythmusspielen<br />
eben Rhythmus und Takt. Der Takt gibt dem Ganzen<br />
einen Duktus, er soll möglichst genau geschlagen werden.<br />
Wir haben eine Frau in der Gruppe, die das bestens<br />
beherrscht. Der Rhythmus hingegen ist etwas Zyklisches,<br />
keine stereotype Wiederholung. Und in diesem Zusammenhang<br />
wurde mir klar, was ich als Knabe von den<br />
Handwerkern <strong>im</strong> Dorf gelernt habe: Rhythmus ist Klang,<br />
Klang ist Rhythmus, sie bedingen sich gegenseitig. Das<br />
Spannende ist, dass <strong>im</strong> Rhythmus Melos und Harmonie<br />
bereits ke<strong>im</strong>haft eingeschlossen sind – so beschreibt es<br />
Friedrich Oberkogler.<br />
Jede Melodie birgt in sich Rhythmus und ist getragen von<br />
einem Takt (wenigstens was die abendländische Musik<br />
betrifft). Jeder Schlag auf das Tamburin, auf ein hölzernes<br />
oder metallenes Medium schliesst Melodiöses mit ein. Es<br />
ist interessant, dass ein Mann oft während des Klopfens<br />
und Rasselns zu singen beginnt, irgendeine freie Improvisation.<br />
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